DEMOKRATIEBILDUNG IM ETHIKUNTERRICHT - unipub
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DEMOKRATIEBILDUNG IM ETHIKUNTERRICHT Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA) der Studienrichtung Angewandte Ethik an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Mag. Brigitte HÖGLINGER am Institut für Katechetik und Religionspädagogik an der Kath.-Theol. Fakultät Begutachter: Mag.theol. Dr.phil. Dr.theol. Feichtinger Christian MA MA Graz, 2021
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. ________________________ ________________________ Ort, Datum Unterschrift 1
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Abstract (Deutsch) Diese Arbeit untersucht, inwiefern der Ethikunterricht in seiner Funktion als Werteunterricht einen Beitrag zur Demokratiebildung leisten kann und worin die Notwendigkeit des Demokratielernens besteht. Dazu wird einführend das Unterrichtsfach Ethik besprochen, ein Überblick über grundlegende didaktische Modelle im Ethikunterricht im Hinblick auf Werteerziehung und Wertevermittlung erörtert die strukturellen und fachdidaktischen Rahmenbedingungen, auf deren Hintergrund Demokratiebildung im Ethikunterricht erfolgen kann. Anschließend werden die Entwicklung der Demokratie und wesentliche Demokratieformen zusammengefasst und verschiedene Bedeutungsebenen der Demokratie analysiert. Die Diskussion ihrer Stärken und Schwächen gibt erste Hinweise auf die Frage nach der Notwendigkeit der Demokratiebildung. Das dritte Kapitel beleuchtet detaillierter die Grundwerte der Demokratie, eingeteilt in ethisch- universelle Werte, demokratische Tugenden und sozio-moralische Grundlagen. Als Kernelement der Demokratiebildung sind diese Grundwerte essentieller Bestandteil des Ethikunterrichtes in seiner Funktion als Werteunterricht. Als Synthese und Zusammenführung der vorherigen Kapitel beschäftigt sich das letzte Kapitel mit der Demokratiebildung im Ethikunterricht. Zuerst wird untersucht, inwieweit das Thema als politische Bildung im Lehrplan festgeschrieben bzw. allgemein in der Aufgabe von Ethikunterricht beinhaltet ist, dann werden der Begriff der Demokratiekompetenz und die Notwendigkeit des Demokratielernens erläutert und abschließend wird der Frage nachgegangen, welche Rolle die Lehrpersonen bei der Vermittlung von demokratischen Kompetenzen einnehmen und wie Schule als demokratischer Erfahrungsraum begriffen werden kann. 2
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Abstract (English) This thesis examines whether Ethics lessons as values education can contribute to democracy education and explores what constitutes the necessity of ’learning democracy’. In approaching this topic, the thesis firstly discusses the school subject of Ethics and seeks to give an overview of the fundamental didactic models for this subject regarding values education and communication and outlines the structural and subject-didactic parameters for democracy education and ethics. Subsequently, the historical development as well as different forms of democracy are summarised and its implications are analysed on multiple levels. The mere discussion of democracy’s strengths and weaknesses can already provide hints for answers to questions concerning the necessity of democracy education. The third chapter of this thesis examines in closer detail the basic values of democracy, which can be categorised into three distinct groups, namely ethical-universal values, democratic ethos and socio- moral foundations. As core elements of democracy education these basic values form an essential part of Ethics lessons in their function as values education. As a synthesis and consolidation of the previous chapters, the final chapter focuses on democracy education in Ethics lessons. Firstly, this chapter provides a curriculum analysis in order to determine to what extent democracy education is incorporated in the curriculum as political education and - more generally - as an objective of the subject Ethics. Secondly, the concept of democracy competence is outlined and the necessity of ‘learning democracy’ is discussed before, finally, this thesis approaches the questions of what kind of roles teachers can assume in the conveyance of democratic competences as well as how schools can become realms of experience for democracy education. 3
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Inhaltsverzeichnis 1. Unterrichtsfach Ethik....................................................................................................................... 6 1.1 Unterrichtsfach Ethik in Österreich ......................................................................................... 6 1.2 Bedeutung und Strukturmerkmale des Lehrplans .................................................................. 7 1.2.1 Bildungs- und Lehraufgabe .............................................................................................. 7 1.2.2 Zentrale fachliche Konzepte ............................................................................................ 8 1.2.3 Didaktische Grundsätze ................................................................................................... 8 1.2.4 Kompetenzmodell, Kompetenzbereich, Kompetenzbeschreibungen ............................. 8 1.2.5 Anwendungsbereiche ...................................................................................................... 9 1.3 Wertklärung, Wertorientierung, Werteerziehung im Ethikunterricht .................................. 10 1.3.1 Die formale Bewertungsethik........................................................................................ 13 1.3.2 Die materiale Wertübermittlungsethik ......................................................................... 13 1.3.3 Die Ethik des moralischen Urteilens .............................................................................. 13 1.3.4 Folgerungen für den Ethikunterricht ............................................................................. 14 1.4 Didaktische Modelle im Ethikunterricht................................................................................ 15 1.4.1 Modelle ethischer Bildung............................................................................................. 15 1.4.1.1 Wertübertragung....................................................................................................... 15 1.4.1.2 Werterhellung ........................................................................................................... 15 1.4.1.3 Wertentwicklung ....................................................................................................... 15 1.4.1.4 Wertkommunikation ................................................................................................. 15 1.4.1.5 Zusammenfassender Vergleich der Modelle............................................................. 16 1.4.2 Didaktische Grundmodelle ............................................................................................ 16 1.4.2.1 Die bildungstheoretische bzw. kritisch-konstruktive Didaktik .................................. 16 1.4.2.2 Das curriculare Didaktikmodell ................................................................................. 17 1.4.2.3 Die kritisch-kommunikative Didaktik......................................................................... 18 1.4.2.4 Diskursmodell und integratives Reflexionsmodell .................................................... 19 2. Demokratie .................................................................................................................................... 20 2.1 Eckpunkte der Geschichte der Demokratie........................................................................... 20 2.1.1 Demokratie in der Antike – athenische Demokratie ............................................................ 20 2.1.2 Demokratie in der Neuzeit – Neuerfindung der Demokratie ............................................... 21 2.1.3 Moderne Demokratie – liberal repräsentativer Verfassungsstaat....................................... 22 2.2 Demokratieformen ................................................................................................................ 23 2.2.1 Parlamentarische Demokratie ....................................................................................... 23 2.2.2 Präsidentielle Demokratie ............................................................................................. 24 2.2.3 Direkte Demokratie ....................................................................................................... 25 4
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht 2.2.4 Regierungssystem in Österreich .................................................................................... 25 2.3 Ebenen der Demokratie ........................................................................................................ 27 2.3.1 Demokratie als Herrschaftsform ................................................................................... 27 2.3.2 Demokratie als Gesellschaftsform................................................................................. 27 2.3.3 Demokratie als Lebensform .......................................................................................... 28 2.3.4 Folgerungen für Demokratiebildung und politischen Unterricht.................................. 28 2.4 Stärken und Schwächen der Demokratie .............................................................................. 29 3. Grundwerte der modernen Demokratie ....................................................................................... 33 3.1 Ethisch-universell: Menschenwürde und Menschenrechte .................................................. 33 3.2 Demokratische Tugend – politisch-demokratisches Ethos ................................................... 35 3.3 Sozio-moralische Grundlagen................................................................................................ 39 3.4 Zusammenschau und kritische Betrachtung ......................................................................... 40 4. Demokratiebildung im Ethikunterricht ......................................................................................... 42 4.1 Verankerung im Lehrplan ...................................................................................................... 42 4.1.1 Beutelsbacher Konsens ................................................................................................. 43 4.1.2 Frankfurter Erklärung zur politischen Bildung............................................................... 44 4.1.3 Grundsatzerlass für das Unterrichtsprinzip Politische Bildung ..................................... 45 4.1.4 Europarats-Charta zur Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung..................... 47 4.2 Demokratiekompetenzen...................................................................................................... 47 4.2.1 Referenzrahmen des Europarats für Demokratiekompetenzen ................................... 47 4.2.2 Kompetenzmodell Politische Bildung ............................................................................ 50 4.2.3 Anforderungen an die Demokratiekompetenz ............................................................. 54 4.3 Warum Demokratie Bildung braucht – Notwendigkeit des Demokratielernens .................. 55 4.4 Die Rolle der Ethiklehrer*innen ............................................................................................ 58 4.5 Schule als demokratischer Erfahrungsraum .......................................................................... 60 4.6 Zusammenfassender Überblick ............................................................................................. 62 5. Zusammenfassung ......................................................................................................................... 63 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 65 Abbildungsverzeichnis ………………………………………………………………………………………………………….. 71 5
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht 1. Unterrichtsfach Ethik Einführend in die vorliegende Arbeit wird das Unterrichtsfach Ethik besprochen, das in Österreich eine gewisse Sonderstellung unter den Unterrichtsfächern einnimmt. Anhand einer Kurzfassung der aktuellen Situation des Ethikunterrichtes in Österreich und den Strukturmerkmalen des Lehrplanes wird versucht, diese Sonderstellung darzulegen. Weiters gibt dieses Kapitel einen Überblick über grundlegende didaktische Modelle im Ethikunterricht im Hinblick auf Werteerziehung und Wertevermittlung und erörtert so die strukturellen und fachdidaktischen Rahmenbedingungen, auf deren Hintergrund Demokratiebildung im Ethikunterricht erfolgen kann. 1.1 Unterrichtsfach Ethik in Österreich Ethik als Unterrichtsfach gab es bislang in Österreich nur als Schulversuch. Seit über 20 Jahren wurde dieser in Schulen der Sekundarstufe II, also allgemeinbildende höhere Schulen und berufsbildende mittlere und höhere Schulen, durchgeführt. Im Schuljahr 2019/20 wurde Ethik als alternativer Pflichtgegenstand laut Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung an 233 Standorten erprobt. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, kein Datum) Immer wieder wurde die Einführung des Unterrichtsfaches Ethik als Regelfach diskutiert. Zuletzt haben 2011 eine parlamentarische Enquete und der daraufhin an den Nationalrat vorgelegte Bericht eine Überführung der Schulversuche in den Regelbetrieb empfohlen, dieser Empfehlung folgte auch der Rechnungshof nach einer Prüfung im Jahr 2015. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, 2019) Die Einführung von Ethik als Pflichtgegenstand für alle Schüler*innen, die keinen Religionsunterricht besuchen, ist eines der aktuellen zentralen Reformen und bildungspolitischen Ziele. Im Schuljahr 2021/22 wird laut Beschluss des Nationalrates vom 20. November 20201 das Fach Ethik in den Regelbetrieb überführt und aufsteigend in der AHS und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ausgerollt. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, kein Datum) Bildungsminister Heinz Faßmann sprach im März 2019 noch von einer Einführung ab Herbst 2020, zuerst in der AHS-Oberstufe, ab 2021 dann auch in den Berufsbildenden Schulen und Berufsschulen. Dass Ethik als Pflichtfach nur für Schüler*innen, die keinen Religionsunterricht besuchen, eingeführt werden soll, erläuterte der Minister damals mit dem Konkordat zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl. (kathpress, 2019) Das Ministerium begründet die Einführung des Ethikunterrichtes mit der Forderung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen, auch für die immer größer werdende Anzahl von Jugendlichen, die keinen Religionsunterricht besuchen oder keiner Religionsgemeinschaft angehören, einen staatlichen Ethik- und Werteunterricht einzurichten. Dieser Ethikunterricht „soll Schülerinnen und Schüler zu selbstständiger Reflexion im Hinblick auf Wege gelingender Lebensgestaltung befähigen, ihnen Orientierungshilfen geben und sie zur fundierten Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens anleiten.“ (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, kein Datum) Außerdem soll er durch die Beschäftigung mit verschiedenen weltanschaulichen, philosophischen, kulturellen und religiösen Traditionen zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung beitragen und dabei die Bereitwilligkeit zur Verantwortungsübernahme für das eigene Leben und das Zusammenleben mit anderen im Hinblick auf soziale, ökologische, ökonomische, politische und kulturelle Kontexte stärken. Als weiteres Ziel wird die Ermutigung von Schüler*innen, ihre persönlichen Krisenerfahrungen zu reflektieren und sich als selbstwirksam Handelnde zu erleben, genannt. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, kein Datum) 1 Der Beschluss wurde gemeinsam von ÖVP, Grüne und FPÖ gefasst, eine demokratiepolitisch eher seltene Konstellation. 6
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Ebenfalls im März 2019 ging das Bundesministerium davon aus, dass ca. 1300 Lehrkräfte weiterqualifiziert werden müssen. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, 2019) Die Universitäten Wien und Graz bieten bereits Masterstudienlehrgänge an, für die ersten Bedarfsjahre wird zusätzlich von Pädagogischen Hochschulen, Universitäten und Kirchlich- pädagogischen Hochschulen gemeinsam ein Hochschullehrgang Ethik als berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung angeboten. Vorarbeiten für ein Lehramtsstudium an Universitäten und Hochschulen sind derzeit am Laufen, jedoch ist frühestens mit Beginn des Studienjahres 2022/23 mit einem tatsächlichen Studienangebot zu rechnen. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, kein Datum) Ein früherer Beginn an einzelnen Hochschulstandorten ist jedoch möglich. 1.2 Bedeutung und Strukturmerkmale des Lehrplans „Ein Lehrplan ist die staatlich verbindlich gemachte, geordnete Zusammenfassung von Lehrinhalten (Wissen, Können, Einstellungen, Verhalten) und Lehrzielen, die während eines bestimmten Zeitraumes an bestimmten Schulformen in bestimmten Fächern/Lernbereichen vermittelt werden sollen.“ (Wiater, 2011, S. 45) Die Bedeutung des Lehrplanes lässt sich ganz grundsätzlich in vier verschiedene Aspekte unterscheiden: erstens die Bedeutung als staatliche Vorgabe, zweitens die Bedeutung als Gegenstand der Rezeption durch die Lehrer*innen, drittens die Bedeutung als Regulativ für den Unterricht und viertens die Bedeutung als Hilfe für das Lernen der Schüler*innen, als Grundlage für die Lernplanung sozusagen. (Wiater, 2011, S. 46) Da Ethik in Österreich bislang nur als Schulversuch unterrichtet wurde, gibt es zahlreiche, vielfach schulautonom und daher nur an einzelnen Schulstandorten angewendete Schulversuchs-Lehrpläne. Zusätzlich dazu existiert ein Lehrplanentwurf der Bundes-ARGE Ethik. Auf Basis all dieser Lehrpläne wird derzeit an einem Lehrplan für den zukünftigen Pflichtgegenstand Ethik gearbeitet. (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) Da noch kein aktueller Lehrplan vorliegt, gilt als Bezugspunkt für die folgenden Ausführungen der Lehrplanentwurf der Bundes-ARGE Ethik vom 13. November 2019. (Bundes-ARGE Ethik, 2019) Der Lehrplanentwurf ist in fünf unterschiedliche Abschnitte strukturiert, die im Folgenden genauer erläutert werden. Ganz am Ende finden sich die konkreten Anwendungsbereiche, unterteilt nach Klassen und Semester bzw. Kompetenzmodule im Hinblick auf die geplante flächendeckende Modularisierung der Oberstufe (Semestrierte Oberstufe, bislang auch neue Oberstufe/NOST genannt). 1.2.1 Bildungs- und Lehraufgabe Die Bildungs- und Lehraufgabe beschreibt den Ethikunterricht als einen den Menschen- und Freiheitsrechten verpflichteten Unterricht, der die Schüler*innen zum begründeten Argumentieren und Reflektieren über Fragen der Ethik und Moral, zu selbstständiger Reflexion über Fragen der gelingenden Lebensgestaltung und zu fundierter Auseinandersetzung mit Grundfragen der eigenen Existenz befähigen soll. Indem er sich mit verschiedenen philosophischen, weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Menschenbildern beschäftigt, soll er dazu anleiten, die Würde des Menschen zu achten, Verantwortung für das eigenen Leben zu übernehmen und eine Grundhaltung von Toleranz und Offenheit zu verinnerlichen und so zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Außerdem leitet er die Schüler*innen zu einer Beschäftigung mit eigenen Erfahrungen und zu autonomem und selbstreflektiertem Urteilen und Handeln und kritischem Überprüfen eigener Haltungen und moralischer Urteile an. In ihrer Eigenschaft als Integrationswissenschaft soll Ethik den praktisch-philosophischen Austausch durch Ergebnisse der Bezugswissenschaften vertiefen und an die lebensweltlichen Gegebenheiten zurückbinden. (Bundes-ARGE Ethik, 2019) 7
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Insbesondere die Hinweise auf die Menschen- und Freiheitsrechte, auf die Auseinandersetzung mit verschiedenen weltanschaulichen und kulturellen Menschenbildern, auf die Übernahme von Verantwortung für das eigenen Leben und einer Grundhaltung von Toleranz und Offenheit und auf eine Rückbindung der ethischen Diskurse an die lebensweltlichen Gegebenheiten laden zu einer Beschäftigung mit Demokratiebildung im Ethikunterricht ein. 1.2.2 Zentrale fachliche Konzepte Als zentrale fachliche Grundlage gilt die Praktische Philosophie. Die jeweiligen für die Lebensgestaltung als wichtig erachteten Problemfragen werden aus den Anwendungsbereichen heraus entwickelt und aus drei Perspektiven betrachtet und reflektiert, nämlich erstens aus der Perspektive des Einzelnen (personale Perspektive), anknüpfend an Alltagserfahrungen und existenzielle Grunderfahrungen, zweitens aus der gesellschaftlichen Perspektive betreffend das Zusammenleben sowohl im lokalen als auch globalen Umfeld und drittens aus der ideengeschichtlichen Perspektive bezugnehmend auf maßgebliche ethische Ansätze und Theorien sowie religiöse und kulturelle Konventionen. (Bundes- ARGE Ethik, 2019) Für die Demokratiebildung im Ethikunterricht ist insbesondere die gesellschaftliche Perspektive interessant, insofern sie sich mit den verschiedenen Formen der Regelungen des Zusammenlebens beschäftigt. 1.2.3 Didaktische Grundsätze Der Abschnitt über die didaktischen Grundsätze listet die im Unterricht anzuwendenden Gestaltungsprinzipien auf. Erstens ist auf die Integration der Lebenswelt der Schüler*innen zu achten, die durch Erkenntnisse der Bezugswissenschaften und mit Hilfe ethisch-philosophischer Theorien reflektiert werden soll. Zweitens sollen die Themen diskursorientiert bearbeitet und vorgeschlagene Antworten kritisch untersucht werden. Drittens muss der Pluralität von Weltanschauungen und Menschenbildern respektvoll Rechnung getragen werden und es müssen im Unterricht mehrere wohlbegründete, unterschiedliche Positionierungen möglich sein. Viertens dürfen der Ethikunterricht und die Urteilsbildung der Schüler*innen nicht durch eine bestimmte weltanschauliche oder religiöse Sichtweise von Seiten der Lehrer*innen beeinflusst werden. Und fünftens sind die Kompetenzbeschreibungen, Anwendungsbereiche und zentralen fachlichen Konzepte von den Lehrer*innen so zu verknüpfen, dass Themen altersgerecht und je nach Lerngruppe und Unterrichtsintention unterschiedlich gewichtet in ihrer Perspektive behandelt werden können. Außerdem wird explizit auf die Möglichkeit von Exkursionen zu außerschulischen Lernorten und Expert*innengespräche hingewiesen. (Bundes-ARGE Ethik, 2019) Auch aus den didaktischen Grundsätzen lassen sich Bezugspunkte zur Demokratiebildung herauslesen, vor allem die Integration der Lebenswelt der Schüler*innen und deren ethische Reflexion, der Umgang mit der Pluralität von Weltanschauungen und der Hinweis auf die Möglichkeit von begründeten, unterschiedlichen Positionierungen eröffnen zahlreiche Möglichkeiten zum Demokratielernen. 1.2.4 Kompetenzmodell, Kompetenzbereich, Kompetenzbeschreibungen Das Kompetenzmodell gliedert sich grundsätzlich in fünf für alle Schulstufen geltende Kompetenzbereiche, die in allen Schulstufen so entwickelt werden sollen, dass ihr Ausprägungsgrad mit aufsteigender Schulstufe komplexer und differenzierter wird. Die Schüler*innen sollen Wahrnehmen und Perspektiven einnehmen, Analysieren und Reflektieren, Argumentieren und Urteilen, Interagieren und Sich-Mitteilen und Handlungsoptionen entwickeln. Das heißt, sie sollen Fragen der Lebenswelt wahrnehmen und sich mit Sichtweisen anderer auseinandersetzen, ethische Texte erschließen und verfassen und Erkenntnisse aus unterschiedlichen Fachgebieten aufeinander und auf ethische Positionen bezogen reflektieren, ethische Konzepte darstellen und Argumente kritisch 8
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht überprüfen und begründet urteilen, Gedankengänge versprachlichen und Konflikte diskursiv und gewaltfrei behandeln sowie zu moralischen Problemen reflektiert Stellung beziehen und die erworbenen Kompetenzen in der eigenen Lebensrealität verwirklichen können. (Bundes-ARGE Ethik, 2019) In der Auflistung dieser Kompetenzen finden sich eindeutig solche, die auch für die Demokratiebildung entscheidend sind, insbesondere sich mit Sichtweisen anderer auseinandersetzen können, Argumente kritisch prüfen können, begründet urteilen können und Konflikte diskursiv und gewaltfrei behandeln können. 1.2.5 Anwendungsbereiche Die angeführten Anwendungsbereiche (Themen) sind verbindlich zu lehren, außerdem soll auch Raum für aktuelle Themen bleiben. Sollten Gruppen schulstufenübergreifend geführt werden, müssen alle Anwendungsbereiche unterrichtet werden, die Reihung obliegt allerdings der Lehrkraft, bei fünfjährigen Schulformen sind die Kompetenzen und Anwendungsbereiche zu vertiefen. Insbesondere ist auch auf den Schwerpunkt der jeweiligen Schulform einzugehen, indem z.B. weitere Bereichsethiken wie die Sportethik thematisiert werden. In der folgenden Tabelle werden die Anwendungsbereiche nach Klassen gegliedert aufgelistet. (Bundes-ARGE Ethik, 2019) 5. Klasse (1. und 2. Grundbegriffe und Perspektiven der Ethik Semester) Ethik und Moral, Gut und Böse, Tugenden und Laster, Wert und Würde, Freiheit und Verantwortung, Rechte und Pflichten, Gewissen und moralische Emotionen Basiswissen zu Menschenrechten Menschenwürde, Grundrechte, Kinderrechte Soziale Beziehungen Formen von Familie, Partnerschaft und Freundschaft; Autoritäten, Vorbilder, Jugendkultur Glück Glücksvorstellungen, Glücksethiken, Glücksforschung Sucht und Selbstverantwortung Suchtprävention, Abhängigkeit, die Verantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft Natur und Mensch Umweltmodelle, globale und lokale Umweltthemen, Nachhaltigkeit, Klima Religion und Weltanschauung Religionsgemeinschaften und säkulare Weltanschauungen in Österreich; Religion und Staat 6. Klasse (3. Semester – Prinzipien normativer Ethik Kompetenzmodul 3) Zweck, Nutzen, guter Wille, Gerechtigkeit, Mitleid, Care Medien und Kommunikation Pressefreiheit, digitale Welt, Wahrheit und Manipulation Umgang mit Tieren moralischer Status von Tieren, Tierrechte, Tierschutz Liebe und Sexualität Sex und Gender, moralische Dimensionen von Liebe und Sexualität 6. Klasse (4. Semester – Judentum, Christentum, Islam Kompetenzmodul 4) Glaubensgrundlagen, moralische Richtlinien Beginn des Lebens Schwangerschaft, Reproduktionsmedizin Konflikte und Konfliktbewältigung Konfliktforschung, Konfliktlösung, gewaltfreie Kommunikation, Respekt und Toleranz 7. Klasse (5. Semester – Grundkonzepte der Ethik Kompetenzmodul 5) Tugendethik, deontologische Ethik, teleologische und konsequentialistische Ethik, utilitaristische Ethik 9
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Menschenwürde, Menschenrechte, Menschenpflichten philosophische Grundlagen der Menschenrechte, historische Entwicklung, aktuelle Situation Krankheit und Gesundheit, Ende des Lebens ärztliches und pflegerisches Berufsethos, Umgang mit Alter, Sterben und Tod Fernöstliche Religionen und Weltanschauungen Glaubensgrundlagen und moralische Richtlinien im Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus 7. Klasse (6. Semester – Das Fremde Kompetenzmodul 6) interkulturelle Erfahrungen, Diversität, Stereotype, Diskriminierung Identität und Moralentwicklung Konzepte der Identität, Theorien der Moralentwicklung Wirtschaft und Konsum Markt und Moral, Unternehmensethik, Konsumverhalten 8. Klasse (7. Semester – Positionen und Begriffe der Ethik Kompetenzmodul 7) Diskursethik, ethischer Relativismus, Verantwortungs- und Gesinnungsethik, Fähigkeitenansatz –gutes Leben, feministische Ethik Krieg und Frieden Ursachen von Krieg und Terrorismus, Theorien des gerechten Krieges, Friedenssicherung, Völkerrecht Moral und Recht Naturrecht und Positives Recht, ethische Dimensionen des Strafrechts, Recht auf Widerstand Technik und Wissenschaft Verantwortung der Wissenschaften, Technikfolgenabschätzung und -bewertung, Trans-und Posthumanismus 8. Klasse (8. Semester – Religions-und Moralkritik, Humanismus Kompetenzmodul 7) Atheismus, Agnostizismus, kritische Religiosität; Esoterik und neue religiöse Bewegungen; säkulare Gesellschaft, humanistische Lebensgestaltung Abbildung 1: Anwendungsbereiche (Bundes-ARGE Ethik, 2019) Für die Thematik der vorliegenden Arbeit sind insbesondere die Themen Basiswissen zu Menschenrechten, Religion und Weltanschauung, Konflikte und Konfliktbewältigung, Menschenwürde – Menschenrechte – Menschenpflichten, Krieg und Frieden und Moral und Recht von besonderer Relevanz, da sich hier auffallend viele Anknüpfungspunkte zu Diskursen rund um die Thematik Demokratie, Demokratieverständnis und Demokratiebildung finden lassen. Als Orientierungspunkte geben diese Anwendungsgebiete auch den Anlass für eine Beschäftigung mit Demokratiebildung von der 5. bis zur 8. Klasse. 1.3 Wertklärung, Wertorientierung, Werteerziehung im Ethikunterricht Die Ethik als Wissenschaft beschäftigt sich mit der Überprüfung von Normen und Werten „auf das diese begründende Verständnis von Moralität/Sittlichkeit“ (Wiater, 2011, S. 17) und so ist die Weitergabe von Wissen und die Diskussion über Werte und Weltanschauungen ein wesentlicher Teil des Ethikunterrichts. So häufig der Begriff Werte allerdings erwähnt wird, so unterschiedlich sind die Vorstellungen davon. In einer multikulturellen Gesellschaft gibt es eine große Wertepluralität, doch so groß die Pluralität auch sein mag, in jedem Lehrplan ist von Werteerziehung als Aufgabe der Schule die Rede. Häufig findet man sie in den allgemeinen Bildungszielen oder auch als Verpflichtungen in Schulordnungen oder Klassenregeln. Dennoch bleiben sie meist unbestimmt und diffus, es scheint eine Hemmung da zu sein, diese Werte auch eindeutig zu bestimmen und für verbindlich zu erklären. (Wiater, 2011, S. 60-61) 10
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht In der Rechtsvorschrift zum Lehrplan der allgemeinbildenden höheren Schulen findet sich im ersten Teil (Allgemeines Bildungsziel) unter Punkt 2. Gesetzlicher Auftrag ganz eindeutig die Vermittlung von Werten als Aufgabe der Schule: „Die allgemein bildende höhere Schule hat im Sinne des § 2 des Schulorganisationsgesetzes an der Heranbildung der jungen Menschen mitzuwirken, nämlich beim Erwerb von Wissen, bei der Entwicklung von Kompetenzen und bei der Vermittlung von Werten. Dabei ist die Bereitschaft zum selbstständigen Denken und zur kritischen Reflexion besonders zu fördern. Die Schülerinnen und Schüler sind in ihrem Entwicklungsprozess zu einer sozial orientierten und positiven Lebensgestaltung zu unterstützen.“ (RIS, 2018) Unter Punkt 3. Leitvorstellungen wird noch einmal explizit auf die Beschäftigung mit ethischen und moralischen Werten hingewiesen: „Den Fragen und dem Verlangen nach einem sinnerfüllten Leben in einer menschenwürdigen Zukunft hat der Unterricht mit einer auf ausreichende Information und Wissen aufbauenden Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Werten und der religiösen Dimension des Lebens zu begegnen. Die jungen Menschen sind bei der Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu fördern und in der Herausforderung, in ihrem Dasein einen Sinn zu finden, zu stützen.“ (RIS, 2018) Im nächsten Absatz werden auch einige der hier gemeinten Werte direkt aufgelistet: „Die Würde jedes Menschen, seine Freiheit und Integrität, die Gleichheit aller Menschen sowie die Solidarität mit den Schwachen und am Rande Stehenden sind wichtige Werte und Erziehungsziele der Schule.“ (RIS, 2018) Weitere Werte lassen sich indirekt aus den restlichen Erläuterungen des Punktes 3. Leitvorstellungen ableiten, im Folgenden in aus dem Gesetzestext herausgenommenen Stichwörtern aufgelistet: - sozialer Zusammenhalt - Verteilungsgerechtigkeit - interkulturelle Begegnungen - Geschlechtergleichstellung - Weltoffenheit - Akzeptanz - Respekt - gegenseitige Achtung - Diskursfähigkeit - individuelle Grundrechte - vorurteilsfreie Begegnung der Kulturen auf der Grundlage einer offenen und respektvollen Auseinandersetzung - Wahrnehmung von demokratischen Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten - Befähigung zu sach- und wertbezogenen Urteilsbildung - Übernahme sozialer Verantwortung - Selbstsicherheit - selbstbestimmtes und selbst organisiertes Lernen und Handeln - Teilnahme am sozialen Geschehen - kritische rationale Auseinandersetzung mit deren [Anm. der Informationstechnologien] Wirkungsmechanismen (RIS, 2018) 11
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Fast alle hier genannten Werte tragen auch zur Demokratiebildung bei, vor allem wo es um sozialen Zusammenhalt, Verteilungsgerechtigkeit, Geschlechtergleichstellung, Respekt und gegenseitige Achtung, Diskursfähigkeit, individuelle Grundrechte, Wahrnehmung von demokratischen Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten, Befähigung zur Urteilsbildung, Übernahme sozialer Verantwortung und Teilnahme am sozialen Geschehen geht. Es liest sich ganz selbstverständlich, dennoch ist es schwierig, diese Werte im Unterricht zum expliziten Thema zu machen, Diskussionen gibt es vor allem im Hinblick auf die Frage, „ob Werte in der Schule nur geklärt oder ob sie erzieherisch auch vermittelt und den Schüler/Schülerinnen zur Beachtung und Verinnerlichung aufgegeben werden sollen.“ (Wiater, 2011, S. 62) Margit Stein (Stein, 2010) hat den Diskurs der Fachdidaktik Ethik bezüglich der Frage, ob und wie zu Werten erzogen werden soll, in folgender Übersicht über die Werterziehungsansätze zusammengeführt: Name des Werterziehungsmodells Beschreibung des Vorgehens Ablehnung der Moralerziehung Pflicht zur absoluten Neutralität im Unterricht Annahme, dass Unterrichtsinhalte wertfrei vermittelt werden können Modell des öffentlichen Schaffung eines starken, gemeinsam geteilten öffentlichen Wertklimas Wertklimas in Schule und Gesellschaft sowie Stützung der Familie Wertelernen am Begegnungen mit Personen, die moralisch hohe Standards vertreten außergewöhnlichen Modell und Außergewöhnliches leisten/leisteten Analyse von „moralischen Helden“ in der Geschichte „Lernen am Modell“ Wertevermittlungsmodell Einweisung in den objektiven Wertekanon; Hilfestellung bei Wertumsetzungen „Direct Teaching“ Wertklärungsmodell Hilfestellung, z.B. durch gruppendynamische Übungen, eigene Wertepräferenzen herauszukristallisieren und sie umsetzen „Gärtner-Pädagogik“ Wertfühlungsmodell Förderung von Sympathie und Einfühlungsvermögen; gefühlsmäßige Einfühlung in den Mitmenschen Wertanalysemodell Wertekonflikte werden jeweils mit ihren Voraussetzungen und Folgen für alle Beteiligte beleuchtet Werteentwicklungsmodell Hilfestellung für den Einzelnen, moralische Autonomie zu erlangen und sich aus Konventionen zu befreien Konfrontationen mit moralischen Dilemmasituationen, um das moralische Urteil zu schulen Wertediskursansatz Realistischer Diskurs im Forum Inbeziehungsetzen divergierender Ansichten zu den Basisprinzipien Gerechtigkeit, Fürsorge, Wahrhaftigkeit und Friedfertigkeit Lehrkräfte als Teil der Gruppe Modell zu Sensibilisierung für eine Vermittlung einer breiten Wissensbasis über Natur, Umwelt, Mitwelt Überlebensverantwortung (Globalisierung, Eine-Welt-Themen etc.) Wertelernen durch soziale Vermittlung von sozialen Werten über das Kennenlernen sozialer Tätigkeiten Schicksale und der Perspektivenübernahme; zusätzlich Vermittlung einer Wissensbasis durch begleitende Mentorinnen Abbildung 2: Werteerziehungsmodelle (Stein, 2010, S. 250) Die Aufgabe der Wertorientierung der Schule kann konzeptionell auf drei Richtungen zurückgeführt werden kann, nämlich auf die Sichtweise, Wertorientierung mit Wertklärung gleichzusetzen, auf die Ansicht, Wertorientierung sei wesentlich die Vermittlung von bestimmten Werten an die Schüler*innen und auf die Fokussierung des moralischen Urteilens. Werner Wiater hat diese drei Positionen einer grundsätzlichen Kritik unterzogen beziehungsweise ergänzt, wie in den folgenden Absätzen erläutert wird. (Wiater, 2011, S. 62-66) 12
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht 1.3.1 Die formale Bewertungsethik Der Ansatz der formalen Bewertungsethik setzt rein auf die Eigenverantwortung eines jeden für seine Werte und Wertprioritäten und auf Gleich-Gültigkeit aller subjektiven Wertsetzungen. Die Lehrkraft verhilft maximal dazu, sich der eigenen subjektiven Wertvorstellungen bewusst zu werden, sie zu reflektieren und Widersprüche bzw. Konflikte zu erkennen. Die Schüler*innen sollen also allenfalls darin angeleitet werden, die getroffene Werteauswahl in ihren Konsequenzen zu bedenken und dann aus Überzeugung danach zu handeln. Eine solche Werteerziehung, die sich quasi mit dem Akt des Wertens und Bewertens schon zufriedengibt, ist für die Schulpraxis kaum tauglich. Angesichts der Bildungs- und Lehraufgabe müssen Lehrer*innen aktiv für die Würde des Menschen und die daraus abgeleiteten Grundwerte und Menschenrechte Partei ergreifen und sie notfalls gegenwirkend sichern. (Wiater, 2011, S. 62-64) 1.3.2 Die materiale Wertübermittlungsethik Diese Richtung geht davon aus, dass es durch Wertepluralismus, Überschätzung der Vernunft, Überbetonung von Einzelinteressen und Hedonismus zu einer Wertekrise in der Gesellschaft gekommen ist und daher in der Schule den Schüler*innen ein Kanon an Werten und Tugenden anerzogen werden soll. Diese Wertüberzeugungen gelten als übertragbar, kulturspezifisch definiert und verinnerlichbar. Die Vermittlung erfolgt im Wesentlichen über emotionale Bindung, praktisches Einüben und Habitualisierung. In diesem Modell wird jedoch durch die gesteuerte Weitergabe einer dogmatischen Moral die Erziehung zu moralischer Mündigkeit und Selbstverantwortung vernachlässigt und es ist damit mit dem im modernen Schulsystem vertretenen Menschenbild (im Sinne der Aufklärung) nicht vereinbar. (Wiater, 2011, S. 64-65) 1.3.3 Die Ethik des moralischen Urteilens Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Modellen findet die von L. Kohlberg entwickelte moralpädagogische Entwicklungstheorie große Beachtung in der Schulpädagogik. Im Wesentlichen geht Kohlberg davon aus, dass die Moralentwicklung stufenweise (und zwar hierarchisch) erfolgt und eng an die kognitive Entwicklung gekoppelt ist. (Wiater, 2011, S. 65) Abbildung 3: Stufen der Moralentwicklung nach Kohlberg (Universität Lüneburg, 2017) 13
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Kohlberg geht davon aus, dass ganz zu Beginn der Moralentwicklung Kinder nach dem Prinzip handeln, dass das gerecht ist, was ihnen guttut. Etwas später, also in der präkonventionellen Phase, kommt es zu einer Fremdbestimmung des Verhaltens, indem sie sich an Strafen und Gehorsam orientieren und schließlich kommt es zu einem individualistischen Denken im Sinne von „Wie du mir, so ich dir!“. In der darauf folgenden konventionellen Phase beeinflussen wechselseitige Beziehungen und Erwartungen das moralische Handeln, etwas später orientieren sich die Jugendlichen an der sozialen Ordnung. In der postkonventionellen Phase sind der Gesellschaftsvertrag und individuelle Rechte Orientierungspunkte für moralische Entscheidungen und erst in der letzten Stufe spielen universale ethische Prinzipien wie Menschenwürde oder Gleichheitsrechte die entscheidende Rolle. (Wiater, 2011, S. 65) Allerdings erreicht laut Kohlberg nur eine Minderheit der Erwachsenen die Stufe des postkonventionellen Denkens, auch die Argumentationen innerhalb der einzelnen Stufen können sowohl heteronom, sozial als auch autonom sein. Und allein die Tatsache, über eigene moralische Handlungsurteile auf hohem intellektuellem Niveau reflektieren zu können, sagt noch nichts aus über das tatsächliche moralische Handeln. Häufig wird Kohlberg auch dahingehend kritisiert, dass sein Ansatz die kulturelle Dimension moralischen Urteilens zu wenig berücksichtigt, vor allem in der postkonventionellen Stufe. (Wiater, 2011, S. 65-66) 1.3.4 Folgerungen für den Ethikunterricht Die vermittelnde Position zwischen den verschiedenen Konzeptionen der Werteerziehung nimmt die These des seine Werte ko-konstruktiv erlernenden Kindes ein, das sich also aktiv aus seiner Umwelt ein internes Bild der Außenwelt konstruiert und nicht einfach ein Produkt seiner Milieuumstände bleibt. Demzufolge lernen Kinder Werte bei der Sozialisation und Erziehung in Familie, Peergroup, Freizeit, Medien, Gesellschaft etc. und auch die Schule soll und muss eine solche Lernumgebung bereitstellen. Der demokratisch legitimierte und gesellschaftlich beauftragte Ansatz der Schule geht davon aus, dass Werte eben nicht nur Gegenstand des individuellen Beliebens sind, sondern dass es über das Subjekt hinausgehende Verbindlichkeiten gibt, die als Orientierung kommunizierbar, begründbar und vertretbar sind. Und diese Werte sollen im Ethikunterricht erlernt werden. Sie müssen ein Minimalkonsens sein, der jenseits aller definierten Weltanschauungen tragfähig ist und durch zwei Prinzipien abgesichert ist, nämlich dem Prinzip der Verallgemeinerbarkeit und dem Prinzip der Gleichbehandlung und Fairness. Die Schlüssigkeit der Logik dieser formalen Prinzipien liegt, zumindest in demokratischen Gesellschaften, auf der Hand. Zusätzlich muss noch ein materiales Prinzip gelten, nämlich „das Prinzip, dass alles Tun und Lassen in der demokratischen Gesellschaft Europas der Humanität dienen muss, d.h. der Selbst- und Höherentwicklung des Menschen, dem Schutz und der Würde des Einzelnen und der Menschheit insgesamt.“ (Wiater, 2011, S. 68) Diese Prinzipien können in der ethischen Diskussion nicht widerspruchsfrei negiert werden, egal, welche Weltanschauung vertreten wird. Daneben gibt es sicherlich noch einer Reihe anderer Normen und Wertpräferenzen, die Menschen religiös, politisch oder persönlich rechtfertigen, Ansichten, die jedoch das Lebenserhaltungsinteresse, die Selbstbestimmung, die Rechtsgleichheit aller, den Schutz der persönlichen Würde und die Freiheit sowie das Recht auf Teilhabe ablehnen, sind konsequent den Schüler*innen gegenüber als nicht diskursfähig zu vertreten. Hier ist eben auch die pädagogische und didaktische Kompetenz der Lehrkraft gefordert, im Sinne einer Forderung und Förderung der persönlichen Sittlichkeit, die die überlieferten Wertvorstellungen auch kritisch reflektieren, vernünftig modifizieren und weiterentwickeln kann, zu handeln. (Wiater, 2011, S. 66-68) Und genau hier findet sich auch die Legitimation und Begründung der Wichtigkeit von Demokratiebildung im Ethikunterricht. Inwieweit Demokratiebildung als politische Bildung im Lehrplanentwurf festgeschrieben bzw. allgemein in der Aufgabe von Ethikunterricht beinhaltet ist, wird detaillierter im Kapitel 4.1 Demokratiebildung im Ethikunterricht – Verankerung im Lehrplan erläutert. 14
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht 1.4 Didaktische Modelle im Ethikunterricht Aus den vorhergehenden Kapiteln erschließt sich der Auftrag der Schule und damit auch im besonderen Maße des Ethikunterrichtes zu ethischer Bildung und zur Vermittlung und Weitergabe von Werten an Schüler*innen. Wie diese ethische Bildung erfolgen kann, wird im Folgenden mittels zweier Konzeptionen von didaktischen Modellen der ethischen Bildung diskutiert, zum einen die Modelle ethischer Bildung, die Hans-Georg Ziebertz vorstellt (Ziebertz, 2001), zum anderen die von Volker Pfeifer analysierten didaktischen Grundmodelle. (Pfeifer, 2009). 1.4.1 Modelle ethischer Bildung Hans-Georg Ziebertz kristallisiert vier Modelle heraus, mit denen im Unterricht Werte und Normen behandelt werden können: Wertübertragung, Werterhellung, Wertentwicklung und Wertkommunikation, die im Folgenden überblicksartig erläutert und in einer Tabelle zusammenfassend verglichen werden. (Ziebertz, 2001) 1.4.1.1 Wertübertragung Das Konzept der Wertübertragung geht davon aus, dass Lehrer*innen aus der Vielfalt von Wertkonzepten eine Selektion vornehmen, die durch die damit verbundenen Ziele als legitimiert gilt und anhand derer die Einstellungen der Schüler*innen geformt und ihr Handeln beeinflusst wird. Von einer kognitiven Akzentuierung des Modells spricht man dann, wenn das Erlernen, Reproduzieren und Klassifizieren von Werten im Vordergrund steht. Wird Lernen von Werten und Normen vor allem als Internalisierungsvorgang begriffen, spricht man von affektiver Akzentuierung, hier wird häufig auch Lernen am Modell eingesetzt. Ist das Ziel, auf die Willensausrichtung der Jugendlichen Einfluss zu nehmen, im Fokus, also das Ausformen bestimmter Haltungen, spricht man von voluntativer Akzentuierung. (Ziebertz, 2001, S. 407-408) 1.4.1.2 Werterhellung Das Konzept der Werterhellung geht im Gegensatz zur Wertübertragung nicht von bestehenden Werten und Normen aus, sondern von den bereits verinnerlichten Werten. Im Fokus steht der Einzelne und seine persönliche Werte-Biographie. Ziel ist die reflexive Bearbeitung der eigenen Werttradition, durch Bewusstmachung und Wahrnehmung von Konsistenzen und Inkonsistenzen soll eine Einheit von Denken, Fühlen und Handeln hergestellt werden und so die persönliche Identität gefunden und stabilisiert werden. (Ziebertz, 2001, S. 408-409) 1.4.1.3 Wertentwicklung Das Konzept der Wertentwicklung entspricht im Wesentlichen der unter Punkt 1.3.3 erläuterten Richtung. Ansätze, die auf diesem Konzept aufbauen, rücken die ethische Urteilskompetenz der Schüler*innen in den Mittelpunkt des Interesses. Die Aufgabe der Lehrkraft besteht hauptsächlich darin, durch Bearbeitung von Dilemma-Geschichten herauszufinden, auf welcher Stufe (nach Kohlberg) sich die Schüler*innen befinden und durch Argumentationsformen der nächsten Stufe einen Stufenwechsel zu initiieren. (Ziebertz, 2001, S. 409-410) 1.4.1.4 Wertkommunikation Der ausschlaggebende Faktor für den Erwerb von Werten und Normen ist in diesem Konzept die Interaktion bzw. Kommunikation. Ziel ist, durch die Kommunikation über Werte und Normen argumentative Verfahren zu erlernen und so die Ausbildung einer Urteilskompetenz zu fördern. Schüler*innen sollen ermutigt werden, differente Werte zu begründen und abzuwägen, aus der Diskrepanz von Ist- und Soll-Zustand gezogene Schlussfolgerungen kritisch zu prüfen und so die individuelle ethische Kompetenz zu erhöhen. (Ziebertz, 2001, S. 410-412) 15
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht 1.4.1.5 Zusammenfassender Vergleich der Modelle Wertübertragung Werterhellung Wertentwicklung Wertkommunikation Ziel Jugendliche sollen Jugendliche sollen Jugendliche sollen ihre Jugendliche sollen die vorab ausgewählte erworbene moralische moralische Wünschbarkeit und Werte und Normen Einstellungen erkennen Urteilskompetenz Haltbarkeit von Werten übernehmen und sich ggf. davon stufenweise erhöhen und Normen aus einer emanzipieren ethischen Optik beurteilen Methode/ Weitergabe von Bewusstmachung von Diskussion moralischer Teilnahme an Verfahren Werten und Normen und Konfrontation mit Konflikte anhand von argumentativen auf direktem Weg erworbenen Werten Dilemma-Geschichten Diskussionsprozessen durch kognitive, und Normen mit affektive und volitive Perspektivenwechsel Lernprozesse Wert- liegt in den Inhalten liegt in der Optimierung liegt im Aufbau eines liegt im Ziel der orientierung („dem Wert“) der des subjektiven Prinzipien-geleiteten ethischen Mündigkeit Werte und Normen, Denkens, Fühlens und ethischen Urteils des Jugendlichen, die die tradiert werden Handelns Ziel und Methode ist sollen Wert- wird auf jene Werte wird auf die Werte kommt in ausgesuchten ist Ausgangspunkt und pluralität reduziert, die von reduziert, die Dilemmata in Gegenstand der Jugendlichen individuell bedeutsam funktionaler Absicht zur Kommunikation über übernommen werden sind Sprache Werte und Normen sollen Abbildung 4: Modelle ethischer Bildung (Ziebertz, 2001, S. 413) Bei Ziebertz findet man obenstehenden Vergleich der Modelle, welches davon für den Ethikunterricht am bestens einsetzbar ist, ist sicher auch abhängig von der Altersstufe und dem besprochenen Thema, in der Praxis wird es meist eine Schnittmenge der verschiedenen Modelle sein. Auf jeden Fall muss ethische Bildung in der Schule die beiden Pole Rigidität (die der Gefahr der Indoktrination unterliegt) und Gewährenlassen (was zu einem sozialen Vakuum führen kann) vermeiden. Ethikunterricht soll vor allem zur Bildung eigener Urteilen und zum Treffen eigener Entscheiden auffordern und nicht zur Übernahme der Urteile und Entscheidungen anderer, die meisten Umsetzungsmöglichkeiten dieses Anspruches bieten hier die Modelle Wertentwicklung und Wertkommunikation. (Ziebertz, 2001, S. 412-413) 1.4.2 Didaktische Grundmodelle Volker Pfeifer analysiert die im Folgenden überblicksartig erläuterten drei didaktischen Modelle - die bildungstheoretische bzw. kritisch-konstruktive Didaktik, das curriculare Didaktikmodell und die kritisch-kommunikative Didaktik - auf ihre Relevanz für den Ethikunterricht und stellt als Fazit das Diskursmodell und integrative Reflexionsmodell vor. (Pfeifer, 2009, S. 57-83) 1.4.2.1 Die bildungstheoretische bzw. kritisch-konstruktive Didaktik Der Kern der bildungstheoretischen Didaktik (nach Wolfgang Klafki) ist der Bildungsbegriff, der mit drei Grundfähigkeiten beschrieben wird: der Fähigkeit zur Selbstbestimmung, der Fähigkeit zur Mitbestimmung und der Fähigkeit zur Solidarität. Zusammengefasst wird Bildung definiert als „die Fähigkeit eines Menschen, sachkompetent, selbstbewusst, kritisch und solidarisch zu denken und zu handeln“ (Pfeifer, 2009, S. 60). Materiale Bildungstheorien klären die Wissensinhalte, die bedeutend genug sind, um an Schüler*innen weitergegeben zu werden, formale Bildungstheorien erörtern die Frage nach den Fähigkeiten, die gegenwärtig oder zukünftig für die Schüler*innen wichtig sind. Zentral ist hier der Begriff der Allgemeinbildung, der von Klafki in drei Bedeutungsmomente unterschieden wird: als Voraussetzung für Selbstbestimmung muss Bildung für alle gleich sein, weiters dient Allgemeinbildung der Erforschung der die Gesamtgesellschaft betreffenden Probleme und Fragestellungen und nicht zuletzt meint Allgemeinbildung auch „Bildung in allen Grunddimensionen menschlicher Interessen und Fähigkeiten“ (Pfeifer, 2009, S. 61). Durch die Beschäftigung mit zentralen 16
Brigitte Höglinger Demokratiebildung im Ethikunterricht Problemen der Gegenwart sollen die Schüler*innen insbesondere vier Fähigkeiten entwickeln: Kritikfähigkeit inklusive der Bereitschaft zu Selbstkritik, Argumentationsfähigkeit und -bereitschaft, Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und die Bereitschaft und Fähigkeit vernetzt bzw. in Zusammenhängen zu denken. (Pfeifer, 2009, S. 59-62) Durch die Aufnahme von Elementen der lerntheoretischen Didaktik entwickelt Klafki den Ansatz kritisch-konstruktiv weiter, kritisch im Sinne der Orientierung an der Zielbestimmung (der Entwicklung der Fähigkeit zu Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität), die wichtiger als Inhaltsfragen ist, konstruktiv, weil sich alle Unterrichtskonzepte und -modelle an der Praxis einer humaneren und demokratischeren Schule messen lassen müssen. Die Aufgabe einer kritisch-konstruktiven Didaktik ist die Analyse von fachwissenschaftlich relevanten Inhalten auf ihre fachdidaktische Bedeutung. (Pfeifer, 2009, S. 62-64) Kritisiert an diesem Ansatz wird immer wieder der Bildungsbegriff: die einen tun ihn als Statusmerkmal eines Bildungsbürgertums ab, von anderen wird Klafkis Definition als Verkürzung und Weg zur Halbbildung gesehen und insbesondere von Heinz Schmitt wird die Unbestimmtheit der Begriffe Selbstbestimmung und Solidarität kritisiert. Nichtsdestotrotz findet man im bildungstheoretischen Modell eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten für die Didaktik des Ethikunterrichts. Die Schüler*innen sollen im Ethikunterricht insbesondere auch Diskursfähigkeit, Argumentationsfähigkeit, kritische Wahrnehmungsfähigkeit und Fähigkeit zum Perspektivenwechsel einüben, die Fähigkeit zur Selbstbestimmung gehört zweifellos zu den Voraussetzungen der gegenwärtigen Ethik, der kulturelle Prozess der Demokratisierung mit einer immer größer werdenden Pluralität an Partizipationsmöglichkeiten erfordert die Fähigkeit der Mitbestimmung und die Fähigkeit zur Solidarität ist maßgebend für die Idee von Humanität. (Pfeifer, 2009, S. 64-68) 1.4.2.2 Das curriculare Didaktikmodell Im curricularen Didaktikmodell, auch lernzielorientiertes Modell, stehen die Lernziele im Fokus. Bezugnehmend auf den Behaviorismus wird Lernen als Verhaltensänderung definiert, das Lernziel ist das gewünschte Endverhalten der Schüler*innen. Die curriculare Didaktik fragt also nach den Unterrichtsarrangements, die bestimmte Erfahrungsmöglichkeiten schaffen, die dann zu diesen Verhaltensänderungen führen, der Inhalt wird hier als Stimulus, das Verhalten als Reaktion betrachtet, die im kognitiven, emotionalen oder aktionalen Bereich liegen kann. Dementsprechend wird zwischen kognitiven, affektiven und pragmatischen Lernzielen unterschieden. Pfeifer schlägt in einem Lernzielraster für den Ethikunterricht vor, zwischen vier Zielfeldern zu unterscheiden, die wiederum in aufeinander aufbauende Anforderungsprofile gegliedert werden. (Pfeifer, 2009, S. 69-72) I. Wissen (Informationen) Einblicke liefern, Überblicks-Wissen aufbauen Bildung fester Kenntnisse durch Differenzierung der Inhalte und Betonung der Zusammenhänge II. Erkennen (Probleme) Problemerfassung und Bewusstmachung Einsicht in eine mögliche Lösung Problemverständnis durch kritische Überprüfung der Lösung und Übertragung auf andere Zusammenhänge III. Können (Operationen) Moralisch-ethische Ich-Kompetenzen (sich der eigenen Wahrnehmung bewusst sein und kritisch beurteilen können), Du- Kompetenzen (kommunikativ-diskursive und soziale Kompetenzen) und Sachkompetenzen (argumentative Kompetenzen) IV. Werten (Einstellungen) Kompetenzaspekt einerseits (Aussagen begründen können), zu erreichende Grundhaltungen andererseits (z.B. Offenheit, Respekt, Fairness, Toleranz, Zivilcourage) Abbildung 5: Lernzielraster für den Ethikunterricht (Pfeifer, 2009, S. 72) 17
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