Affektive Störungen Grundlagen, Diagnostik, Psychopharmakotherapie 19. Juli 2021 - M.Sc. Sabine Iseli eidg. anerkannte Psychotherapeutin ...
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Affektive Störungen Grundlagen, Diagnostik, Psychopharmakotherapie 19. Juli 2021 M.Sc. Sabine Iseli eidg. anerkannte Psychotherapeutin Oberpsychologin Station IDM 24.4 PZM AG
Affektive Störungen Diagnostik und Unterscheidung ICD-10 F30-39 • Depressive Episode (F32) leicht/mittelgradig/schwer Diagnostik: BDI-II, Hamilton, SKID-I, MINI, ADS etc. mit/ohne somatischem Syndrom, bei schweren Episoden: mit/ohne psychotische Symptome Cave: «Burnout»-Diagnose • Rezidivierende depressive Störung (F33) mehrere depressive Phasen Cave: Ausschluss (hypo-)maner Phasen Diagnostik: zusätzlich (fremd-)anamnestische Angaben (erlebten sie in Verg.h. bereits depressive Episoden?) 01.09.2021 Sabine Iseli 2
Affektive Störungen Diagnostik und Unterscheidung (DD) • Bipolare Affektive Störung (F31) (hypo-)mane und depressive Phasen gemischt Bipolar I und II • (hypo)mane Episode (F30) Cave: insb. hypomane Phasen werden häufig als «angenehm» erlebt & nicht als solche erkannt Diagnostik: MDQ, HCL-32, SKID-I, IDCL, ADS, BRMS, BRMAS, YMRS, MINI, zwingend: Fremdanamnese für (hypo-)mane Phasen 01.09.2021 Sabine Iseli 3
Affektive Störungen Diagnostik und Unterscheidung (DD) • Anhaltende affektive Störungen (F34) Zyklothymie, Dysthymie (beides: ≥2 Jahre) …häufig auch: Double Depression Diagnostik: SKID-I, MINI, (Fremd-)Anamnese etc. Wichtige Differentialdiagnosen, Komorbiditäten: Angst- und Panikstörungen, Schizoaffektive Störung, Angst und Depression gemischt, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen u.a. 01.09.2021 Sabine Iseli 4
Depressionen erkennen • 2 Fallbeispiele: Mann, 46 jährig, wird zugewiesen zur stationären Behandlung. Es handelt sich um die erste Episode, bisher kaum Auffälligkeiten im Lebensverlauf. Operation im vergangenen Mai 2021 habe alles verändert. Mann, 50 jährig, wird zugewiesen zur stationären Behandlung. Kaum anamnestische Infos vorhanden. Pat. berichtet, wenige Beziehungen zu haben und erstmalig in Behandlung zu sein. Auslöser könne er keine benennen. 01.09.2021 Sabine Iseli 5
Exploration depressiver Symptome Nach ICD-10: «… leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen" Symptomen begleitet werden, wie Interessenverlust oder Verlust der Freude, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische Hemmung, Agitiertheit, Appetitverlust, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Abhängig von Anzahl und Schwere der Symptome ist eine depressive Episode als leicht, mittelgradig oder schwer zu bezeichnen. F32.0 Leichte depressive Episode: Gewöhnlich sind mindestens zwei oder drei der oben angegebenen Symptome vorhanden. Der betroffene Patient ist im Allgemeinen davon beeinträchtigt, aber oft in der Lage, die meisten Aktivitäten fortzusetzen. F32.1 Mittelgradige depressive Episode: Gewöhnlich sind vier oder mehr der oben angegebenen Symptome vorhanden, und der betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome: Eine depressive Episode mit mehreren oben angegebenen, quälenden Symptomen. Typischerweise bestehen ein Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld. Suizidgedanken und - handlungen sind häufig, und meist liegen einige somatische Symptome vor. F32.3 Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen: Eine schwere depressive Episode, wie unter F32.2 beschrieben, bei der aber Halluzinationen, Wahnideen, psychomotorische Hemmung oder ein Stupor so schwer ausgeprägt sind, dass alltägliche soziale Aktivitäten unmöglich sind und Lebensgefahr durch Suizid und mangelhafte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bestehen kann. Halluzinationen und Wahn können, müssen aber nicht, synthym sein. 01.09.2021 Sabine Iseli 6
Fragen und Interessen? 01.09.2021 Sabine Iseli 7
Behandlungsmöglichkeiten affektiver Störungen • Wichtig: Unterscheidung der unipolaren Depression und der Bipolaren Störung/ Manie, auch bezüglich der Behandlungsmethoden. 01.09.2021 Sabine Iseli 8
Behandlungsmöglichkeiten affektiver Störungen • Beispiel 01.09.2021 Sabine Iseli 9
Behandlungsmöglichkeiten affektiver Störungen Depressive Störung (erstmalig oder rezidivierend) - Je nach Schweregrad - Sowohl biologisch/pharmakologisch wie auch psychotherapeutisch behandelbar. Laut Studien bewährt sich insbesondere die Verfahrenskombination. 01.09.2021 Sabine Iseli 10
Behandlungsmöglichkeiten affektiver Störungen • Depressive Störungen: Leichte depressive Episode: sorgfältige Beobachtung, je nach Lebenssituation psychotherapeutische Interventionen. Kaum Psychopharmakotherapie. Mittelgradige bis schwere depressive Episoden: Tw. stationär in Behandlung. Psychotherapie plus Psychopharmakotherapie (AD). 01.09.2021 Sabine Iseli 11
Behandlungsmöglichkeiten affektiver Störungen Schwere depressive Episoden: Tw. zusätzlich biologische Verfahren wie EKT (Elektrokonvulsionstherapie), Transkranielle Magnetstimulation, Ketamin. Bipolare Affektive Störungen: Abhängig vom aktuellen Zustandsbild (Manie oder Depression?) Depression: AD mit Phasenprophylaktika, Psychotherapie Manie: beruhigende Psychopharmakotherapie, Bsp. Tranquilizer, verhaltenstherapeutische Massnahmen, kaum Psychotherapie im engeren Sinne. 01.09.2021 Sabine Iseli 12
Behandlungsmöglichkeiten Depression Psychotherapie: - Kognitive Verhaltenstherapie - Systemische Therapie - Psychoanalytische Verfahren - etc. - Verfahren der «Dritten Welle»: -IPT -CBASP -MBCT -MBSR etc. 01.09.2021 Sabine Iseli 13
Behandlungsmöglichkeiten Depression • Häufige Kombination mit verhaltenstherapeutischen Massnahmen: Bewegung wirkt antidepressiv! Achtsamkeitsbasierte Interventionen 01.09.2021 Sabine Iseli 14
Behandlungsmöglichkeiten Depression • Psychopharmakotherapie: Antidepressiva, verschiedene Klassen mit verschiedenen Vor- und Nachteilen vorhanden. 01.09.2021 Sabine Iseli 15
Psychopharmakotherapie Depression Antidepressiva TZA Trizyklische 2. Generation 3. Generation Antidepressiva SSRI (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Mianserin (Tolvon®) Clomipramin (Anafranil®) Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin) Maprotilin (Ludiomil®) NaSSA (Mirtazapin) Imipramin (Tofranil®) SSNRI (Duloxetin, Trimipramin (Surmontil®) Trazodon (Trittico®) Venlafaxin) RIMA, SNDRI Melatonin- Agonist u. 5-HT-2C- Antag, Modulator Serotonin u. Inhibitor Serotonintransporter 01.09.2021 Sabine Iseli 16
Psychopharmakotherapie der Depression • Einsetzen eines AD bei fehlender Wirksamkeit: - Auf AD anderer Klasse wechseln - Kombination zweier AD untersch. Klasse - Augmentationsstrategien verwenden 01.09.2021 Sabine Iseli 17
Psychotherapie der Dritten Welle bei Depression • IPT (Interpersonelle Psychotherapie) Ein häufig untersuchtes Kurzzeittherapieverfahren zur Behandlung unipolarer Depression, Wirksamkeit wissenschaftlich gut belegt. Manualisiertes Vorgehen, Arbeit im Hier und Jetzt, geeignet im ambulanten und stationären Setting mit Gruppen- und Einzeltherapie. 01.09.2021 Sabine Iseli 18
Psychotherapie der Dritten Welle bei Depression • CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) Evidenzbasiertes Verfahren zur Behandlung von chronischen Depressionen Kombination behavioraler, kognitiver, psychodynamischer und interpersoneller Therapieelemente. Arbeit mit Prägungen (vergangenheitsorientiert), neuartige Erfahrungen im Hier und Jetzt ermöglichen Annahme: chronisch depressive Menschen durchlaufen eine tw. gestörte Entwicklung, Interaktionen erfolgen dysfunktional Konsequenzen des eigenen Verhaltens erkennen Arbeit in Einzel- und Gruppentherapie, ambulant und stationär. 01.09.2021 Sabine Iseli 19
Behandlungsmöglichkeiten Bipolarer Störungen • Psychopharmakotherapeutisch: Abgrenzung von Akuttherapie und Rezidivprophylaxe AD z.B. in Kombination mit Lithium oder Sequase 01.09.2021 Sabine Iseli 20
Suizidalität • Zahlen aus Deutschland: Suizid 0.01% Lebenszeitprävalenz (Männer>Frauen und Unterschiede in der Suizidmethode), Suizidversuche 2.7% LZP (Frauen>Männer) Viele Betroffene sind psychiatrisch belastet Suizidmortalität bei unipolarer Depression 2-6%, hoch auch bei Bipolaren Affektiven Störungen • Diagnostische Instrumente: Fragebögen: Beck Skala für Selbstmordgedanken BSSI, SBQ-R, RFL, BHS, INQ, GCSQ Interviewformate: CAMS-SSF, SSF-III (Kurzversion) Nicht-sprachliche Erfassungsinstrumente: z.B. I-Prism 01.09.2021 Sabine Iseli 21
Suizidalität • Erklärungsmodelle: - Kognitives Modell suizidaler Handlungen: dysfunktionale Kognitionen als zentraler Risikofaktor - Interpersonale Theorie suizidalen Verhaltens (Joiner Modell): Teil einer wertgeschätzten Gruppe sein & für andere eine Belastung sein als wichtige Voraussetzung zum vollzogenen Suizid - Integratives motivational-volitionales Modell suizidalen Verhaltens: verschiedene Risikofaktoren integriert, unterscheidet Phasen (z.B. motivationale Phase) • Unterscheidung von: Suizidgedanken, Plänen und Handlungen • Risikoabschätzung zentral! 01.09.2021 Sabine Iseli 22
Suizidalität • Krisenintervention: Beziehung herstellen – Risikoabschätzung – Zeit gewinnen / Reflexion anregen (z.B. Ambivalenz fördern) – Selbstkontrolle fördern (Notfallplan, ev. Antisuizidverträge) – Konfrontation – Einbezug von Angehörigen oder weiterem Personal – Setting bestimmen für die Weiterbehandlung • mit Suizidalität in der Therapie «arbeiten» - …dazu gehören auch: Skills, Emotionsregulation, Problemlösefertigkeiten üben, Stärkung des sozialen Netzwerkes - Risikofaktoren im Auge behalten - Regelmässig Suizidalität evaluieren (& dies dokumentieren) - eigene Haltung im Umgang mit Suizidalität in der Therapie entwickeln 01.09.2021 Sabine Iseli 23
Fragen? 01.09.2021 Sabine Iseli 24
Literaturverzeichnis • Beck, Rush, Shaw & Emery (1979). Cognitive Therapy of Depression. The Guilford Press, New York. • Brakemeier & Buchholz (2013). Die Mauer überwinden. • Brakemeier & Normann (2012). Praxisbuch CBASP. • Dilling & Freyberger (2014). Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. • Dormann (2018). Suizid: Therapeutische Interventionen bei Selbsttötungsabsichten, Klett-Cotta, Stuttgart. • Grünwald, Held & Horni (2020). Die Methoden-Matrix der Psychotherapie, Beltz Verlag. • Guidelines for treating depression/ bipolar affective disorder. • Heidenreich & Michalak (2013). Die «dritte Welle» der Verhaltenstherapie, Beltz Verlag. • Konrad (2017). Therapie der Depression, Springer Verlag. • Lewinsohn (1974). A behavioral approach to depression, Wiley and Sons, Oxford. • Meyer & Hautzinger (2013). Bipolare Störungen, kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual, Beltz Verlag. • Schramm (2019). Interpersonelle Psychotherapie, Schattauer Verlag. • Schramm, Brakemeier & Fangmeier (2012). CBASP in der Gruppe. • Schramm & Klecha (2010). Interpersonelle Psychotherapie in der Gruppe. • Seligman (1975). Helplessness, On depression, development and death. Freeman & Comp., San Francisco. • Teismann & Dorrmann (2021). Suizidalität, Hogrefe Verlag. • Zindel, Segal & Williams, Teasdale (2001). Mindfulness-Based Cognitive Therapy for Depression: A New Approach to Preventing Relapse, The Guilford Press. 01.09.2021 Sabine Iseli 25
Anhang Folien 01.09.2021 Sabine Iseli 26
Verträglichkeit und Wirksamkeit der AD 01.09.2021 Sabine Iseli 27
Leichte bis mittelschwere Depression SSRI und andere «neuere AD» erste Wahl • Bessere Verträglichkeit als TZA mit geringeren Behandlungsabbruchraten (Level A) • Weniger anticholinerge UAW + kaum kardiovaskuläre Toxizität (Level A) • Dosisabhängig Risiko Verlängerung QTc-Zeit (EKG- Kontrollen notwendig) • Günstigeres Sicherheitsprofil 01.09.2021 Sabine Iseli 28
Schwere Depression TZA, SSRI und SNRI empfohlen sowie falls geeignet: Elektrokrampftherapie (EKT) 01.09.2021 Sabine Iseli 29
Verträglichkeit - SSRI: UAW I Gastrointestinale UAW Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe Aktivierung, Unruhe Ruhelosigkeit, Agitation, Schlafstörungen Neurologische UAW Migräne- und Spannungskopfschmerzen 01.09.2021 Sabine Iseli 30
Verträglichkeit - SSRI: UAW II Erhöhtes Blutungsrisiko Veränderte Thrombozytenfunktion SIADH (erniedrigtes Serum-Natrium) QTc-Verlängerung (Kontraindikation, falls vorbestehend, keine Kombination mit QTc-verlängernden Medikamente) 01.09.2021 Sabine Iseli 31
Verträglichkeit - SSRI: UAW III Zentrales Serotonin-Syndrom Trias aus Fieber, neuromuskuläre Symptome (Hyperrigidität, Hyperreflexie, Myoklonus, Tremor), Psychopathologie (Delir, Bewusstseinsstörung, Erregung, Verwirrtheit) Keine Kombination mit MAO-Hemmer 01.09.2021 Sabine Iseli 32
Verträglichkeit - SNRI Häufiger UAW im Vergleich zu SSRI UAW führen zu mehr Therapieabbrüchen als bei SSRI BD sollte auf Erhöhung monitorisiert werden 01.09.2021 Sabine Iseli 33
Verträglichkeit - Mirtazapin im Vergleich zu SSRI: Mehr Gewichtszunahme und Sedation Weniger Übelkeit und sexuelle Dysfunktion 01.09.2021 Sabine Iseli 34
Verträglichkeit - Agomelatin Vorteile: • Kaum sexuelle Dysfunktion, keine Gewichtszunahme • Keine gastrointestinale UAW, keine Tagesmüdigkeit bei Verbesserung Schlafverhalten • Keine QTc-Verlängerung, keine Absetzsymptome Nachteil: Erhöhtes Risiko Leberschädigung, Kontrolle Transaminasen nach 3, 6, 12 und 24 Wochen 01.09.2021 Sabine Iseli 35
Verträglichkeit - Vortioxetin Vorteile: • Geringe Rate sexuelle Funktionsstörungen • Keine Veränderung HF o. BD, keine Verlängerung QTc-Zeit • Keine Gewichtszunahme • Keine Absetzeffekte Nachteil: • Alteration Thrombozytenfunktion mit selten verlängerter Blutungszeit, v.a. bei älteren Patienten 01.09.2021 Sabine Iseli 36
Verträglichkeit - Trizyklika I Anticholinerge UAW Mundtrockenheit, Obstipation, Akkomodationsstörungen, Harnretention, Tachykardie Kardiovaskuläre UAW Orthosstat. Hypotension, Bradyarrhythmie, Tachykardie 01.09.2021 Sabine Iseli 37
Verträglichkeit - Trizyklika II Antihistaminerge UAW Sedation, Gewichtszunahme Neurologische UAW Myoklonie, Delir, Epileptische Anfälle bei Überdosis 01.09.2021 Sabine Iseli 38
Kontraindikation - Trizyklika Kardiovaskuläre Erkrankungen Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie Kognitive Störungen Delir, epileptisches Anfallsleiden 01.09.2021 Sabine Iseli 39
Interaktionen: Pharmakokinetische (Auswahl) Bupropion, Fluoxetin, Paroxetin oder Fluvoxamin Und TZA: Plasmaspiegel TZA können stark ansteigen (Es)Citalopram und CYP2C19-Inhibitoren (Cimetidin): Cave: Dosisabhängige QTc-Verlängerung 01.09.2021 Sabine Iseli 40
Interaktionen: Pharmakodynamische I (Auswahl) Keine Kombination MAO-Hemmer und 5-HT- Wiederaufnahmehemmer Gefahr zentrales Serotoninsyndrom Karenzzeit/wash-out einhalten Kombination anticholinerge AD mit Anticholinergika (z.B. Antipsychotika) Generell keine Kombination mit Alkohol 01.09.2021 Sabine Iseli 41
Interaktionen: Pharmakodynamische II (Auswahl) Kombination AD mit Sympathomimetika: Gefahr hypertensive Krisen AD mit α-antagon. Wirkung können Wirkung Antihypertensiva verstärken TZA nicht mit Antiarrythmica vom Chinidintyp kombinieren 01.09.2021 Sabine Iseli 42
Therapiebeginn Grundsätzlich mit der niedrigen, als «Anfangsdosis» im Kompendium angegebenen Tagesdosis beginnen Aufklärungsgespräch: • Bedenken erkennen und ausräumen (z.B. Abhängigkeitsentwicklung, Persönlichkeitsveränderung) • Erklären biologische Wirkmechanismen, Wirklatenz • UAW, Interaktionen • Behandlungsdauer • ev. Angehörige einbeziehen 01.09.2021 Sabine Iseli 43
Routineuntersuchungen Vor Beginn und erste 6 Monate Akutbehandlung: • BB, Krea, Leberenzyme, • BZ, HbA1c (3 monatlich) • EKG • BD und Puls • BMI Details s. Algorithmus PZM 01.09.2021 Sabine Iseli 44
Routineuntersuchungen PZM 01.09.2021 Sabine Iseli 45
Wirkungsüberprüfung 01.09.2021 Sabine Iseli 46
Wirkungsüberprüfung I HRSD/BDI hilfreich bei Überprüfung des Ansprechens auf Behandlung (%-Zahlen geben Reduktion der Symptomschwere im Vgl. zum Baseline- Befund an) Non-Response: ≤ 25% Partial response: 26-49% Response: ≥ 50% Remission: Keine oder sehr wenige (minderschwere) depressive Symptome, HRSD ≤ 7 01.09.2021 Sabine Iseli 47
Wirkungsüberprüfung II (aus WFSBP Guideline) Frühe Besserung i.h. 14 Tagen (Symtomreduktion ≥ 20%) hoch sensitiver Prädiktor für einen stabilen Response und für eine stabile Remission nach 4 Wo. Weniger als 10% Pat., die sich nach 2 Wo. nicht verbessern, haben nach 6 Wo. Stabilen Response/Remission Zeitspanne um Wechsel der Behandlung zu erwägen: Nach 3-4 Wochen 01.09.2021 Sabine Iseli 48
Wirkungsüberprüfung III Vor Wechsel Behandlungsstrategie: • Diagnose überprüfen • Therapeutisches Drug-Monitoring zur Optimierung der Plasmakonzentration eines Medikaments («rapid metabolizing», enzyminduzierende Begleitmedikation o. Nahrungsbestandteile) 01.09.2021 Sabine Iseli 49
Wirkungsüberprüfung IV ABCB1-Gentest ABCB1-Gen codiert P-Glykoprotein, welches als «Wächtermolekül» in den Blutgefässen die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke bestimmt → Identifizierung von Pat., bei denen aufgrund von Polymorphismen viele gängige AD die Blut-Hirn-Schranke weniger leicht passieren können, so unzureichend ansprechen → mit Messung erhält Behandler Therapieempfehlungen 01.09.2021 Sabine Iseli 50
Behandlungsoptionen bei Teil- und Non-Response I Unabhängig von anfänglicher Auswahl des AD zeigen mindestens 30% der unipolaren Depressionen eine unzureichende Therapieantwort auf die Behandlung 01.09.2021 Sabine Iseli 51
Behandlungsoptionen bei Teil- und Non-Response II Aktuell keine einheitliche Meinung zur Strategie bei Non-Response da keine randomisierten, doppelblinden klinischen Studien vorliegen Lediglich plazebo-kontrollierte Studien zur Lithium-Augmentation mit guten Ergebnissen 01.09.2021 Sabine Iseli 52
Strategie 1: Wechsel zu AD anderer Klasse SSRI → dualem Wirkstoff SSRI → noradrenergen/dopaminergen Wirkstoff Wechsel zu irreversiblem MAO-Hemmer: Zweiwöchiges Wash-out zwischen Medikamenten (Level B) SSRI → anderer SSRI 40-70% Chance auf Response (Level C) 01.09.2021 Sabine Iseli 53
Strategie 2: Kombination zweier AD unterschiedlicher Klassen Wenig kontrollierte Daten zugunsten Nutzen dieser Strategie z. B. Mirtazapin + SSRI (Level A) Keine Kombination AD mit irreversiblem MAO-Hemmer oder mit L- Tryptophan 01.09.2021 Sabine Iseli 54
Strategie 3: Augmentierung eines AD Lithium wichtigste und am besten dokumentierte Strategie: damit erste Wahl (zudem antisuizidale Eigenschaften) Antipsychotika (Quetiapin, Aripiprazol, Olanzapin, Risperidon) in niedrigerer Dosierung als bei akuter F2 Schilddrüsenhormone zur Augmentation von TZA T3 (Level B) T4 (Level D) 01.09.2021 Sabine Iseli 55
Algorithmus Teil- und Non-Response I SMF 2016, 16 (35), Abb. 3
Andere Behandlungsoptionen I (nicht in Guideline erwähnt) Antidepressiva-Hochdosistherapie • Bei SSRI nicht sinnvoll • Für TZA, Venlafaxin durchaus rationaler Schritt 01.09.2021 Sabine Iseli 57
Andere Behandlungsoptionen II (nicht in Guideline erwähnt) Irreversibler MAO-Hemmer (Tranylcypromin) • In CH nicht zugelassen, muss über internationale Apotheke bestellt werden • Tyraminarme Diät, um Risiko Bluthochdruckkrisen zu vermeiden • Hochdosistherapie rationaler Schritt • Keine Kombination mit serotonergen Med. (SSRI, SNRI, Clomipramin) 01.09.2021 Sabine Iseli 58
Elektrokrampftherapie (EKT) Indikation: • Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen • Echte behandlungsresistente depressive Episode • Besondere Situationen: schwere Suizidalität oder Schwangerschaft 01.09.2021 Sabine Iseli 59
Elektrokrampftherapie (EKT) II • Responserate 50-85 % • Responserate bei Pat., die nicht auf AD angesprochen haben: 50-75 % • UAW: Kurzzeitgedächtnisstörungen • Problem: hohe Rezidivrate nach erfolgreicher EKT: 80 % in ersten 6 Monaten • Konsequente sich anschliessende Pharmakotherapie (und evtl. störungsspez. Psychotherapie) reduziert Rezidivrate deutlich 01.09.2021 Sabine Iseli 60
Pflanzliche Wirkstoffe Hypericum perforatum (Johanniskraut) Level A für die Kurzzeitbehandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen ggü. Placebo Cave: Interaktionen mit anderen Medikamenten 01.09.2021 Sabine Iseli 61
Antipsychotika schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (Wahn und/oder Halluzinationen) Sprechen auf Kombination AD mit Antipsychotikum deutlich besser an als unter Monotherapie der einzelnen Substanz (Level A) 01.09.2021 Sabine Iseli 62
Tranquilizer/Anxiolytika Kombination AD und Anxiolytika besonders erfolgreich • bei Angst, Erregung und Schlaflosigkeit • in der Einleitungsphase der Behandlung mit AD • Nicht länger als 4 Wochen wg. Abhängigkeitsrisiko • Cave: erhöhte Sturzneigung 01.09.2021 Sabine Iseli 63
Depressionsbehandlung bei älteren Patienten • SSRI (Sertralin, Paroxetin und Fluoxetin) wirksam und verträglich (Level A) • SSRI und andere «neuere AD» werden TZA vorgezogen: weniger orthostatische Hypotension, weniger kardiovaskuläre und anticholinerge UAW 01.09.2021 Sabine Iseli 64
Depressionsbehandlung in Schwangerschaft I Sorgfältige Risikoabwägung der pränatalen Exposition ggü. depressivem Rückfall der Mutter Behandlungsalternativen in Betracht ziehen: Psychotherapie, Lichttherapie und EKT 01.09.2021 Sabine Iseli 65
Depressionsbehandlung in Schwangerschaft II TZA und SSRI • kaum erhöhtes Risiko für Organfehlentwicklung • kein erhöhtes Risiko für intrauterinen Fruchttod oder grössere Geburtsschäden Paroxetin und Fluoxetin mit geringfügig erhöhten Risko für Fehlbildungen, daher nicht AD erster Wahl Cave: Absetzphänomene bei Kindern, deren Mütter kurz vor Geburt mit AD behandelt wurden 01.09.2021 Sabine Iseli 66
Depressionsbehandlung in Stillzeit Studien haben folgende AD für Anwendung in Stillzeit identifiziert (Level C): Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin, Clomipramin und Nortryptilin Kinder von stillenden Müttern unter AD sollten von einem Kinderarzt speziell überwacht werden 01.09.2021 Sabine Iseli 67
Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe 01.09.2021 Sabine Iseli 68
Verlauf depressive Störung u. deren Behandlung SMF 2016, 16 (35), Abb. 3
Erhaltungstherapie I • Folgt nach der Akutbehandlung mit möglichst vollständiger Remission • Ziel: Rückfall verhindern • in der Regel 6-9 Monate durchgeführt • bei Pat. mit längeren oder gehäuften depressiven Episoden 9 und mehr Monate • solange fortsetzen bis Residualsymptome abgeklungen sind 01.09.2021 Sabine Iseli 70
Erhaltungstherapie II • Auswahl Medikamente orientiert sich an Akuttherapie • Empfehlung Dosis , auf der Pat. angesprochen hat, beizubehalten • Langsames Ausschleichen der antidepressiven Med. • Bei Frühzeichen depressiver Symptomatik Behandlung vor Absetzversuch in ursprüngl. Dosis für mindestens 6 Monate beibehalten • Bei Lithium-Augmentation in Akutphase Kombination wirksamer als Monotherapie 01.09.2021 Sabine Iseli 71
Rezidivprophylaxe Definition Rezidiv: Depressive Symptome treten nach einer vollständig symptomfreien Periode von mindestens 6 Monaten (Remission) wieder auf 01.09.2021 Sabine Iseli 72
Einschätzung Rückfallrisiko SMF 2016; 16(36), Tab. 1
Durchführung Rezidivprophylaxe I Medikamente erster Wahl: AD, mit dem Remission erreicht wurde (Dosis unverändert belassen) Lithium: • senkt Suizidrisiko und scheint Mortalität von Depressionen zu normalisieren • Carbamazepin bei Lithium-Unverträglichkeit erwägen (Level C) 01.09.2021 Sabine Iseli 74
Durchführung Rezidivprophylaxe II Lithium-Spiegelbestimmungen 3-4 mal pro Jahr bzw. häufiger bei Veränderung Schilddrüsen- und Nierenfunktion sowie i.R. körperlicher Erkrankungen (z.B. akute Diarrhoe) und Medikamenteninteraktionen 01.09.2021 Sabine Iseli 75
Symptomverschlechterung und Rezidiv Frühintervention kann Episodenlänge verkürzen Mögliche Massnahmen zur Behandlungsoptimierung: • Erhöhung Serumspiegels in oberen Bereich therapeutischen Fenster • Add-on-Therapie mit Lithium • Monotherapie Quetiapin • Kombination Lithium und Carbamazepin • Kombination zweier AD verschiedener Klassen • EKT 01.09.2021 Sabine Iseli 76
Rezidiv während der Rückfallprophylaxe SMF 2016; 16(36), Abb. 2
Dauer und Ende Rezidivprophylaxe I Wenn 2 oder mehr depressive Episoden: → mindestens 2 Jahre in unveränderter Dosis Wenn aktueller Episode in letzten 5 Jahren eine andere Episode voranging oder wenn Remission nur schwer zu erreichen war → mindestens 3 Jahre Wenn 2 oder 3 Absetzversuche eine weitere Episode innert 1 Jahres zur Folge hatten →mindestens 5 Jahre 01.09.2021 Sabine Iseli 78
Dauer und Ende Rezidivprophylaxe II AD immer langsam ausschleichen: über 4-6 Monate ansonsten Rezidivrisiko erhöht Absetzsymptome SSRI/SNRI: Schwindel, Ataxie, gastrointestinale und grippeähnliche Symptome, Schlafstörungen 01.09.2021 Sabine Iseli 79
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