Der Einsatz gestufter Lernhilfen als Unterstützung für Lernende im Kontext des biologischen Experimentierens

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– Originalbeitrag –

       Der Einsatz gestufter Lernhilfen als Unterstützung für Lernende im
                   Kontext des biologischen Experimentierens
             Einfluss auf die Schüler*innen-Motivation im Naturwissenschafts- und
                                     Mathematikunterricht

              Svea Isabel Kleinert1, Kris-Stephen Besa2 und Matthias Wilde1
                                                   1
                                                   Universität Bielefeld,
                                     Biologiedidaktik (Zoologie & Humanbiologie)
                                      2
                                        Westfälische Wilhelms-Universität Münster,
                                     Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung

                                                ZUSAMMENFASSUNG
Experimentieren im Biologieunterricht als komplexer Problemlöseprozess könnte durch den Einsatz gestufter Lernhilfen ge-
fördert werden. Aus lernpsychologischer Sicht unterstützen diese binnendifferenzierenden und selbstständigkeitsfördernden
Instrumente die Kompetenzwahrnehmung von Schüler*innen. Gleichzeitig könnte dem Motivations- und Interessenabfall in
den Naturwissenschaften begegnet werden. Vor dem Hintergrund fehlender mathematischer Kompetenzen bei der Auswertung
eines Experimentes könnten zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikunterricht implementiert werden. Diese instruktio-
nalen Unterstützungen könnten gleichzeitig einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Kompetenz und die intrinsische
Motivation der Lernenden entfalten. Die vorliegende Studie untersuchte daher den Einfluss gestufter Lernhilfen während der
Auswertung eines Experimentes im Biologieunterricht sowie im Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema Lineare Funkti-
onen im Mathematikunterricht auf die Kompetenzwahrnehmung und die intrinsische Motivation der Schüler*innen. Hierzu
wurden 75 Lernende einer Versuchsschule (55,2 % weiblich; MAlter = 16.5 Jahre, SDAlter = 0.80 Jahre) in einer Unterrichtseinheit
zum Thema Osmose im Naturwissenschaftsunterricht sowie zum Thema Lineare Funktionen im Fach Mathematik unterrichtet
und Daten zur Kompetenzwahrnehmung und weitere Daten zur intrinsischen Motivation erhoben. Mithilfe von univariaten
Kovarianzanalysen wurden für den Naturwissenschafts- und Mathematikunterricht deutliche deskriptive bzw. signifikante Un-
terschiede in der wahrgenommenen Kompetenz, zugunsten der Lernenden, die beim biologischen Experimentieren gestufte
Lernhilfen nutzten, gefunden; tendenziell signifikante Unterschiede in der intrinsischen Motivation konnten nur für das biolo-
gische Experimentieren berichtet werden. Der zusätzliche Einsatz gestufter Lernhilfen im Mathematikunterricht konnte keine
Hinweise auf eine erhöhte Motivation der Lernenden hervorbringen.
Schlüsselwörter: Gestufte Lernhilfen, Experimentieren, Mathematik, Intrinsische Motivation, Kompetenzwahrnehmung

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– Original Paper –

   The use of incremental scaffolds as support for learners in the context of
                          experimenting in biology
         Influence on students’ intrinsic motivation in science and math classes

              Svea Isabel Kleinert1, Kris-Stephen Besa2 und Matthias Wilde1
                                                   1
                                                   Universität Bielefeld,
                                     Biologiedidaktik (Zoologie & Humanbiologie)
                                      2
                                        Westfälische Wilhelms-Universität Münster,
                                     Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung

                                                          Abstract
Experimenting in biology classes as a complex problem-solving process could require the use of incremental scaffolds. From
the perspective of educational psychology, these internal differentiating and independence-promoting instruments could sup-
port the students’ perception of competence. The decline in motivation and interest in science could also be countered. Against
the background of a lack of mathematical skills when evaluating an experiment, additional incremental scaffolds could be
implemented in mathematic lessons. These supportive instruments could also have a positive impact on the learners’ perceived
competence and intrinsic motivation. The present study therefore examines the influence of incremental scaffolds during ex-
perimentation in biology lessons as well as during a teaching unit on the subject of linear functions in mathematics lessons on
the perception of competence and the intrinsic motivation of the students. For this, 75 students (55,2 % female; Mage = 16.5
years, SDage = 0.80 years) were taught osmosis and linear functions during teaching units in science and mathematics. Data
about the competence perception and intrinsic motivation were collected. Regarding science and mathematics lessons, univari-
ate covariance analyses revealed descriptive and significant differences in perceived competence, in favor of the students, who
used incremental scaffolds in biological experimentation. Significant differences in the intrinsic motivation could only be re-
ported during the experiment in biology class. The additional use of incremental scaffolds in math lessons could not indicate
any increased learners’ motivation.
Key words: incremental scaffolds, experimenting, mathematics, intrinsic motivation, perceived competence

                                                                                                                             2
Kleinert et al. (2022)

1 Einleitung                                                  2 Theoretischer Hintergrund
Die jüngsten PISA-Studien beschreiben einen Interes-
                                                              2.1 Der schmale Grat angemessener Strukturierung
sen- und Motivationsabfall von Schüler*innen in
                                                              des Experimentierens im Biologieunterricht
Deutschland in den Fächern Naturwissenschaften und
                                                              Kompetenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisge-
Mathematik (Schiepe-Tiska, Rönnebeck & Neumann,
2019; Schiepe-Tiska, Rönnebeck et al., 2016; Schiepe-         winnung stellen einen wesentlichen Teil naturwissen-
Tiska et al., 2013). Zur Motivations- und Interessenför-      schaftlicher Grundbildung (Scientific Literacy) dar
derung im Naturwissenschaftsunterricht fordern                (Mayer, 2018). Das biologische Experiment als fachge-
Schiepe-Tiska, Simm und Schmidtner (2016) und                 mäße Arbeitsweise in der naturwissenschaftlichen Er-
Schiepe-Tiska et al. (2019) eine Integration von Expe-        kenntnisgewinnung kann als komplexer Problemlö-
rimenten sowie eine damit einhergehende veränderte            seprozess beschrieben werden und folgt einer hypothe-
Aufgabenkultur. So könnten strukturierte Experimen-           tisch-deduktiven Erkenntnislogik (Abd-El-Khalick et
tierprozesse aus lernpsychologischer Sicht zu einem ef-       al., 2004; Popper, 1984). Der Grad der Strukturierung
fektiven Lernprozess sowie einer Motivationsförderung         komplexer Experimente im Biologieunterricht spielt
beitragen (Kirschner, Sweller & Clark, 2006). Eine in-        hierbei eine wesentliche Rolle. Zur Entwicklung eines
struktionale Unterstützung und Strukturierung des bio-        Verständnisses der naturwissenschaftlichen Erkennt-
logischen Experimentierprozesses könnte der Einsatz           nisgewinnung sollten offene Experimentieraufgaben im
gestufter Lernhilfen gewährleisten. Diese könnten den         Biologieunterricht implementiert werden (Mayer,
Schwierigkeiten der Schüler*innen bezüglich der Bear-
                                                              2018). Jedoch wiesen zahlreiche Untersuchungen Schü-
beitung von offenen biologischen Experimentieraufga-
                                                              ler*innen Schwierigkeiten beim offenen Experimentie-
ben (Hammann & Prenzel, 2008) durch ihren binnen-
                                                              ren nach (Arnold, Kremer & Mayer, 2013, 2014;
differenzierenden Charakter entgegenwirken (Hänze,
                                                              Schiepe-Tiska, Rönnebeck et al., 2016). Neben den ex-
Schmidt-Weigand & Stäudel, 2010). Vor dem Hinter-
grund der heterogenen Schülerschaft in der Eingangs-          perimentellen Teilkompetenzen des Aufstellens von
phase einer Versuchsschule spielen diese binnendiffe-         Hypothesen sowie dem Planen und Durchführen von
renzierenden Maßnahmen eine bedeutende Rolle                  Experimenten bereiten Lernenden insbesondere die Da-
(Hahn, Stiller, Stockey & Wilde, 2013). Darüber hinaus        tenauswertung und -interpretation Schwierigkeiten
wiesen Studien Schüler*innen fehlende mathematische           (Arnold et al., 2014; de Jong & van Joolingen 1998;
Kompetenzen zur Auswertung von naturwissenschaftli-           Germann, Aram & Bruke, 1996). Während den Schü-
chen Experimenten nach (Wellnitz & Mayer, 2013).              ler*innen mathematische Kompetenzen zur Auswer-
Um dieser Problemstellung zu begegnen, könnte auch            tung der Experimente im Biologieunterricht fehlen
im Mathematikunterricht auf entsprechende gestufte            (Wellnitz & Mayer, 2013), weisen sie weiterhin Defi-
Lernhilfen zurückgegriffen werden (Labudde, 2014),            zite in der Erklärung experimenteller Ergebnisse auf
um so die mathematischen Erfordernisse besser bereit-         (Germann et al., 1996). Im Hinblick auf die fehlenden
zustellen. Auf diese Weise könnte gleichzeitig zu einer       mathematischen Kompetenzen der Schüler*innen, die
verbesserten Anwendungsorientierung des Mathema-              auch die jüngsten PISA-Studien beschreiben, schlagen
tikunterrichtes beigetragen werden. In den jüngsten
                                                              Schiepe-Tiska et al. (2013) authentische Aufgabenkon-
PISA-Studien wurde für Mathematikunterricht die Re-
                                                              texte vor. Durch fächerübergreifende Konzeptionen
levanz mathematischer Kompetenzen betont und der In-
                                                              zwischen Naturwissenschafts- und Mathematikunter-
teressen- und Motivationsförderung eine wesentliche
                                                              richt könnten eine solche Anwendungsorientierung so-
Rolle zugeschrieben (Schiepe-Tiska et al., 2013).
Ziel der vorliegenden Studie ist demnach die Untersu-         wie die Relevanz mathematischer Fachinhalte verdeut-
chung des Einflusses gestufter Lernhilfen während der         licht werden (Labudde, 2014; Schiepe-Tiska et al.,
Auswertung eines biologischen Experimentes sowie im           2013). Solche authentischen Lernkontexte könnten bio-
Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema Lineare             logische Experimente liefern (Gropengießer, 2018).
Funktionen im Mathematikunterricht auf die Motiva-            Mathematische Fachinhalte könnten in die Auswertung
tion der Schüler*innen.                                       dieser Experimente im Biologieunterricht eingebettet
                                                              werden. Durch diese Kontextualisierung des erworbe-
                                                              nen Wissens können die lebensweltliche Relevanz so-
                                                              wie der Nutzen der Anwendung der Inhalte sichtbar
                                                              werden; einem ausschließlichen Denken in schulischen
                                                              Fächergrenzen wird entgegengewirkt (Labudde, 2014).

ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022                            3
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Kleinert et al. (2022)

Lernende könnten dadurch ihre Alltagswirklichkeit bes-        diese Weise werden das eigenständigen Denken und
ser verstehen und sich damit wirksamer und kompeten-          Handeln der Lernenden gefördert. Nach einer selbst-
ter fühlen (Ryan & Deci, 2017). Walker (2017) stellte         ständigen (Teil-)Aufgabenbearbeitung können die
in einer Untersuchung zu den angelsächsischen STEM-           Schüler*innen eine Musterlösung für die (Teil-)Auf-
Konzepten (Kelley & Knowles, 2016) heraus, dass               gabe erhalten. Die Denk- und Handlungsimpluse bein-
durch die authentischen Kontexte verbesserte Lerner-          halten hierbei Strategien des Lernens und Problemlö-
gebnisse der Lernenden erzielt wurden.                        sens, u.a. Paraphrasieren, Elaborieren von Unterzielen
Neben den Schwierigkeiten der Lernenden im Hinblick           und Aktivierung von Vorwissen (Schmidt-Weigand et
auf experimentelle Teilkompetenzen weisen Lernende            al., 2008).
Defizite in der Verwendung adäquater Problemlösestra-         Von der beschriebenen Abstufung der Lernhilfen profi-
tegien für das eigenständige Experimentieren zu kom-          tieren Schüler*innen unterschiedlicher Lernausgangs-
plexen, lebensweltlich orientierten Problemstellungen         lagen. Während diese für leistungsschwächere Ler-
aus der Biologie auf (Kirschner et al., 2006). Studien        nende das Abbrechen der Aufgabenbearbeitung bei
zeigten in diesem Zusammenhang, dass offenes Experi-          Frustrationserlebnissen reduzieren, erlauben sie leis-
mentieren im Vergleich zu direkten Experimentieran-           tungsstärkeren Lernenden zur Kontrolle den Abgleich
leitungen zu einem erhöhten Cognitive Load bei Ler-           mit den Musterlösungen (Hänze et al., 2010; Schmidt-
nenden führen könnte und somit als wenig wirksam be-          Weigand et al., 2008). Untersuchungen konnten in die-
schrieben werden kann (Kirschner et al., 2006; Klahr &        sem Zusammenhang bereits den binnendifferenzieren-
Nigam, 2004).                                                 den Charakter der gestuften Lernhilfen im Biologie-
Zur Gewährleistung des Aufbaus von Fachwissen wer-            und Naturwissenschaftsunterricht verdeutlichen. So
den Experimentieraufgaben aus diesem Grund häufig             zeigten diese Studien, dass Schüler*innen unterschied-
stark vorstrukturiert. Direkte Experimentierinstruktio-       licher Lernausgangslagen von den gestuften Lernhilfen
nen stehen jedoch im Widerspruch zu konstruktivisti-          im Biologieunterricht im Hinblick auf ihren Wissenser-
schen Ansätzen und mindern den authentischen Cha-             werb profitieren können (Arnold et al., 2017; Groß-
rakter des Experimentierens (Hmelo-Silver, Duncan &           mann & Wilde, 2019; Stiller & Wilde, 2021).
Chinn, 2007). Vor diesem Hintergrund könnten wäh-
rend des biologischen Experimentierens Unterstüt-             2.3 Gestufte Lernhilfen und Motivation
zungs- und Strukturierungsmaßnahmen erforderlich              Studien wiesen für die Nutzung gestufter Lernhilfen ei-
sein, um das Durchführen gewünschter komplexer na-            nen positiven Einfluss auf die Motivation von Schü-
turwissenschaftlicher Problemlöseprozesse zu gewähr-          ler*innen in unterrichtlichen Lernumgebungen aus.
leisten (Arnold, Kremer & Mayer, 2017; Blanchard et           Hänze et al. (2010) führen dies auf den selbstständig-
al., 2010; de Jong, 2019).                                    keitsunterstützenden Charakter gestufter Lernhilfen zu-
                                                              rück.
2.2 Die Gestaltung gestufter Lernhilfen                       Lernende, die während der gesamten Aufgabenbearbei-
Um komplexe biologische Fragestellungen mit einer             tung Schwierigkeiten aufweisen, können sich mithilfe
heterogenen Lerngruppe bearbeiten zu können, bedarf           der einzelnen Lernhilfen schrittweise zur Lösung der
es Unterstützungs- und Strukturierungsmaßnahmen für           Aufgaben führen lassen. Die Hinweise und Impulse der
die Lernenden. Diese Maßnahmen könnten gestufte               gestuften Lernhilfen gewährleisten hierbei die eigen-
Lernhilfen darstellen. Sie bieten die Möglichkeit der in-     ständige Aufgabenbearbeitung der Schüler*innen
struktionalen Anleitung bei gleichzeitiger Förderung          (Hänze et al., 2010). Zudem können einzelne Hinweise
der Selbstständigkeit von Lernenden, um komplexe              im Verlaufe der Aufgabenbearbeitung von Lernenden
Aufgaben- und Problemstellungen zu bearbeiten                 genutzt werden, die bei entsprechenden Aufgabenteilen
(Hänze et al., 2010). Eine komplexe Aufgabenstellung,         Hilfe benötigen. Die weiteren Teilschritte der Gesamt-
die mit gestuften Lernhilfen bearbeitet werden soll,          aufgabe können die Schüler*innen wieder ohne Unter-
sollte in Teilaufgaben untergliedert werden können. Ge-       stützung der Hilfen bestreiten (Hänze et al., 2010).
stufte Lernhilfen sind zweistufig aufgebaut. Die Unter-       Schüler*innen, die den Lösungsweg vollständig alleine
stützung zu jeder Teilaufgabe wird zunächst durch lern-       meistern, können die Musterlösung der letzten Lern-
strategische oder inhaltliche Hinweise gewährleistet          hilfe mit ihrer eigenen Lösung abgleichen, um sich der
(Schmidt-Weigand, Franke-Braun & Hänze, 2008). Auf            richtigen Lösung zu versichern (Hänze et al., 2010).

ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022                              4
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Dies kann in einer Förderung des Kompetenz- und Au-           et al., 2016; Schiepe-Tiska & Schmidtner, 2013). Der
tonomieerlebens resultieren (Hänze et al., 2010). Ge-         mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht sollte
mäß der Selbstbestimmungstheorie der Motivation               demnach die Motivation und das Interesse der Lernen-
(SBT) nach Ryan und Deci (2017) können Kompetenz              den besser fördern. Das Experimentieren kann zu dieser
und Autonomie neben sozialer Eingebundenheit als an-          Interessen- und Motivationsförderung beitragen
geborene psychologische Grundbedürfnisse beschrie-            (Schiepe-Tiska et al., 2019). Experimentieren im Biolo-
ben werden. Das Bedürfnis nach Kompetenz umfasst              gieunterricht als komplexer Problemlöseprozess könnte
den Wunsch der Wahrnehmung eigener Handlungsfä-               den Einsatz binnendifferenzierender Maßnahmen erfor-
higkeit und -effektivität sowie der Erweiterung der ei-       dern. Zur instruktionalen Unterstützung im Experimen-
genen Fähigkeiten (Ryan & Deci, 2017). Bezüglich des          tierprozess können die beschriebenen gestuften Lernhil-
Grundbedürfnisses nach Autonomie unterscheidet                fen eingesetzt werden. Gestufte Lernhilfen als binnen-
Reeve (2002) drei unterschiedliche Qualitäten: Wahl-          differenzierende Maßnahme könnten von Lernenden
möglichkeiten (choice), Volition (volition) und den Ort       auf unterschiedliche Art und Weise genutzt werden
der Handlungsverursachung (locus of causility). Das           (Hänze et al., 2010). Dieser Bedarfscharakter spielt ins-
Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit kann durch            besondere für eine leistungsheterogene Schülerschaft
den Wunsch nach Interaktion mit bedeutsamen Indivi-           eine Rolle. Durch das selbstständige Experimentieren
duen sowie nach sozialer Gemeinschaft definiert wer-          können Autonomie und wahrgenommene Kompetenz
den (Ryan & Deci, 2017). Die Befriedigung dieser              der Lernenden gefördert werden (Hänze et al., 2010),
Grundbedürfnisse weist einen Einfluss auf die intrinsi-       die einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation ha-
sche Motivationsqualität von Lernenden auf, die unmit-        ben können (Ryan & Deci, 2017). Die erste Hypothese
telbar mit der Ausbildung der Lernmotivation eingeher-        lautet:
geht (Ryan & Deci, 2017). Im Rahmen einer explorati-
ven Untersuchung bestätigten Stäudel, Franke-Braun            H1: Schüler*innen, die während der Auswertung eines
und Schmidt-Weigand (2007) diese Befunde. Schmidt-            biologischen Experimentes gestufte Lernhilfen verwen-
Borcherding, Hänze, Wodzinski und Rincke (2013)               den, weisen eine höhere Kompetenzwahrnehmung und
verglichen den Einsatz gestufter Lernhilfen mit der Nut-      selbstberichtete intrinsische Motivation in den Unter-
zung eines Versuchsskriptes sowie einer offenen Expe-         richtseinheiten im Naturwissenschafts- (H1a) und im
rimentieranleitung. Die Ergebnisse zeigten höhere Aus-        Mathematikunterricht (H1b) auf, als Schüler*innen, die
prägungen intrinsischer Motivation der Lernenden, die         nicht auf gestufte Lernhilfen zurückgreifen können.
während des Experimentierprozesses die instruktiona-
len Hilfestellungen der gestuften Lernhilfen nutzten          Zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikunter-
(Schmidt-Borcherding et al., 2013). Eine ähnliche Stu-        richt könnten der Lösung mathematischer „Stolper-
die von Schmidt-Weigand, Hänze und Wodzinski                  steine“ (vgl. Wellnitz & Mayer, 2013) bei dem biologi-
(2009) bestätigte diese Erkenntnisse.                         schen Experiment zuträglich sein. Die Lernenden könn-
                                                              ten sich dadurch v.a. bei der Auswertung des Experi-
Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung des         ments kompetenter wahrnehmen, weil ihnen die mathe-
Einflusses gestufter Lernhilfen als Mittel der Bin-           matischen Operationen präsenter sein könnten. Das
nendifferenzierung während des biologischen Experi-           könnte ihrer Motivationsqualität in dem Naturwissen-
mentierens im Naturwissenschaftsunterricht sowie ei-          schaftskurs zuträglich sein (Ryan & Deci, 2017). Durch
nes zusätzlichen Einsatzes gestufter Lernhilfen im Ma-        den instruktional unterstützenden Charakter der gestuf-
thematikunterricht auf die Motivation der heterogenen         ten Lernhilfen könnten sich die Lernenden auch im Ma-
Schülerschaft der Versuchsschule.                             thematikunterricht kompetenter wahrnehmen (Hänze et
                                                              al., 2010). Die Motivation der Lernenden im Fach Ma-
                                                              thematik könnte dadurch ebenfalls gefördert werden
3 Fragestellung und Hypothesen                                (Ryan & Deci, 2017). Die zweite Hypothese lautet:

Laut jüngsten PISA-Studien zeigen deutsche Schü-              H2: Schüler*innen, die während der Auswertung eines
ler*innen ein eher unterdurchschnittlich ausgeprägtes         biologischen Experimentes gestufte Lernhilfen verwen-
Interesse an Naturwissenschaften und Mathematik               den und zusätzlich im Mathematikunterricht gestufte
(Schiepe-Tiska et al., 2019; Schiepe-Tiska, Rönnebeck         Lernhilfen zur Thematik Lineare Funktionen nutzen,

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weisen eine höhere Kompetenzwahrnehmung und                    (EG I; mit gestuften Lernhilfen im Naturwissenschafts-
selbstberichtete intrinsische Motivation in den Unter-         unterricht) 23 Schüler*innen aus drei Basiskursen Na-
richtseinheiten im Naturwissenschafts- (H2a) und im            turwissenschaften bzw. Mathematik zugeordnet werden
Mathematikunterricht (H2b) auf, als Schüler*innen, die         konnten, zählten 26 Schüler*innen zur Experimental-
nicht auf zusätzliche Lernhilfen im Mathematikunter-           gruppe II (EG II; mit gestuften Lernhilfen im Naturwis-
richt zurückgreifen können.                                    senschafts- und im Mathematikunterricht) und ebenfalls
                                                               26 Schüler*innen zur Kontrollgruppe (KG; ohne ge-
                                                               stufte Lernhilfen). Die Experimentalgruppe II und die
4 Methodik                                                     Kontrollgruppe setzte sich jeweils aus Lernenden aus
                                                               zwei Basiskursen Naturwissenschaften und Mathema-
4.1 Stichprobe                                                 tik zusammen. Um Einflüsse der Lehrkräfte zu vermei-
An der Untersuchung nahmen 75 Schüler*innen                    den, wurden in allen Treatments die gleichen Lehren-
(55,2 % weiblich; MAlter = 16.5 Jahre, SDAlter = 0.80          den eingesetzt. In Bezug auf die Geschlechterverteilung
Jahre) der elften Jahrgangsstufe einer gymnasialen Ver-        (χ2(4,67) = 1.57, p = .814) sowie die Altersverteilung
suchsschule teil. Das Konzept der Schule ist auf eine          (F(2,71) = 2.17, p = .122) unterschieden sich die drei
heterogene Schülerschaft ausgerichtet. Aus diesem              Untersuchungsgruppen nicht signifikant.
Grund werden auch Schüler*innen aufgenommen, die
keinen Qualifikationsvermerk für die gymnasiale Ober-          4.2 Erhebungsinstrumente
stufe aufweisen (ca. 30 % der Lernenden in der Ein-                4.2.1 Dispositionale motivationale Voraussetzun-
gangsphase). Zur Adressierung der beschriebenen He-            gen im Naturwissenschafts- und im Mathematikun-
terogenität sowie für den fachlichen Anschluss im              terricht. Dispositionale motivationale Voraussetzun-
Übergang in die Qualifikationsphase werden in den              gen der Schüler*innen im Naturwissenschafts- und Ma-
zentralen Fächern Basiskurse angeboten (Hahn, Stiller,         thematikunterricht wurden mithilfe der Skalen zur mo-
Stockey & Wilde, 2013). Zu diesen grundlegenden Kur-           tivationalen Regulation beim Lernen (SMR-L) erfasst
sen zählen der Basiskurs Naturwissenschaften (BaNa)            (Thomas & Müller, 2015). Dieser standardisierte Fra-
und der Basiskurs Mathematik (BaMat). Der Basiskurs            gebogen bestand aus vier Subskalen, die die Regulati-
Naturwissenschaften als fächerübergreifender Kurs              onstypen intrinsisch (drei Items), identifiziert (drei
vermittelt Kompetenzen in den Fächern Biologie, Che-           Items), introjiziert (vier Items) sowie external (drei
mie sowie Physik und ist stark experimentell und an-           Items) abbildeten. Die eingesetzten Items wurden ent-
wendungsbezogen ausgerichtet (Hahn, Stockey &                  sprechend für den Naturwissenschafts- und Mathema-
Wilde, 2011). Der Basiskurs Mathematik wiederum                tikunterricht angepasst und auf einer fünfstufigen Ra-
strebt ebenfalls eine solche verstärkte Anwendungsori-         tingskala (0 = trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu)
entierung zur Situierung der theoretischen Inhalte und         abgefragt. Die Reliabilitäten der Subskalen wiesen
Kompetenzen an. Alle Befragten nahmen sowohl am                Cronbachs α-Werte im zufriedenstellenden bis guten
Basiskurs Naturwissenschaften als auch am Basiskurs            Bereich auf (vgl. Tab. 1; Moosbrugger & Kelava,
Mathematik teil. Während der Experimentalgruppe I              2012).

Tabelle 1
Reliabilitäten der vier Subskalen (intrinsisch, identifiziert, introjiziert, external) der Skalen zur motivationalen
Regulation beim Lernen (Thomas & Müller, 2015)
                                       Beispielitem                                Cronbachs          Cronbachs
 Subskala         Meistens lerne ich in Naturwissenschaften/Mathema-              Alpha, Natur-         Alpha,
                  tik, …                                                         wissenschaften       Mathematik
 intrinsisch      … weil ich gerne über das Fach nachdenke.                            .82                .87
 identifiziert     … weil ich dazulernen möchte.                                         .74                   .80
 introjiziert      … weil es peinlich ist, nichts zu wissen.                             .77                   .79
 external          … weil ich sonst zu Hause Ärger bekomme.                              .65                   .71

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Mithilfe der Mittelwerte der vier Subskalen des SMR-          terricht im Pretest erhoben (vgl. Abb. 1). Die unterricht-
Ls konnte für jeden Lernenden der Selbstbestimmungs-          liche Intervention wurde folgend mit drei verschiede-
index (SDI) gemäß der folgenden Formel berechnet              nen Testgruppen durchgeführt. Die Schüler*innen aller
werden: (2 x intrinsisch + integriert) – (introjiziert + 2    Testgruppen wurden in einer fächerverbindenden Un-
x external) (Vallerand, 1997). Der SDI beschreibt auf         terrichtseinheit zwischen dem Naturwissenschafts- und
diese Weise den Regulationstyp der Schüler*innen und          Mathematikunterricht unterrichtet. Die Kontrollgruppe
kann Werte zwischen -12 und +12 annehmen. Je höher            wurde hierbei nach der gängigen Praxis und somit ohne
die Ausprägung des Wertes, desto selbstbestimmter             gestufte Lernhilfen unterrichtet. Während die Experi-
kann die motivationale Disposition des Lernenden in           mentalgruppe I unter Bezugnahme gestufter Lernhilfen
der jeweiligen Domäne beschrieben werden (Ryan &              im Basiskurs Naturwissenschaften binnendifferenziert
Connell, 1989).                                               unterrichtet wurde, erfolgte für die Experimentalgruppe
     4.2.2 Intrinsische Motivation im Naturwissen-            II der Einsatz gestufter Lernhilfen in beiden Fachdiszip-
schafts- und im Mathematikunterricht. Gestufte                linen, also im Naturwissenschafts- sowie im Mathema-
Lernhilfen sowie fächerübergreifender Unterricht kön-         tikunterricht (vgl. Abb. 1).
nen in einer erhöhten Kompetenzwahrnehmung sowie              In einem Posttest, der vier Wochen nach der Interven-
intrinsischen Motivation der Lernenden resultieren            tion stattfand, wurden die Lernenden zu ihrer Kompe-
(Bennett, Lubben & Hogarth, 2007; Hänze et al., 2010;         tenzwahrnehmung und ihrer selbstberichteten intrinsi-
Labudde, 2014; Schmidt-Borcherding et al., 2013). Aus         schen Motivation (Interesse/Vergnügen) im Naturwis-
diesem Grund wurden zur Erhebung im Naturwissen-              senschafts- und Mathematikunterricht befragt (vgl.
schafts- und im Mathematikunterricht die Subskalen            Abb. 1).
Wahrgenommene Kompetenz sowie Interesse/Vergnü-
gen der Kurzskala Intrinsischer Motivation (KIM;              4.4 Unterrichtliche Operationalisierung
Wilde, Bätz, Kovaleva & Urhahne, 2009) verwendet.             Die beschriebene Studie war in eine fächerübergrei-
Die zwei Subskalen umfassten insgesamt sechs Items.           fende Unterrichtssequenz aus den drei Elementen
Diese wurden auf einer fünfstufigen Ratingskala (0 =          „BaMat Element I (mathematische Vorbereitung) –
trifft gar nicht zu bis 4 = trifft völlig zu) erhoben. Die    BaNa Element II (Durchführung und Auswertung eines
Reliabilitäten der Subskalen lagen in einem zufrieden-        biologischen Experiments) – BaMat Element III (ma-
stellenden bis guten Bereich (Moosbrugger & Kelava,           thematische Anwendung)“, die in Kooperation der Na-
2012) und werden in Tabelle 2 dargestellt.                    turwissenschafts- und Mathematiklehrenden durchge-
                                                              führt wurde, integriert (Kleinert et al., 2020).
4.3 Untersuchungsdesign und Ablauf der Studie                 Die Unterrichtseinheit des Basiskurses Naturwissen-
Die vorliegende Untersuchung wurde als quasiexperi-           schaften beinhaltete die Konzeption, Durchführung und
mentelle Studie durchgeführt. Vor der unterrichtlichen        Auswertung des biologischen Experimentes „Die os-
Intervention wurde die motivationale Regulation der           motische Wirkung von Kochsalz – Ein Schülerexperi-
Lernenden im Naturwissenschafts- und Mathematikun-            ment zur Bestimmung der Zellsaftkonzentration bei

Tabelle 2
Reliabilitäten der zwei Skalen (Wahrgenommene Kompetenz, Interesse/Vergnügen) aus der Kurzskala Intrinsi-
scher Motivation (Wilde et al., 2009)
                                                                       Cronbachs         Cronbachs
 Skala                                 Beispielitem                   Alpha, Natur-        Alpha,
                                                                     wissenschaften      Mathematik
 Wahrgenommene             Mit meiner Leistung in der Unterrichtseinheit
                                                                                        .83                 .89
 Kompetenz                 bin ich zufrieden.

 Interesse /   Vergnü-     Die Tätigkeit in der Unterrichtseinheit hat
                           mir Spaß gemacht.                                            .87                 .91
 gen

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Abbildung 1. Pre-Post-Untersuchungsdesign der Studie mit integrierter unterrichtlicher Intervention im Naturwis-
senschafts- und Mathematikunterricht

verschiedenen Gemüsearten“ (Schumacher et al.,                an den folgenden sechs Auswertungsschritten des Ex-
2020). Dieses war in eine acht bis zehn Stunden umfas-        perimentes: Ermittlung der relativen Massendifferenz,
sende Unterrichtseinheit des Fachbereiches Biologie           Bestimmung der Mittelwerte der Messwerte, Erstellung
zum Thema Osmose, genauer zum Austausch mit der               des Diagrammes, Erklärung des Diagramms unter
Umwelt eingebettet. Während die Herangehensweise an           Rückbezug auf die Theorie der Osmose, Zeichnung ei-
das Experiment sowie die Festlegung der zu untersu-           ner Ausgleichsgeraden und Bestimmung der Zellsaft-
chenden Variablen im Plenum durchgeführt wurde, for-          konzentration (Bekel-Kastrup et al., 2020). Exempla-
mulierten die Schüler*innen eigenständig Fragestellun-        risch werden im Folgenden die gestuften
gen. Im Unterrichtsgespräch wurden folgend Hypothe-           Lernhilfen für die Aufgaben zur Erstellung der
sen (z.B. „Die untersuchten Gemüsearten besitzen un-          Mittelwerte aus den Messwerten dargestellt. Im
terschiedliche Zellsaftkonzentrationen.“) entwickelt          Rahmen dieser Teilaufgaben hatten die Lernenden
und es wurden die unabhängige Variable (Konzentra-            die Aufgabe, eine Formel für die Berechnung der
tion der Salzlösungen) sowie die abhängigen Variablen         Mittelwerte für die relativen Massendifferenzen pro
(relative Massendifferenz, d.h. Masse vor und nach der        Salzkonzentration zu entwickeln. Hierzu erhielten die
Inkubation in den Salzlösungen) festgelegt. Die Durch-        Schüler*innen zunächst einen lernstrategischen Hin-
führung erfolgte durch die Lernenden eigenständig in          weis. Dieser sollte an das Vorwissen der Lernenden an-
Gruppenarbeit. Auf Grundlage der erhobenen Daten              knüpfen, indem an die Analogien zur Formel der No-
und unter Rückbezug auf die erworbenen mathemati-             tendurchschnittsberechnung erinnert wird (Bekel-
schen Kompetenzen erstellten die Schüler*innen Wer-           Kastrup et al., 2020). In der Teillösung dieser gestuften
tetabellen, berechneten Mittelwerte und Fehlermaße,           Lernhilfe wurde die Berechnung des Mittelwertes
um diese in einem Diagramm mit einer Ausgleichsge-            exemplarisch anhand der Messwerte für eine Salzkon-
rade aufzutragen (Schumacher et al., 2020). Während           zentration angeführt (Bekel-Kastrup et al., 2020). Die
die Kontrollgruppe während der Auswertung des Expe-           Nutzung der gestuften Lernhilfen wurde hierbei durch
rimentes ohne gestufte Lernhilfen arbeitete, konnten die      die Lehrenden kontrolliert. Die Lernenden wurden da-
Experimentalgruppen I und II während der Auswertung           bei von den Lehrenden angehalten, bei etwaigen
des Experimentes auf gestufte Lernhilfen zurückgreifen        Schwierigkeiten die Hinweise der gestuften Lernhilfen
(Bekel-Kastrup, Hamers, Kleinert, Haunhorst & Wilde,          zu verwenden sowie zur Kontrolle die Teillösungen ein-
2020). Die gestuften Lernhilfen orientierten sich hierbei     zusehen.

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Die Unterrichtseinheiten des Basiskurses Mathematik           genommen. Die erste Voraussetzung für die Aufnahme
rahmten die Konzeption, Durchführung und Auswer-              der Kovariate, Unabhängigkeit der Kovariate von der
tung des biologischen Experimentes. Während im Ma-            Untersuchungsgruppe, war für beide Berechnungen ge-
thematikunterricht vor der Einheit im Basiskurs Natur-        geben (Naturwissenschaften: F(2,72) = 1.64, p = .202;
wissenschaften die Grundlagen der Thematik „Lineare           Mathematik: F(2,72) = 0.72, p = .492) (Field, 2013).
Funktionen“, d.h. Parameter, die unterschiedlichen Dar-       Zudem konnte die Homogenität der Regressionsstei-
stellungsformen sowie Darstellungswechsel einer line-         gungen als zweite Voraussetzung der Kovarianzanalyse
aren Funktion gelehrt wurden (Hamers, Bekel-Kastrup,          für die beiden Subskalen statistisch bestätigt werden
Kleinert, Tegtmeier & Wilde, 2020), fokussierte die           (Field, 2013).
Unterrichtssequenz nach der Einheit im Naturwissen-
schaftsunterricht die mathematische Anwendung der
vermittelten Inhalte aus Element II. Unter Bezugnahme         5 Ergebnisse
der gewonnenen Daten aus dem biologischen Experi-
ment erstellten die Lernenden lineare Funktionen in un-       Das Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss
terschiedlichen Darstellungsformen (Hamers et al.,            des Einsatzes gestufter Lernhilfen während der Aus-
2020). Für die Aufgabenbearbeitung in beiden Unter-           wertung eines biologischen Experimentes im Naturwis-
richtseinheiten des Basiskurses Mathematik konnten            senschaftsunterricht sowie während der Bearbeitung
                                                              des Themas Lineare Funktionen zum Mathematikunter-
die Lernenden der Experimentalgruppe II zudem ge-
                                                              richt auf die intrinsische Motivation der Lernenden
stufte Lernhilfen nutzen (Hamers et al., 2020). Die Ler-
                                                              im Naturwissenschafts- und Mathematikunterricht
nenden der Kontrollgruppe und Experimentalgruppe I
                                                              zu untersuchen. Die Ergebnisse für Naturwissen-
arbeiten in dieser Unterrichtseinheit ohne gestufte Lern-
                                                              schaften und Mathematik werden nachfolgend ange-
hilfen. Die gestuften Lernhilfen im Mathematikunter-
                                                              führt.
richt orientierten sich an den Schritten zur Erstellung ei-
ner linearen Funktionsgleichung aus einem Funktions-
                                                              5.1 Ergebnisse für die Unterrichtseinheit im Natur-
graphen. Die gestuften Lernhilfen zur Ermittlung der
                                                              wissenschaftsunterricht
Steigung sollen hier exemplarisch dargestellt werden.         Die Ergebnisse der ANCOVAs zeigten im Naturwis-
In einem inhaltlichen Hinweis erhielten die Lernenden         senschaftsunterricht keine signifikanten Unterschiede
einen ersten Impuls zur Feststellung gut ablesbarer           in der Wahrgenommene Kompetenz und auch nicht im
Punkte auf dem Funktionsgraphen. In der Teillösung            Selbstbericht intrinsischer Motivation, erhoben als Inte-
wurden anschließend die eingezeichneten Punkte sowie          resse/Vergnügen (vgl. Tab. 3). Für die Skala Wahrge-
das daraus resultierende Steigungsdreieck angeführt           nommene Kompetenz zeigten sich jedoch deutliche de-
(Hamers et al., 2020). Auf diese Weise wurde eine An-         skriptive Unterschiede im Vergleich der drei Untersu-
wendungsorientierung in den Mathematikunterricht in-          chungsgruppen (vgl. Tab. 3). Hier ist die Ausprägung in
tegriert, der die Relevanz mathematischer Kompeten-           Experimentalgruppe I am höchsten. Durch die AN-
zen für die Schüler*innen verdeutlichen sollte.               COVA wurde für diesen Vergleich eine mittlere Effekt-
                                                              stärke ersichtlich (Angabe der Effektstärke nach Cohen,
4.5 Statistische Auswertung                                   1988). In der Skala Interesse/Vergnügen konnten eben-
Die statistische Auswertung der erhobenen Daten er-           falls erhebliche deskriptive Unterschiede zwischen den
                                                              drei Untersuchungsgruppen festgestellt werden. Ler-
folgte mithilfe des Programmes IBM SPSS Statistics 26.
                                                              nende aus der Experimentalgruppe I wiesen auch hier
Zur Untersuchung des Einflusses des Einsatzes gestuf-
                                                              im Vergleich der Testgruppen deutlich höhere Ausprä-
ter Lernhilfen im Naturwissenschafts- und Mathematik-
                                                              gungen in dieser Skala auf (vgl. Tab. 3). Die ANCOVA
unterricht auf die intrinsische Motivation der Schü-
                                                              zeigte für diesen Vergleich einen tendenziell signifikan-
ler*innen im Naturwissenschafts- und Mathematikun-            ten Effekt des Treatments mit mittlerer Effektstärke
terricht wurde jeweils eine univariate Kovarianzana-          (vgl. Tab. 3; nach Cohen, 1988).
lyse (ANCOVA) für die zwei Subskalen angewendet.              Für die Kovariate, den Selbstbestimmungsindex, wur-
Um den Einfluss der im Pretest erhobenen dispositiona-        den tendenziell signifikante sowie signifikante Effekte
len motivationalen Regulation zu kontrollieren, wurden        auf die Skalen Wahrgenommene Kompetenz und Inte-
die entsprechenden Werte für Naturwissenschafts- und          resse/Vergnügen mit mittleren bis hohen Effektstärken
Mathematikunterricht als Kovariate in die Analyse auf-        gefunden (vgl. Tab. 3; nach Cohen, 1988). Diese vorab

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Tabelle 3
Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) sowie die Ergebnisse der ANCOVAs (Kovariate: SDI Naturwissen-
schaften Pretest) für die Skalen Wahrgenommene Kompetenz und Interesse/Vergnügen der drei Untersuchungs-
gruppen für die Unterrichtseinheit im Naturwissenschaftsunterricht
                              Untersuchungs-                                Effekte der          Zwischensubjekt-
 Skala                                                 M ± SD
                                  gruppe                                    Kovariate                effekte
                                    EG I             2.48 ± 0.86          F(1,71) = 3.94;         F(2,71) = 2.31;
 Wahrgenommene
                                   EG II             2.00 ± 0.90             p = .051;               p = .107;
 Kompetenz
                                     KG              1.87 ± 0.83             η2 = .05                η2 = .06

                                    EG I             2.19 ± 0.76
                                                                         F(1,71) = 14.71;         F(2,71) = 3.03;
 Interesse/ Vergnügen              EG II             1.58 ± 0.88            p = .000;                p = .055;
                                     KG              1.65 ± 0.71             η2 = .17                η2 = .08

identifizierte motivationale Disposition spielte also eine    scher Motivation, gemessen durch Interesse/Vergnü-
erhebliche Rolle für die tätigkeitsbezogene intrinsische      gen, konnten keine statistisch signifikanten Effekte zwi-
Motivationsqualität der Schüler*innen in der Unter-           schen den Untersuchungsgruppen festgestellt werden
richtseinheit im Naturwissenschaftsunterricht während         (vgl. Tab. 4).
der Bearbeitung des biologischen Experiments.                 Für die Kovariate waren signifikante Effekte auf die
Die Ergebnisse bezüglich des biologischen Experimen-          beiden Skalen mit mittlerer bis hoher Effektstärke zu
tes in der Unterrichtseinheit im Naturwissenschaftsun-        berichten (vgl. Tab. 4; nach Cohen, 1988). Es zeigte
terricht zeigten deutliche deskriptive Unterschiede so-       sich demnach, dass die vorab festgestellte motivationale
wie tendenziell signifikante Unterschiede in den Skalen       Disposition der Lernenden im Mathematikunterricht
Wahrgenommene Kompetenz sowie Interesse/Vergnü-               eine wesentliche Rolle für die tätigkeitsbezogene intrin-
gen zugunsten der Lernenden, die im biologischen Ex-          sische Motivationsqualität spielte.
perimentierprozess gestufte Lernhilfen nutzten (EG I).        Für die Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht
Die Schüler*innen, die im Mathematikunterricht zu-            wurden signifikante Unterschiede in der Skala Wahrge-
sätzlich Unterstützung in Form gestufter Lernhilfen er-       nommene Kompetenz zugunsten der Schüler*innen, die
hielten (EG II), zeigten in keiner der beiden Skalen hö-      im biologischen Experimentierprozess gestufte Lernhil-
here Ausprägungen. Der Einsatz gestufter Lernhilfen           fen verwendeten (EG I), ersichtlich. Die Lernenden, für
beim biologischen Experimentieren könnte demnach ei-          die zusätzliche gestufte Lernhilfen im Mathematikun-
nen Einfluss auf die intrinsische Motivation der Lernen-      terricht implementiert wurden (EG II), zeigten hier
den gehabt haben, während die zusätzliche Nutzung ge-         keine höhere Ausprägung. Der Einsatz gestufter Lern-
stufter Lernhilfen im Mathematikunterricht keinerlei          hilfen beim biologischen Experimentieren hatte dem-
Hinweise auf eine erhöhte Motivation in der Unter-            nach einen Einfluss auf die Kompetenzwahrnehmung
richtseinheit im Naturwissenschaftsunterricht hervor-         der Lernenden, während die Nutzung zusätzlicher ge-
bringen konnte.                                               stufter Lernhilfen im Mathematikunterricht keinerlei
                                                              Hinweise auf eine erhöhte wahrgenommene Kompe-
5.2 Ergebnisse für die Unterrichtseinheit im Mathe-           tenz in der Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht
matikunterricht                                               liefern konnte. Die Lernenden der Untersuchungsgrup-
Die Ergebnisse der ANCOVAs für den Mathematikun-              pen unterschieden sich nicht in ihrem Interesse/Vergnü-
terricht zeigten für die Skala Wahrgenommene Kompe-           gen in der Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht.
tenz signifikante Effekte des Treatments mit mittlerer        Demnach wurden keine Hinweise für einen Einfluss der
Effektstärke (vgl. Tab. 4; nach Cohen, 1988). Lernende        gestuften Lernhilfen im Naturwissenschafts- und Ma-
aus der Experimentalgruppe I wiesen im Vergleich der          thematikunterricht auf die Ausprägung des Interes-
Testgruppen deutlich höhere Ausprägungen in dieser            ses/Vergnügens in der Unterrichtseinheit des Mathema-
Skala auf (vgl. Tab. 4). Für den Selbstbericht intrinsi-      tikunterrichts ersichtlich.

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Tabelle 4
Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) sowie die Ergebnisse der ANCOVAs (Kovariate: SDI Mathematik
Pretest) für die Skalen Wahrgenommene Kompetenz und Interesse/Vergnügen der drei Untersuchungsgruppen für
die Unterrichtseinheit im Mathematikunterricht
                              Untersuchungs-                                Effekte der        Zwischensubjekt-
 Skala                                                 M ± SD
                                  gruppe                                    Kovariate              effekte
                                    EG I             2.49 ± 1.18         F(1,71) = 11.24;        F(2,71) = 3.18;
 Wahrgenommene
                                   EG II             2.03 ± 1.11            p = .001;               p = .048;
 Kompetenz
                                     KG              1.76 ± 1.29             η2 = .14               η2 = .08

                                    EG I             1.68 ± 1.22          F(1,71) = 6.48;        F(2,71) = 0.18;
 Interesse/ Vergnügen              EG II             1.44 ± 1.04             p = .013;              p = .833;
                                     KG              1.67 ± 1.22             η2 = .08               η2 = .01

6 Diskussion                                                  waren somit vermutlich in der Lage, auch das komple-
                                                              xere Aufgabenformat der Auswertung des biologischen
Der Fokus der vorliegenden Studie lag auf der Untersu-        Experimentes eigenständig zu lösen (Hänze et al.,
chung des Einflusses des Einsatzes gestufter Lernhilfen       2010). Es kann daher vermutet werden, dass die Integra-
während der Auswertung eines biologischen Experi-             tion der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise des Ex-
mentes sowie der zusätzlichen gestuften Lernhilfen in         perimentierens als ohnehin interessen- und motivations-
der Unterrichtseinheit zu Linearen Funktionen in Ma-          fördernd (Schiepe-Tiska et al., 2019) durch den Einsatz
thematik auf die intrinsische Motivation der Schü-            der instruktionalen Unterstützungen in Form der gestuf-
ler*innen in den Unterrichtseinheiten im Naturwissen-         ten Lernhilfen zusätzlich gesteigert werden konnte.
schafts- und Mathematikunterricht. Die Ergebnisse die-        Diese gewährleisten die Strukturierung des offenen bi-
ser Untersuchung zeigten für das biologische Experi-          ologischen Experimentierprozesses und insbesondere
mentieren in der naturwissenschaftlichen Unterrichts-         der Auswertung, welche aus lernpsychologischer Sicht
einheit deutliche deskriptive Unterschiede in der Kom-        durch die Reduktion der kognitiven Belastung zu einem
petenzwahrnehmung sowie tendenziell signifikante Un-          effektiven Lernprozess und durch die erhöhte Autono-
terschiede im Selbstbericht der intrinsischen Motivation      mie- und Kompetenzwahrnehmung zu einer weiteren
(Interesse/Vergnügen) im Vergleich der drei Testgrup-         Motivationsförderung beitragen können (Arnold et al.,
pen. Diese Gruppenvergleiche wiesen mittlere Effekt-          2017; Kirschner et al., 2006; Ryan & Deci, 2017). Po-
stärken auf (Cohen, 1988). Für die Mathematik-Per-            sitive Erlebensqualitäten, die durch die Befriedigung
spektive wurden diese Ergebnisse nur z. T. ersichtlich.       der drei psychologischen Grundbedürfnisse (Ryan &
Hier konnten für die wahrgenommene Kompetenz sig-             Deci, 2017) gefördert werden können, spielen eine we-
nifikante Unterschiede mit mittlerer Effektstärke zwi-        sentliche Rolle für die Entwicklung intrinsischer Moti-
schen den Untersuchungsgruppen berichtet werden               vation und von Interesse (Hidi & Renninger, 2006;
(Cohen, 1988).                                                Krapp, 2005). Niemiec und Ryan (2006) führen aus die-
Die deskriptiv höhere Kompetenzwahrnehmung der Ex-            sem Grund an, dass die Befriedigung der basic needs
perimentalgruppe I während der Auswertung des biolo-          zur verstärkten Auseinandersetzung der Schüler*innen
gischen Experimentes im Vergleich zu den weiteren             mit dem Lerngegenstand führen kann. Für die vorlie-
Testgruppen könnte durch die eigenständigkeitsför-            gende Untersuchung könnte demnach die erhöhte Kom-
dernde Wirkung der gestuften Lernhilfen begründet             petenzwahrnehmung der Experimentalgruppe I in ei-
werden (Hänze et al., 2010). Die Lernenden, die mit ge-       nem gesteigerten Interesse während des biologischen
stuften Lernhilfen während der Auswertung des Expe-           Experimentierens in der naturwissenschaftlichen Unter-
rimentes im Naturwissenschaftsunterricht arbeiteten,          richtseinheit resultieren. Vor diesem Hintergrund könn-
fühlten sich kompetenter als die weiteren Untersu-            ten die tendenziell signifikanten Effekte im Selbstbe-
chungsgruppen. Sie konnten entsprechend ihres Leis-           richt der intrinsischen Motivation (Interesse/Vergnü-
tungsniveaus die gestuften Lernhilfen anwenden und            gen) zugunsten der Experimentalgruppe I begründet

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werden. Für anschließende empirische Studien scheint          Zusammenfassend stützten unsere Befunde teilweise
es weiterhin interessant, einen zusätzlichen Fokus auf        die Hypothese, dass Schüler*innen, die gestufte Lern-
den Einfluss der eigenständigkeitsfördernden gestuften        hilfen während der Auswertung des biologischen Expe-
Lernhilfen auf das Autonomieerleben der Lernenden zu          rimentes nutzten, eine höhere Kompetenzwahrnehmung
legen. Auf diese Weise könnte das Zusammenspiel der           und intrinsische Motivation im Naturwissenschafts-
basic needs auf die Entwicklung intrinsischer Motiva-         (H1a) und Mathematikunterricht (H1b) aufwiesen so-
tion im Kontext der Verwendung gestufter Lernhilfen           wie die Ergebnisse der bisher vorliegenden Studien zum
untersucht werden.                                            positiven Einfluss der Nutzung gestufter Lernhilfen auf
Neben den höchsten Ausprägungen der Experimental-             die intrinsische Motivation der Schüler*innen (Hänze et
gruppe I bezüglich der Kompetenzwahrnehmung und               al., 2010; Schmidt-Borcherding et al., 2013; Schmidt-
der selbstberichteten intrinsischen Motivation während        Weigand et al., 2009).
des biologischen Experimentierens in der naturwissen-         Entgegen der Annahmen der höheren Kompetenzwahr-
schaftlichen Unterrichtseinheit könnten umgekehrt die         nehmung und intrinsischen Motivation in den Unter-
im Vergleich der Untersuchungsgruppen geringsten              richtseinheiten im Naturwissenschafts- (H2a) und Ma-
Ausprägungen der Kontrollgruppe für die Kompe-                thematikunterricht (H2b) zugunsten der Lernenden, die
tenzwahrnehmung erklärlich sein. Unter Bezugnahme             gestufte Lernhilfen in beiden Unterrichtsfächern ver-
der Cognitive Load Theory könnten mit fehlenden               wendeten, berichteten die Lernenden der Experimental-
Strukturierungsmaßnahmen der gestuften Lernhilfen             gruppe II geringe Ausprägungen bezüglich der Skalen
während des komplexen Experimentier- und Auswer-              für beide Unterrichtsfächer im Vergleich zur Experi-
tungsprozesses eine hohe kognitive Belastung sowie            mentalgruppe I. Diese Ergebnisse könnten über das
eine Überforderung der Schüler*innen einhergehen              Format der eingesetzten gestuften Lernhilfen im Mathe-
(Arnold et al., 2017; Kirschner et al., 2006). Die Ler-       matikunterricht begründet werden. Aus Rückmeldun-
nenden der Kontrollgruppe könnten sich aus diesem             gen der Lehrenden konnte entnommen werden, dass die
Grund als wenig kompetent wahrgenommen haben, was             Aufgabenformate nicht die von Stäudel et al. (2007) ge-
mit einer geringen intrinsischen Motivation einhergeht        fordert hohe Komplexität aufwiesen (Hamers et al.,
(Ryan & Deci, 2017).                                          2020). Zu leichte Aufgabenstellungen können gemäß
Vor diesem Hintergrund scheinen die Ergebnisse für            der Cognitive Load Theory in einer Unterforderung der
den Mathematikunterricht, insbesondere bezüglich der          Schüler*innen resultieren (Kirschner et al., 2006). Paas,
Kompetenzwahrnehmung, interessant. So berichteten             Renkl und Sweller (2004) führen als Folge der Unter-
die Lernenden, die lediglich gestufte Lernhilfen wäh-         forderung eine Limitierung des Lernprozesses an. Die
rend der Auswertung des biologischen Experimentier-           Lernenden nahmen sich demnach bei der Aufgabenbe-
prozesses im Naturwissenschaftsunterricht nutzten,            arbeitung im Mathematikunterricht mithilfe der gestuf-
eine signifikant höhere Kompetenzwahrnehmung im               ten Lernhilfen u. U. wenig kompetent wahr. Die mögli-
Vergleich der Untersuchungsgruppen. Möglicherweise            chen Einflüsse der kognitiven Belastung (bzw. mögli-
verknüpften die Schüler*innen ihre Erkenntnisse aus           cher kognitiver Unterforderung) auf die intrinsische
der Auswertung des biologischen Experiments, welche           Motivation sollten daher in Folgestudien fokussiert
sie gestützt durch die Lernhilfen kompetent durchfüh-         werden. Zudem könnten die Lernenden der Experimen-
ren konnten, auf die Aufgabenbearbeitung im Themen-           talgruppe II, welche die als wenig lernwirksam wahrge-
bereich Lineare Funktionen in der mathematischen Un-          nommenen Lernhilfen im Mathematikunterricht nutz-
terrichtseinheit. Neben der erhöhten Kompetenzwahr-           ten, möglicherweise bei der weiteren Verwendung der
nehmung dieser Lernenden durch die eigenständige Be-          Lernhilfen während des biologischen Experimentes
arbeitung der mathematischen Aufgabenformate ge-              „voreingenommen“ gewesen sein. Negative Einstellun-
währleistete die Darbietung des authentischen Kontex-         gen zur Nutzung der gestuften Lernhilfen könnten dem-
tes eine Anwendungsorientierung der mathematischen            nach die niedrigeren Ausprägungen der Experimental-
Fachinhalte, die gemäß Schiepe-Tiska et al. (2013) mit        gruppe II in den Skalen Kompetenzwahrnehmung und
einer Motivations- und Interessenförderung in der Un-         Interesse/Vergnügen erklären.
terrichtseinheit im Mathematikunterricht einhergehen          Zudem könnte die nicht hinreichend explizite Verknüp-
könnte.                                                       fung des Themas Lineare Funktionen und der Auswer-

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tung des biologischen Experimentes durch die Lernen-          nale Referenzgröße wird im Pretest die motivationale
den eine Erklärung für die im Vergleich zur Experimen-        Regulation im Fach Biologie erhoben. Der Vergleich
talgruppe I geringeren Ausprägungen der Experimen-            der Untersuchungsgruppen zeigte keine Unterschiede
talgruppe II liefern. So könnte die Notwendigkeit der         in Bezug auf die motivationale Regulation. Die
Thematik der Linearen Funktionen für die Auswertung           Ergebnisse bezüglich des Einflusses der Intervention
des biologischen Experimentes nicht deutlich genug ge-        auf die wahrgenommene Kompetenz und auf das
wesen sein. Dies wurde durch Kurzbefragungen der              Interesse/Vergnügen der Schüler*innen sollten im
Lernenden zur Implementierung der gestuften Lernhil-          Bewusstsein dieses methodischen Umstandes interpre-
fen im fächerübergreifenden Unterrichtskonzept er-            tiert werden. Darüber hinaus sollte die fehlende direkte
sichtlich (Bekel-Kastrup et al., 2020; Hamers et al.,         Kontrolle der Lernhilfe-Nutzung als Limitation ange-
2020).                                                        führt werden. Die Lernenden wurden während der Aus-
Als eine Limitation könnten die Bedingungen der Erhe-         wertung des Experimentes von den Lehrenden angehal-
bungen genannt werden. Diese wurden im Naturwissen-           ten, die gestuften Lernhilfen zu verwenden. Jedoch
schaftsunterricht durchgeführt, sodass dieser Kontext         wurde die Nutzung der Lernhilfen nicht explizit kon-
auch die Lernenden in ihrer Bearbeitung der Fragebö-          trolliert. In Folgestudien könnte die Verwendung der
gen beeinflusst haben könnte. Als eine weitere Limita-        Lernhilfen während des Experimentierprozesses zu-
tion der vorliegenden Untersuchung kann der eher ge-          sätzlich erhoben werden, um etwaige Effekte durch die
ringe Stichprobenumfang angeführt werden. Während             Hilfenutzung erklären zu können. Darüber hinaus kann
die Signifikanz p von der Stichprobengröße N abhängig         angeführt werden, dass die untersuchten abhängigen
ist, kann das Effektstärkemaß partielles Eta-Quadrat          Variablen Wahrgenommene Kompetenz und Inte-
als stichprobenunabhängig beschrieben werden (Field,          resse/Vergnügen auf Selbsteinschätzungen der Lernen-
2013). Vor diesem Hintergrund kann vermutet werden,           den basieren. Im Hinblick auf Folgeuntersuchungen
dass einige der vorliegenden deskriptiven Unterschiede        könnten neben diesen Selbstberichten auch die Lernzu-
zwischen den Untersuchungsgruppen mit mittleren Ef-           wächse der Schüler*innen gemessen werden, um die
fektstärken für die Wahrgenommene Kompetenz und               Lernwirksamkeit gestufter Lernhilfen zusätzlich zu prü-
das Interesse/Vergnügen, insbesondere für das biologi-        fen.
sche Experimentieren im Naturwissenschaftsunterricht,         Ziel der vorliegenden Studie war es, die Einflüsse der
bei einer erhöhten Stichprobengröße als statistisch sig-      Nutzung gestufter Lernhilfen während der Auswertung
nifikant berichtet werden könnten (Field, 2013). Die          eines biologischen Experimentes und im Rahmen einer
vorliegende Untersuchung könnte demnach als Pilotstu-         Unterrichtseinheit zu Linearen Funktionen im Mathe-
die bezeichnet werden. Mithilfe von statistischen             matikunterricht auf die intrinsische Motivation der
Poweranalysen konnten unter Berücksichtigung des              Schüler*innen zu untersuchen. Für die Unterrichtsein-
Signifikanzniveaus (α = .05), der Teststärke (1-ß = .80)      heiten im Naturwissenschafts- und Mathematikunter-
sowie der Effektstärken dieser Studie a posteriori der        richt legen die Ergebnisse dieser Pilotstudie positive Ef-
benötigte Stichprobenumfang berechnet werden. Die             fekte der gestuften Lernhilfen, die während der Aus-
benötigte Stichprobe sollte demnach, je nach Skala, in        wertung des biologischen Experimentes von den Ler-
etwa die doppelte Anzahl von Lernenden enthalten              nenden genutzt wurden, auf eine Förderung der Kompe-
(Wahrgenommene Kompetenz: 156 Probanden; Inte-                tenzwahrnehmung und der selbstberichteten intrinsi-
resse/Vergnügen: 114 Probanden). Ausgehend von der            schen Motivation dar. Diese könnten einerseits in dem
geringen Stichprobengröße ergeben sich Limitationen           binnendifferenzierenden und selbstständigkeitsfördern-
im Hinblick auf die statistische Auswertungsmethodik          den Charakter der instruktionalen Unterstützungen be-
der vorliegenden Studie. Für detailliertere Gruppenver-       gründet werden. Andererseits könnte die aus lernpsy-
gleiche sollten neben den ANCOVAs Kontraste gerech-           chologischer Perspektive geringe kognitive Belastung
net werden. Diese können jedoch aufgrund des niedri-          durch die Nutzung gestufter Lernhilfen während des
gen Stichprobenumfangs nicht durchgeführt werden              Experimentierprozesses eine wesentliche Rolle zur Er-
(Field, 2013). Als weitere Limitation könnte angemerkt        klärung der vorliegenden Befunde spielen. Der Einsatz
werden, dass die wahrgenommene Kompetenz und das              gestufter Lernhilfen könnte demnach die Bearbeitung
Interesse/Vergnügen im Biologieunterricht im Pretest          komplexer Problemstellungen, beispielsweise die Aus-
nicht sinnvoll erhoben werden können. Als motivatio-          wertung eines biologischen Experimentes gewährleis-

ZDB ● Zeitschrift für Didaktik der Biologie - Biologie Lehren und Lernen 26. Jg. 2022                                13
doi: 10.11576/zdb-5205
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