Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO)
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Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) Erstellt von Michael Hanak, Kunst- und Architekturhistoriker lic. phil. I, Frankengasse 24, 8001 Zürich Im Auftrag von Matthias Kissling, Ziegelfeldstrasse 15, 4600 Olten und Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Solothurn Werkhofstrasse 55, 4509 Solothurn Dezember 2018
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 2 Inhaltsverzeichnis Bauangaben 3 Baubeschreibung 4 Lage 4 Äusseres 4 Inneres 6 Konstruktion 7 Baugeschichte 8 Chronologie zur Planung und Ausführung 8 Bauherrschaft 9 Architekt 9 Würdigung 13 Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Qualitäten 13 Städtebauliche Qualitäten 14 Architektonische Qualitäten 14 Architekturgeschichtliche Einordnung und Vergleiche 16 Beurteilung 19 Denkmalpflegerische Einstufung 19 Vorschlag zum Schutzumfang 20 Quellen und Literatur 20 Abbildungen 21
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 3 Bauangaben Objekt Wohnhaus mit Arztpraxis Adresse Im Füler 2 (Wohnhaus mit Arztpraxis), Im Füler 2a (Freibad, Liegehalle und Gartenabstellraum) Gemeinde 4616 Kappel (SO) Quartier Merzacker Bauzone Einfamilienhauszone zweigeschossig (E2) Grundbuchnummer 1167 (ehemals 630 und 710) Bauherrschaft Peter Kissling-von Arx, Trimbach Architekt Elmar Kunz-Rüedi, Zürich Bauzeit 1969–1970 (Wohnhaus mit Arztpraxis) 1980 (Freibad, Liegehalle und Gartenabstellraum) Örtliche Bauleitung Nino Gervasoni, Olten Bauingenieur Ernst Pfister, Olten
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 4 Baubeschreibung Lage Das Wohnhaus mit Arztpraxis liegt in einem Einfamilienhausquartier am südlichen Rand der Gemein- de Kappel, Kanton Solothurn. Kappel befindet sich westlich von Olten und des Oltnerbergs, in der Ebene der Dünnern. Der bäuerliche Dorfkern bildete sich nördlich der Hauptstrasse entlang der Dorfstrasse, Einfamilienhausquartiere dehnen sich vor allem südlich der Hauptstrasse aus. Das Wohnhaus mit Arztpraxis liegt am äussersten südlichen Rand des Merzackerquartiers, im Bereich zwischen der nördlich verlaufenden Hauptstrasse im Dorf und der weiter südlich verlaufenden Auto- bahn. Erschlossen wird das Haus von der Boningerstrasse her über den Fülerweg, die Parkplätze und der Hauseigang liegen an der Stichstrasse Im Füler. Das Gelände steigt vom etwa 460 Meter ü. M. gelegenen Haus nach Osten zum bewaldeten Oltnerberg mit der 719 Meter ü. M. hohen Bergspitze Born zunehmend an. Richtung Süden öffnet sich ein unverbauter Ausblick in die sanft modulierte Landschaft mit den gelegentlich sichtbaren Alpenspitzen im Hintergrund. Äusseres Ein grosszügiger Garten umgibt das Wohnhaus mit Arztpraxis, Bäume und Büsche schirmen es teils gegen Einblicke von den Quartierstrassen ab. Eine dichte Hecke mit Bäumen trennt den rückwärtigen Gartenbereich vom vorderen ab. Künstliche Abstufungen schaffen Ebenen im leicht geneigten Gelände. Das lange Pultdach folgt in etwa der umliegenden natürlichen Hangneigung. Die Dachneigung beträgt ca. 14,5 Grad, was einem Gefälle von etwa 26 Prozent entspricht. Zur Strasse hin läuft der Dachkör- per spitz aus, wobei der Dachvorsprung weit vorkragt. Unter dem Dachvorsprung schliessen gröss- tenteils verglaste Bereiche an, womit der schwebende Eindruck des Dachs zusätzlich unterstützt wird. Mehrere Stufen am Dach bilden mehrere Ebenen derselben Dachneigung, wobei die Übergänge immer in abgerundeten Linien verlaufen. Die Dachflächen werden durch gleichbreite Bahnen der Kupferblecheindeckung respektive deren aufstehenden Falze strukturiert. Der Dachrand ist aus abgekantetem Kupferblech sehr fein dimensioniert. Drei kurze Kamine, wiederum mit abgerundeten Ecken, überragen das Dach. Zwischen dem terrassierten Gelände und dem gestuften Pultdach steigt das Haus um insgesamt vier Geschosse an. Von der Strasse her sind zwei Geschosse zu sehen, auf der Gartenseite ein bis drei Geschosse. Die Orthogonalität des Hauses wird durch einzelne Knicke im Verlauf der Aussenwände gebrochen und die Südfassade ist gegenüber dem übrigen Haus abgedreht. Mehrere Ecken am Haus weisen spitze Winkel auf. Die Fassaden bestehen aus weiss gestrichenem Mauerwerk. Verwendet wurden gestrichene Kalksandsteine. Die hölzernen Fensterrahmen kontrastieren zu den Wänden. Die Storen bestehen aus hellgrauem Aluminiumblech. In den Grössen und Formaten variieren die Fenster stark: Querformate wechseln sich mit Hochformaten ab, es gibt sowohl raumhohe wie niedrige hochliegende Fenster, in einem Fall an der Südostfassade ist die Befensterung geschossübergrei- fend. Einzelne Fenstergrössen wiederholen sich allerdings und wiederholt sind mehrere Fenster bänderartig zusammengefasst.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 5 Die Nordwestfassade, die parallel zur Erschliessungsstrasse verläuft, gliedert sich in drei Abschnitte: den mittigen eingeschossigen Eingangsbereich, den etwas zurückversetzten eingeschossigen Garagenbereich links davon und den weiter zurückversetzten zweigeschossigen Trakt mit der Arzt- praxis rechts. Das Garagentor und die umgebende Wandverkleidung bestehen aus horizontalen Leisten aus Lärchenholz. Zwischen Zugang und Garageneinfahrt verläuft eine freistehende Mauer- scheibe, der zwei Kugelleuchten aufgesetzt sind. Eine Serie von parallelen Mauerscheiben markiert den Eingangsbereich: Der Hauseingang liegt zurückversetzt in einer Nische, zwischen den weiteren Mauerstirnseiten erstecken sich eine grossflächige Verglasung und ein schmaler Lüftungsflügel. Die Eingangstüre selbst besteht aus einer rasterartigen Holzstruktur, die von sechs schmalen, vertikalen Glasfeldern durchsetzt ist. Rechts des Eingangs folgt eine mehrheitlich geschlossene Wand mit einem hochliegenden Fensterband. Nach einem spitzwinkligen Rücksprung folgt der langgestreckte, zweige- schossige Arztpraxistrakt. Dieser ist durchgehend befenstert, am Obergeschoss mit einem gleich- mässig unterteilten Fensterband und im Untergeschoss mit einer bandartigen Zusammenfassung der Fenster. Am südwestlichen Ende steigt die Nordwestfassade schräg an und betont damit diese mural ausgebildete Hausecke. Die Südwestfassade beginnt mit der Stirnseite des Arztpraxistrakts. Diese Aussenwand ist mehrheit- lich geschlossen und weist nur zwei Öffnungen auf: Ein Fenster im Untergeschoss und ein durch vertikale Holzleisten halbtransparent abgeschirmter Wanddurchbruch im Obergeschoss, hinter dem die gedeckte Gartenhalle liegt. Das Pultdach steigt übrigens erst nach der horizontal abschliessenden Eckpartie an. Fortsetzung findet die Südwestfassade auf der zum Garten gewandten Seite des Wohnflügels. An dessen Mitte steht ein eingeschossiger, fensterloser Vorbau vom Hauptbaukörper spitzwinklig vor. Zugleich befindet sich an dieser Stelle ein Versatz der Südwestfassade, wobei die Übergänge abgerundet verlaufen. Links des Vorbaus öffnet sich ein grosses, raumhohes Fenster und eine noch grössere Schiebefenstertüre zum Wohnbereich. Rechts des Vorbaus finden sich ein grosses Fenster vor dem Essbereich und im Obergeschoss ein weiteres Fenster. Darüber beschreibt auch die Dachkante eine geschwungene Stufe. Am südlichen Ende der Südwestfassade verläuft die Aussenwand mit einem Knick und steht schlussendlich parallel zum Vorbau. Die Südostfassade, die zum ansteigenden Garten hinweist, ist die höchste Fassade. Sie ist mit sehr unterschiedlichen Fenstergrössen und -formaten komponiert. Diese sind so auf der Wandfläche verteilt, dass der mittige Bereich fensterlos bleibt. Im Untergeschoss befinden sich eine Aussentüre und links davon ein hoch liegendes Fenster des Esszimmers sowie rechts ein Fenster vor der Küche. Darüber liegen auf der rechten Seite ein eher kleineres Fenster und auf der linken Seite ein ge- schossübergreifendes Fensterfeld mit einem rechts angehängten Fenster im obersten Stock (mit einem Galerieraum). Der Arztpraxistrakt öffnet sich auf der Südostseite mit einer gedeckten Gartenhalle. Drei Wandpfeiler tragen mittels Holzstützen und Kopfbändern die Holzkonstruktion des Pultdachs. Rechts davor ragt ein hoher und breiter, aber wenig tiefer Oberlichtschacht mit rückwärtiger Schräge aus dem Boden empor. In der geschlossenen Wand am Verbindungsstück zum Wohnflügel hin gibt es eine Fenster- öffnung, die durch vertikale Holzleisten abgeschirmt wird.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 6 Die Nordostfassade verläuft nahe der Grenze zum Nachbargrundstück, während das Grundstück an den übrigen Seiten an die Strassen oder an das offene Feld angrenzt. Vor dieser Hausseite stehen Bäume und Büsche und erschweren eine Gesamtansicht. Die Nordostfassade steigt von strassensei- tig einem Geschoss auf gartenseitig drei Geschosse und verläuft geradlinig, bis auf einen Versatz ungefähr in der Mitte. Auf die Aussentüre der Küche am südöstlichen Ende folgen die Küchenfenster, die mit den holzverkleideten Zwischenbereichen optisch zu einem Band zusammengefasst sind. Darüber sind am Obergeschoss niedrige Fenster sowie eine hohe vergitterte Öffnung zu sehen. Vor dem Versatz der Aussenwand, der fast zwei Meter beträgt, ist ein kleiner, eingezogener Balkon angeordnet. Am nächsten Fassadenabschnitt folgt auf Strassenniveau ein Seiteneingang unter einem Betonsturz. Daneben und darüber gibt es einige kleinere Fenster. Neben dem Haus liegt am südöstlichen Ende des Grundstücks das Schwimmbad mit dazugehörigen Nebenräumen. Der Pool selbst schliesst wenige Meter nach der Südostfassade des Hauses parallel dazu an. Einige Betonstufen führen vom Garten zur Plattform mit dem Schwimmbecken hoch. Östlich des Schwimmbads öffnet sich eine überdeckte Liegehalle, die mit einem Cheminée ausgestattet ist. Dessen Pultdach, das nach Osten hin ansteigt, ist zum Schwimmbecken hin mit zwei Rundstützen aus Metall, die grösstenteils mit vertikalen Holzleisten verkleidet sind, abgestützt. Südlich des Schwimmbads schliesst ein Gartenabstellraum an, auf dessen Flachdach Sonnenkollektoren ange- bracht wurden. Inneres Das am leicht geneigten Hang liegende Haus entwickelt sich von talseitig einem Geschoss zu berg- seitig drei Geschossen, wobei das oberste Geschoss nur einen Galerieraum betrifft. Im das Haus umgebenden Aussenraum, mit dem die Innenräume mehrfach verbunden sind, lassen sich grundsätz- lich die beiden um eine Stockwerkshöhe auseinanderliegenden plafonierten Niveaus auf der Höhe des Hauseingangs und der Gartenausgänge unterscheiden. Mehrere Treppen verbinden die Ge- schosse im Innern: eine neben der Eingangshalle und eine in der Arztpraxis, die die unteren beiden Geschosse miteinander verbinden, sowie das Haupttreppenhaus, das hinter dem Ende der Eingangs- halle und beim Seiteneingang an der Ostfassade beginnt und die beiden oberen Geschosse er- schliesst. Fast überall sind Spannteppiche verlegt. Die Wände und Decken sind weiss gestrichen. Das Eingangsgeschoss (Untergeschoss) nimmt den Hauseingang auf, der sich an einem zur Strasse hin vorspringenden Gebäudeteil befindet. Die geräumige, bis unter die Dachschräge reichende Eingangshalle weist ausnahmsweise einen Marmorsteinboden auf sowie eine naturbelassene Holz- decke. Eine seitlich angeordnete Treppe führt ins obere Geschoss. Eine breite Maueröffnung unter der Decke sowie eine fensterartige Öffnung erlauben den Sichtkontakt zum Wohnbereich im oberen Geschoss. Auf der linken Seite der Eingangshalle erreicht man die Garage. Rechterhand schliessen eine Garderobe und eine Toilette an, von dessen Vorplatz auch das Sprechzimmer der Arztpraxis erschlossen wird. Die Arztpraxis umfasst das Sprechzimmer, zwei Behandlungsräume, ein Labor, ein Büro, ein Therapieraum und einen Röntgenraum. Der grossflächige Röntgenraum ist in mehrere Bereiche unterteilt. Zudem gibt es ein weiteres WC in der Arztpraxis. Da der Röntgenraum und der Therapieraum an der Hangseite liegen, erhalten sie natürliches Licht durch je ein Oberlichtfenster ohne Aussicht.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 7 Der Nebeneingang an der Ostseite des Hauses führt direkt in den Wohnflügel. Neben dem Treppen- aufgang finden sich im hinteren, hangseitigen Bereich des Eingangsgeschosses Waschküche, Heizung und Öltank. Das Wohngeschoss (Erdgeschoss) liegt auf dem oberen Gartenniveau und öffnet sich zum Garten hin mit mehreren Türen, Fenstern und einer Schiebefenstertüre. Der grösste Bereich nimmt der grosse Wohn- und Essraum ein, der sich in der Achse der Eingangshalle durch den ganzen Wohnflügel erstreckt. Der Wohnbereich ist mit einem Cheminée und einem raumhohen Fenster mit der daran anschliessenden Schiebefenstertüre ausgestattet. Er geht nahtlos in den Essbereich über, der je ein Fenster nach Südwesten und Südosten besitzt. Zwischen Ess- und Wohnbereich ist an der Südwest- seite ein Annexraum für die Diskothek (Schallplattensammlung) angehängt. Eine breite Drehtüre führt vom Wohnbereich in die Bibliothek, von wo aus eine Türe zur gedeckten Gartenhalle und eine direkte Treppe in die Arztpraxis führt. Vom Wohn- und Essraum gibt es insgesamt drei Verbindungen zu den Räumen auf der Nordostseite des Hauses. Die Wohnküche ist in einen Esssitzplatz und einen gross- zügigen Arbeitsbereich (ehemals „Nähen + Spielen“) gegliedert. Neben dem Treppenhaus ist ein Bedienstetenzimmer („Mädchenzimmer“) angeordnet und im Anschluss daran nach Nordwesten hin ein grosszügiger Wohn- und Schlafraum für die „Praxishilfe“; mit einer kleinen Küche, einem Badzim- mer mit Dusche und einem weiteren WC ausgestattet bilden diese zusammen quasi eine Zweizim- mer-Einliegerwohnung. Das Schlafzimmergeschoss (Obergeschoss) umfasst vier Schlafzimmer: das Elternzimmer und drei Kinderzimmer. Die drei Kinderzimmer sind an der Südost- und Südwestseite angeordnet. Vom gemeinsamen Vorplatz ist auch das Badzimmer und das separate WC erschlossen. Eines der Kinder- zimmer, dasjenige an der Südecke, hat eine Galerie und ist damit zweistöckig. Das an der Nordostsei- te angeordnete Elternzimmer besitzt einen Vorraum für die Ankleide und ein separates Badzimmer mit Badewanne und Dusche. Konstruktion Das Haus hat die Masse 26,13 x 28,60 m.1 Es zeigt eine Mischkonstruktion: Die Aussenwände im Eingangsgeschoss sind im hangseitigen Bereich betoniert, in den darüberliegenden Geschossen sind sie gemauert. Für das Zweischalenmauerwerk aussen wurden Kalksandsteine mit den Massen 25 x 12 x 6 cm verwendet. Für die Mauern im Innern kamen Backsteine ebenfalls mit den Massen 25 x 12 x 6 cm zur Anwendung. Für den Innenausbau wurde Lärchenholz verwendet. Eine besondere Herausforderung war, so berichtet der Architekt, die Ausführung der natursichtig belassenen Holzdecke im Wohn- und Essraum mit ihrem gewellten Verlauf. Der Dorfschreiner sagte ab, schliesslich fanden der Architekt und der Bauleiter einen Schreiner in Trimbach, der diese Aufgabe übernahm und sie zur vollen Zufriedenheit ausführen konnte. Verwendet wurden Lärchenleisten von ca. 4,5 cm Breite.2 1 Plan vom 14.7.1969, Archiv Bauverwaltung der Gemeinde Kappel (SO). (Vgl. Plan vom 10.2.1969: 24,80 x 15,55 + 13,40 m.) 2 Gespräch mit Elmar Kunz-Rüedi, Rüschlikon, am 14.11.2018.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 8 Die meisten Fussböden wurden ursprünglich mit Sisal belegt, welcher später durch Spannteppich ersetzt wurde. Zur Heizung wurden überall Konvektoren statt Radiatoren eingebaut. Eine weitere Besonderheit sind die Lüftungsflügel, die jeweils mit Insekten- respektive Fliegengitter versehen neben den Fenstern eingesetzt wurden. Das Pfettendach ist eine Holzkonstruktion. Zwischen den Sparren wurde eine Isolation eingebracht. Die Bedachung besteht aus dunkelbraunem Kupferblech; dieses verfärbte sich wie vorgesehen etwa im Verlauf eines Jahres braun. Die Dacheindeckung folgt den geschwungenen zwei grösseren Abstufungen des Dachs. Ausserdem ist die Dacheindeckung mit vielen kleinen Stufen konstruiert, die jeweils mit Lüftungsschlitzen versehen sind, um die Hinterlüftung über die ganze Länge des Dachs zu gewährleisten. Das Dach wird von drei Kaminen überragt. Der Pavillon beim Schwimmbad wurde in Massivbauweise mit einer Betondecke erstellt. Die Umfas- sungsmauern bestehen aus Beton und Backsteinmauerwerk. Für die Bedachung wurde wiederum dunkelbraunes Kupferblech gewählt. Bei der Renovation der Küche wurde der Wirtschaftraum (ehemals „Nähen + Spielen“) der Küche zugeschlagen und am Fussboden wurden geschliffene Cristallina-Marmorplatten verlegt. Baugeschichte Chronologie zur Planung und Ausführung Juni bis November 1968: Projektskizzen des Architekten Elmar Kunz-Rüedi Januar 1969: Projektpläne 11.2.1969: Baugesuch an die Gemeinde 6.3.1969: Einsprachefrist 19.7.1969: Schurgerüstkontrolle 20.7.1969: Baubeginn 21.7.1969: Bewilligung des Baugesuchs 12.2.1969: Einreichung der Baupläne an die Gemeinde 26.6.1969: Revidierter Kostenvoranschlag (total 915’000 Franken) 14.8.1969: Eintrag in das Grundbuchamt 6.12.1969: Rohbaukontrolle 11.8.1970: Aufforderung zur Rohbauabnahme 15.9.1970: Bezug (sofern gemäss Bauprogramm)3 28.3.1974: Bauabrechnung (total 884’026 Franken ohne Röntgenanlage) 1980: Erweiterung um Schwimmbad mit Liegehalle und Gartengeräteraum (anstelle der geplanten Sauna), durch Architekt Elmar Kunz-Rüedi 3 Archiv Peter und Magdalena Kissling, Kappel (SO).
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 9 1991/92: Umbau Küche/Wirtschaftsraum, durch Architekt Stefan Kissling 2008: Umbau Küche/Wirtschaftsraum, durch Kissling Architekten Bauherrschaft Peter Kissling, geboren 1935, und seine Frau, Magdalena Kissling-von Arx, wohnten am Friedhof- weg 4 in Trimbach, als sie sich auf die Suche nach einem Grundstück machten, um darauf ein eigenes Wohnhaus zu bauen. Peter Kissling war als Arzt am Kantonsspital Olten tätig, wo er die Röntgenabteilung leitete, und wollte sich mit dem Hausbau selbstständig machen. In seinem Wohn- haus wollte er fortan eine private Arztpraxis für Allgemeinmedizin FMH führen. Peter und Magdalena Kissling-von Arx hatten drei Söhne. Zwei davon wurden später – wohl mitunter unter dem Eindruck des eigenen Wohnhauses – Architekten. Als Bauplatz fanden Kisslings ein Grundstück am Rand des Dorfs Kappel. Zunächst wurde als Adresse Fühlerweg 388 angegeben. Im Gemeindeplan waren die vormaligen Eigentümer des Grund- stücks mit „Reinhard Erben“ angegeben. Die Landeigentümer, von denen das Ehepaar das Land kaufte, waren Hans Schärer-Büttiker, Inhaber eines Holzbaugeschäfts in Murgenthal,4 und Gerhard Graber, Architekt in Lostorf.5 Der Grundbucheintrag anlässlich der Landübergabe datiert den 14. August 1969. Peter und Magdalena Kissling-von Arx gefiel besonders die landschaftliche Lage mit der bestehenden Vegetation. Zwei Eichen und ein Teil der bestehenden Haselnusshecke liessen sie stehen. Neu wurden Lärchen und Föhren gepflanzt. Die in den Plänen eingezeichnete Bocciabahn im Garten wurde nicht realisiert. Den Architekten Elmar Kunz kannte Peter Kissling aus seiner Kindheit: Sie gingen in die selbe Klasse der Grundschule in Olten. Im Jahr 1962 trafen sie sich zufällig in Olten wieder. Im Jahr darauf heirate- ten Peter Kissling und Magdalena von Arx und ein weiteres Jahr darauf verehelichte sich Elmar Kunz mit Marie-Theres Rüedi. In den folgenden Jahren waren Elmar Kunz-Rüedi und seine Frau im Aus- land. Als sie wieder in die Schweiz zurückkehrten, wurde Elmar Kunz-Rüedi 1967 von Kisslings angefragt, ihr Haus zu planen. Aus der intensiven Zusammenarbeit während der Planung des Hauses entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft zwischen den Familien.6 Architekt Elmar Kunz-Rüedi führte von 1968 bis 2012 ein Architekturbüro in Zürich, seither begleitet er gele- gentlich noch bauliche Massnahmen an einem eigenen Mehrfamilienhaus in Olten. Geboren und aufgewachsen in Olten, baute er vor allem zu Beginn öfter im Raum Olten respektive im Kanton Solothurn. Seine späteren Bauten stehen in der Deutschschweiz verteilt. Wiederholt beteiligte er sich erfolgreich an Projektwettbewerben. Er führte ein kleines Büro mit bis zu zwei Mitarbeitenden und arbeitete oft mit Kollegen zusammen, wiederholt mit Nino Gervasoni in Olten und Hans Ulrich Engeli in Zürich. Sein Werk umfasst verschiedenartige Bauten und Projekte in den letzten rund 30 Jahren des 20. Jahrhunderts. Sein bekanntestes Werk ist das Alters- und Pflegeheim St. Martin in Olten, 4 Baugesuch Nr. 5, 1969, Archiv Bauverwaltung der Gemeinde Kappel (SO). 5 Oltener Tagblatt, 31.1.1970, Nr. 25, S. 9 (hier irrtümlich Hana Schärer angegeben). 6 Gespräche mit Elmar Kunz-Rüedi, Rüschlikon, am 9. und 14.11.2018 – wofür ich ihm vielmals danke.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 10 dieses Bauwerk wurde auch mehrfach publiziert.7 Ein weiterer öffentlicher Bau ist die Kirche im aargauischen Widen, wo er die bestehende Kapelle umbaute und um neue Kirchenräume erweiterte.8 Ausführen konnte er des Weiteren mehrere Einfamilienhäuser und Reiheneinfamilienhäuser, sowie einige Geschäftslokale, wie dasjenige für den Optiker Isler in Olten, das in einem Buch über Solothur- ner Architektur dargestellt wird,9 und das SBB Reisebüro in Zürich, ausserdem mehrere weitere Bauten für die SBB, wie die Renovation des „Spanisch-Brötli“-Bahnhofs in Dietikon, ein Dienstgebäu- de in Zürich-Herdern und die SBB-Station Nänikon-Greifensee. 1985 wurde Elmar Kunz-Rüedi in den Fachverband Bund Schweizer Architekten (BSA) aufgenom- men. Aus diesem Anlass wurde seine Person und sein bisheriges Schaffen in der Zeitschrift Werk, Bauen + Wohnen 11/1985 vorgestellt: „Elmar Kunz-Rüedi, Zürich. Geboren 1935 in Olten. 1950–1953 Hochbauzeichnerlehre in Olten. 1958 Matura und 1958–1962 Studium an der ETHZ mit Diplomab- schluss. Mitarbeiter in verschiedenen Architekturbüros in Olten, Zürich, Rom und Helsinki (Prof. Alvar Aalto). Seit 1968 eigenes Architekturbüro in Zürich. Bauten: Altersheim mit Kindergarten Olten, SBB- Reisebüro Paradeplatz Zürich, Haus Stoffel Zürich, SBB-FL-Dienstgebäude Zürich-Herdern, SBB- Station Nänikon-Greifensee.“10 Die damals abgegebene Dokumentation enthält weitere Bauten und biografische Hinweise, die in den folgenden Auflistungen der biografischen Angaben sowie Bauten und Projekte berücksichtigt sind.11 Weitere Publikationen über seine architektonische Tätigkeit – ausser den bisher erwähnten – sind nicht bekannt.12 Elmar Kunz wurde 1935 in Olten geboren und wuchs dort auf. Nach der Volksschule machte er eine Lehre als Hochbauzeichner im Architekturbüro von Hermann Frey in Olten. Dieser Architekt war mit einigen herausragenden öffentlichen und privaten Bauten im Stil des Neuen Bauens respektive der Moderne bekannt geworden. Elmar Kunz arbeitete unter anderem am Projekt des Verwaltungsgebäu- des der R. Nussbaum AG in Olten.13 Danach war Kunz Mitarbeiter beim Architekten Walter Belart, ebenfalls in Olten. Parallel dazu absolvierte er die Abendschule Minerva in Basel und besuchte schliesslich das Kollegium in Schwyz, um die Matura nachzuholen. Damit konnte er 1958 das Archi- tekturstudium an der ETH in Zürich beginnen, das er 1962 mit dem Diplom abschloss. Die letzten Semester und die Diplomarbeit absolvierte er bei Professor Werner Max Moser. Bei diesem respekti- ve im bekannten Architekturbüro Haefeli Moser Steiger in Zürich arbeitete er anschliessend auch zwei Jahre lang. Zu den dort mitbearbeiteten Projekten zählen die reformierte Kirche in Riehen, ein geplan- 7 Schweizerische Bauzeitung, Nr. 10, 1979, S. 174; Willi E. Christen (Hg.), Christa Zeller (Red.), Schweizer Architekturführer / Guide d’architecture suisse / Guide to Swiss architecture 1920–1990, Bd. 2: Nordwestschweiz, Jura, Mittelland, Zürich 1994, S. 132 (Erwähnung Nr. 2/3135); Roland Wälchli, Impulse einer Region. Solothurner Architektur 1940–1980, Solothurn 2005, S. 168–169; Michael Hanak, Baukultur im Kanton Solothurn 1940–1980. Ein Inventar zur Architektur der Nachkriegsmoderne, hg. von der kantonalen Denkmalpflege Solothurn, Zürich 2013, S. 270. 8 Willi E. Christen (Hg.), Christa Zeller (Red.), Schweizer Architekturführer / Guide d’architecture suisse / Guide to Swiss architecture 1920–1990, Bd. 2: Nordwestschweiz, Jura, Mittelland, Zürich 1994, S. 91 (Erwähnung Nr. 2/2189). 9 Roland Wälchli, Impulse einer Region. Solothurner Architektur 1940–1980, Solothurn 2005, S. 172–173. (Die Angabe von Nino Gervasoni für die örtliche Bauleitung ist hier falsch.) 10 Werk, Bauen + Wohnen, Nr. 11, 1985, S. 101. 11 Elmar Kunz-Rüedi, Dokumentation über mein Arbeiten von 1962–1984 (undatiertes Manuskript). 12 Keine Einträge in den Standardwerken wie Florian Adler, Hans Girsberger, Olinde Riege (Hg.), Architekturführer Schweiz, Zürich 1969 (erweiterte Aufl. 1978) sowie in Isabelle Rucki, Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998. 13 Michael Hanak, Baukultur im Kanton Solothurn 1940–1980. Ein Inventar zur Architektur der Nachkriegsmoderne, hg. von der kantonalen Denkmalpflege Solothurn, Zürich 2013, S. 176.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 11 tes Mehrfamilienhaus in Neuhausen am Rheinfall und ein Bebauungsprojekt an der Nordstrasse in Zürich.14 Nun folgten längere Auslandaufenthalte. Schon als Lehrling hatte Elmar Kunz davon ge- träumt, bei Frank Lloyd Wright in Chicago mitzuwirken. Auf Vermittlung des Architektenkollegen Manuel Pauli fand er aber im Oktober 1964 in Rom eine Anstellung bei Silvio Galizia, der aus dem Aargauer Freiamt stammte und an der ETH Zürich studiert hatte. Nach Beginn des Zweiten Vatikani- schen Konzils baute Silvio Galizia für verschiedene Klosterorden Niederlassungen in Rom, und an solchen Projekten wirkte Elmar Kunz mit. Im März 1965 beendete er diese Stelle und reiste über die Schweiz nach Helsinki, um vom April 1965 an bei Alvar Aalto eine Stelle anzutreten, die er anderthalb Jahre lang bis Anfang September 1966 ausfüllte.15 Unter anderem wirkte er an einem Kirchenprojekt in Wolfsburg und an mehreren Wettbewerben mit. Vermittelt hatte die Stelle Werner Max Moser, der Aalto gut kannte. Zurück in der Schweiz fand Elmar Kunz eine Anstellung beim Architekten Rolf Keller in Zürich. Hier wirkte er an der Projektierung des Gemeindezentrums Mittenza in Muttenz mit.16 1968 eröffnete er schliesslich das eigene Architekturbüro an der Frohburgstrasse 58 in Zürich. Elmar Kunz ist seit 1964 mit Marie-Theres Rüedi verheiratet, mit der er vier Töchter hat und heute in Rüschlikon lebt.17 Biografische Angaben: 1935 Geburt in Olten 1950–1953 Hochbauzeichnerlehre bei Hermann Frey, Architekt BSA SIA, Olten 1953–1956 Mitarbeit bei Walter Belart, dipl. Architekt ETH, Olten 1958 Matura in Schwyz 1958–1962 Architekturstudium an der ETH in Zürich, mit Diplom bei Prof. Dr. Werner Max Moser 1962–1964 Mitarbeit bei Werner Max Moser respektive Haefeli Moser Steiger in Zürich 1964 Eheschliessung mit Marie-Theres Rüedi 1964 Mitarbeit bei Silvio Galizia, dipl. Architekt ETH, in Rom 1965–1966 Mitarbeit bei Alvar Aalto in Helsinki 1966–1968 Mitarbeit bei Rolf Keller, dipl. Architekt BSA SIA, Zürich 1968–2012 eigenes Architekturbüro in Zürich Ausgeführte Bauten: 1967–1968 Umbau Dachstock Mehrfamilienhaus Frohburgstrasse 92, Zürich 1968–1970 Arzthaus Peter Kissling, Im Füler 2, Kappel (örtliche Bauleitung Nino Gervasoni, Olten) 1974–1975 Alters- und Pflegeheim St. Martin mit Kindergarten, Grundstrasse 2–4, Olten (Wettbewerb 1969 1. Preis, Projektierung ab 1973, örtliche Bauleitung Nino Gervasoni, Olten) 1976 Umbau Wohn- und Geschäftshaus Optik Isler, Baslerstrasse 25, Olten (Projektierung 1972– 1973, in Zusammenarbeit mit der Innenarchitektin Verena Huber und deren Mitarbeiterin Gaby Bettina, Zürich, und dem Grafiker Reinhart Morscher, Bern) 1974–1975 Zweifamilienhaus Mathieu, Geerenstrasse 7/9, Ebmatingen 14 Sonja Hildebrand, Bruno Maurer, Werner Oechslin (Hg.), Haefeli Moser Steiger. Die Architekten der Schweizer Moderne, Zürich 2007, S. 389–390, 411–415, 440. 15 Teppo Jokinen, Bruno Maurer (Hg.), „Der Magus des Nordens“. Alvar Aalto und die Schweiz, Zürich 1998, S. 200. 16 Werk, Nr. 4, 1971, S. 229–233. 17 Gespräche mit Elmar Kunz-Rüedi, Rüschlikon, am 9. und 14.11.2018 – wofür ich ihm vielmals danke.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 12 1975–1976 Haus Prof. Dr. Hans Böhni, Galgenbuckstrasse 1, Eglisau 1976–1977 Katholische Kirche Widen (AG) (Wettbewerb mit Überarbeitung 1974 2. Preis, in Zusam- menarbeit mit Nino Gervasoni, Olten)18 1977 SBB Reisebüro Paradeplatz, Zürich (in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Reinhart Morscher, Bern) 1977–1978 Umbau und Renovation SBB Bahnhof (der „Spanisch-Brötli-Bahn“), Dietikon 1978–1979 Umbau Haus Dr. Stoffel, Susenbergstrasse 195, Zürich 1980–1981 Schwimmbad mit Liegehalle zum Arzthaus Peter Kissling, Im Füler 2a, Kappel 1981–1983 SBB Fahrleitungs-Dienstgebäude, Zürich-Herdern 1982–1985 SBB Station Nänikon-Greifensee 1985–1986 Wohnhaus Charlotte und Franz Portmann, Sandgrubenstrasse 6, Balsthal 1988–1992 Wohnüberbauung Güetli, Bahnhofstrasse/Seestrasse, Rüschlikon 1988–1992 Friedhofanlage, Meilen (Wettbewerb 1. Preis) 1994–1997 Fünf Reiheneinfamilienhäuser, Dorfstrasse 50–58, Kappel (in Zusammenarbeit mit Lis Horak, Zürich19) 1995–1996 Umbau und Renovation Monikaheim, In der Hub 34, Zürich 1996–1997 Umbau und Renovation Wohn- und Geschäftshaus Gutzwiller, Universitätsstrasse 59, Zürich 1998–2001 Umbau und Renovation Mehrfamilienhaus Häberli-Volkart, Frohburgstrasse 67, Zürich 2000–2007 Umbau Dachgeschosswohnung, Bolleystrasse 44, Zürich 2011–2012 Pfadihütte, Mönchaltorf (Wiederaufbau nach Brand) Unausgeführte Projekte: 1970 Erweiterung Berufsschule, Olten, 2. Ankauf (in Zusammenarbeit mit Nino Gervasoni, Olten)20 1972 Pfarreiheim, Gretzenbach 1974 Pfarreizentrum Bruder Klaus, Zürich, Wettbewerb 3. Rang (in Zusammenarbeit mit Hans Ulrich Engeli, Zürich)21 1974 Verwaltungsgebäude, Dübendorf, Wettbewerb 2. Preis (in Zusammenarbeit mit Hans Ulrich Engeli, Zürich) 1977 Umbau Bauernhaus Guldener-Hoffmann, Willikon / Oetwil am See 1977/78 Restaurant Stutz, Widen (AG), Wettbewerb 2. Preis (in Zusammenarbeit mit Nino Gervasoni, Olten)22 1985 Einfamilienhaus Isler, Wiesen (SO) 1988 Katholische St.-Antonius-Kirche, Egg (ZH), Wettbewerb 3. Preis23 1995 Wohnheim für geistig Behinderte Niederwies, Binzikon, Wettbewerb 2. Preis24 18 Bauen + Wohnen, Nr. 3, 1975, III 7; Schweizerische Bauzeitung, Nr. 4, 1975, S. 41. 19 Lis Horak war eine ehemalige Mitarbeiterin von Elmar Kunz, die sich massgeblich am Entwurf dieses Projekts beteiligte und die örtliche Bauleitung übernahm. 20 Bauen + Wohnen, Nr. 6, 1970, S. VI 18; Schweizerische Bauzeitung, Nr. 16, 1970, S. 374; Werk, Nr. 5, 1970, S. 296. 21 Werk, Nr. 12, 1974, S. 1407. 22 Bauen + Wohnen, Nr. 3, 1978, Ill 6; Schweizerische Bauzeitung, Nr. 50, 1977, S. 916. 23 Schweizer Ingenieur und Architekt, Nr. 37, 1988, S. 1037. 24 Schweizer Ingenieur und Architekt, Nr. 35, 1995, S. 27; Schweizer Ingenieur und Architekt, Nr. 37, 1995, S. 33.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 13 Würdigung Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Qualitäten Die westlich von Olten gelegene kleine Gemeinde Kappel wuchs im Lauf des 20. Jahrhunderts von einem kleinen Bauerndorf zu einer wesentlich grösseren Wohngemeinde an. 1900 betrug die Einwoh- nerzahl 532, 1950 waren es 792 und im Jahr 2000 schliesslich 2486 Einwohner. 1970, als das Haus Kissling gebaut wurde, lebten in Kappel 1488 Personen. „Infolge mehrerer Dorfbrände ist nur noch ein kleiner Teil der historischen Bausubstanz vorhanden. Nach dem starken Bevölkerungswachstum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Kappel zu einer typischen Wohngemeinde Oltens. 2000 waren knapp zwei Drittel der in Kappel Erwerbstätigen im dritten Sektor beschäftigt.“25 Das für die Familie Kissling-von Arx im solothurnischen Kappel erbaute Einfamilienhaus mit der Adresse Im Füler 2 ist ein typisches Produkt seiner Zeit. Das Ehepaar Peter und Magdalena Kissling- von Arx wünschte sich ein eigenes Wohnhaus und erstand dazu das Grundstück am Hang des Oltnerbergs. Als Architekten wählten sie einen ehemaligen Schulkameraden von Peter Kissling, Elmar Kunz-Rüedi. Als sie 1970 in ihr Eigenheim einzogen, folgten sie damit dem allgemeinen Trend zum Bau von Einfamilienhäusern und dem Wohnen auf dem Land. Die Anzahl Einfamilienhäuser nahm in der ganzen Schweiz während der 1960er-Jahre und zu Beginn der 1970er-Jahre rapide zu. Es herrschte ein allgemeiner Bauboom: In der Hochkonjunkturphase von 1960 bis 1975, also bis kurz nach der ersten Ölkrise, war fast ein Drittel der heutigen Gebäude erbaut worden, darunter viele Einfamilienhäuser. Das Wohnhaus mit Arztpraxis Im Füler 2/2a in Kappel ist gleichsam Teil der starken Zunahme von Einfamilienhäusern im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs während der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre. Es verkörpert zudem die damals zunehmende Modernität, die nebst anderen Lebensbereichen auch das Wohnen und den Einfamilienhausbau beeinflusste. Da der Bauherr Peter Kissling Arzt war, der sich anlässlich des Hausbaus selbstständig machte, liess er an das Wohnhaus eine Arztpraxis anfügen. Wohnflügel und Arztpraxistrakt schliessen rechtwinklig aneinander an, und teilen sich den gemeinsamen Hauseingang sowie die dazugehörige Eingangshal- le. Es handelt sich also um ein typisches Beispiel einer Verbindung von Wohnen und Arbeiten im geleichen Gebäude. Der Architekt hatte das Projekt im intensiven Dialog mit der Bauherrschaft entwickelt. Architekt Elmar Kunz-Rüedi entwarf sogar einzelne Möbelstücke für das Haus, wie den Esstisch und eine Liege in der Arztpraxis. In der ursprünglichen Planung waren eine separierte Sauna und ein Schwimmbad vorgesehen, deren Bau aber zunächst zurückgestellt wurde. Zehn Jahre später wurde, ebenfalls nach Plänen von Elmar Kunz-Rüedi, das Schwimmbad realisiert, mit einer überdeckten Liegehalle sowie einem daran an- schliessenden Gartengeräteraum. Zusammen mit dem Schwimmbad erhält das grosszügig bemesse- ne Wohnhaus die typische luxuriöse Attitüde von Haus mit Pool, die das Lebensgefühl von individuel- ler Entfaltung zum Ausdruck bringt. 25 Urs Wiesli, „Kappel (SO)“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Historisches Lexikon der Schweiz, hg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Basel 2002–2014 (Abkürzungen aufgehoben).
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 14 Ein eigenes Haus im Grünen wurde im Lauf des 20. Jahrhunderts für die meisten zum erschwingli- chen Wohnideal schlechthin. Der Bau des Wohnhauses mit Arztpraxis in Kappel erfolgte in den Jahren der Hochkonjunktur der Nachkriegszeit. Während dieser Zeit herrschte höchste Bautätigkeit in der Schweiz, so dass sie heute als Epoche des Baubooms bezeichnet wird. Das grosszügig bemes- sene Haus ist ein typisches Beispiel für den privaten Wohnhausbau auf dem Höhepunkt der Boom- jahre der Nachkriegszeit. Städtebauliche Qualitäten Die Gemeinde Kappel nahm im Jahr 1954 die Ortsplanung in Angriff. In einem Ortsplan sollten vor allem die Wohnbaugrenzen und die Grünzonen festgelegt werden.26 Die dafür eingesetzte Planungs- kommission konnte ihre Arbeit im Jahr darauf abschliessen und die Ortsplanung mit der dazugehöri- gen Zonenordnung wurde durch die Gemeindeversammlung genehmigt. 63 Hektaren Land wurden als Wohnzone ausgeschieden. Zehn Jahre später, im Jahr 1965, wurden Pläne für die umfangreiche Überbauung Grossmatt mit Hochhäusern eingereicht, die für viel Diskussionsstoff sorgte. Dem dazu nötigen Bebauungsplan wurde 1966 an einer Gemeindeversammlung zugestimmt und der Zonenplan daraufhin entsprechend überarbeitet.27 1979 und 1982 erfolgten weitere Überarbeitungen des Zonen- plans.28 1966 erwarb die Gemeinde gut 40 Aren (4000 Quadratmeter) Land im Gebiet Rainacker südlich des alten Dorfkerns. Dieses wurde parzelliert und weiterverkauft, offensichtlich um den Bau von Einfamilienhäusern zu fördern.29 Davon kaufte Peter Kissling schliesslich über andere Käufer das Grundstück, auf dem er sein Wohnhaus mit Arztpraxis baute. Im November 1970 eröffnete Dr. med. Peter Kissling seine Arztpraxis in Kappel.30 Das Wohnhaus mit Arztpraxis liegt am äussersten südlichen Rand der Besiedelung von Kappel. Es ist von lauter Einfamilienhäusern umgeben. Das ganze Quartier besteht hauptsächlich aus freistehenden privaten Wohnhäusern mit umgebenden Gärten. Der Charakter des Quartiers und insbesondere des Umfelds an der Quartierstrasse Im Füler ist von weiten Bauabständen zwischen den freistehenden Einzelbauten und einer starken Durchgrünung geprägt. Auch das Wohnhaus mit Arztpraxis wird von einem grossen Garten umgeben. Mitten im Garten mit Bäumen und Büschen tritt das Haus nur unauffällig in Erscheinung. Zudem geht der nicht umzäunte oder eingefriedete Garten quasi nahtlos in die angrenzende Landschaft über: Die Architektur verbindet sich mit der Landschaft. Architektonische Qualitäten Eine der frühen Skizzen des Architekten Elmar Kunz-Rüedi, die die Bauherrschaft bis heute aufbe- wahrt, zeigt die Grundidee des Entwurfs in einem handgezeichneten Schnitt: Das lange, dem Hang folgende schräge Dach, die sich unter dem Pultdach mit Ein- und Auswölbungen fortsetzende Decke und die Anordnung der Räume auf drei Stockwerken mit einem vierten Galeriegeschoss. Damit ist ein direkter Bezug der Innenräume zum Aussenraum gewährleistet sowie ein Bezug zum Pultdach 26 Elisabeth Schmidlin, Kappel im 20. Jahrhundert, hg. von der Bürger-, Einwohner-, und Röm.-kath. Kirchgemeinde, Kappel 2004, S. 133. 27 Ebd., S. 165. 28 Ebd., S. 196, 207. 29 Ebd., S. 166. 30 Ebd., S. 177.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 15 gegeben. Auch die strassenseitige Fassade des Untergeschosses liegt völlig frei. Die Grundidee des Schrägdachs und der bewegten Decke entspringen der Absicht, das Gebäude in die Landschaft einzubetten und es mit seiner natürlichen Umgebung „organisch“ zu verbinden. Intention ist es, dass die Bewohner die Topografie und die Umgebung auch im Haus intuitiv wahrnehmen und die Bezüge nachvollziehen. Zugleich kommt im Schnittplan sowie in den Grundrissen ein Hauptcharakteristikum des Haues zum Ausdruck: Die fliessenden Räume, die Kontinuität der räumlichen Entwicklung. Die Räume des Hauses sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden und erlauben eine stetige, fortgesetzte Bewegung durch die Räumlichkeiten. So ist der grosszügige Wohn-/Essbereich mit der Küche, mit dem Treppenhaus, mit den Bedienstetenzimmern und mit der Arztpraxis verbunden. Auch bestehen drei verschiedene Treppen zwischen dem Untergeschoss mit der Arztpraxis und dem darüberliegen- den Wohngeschoss. Raumfluss und Rundlaufmöglichkeiten sind typische Qualitäten guter moderner Architektur. Arztpraxis und Wohnhaus sind zwei Gebäudeflügeln zugewiesen, die im rechten Winkel aneinander- gelegt und damit klar unterschieden sind. Die Arztpraxis liegt ausschliesslich im Untergeschoss des nach Südwesten weisenden Gebäudeflügels. Auch innerhalb des Wohnflügels sind die Funktionen recht klar den Geschossen zugeordnet: Die Schlafzimmer der Familie liegen alle im Obergeschoss, im Erdgeschoss befinden sich der Wohn-/Essbereich mit den direkt zugeordneten Räumen Diskothek und Bibliothek sowie die Küche und die Bedienstetenzimmer. Diese geschossweise Differenzierung nach den Gebäudefunktionen entspricht dem funktionalistischen Ansatz der Moderne. Innerhalb des Hauses sollen sich die Bewohner in ihren Tätigkeiten möglichst wenig stören. Ein weiteres Merkmal, das zum architektonischen Reichtum beiträgt, sind die gestaffelten Umrisse. In der Fassadenabwicklung gibt es diverse Vor- und Rücksprünge, teils in spitzen und stumpfen Win- keln. Im Grundriss zeigt das Gebäude an seinen Aussenwänden nicht einfach gerade Linien und rechte Winkel, sondern Abstufungen und zuweilen unregelmässige Abwinklungen. Aus der L-förmigen Grundstruktur der beiden Gebäudeflügel entsteht eine lebendige, aus der spezifischen Situation heraus entwickelte und in die Topografie eingepasste Form. Charakteristisch wirken der spitzwinklige seitliche Abschluss des Eingangsvorbaus, der schrägwinklige Vorbau der Diskothek sowie die abge- drehte Südostfassade. An den Aussenwänden zu sehen sind auch gerundet verlaufende Stufen. Es wird schnell klar, dass der Hausaufbau nicht nur rein rationellen Bedingungen folgt, sondern ebenso- sehr der intuitiven schöpferischen Kraft des Architekten. Dadurch steht diese skulpturale Architektur in der expressionistischen Tradition und gehört zur organischen Tendenz innerhalb der Moderne. Auch im Hausinnern dominiert eine murale Architektur, die durch freigestellte Wandscheiben sowie Wandeinschnitte betont wird. Wiederum kommen schräg verlaufenden Wände vor: im Gang der Arztpraxis im Untergeschoss, beim Essbereich im ersten Obergeschoss und am Vorplatz des zweiten Obergeschosses. Zudem schliesst das Treppenhaus im Arztpraxistrakt mit einer halben Rundung ab. Diese Abweichungen von der Orthogonalität sorgen für Dynamik in der Bewegung durch die Räume. Und es entsteht eine Kongruenz zwischen äusserer und innerer Formgebung. Die organische Archi-
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 16 tektur wird damit im Innern explizit angedeutet und wiederum mit Vor- und Rücksprüngen lebendig gehalten. Charakteristisch sind des Weiteren die hauptsächlich verwendeten Baumaterialien: die weiss gestri- chenen Backsteine der Aussenwände und das braungrüne Kupferblech des Dachs. Weiss gestriche- ne Backsteinwände prägen auch das Hausinnere. Die Fensterrahmen bestehen aus Naturholz, ebenso die Dachkonstruktion der Gartenhalle über dem Arztpraxistrakt und die Untersicht des spitz vorstehenden Dachvorsprungs über dem Hauseingang. Zwischen den weiss gestrichenen Backstein- wänden und den dunklen Holzelementen entsteht ein prägnanter Kontrast. Sowohl die Wahl der Baustoffe Backstein und Holz als auch die starke Reduktion auf zwei hauptsächlich in Erscheinung tretende Materialien sind typisch für die Architektur der Nachkriegsmoderne. Architekturgeschichtliche Einordnung und Vergleiche Der Einfamilienhausbau bedeutet für Architekten immer in einem gewissen Sinn und in einem be- stimmten Mass ein Experimentierfeld: Im Entwurf und in der Ausführung von Einfamilienhäusern können im kleinen, privaten Rahmen Ideen, neue Materialien und Konstruktionen ausprobiert werden. Und dies hat durchaus mit Vorbildcharakter auf andere Bauaufgaben. Alfred Altherr schrieb 1965 in seinem Buch Neue Schweizer Architektur hinsichtlich Einfamilienhäusern: „Was im kleinen Objekt experimentell, wirtschaftlich und funktionell versucht wurde, fand teils auch im Mehrfamilienhaus Verwendung.“31 Sowohl in der Gemeinde Kappel wie im ganzen Kanton Solothurn sind kaum vergleichbare Wohnhäu- ser bekannt. Das Inventar der Kantonalen Denkmalpflege, das vor einigen Jahren bis zu um 1980 entstandene Bauten nachgeführt und publiziert wurde, enthält zwar einige Einfamilienhäuser, ja Wohnbauten machen in der Inventarerweiterung um Bauten von 1940 bis 1980 sogar die häufigste Baugattung aus und andere Wohnformen wie Mehrfamilien- oder Reihenhäuser fallen neben den Einfamilienhäusern quantitativ deutlich zurück. Diese unterscheiden sich aber alle wesentlich von dem vorliegenden Haus. Fast alle dieser schützenswerten Einfamilienhäuser der 1960er- und 1970er- Jahre haben ein Flachdach. Nur drei weisen ein Satteldach auf: das Einfamilienhaus Hansen in Günsberg (1961/62 von Werner Aebli, Bernhard Hoesli), das Einfamilienhaus Zerkiebel in Lostorf (1971 von Ernst Zerkiebel) und das Einfamilienhaus Heer-Pirinen in Lostorf (1977/78 von Anja Heer- Pirinen).32 Diese Bilanz lässt sich damit erklären, dass in der Region am Jurasüdhang die Architekten der Solothurner Schule stilprägend gewirkt haben, zu deren Markenzeichen nebst vollständig verglas- te Fronten ein Flachdach gehörten. Das Wohnhaus mit Arztpraxis in Kappel bildet mit seinem langen Pultdach also unter den qualitativ besten Einfamilienhäusern im Kanton Solothurn eine Ausnahme. Beispielhafte schützenswerte Einfamilienhäuser im Kanton Solothurn sind: - Einfamilienhaus ehemals Monteil in Solothurn (1960/61 von Hans Luder) - Einfamilienhaus Hansen in Günsberg (1961/62 von Werner Aebli, Bernhard Hoesli) 31 Alfred Altherr (Hg.), Neue Schweizer Architektur / New Swiss architecture, Teufen 1965, S. V. 32 Michael Hanak, Baukultur im Kanton Solothurn 1940–1980. Ein Inventar zur Architektur der Nachkriegsmoderne, hg. von der kantonalen Denkmalpflege Solothurn, Zürich 2013.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 17 - Einfamilienhaus ehemals Portmann in Hessigkofen (1962 von Franz Füeg) - Einfamilienhaus Sommer in Rüttenen (1962/63 von Hans Rudolf Bader) - Einfamilienhaus Trümpy in Hägendorf (1963/64 von Alfons Barth) - Einfamilienhaus ehemals Brossi in Gerlafingen (1963–1965 von Atelier 5) - Einfamilienhaus Süess in Starrkirch-Wil (1964/65 von Hans Zaugg) - Einfamilienhaus Piguet in Lostorf (1968 von Bruno und Fritz Haller) - Einfamilienhaus ehemals Kinzelbach in Schönenwerd (1969 von Dieter Butters) - Einfamilienhaus Berchtold in Kyburg-Buchegg (1970/71 von Stefan Sieboth) - Einfamilienhaus Zerkiebel in Lostorf (1971 von Ernst Zerkiebel) - Einfamilienhaus ehemals Straumann-Zaugg in Trimbach (1971/72 von Hans Zaugg) - Einfamilienhaus ehemals Hafter in Solothurn (1976/77 von Fritz Haller) - Einfamilienhaus Heer-Pirinen in Lostorf (1977/78 von Anja Heer-Pirinen) Im Inventar der Kantonalen Denkmalpflege figuriert jedoch auch ein Einfamilienhaus, das im Kanton Solothurn als ein Vorläufer in der organischen Architektur gelten muss: Das Einfamilienhaus, das der Architekt Albert Straumann 1940 für den Kunstmaler und Plastiker Ferdinand Kaus in Grenchen errichtete. Es besitzt gekrümmte Aussen- und Innenwände, ausserdem nimmt die Frontfassade die Bewegung des Abhanges auf und gibt sie an die Eingangshalle weiter, wo die Dynamik in der Wen- deltreppe ihren Fortsatz findet. Weitere Einfamilienhäuser in der organischen Tradition sind aber im Kanton Solothurn nicht bekannt. Das grosse Vorbild in der organischen Architektur war während der Nachkriegszeit sicherlich der Finne Alvar Aalto. Er strebte eine enge Verbindung von Gebäuden und Landschaft an, es gelang ihm, Natur und Architektur in Einklang zu bringen. Aaltos Werk gehört zu den bedeutendsten seiner Zeit und es inspirierte viele zeitgenössische Architekten. Im Mai und Juni 1964 zeigte das Kunsthaus Zürich eine Ausstellung über das Werk von Alvar Aalto.33 Diese Ausstellung war gewissermassen eine Ergänzung zum kurz zuvor im Zürcher Girsberger Verlag erschienen Buch, dem ersten Band über das Gesamtwerk des finnischen Meisterarchitekten. Zu sehen waren viele Handskizzen und Pläne, die einen Begriff von der Entstehung der Projekte gaben. Sie zeigten, wie Aalto von der Aufgabe her, mit allen Bezügen, gestaltet, wie er eine Funktion in Architektur verwandelt.34 Der einflussreiche Schweizer Architekt Alfred Roth schrieb im Ausstellungs- katalog: „Das wohl wesentlichste Merkmal der Architekturvorstellung Aaltos betrifft die das gesamte Gestalten durchdringende Organik, die etwas Naturhaftes hat und gleichzeitig eminent geistvoll ist. Ihr Ursprung findet sich im bewussten und unbewussten Erfassen des lebendigen Wesens einer jeden Aufgabe, auch der Besonderheiten des jeweiligen Standorts, der Landschaft, der urbanen Umwelt. Es ist ein visionäres und nicht verstandesmässiges Erfassen des Fundamentalen, das auch die wichtigen irrationalen Komponenten zutage fördert. Der auf diesem Wege entdeckte Aufgabereichtum ist es, der 33 Alvar Aalto, Ausstellungskatalog Kunsthaus Zürich, Zürich 1964. 34 Schweizerische Bauzeitung, Nr. 25, 18.6.1964, S. 450.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 18 den sinnhaften inneren und äusseren Reichtum der Werke Aaltos ausmacht und ihnen kraftvolle Ursprünglichkeit verleiht.“35 Im Jahr darauf reiste der Oltner Architekt Elmar Kunz-Rüedi nach Helsinki, um bei Alvar Aalto zu arbeiten. Sein ehemaliger Hochschullehrer Werner Max Moser, bei dem er zwei Jahre zuvor sein Diplom abgelegt hatte und in dessen Büro er danach arbeitete, hatte ihm die begehrte Stelle vermit- telt. Während seiner rund anderthalbjährigen Mitarbeit bei Aalto wirkte Elmar Kunz-Rüedi bei ver- schiedenen Projekten und Wettbewerben mit. Zwei Jahre nachdem er in die Schweiz zurückgekehrt war, machte er sich 1968 in Zürich selbständig. Sein erster Auftrag, den er von einem ehemaligen Schulkollegen erhielt, war das Wohnhaus mit Arztpraxis in Kappel. Bei diesem Haus sind die Bezüge zur Aaltos Architektur offensichtlich. Analogien zu Bauten von Alvar Aalto lassen sich beim Wohnhaus mit Arztpraxis in Kappel vor allem zur Villa Carré in Bazoches-sur-Guyonne (1956–1959) aufzeigen:36 Vor allem bezüglich des Pult- dachs, der Kupferblechbedachung und des weit ausladenden und spitz vorstehenden Dachvor- sprungs, sowie auch hinsichtlich der weiss gestrichenen Sichtbacksteinwände, der Holzfenster und der Gitteröffnungen, die teils bis zur Dachkante reichen. Sehr ähnlich ist bereits die grundsätzliche Konzeption eines ins leicht geneigte Gelände eingepassten Hauses, dessen Schrägdach mit dem Gelände ansteigt und im Innern an Höhe zunimmt. Eine weitere Analogie besteht in der gewellten Formung der Decke im Innern: Diese ungewöhnliche Deckenform setzte Aalto auch bei späteren Projekten, wie beispielsweise bei der Kirche Vuoksenniska in Imatra (1957–1959)37, ein. In einem weiteren Sinn kann auch Aaltos eigenes Sommerhaus in Muuratsalo (1953) zum Vergleich herangezogen werden.38 Analogien sind die ebenfalls teils weiss gestrichenen Sichtbacksteinwände und das Pultdach ohne Dachvorsprung. Diese beiden Hauptcharakteristika hat Aalto an seinem von ihm auch als „Experimenthaus“ bezeichneten Sommerhaus exemplarisch entwickelt und dann immer wieder eingesetzt. Elmar Kunz-Rüedi kannte die bei Paris gelegene Villa Carré nicht aus eigener Anschauung, sondern von Plänen und Fotos her. Aaltos Sommerhaus in Muuratsalo, das rund 200 Kilometer von Helsinki entfernt liegt, könnte er besucht haben. Jedenfalls waren die beiden Bauten im 1963 erschienenen ersten Band über das Gesamtwerk von Alvar Aalto und ebenso in der Ausstellung im Kunsthaus Zürich enthalten. Der Entwurf des Wohnhauses mit Arztpraxis in Kappel ist jedoch keine Imitation der Vorbilder. Vielmehr dienten Aaltos Häuser als Inspiration für einen eigenständigen Entwurf. Weitere von Aalto immer wieder verwendete Elemente übertrugen sich, so die schräg gestellte, aus der Orthogonalität abgedrehte Wand, die sich bei vielen Bauten Aaltos wiederfindet, beispielsweise bei der Villa Schildt in Tammisaari (1969/70)39, sowie die bis unter den Dachrand reichenden Fensteröff- 35 Alvar Aalto, Ausstellungskatalog Kunsthaus Zürich, Zürich 1964, o. S.; Schweizerische Bauzeitung, Nr. 25, 1964, S. 450. 36 Werk, Nr. 12, 1960, S. 417–422; Alvar Aalto, Bd. I: 1922–1962, Zürich 1963/1970, S. 236–247. 37 Ebd., S. 218–229. 38 Ebd., S. 200–202. 39 Alvar Aalto, Bd. III: Projekte und letzte Bauten, Zürich 1978, S. 28–33.
Denkmalpflegerisches Gutachten Wohnhaus mit Arztpraxis, Im Füler 2/2a, Kappel (SO) 19 nungen, wie beispielsweise bei der Villa Kokkonen in Järvenpää (1967–1969)40. Auch die am Haus in Kappel neben den Fenstern eingesetzten Lüftungsklappen sind wie bei wohl Aalto, ansonsten sind solche wenig üblich. Schweizweit lassen sich die Einflüsse Alvar Aaltos auch an anderen Einfamilienhäusern feststellen, wobei vor allem die Verschiedenheit dieser Projekte auffällt. Beispiele hierfür sind von der Architektin Lisbeth Sachs das Einfamilienhaus Bühler in Blauen (1969) mit polygonaler Grundform, von der Architektin Beate Schnitter das Ferienhaus Claudia Moser in Valbella (1962–1963) mit dem auffälligen Pultdach, das von Ernst Gisel entworfene Haus Baumann in Schönenberg (1968–1970) und das Wohnhaus Gelpke-Engelhorn in Küsnacht (1972–1974) mit seiner Staffelung in unregelmässigen Winkeln. Des Weiteren muss das Wohnhaus mit Arztpraxis in Kappel auch im Kontext der Bauten verstanden werden, die von ehemaligen Mitarbeitern Aaltos aus der Schweiz in ihrem Heimatland ausgeführt wurden: Bekannte Beispiele hierfür sind das von Ernst Gisel projektierte Parktheater in Grenchen (1953–1955), die Kantonsschule Rämibühl in Zürich (1966–1970) von Eduard Neuen- schwander und das Pfarreizentrum Maria-Hilf von Walter Moser in Zürich-Leimbach (1971–1974). Sowohl die internationalen Vorbilder wie die Vergleichsbauten aus der Schweiz und der Region Olten zeigen auf, dass es sich beim Wohnhaus mit Arztpraxis in Kappel um einen eigenständigen, originel- len Entwurf handelt, der von Alvar Aalto inspiriert und von dessen Architekturhaltung beeinflusst worden war. Es handelt sich dabei um ein sprechendes Beispiel in der Reihe gebauter Aalto- Rezeption in der Schweiz. Beurteilung Denkmalpflegerische Einstufung Das 1969/70 erbaute Wohnhaus mit Arztpraxis Im Füler 2/2a in Kappel ist gemäss kantonaler Kultur- denkmäler-Verordnung (RRB vom 19. Dezember 1995) aufgrund seiner aussergewöhnlich qualitati- ven architektonischen Gestaltung, seiner hohen Lagequalität und seiner sozial- und wirtschaftsge- schichtlichen Zeitzeugenschaft ein wichtiger architekturgeschichtlicher Zeuge der Nachkriegs- moderne, dem eine überkommunale Bedeutung zukommt. Der Architekt Elmar Kunz-Rüedi, der in Olten aufwuchs und in Zürich erfolgreich ein eigenes Architek- turbüro führte, hat mit dem Wohnhaus mit Arztpraxis in Kappel seinen ersten Bau als Selbständiger sowie einer seiner gelungensten Werke entworfen. Nachher hat er weitere Einfamilienhäuser geplant und gebaut, die untereinander gewisse Ähnlichkeiten ausweisen. Als ein anderer seiner Bauten wurde das Alters- und Pflegeheim St. Martin in Olten (1974–1975) bereits als schützenswert eingestuft und in das Inventar des Kantons Solothurn aufgenommen.41 40 Ebd., S. 22–27. 41 Michael Hanak, Baukultur im Kanton Solothurn 1940–1980. Ein Inventar zur Architektur der Nachkriegsmoderne, hg. von der kantonalen Denkmalpflege Solothurn, Zürich 2013, S. 270.
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