Frauen suchen Hilfe - Männer sterben! Ist die Depression wirklich weiblich?
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Neuropsychiatrie, Band 22, Nr. 1/2008, S. 43–48 Kritisches Essay Critical Frauen suchen Hilfe – Männer sterben! Essay Ist die Depression wirklich weiblich? Armand Hausmann1, Wolfgang Rutz2 und Ullrich Meise1 1 Universitätsklinik für Psychiatrie, Medizinische Universität Innsbruck 2 Unit for Psychiatry and Health Promotion, Academic University Hospital, Uppsala Schlüsselwörter pischer als die klassische depressive Psychische Erkrankungen werden Männliche Depression – Affektive Störun Symptomatik. Es wird postuliert, dass zunehmend als ein schwerwiegendes gen – geschlechtsspezifische Symptome sich diese Depression bei Männern Problem und als Krankheit anerkannt; – Suizid hinter Aggressivität, Irritabilität sowie die psychische Gesundheit der EU- Sucht- und Risikoverhalten verbirgt Bevölkerung wird als stark verbesse- und somit häufig zu Fehldiagnosen rungsbedürftig angesehen [27, 28]: Key words: führt. Die Erstellung einer validierten • Psychische Erkrankungen be male depression – affective disorders Rating Skala zur besseren Erfassung treffen jeden vierten Bürger. Mehr – genderspecific symptoms – suicide dieser männlichen depressiven Psycho noch leiden an Störungen der pathologie, sowie die Peer-Edukation psychischen Gesundheit. Sie alle von Ärzten sind zu fordern. können zu Suizid führen, der in Europa nach wie vor vielen Men- Frauen suchen Hilfe – Männer schen das Leben kostet. sterben! Ist die Depression wirk- Women seek for help - Men die! Is • Psychische Erkrankungen verur lich weiblich? depression really a female disease? sachen erhebliche Kosten und Bei Frauen wird zumindest dop- Prevalence rates of depression in belasten das Wirtschafts-, Sozi- pelt so häufig eine depressive Stö- females are about two to three times al- und Bildungssystem sowie das rung diagnostiziert als bei Männern. higher as compared to men. Biological Justizsystem. Biologische Faktoren könnten für evidence seems to support these data. • Nach wie vor kommt es zu Stig- diesen Geschlechtsunterschied ver Genderspecific suiciderates, closely matisierung, Diskriminierung und antwortlich gemacht werden. Doch linked to depressive illness, however Mißachtung der Menschenrechte die mit affektiven Störungen eng in raise doubts about the genderspecific und der Menschenwürde von psy- Zusammenhang stehenden Suizidra- epidemiological data of depression chisch Kranken. Dies stellt euro- ten weisen auch auf andere Ursachen as males commit suicide three to päische Grundwerte in Frage. hin. Suizide sind in unserem Kultur- ten times more often than females. kreis bei Männern drei- bis zehn Mal The sociomedical concept of “male Die treibende Kraft hinter diesen eu- häufiger zu beobachten auf als bei depression” delivers an explanation. ropäischen Aktivitäten ist, neben der Frauen, wobei besonders jüngere und A gender bias in diagnose as well Bedeutung, die seit einiger Zeit dem ältere Männer betroffen sind. Das so- as a reduced male helpseeking „Sozialen Kapital“ zuerkannt wird, ziomedizinische Konzept der „Male behavior and dysfuntional stress die Erkenntnis, dass psychische Stö- Depression“ bietet eine Erklärung coping in males might be reasons rungen nicht nur die Kranken und ihre für diese Diskordanz. Es werden da- for the reported low prevalence-rates Angehörigen, sondern die gesamte bei eine mangelnde Hilfesuche von of depression in males. Depression Gesellschaft auch in materieller Hin- Männern, eine dysfunktionale Stress- might hide behind addictive- and sicht erheblich belasten und zu gesell- verarbeitung sowie ein „gender bias“ risk-behavior as well as irritability. schaftlichen Dysfunktion führen [45, in der Diagnostik der Depression ver- As these symptoms differ from the 51, 57]. Zudem wird prognostiziert, antwortlich gemacht. Die männliche classic depressive symptoms they dass diese Belastungen innerhalb Depression äußert sich nach diesem might not be detected and identified der nächsten zwei Jahrzehnte zuneh- Konzept klinisch anders und unty- as such. Validated rating scales which men werden. Auch bezüglich ihrer specifically assess male symptoms of "Krankheitslast" werden psychische depression, as well as peer-education Erkrankungen sich den Herz-Kreis- © 2008 programs for colleagues might change lauf-Erkrankungen angleichen; so Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle ISSN 0948-6259 current depression rates in males. wird angenommen, dass bis zum Jahr
Hausmann, Rutz, Meise 44 2010 depressive Störungen weltweit halb so oft medizinische Leistungen Effekt. Ein weiteres elektrophysi- die zweithäufigste Ursache für eine in Anspruch, sterben aber zwischen 5 ologisches Phänomen, die Krampf- Erkrankung sein werden. Die Suizi- (in der EU) und 15 Jahre ( in der Rus- schwelle, ist geschlechtsspezifisch, dalität ist dabei ein wichtiger Indika- sischen Föderation) früher als Frauen. und liegt bei Männern höher als bei tor für den psychischen Gesundheits- Zum anderen versterben Männer 3 Frauen [26]. Da neuere Konzepte zustand der Bevölkerung. In diesem – 10 mal häufiger an einem Suizid als affektiver Störungen von dysfunk- Kontext bezog der EU-Kommissar Frauen. Obwohl bekanntlich 70 – 90 tionalen plastischen Veränderungen Markos Kyprianou 2006 eindeutig % der Suizide im Gefolge depressiver ausgehen, könnten diese hormonellen Stellung: „Psychische Erkrankungen Störungen begangen werden, wird im Einflüsse zur erhöhten Vulnerabilität können genauso tödlich sein wie kör- Vergleich zu Frauen bei Männern von Frauen im Vergleich zu Männern perliche, zum Beispiel wie Krebs. eine Depression nur halb so häufig beitragen [56]. Aber auch eine ge- Jedes Jahr sterben mehr Europäer diagnostiziert . schlechtsspezifisch unterschiedliche durch Selbsttötung als durch Autoun- Ausstattung der mit der Depression fälle oder Mord. Dennoch widmet kausal in Zusammenhang gebrachten man der psychischen Gesundheit Monoamine könnten eine Rolle spie- erstaunlich wenig Aufmerksamkeit Ist die Depression weib len. Verschiedene Untersuchungen – man könnte sagen, dass psychische lich? haben beispielsweise gezeigt, dass Erkrankungen Europas unsichtbare es keinen geschlechtsspezifischen Todesursachen sind. Ich bin fest ent- Die Depression ist weiblich! Zu die- Unterschied für das Serotoninsy- schlossen dies zu ändern.“ sem Schluss könnte man zumindest stem gibt. Allerdings haben Män- kommen wenn man epidemiologische ner im Vergleich zu Frauen weniger Eine der Strategien für die europä- Daten zur Prävalenz der Depression hohe Monoaminooxidase-Konzen ische Gesundheitspolitik ist es, den betrachtet. Demnach weisen Frauen trationen. Dies könnte einen gewis- Zugang zu einer effizienten Primär- ein 2 bis 3 fach höheres Risiko auf, sen Schutz vor einem übermäßigen versorgung für psychische Gesund- im Verlauf ihres Lebens an einer De- Abbau biogener Amine, und infolge heitsprobleme zu schaffen. Dazu ist pression zu erkranken; mit Werten dessen von Depression, bei Männern es erforderlich, dass Hausärzte, die zwischen 4,1 und 21,3% für Frauen darstellen. auch für psychische Probleme zu- und zwischen 2,3 und 12,7% bei Soziologisch gesehen könnten die ge- meist die erste Anlaufstelle sind, hin- Männern [22]. Auch die Dysthymie schlechtsspezifischen Unterschiede sichtlich dem Erkennen und der Be- ist demnach lebenszeitlich häufiger durch Mangel an sozialem Rückhalt handlung psychischer Erkrankungen bei Frauen als bei Männern anzutref- bei Frauen, welche diesbezüglich vul- die entsprechenden Kompetenzen fen (Männer zu Frauen 0,8 zu 4,8%). nerabler scheinen, bedingt sein [21]. aufweisen. Durch die„Gotland-Stu- Dieser Geschlechtsunterschied läßt Eine niedrige Prävalenz depressiver die“ [42,43] sowie die Aktivitäten sich erstmals in der Pubertät nach- Störungen bei Männern kann aller der EAAD (Europäische Allianz weisen [34], findet sich ausgeprägt dings auch als mangelndes Erkennen gegen Depression) [37] konnte ein zwischen dem 30 und 45 Lebensjahr depressiver Symptome bei Männern drucksvoll gezeigt werden, dass die und persistiert bis ins hohe Alter. interpretiert werden. Ein Hinweis Ausbildung niedergelassener Ärzte Einige neurobiologische Faktoren hierfür bietet die bei Männern mehr- hinsichtlich dem Erkennen und die unterstützen diese Unterschiede fach höhere Suizidrate als bei Frauen. Behandlung depressiver Erkran- zwischen den Geschlechtern. Sexual Geht man davon aus, dass Suizide kungen, zu einer Abnahme von Sui- hormone spielen aufgrund ihrer zumeist Folge einer psychischen ziden geführt hat. Überraschend war spezifischen Neuromodulation der Erkrankung sind [32] – auch wenn jedoch die Erkenntnis aus der „Got- Rezeptorbiologie eine wichtige Rol- man auch konzediert, dass Suizide land-Studie“, dass es durch diese le in der Entstehung depressiver Er- nicht ausschließlich im Rahmen von Aus- und Fortbildung zwar zu einer krankungen. Bei Frauen beeinflussen Depressionen, sondern auch bei Sub- signifikanten Reduktion von Suiziden Östrogen und Progesteron die korti- stanzmissbrauch und Schizophrenie bei Frauen kam, jedoch die Suizidrate kale Erregbarkeit. So konnte Smith zu finden sind – so sind Suizide bei der Männer nahezu unverändert blieb und Mitarbeiter [48] mittels paired Männern drei bis zehn mal häufiger [55], weswegen das Konzept eines pulse Transkranieller Magnetstimula- als bei Frauen anzutreffen [19, 24]. männerspezifischen depressiven Syn tion (ppTMS) zeigen, dass der weib- Obwohl etwa 70% der Suizide im droms verfolgt wurde. liche Zyklus, über Modulation von Gefolge depressiver Störungen be- Unsere Gesundheitsversorgung weist GABAα-Rezeptoren, Einfluss auf die gangen werden, wird im Vergleich zu heute zwei geschlechtsspezifische kortikale Erregung ausübt. Ihre Re- den Frauen bei Männern eine depres- Paradoxa auf: Zum einen nehmen sultate interpretierten die Autoren als sive Störung zumindest halb so oft Männer im Vergleich zu Frauen nur einen erregenden östrogenbedingten diagnostiziert.
Frauen suchen Hilfe – Männer sterben! Ist die Depression wirklich weiblich? 45 Junge Männer scheinen von Suzide Mit zunehmenden Schweregrad der in einer sich schnell verändernden besonders betroffen zu sein [23, 60, körperlichen Symptome werden die postindustriellen Gesellschaft nicht 61]; in dieser jüngeren Altersgruppe Unterschiede allerdings geringer [6]. mehr funktional, gleichzeitig stehen ist der Suizid – nach Unfällen – die Die Inanspruchnahme professioneller aber keine neuen männlichen Iden- zweithäufigste Todesursache. Ab dem Hilfe kann nur erfolgen, wenn vorher tifikationsschablonen zur Verfügung, 65 ten Lebensjahr steigt die männliche Symptome der Depression, wahrge- sodass die Folgen auf Grund männ- Suizidrate, im Vergleich zu jener bei nommen und erkannt wurden. Ge- liche Rollenkonflikte unausweich- Frauen, dramatisch an; dies bedeutet, schlechtsspezifische Unterschiede bei lich sind [29]. Männer reagieren auf dass im Alter in Österreich circa 180 diesem komplexen Prozess wurden Stress anders als Frauen [20]. Männer Suizide /100000 Männer vs. 20 Sui- berichtet. Empirische Studien zeigen, sind verletzlich gegenüber einer hie- zide /100.000 Frauen zu beobachten dass Männer weniger physische und rarchischen Degradierung während sind [54]. psychische Symptome berichten als Frauen auf Depravierung oder dem Für die Unterdiagnostizierung und Frauen. Sie berichten seltener über Verlust von familiärer Verbundenheit folglich Unterbehandlung depres- depressive Symptome und schätzen reagieren [36, 52]. Da Schwäche und siver Erkrankungen bei Männern ihren Gesundheitszustand grund- Hilfsbedürftigkeit als unmännlich gibt es für Möller-Leimkühler und sätzlich besser ein, als er tatsächlich gelten, wundert es nicht, dass Frauen Mitarbeiter [31] drei Gründe an. Es ist [9]. So könnte die fehlende Hil- über bessere Coping-Strategien bei sind dies mangelnde Hilfesuche von fesuche bei depressiver Erkrankung emotionalem Stress oder auch bei Männern, eine dysfunktionale Stress- als ein der subjektiven Sichtweise, Schmerz verfügen [18, 53]. verarbeitung und ein „gender bias“ in respektive alexithymen Nicht-Wahr- Dazu ein Beispiel, wie Verlust von der Diagnostik der Depression. nehmung der eigenen Befindlichkeit sozialer Identität und Zugehörig- entsprechendes Verhalten gedeutet keit, die Lockerung der sozialen Ko werden. häsion, das Zusammenbrechen von Hilfesuchen widerspricht dem Wertordnung oder Bedingungen, die Mangelnde Hilfesuche männlichen Stereotyp und sogar das Hilfs- und Hoffnungslosigkeit för- Wahrnehmen von Hilfsbedürftigkeit dern, sich auf die Männergesundheit Hinsichtlich der geschlechtsspezi dürfte gegen diese männliche Verhal auswirken können. Nach dem Zusam- fischen Aspekte, die künftig ent tensschablone verstoßen. Hilfesuche menbrechen der Sowjetunion sank sprechend der im Jahre 2005 in käme einem Statusverlust und einer in den Transformationsländern die Helsinki erstellten Richtlinien [62] Identitätsbeschädigung gleich, weil durchschnittliche Lebenserwartung stärker berücksichtigt werden sollten, diese mit Inkompetenz, Abhängig- drastisch: Es kam zu einem massiven findet sich, dass Männer im Vergleich keit, Aufgabe von Autonomie und Anstieg von Todesfällen aufgrund zu Frauen nur halb so häufig medizi- Selbstkontrolle in Verbindung ge von Suiziden, von Gewaltexzessen, nische Leistungen in Anspruch, dass bracht wird. Eine niedrige Rate dia- von Unfällen und von kriminellen sie aber zwischen 5 (in der EU) und gnostizierter Depressionen geht mit Verhaltensweisen. Ebenso stieg die 15 Jahre (in der Russischen Födera- hoher Suizidrate – und vice versa Mortalität durch Herz-Kreislauf-Er- tion) früher als Frauen sterben. Zum – einher [5, 38]. Dies bedeutet, dass krankungen deutlich an. Betroffen anderen versterben Männer – wie Verbesserungen im Erkennen depres- war vorzüglich die männliche Bevöl- schon ausgeführt – 3 bis 10-mal häu- siver Störungen durch z.B. Antistig- kerung [16, 47]. figer an einem Suizid als Frauen, was ma- und Awareness-Programme oder Für die erhöhte Morbidität und ver- auch für die Übersterblichkeit der durch Ausbildung von Schlüsselper- frühte Mortalität werden besonders Männer verantwortlich ist [33, 46]. sonen – wie Ärzten – mit höheren psychische Erkrankungen wie depres- Die mangelnde Hilfesuche von Män Behandlungs- und gesenkter Suizid sive Syndrome und Angststörungen nern scheint auf dem männlichen raten einhergehen. verantwortlich gemacht, die häufig Rollenverständnis zu fußen. Ge auch mit Substanzmissbrauch und schlechterstereotype sind sehr ver Suizidhandlungen vergesellschaftet änderungsresistent und so müssen sind. Im genannten Zeitraum erhöhte deren Effekte, trotz dem Rollenwan- Dysfunktionale Stressver sich die Prävalenz des Alkoholismus del der heute bei Männern zu beo- arbeitung um das Vierfache; ebenso stieg die bachten ist, als normativ bezeichnet Bereitschaft zu hochriskanten Ver- werden. Inanspruchnahmedaten aus Es scheinen gerade die zuvor genann- haltensweisen dramatisch an; auch Allgemeinarztpraxen stellen bei aku- ten Einstellungen zu sein, die Männer psychosomatische Erkrankungen nah ten Symptomen Geschlechterunter für die Entstehung von Depressionen men deutlich zu. schiede im Hilfesuchverhalten von vulnerabel machen. Das traditio- Psychische und psychosoziale Fak 1:2 zu Ungunsten der Männer fest. nelle Konstrukt der Männlichkeit ist toren bestimmen erheblich die Ge-
Hausmann, Rutz, Meise 46 sundheit des Menschen. Die For- in der die Pseudo-Copingstrategien Abgrenzungsprobleme gegenüber an- schungsergebnisse zur Salutogenese wie Alkoholismus sozial nicht akzep- deren Konzepten dar. So sind Über- oder zum Recovery und der Resilienz tiert sind, bestehen zwischen Männer lappungen zum Konzept Winokurs zu belegen besonders die gesundheits- und Frauen keine Unterschiede hin- sehen, bei dem die unipolare Depres- fördernde Bedeutung des "Kohä- sichtlich der Depressionsrate [25]. sion, Alkoholismus und antisoziale renzsinnes"; also der Fähigkeit des In der „Gotland-Studie“ [42, 43, 44, Persönlichkeitsstörung zu einer De- Einzelnen, über sein Leben selbst be- 46] – die u.a. als das Modell für das pression-Spektrum-Diagnose zusam- stimmen zu können, ihm einen Sinn EU-Projekt EAAD (Europäische Al- menführt wurden. Auch finden sich zu geben und Sinn zu stiften und Be- lianz gegen Depression) angesehen symptomatische Überlappungen mit lastungen entsprechend bewältigen werden kann [37] – konnte u.a. ein- dem Konzept des „Bipolaren Spek- zu können [50]. drucksvoll gezeigt werden, dass die trum“ von Akiskal und Pinto [1]. Bi- Qualifizierung niedergelassener Ärzte polare Erkrankungen sind hoch rezi- hinsichtlich Diagnose und Therapie divierende, unterdiagnostizierte und depressiver Erkrankungen, zu einer unterbehandelte Erkrankungen, die Nicht erfasste depressive Abnahme von Indikatoren führt , die derzeit im Fokus wissenschaftlichen Symptome bei Männern mit diesen Störungen assoziiert sind. Interesses sind [12, 49] Das „Bipo- Überraschend war jedoch, dass es im lare Spektrum“ ist beispielsweise Die traditionelle männliche Ge Gefolge dieser Aktivitäten zwar zu ei- durch die Irritabilität als Hauptsym- schlechtsrolle kann durch Eigen ner 90%igen Reduktion von Suiziden ptom der gemischten Episode gege- schaften charakterisiert werden wie bei Frauen kam, jedoch die Suizidrate ben. Da Irritabilität doppelt so häufig Macht und Dominanzbestreben, der Männer nahezu unverändert blieb in der bipolaren Depression als bei Aggressivität, Unabhängigkeit, [35,55]. Ergebnisse von psycholo- der unipolaren vorkommt und bei Leistungsorientierung, Rationalität, gischen Autopsien der männlichen der bipolaren Störung und beson- Kontrolle und Unverletzbarkeit. Zu Suizidopfer führten zur Annahme, ders bei gemischten Episoden [4] im diesem männlichen Stereotyp gehört dass dafür ein männerspezifisches Vergleich zur unipolaren Depressi- es auch, Gefahren zu meistern und depressives Syndrom verantwortlich on das Suizidrisiko höher ist, würde die damit verbundenen Ängste und ist. Mit dem Konzept der „Male De- dies einen Zusammenhang zwischen Leiden nicht wahrzunehmen. Wäh- pression“ vertreten die Autoren die der „Male Depression“ und dem Bi- rend negative Befindlichkeit und Ansicht, dass übliche durch Depres- polarem Spektrum nahe legen. Die Krankheiten, sowie die klassischen sionsinventare gut abbildbare depres- Bipolare Erkrankung geht außerdem Symptome der Depression wie Ge- sive Symptome durch geschlechtsty- überzufällig häufig mit komorbider drücktheit, Klagsamkeit, Anhedonie, pische aber depressionsuntypische Alkohol- und/oder Substanzabhän- Antriebsverlust und deren metapho- Symptome wie Aggressivität, Irritabi- gigkeit einher [13]. Auch diese Tat- rische Überfrachtung wie Schwä- lität sowie Risiko- und Suchtverhal- sache könnte für die Zugehörigkeit che, Hilfsbedürftigkeit als eher dem ten überlagert werden, was zu Fehldi- zum Bipolaren Spektrum sprechen. weiblichen Geschlecht zugehörig und agnosen wie Alkoholmissbrauch oder Zusätzliche Konfusion wird durch die dementsprechend als unmännlich gel- Persönlichkeitsstörung führen kann. Rekonzeptionalisierung der agitierten ten, werden Aggressivität, Ärger und Das Konzept der „Male Depressi- unipolaren Depression als gemischte Feindseligkeit als sozial akzeptierte on“, einer genderspezifischen Psycho Episode geschaffen [2]. Kodierung von männlicher Emotio- pathologie, konnte auch empirisch Aus dieser diagnostischen Unsicher nalität gesehen [53, 58]. Da Männer belegt werden. In klinischen Samples heit heraus stellt sich natürlich auch Hilfsbedürftigkeit eher ablehnen, leh- von unipolar Depressiven, fanden die Frage nach der pharmakolo- nen sie auch die Einnahme von Psy- sich bei Männern Ärgerattacken, [59] gischen Therapie dieser Form der chopharmaka ab und bevorzugen als Feindseligkeit [8], gesteigerter Alko- Depression. Da Antidepressiva im Eigenmedikation Alkohol [41], oder holkonsum [3] sowie eine Kombinati- Verdacht stehen Kippphänomene zu stürzen sich in Arbeit; beides gesell- on aus Irritabilität, Aggressivität und induzieren respektiv die Irritabilität schaftlich positiv sanktionierte und antisozialem Verhalten [30, 64]. Im zu erhöhen [14] stellt sich die Fra- der Geschlechterrolle entsprechende Vergleich zu Frauen kompensieren ge nach der adäquaten Therapie der kompatible Alternativen mit momen- Männer ihre depressive Krise öfters „Male Depression“. Sollten nicht taner antidepressivem aber auf Dauer mit Suchtverhalten, sei dies durch zusammen mit Antidepressiva ein depressionsaggravierendem Effekt. exzessiven Alkoholabusus und Dro- Antimanikum implementiert wer- Als letzter Akt der Autonomie und gen oder durch Workoholismus und den? Wäre es nicht angezeigt bei der Selbstkontrolle wird auch der Suizid Spielsucht [7]. leichten bis mittelgradigen Depressi- angesehen. In Gesellschaften, wie Allerdings stellen sich bei diesem on gleich alternative Medikamente, zum Beispiel der orthodox jüdischen, Konzept der männlichen Depression wie Atypika oder Antiepileptika zu
Frauen suchen Hilfe – Männer sterben! Ist die Depression wirklich weiblich? 47 verwenden [10,14]? So könnte man [3] Angst J., Gamma A., Gastpar M., Lépine in Jämtland county, Sweden, after a pri- J.P., Mendlewicz J., Tylee A.: Depres- mary care educational programme on the die potentiellen affektiven Neben sion Research in European Society treatment of depression. Acta Psychiatr wirkungen von Antidepressiva verhin Study. Gender differences in depression. Scand 114(3):159-167 (2006). dern und gleichzeitig eine adäquate Epidemiological findings from the Euro- [16] Hinterhuber H., Rutz W., Meise U.: Psy- Therapie bei komorbider Sucht/Al- pean DEPRES I and II studies. Eur Arch chische Gesundheit und Gesellschaft. koholismus sichern. Psychiatry Clin Neurosci 252(5):201- Neuropsychiatr 21(3):180-186 (2007). 209 (2002). 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