DEMENZ WEGWEISER STUTTGART - ANHANG
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DEMENZ WEGWEISER STUTTGART Angebote für demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen in Stuttgart ALLGEMEINES ANGEBOTE WISSENSWERTES ANHANG ZU DEMENZ- IN STUTTGART ZU WEITEREN ADRESSEN/ ERKRANKUNGEN THEMENGEBIETEN INFORMATIONEN
Impressum: Herausgeber: Netzwerk Demenz Stuttgart / Gerontopsychiatrische Arbeitsgemeinschaft Stuttgart (GAGS) e.V. Redaktionsteam: Mitglieder der Arbeitsgruppe „Wegweiser“ im Netzwerk Demenz Stuttgart (Ralf Egenolf-Stohr, Dr. med. Heinz Herbst, Dr. Petra Koczy, Cathleen Schuster, Günther Schwarz, Eva Trede-Kretzschmar) Ansprechpartner für Anregungen, Kritik und Rückmeldungen: Günther Schwarz (Anschrift siehe unter Alzheimer Beratung und Fachberatung Demenz in Kapitel 30.5) Bezugsquellen für den Wegweiser: Der Wegweiser kann in Stuttgart bei den acht im Stadtgebiet verteilten Gerontopsychiatrischen Beratungsstellen (GerBera), den 18 Stadtteilbüros des Bürgerservice Leben im Alter, der Fachberatung Demenz und der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. kostenlos abgeholt werden. Die Adressen dieser Stellen finden Sie in Kapitel 30. Zudem kann man den Wegweiser per Post über die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg und die Fachberatung Demenz zugesandt bekommen solange er verfügbar ist. Hierzu bitte Briefmarken im Wert von 2,90 € in einen Umschlag stecken und mit dem Hinweis „Bitte um Zusendung des Demenzwegweisers“ und der Angabe der eigenen Adresse dorthin senden. Der Wegweiser ist auch als Download zu erhalten unter anderem auf den Internetseiten www.netz-fuer-pflegende.de, www.alzheimerberatung-stuttgart.de und www.alzheimer-bw.de. Grafische Konzeption & Gestaltung: Lukas Janik, Stuttgart, www.lukasjanik.com Druck: Druckerei Hertle GmbH, Kirchheim, www.hertle.de Finanzielle Förderung: Der Druck des Wegweisers wurde finanziell unterstützt durch die Robert Bosch Stiftung, die Weihnachtsaktion der Stuttgarter Nachrichten und die Stadt Stuttgart. Die Texterstellung und die grafische Gestaltung wurden weitgehend in ehrenamtlichem Engagement übernommen. Fotonachweis: Die Fotografien wurden in Betreuungs- und Pflegeangeboten der Evangelischen Gesellschaft gemacht. Ausgabe 1 1.7.2010
VORWORT Demenzkranke Menschen sind im Verlauf ihrer Erkrankung immer mehr auf verständnisvolle Anleitung und Betreuung so- wie pflegerische Unterstützung angewiesen. Eine gute Betreuung fordert viel Aufmerksamkeit, Zeit, Geduld, und Verständ- nis. Für Angehörige von Demenzkranken kann dies auf Dauer zu einer großen Aufgabe und Belastung werden. Angehörige und Kranke sind deshalb auf ein gut funktionierendes soziales Netz angewiesen. Leider führen die Krankheitsfolgen und die umfangreichen Betreuungsaufgaben häufig dazu, dass Kontakte im sozialen Umfeld weniger werden. Freunde und Bekannte ziehen sich zurück, weil sie sich im Umgang mit dem Kranken unsicher fühlen oder weil sie kein Verständnis für die Krank- heit aufbringen können. Umso wichtiger werden daher Angebote zur Beratung, Betreuung, Unterstützung und Entlastung. Der vorliegende Wegweiser will Ihnen als Betreuenden oder Angehörigen eines demenzkranken Menschen Zugänge zu solchen Angeboten in Stuttgart aufzeigen und hilfreiche Informationen zu ihrer Nutzung bieten. Auszug aus einem Buch zum Umgang mit Demenzkranken: Die Begegnung mit einem demenzkranken Menschen löst unterschiedliche Reaktionen in uns aus. Das können Ängste sein, einmal selbst an einer Demenz zu erkranken, Mitgefühl, Unsicherheiten im Umgang mit dem Kranken oder auch Ablehnung und Distanzierung. In unserer intellektuell geprägten Gesellschaft gehört der Verlust geistiger Fähigkeiten zu den schwersten Beeinträchtigungen, die wir uns vorstellen können. Dass auch demenzkranke Menschen über Lebensqualität verfügen können und wie andere Glück, Liebe, Harmonie und Zufriedenheit erleben, ist für viele zunächst kaum vorstellbar. Tatsächlich bringt eine Demenzerkrankung hohe Belastungen für die Betroffenen selbst, aber auch für ihre Angehörigen mit sich. Und doch: Je mehr Menschen Verständnis für die Kranken und ihre Beeinträchtigungen entwickeln und je mehr geeignete Lebensräume und Betreuungsformen für Betroffene geschaffen werden, umso mehr ist ein »Leben mit Demenz« möglich. Mehr als eine Million Menschen sind in Deutschland von einer Demenzerkrankung betroffen, jeder Fünfte derjenigen, die älter als 80 Jahre sind. Diese Erkrankungen sind eine der größten sozialen Herausforderungen unserer Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten. Auf- grund der demographischen Entwicklung stehen in Zukunft immer mehr ältere Menschen immer weniger jüngeren gegenüber. Die Betreuung der Kranken erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Akzeptanz und Wissen über die Krankheit. Ein unreflektier- ter Umgang kann zu erheblichen Konflikten und Stress bei allen Beteiligten führen. Demenzkranke Menschen, ihre Angehörigen und zum Teil auch beruflich Betreuende benötigen fachkundigen Rat und Begleitung. (aus dem Vorwort von „Umgang mit Demenzkranken“ von G. Schwarz) Dieser Wegweiser wurde von einer Arbeitsgruppe des Netzwerks Demenz Stuttgart erstellt. Im Netzwerk Demenz Stuttgart engagieren sich beruflich tätige Fachleuten, Angehörige Demenzkranker, ehrenamtlich Engagierte und andere Interessierte, die zur Weiterentwicklung und Verbesserung von Hilfen für Demenzkranke und ihre Angehörigen in Stuttgart zusammenarbeiten wollen. Auch die Aufklärung in der Öffentlichkeit und Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen mit und ohne Demenz sind Anliegen des Netzwerks. Die Aktivitäten im Netzwerk Demenz werden vom Beirat Netzwerk Demenz Stuttgart koordiniert, unterstützt und angeregt. In ihm sind Fachleute, Sozialplaner der Stadt Stuttgart und Angehörige Demenzkranker vertreten. Der Beirat ist als Organ der Gerontopsychiatrischen Arbeitsgemeinschaft Stuttgart (GAGS) e.V. organisiert. 1
ANLEITUNG ZUR NUTZUNG DIESES WEGWEISERS Der Wegweiser ist so aufgebaut, dass Sie ihn nicht von Anfang bis Ende durchlesen müssen. Sie können gezielt in der Inhalts- angabe nach bestimmten Informationen oder Angeboten suchen, die Sie interessieren. Der Wegweiser enthält nur wenige Adressangaben oder Telefonnummern. Die Vielzahl der Adressen in Stuttgart würde sehr viel Platz beanspruchen und aufgrund der häufigen Änderungen und Ergänzungen von Anschriften müsste der Text dann ständig aktualisiert werden. Daher finden Sie nur eine Reihe wichtiger Adressen und Telefonnummern. Sie sind übersichtlich in Kapitel 30 zusammengefasst. Die Anschriften vieler hier beschriebener Angebote können Sie am besten ganz aktuell und für Ihren Stadtteil bei den Bera- tungsstellen wie etwa bei GerBera oder auch dem Bürgerservice Leben im Alter erhalten. Diese Stellen sind in der Regel gut informiert. Die Telefonnummern dieser Beratungsstellen finden Sie ebenfalls ganz hinten im Wegweiser in Kapitel 30. Generell empfehlen wir Ihnen, Kontakt mit einer dieser Beratungsstellen aufzunehmen. Selbst wenn Sie bereits gut infor- miert sind, kann sich aus einem unverbindlichen Gespräch oder Telefonat ein wichtiger neuer Hinweis für Sie oder eine wertvolle Anregung ergeben. Manche unnötigen Wege, Missverständnisse, Versäumnisse und Belastungen lassen sich auf diese Weise umgehen. Die Beratungen sind grundsätzlich kostenfrei. Sollten Sie unabhängig davon nach einer Adressenliste für bestimmte Angebote in Stuttgart suchen, können Sie diese für einen geringen Unkostenbeitrag bei der Alzheimer Beratung und Fachberatung Demenz (Anschrift siehe Kapitel 30.5) an- fordern. Sie finden viele Adressenlisten für Stuttgart auch im Internet bei www.netz-fuer-pflegende.de. Dort wie auch unter www.alzheimerberatung-stuttgart.de und www.alzheimer-bw.de können Sie zudem diesen Wegweiser als pdf-Datei herun- terladen und finden weitere interessante Texte und Informationen. Weitere empfehlenswerte Internetseiten haben wir am Ende in Kapitel 29 zusammengestellt. Dort sind zudem einige Emp- fehlungen zu lesenswerten Büchern und informativen Broschüren. 2
1 AUFBAU DES WEGWEISERS Im folgenden Kapitel Einleitung "Herr Bauer wird alzheimerkrank" erfahren Sie zunächst am Beispiel von Herrn Bauer wie eine Demenzerkrankung verlaufen kann und welche Angebote und Hilfen zu unterschiedlichen Zeiten genutzt wer- den können. Beispielhaft werden auch die Erfahrungen mit den jeweiligen Angeboten beschrieben. Im Teil Allgemeines zu Demenzerkrankungen finden Sie dann wichtige Informationen zum Krankheitsbild Demenz, den verschiedenen Krankheitsformen, zur Diagnose, der Behandlung und dem Verlauf einer Demenzerkrankung. Im danach folgenden Teil Angebote in Stuttgart werden in Kapitel 4-22 die Angebote für Demenzkranke und ihre Angehörigen beschrieben, die es in Stuttgart gibt. Die Reihenfolge der Kapitel entspricht etwa dem, wie sie im Verlauf einer Demenzerkrankung genutzt werden können. Zu jedem Angebot finden Sie am Ende des Kapitels einen Kasten, in dem übersichtlich die wichtigsten Informationen zu dem Angebot, etwa über die Kosten, die Zuschussmöglichkeiten und die Charakteristiken des Angebots zusammengefasst sind. Im Teil Wissenswertes zu weiteren Themengebieten in den Kapiteln 23-26 sind schließlich noch ergänzende wichti- ge Informationen zu rechtlichen Fragen und finanziellen Leistungen etwa der Pflegeversicherung sowie zu technischen und pflegerischen Hilfsmitteln zusammengestellt. Schließlich finden Sie in Teil Anhang in den Kapiteln 28-30 wichtige Adressen, Hinweise zu empfehlenswerten Bü- chern, Broschüren und Internetadressen sowie einige kurze Erläuterungen zu Fachbegriffen. 3
Inhaltsverzeichnis Kapitelnummer / T hema / Seite Kapitelnummer / T hema / Seite Kapitelnummer / T hema / Seite 7.2.2 Tageskliniken für ältere Menschen (gerontopsychi- atrscheoder geriatrische) 7.2.3 Geriatrische Rehabilitationskliniken EINLEITUNG ANGEBOTE IN 7.2.4 Alzheimer Therapiezentren 8. Niedrigschwellige 32 2. Herr Bauer wird alzheimer- 6 STUTTGART Betreungsangebote 8.1 Stundenweise Betreuung krank – der Verlauf einer 8.2 Betreuungsgruppen Demenzerkrankung und 4. Beratungsangebote 17 8.3 Besuchsdienste nützliche Hilfen 4.1 GerBera 8.4 Gruppenangebote für 4.2 Weitere Beratungangebote Demenzkranke mit 4.3 Alzheimer Gesellschaft besonderen Aktivitäten Baden-Württemberg 8.4.1 Tanzcafés 5. Ärztliche Begleitung und 20 8.4.2 Kegeln medikamentöse 8.4.3 Museumsbesuche Behandlung 8.4.4 Konzerte 5.1 Diagnose 8.4.5 Weiteres ALLGEMEINES 5.2 5.3 Fachärzte Gedächtnissprechstunde 8.5 Angebote von Senioren- begegnungsstätten 39 ZU DEMENZ- 5.4 Memory Clinic Neuropsychologische 9. Pflegedienste 42 ERKRANKUNGEN Untersuchung 10. Hauswirtschaftliche Hilfen 11. Mobile Dienste 42 42 5.5 Psychiatrische Instituts- 12. Menüdienste/ Mittagstisch ambulanz 13. Mehrstündige Betreuung 42 3. Gedächtnisstörungen und 5.6 Medikamente Formen von Demenzer- bis rund-um-die-Uhr krankungen 10 6. Krisensituationen 24 Betreuung 3.1 Leichte kognitive Störung 6.1 Fremdgefährdendes oder 13.1 Osteuropäische Haushalts- (MCI = Mild Cognitive selbstgefährdendes Impairment) hilfen 3.2 Demenzerkrankungen Verhalten 14. Tagespflege 49 6.2 Der Kranke wird vermisst 51 3.2.1 Alzheimer Krankheit 15. Gemeinsamer Urlaub 52 7. Therapeutische Angebote 26 16. Kurzzeitpflege 3.2.2 Vaskuläre Demenz 54 und Rehabilitationsmaß 3.2.3 Frontotemporale Demenz 17. Pflegeheime 3.2.4 Lewy-Körperchen-Demenz nahmen 18. Alternativen zur 58 (LKD) 7.1 Therapieangebote Betreuung im Pflegeheim 3.3 Näheres zur Alzheimer 7.1.1 Gedächtnistraining Krankheit 18.1 Wohngemeinschaften für 7.1.2 Ergotherapie 3.4 Wie kann eine Demenz- demenzkranke Menschen erkrankung festgestellt 7.1.3 Logopädie 18.2 Rund-um-die-Uhr werden? 7.1.4 Musiktherapie Betreuung zu Hause 3.5 Wie entstehen Demenz- 7.1.5 Physiotherapie und 19. Krankenhausaufenthalt 59 erkrankungen? Krankengymnastik 19.1 Geriatrische Kliniken und 7.1.6 Psychotherapie Fachabteilungen 7.2 Rehabilitation (ambulante 19.2 Klinik für Psychiatrie und und stationäre) Psychotherapie für Ältere 7.2.1 Ambulante Rehabilitation 19.3 Krankenhaussozialdienst 4
Kapitelnummer / T hema / Seite Kapitelnummer / T hema / Seite Kapitelnummer / T hema / Seite 20. Begleitung in der letzten 61 24.2 Pflegestufen 30.6 Beschwerde- und Lebensphase 24.3 Erhöhte Leistungen bei Beratungsstelle des 21. Schulungs- und Informa 61 Tagespflegenutzung Stadtseniorenrats tionsangebote 24.4 Weitere Pflegeversiche- Stuttgart 21.1 Informationsver- rungsleistungen 30.7 Informationen zu freien anstaltungen und Kurse 24.5 Übersicht zu Nutzungs Kurzzeitpflegeplätzen und 21.2 Schriftliche Informations möglichkeiten von Pflege Plätzen in Pflegeheimen angebot versicherungsleistungen 30.8 Memory Clinic 22. Angehörigen (Gesprächs-) 63 25. Andere finanzielle 75 30.9 Ambulante Gruppen Leistungen Hospizdienste 26. Technische und pflege- 76 30.10 Wohnberatung des DRK rische Hilfen 30.11 Bürgertelefon des 27. Abschließende 78 Bundesministeriums zur Bemerkungen Pflegeversicherung und Krankenversicherung 30.12 Beratung zur WISSENSWERTES Vorsorgevollmacht und gesetzlichen ZU WEITEREN 30.13 Betreuung Bundesweites THEMENGEBIETEN ANHANG Beratungstelefon der Deutschen Alzheimer 23. Rechtliche Fragen 23.1 Autofahren 65 ADRESSEN/ 30.14 Gesellschaft Pflegeberatung der 23.2 Geschäftsfähigkeit INFORMATIONEN Pflegekassen 23.3 Betreuungsgericht (ehe- mals Vormundschafts- 28. Erklärungen zu einigen 80 gericht) Fachbegriffen 23.4 Vorsorgevollmacht 29. Informationsbroschüren, 81 23.5 Gesetzliche Betreuung Internetadressen und 23.6 Betreuungsverfügung informative Schriften 23.7 Betreuungsvereine und 29.1 Ausgewählte Büchertipps Betreuungsbehörde 29.2 Broschüren 23.9 Freiheitsentziehende 29.3 Internetseiten Maßnahmen 30. Wichtige Adressen und 85 23.10 Geschlossene oder be- Telefonnummern schützte Unterbringung 30.1 Telefonnummern für 23.11 Patientenverfügung Krisensituationen 23.12 Medikamentengabe und 30.2 GerBera medizinische Behandlung 30.3 Bürgerservice Leben 23.13 Versicherungen im Alter 24. Pflegeversicherung 69 30.4 Alzheimer Gesellschaft Ansprüche kennen und Baden-Württemberg e.V. durchsetzen 30.5 Alzheimer Beratung und 24.1 Zusätzliche Betreuungs Fachberatung Demenz leistungen nach § 45b Stuttgart 5
2 Einleitung – Herr Bauer wird alzheimerkrank– der Verlauf einer Demenzerkran- kung und nützliche Hilfen Die folgende beispielhafte Schilderung des Verlaufs der Demenzerkrankung von Herrn Bauer soll Ihnen Hinweise dazu geben, zu welchem Zeitpunkt welche Hilfen oder Beratungsangebote genutzt werden können. In den grau hinterlegten Kästen wird jeweils auf die Kapitel verwiesen, in denen die Angebote beschrieben werden. Die Ehefrau von Herrn Bauer mel- dete sich vor Jahren bei unserer Vergesslichkeit zunehmen sollte, Beratungsstelle als nach längerer meinte er, und teilte Herrn Bauer mit, Unklarheit die Diagnose „Demenz dass er gesund sei. Frau Bauer be- vermutlich vom Alzheimer Typ“ bei merkte im nächsten halben Jahr zwar ihrem Mann festgestellt wurde. keine wesentliche Zunahme der Ver- gesslichkeit, doch die Wesensverände- Diagnose / Kapitel 5.1 rungen von ihrem Mann beunruhig- ten sie weiterhin. Es war schwer, ihren Anfangs nahm es der Hausarzt nicht Mann zu einem weiteren Arztbesuch so ernst, wenn ihm Frau Bauer berich- zu motivieren, da er sich für gesund tete, dass ihr Mann vergesslicher sei hielt und dies ja auch vom Arzt und sich in seinem Verhalten verän- bestätigt bekam. Das Ehepaar suchte dere. Sie berichtete dem Arzt z.B., nun einen anderen Arzt auf, der sich dass ihr Mann es bei Besuchen nicht angeblich mit Demenzerkrankungen mehr so lange aushalte wie früher, besonders gut auskennen sollte. Dieser sich insgesamt etwas zurückziehe und führte zwar auch denselben Test wesentlich reizbarer und teils unge- durch, aber er nahm sich danach auch duldiger sei als früher. etwas Zeit, um sich von Frau Bauer ihre Eindrücke schildern zu lassen Ärztliche Begleitung und unterhielt sich zudem etwas mit / Kapitel 5.0 Herrn Bauer. Mit Mitte Siebzig dürfe man schon Gedächtnissprechstunde ab und zu etwas vergessen, beruhigte / Kapitel 5.3 sie der Arzt. Auch beim späteren Be- such eines Facharztes konnte zunächst Er meinte dann, dass er sich nicht noch nichts festgestellt werden. Bei ganz sicher sei. Er schlug vor, dass einem einfachen Test zur Überprü- Herr Bauer zur genaueren Abklä- fung von Gedächtnis und Denken rung an einer neuropsychologischen schnitt Herr Bauer zwar nicht gut ab, Untersuchung teilnehmen solle. Sollte aber auch nicht so schlecht, dass der sich dabei etwas zeigen, könne er ihm Neurologe eine weitere Untersuchung Medikamente verordnen, die sich für angebracht hielt. positiv auf seine Gedächtnisleistung auswirken. Für Herrn Bauer hörte sich Fachärzte / Kapitel 5.2 das ganz gut an. Tatsächlich ergaben die Tests bei einem Neuropsychologen Herr Bauer könne ja in einem halben deutlichere Hinweise auf eine De- Jahr noch mal kommen, wenn die menzerkrankung. 6
Neuropsychologische ihn kaum noch, wenn er etwas ihrer Als die Leiterin der Betreuungs- Untersucherung / Kapitel 5.3 Meinung nach Falsches behauptete gruppe dann vorbeischaute, um ihn und vermied es, ihn durch gut ge- kennen zu lernen und in die Gruppe Herrn Bauer wurden Medikamente meinte Anregungen, sich etwas mehr abzuholen, ging alles viel leichter als verordnet und der Arzt informierte anzustrengen, zu überfordern oder gedacht. Herr Bauer reagierte positiv das Ehepaar über eine Beratungsstelle, seinen Unmut auszulösen. Stattdessen auf den Charme und die wertschät- bei der sie weitere wertvolle Informa- versuchte sie, seine Selbständigkeit zenden Worte der Gruppenleiterin. tionen erhalten können und über hilf- bei allem zu erhalten und zu fördern, Die „Chemie“ stimmte und Herr reiche Angebote informiert werden. was er noch gut bewältigen konnte. So Bauer ging mit einem zwar unsiche- Frau Bauer nahm Kontakt mit der konnte sie ihm z.B. noch auftragen, ren Gefühl, aber doch vertrauend, Beratungsstelle auf und erfuhr dort beim Bäcker um die Ecke mit einer mit. Seine Ehefrau musste ihn nicht Einiges über den erwartbaren Krank- von ihr geschriebenen Liste benötigter einmal begleiten, was sonst beim heitsverlauf einer Demenzerkrankung. Lebensmittel einkaufen zu gehen. Sie ersten Besuch einer Betreuungsgruppe Auch über wichtige Schritte wie etwa gab ihm immer nur einen einzigen notwendig sein kann. Auch während die Erstellung einer Vorsorgevoll- Geldschein mit, da sie wusste, dass des Gruppennachmittags klappte macht und Angebote zur Förderung ihr Mann in Bedrängnis kam, wenn alles überraschend gut. Lediglich fing und Betreuung ihres Mannes bzw. zur er versuchte, das Geld an der Kasse Herr Bauer nach einer halben Stunde eigenen Entlastung wurde sie infor- passend zu geben. etwa im Fünf-Minuten-Takt an zu miert. Zudem erhielt sie Anregungen fragen, wann und wie er denn wieder für einen belastungsfreieren Umgang Die Idee des Mitarbeiters der Be- nach Hause käme. Mit einer jeweils mit ihrem Mann. ratungsstelle, dass ihr Mann eine folgenden geduldigen und Sicherheit Betreuungsgruppe für Demenzkranke vermittelnden Antwort konnte er Beratungsangebote besuchen könnte, hielt sie zu dem jedoch den ersten Nachmittag bereits / Kapitel 4.0 Zeitpunkt noch nicht für umsetzbar, ganz gut überstehen. Auch zwei Jahre da ihr Mann nicht zu fremden Men- später noch trat diese Frage immer Regelmäßig nahm Frau Bauer ab schen wollte. wieder auf, allerdings nicht nach einer diesem Zeitpunkt an monatlichen halben Stunde, sondern erst, wenn die Vortragsveranstaltungen für Angehö- Betreuungsgruppen Gruppe langsam ihrem Ende zuging. rige von Demenzkranken und Interes- / Kapitel 8.2 Manchmal erzählte Herr Bauer dann sierte teil, wo sie weitere wertvolle und verständnissuchend, dass er doch kein hilfreiche Informationen aufnehmen Er vermied eher Kontakte, da er ver- Zuhause mehr habe und seine Frau konnte. mutlich befürchtete, aufgrund seiner gestorben sei. Er wisse gar nicht, wo Beeinträchtigungen aufzufallen oder er diese Nacht unterkommen könne. Schulungs- und Informa- in Bedrängnis zu geraten. Ein Jahr Man konnte ihm dann manchmal tionsangebote / Kapitel 21 später meldete sich Frau Bauer jedoch nicht vermitteln, dass er doch eine dann von selbst mit dem Vorschlag, Frau habe, die ihn zuhause erwarte- Die Betreuung ihres Mannes fiel ihr es jetzt doch einmal mit der Gruppe te. Aber er hatte inzwischen soviel dadurch zunehmend leichter, weil sie zu versuchen. Es täte ihr mittlerweile Vertrauen gefasst, dass er den Betreu- sich nicht mehr so häufig in Ausei- doch sehr gut, mal ein paar Stunden enden glaubte, wenn ihm versichert nandersetzung mit ihm begab. Sie für sich zu haben, und ihr Mann wurde, dass man ihn nicht im Stich konnte sein manchmal schwieriges brauche zunehmend mehr Aufmerk- lassen werde und für ihn eine gute Verhalten oder auch Schuldvorwürfe samkeit, was beanspruchend sei. Er sei Unterkunft finden werde, notfalls bei ihr gegenüber nun als Folgen seiner „anstrengender“ geworden. dem Betreuenden zu Hause, zu dem Krankheit einordnen. Sie korrigierte er den vertrauensvollsten Kontakt 7
hatte. Wenn er beim Heimweg nach ihren Sorgen nicht mehr so allein. zentrum Bad Aibling. Dort wurde sie Hause dann schließlich an der Haus- Zudem konnte sie einige hilfreiche nochmals eingehend mit dem rich- tür das bekannte Gesicht seiner Frau Tipps aufnehmen und ebenso anderen tigen Umgang mit demenzkranken sah, war er sehr entlastet. etwas von den eigenen Erfahrungen Menschen vertraut gemacht und lern- weitergeben. Beim Austausch in der te auch viel darüber, nicht nur für den Während des Gruppennachmittags Gruppe kritisierte sie sich anfangs Kranken, sondern auch für sich selbst erzählte Herr Bauer meist gern von oftmals selbst. Sie habe nicht immer zu sorgen. Ihr Mann nahm an vielen seiner Arbeit als Postbote, insbeson- die richtige Geduld für ihren Mann, therapeutischen Angeboten teil und dere wenn er darauf angesprochen meinte sie. Sie wisse ja, dass ihr Mann Frau Bauer erhielt dadurch wertvolle wurde. Auch beim Spiel mit Luft- nichts dafür könne, wenn er sich Anregungen, wie sie ihn auch zuzu ballon oder Wasserball im Sitzkreis manchmal schwierig verhalte. Diese Hause weiter sinnvoll beschäftigen machte er rege und teils ausgelassen Situation kennen viele Angehörige und fördern konnte. (Der Aufenthalt mit. Die Stimmung in der Gruppe Demenzkranker. Wichtig ist, sich wird als Rehabilitationsmaßnahme fand er gut und die Leute nett. Er be- immer wieder klar zu machen, dass von der Krankenkasse finanziert). trachtete den Nachmittag manchmal man aufgrund der vielfältigen Belas- als Teilnahme an einer Sportgruppe tungen nicht immer gut und geduldig Rehabilitation oder an einer Feier im kleinen Kreis. reagieren kann. Die anderen Teilneh- / Kapitel 7.2 Diese Zuschreibung wurde von den mer im Gesprächskreis sprachen Frau Betreuenden mitgetragen und unter- Bauer Anerkennung und Achtung zu Lange kämpfte Frau Bauer dann mit stützt. und ermutigten sie, ihre Leistungen der Frage, ihren Mann doch wenigs- wahrzunehmen und nicht so sehr ihre tens noch einen Tag in der Woche in Demenzkranke erhalten bereits Fehler in den Vordergrund zu stellen. eine Tagespflege zu geben. vor Anerkennung einer Pflegestufe Leistungen in Höhe von 100-200 € Zur weiteren Entlastung kam nun Tagespf lege monatlich von der Pflegeversiche- noch zweimal in der Woche für etwa / Kapitel 14 rung speziell zur Finanzierung von zwei Stunden eine Betreuerin eines solchen Betreuungsangeboten. Helferkreises für Demenzkranke Es waren die Ängste vor der Tren- zu Herrn Bauer. Die beiden gingen nung von ihrem Mann und das damit Finanzielle Fragen miteinander spazieren oder spielten verbundene Annehmen des weiteren / Kapitel 24.1 zum Beispiel Mensch-ärgere-dich- Fortschritts der Erkrankung, die sie nicht. Mit Regelverstößen von Herrn vor diesem Schritt abhielten. Dazu Mit der Zeit nahmen die psychischen Bauer beim Spiel ging die geschulte kam die Unsicherheit, ob er sich dort Belastungen für Frau Bauer zu. Sie Betreuerin sehr großzügig um. Im wohl fühlen würde. Schließlich fasste nahm daher das bereits seit längerem Vordergrund stand die Freude an der sie den Entschluss, es einmal auszu- an sie herangetragene Angebot eines Tätigkeit und die Betreuerin sorgte probieren. Sie wählte eine Tagespflege monatlichen Gesprächskreises für dafür, dass Herr Bauer mindestens zur aus, die sich besonders auf die Be- Angehörige wahr. Hälfte beim Spielen gewann. treuung Demenzkranker eingestellt hatte. Es dauerte tatsächlich ein paar Gesprächskreise Stundenweise Betreuung Wochen, bis sich Herr Bauer an die / Kapitel 22 / Kapitel 8.1 neue Umgebung und die Menschen gewöhnte, doch dann wurde auch die- Hier traf sie auf Zuspruch und Sehr profitierten Frau Bauer und ihr ser Tag in der Woche zu einem festen Verständnis von anderen betroffenen Mann von einem vierwöchigen Auf- Bestandteil. Für Frau Bauer war der Angehörigen und fühlte sich mit enthalt im Alzheimer Therapie- zusätzliche Tag eine wertvolle Erho- 8
lungspause. Mittlerweile wurde Herr Ihre Tochter konnte zwar immer gewohnten Lebensrhythmus findet. Bauer in die Pflegestufe 1 eingestuft. wieder mal stundenweise die Betreu- Vermutlich wird Herr Bauer eines Aufgrund dessen konnte der Tag ung ihres Vaters übernehmen, aber Tages auch die ständige Betreuung in vollständig über die dadurch erwei- für mehrere Tage oder einige Wochen einer Pflegeeinrichtung benötigen. terten Leistungen der Pflegeversiche- war dies kaum zu organisieren. Eine rung finanziert werden. Es blieb sogar Rund-um-die-Uhr-Betreuung über Pf legeheim jeden Monat noch etwas Geld übrig, einen Pflegedienst zu organisieren war / Kapitel 17 das Frau Bauer anderweitig einsetzen wiederum zu teuer. Das Krankenhaus konnte. Später besuchte Herr Bauer bot sogar die Mitübernachtung ihres Auch dieser Schritt wird für Frau und schrittweise einen weiteren Tag in Mannes in einem Doppelzimmer Herrn Bauer nicht einfach werden. derWoche die Tagespflege. Durch gegen Entgelt an. Aber gemeinsam mit Menschen, die eine nach und nach höhere Pflegestu- mit Verständnis und Rat sowie der fe waren auch die dadurch höheren Krankenhaus nötigen Fachkompetenz zur Seite ste- Kosten finanzierbar. Die Besucher / Kapitel 19 hen, wird auch dieser Schritt möglich einer Tagespflege werden in der Regel und zu bewältigen sein. Wichtig ist, mit einem Kleinbus von zu Hause Doch auch dies schien angesichts einen Weg zu geeigneten Hilfen zu abgeholt. des hohen Betreuungsaufwands für finden. Dazu soll dieser Wegweiser ihren Mann kein gangbarer Weg. So mit Adressen und Beschreibungen Da die morgendliche Körperpflege entschloss sie sich letztlich für einen von Beratungs-, Betreuungs- und und das Ankleiden von Herrn Bauer Kurzzeitpflegeaufenthalt in einem anderen Unterstützungsangeboten für die Ehefrau immer beschwerlicher Pflegeheim. beitragen. wurden, holte sich Frau Bauer Unter- stützung bei einem Pflegedienst. Kurz zeitpf lege Herr Bauer ist ein demenzkran- / Kapitel 16 ker Mann, der relativ gut mit einer Pf legedienste veränderten Umgebung und neuen / Kapitel 9 Frühzeitig suchte sie nach einem Menschen zurecht kam, insbesonde- geeigneten Heim, in dem sie den re, wenn man ruhig und freundlich Sie fand einen Pflegedienst, der nur Eindruck hatte, dass die Mitarbeiter auf ihn einging. Das ist nicht immer zwei Mitarbeiter im Wechsel zur in der Lage waren, mit ihrem Mann so. Manchmal ist es sehr mühsam, Unterstützung von Herrn Bauer ein- gut umzugehen. Sie konnte bei einem wertvolle Hilfe und Entlastungsange- setzte, die zudem verständnisvoll und Besuch beobachten, dass die Mitar- bote aufzubauen und manchmal fällt geduldig auf ihn eingingen. So fiel beiter freundlich, verständnisvoll und es auch den Angehörigen sehr schwer, es Herrn Bauer nicht so schwer, sich geduldig auf Demenzkranke eingin- solche Hilfen anzunehmen. Des- darauf einzustellen. Nur wenn ab und gen. Das schien ihr am wichtigsten. halb ist es besonders sinnvoll, wenn zu beide Mitarbeiter nicht einsatzfä- Außerdem gab es dort tagsüber immer ein Einstieg über niedrigschwellige hig waren, kam eine dritte Person als wieder kleine Beschäftigungsangebote Beratungs- und Betreuungsangebote Vertretung. für die Kranken. Es war ihr jedoch möglich ist und sich darauf aufbauend auch klar, dass der Wechsel für ihren schrittweise weitere Hilfen einbinden Als Frau Bauer einmal wegen einer Mann nicht leicht zu verkraften sein lassen. Operation ins Krankenhaus musste, würde und die Betreuung im Heim stellte sich das Problem, wie ihr Mann nicht so intensiv sein konnte wie zu in der Zeit betreut werden konnte. Hause. So stellte sie sich darauf ein, >> dass es hinterher eine Zeit dauern würde, bis ihr Mann wieder in seinen 9
ALLGEMEINES ZU DEMENZ- ERKRANKUNGEN 10
Allgemeines zu Demenzerkrankungen 3 Gedächtnisstörungen und Formen von Demenzerkrankungen Nicht jede Gedächtnisstörung muss 3.2 Demenzerkrankungen Immerhin 5-10% aller Demenzer- mit dem Beginn einer Demenzer- krankungen sind jedoch heilbar, wenn Als Demenz oder Demenzerkran- krankung einhergehen. Besteht sie frühzeitig genug erkannt werden. kungen werden alle Erkrankungen jedoch eine Demenzerkrankung, ist Dazu gehören vor allem Krankhei- bezeichnet, die zu einem fortschrei- es im Hinblick auf die Behandlungs- ten innerer Organe, die sich indirekt tenden Nachlassen geistiger Fähig- möglichkeiten, den Verlauf und die auf den Hirnstoffwechsel auswirken, keiten führen. Demenz ist also eine Symptomatik wichtig zu wissen, um bestimmte Medikamentennebenwir- Art Sammelname für Krankheiten welche Form es sich handelt. Durch kungen und raumfordernde Prozesse mit ähnlichen Auswirkungen (medi- dieses Kapitel können Sie sich schnell im Gehirn wie Tumoren oder Blutun- zinisch: eine Symptommuster oder einen Überblick zu unterschiedlichen gen. Symptome wie bei einer Demen- Syndrom). Krankheitsbildern sowie deren Ursa- zerkrankung können auch entstehen, chen und Erkennung verschaffen. wenn ein Mensch über längere Zeit Die Alzheimer Krankheit ist die deutlich zu wenig trinkt. weitaus häufigste Form einer Demen- 3.1 Leichte kognitive Störung zerkrankung. Etwa zwei Drittel aller Demenzerkrankungen beginnen (MCI = Mild Cognitive Impairment) Demenzkranken leiden an der Alz- meist allmählich oder schleichend. Bei Menschen, die ein Nachlassen ih- heimer Krankheit. Daneben gibt es Manchmal gibt es aber auch auslö- res Gedächtnisses bemerken, Termine durchblutungsbedingte Demenzer- sende Situationen nach denen Be- vergessen, Dinge verlegen, Konzentra- krankungen, die auch als „vaskulä- einträchtigungen auffallen wie z.B. tionsstörungen haben und mit an- re“ Demenzen bezeichnet werden. ein Krankenhausaufenthalt oder der spruchsvolleren Alltagsaufgaben nicht Seltener treten sogenannte Fronto- Tod des Ehepartners. Eine Demen- mehr zurecht kommen, kann eine temporale Demenzen auf, die früher zerkrankung entsteht durch solche über das normale Altern hinausgehen- als Pick’sche Krankheit bezeichnet Ereignisse jedoch nicht plötzlich, de sogenannte „leichte kognitive Stö- wurden. Darüber hinaus werden in der sondern es sind bereits seit längerem rung“ vorliegen. Diese Diagnose wird Medizin mehr als 50 weitere vorwie- viele Nervenzellen geschädigt und die gestellt, wenn die Betroffenen auch gend jedoch seltene Demenzerkran- Symptome der Erkrankung werden in einem Gedächtnistest schlechter kungen unterschieden. durch die psychisch belastenden als der Altersdurchschnitt abschnei- Ereignisse erstmals offenkundig. Die den. Die leichten kognitiven Störun- Die meisten Demenzerkrankungen Schädigungen der Nervenzellen durch gen werden heute als eine mögliche können heute sinnvoll mit Medika- die Alzheimer Krankheit beginnen Vorstufe einer Demenzerkrankung menten oder auf andere Weise behan- nach heutigem Kenntnisstand bereits aufgefasst. Aber nur in etwa 30% der delt werden. Überwiegend ist jedoch 20-30 Jahre bevor erste Symptome der Fälle münden die Symptome später keine Heilung möglich, sondern es Krankheit auftreten. Merkbare geisti- tatsächlich in eine Demenzerkran- kann im günstigsten Fall eine zeitwei- ge Beeinträchtigungen treten erst auf, kung. Eine leichte kognitive Störung se Verbesserung der geistigen Fähig- wenn viele Nervenzellen und deren muss daher nicht in eine Demenzer- keiten erreicht und ein weiteres Fort- Verbindungen im Gehirn geschädigt krankung übergehen. In vielen Fällen schreiten der Krankheit über längere sind. Dann kann das Gehirn den Ver- verschwinden die Beeinträchtigungen Zeit verhindert werden. Dies führt zu lust dieser Nervenzellen nicht mehr wieder oder nehmen kaum weiter zu. einer Verbesserung der Lebensqualität ausgleichen. für die betroffenen Menschen. 11
Allgemeines zu Demenzerkrankungen 3.2.1 Alzheimer Krankheit 3.2.2 Vaskuläre Demenz 3.2.3 Frontotemporale Demenz (auch Demenz vom Alzheimer Typ, Erkrankungen der kleineren oder Die Frontotemporale Demenz ist eine DAT) Die Alzheimer Krankheit ist größeren Blutgefäße im Gehirn kön- Krankheit, bei der der Abbau von die mit Abstand häufigste Ursache für nen schrittweise zu einer Symptoma- Nervenzellen zunächst im Stirn- und ein Demenzsyndrom. tik führen, die als vaskuläre Demenz Schläfenbereich (Fronto-Temporal- bezeichnet wird und ca. 5-10 % aller Lappen) des Gehirns stattfindet. Von Sie tritt vor allem im höheren Le- Krankheitsfälle ausmacht. hier aus werden u.a. Emotionen und bensalter auf, kann aber auch in Sozialverhalten gesteuert. Menschen, seltenen Fällen vor dem fünfzigsten Eine vaskuläre Demenz kann bei- die davon betroffen sind, leiden zu- Lebensjahr entstehen. Durch die spielsweise durch sich häufig wieder- nächst meist weniger an Beeinträchti- steigende individuelle Lebenserwar- holende kleine Thrombosen (Ge- gungen des Gedächtnis und der Ori- tung wird das persönliche Risiko, an fäßverschlüsse) in den Blutadern des entierung. Dafür stehen am Anfang Alzheimer zu erkranken immer höher. Gehirns oder nach mehreren Schlag- oft Verhaltensauffälligkeiten und We- Der Krankheitsverlauf ist schleichend. anfällen entstehen. Dadurch gehen sensveränderungen im Vordergrund. Im Verlauf der Alzheimer Krank- Nervenzellen schrittweise zugrunde, Die Erkrankten verlieren häufig das heit verlieren fortschreitend und die durch diese Blutgefäße versorgt Gefühl für sozial angepasstes Verhal- unwiederbringlich Nervenzellen ihre werden. Reine Formen der vaskulären ten. Sie können auch ihre Fähigkeit Funktionsfähigkeit. Zwei fehlerhafte Demenz gibt es eher selten, häufiger sich sprachlich auszudrücken und Stoffwechselvorgänge führen zum liegen Mischformen zwischen einer ihre Urteilsfähigkeit früh verlieren. Untergang von Nervenzellen. Ein vaskulären Demenz und einer Alzhei- Teilweise vergröbert sich ihr Sozial- Bestandteil der Zellhaut wird an mer Krankheit vor. verhalten und sie können enthemmt, falscher Stelle gespalten. So entstehen unsensibel oder gar rücksichtslos Bruchstücke, die sich zu einer für die Durch präventive Maßnahmen kann wirken. Frontotemporale Demenzen Zellen schädlichen Masse (Amylo- das Risiko vaskulärer Demenzen stark treten normalerweise früher auf als die id) zusammenlagern. Innerhalb von reduziert werden. Hierzu gehören alle Alzheimer-Krankheit, meistens schon zahlreichen Nervenzellen kommt es Vorsorgemaßnahmen, die beispiels- zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr zudem zur Bildung von Faserknäueln, weise auch zur Vorbeugung eines oder früher. Die Ursachen der Er- die allmählich die Lebensvorgän- Herzinfarktes sinnvoll sind (gesunde krankung sind noch nicht geklärt. Bei ge der Zellen lahmlegen. Als Folge Ernährung, nicht Rauchen, ausrei- einem Teil der Erkrankungen können des Nervenzelluntergangs fehlen im chend Bewegung, Bluthochdruck und Erbfaktoren eine Rolle spielen. Gehirn Überträgerstoffe, vor allem das erhöhte Cholesterinwerte behandeln siehe hierzu auch die für Gedächtnis und Aufmerksamkeit und übermäßigen Stress vermeiden). Erläuterungen in Kapitel 3.5 wichtige Acetylcholin. Die Krankheit beeinträchtigt zunächst vor allem das Gedächtnis, die Orientierung und das Denkvermögen. Die Alltagskompe- tenz lässt stetig nach und die Kranken „verlernen" zunehmend, was sie sich im Lauf ihres Lebens angeeignet haben. Sie sind in späten Krankheits- stadien auf umfassende Unterstützung und Hilfe angewiesen. 12
Allgemeines zu Demenzerkrankungen 3.2.4 Lewy-Körperchen- die man selbst verlegt hat. Man kann Erinnerungen gehen verloren oder sich nicht vorstellen, selbst der Verur- vermischen sich nun in ihrer zeitli- Demenz (LKD) sacher zu sein. Man orientiert sich an chen Abfolge. Vertraute Verwandte Sie ist der Alzheimer Krankheit sehr seinem bisherigen Leistungsvermö- oder auch wichtige Bezugspersonen ähnlich, unterscheidet sich jedoch gen. Es liegt so nahe, andere für die werden daher zum Teil nicht mehr durch einige Besonderheiten wie z.B. Probleme verantwortlich zu machen richtig erkannt oder zugeordnet, einen teilweise starken Wechsel der und sie möglicherweise zu beschuldi- wobei das Gefühl für die Vertrautheit geistigen Verfassung, gelegentliche gen. dieser Menschen meist trotzdem gut Bewusstseinsstörungen oder Halluzi- erhalten bleibt. Die Kranken sind nationen oder eine Symptomatik ähn- Um sich zu schützen, gehen auch nun in vielen Bereichen des Lebens lich der Parkinson Krankheit bereits viele Demenzkranke bloßstellenden auf Hilfe angewiesen und können im frühen Stadium. Menschen mit Situationen intuitiv aus dem Weg. meist kaum mehr alleine gelassen Lewy-Körperchen-Demenz können Dies muss von Betreuenden akzeptiert werden. Ihr Verhalten wirkt häufig auf bestimmte sedierende (beruhigen- werden und sie sollten die Kranken zunehmend kindlich und sie können de) Medikamente, sogenannte Neuro- möglichst wenig korrigieren und mit gegenüber ihren Bezugspersonen sehr leptika, mit starker Unverträglichkeit ihren Defiziten konfrontieren, da die anhänglich, zuwendungsbedürftig reagieren. Kranken eine derartige Konfrontation oder auch fordernd werden. Immer meist als sehr belastend oder bedroh- noch kann ein großer Widerspruch 3.3 Näheres zur Alzheimer lich erleben. Resignation oder auch zwischen der Selbsteinschätzung des Krankheit heftige Gegenwehr, Wut oder Angst Kranken und seinen tatsächlichen können die Folge eines unsensiblen Fähigkeiten vorhanden sein. So kann Die Alzheimer Krankheit macht sich Umgangs mit Demenzkranken sein, ein offensichtlicher Hilfebedarf als meist anfangs durch Schwierigkeiten wenn sie sich häufig bloßgestellt, unnötig abgelehnt werden. Es braucht bemerkbar, sich an kurz zurücklie- zurechtgewiesen oder diskriminiert manches Geschick und Diplomatie gende Ereignisse zu erinnern, Neues fühlen. der Betreuenden, um mit dieser Dis- zu lernen oder sich etwas dauerhaft krepanz gut umgehen zu können und einzuprägen. Auch, mit komplexen Im weiteren Verlauf der Krankheit man gerät unvermeidbar an eigene Handlungsabfolgen und Planungspro- wird es für die Kranken zunehmend Grenzen. Die Kranken sind trotzdem zessen wie etwa beim Kochen oder bei schwieriger, auch einfache alltägliche auf einen zuwendungsvollen geduldi- handwerklichen Tätigkeiten zurecht Verrichtungen durchzuführen. Die gen Umgang angewiesen und benöti- zu kommen, kann schwierig werden. Knöpfe an der Bluse oder am Hemd gen nach wie vor viel Wertschätzung, Ebenso fällt es meist schwer, sich in zu schließen oder sich die Zähne zu Anerkennung und Lob. einer nicht vertrauten Umgebung putzen kann viel Mühe und Kon- zurecht zu finden (Orientierungspro- zentration erfordern. Die Kranken Ein Teil der Kranken leidet so unter bleme). Die erkrankten Menschen benötigen zunehmend eine geduldige den Beeinträchtigungen, dass sie trotz wirken oft reizbarer und unzufriede- Anleitung und Unterstützung durch eines sensiblen verständnisvollen Um- ner als früher, weil sie unter den Be- möglichst vertraute Menschen. Die gangs nur wenig zu positiven Reakti- einträchtigungen leiden. Ist man von Beeinträchtigungen der Sprache und onen in der Lage sind oder verstärkt der Krankheit betroffen, reagiert man des Gedächtnisses nehmen weiter zu. zu Verhaltensweisen neigen, die schon unter Umständen auch depressiv, zieht So gehen die Kranken immer weiter früher für andere schwierig oder sich zurück oder beschuldigt andere zurück in ihre Erinnerungen und belastend waren wie z.B. fordernd, für Fehler, die man selbst begangen können sich selbst z.B. als Kind oder sehr bestimmend oder vorwurfsvoll hat. Zum Beispiel wirft man nahen jungen Erwachsenen empfinden. Viele gegenüber den Kindern oder dem Angehörigen vor, Dinge zu verlegen, auch weiter zurückliegende Ehepartner aufzutreten. >> 13
Allgemeines zu Demenzerkrankungen In diesem Fall müssen sich die Ange- ermöglicht Freiraum und zwischen- Ansonsten sind bezeugte frühere hörigen vor unrechtmäßigen Über- menschliche Zuwendung, können Aussagen des Kranken zu dieser Frage griffen und Überforderung schützen. die Kranken sich zum Teil sehr wohl oder sein mutmaßlicher Wille Richt- fühlen und ausgeglichen wirken. Auch schnur für das Handeln. In der mittleren Krankheitsphase wird eine angemessene nicht überfordernde die nichtsprachliche Kommunikati- Beschäftigung sowie Sicherheit durch Häufig stirbt ein demenzkranker onsweise zunehmend wichtiger und gleich bleibende Abläufe und eine Mensch letztlich an einer zusätzlich die Kranken orientieren sich immer nicht zu unruhige Umgebung wirken eintretenden Erkrankung wie etwa mehr an unserer Gestik, der Mimik, positiv auf die Kranken. einer Lungenentzündung, die er dem Tonfall und unserer Körperspra- aufgrund der schwächer werdenden che. Sie reagieren meist unmittelbar Die letzte Phase der Erkrankung ist körperlichen Verfassung nicht über- abwehrend, wenn wir auf diese Weise durch hinzukommende körperliche steht. Anspannung und Zeitdruck oder Un- Beeinträchtigung geprägt. Gehen, mut zum Ausdruck bringen, ebenso Trinken oder z.B. auch Essen mit Die gesamte Krankheitsdauer liegt bei aber auch positiv, wenn wir Ruhe und einem Löffel sind zunehmend weni- einer Alzheimer Erkrankung zwi- Gelassenheit ausstrahlen. Wir müssen ger möglich. Die gezielte Steuerung schen etwa 5-15 Jahren und beträgt daher auf unsere Befindlichkeit und der Muskulatur bzw. der Motorik fällt häufig etwa neun Jahre. unser Verhalten achten. schwer. Sprechen und Sprachverständ- nis sind nur auf ganz einfache Weise Manchmal können in dieser Phase möglich und die nichtsprachliche auch starke Ängste auftreten, die mit Verständigung über Mimik, Gestik 3.4 Wie kann eine Demenzer- der zunehmenden Schwierigkeit zu und Körperkontakt wird zur wichtigs- krankung festgestellt werden? tun haben, alltägliche Abläufe und Er- ten Mitteilungsform. Grundlegenden Zu den grundlegenden diagnostischen eignisse richtig einzuordnen. So kann Wahrnehmungen wie Farbe und Licht Untersuchungsmethoden bei Symp- eine pflegerische Hilfeleistung zum sehen, Körperkontakt erfahren usw. tomen geistiger Beeinträchtigungen Beispiel als Bedrohung oder unrecht- kommt nun eine zentrale Bedeutung gehören zunächst eine ausführliche mäßiger Eingriff in die Intimsphäre zu. Durch die zunehmende allgemei- Befragung des Betroffenen und seiner gewertet werden. Umso wichtiger ne körperliche Schwäche werden die Angehörigen, eine vollständige neuro- wird es, auf einen vertrauensvollen Kranken anfälliger gegenüber Infekti- logisch-psychiatrische Untersuchung, Zugang zu den Kranken zu achten. onskrankheiten. Sie verlieren schließ- eine internistische Untersuchung, eine Bei dauerhaften starken Ängsten oder lich auch die Fähigkeit, Essen und Blutuntersuchung, eine neuroradio- depressiven Verstimmungen kann ein Trinken über den Mund aufzuneh- logische Untersuchung wie z.B. eine Einsatz von Psychopharmaka sinnvoll men. Entscheidungen, ob dann eine Computertomographie (Schichtauf- und für den Kranken und seine Be- künstliche Ernährung zum Einsatz nahme) des Gehirns und ein De- zugspersonen sehr entlastend sein. kommt, können zu treffen sein. Daher menzscreening. Ein Demenzscreening Häufig wird der Umgang mit den sind z.B. vor oder am Beginn der ist ein einfacher und schnell durchzu- Kranken im Verlauf der mittleren Erkrankung verfasste Patientenverfü- führender Test mit einigen Denk- und Krankheitsphase jedoch eher einfa- gungen, in denen Aussagen über den Gedächtnisaufgaben. Meist wird dazu cher und die Kranken leiden nicht Wunsch oder die Ablehnung lebens- der „DemTect“ eingesetzt. Der immer mehr so unter ihren Beeinträchtigun- verlängernder Maßnahmen formuliert wieder noch eingesetzte „Mini-Men- gen, da ihnen die Diskrepanz zu ihren wurden, sehr hilfreich. tal-Test“ ist zur Frühdiagnostik weni- früheren Fähigkeiten nicht mehr so ger gut. Meistens ist der Hausarzt der gegenwärtig ist. Ist das Umfeld gut erste Ansprechpartner. auf die Krankheit eingestellt und 14
Allgemeines zu Demenzerkrankungen Üblicherweise wird zur Diagnose- offen klagen, während demenzkran- Der wichtigste Risikofaktor für eine stellung aber auch ein Facharzt für ke Menschen Beeinträchtigungen Demenzerkrankung ist das zuneh- Neurologie eingeschaltet. In unklaren verbergen und meist ihre Fähigkeiten mende Alter. Darüber hinaus gibt es Fällen sollte eine sogenannte Ge- überschätzen. Wichtig ist daher, dass einige Einflüsse, die das Risiko zur dächtnissprechstunde oder Memory sich ein Arzt oder Neuropsychologe Entstehung einer Demenzerkran- Clinic aufgesucht werden, die in bei der Diagnosefindung Zeit für das kung etwas erhöhen können. Dazu Stuttgart im Klinikum Stuttgart Bür- Gespräch mit dem Patienten und gehören z.B. Rauchen, unbehandelter gerhospital zu finden ist. dessen Angehörigem nimmt, um Bluthochdruck, Schilddrüsenunter- auf solche Einflüsse aufmerksam zu funktion, Diabetes oder zurücklie- Näheres dazu finden Sie in Kapitel 5.3 werden. gende schwere Gehirnverletzungen. Möglichkeiten um den Beginn einer Es gibt eine Reihe von Einflüssen, die Erkrankung hinauszögern zu können die Denk- und Gedächtnisleistungen 3.5 Wie entstehen sind vermutlich: regelmäßige körper- sowohl bei nicht demenzkranken als Demenzerkrankungen? liche und soziale Aktivität, geistige auch bei demenzkranken Menschen Regsamkeit und gesunde vitaminrei- stark beeinflussen können. Diese Nur eine seltene Unterform der che Ernährung. Faktoren sind Stress, Übermüdung, Alzheimer Krankheit tritt in Familien Stimmung und das fortscheitende gehäuft auf. Dafür verantwortliche Hinweise zu lesenswerten Büchern Alter. Unter hohem psychischem genetische Faktoren sind teilweise über Demenzerkrankungen finden Stress oder bei großer Anspannung bereits bekannt. Ähnliches gilt auch Sie am Ende in Kapitel 29.1. wie etwa in einer Prüfungssituation für andere Demenzerkrankungen. oder bei Panik können die Fähigkei- Das heißt, Demenzerkrankungen sind ten zu denken und sich zu erinnern normalerweise keine Erbkrankheiten. deutlich eingeschränkt sein. Ähnlich Trotzdem spielen unsere Erbanlagen wirken Übermüdungs- und Erschöp- bei der Entstehung der Alzheimer fungszustände oder eine ausgeprägte Krankheit eine große Rolle. Ob und depressive Verstimmung. Menschen, in welchem Alter ein Mensch alzhei- die an einer Depression leiden, haben merkrank wird, ist vermutlich zu etwa häufig auch deutliche Schwierigkeiten, 80% durch seine Gene festgelegt. Da sich zu konzentrieren. Sie wirken oft es sich jedoch um ein hochkomplexes zerstreut oder die Gedanken kreisen Zusammenwirken unterschiedlichster ständig um leidvolle Vorstellungen, Genkomponenten handelt, werden um Schuldgefühle oder Versagens- diese Erbanlagen nicht eins zu eins ängste. Sie sind daher wenig offen an die Kinder weitergegeben. Jeder für andere geistige Aktivitäten. Eine Mensch hat ein individuelles Gen- depressive Verstimmung von einer muster in Bezug auf das Risiko für die Demenzerkrankung zu unterscheiden Alzheimer Krankheit, das weitgehend kann selbst für erfahrene Fachleute unabhängig von Vorerkrankungen in schwierig sein. Auch Demenzkranke der Familie ist. leiden häufig in der ersten Krank- heitsphase an depressiven Verstim- mungen. Auffallend ist jedoch oft- mals, dass depressive Menschen in der Regel über ihre Beeinträchtigungen 15
ANGEBOTE IN STUTTGART 16
Angebote in Stuttgart 4 Beratungsangebote Beratungsstellen sind in der Regel die Ebenso informieren die GerBera Mit- ersten Anlaufstellen bei auftretenden arbeiter über alle möglichen Hilfsan- Fragen oder Problemen. Wenden Sie gebote vor Ort (wie z.B. Fahrdienste, sich unmittelbar an eine Beratungs- Essen auf Rädern, Pflegedienste, stelle, wenn sich Fragen in Bezug Besuchsdienste, Betreuungsgruppen auf eine mögliche oder bestehende usw.) und können bei der konkreten Demenzerkrankung ergeben. Die im Vermittlung dieser Dienste behilflich Folgenden genannten Beratungsstel- sein. Für isoliert lebende Menschen len unterliegen der Schweigepflicht. bemühen sie sich, Kontakt- und Begegnungsangebote unmittelbar 4.1 GerBera aufzubauen, oder führen klärende Den Informationskasten zu GerBera und entlastende Gespräche mit den finden Sie auf der folgenden Seite. In Stuttgart sind für die Beratung De- Kranken. menzkranker und ihrer Angehörigen vor allem die Gerontopsychiatrischen Die GerBera Mitarbeiter kümmern Beratungsdienste (GerBera) zustädig. sich insbesondere auch um die An- gehörigen von Demenzkranken. In Es sind insgesamt acht GerBera Bera- Gesprächen überlegen sie gemeinsam tungsstellen verteilt auf unterschied- mit Ihnen wie Sie am besten entlastet liche Stadtgebiete tätig. Die Beratung werden können und welche finanziel- ist kostenfrei. Die Arbeit der Bera- len Leistungen Ihnen bzw. dem Kran- tungsstellen ist zugehend. Beratungs- ken zustehen und wie sie am besten gespräche finden häufig in Form von genutzt werden können. Zudem sind Hausbesuchen statt. die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Ansprechpartner bei Problemen im Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Umgang mit dem Erkrankten. Sie sind in der Regel Sozialarbeiter oder suchen gemeinsam mit Ihnen nach Sozialpädagogen. Sie beraten und be- Lösungen und können vielerlei An- gleiten ältere Menschen mit Gedächt- regungen für die Betreuung zu Hause nisproblemen und Demenzerkrankun- vermitteln. gen sowie deren Angehörige und das soziale Umfeld. Auch längerfristige Die GerBera Dienste sind an die Beratungen sind möglich. Beratungs- Gemeindepsychiatrischen Zentren themen können z.B. sein: Auskünfte angegliedert. Dort werden auch Kon- oder Unterstützung bei sozialrechtli- takt- und Gruppenangebote vorgehal- chen Themen (z.B. Pflegeversicherung ten, die zum Teil auch für Demenzer- oder Schwerbehindertenausweis, krankte geeignet sind. Leistungen vom Sozialamt) oder Auskünfte zur gesetzlichen Betreuung und Vollmachten. siehe auch Kapitel 23-25 17
Angebote in Stuttgart 4.2 Weitere GerBera Beratungsangebote Neben den GerBera Diensten gibt es weitere Beratungsangebote in FÜR WEN IST DAS ANGEBOT ? Stuttgart, die in Anspruch genom- Für Angehörige von Demenzkranken und Demenzkranke. Auch bei anderen men werden können. So ist z.B. der psychischen Veränderungen im Alter wie z.B. einer depressiven Verstimmung, Bürgerservice Leben im Alter wohn- beunruhigende Veränderungen im Wesen oder Verhalten älterer Menschen oder ortnah in 17 Beratungsbüros in den bei wahnhaften Vorstellungen (unrealistische Überzeugungen wie z.B. bedroht Stadtteilen Stuttgarts zu finden. Die oder bestohlen zu werden) können GerBera Mitarbeiter angesprochen werden. Mitarbeiter beraten grundlegend zu Die Beratungsgespräche unterliegen der Schweigepflicht. allen Fragen, die in Zusammenhang mit Hilfe- und Pflegebedürftigkeit im DAUER: Alter auftreten. Weiterhin kann auch das Beratungsangebot der Alzheimer Es sind mehrfach Kontakte möglich. Teilweise besuchen GerBera Mitarbeiter Gesellschaft Baden-Württemberg und auch in regelmäßigen Abständen (z.B. alle vier Wochen) die älteren Menschen der Alzheimer Beratung und Fachbe- oder melden sich von Zeit zu Zeit telefonisch. ratung Demenz in Anspruch genom- men werden. Die Beschwerde- und ORT: Beratungsstelle des Stadtseniorenrats In der Beratungsstelle oder teilweise auch zu Hause bei den Kranken. hilft fachkundig bei Problemen mit Diensten, Einrichtungen und Behör- WARTEZEIT: den. Die Beratung ist überall kosten- Keine oder wenige Tage. los. KOSTEN: Die Pflegekassen sind seit 2009 gesetzlich verpflichtet, kostenlos Kostenlose Beratung. eine umfassende Pflegeberatung auf Wunsch auch in Form eines Haus- ANMELDUNG: besuches für ihre Versicherten anzu- Telefonisch unter den in Kapitel 30.2 angegebenen Telefonnummern oder bieten. Hierdurch sollen detaillierte persönlich im Sekretariat. Informationen über das Hilfsangebot vor Ort gegeben werden, ein Plan ADRESSEN: für die im Einzelfall erforderlichen Siehe Kapitel 30.2 Unterstützungsmaßnahmen zusam- mengestellt werden und deren Durch- führung gegebenenfalls überwacht und bei verändertem Bedarf angepasst werden. Ebenso soll die Beratung auf die Genehmigung der Maßnahmen etwa bei der zuständigen Kranken- oder Pflegekasse oder bei anderen Leistungsträgern hinwirken. 18
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