Der Einsatz gestufter Lernhilfen als Unterstützung für Lernende im Kontext des biologischen Experimentierens
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– Originalbeitrag – Der Einsatz gestufter Lernhilfen als Unterstützung für Lernende im Kontext des biologischen Experimentierens Einfluss auf die Schüler*innen-Motivation im Naturwissenschafts- und Mathematikunterricht Svea Isabel Kleinert1, Kris-Stephen Besa2 und Matthias Wilde1 1 Universität Bielefeld, Biologiedidaktik (Zoologie & Humanbiologie) 2 Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung ZUSAMMENFASSUNG Experimentieren im Biologieunterricht als komplexer Problemlöseprozess könnte durch den Einsatz gestufter Lernhilfen ge- fördert werden. Aus lernpsychologischer Sicht unterstützen diese binnendifferenzierenden und selbstständigkeitsfördernden Instrumente die Kompetenzwahrnehmung von Schüler*innen. Gleichzeitig könnte dem Motivations- und Interessenabfall in den Naturwissenschaften begegnet werden. Vor dem Hintergrund fehlender mathematischer Kompetenzen bei der Auswertung eines Experimentes könnten zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikunterricht implementiert werden. Diese instruktio- nalen Unterstützungen könnten gleichzeitig einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Kompetenz und die intrinsische Motivation der Lernenden entfalten. Die vorliegende Studie untersuchte daher den Einfluss gestufter Lernhilfen während der Auswertung eines Experimentes im Biologieunterricht sowie im Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema Lineare Funkti- onen im Mathematikunterricht auf die Kompetenzwahrnehmung und die intrinsische Motivation der Schüler*innen. Hierzu wurden 75 Lernende einer Versuchsschule (55,2 % weiblich; MAlter = 16.5 Jahre, SDAlter = 0.80 Jahre) in einer Unterrichtseinheit zum Thema Osmose im Naturwissenschaftsunterricht sowie zum Thema Lineare Funktionen im Fach Mathematik unterrichtet und Daten zur Kompetenzwahrnehmung und weitere Daten zur intrinsischen Motivation erhoben. Mithilfe von univariaten Kovarianzanalysen wurden für den Naturwissenschafts- und Mathematikunterricht deutliche deskriptive bzw. signifikante Un- terschiede in der wahrgenommenen Kompetenz, zugunsten der Lernenden, die beim biologischen Experimentieren gestufte Lernhilfen nutzten, gefunden; tendenziell signifikante Unterschiede in der intrinsischen Motivation konnten nur für das biolo- gische Experimentieren berichtet werden. Der zusätzliche Einsatz gestufter Lernhilfen im Mathematikunterricht konnte keine Hinweise auf eine erhöhte Motivation der Lernenden hervorbringen. Schlüsselwörter: Gestufte Lernhilfen, Experimentieren, Mathematik, Intrinsische Motivation, Kompetenzwahrnehmung 1
– Original Paper – The use of incremental scaffolds as support for learners in the context of experimenting in biology Influence on students’ intrinsic motivation in science and math classes Svea Isabel Kleinert1, Kris-Stephen Besa2 und Matthias Wilde1 1 Universität Bielefeld, Biologiedidaktik (Zoologie & Humanbiologie) 2 Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung Abstract Experimenting in biology classes as a complex problem-solving process could require the use of incremental scaffolds. From the perspective of educational psychology, these internal differentiating and independence-promoting instruments could sup- port the students’ perception of competence. The decline in motivation and interest in science could also be countered. Against the background of a lack of mathematical skills when evaluating an experiment, additional incremental scaffolds could be implemented in mathematic lessons. These supportive instruments could also have a positive impact on the learners’ perceived competence and intrinsic motivation. The present study therefore examines the influence of incremental scaffolds during ex- perimentation in biology lessons as well as during a teaching unit on the subject of linear functions in mathematics lessons on the perception of competence and the intrinsic motivation of the students. For this, 75 students (55,2 % female; Mage = 16.5 years, SDage = 0.80 years) were taught osmosis and linear functions during teaching units in science and mathematics. Data about the competence perception and intrinsic motivation were collected. Regarding science and mathematics lessons, univari- ate covariance analyses revealed descriptive and significant differences in perceived competence, in favor of the students, who used incremental scaffolds in biological experimentation. Significant differences in the intrinsic motivation could only be re- ported during the experiment in biology class. The additional use of incremental scaffolds in math lessons could not indicate any increased learners’ motivation. Key words: incremental scaffolds, experimenting, mathematics, intrinsic motivation, perceived competence 2
Kleinert et al. (2022) 1 Einleitung 2 Theoretischer Hintergrund Die jüngsten PISA-Studien beschreiben einen Interes- 2.1 Der schmale Grat angemessener Strukturierung sen- und Motivationsabfall von Schüler*innen in des Experimentierens im Biologieunterricht Deutschland in den Fächern Naturwissenschaften und Kompetenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisge- Mathematik (Schiepe-Tiska, Rönnebeck & Neumann, 2019; Schiepe-Tiska, Rönnebeck et al., 2016; Schiepe- winnung stellen einen wesentlichen Teil naturwissen- Tiska et al., 2013). Zur Motivations- und Interessenför- schaftlicher Grundbildung (Scientific Literacy) dar derung im Naturwissenschaftsunterricht fordern (Mayer, 2018). Das biologische Experiment als fachge- Schiepe-Tiska, Simm und Schmidtner (2016) und mäße Arbeitsweise in der naturwissenschaftlichen Er- Schiepe-Tiska et al. (2019) eine Integration von Expe- kenntnisgewinnung kann als komplexer Problemlö- rimenten sowie eine damit einhergehende veränderte seprozess beschrieben werden und folgt einer hypothe- Aufgabenkultur. So könnten strukturierte Experimen- tisch-deduktiven Erkenntnislogik (Abd-El-Khalick et tierprozesse aus lernpsychologischer Sicht zu einem ef- al., 2004; Popper, 1984). Der Grad der Strukturierung fektiven Lernprozess sowie einer Motivationsförderung komplexer Experimente im Biologieunterricht spielt beitragen (Kirschner, Sweller & Clark, 2006). Eine in- hierbei eine wesentliche Rolle. Zur Entwicklung eines struktionale Unterstützung und Strukturierung des bio- Verständnisses der naturwissenschaftlichen Erkennt- logischen Experimentierprozesses könnte der Einsatz nisgewinnung sollten offene Experimentieraufgaben im gestufter Lernhilfen gewährleisten. Diese könnten den Biologieunterricht implementiert werden (Mayer, Schwierigkeiten der Schüler*innen bezüglich der Bear- 2018). Jedoch wiesen zahlreiche Untersuchungen Schü- beitung von offenen biologischen Experimentieraufga- ler*innen Schwierigkeiten beim offenen Experimentie- ben (Hammann & Prenzel, 2008) durch ihren binnen- ren nach (Arnold, Kremer & Mayer, 2013, 2014; differenzierenden Charakter entgegenwirken (Hänze, Schiepe-Tiska, Rönnebeck et al., 2016). Neben den ex- Schmidt-Weigand & Stäudel, 2010). Vor dem Hinter- grund der heterogenen Schülerschaft in der Eingangs- perimentellen Teilkompetenzen des Aufstellens von phase einer Versuchsschule spielen diese binnendiffe- Hypothesen sowie dem Planen und Durchführen von renzierenden Maßnahmen eine bedeutende Rolle Experimenten bereiten Lernenden insbesondere die Da- (Hahn, Stiller, Stockey & Wilde, 2013). Darüber hinaus tenauswertung und -interpretation Schwierigkeiten wiesen Studien Schüler*innen fehlende mathematische (Arnold et al., 2014; de Jong & van Joolingen 1998; Kompetenzen zur Auswertung von naturwissenschaftli- Germann, Aram & Bruke, 1996). Während den Schü- chen Experimenten nach (Wellnitz & Mayer, 2013). ler*innen mathematische Kompetenzen zur Auswer- Um dieser Problemstellung zu begegnen, könnte auch tung der Experimente im Biologieunterricht fehlen im Mathematikunterricht auf entsprechende gestufte (Wellnitz & Mayer, 2013), weisen sie weiterhin Defi- Lernhilfen zurückgegriffen werden (Labudde, 2014), zite in der Erklärung experimenteller Ergebnisse auf um so die mathematischen Erfordernisse besser bereit- (Germann et al., 1996). Im Hinblick auf die fehlenden zustellen. Auf diese Weise könnte gleichzeitig zu einer mathematischen Kompetenzen der Schüler*innen, die verbesserten Anwendungsorientierung des Mathema- auch die jüngsten PISA-Studien beschreiben, schlagen tikunterrichtes beigetragen werden. In den jüngsten Schiepe-Tiska et al. (2013) authentische Aufgabenkon- PISA-Studien wurde für Mathematikunterricht die Re- texte vor. Durch fächerübergreifende Konzeptionen levanz mathematischer Kompetenzen betont und der In- zwischen Naturwissenschafts- und Mathematikunter- teressen- und Motivationsförderung eine wesentliche richt könnten eine solche Anwendungsorientierung so- Rolle zugeschrieben (Schiepe-Tiska et al., 2013). Ziel der vorliegenden Studie ist demnach die Untersu- wie die Relevanz mathematischer Fachinhalte verdeut- chung des Einflusses gestufter Lernhilfen während der licht werden (Labudde, 2014; Schiepe-Tiska et al., Auswertung eines biologischen Experimentes sowie im 2013). Solche authentischen Lernkontexte könnten bio- Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema Lineare logische Experimente liefern (Gropengießer, 2018). Funktionen im Mathematikunterricht auf die Motiva- Mathematische Fachinhalte könnten in die Auswertung tion der Schüler*innen. dieser Experimente im Biologieunterricht eingebettet werden. Durch diese Kontextualisierung des erworbe- nen Wissens können die lebensweltliche Relevanz so- wie der Nutzen der Anwendung der Inhalte sichtbar werden; einem ausschließlichen Denken in schulischen Fächergrenzen wird entgegengewirkt (Labudde, 2014). ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 3 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Lernende könnten dadurch ihre Alltagswirklichkeit bes- diese Weise werden das eigenständigen Denken und ser verstehen und sich damit wirksamer und kompeten- Handeln der Lernenden gefördert. Nach einer selbst- ter fühlen (Ryan & Deci, 2017). Walker (2017) stellte ständigen (Teil-)Aufgabenbearbeitung können die in einer Untersuchung zu den angelsächsischen STEM- Schüler*innen eine Musterlösung für die (Teil-)Auf- Konzepten (Kelley & Knowles, 2016) heraus, dass gabe erhalten. Die Denk- und Handlungsimpluse bein- durch die authentischen Kontexte verbesserte Lerner- halten hierbei Strategien des Lernens und Problemlö- gebnisse der Lernenden erzielt wurden. sens, u.a. Paraphrasieren, Elaborieren von Unterzielen Neben den Schwierigkeiten der Lernenden im Hinblick und Aktivierung von Vorwissen (Schmidt-Weigand et auf experimentelle Teilkompetenzen weisen Lernende al., 2008). Defizite in der Verwendung adäquater Problemlösestra- Von der beschriebenen Abstufung der Lernhilfen profi- tegien für das eigenständige Experimentieren zu kom- tieren Schüler*innen unterschiedlicher Lernausgangs- plexen, lebensweltlich orientierten Problemstellungen lagen. Während diese für leistungsschwächere Ler- aus der Biologie auf (Kirschner et al., 2006). Studien nende das Abbrechen der Aufgabenbearbeitung bei zeigten in diesem Zusammenhang, dass offenes Experi- Frustrationserlebnissen reduzieren, erlauben sie leis- mentieren im Vergleich zu direkten Experimentieran- tungsstärkeren Lernenden zur Kontrolle den Abgleich leitungen zu einem erhöhten Cognitive Load bei Ler- mit den Musterlösungen (Hänze et al., 2010; Schmidt- nenden führen könnte und somit als wenig wirksam be- Weigand et al., 2008). Untersuchungen konnten in die- schrieben werden kann (Kirschner et al., 2006; Klahr & sem Zusammenhang bereits den binnendifferenzieren- Nigam, 2004). den Charakter der gestuften Lernhilfen im Biologie- Zur Gewährleistung des Aufbaus von Fachwissen wer- und Naturwissenschaftsunterricht verdeutlichen. So den Experimentieraufgaben aus diesem Grund häufig zeigten diese Studien, dass Schüler*innen unterschied- stark vorstrukturiert. Direkte Experimentierinstruktio- licher Lernausgangslagen von den gestuften Lernhilfen nen stehen jedoch im Widerspruch zu konstruktivisti- im Biologieunterricht im Hinblick auf ihren Wissenser- schen Ansätzen und mindern den authentischen Cha- werb profitieren können (Arnold et al., 2017; Groß- rakter des Experimentierens (Hmelo-Silver, Duncan & mann & Wilde, 2019; Stiller & Wilde, 2021). Chinn, 2007). Vor diesem Hintergrund könnten wäh- rend des biologischen Experimentierens Unterstüt- 2.3 Gestufte Lernhilfen und Motivation zungs- und Strukturierungsmaßnahmen erforderlich Studien wiesen für die Nutzung gestufter Lernhilfen ei- sein, um das Durchführen gewünschter komplexer na- nen positiven Einfluss auf die Motivation von Schü- turwissenschaftlicher Problemlöseprozesse zu gewähr- ler*innen in unterrichtlichen Lernumgebungen aus. leisten (Arnold, Kremer & Mayer, 2017; Blanchard et Hänze et al. (2010) führen dies auf den selbstständig- al., 2010; de Jong, 2019). keitsunterstützenden Charakter gestufter Lernhilfen zu- rück. 2.2 Die Gestaltung gestufter Lernhilfen Lernende, die während der gesamten Aufgabenbearbei- Um komplexe biologische Fragestellungen mit einer tung Schwierigkeiten aufweisen, können sich mithilfe heterogenen Lerngruppe bearbeiten zu können, bedarf der einzelnen Lernhilfen schrittweise zur Lösung der es Unterstützungs- und Strukturierungsmaßnahmen für Aufgaben führen lassen. Die Hinweise und Impulse der die Lernenden. Diese Maßnahmen könnten gestufte gestuften Lernhilfen gewährleisten hierbei die eigen- Lernhilfen darstellen. Sie bieten die Möglichkeit der in- ständige Aufgabenbearbeitung der Schüler*innen struktionalen Anleitung bei gleichzeitiger Förderung (Hänze et al., 2010). Zudem können einzelne Hinweise der Selbstständigkeit von Lernenden, um komplexe im Verlaufe der Aufgabenbearbeitung von Lernenden Aufgaben- und Problemstellungen zu bearbeiten genutzt werden, die bei entsprechenden Aufgabenteilen (Hänze et al., 2010). Eine komplexe Aufgabenstellung, Hilfe benötigen. Die weiteren Teilschritte der Gesamt- die mit gestuften Lernhilfen bearbeitet werden soll, aufgabe können die Schüler*innen wieder ohne Unter- sollte in Teilaufgaben untergliedert werden können. Ge- stützung der Hilfen bestreiten (Hänze et al., 2010). stufte Lernhilfen sind zweistufig aufgebaut. Die Unter- Schüler*innen, die den Lösungsweg vollständig alleine stützung zu jeder Teilaufgabe wird zunächst durch lern- meistern, können die Musterlösung der letzten Lern- strategische oder inhaltliche Hinweise gewährleistet hilfe mit ihrer eigenen Lösung abgleichen, um sich der (Schmidt-Weigand, Franke-Braun & Hänze, 2008). Auf richtigen Lösung zu versichern (Hänze et al., 2010). ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 4 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Dies kann in einer Förderung des Kompetenz- und Au- et al., 2016; Schiepe-Tiska & Schmidtner, 2013). Der tonomieerlebens resultieren (Hänze et al., 2010). Ge- mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht sollte mäß der Selbstbestimmungstheorie der Motivation demnach die Motivation und das Interesse der Lernen- (SBT) nach Ryan und Deci (2017) können Kompetenz den besser fördern. Das Experimentieren kann zu dieser und Autonomie neben sozialer Eingebundenheit als an- Interessen- und Motivationsförderung beitragen geborene psychologische Grundbedürfnisse beschrie- (Schiepe-Tiska et al., 2019). Experimentieren im Biolo- ben werden. Das Bedürfnis nach Kompetenz umfasst gieunterricht als komplexer Problemlöseprozess könnte den Wunsch der Wahrnehmung eigener Handlungsfä- den Einsatz binnendifferenzierender Maßnahmen erfor- higkeit und -effektivität sowie der Erweiterung der ei- dern. Zur instruktionalen Unterstützung im Experimen- genen Fähigkeiten (Ryan & Deci, 2017). Bezüglich des tierprozess können die beschriebenen gestuften Lernhil- Grundbedürfnisses nach Autonomie unterscheidet fen eingesetzt werden. Gestufte Lernhilfen als binnen- Reeve (2002) drei unterschiedliche Qualitäten: Wahl- differenzierende Maßnahme könnten von Lernenden möglichkeiten (choice), Volition (volition) und den Ort auf unterschiedliche Art und Weise genutzt werden der Handlungsverursachung (locus of causility). Das (Hänze et al., 2010). Dieser Bedarfscharakter spielt ins- Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit kann durch besondere für eine leistungsheterogene Schülerschaft den Wunsch nach Interaktion mit bedeutsamen Indivi- eine Rolle. Durch das selbstständige Experimentieren duen sowie nach sozialer Gemeinschaft definiert wer- können Autonomie und wahrgenommene Kompetenz den (Ryan & Deci, 2017). Die Befriedigung dieser der Lernenden gefördert werden (Hänze et al., 2010), Grundbedürfnisse weist einen Einfluss auf die intrinsi- die einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation ha- sche Motivationsqualität von Lernenden auf, die unmit- ben können (Ryan & Deci, 2017). Die erste Hypothese telbar mit der Ausbildung der Lernmotivation eingeher- lautet: geht (Ryan & Deci, 2017). Im Rahmen einer explorati- ven Untersuchung bestätigten Stäudel, Franke-Braun H1: Schüler*innen, die während der Auswertung eines und Schmidt-Weigand (2007) diese Befunde. Schmidt- biologischen Experimentes gestufte Lernhilfen verwen- Borcherding, Hänze, Wodzinski und Rincke (2013) den, weisen eine höhere Kompetenzwahrnehmung und verglichen den Einsatz gestufter Lernhilfen mit der Nut- selbstberichtete intrinsische Motivation in den Unter- zung eines Versuchsskriptes sowie einer offenen Expe- richtseinheiten im Naturwissenschafts- (H1a) und im rimentieranleitung. Die Ergebnisse zeigten höhere Aus- Mathematikunterricht (H1b) auf, als Schüler*innen, die prägungen intrinsischer Motivation der Lernenden, die nicht auf gestufte Lernhilfen zurückgreifen können. während des Experimentierprozesses die instruktiona- len Hilfestellungen der gestuften Lernhilfen nutzten Zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikunter- (Schmidt-Borcherding et al., 2013). Eine ähnliche Stu- richt könnten der Lösung mathematischer „Stolper- die von Schmidt-Weigand, Hänze und Wodzinski steine“ (vgl. Wellnitz & Mayer, 2013) bei dem biologi- (2009) bestätigte diese Erkenntnisse. schen Experiment zuträglich sein. Die Lernenden könn- ten sich dadurch v.a. bei der Auswertung des Experi- Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung des ments kompetenter wahrnehmen, weil ihnen die mathe- Einflusses gestufter Lernhilfen als Mittel der Bin- matischen Operationen präsenter sein könnten. Das nendifferenzierung während des biologischen Experi- könnte ihrer Motivationsqualität in dem Naturwissen- mentierens im Naturwissenschaftsunterricht sowie ei- schaftskurs zuträglich sein (Ryan & Deci, 2017). Durch nes zusätzlichen Einsatzes gestufter Lernhilfen im Ma- den instruktional unterstützenden Charakter der gestuf- thematikunterricht auf die Motivation der heterogenen ten Lernhilfen könnten sich die Lernenden auch im Ma- Schülerschaft der Versuchsschule. thematikunterricht kompetenter wahrnehmen (Hänze et al., 2010). Die Motivation der Lernenden im Fach Ma- thematik könnte dadurch ebenfalls gefördert werden 3 Fragestellung und Hypothesen (Ryan & Deci, 2017). Die zweite Hypothese lautet: Laut jüngsten PISA-Studien zeigen deutsche Schü- H2: Schüler*innen, die während der Auswertung eines ler*innen ein eher unterdurchschnittlich ausgeprägtes biologischen Experimentes gestufte Lernhilfen verwen- Interesse an Naturwissenschaften und Mathematik den und zusätzlich im Mathematikunterricht gestufte (Schiepe-Tiska et al., 2019; Schiepe-Tiska, Rönnebeck Lernhilfen zur Thematik Lineare Funktionen nutzen, ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 5 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) weisen eine höhere Kompetenzwahrnehmung und (EG I; mit gestuften Lernhilfen im Naturwissenschafts- selbstberichtete intrinsische Motivation in den Unter- unterricht) 23 Schüler*innen aus drei Basiskursen Na- richtseinheiten im Naturwissenschafts- (H2a) und im turwissenschaften bzw. Mathematik zugeordnet werden Mathematikunterricht (H2b) auf, als Schüler*innen, die konnten, zählten 26 Schüler*innen zur Experimental- nicht auf zusätzliche Lernhilfen im Mathematikunter- gruppe II (EG II; mit gestuften Lernhilfen im Naturwis- richt zurückgreifen können. senschafts- und im Mathematikunterricht) und ebenfalls 26 Schüler*innen zur Kontrollgruppe (KG; ohne ge- stufte Lernhilfen). Die Experimentalgruppe II und die 4 Methodik Kontrollgruppe setzte sich jeweils aus Lernenden aus zwei Basiskursen Naturwissenschaften und Mathema- 4.1 Stichprobe tik zusammen. Um Einflüsse der Lehrkräfte zu vermei- An der Untersuchung nahmen 75 Schüler*innen den, wurden in allen Treatments die gleichen Lehren- (55,2 % weiblich; MAlter = 16.5 Jahre, SDAlter = 0.80 den eingesetzt. In Bezug auf die Geschlechterverteilung Jahre) der elften Jahrgangsstufe einer gymnasialen Ver- (χ2(4,67) = 1.57, p = .814) sowie die Altersverteilung suchsschule teil. Das Konzept der Schule ist auf eine (F(2,71) = 2.17, p = .122) unterschieden sich die drei heterogene Schülerschaft ausgerichtet. Aus diesem Untersuchungsgruppen nicht signifikant. Grund werden auch Schüler*innen aufgenommen, die keinen Qualifikationsvermerk für die gymnasiale Ober- 4.2 Erhebungsinstrumente stufe aufweisen (ca. 30 % der Lernenden in der Ein- 4.2.1 Dispositionale motivationale Voraussetzun- gangsphase). Zur Adressierung der beschriebenen He- gen im Naturwissenschafts- und im Mathematikun- terogenität sowie für den fachlichen Anschluss im terricht. Dispositionale motivationale Voraussetzun- Übergang in die Qualifikationsphase werden in den gen der Schüler*innen im Naturwissenschafts- und Ma- zentralen Fächern Basiskurse angeboten (Hahn, Stiller, thematikunterricht wurden mithilfe der Skalen zur mo- Stockey & Wilde, 2013). Zu diesen grundlegenden Kur- tivationalen Regulation beim Lernen (SMR-L) erfasst sen zählen der Basiskurs Naturwissenschaften (BaNa) (Thomas & Müller, 2015). Dieser standardisierte Fra- und der Basiskurs Mathematik (BaMat). Der Basiskurs gebogen bestand aus vier Subskalen, die die Regulati- Naturwissenschaften als fächerübergreifender Kurs onstypen intrinsisch (drei Items), identifiziert (drei vermittelt Kompetenzen in den Fächern Biologie, Che- Items), introjiziert (vier Items) sowie external (drei mie sowie Physik und ist stark experimentell und an- Items) abbildeten. Die eingesetzten Items wurden ent- wendungsbezogen ausgerichtet (Hahn, Stockey & sprechend für den Naturwissenschafts- und Mathema- Wilde, 2011). Der Basiskurs Mathematik wiederum tikunterricht angepasst und auf einer fünfstufigen Ra- strebt ebenfalls eine solche verstärkte Anwendungsori- tingskala (0 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu) entierung zur Situierung der theoretischen Inhalte und abgefragt. Die Reliabilitäten der Subskalen wiesen Kompetenzen an. Alle Befragten nahmen sowohl am Cronbachs α-Werte im zufriedenstellenden bis guten Basiskurs Naturwissenschaften als auch am Basiskurs Bereich auf (vgl. Tab. 1; Moosbrugger & Kelava, Mathematik teil. Während der Experimentalgruppe I 2012). Tabelle 1 Reliabilitäten der vier Subskalen (intrinsisch, identifiziert, introjiziert, external) der Skalen zur motivationalen Regulation beim Lernen (Thomas & Müller, 2015) Beispielitem Cronbachs Cronbachs Subskala Meistens lerne ich in Naturwissenschaften/Mathema- Alpha, Natur- Alpha, tik, … wissenschaften Mathematik intrinsisch … weil ich gerne über das Fach nachdenke. .82 .87 identifiziert … weil ich dazulernen möchte. .74 .80 introjiziert … weil es peinlich ist, nichts zu wissen. .77 .79 external … weil ich sonst zu Hause Ärger bekomme. .65 .71 ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 6 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Mithilfe der Mittelwerte der vier Subskalen des SMR- terricht im Pretest erhoben (vgl. Abb. 1). Die unterricht- Ls konnte für jeden Lernenden der Selbstbestimmungs- liche Intervention wurde folgend mit drei verschiede- index (SDI) gemäß der folgenden Formel berechnet nen Testgruppen durchgeführt. Die Schüler*innen aller werden: (2 x intrinsisch + integriert) – (introjiziert + 2 Testgruppen wurden in einer fächerverbindenden Un- x external) (Vallerand, 1997). Der SDI beschreibt auf terrichtseinheit zwischen dem Naturwissenschafts- und diese Weise den Regulationstyp der Schüler*innen und Mathematikunterricht unterrichtet. Die Kontrollgruppe kann Werte zwischen -12 und +12 annehmen. Je höher wurde hierbei nach der gängigen Praxis und somit ohne die Ausprägung des Wertes, desto selbstbestimmter gestufte Lernhilfen unterrichtet. Während die Experi- kann die motivationale Disposition des Lernenden in mentalgruppe I unter Bezugnahme gestufter Lernhilfen der jeweiligen Domäne beschrieben werden (Ryan & im Basiskurs Naturwissenschaften binnendifferenziert Connell, 1989). unterrichtet wurde, erfolgte für die Experimentalgruppe 4.2.2 Intrinsische Motivation im Naturwissen- II der Einsatz gestufter Lernhilfen in beiden Fachdiszip- schafts- und im Mathematikunterricht. Gestufte linen, also im Naturwissenschafts- sowie im Mathema- Lernhilfen sowie fächerübergreifender Unterricht kön- tikunterricht (vgl. Abb. 1). nen in einer erhöhten Kompetenzwahrnehmung sowie In einem Posttest, der vier Wochen nach der Interven- intrinsischen Motivation der Lernenden resultieren tion stattfand, wurden die Lernenden zu ihrer Kompe- (Bennett, Lubben & Hogarth, 2007; Hänze et al., 2010; tenzwahrnehmung und ihrer selbstberichteten intrinsi- Labudde, 2014; Schmidt-Borcherding et al., 2013). Aus schen Motivation (Interesse/Vergnügen) im Naturwis- diesem Grund wurden zur Erhebung im Naturwissen- senschafts- und Mathematikunterricht befragt (vgl. schafts- und im Mathematikunterricht die Subskalen Abb. 1). Wahrgenommene Kompetenz sowie Interesse/Vergnü- gen der Kurzskala Intrinsischer Motivation (KIM; 4.4 Unterrichtliche Operationalisierung Wilde, Bätz, Kovaleva & Urhahne, 2009) verwendet. Die beschriebene Studie war in eine fächerübergrei- Die zwei Subskalen umfassten insgesamt sechs Items. fende Unterrichtssequenz aus den drei Elementen Diese wurden auf einer fünfstufigen Ratingskala (0 = „BaMat Element I (mathematische Vorbereitung) – trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu) erhoben. Die BaNa Element II (Durchführung und Auswertung eines Reliabilitäten der Subskalen lagen in einem zufrieden- biologischen Experiments) – BaMat Element III (ma- stellenden bis guten Bereich (Moosbrugger & Kelava, thematische Anwendung)“, die in Kooperation der Na- 2012) und werden in Tabelle 2 dargestellt. turwissenschafts- und Mathematiklehrenden durchge- führt wurde, integriert (Kleinert et al., 2020). 4.3 Untersuchungsdesign und Ablauf der Studie Die Unterrichtseinheit des Basiskurses Naturwissen- Die vorliegende Untersuchung wurde als quasiexperi- schaften beinhaltete die Konzeption, Durchführung und mentelle Studie durchgeführt. Vor der unterrichtlichen Auswertung des biologischen Experimentes „Die os- Intervention wurde die motivationale Regulation der motische Wirkung von Kochsalz – Ein Schülerexperi- Lernenden im Naturwissenschafts- und Mathematikun- ment zur Bestimmung der Zellsaftkonzentration bei Tabelle 2 Reliabilitäten der zwei Skalen (Wahrgenommene Kompetenz, Interesse/Vergnügen) aus der Kurzskala Intrinsi- scher Motivation (Wilde et al., 2009) Cronbachs Cronbachs Skala Beispielitem Alpha, Natur- Alpha, wissenschaften Mathematik Wahrgenommene Mit meiner Leistung in der Unterrichtseinheit .83 .89 Kompetenz bin ich zufrieden. Interesse / Vergnü- Die Tätigkeit in der Unterrichtseinheit hat mir Spaß gemacht. .87 .91 gen ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 7 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Abbildung 1. Pre-Post-Untersuchungsdesign der Studie mit integrierter unterrichtlicher Intervention im Naturwis- senschafts- und Mathematikunterricht verschiedenen Gemüsearten“ (Schumacher et al., an den folgenden sechs Auswertungsschritten des Ex- 2020). Dieses war in eine acht bis zehn Stunden umfas- perimentes: Ermittlung der relativen Massendifferenz, sende Unterrichtseinheit des Fachbereiches Biologie Bestimmung der Mittelwerte der Messwerte, Erstellung zum Thema Osmose, genauer zum Austausch mit der des Diagrammes, Erklärung des Diagramms unter Umwelt eingebettet. Während die Herangehensweise an Rückbezug auf die Theorie der Osmose, Zeichnung ei- das Experiment sowie die Festlegung der zu untersu- ner Ausgleichsgeraden und Bestimmung der Zellsaft- chenden Variablen im Plenum durchgeführt wurde, for- konzentration (Bekel-Kastrup et al., 2020). Exempla- mulierten die Schüler*innen eigenständig Fragestellun- risch werden im Folgenden die gestuften gen. Im Unterrichtsgespräch wurden folgend Hypothe- Lernhilfen für die Aufgaben zur Erstellung der sen (z.B. „Die untersuchten Gemüsearten besitzen un- Mittelwerte aus den Messwerten dargestellt. Im terschiedliche Zellsaftkonzentrationen.“) entwickelt Rahmen dieser Teilaufgaben hatten die Lernenden und es wurden die unabhängige Variable (Konzentra- die Aufgabe, eine Formel für die Berechnung der tion der Salzlösungen) sowie die abhängigen Variablen Mittelwerte für die relativen Massendifferenzen pro (relative Massendifferenz, d.h. Masse vor und nach der Salzkonzentration zu entwickeln. Hierzu erhielten die Inkubation in den Salzlösungen) festgelegt. Die Durch- Schüler*innen zunächst einen lernstrategischen Hin- führung erfolgte durch die Lernenden eigenständig in weis. Dieser sollte an das Vorwissen der Lernenden an- Gruppenarbeit. Auf Grundlage der erhobenen Daten knüpfen, indem an die Analogien zur Formel der No- und unter Rückbezug auf die erworbenen mathemati- tendurchschnittsberechnung erinnert wird (Bekel- schen Kompetenzen erstellten die Schüler*innen Wer- Kastrup et al., 2020). In der Teillösung dieser gestuften tetabellen, berechneten Mittelwerte und Fehlermaße, Lernhilfe wurde die Berechnung des Mittelwertes um diese in einem Diagramm mit einer Ausgleichsge- exemplarisch anhand der Messwerte für eine Salzkon- rade aufzutragen (Schumacher et al., 2020). Während zentration angeführt (Bekel-Kastrup et al., 2020). Die die Kontrollgruppe während der Auswertung des Expe- Nutzung der gestuften Lernhilfen wurde hierbei durch rimentes ohne gestufte Lernhilfen arbeitete, konnten die die Lehrenden kontrolliert. Die Lernenden wurden da- Experimentalgruppen I und II während der Auswertung bei von den Lehrenden angehalten, bei etwaigen des Experimentes auf gestufte Lernhilfen zurückgreifen Schwierigkeiten die Hinweise der gestuften Lernhilfen (Bekel-Kastrup, Hamers, Kleinert, Haunhorst & Wilde, zu verwenden sowie zur Kontrolle die Teillösungen ein- 2020). Die gestuften Lernhilfen orientierten sich hierbei zusehen. ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 8 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Die Unterrichtseinheiten des Basiskurses Mathematik genommen. Die erste Voraussetzung für die Aufnahme rahmten die Konzeption, Durchführung und Auswer- der Kovariate, Unabhängigkeit der Kovariate von der tung des biologischen Experimentes. Während im Ma- Untersuchungsgruppe, war für beide Berechnungen ge- thematikunterricht vor der Einheit im Basiskurs Natur- geben (Naturwissenschaften: F(2,72) = 1.64, p = .202; wissenschaften die Grundlagen der Thematik „Lineare Mathematik: F(2,72) = 0.72, p = .492) (Field, 2013). Funktionen“, d.h. Parameter, die unterschiedlichen Dar- Zudem konnte die Homogenität der Regressionsstei- stellungsformen sowie Darstellungswechsel einer line- gungen als zweite Voraussetzung der Kovarianzanalyse aren Funktion gelehrt wurden (Hamers, Bekel-Kastrup, für die beiden Subskalen statistisch bestätigt werden Kleinert, Tegtmeier & Wilde, 2020), fokussierte die (Field, 2013). Unterrichtssequenz nach der Einheit im Naturwissen- schaftsunterricht die mathematische Anwendung der vermittelten Inhalte aus Element II. Unter Bezugnahme 5 Ergebnisse der gewonnenen Daten aus dem biologischen Experi- ment erstellten die Lernenden lineare Funktionen in un- Das Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss terschiedlichen Darstellungsformen (Hamers et al., des Einsatzes gestufter Lernhilfen während der Aus- 2020). Für die Aufgabenbearbeitung in beiden Unter- wertung eines biologischen Experimentes im Naturwis- richtseinheiten des Basiskurses Mathematik konnten senschaftsunterricht sowie während der Bearbeitung des Themas Lineare Funktionen zum Mathematikunter- die Lernenden der Experimentalgruppe II zudem ge- richt auf die intrinsische Motivation der Lernenden stufte Lernhilfen nutzen (Hamers et al., 2020). Die Ler- im Naturwissenschafts- und Mathematikunterricht nenden der Kontrollgruppe und Experimentalgruppe I zu untersuchen. Die Ergebnisse für Naturwissen- arbeiten in dieser Unterrichtseinheit ohne gestufte Lern- schaften und Mathematik werden nachfolgend ange- hilfen. Die gestuften Lernhilfen im Mathematikunter- führt. richt orientierten sich an den Schritten zur Erstellung ei- ner linearen Funktionsgleichung aus einem Funktions- 5.1 Ergebnisse für die Unterrichtseinheit im Natur- graphen. Die gestuften Lernhilfen zur Ermittlung der wissenschaftsunterricht Steigung sollen hier exemplarisch dargestellt werden. Die Ergebnisse der ANCOVAs zeigten im Naturwis- In einem inhaltlichen Hinweis erhielten die Lernenden senschaftsunterricht keine signifikanten Unterschiede einen ersten Impuls zur Feststellung gut ablesbarer in der Wahrgenommene Kompetenz und auch nicht im Punkte auf dem Funktionsgraphen. In der Teillösung Selbstbericht intrinsischer Motivation, erhoben als Inte- wurden anschließend die eingezeichneten Punkte sowie resse/Vergnügen (vgl. Tab. 3). Für die Skala Wahrge- das daraus resultierende Steigungsdreieck angeführt nommene Kompetenz zeigten sich jedoch deutliche de- (Hamers et al., 2020). Auf diese Weise wurde eine An- skriptive Unterschiede im Vergleich der drei Untersu- wendungsorientierung in den Mathematikunterricht in- chungsgruppen (vgl. Tab. 3). Hier ist die Ausprägung in tegriert, der die Relevanz mathematischer Kompeten- Experimentalgruppe I am höchsten. Durch die AN- zen für die Schüler*innen verdeutlichen sollte. COVA wurde für diesen Vergleich eine mittlere Effekt- stärke ersichtlich (Angabe der Effektstärke nach Cohen, 4.5 Statistische Auswertung 1988). In der Skala Interesse/Vergnügen konnten eben- Die statistische Auswertung der erhobenen Daten er- falls erhebliche deskriptive Unterschiede zwischen den drei Untersuchungsgruppen festgestellt werden. Ler- folgte mithilfe des Programmes IBM SPSS Statistics 26. nende aus der Experimentalgruppe I wiesen auch hier Zur Untersuchung des Einflusses des Einsatzes gestuf- im Vergleich der Testgruppen deutlich höhere Ausprä- ter Lernhilfen im Naturwissenschafts- und Mathematik- gungen in dieser Skala auf (vgl. Tab. 3). Die ANCOVA unterricht auf die intrinsische Motivation der Schü- zeigte für diesen Vergleich einen tendenziell signifikan- ler*innen im Naturwissenschafts- und Mathematikun- ten Effekt des Treatments mit mittlerer Effektstärke terricht wurde jeweils eine univariate Kovarianzana- (vgl. Tab. 3; nach Cohen, 1988). lyse (ANCOVA) für die zwei Subskalen angewendet. Für die Kovariate, den Selbstbestimmungsindex, wur- Um den Einfluss der im Pretest erhobenen dispositiona- den tendenziell signifikante sowie signifikante Effekte len motivationalen Regulation zu kontrollieren, wurden auf die Skalen Wahrgenommene Kompetenz und Inte- die entsprechenden Werte für Naturwissenschafts- und resse/Vergnügen mit mittleren bis hohen Effektstärken Mathematikunterricht als Kovariate in die Analyse auf- gefunden (vgl. Tab. 3; nach Cohen, 1988). Diese vorab ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 9 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Tabelle 3 Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) sowie die Ergebnisse der ANCOVAs (Kovariate: SDI Naturwissen- schaften Pretest) für die Skalen Wahrgenommene Kompetenz und Interesse/Vergnügen der drei Untersuchungs- gruppen für die Unterrichtseinheit im Naturwissenschaftsunterricht Untersuchungs- Effekte der Zwischensubjekt- Skala M ± SD gruppe Kovariate effekte EG I 2.48 ± 0.86 F(1,71) = 3.94; F(2,71) = 2.31; Wahrgenommene EG II 2.00 ± 0.90 p = .051; p = .107; Kompetenz KG 1.87 ± 0.83 η2 = .05 η2 = .06 EG I 2.19 ± 0.76 F(1,71) = 14.71; F(2,71) = 3.03; Interesse/ Vergnügen EG II 1.58 ± 0.88 p = .000; p = .055; KG 1.65 ± 0.71 η2 = .17 η2 = .08 identifizierte motivationale Disposition spielte also eine scher Motivation, gemessen durch Interesse/Vergnü- erhebliche Rolle für die tätigkeitsbezogene intrinsische gen, konnten keine statistisch signifikanten Effekte zwi- Motivationsqualität der Schüler*innen in der Unter- schen den Untersuchungsgruppen festgestellt werden richtseinheit im Naturwissenschaftsunterricht während (vgl. Tab. 4). der Bearbeitung des biologischen Experiments. Für die Kovariate waren signifikante Effekte auf die Die Ergebnisse bezüglich des biologischen Experimen- beiden Skalen mit mittlerer bis hoher Effektstärke zu tes in der Unterrichtseinheit im Naturwissenschaftsun- berichten (vgl. Tab. 4; nach Cohen, 1988). Es zeigte terricht zeigten deutliche deskriptive Unterschiede so- sich demnach, dass die vorab festgestellte motivationale wie tendenziell signifikante Unterschiede in den Skalen Disposition der Lernenden im Mathematikunterricht Wahrgenommene Kompetenz sowie Interesse/Vergnü- eine wesentliche Rolle für die tätigkeitsbezogene intrin- gen zugunsten der Lernenden, die im biologischen Ex- sische Motivationsqualität spielte. perimentierprozess gestufte Lernhilfen nutzten (EG I). Für die Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht Die Schüler*innen, die im Mathematikunterricht zu- wurden signifikante Unterschiede in der Skala Wahrge- sätzlich Unterstützung in Form gestufter Lernhilfen er- nommene Kompetenz zugunsten der Schüler*innen, die hielten (EG II), zeigten in keiner der beiden Skalen hö- im biologischen Experimentierprozess gestufte Lernhil- here Ausprägungen. Der Einsatz gestufter Lernhilfen fen verwendeten (EG I), ersichtlich. Die Lernenden, für beim biologischen Experimentieren könnte demnach ei- die zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikun- nen Einfluss auf die intrinsische Motivation der Lernen- terricht implementiert wurden (EG II), zeigten hier den gehabt haben, während die zusätzliche Nutzung ge- keine höhere Ausprägung. Der Einsatz gestufter Lern- stufter Lernhilfen im Mathematikunterricht keinerlei hilfen beim biologischen Experimentieren hatte dem- Hinweise auf eine erhöhte Motivation in der Unter- nach einen Einfluss auf die Kompetenzwahrnehmung richtseinheit im Naturwissenschaftsunterricht hervor- der Lernenden, während die Nutzung zusätzlicher ge- bringen konnte. stufter Lernhilfen im Mathematikunterricht keinerlei Hinweise auf eine erhöhte wahrgenommene Kompe- 5.2 Ergebnisse für die Unterrichtseinheit im Mathe- tenz in der Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht matikunterricht liefern konnte. Die Lernenden der Untersuchungsgrup- Die Ergebnisse der ANCOVAs für den Mathematikun- pen unterschieden sich nicht in ihrem Interesse/Vergnü- terricht zeigten für die Skala Wahrgenommene Kompe- gen in der Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht. tenz signifikante Effekte des Treatments mit mittlerer Demnach wurden keine Hinweise für einen Einfluss der Effektstärke (vgl. Tab. 4; nach Cohen, 1988). Lernende gestuften Lernhilfen im Naturwissenschafts- und Ma- aus der Experimentalgruppe I wiesen im Vergleich der thematikunterricht auf die Ausprägung des Interes- Testgruppen deutlich höhere Ausprägungen in dieser ses/Vergnügens in der Unterrichtseinheit des Mathema- Skala auf (vgl. Tab. 4). Für den Selbstbericht intrinsi- tikunterrichts ersichtlich. ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 10 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) Tabelle 4 Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) sowie die Ergebnisse der ANCOVAs (Kovariate: SDI Mathematik Pretest) für die Skalen Wahrgenommene Kompetenz und Interesse/Vergnügen der drei Untersuchungsgruppen für die Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht Untersuchungs- Effekte der Zwischensubjekt- Skala M ± SD gruppe Kovariate effekte EG I 2.49 ± 1.18 F(1,71) = 11.24; F(2,71) = 3.18; Wahrgenommene EG II 2.03 ± 1.11 p = .001; p = .048; Kompetenz KG 1.76 ± 1.29 η2 = .14 η2 = .08 EG I 1.68 ± 1.22 F(1,71) = 6.48; F(2,71) = 0.18; Interesse/ Vergnügen EG II 1.44 ± 1.04 p = .013; p = .833; KG 1.67 ± 1.22 η2 = .08 η2 = .01 6 Diskussion waren somit vermutlich in der Lage, auch das komple- xere Aufgabenformat der Auswertung des biologischen Der Fokus der vorliegenden Studie lag auf der Untersu- Experimentes eigenständig zu lösen (Hänze et al., chung des Einflusses des Einsatzes gestufter Lernhilfen 2010). Es kann daher vermutet werden, dass die Integra- während der Auswertung eines biologischen Experi- tion der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise des Ex- mentes sowie der zusätzlichen gestuften Lernhilfen in perimentierens als ohnehin interessen- und motivations- der Unterrichtseinheit zu Linearen Funktionen in Ma- fördernd (Schiepe-Tiska et al., 2019) durch den Einsatz thematik auf die intrinsische Motivation der Schü- der instruktionalen Unterstützungen in Form der gestuf- ler*innen in den Unterrichtseinheiten im Naturwissen- ten Lernhilfen zusätzlich gesteigert werden konnte. schafts- und Mathematikunterricht. Die Ergebnisse die- Diese gewährleisten die Strukturierung des offenen bi- ser Untersuchung zeigten für das biologische Experi- ologischen Experimentierprozesses und insbesondere mentieren in der naturwissenschaftlichen Unterrichts- der Auswertung, welche aus lernpsychologischer Sicht einheit deutliche deskriptive Unterschiede in der Kom- durch die Reduktion der kognitiven Belastung zu einem petenzwahrnehmung sowie tendenziell signifikante Un- effektiven Lernprozess und durch die erhöhte Autono- terschiede im Selbstbericht der intrinsischen Motivation mie- und Kompetenzwahrnehmung zu einer weiteren (Interesse/Vergnügen) im Vergleich der drei Testgrup- Motivationsförderung beitragen können (Arnold et al., pen. Diese Gruppenvergleiche wiesen mittlere Effekt- 2017; Kirschner et al., 2006; Ryan & Deci, 2017). Po- stärken auf (Cohen, 1988). Für die Mathematik-Per- sitive Erlebensqualitäten, die durch die Befriedigung spektive wurden diese Ergebnisse nur z. T. ersichtlich. der drei psychologischen Grundbedürfnisse (Ryan & Hier konnten für die wahrgenommene Kompetenz sig- Deci, 2017) gefördert werden können, spielen eine we- nifikante Unterschiede mit mittlerer Effektstärke zwi- sentliche Rolle für die Entwicklung intrinsischer Moti- schen den Untersuchungsgruppen berichtet werden vation und von Interesse (Hidi & Renninger, 2006; (Cohen, 1988). Krapp, 2005). Niemiec und Ryan (2006) führen aus die- Die deskriptiv höhere Kompetenzwahrnehmung der Ex- sem Grund an, dass die Befriedigung der basic needs perimentalgruppe I während der Auswertung des biolo- zur verstärkten Auseinandersetzung der Schüler*innen gischen Experimentes im Vergleich zu den weiteren mit dem Lerngegenstand führen kann. Für die vorlie- Testgruppen könnte durch die eigenständigkeitsför- gende Untersuchung könnte demnach die erhöhte Kom- dernde Wirkung der gestuften Lernhilfen begründet petenzwahrnehmung der Experimentalgruppe I in ei- werden (Hänze et al., 2010). Die Lernenden, die mit ge- nem gesteigerten Interesse während des biologischen stuften Lernhilfen während der Auswertung des Expe- Experimentierens in der naturwissenschaftlichen Unter- rimentes im Naturwissenschaftsunterricht arbeiteten, richtseinheit resultieren. Vor diesem Hintergrund könn- fühlten sich kompetenter als die weiteren Untersu- ten die tendenziell signifikanten Effekte im Selbstbe- chungsgruppen. Sie konnten entsprechend ihres Leis- richt der intrinsischen Motivation (Interesse/Vergnü- tungsniveaus die gestuften Lernhilfen anwenden und gen) zugunsten der Experimentalgruppe I begründet ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 11 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) werden. Für anschließende empirische Studien scheint Zusammenfassend stützten unsere Befunde teilweise es weiterhin interessant, einen zusätzlichen Fokus auf die Hypothese, dass Schüler*innen, die gestufte Lern- den Einfluss der eigenständigkeitsfördernden gestuften hilfen während der Auswertung des biologischen Expe- Lernhilfen auf das Autonomieerleben der Lernenden zu rimentes nutzten, eine höhere Kompetenzwahrnehmung legen. Auf diese Weise könnte das Zusammenspiel der und intrinsische Motivation im Naturwissenschafts- basic needs auf die Entwicklung intrinsischer Motiva- (H1a) und Mathematikunterricht (H1b) aufwiesen so- tion im Kontext der Verwendung gestufter Lernhilfen wie die Ergebnisse der bisher vorliegenden Studien zum untersucht werden. positiven Einfluss der Nutzung gestufter Lernhilfen auf Neben den höchsten Ausprägungen der Experimental- die intrinsische Motivation der Schüler*innen (Hänze et gruppe I bezüglich der Kompetenzwahrnehmung und al., 2010; Schmidt-Borcherding et al., 2013; Schmidt- der selbstberichteten intrinsischen Motivation während Weigand et al., 2009). des biologischen Experimentierens in der naturwissen- Entgegen der Annahmen der höheren Kompetenzwahr- schaftlichen Unterrichtseinheit könnten umgekehrt die nehmung und intrinsischen Motivation in den Unter- im Vergleich der Untersuchungsgruppen geringsten richtseinheiten im Naturwissenschafts- (H2a) und Ma- Ausprägungen der Kontrollgruppe für die Kompe- thematikunterricht (H2b) zugunsten der Lernenden, die tenzwahrnehmung erklärlich sein. Unter Bezugnahme gestufte Lernhilfen in beiden Unterrichtsfächern ver- der Cognitive Load Theory könnten mit fehlenden wendeten, berichteten die Lernenden der Experimental- Strukturierungsmaßnahmen der gestuften Lernhilfen gruppe II geringe Ausprägungen bezüglich der Skalen während des komplexen Experimentier- und Auswer- für beide Unterrichtsfächer im Vergleich zur Experi- tungsprozesses eine hohe kognitive Belastung sowie mentalgruppe I. Diese Ergebnisse könnten über das eine Überforderung der Schüler*innen einhergehen Format der eingesetzten gestuften Lernhilfen im Mathe- (Arnold et al., 2017; Kirschner et al., 2006). Die Ler- matikunterricht begründet werden. Aus Rückmeldun- nenden der Kontrollgruppe könnten sich aus diesem gen der Lehrenden konnte entnommen werden, dass die Grund als wenig kompetent wahrgenommen haben, was Aufgabenformate nicht die von Stäudel et al. (2007) ge- mit einer geringen intrinsischen Motivation einhergeht fordert hohe Komplexität aufwiesen (Hamers et al., (Ryan & Deci, 2017). 2020). Zu leichte Aufgabenstellungen können gemäß Vor diesem Hintergrund scheinen die Ergebnisse für der Cognitive Load Theory in einer Unterforderung der den Mathematikunterricht, insbesondere bezüglich der Schüler*innen resultieren (Kirschner et al., 2006). Paas, Kompetenzwahrnehmung, interessant. So berichteten Renkl und Sweller (2004) führen als Folge der Unter- die Lernenden, die lediglich gestufte Lernhilfen wäh- forderung eine Limitierung des Lernprozesses an. Die rend der Auswertung des biologischen Experimentier- Lernenden nahmen sich demnach bei der Aufgabenbe- prozesses im Naturwissenschaftsunterricht nutzten, arbeitung im Mathematikunterricht mithilfe der gestuf- eine signifikant höhere Kompetenzwahrnehmung im ten Lernhilfen u. U. wenig kompetent wahr. Die mögli- Vergleich der Untersuchungsgruppen. Möglicherweise chen Einflüsse der kognitiven Belastung (bzw. mögli- verknüpften die Schüler*innen ihre Erkenntnisse aus cher kognitiver Unterforderung) auf die intrinsische der Auswertung des biologischen Experiments, welche Motivation sollten daher in Folgestudien fokussiert sie gestützt durch die Lernhilfen kompetent durchfüh- werden. Zudem könnten die Lernenden der Experimen- ren konnten, auf die Aufgabenbearbeitung im Themen- talgruppe II, welche die als wenig lernwirksam wahrge- bereich Lineare Funktionen in der mathematischen Un- nommenen Lernhilfen im Mathematikunterricht nutz- terrichtseinheit. Neben der erhöhten Kompetenzwahr- ten, möglicherweise bei der weiteren Verwendung der nehmung dieser Lernenden durch die eigenständige Be- Lernhilfen während des biologischen Experimentes arbeitung der mathematischen Aufgabenformate ge- „voreingenommen“ gewesen sein. Negative Einstellun- währleistete die Darbietung des authentischen Kontex- gen zur Nutzung der gestuften Lernhilfen könnten dem- tes eine Anwendungsorientierung der mathematischen nach die niedrigeren Ausprägungen der Experimental- Fachinhalte, die gemäß Schiepe-Tiska et al. (2013) mit gruppe II in den Skalen Kompetenzwahrnehmung und einer Motivations- und Interessenförderung in der Un- Interesse/Vergnügen erklären. terrichtseinheit im Mathematikunterricht einhergehen Zudem könnte die nicht hinreichend explizite Verknüp- könnte. fung des Themas Lineare Funktionen und der Auswer- ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 12 doi: 10.11576/zdb-5205
Kleinert et al. (2022) tung des biologischen Experimentes durch die Lernen- nale Referenzgröße wird im Pretest die motivationale den eine Erklärung für die im Vergleich zur Experimen- Regulation im Fach Biologie erhoben. Der Vergleich talgruppe I geringeren Ausprägungen der Experimen- der Untersuchungsgruppen zeigte keine Unterschiede talgruppe II liefern. So könnte die Notwendigkeit der in Bezug auf die motivationale Regulation. Die Thematik der Linearen Funktionen für die Auswertung Ergebnisse bezüglich des Einflusses der Intervention des biologischen Experimentes nicht deutlich genug ge- auf die wahrgenommene Kompetenz und auf das wesen sein. Dies wurde durch Kurzbefragungen der Interesse/Vergnügen der Schüler*innen sollten im Lernenden zur Implementierung der gestuften Lernhil- Bewusstsein dieses methodischen Umstandes interpre- fen im fächerübergreifenden Unterrichtskonzept er- tiert werden. Darüber hinaus sollte die fehlende direkte sichtlich (Bekel-Kastrup et al., 2020; Hamers et al., Kontrolle der Lernhilfe-Nutzung als Limitation ange- 2020). führt werden. Die Lernenden wurden während der Aus- Als eine Limitation könnten die Bedingungen der Erhe- wertung des Experimentes von den Lehrenden angehal- bungen genannt werden. Diese wurden im Naturwissen- ten, die gestuften Lernhilfen zu verwenden. Jedoch schaftsunterricht durchgeführt, sodass dieser Kontext wurde die Nutzung der Lernhilfen nicht explizit kon- auch die Lernenden in ihrer Bearbeitung der Fragebö- trolliert. In Folgestudien könnte die Verwendung der gen beeinflusst haben könnte. Als eine weitere Limita- Lernhilfen während des Experimentierprozesses zu- tion der vorliegenden Untersuchung kann der eher ge- sätzlich erhoben werden, um etwaige Effekte durch die ringe Stichprobenumfang angeführt werden. Während Hilfenutzung erklären zu können. Darüber hinaus kann die Signifikanz p von der Stichprobengröße N abhängig angeführt werden, dass die untersuchten abhängigen ist, kann das Effektstärkemaß partielles Eta-Quadrat Variablen Wahrgenommene Kompetenz und Inte- als stichprobenunabhängig beschrieben werden (Field, resse/Vergnügen auf Selbsteinschätzungen der Lernen- 2013). Vor diesem Hintergrund kann vermutet werden, den basieren. Im Hinblick auf Folgeuntersuchungen dass einige der vorliegenden deskriptiven Unterschiede könnten neben diesen Selbstberichten auch die Lernzu- zwischen den Untersuchungsgruppen mit mittleren Ef- wächse der Schüler*innen gemessen werden, um die fektstärken für die Wahrgenommene Kompetenz und Lernwirksamkeit gestufter Lernhilfen zusätzlich zu prü- das Interesse/Vergnügen, insbesondere für das biologi- fen. sche Experimentieren im Naturwissenschaftsunterricht, Ziel der vorliegenden Studie war es, die Einflüsse der bei einer erhöhten Stichprobengröße als statistisch sig- Nutzung gestufter Lernhilfen während der Auswertung nifikant berichtet werden könnten (Field, 2013). Die eines biologischen Experimentes und im Rahmen einer vorliegende Untersuchung könnte demnach als Pilotstu- Unterrichtseinheit zu Linearen Funktionen im Mathe- die bezeichnet werden. Mithilfe von statistischen matikunterricht auf die intrinsische Motivation der Poweranalysen konnten unter Berücksichtigung des Schüler*innen zu untersuchen. Für die Unterrichtsein- Signifikanzniveaus (α = .05), der Teststärke (1-ß = .80) heiten im Naturwissenschafts- und Mathematikunter- sowie der Effektstärken dieser Studie a posteriori der richt legen die Ergebnisse dieser Pilotstudie positive Ef- benötigte Stichprobenumfang berechnet werden. Die fekte der gestuften Lernhilfen, die während der Aus- benötigte Stichprobe sollte demnach, je nach Skala, in wertung des biologischen Experimentes von den Ler- etwa die doppelte Anzahl von Lernenden enthalten nenden genutzt wurden, auf eine Förderung der Kompe- (Wahrgenommene Kompetenz: 156 Probanden; Inte- tenzwahrnehmung und der selbstberichteten intrinsi- resse/Vergnügen: 114 Probanden). Ausgehend von der schen Motivation dar. Diese könnten einerseits in dem geringen Stichprobengröße ergeben sich Limitationen binnendifferenzierenden und selbstständigkeitsfördern- im Hinblick auf die statistische Auswertungsmethodik den Charakter der instruktionalen Unterstützungen be- der vorliegenden Studie. Für detailliertere Gruppenver- gründet werden. Andererseits könnte die aus lernpsy- gleiche sollten neben den ANCOVAs Kontraste gerech- chologischer Perspektive geringe kognitive Belastung net werden. Diese können jedoch aufgrund des niedri- durch die Nutzung gestufter Lernhilfen während des gen Stichprobenumfangs nicht durchgeführt werden Experimentierprozesses eine wesentliche Rolle zur Er- (Field, 2013). Als weitere Limitation könnte angemerkt klärung der vorliegenden Befunde spielen. Der Einsatz werden, dass die wahrgenommene Kompetenz und das gestufter Lernhilfen könnte demnach die Bearbeitung Interesse/Vergnügen im Biologieunterricht im Pretest komplexer Problemstellungen, beispielsweise die Aus- nicht sinnvoll erhoben werden können. Als motivatio- wertung eines biologischen Experimentes gewährleis- ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022 13 doi: 10.11576/zdb-5205
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