Der G7-Gipfel: Schub für die internationale Klimakooperation?
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NR. 33 MAI 2022 Einleitung Der G7-Gipfel: Schub für die internationale Klimakooperation? Optionen und Prioritäten für die deutsche G7-Präsidentschaft Susanne Dröge / Marian Feist Beim G7-Gipfel im Juni 2022 auf Schloss Elmau will die Bundesregierung die inter- nationale Klimakooperation voranbringen und dazu einen Klimaclub gründen. Dieser soll die Umsetzung der Pariser Klimaziele fördern und bestenfalls zu einer breiten Allianz ambitionierter Länder wachsen. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine stellen sich nun aber drängende Fragen der energiepolitischen Zusammen- arbeit in der G7. Versorgungssicherheit als kurzfristige Priorität muss mit dem klima- politischen Ziel einer schnelleren Dekarbonisierung und der internationalen Klima- agenda in Einklang gebracht werden. Dazu kann ein Klimaclub Impulse setzen, und zwar mit Verabredungen über gemeinsame regulatorische Ansätze und Klimaprojek- te. Mit Blick auf den internationalen Klimaprozess muss aber vermieden werden, dass die Initiative als Club der reichen Staaten aufgefasst wird. Die Bundesregierung sollte daher das Augenmerk auf die Erwartungen an ihren Vorstoß richten: Nötig sind Signale für die COP27 im Herbst in Ägypten, vor allem mittels steigender Klima- finanzierung. Ebenso gilt es, den G7-Club als ambitionierte, aber inklusive Initiative zu gestalten. Schon auf der Vertragsstaatenkonferenz Verflechtungen weder ihren Green Deal der Klimarahmenkonvention der Vereinten noch die im Europäischen Klimagesetz Nationen (United Nations Framework Conven- verankerten Ziele im Alleingang umsetzen tion on Climate Change, UNFCCC) in Glasgow kann. Der Krieg in der Ukraine hat die Be- (Conference of the Parties, COP26) ging es da- dingungen für ambitionierte Klimapolitik rum, wie sich die nationalen Klimapolitik- auf der Ebene der Vereinten Nationen kom- pläne schneller verwirklichen ließen (siehe plizierter gemacht, weil sich damit viel SWP Comment 2/2022). Hierfür wurden politische Aufmerksamkeit auf sicherheits- auch mit deutscher Beteiligung einige neue politische Fragen und Energieversorgung Initiativen zum Klimaschutz aus der Taufe konzentriert und die Frage nach dem Um- gehoben. Intensivere Zusammenarbeit ist gang mit Russland die klimapolitische Ko- wichtig, weil die EU aufgrund ihrer viel- operation zentraler Akteure überlagert. fältigen ökonomischen und politischen Wovon hängen unter den aktuellen politi-
schen Vorzeichen die Chancen für einen ohne CO2-Preis verlagert (Carbon Leakage), Klimaclub ab, und wie passt er in das womit für den Klimaschutz letztlich nichts Gesamtgefüge der internationalen Klima- gewonnen wäre. kooperation? Dass die Länder mit den historisch meis- ten Treibhausgasemissionen den wesent- lichen Teil des globalen Klimaschutz leisten Klimaclubs und der Vorschlag der müssen, ist zudem ein häufig formulierter Bundesregierung Gedanke. Da jedoch China und Indien inzwischen neben den USA und der EU zu Die Idee eines Klimaclubs ist nicht neu. den größten Emittenten gehören, reichen Seit längerem gibt es in den internationalen die Klimaschutzmaßnahmen der Industrie- Klimaverhandlungen Gruppen von Staaten, länder allein nicht mehr aus. die in der Klimapolitik eng kooperieren, Die Bundesregierung betrachtet Klima- unter anderem regionale oder inhaltlich politik strategisch als festen Bestandteil orientierte Gruppen. Auch bei vergangenen ihrer Außenpolitik. Ihr Entwurf für einen G7- und G20-Gipfeln oder in verschiedenen Klimaclub, der im Rahmen der G7 voran- Initiativen und Programmen von Instituti- gebracht werden soll, zeichnet sich durch onen wie der Weltbank arbeiteten Länder mehrere Aspekte aus. So soll er das Fehlen zusammen, um gemeinsame Klimaprojekte von Durchsetzungsmechanismen im Pariser zu gestalten. Als 2009 der Klimagipfel in Abkommen ausgleichen. Dessen Bericht- Kopenhagen (COP15) kein neues umfassen- erstattungsprozesse (Pledge-and-Review) ver- des globales Klimaabkommen hervorbrach- leihen auch in Kombination mit der stetigen te, bekam die Idee, in kleinen Koalitionen Erhöhung des Ambitionsniveaus (Ratcheting- rascher Ergebnisse zu erzielen, weiteren Up) dem Klimaschutz bisher nicht die nötige Aufwind. Beispielsweise gründeten die USA Dynamik. Darüber hinaus zielt der Vor- 2009 dazu das Major Economies Forum on schlag darauf ab, die Clubmitglieder vor Energy and Climate Change (MEF). Auf Wettbewerbsnachteilen im internationalen diese Weise sollte das Fehlen eines globalen Handel zu schützen und Carbon Leakage Abkommens kompensiert werden. zu vermeiden. Mitglieder des Clubs mit ver- Aber auch nach Verabschiedung des gleichbaren CO2-Preissystemen könnten Pariser Abkommens 2015, das alle Staaten gemeinsam eine Abgabe auf Importe aus in die globale Klimapolitik einbindet, stellte Drittländern ohne vergleichbaren CO2-Preis sich die Frage, wie ambitionierte Staaten einführen, den sogenannten CO2-Grenz- den Klimaschutz zügiger voranbringen kön- ausgleich. Das schüfe zusätzlich Anreize für nen, wenn wichtige Akteure nicht im nöti- Innovationen in Klimaschutztechnologien gen Maße mitziehen. Denn das Pariser Ab- und brächte weitere Vorteile durch gemein- kommen schreibt keine verbindlichen Ziele same Leitmärkte, zum Beispiel für grünen zur Emissionsreduktion vor, sondern über- Wasserstoff. Außerdem werden in dem Vor- lässt die Zielformulierung den einzelnen schlag Offenheit und Inklusivität betont. Staaten. Daher besteht die Gefahr, dass Vor- Über Partnerschaften soll der Club zu einer reiter die Kosten tragen, während andere globalen Klimaallianz wachsen und seine als Trittbrettfahrer keinen ausreichenden Wirkkraft weit über die G7 hinaus entfalten. Beitrag leisten. Der Ökonom William Da viele Länder des Globalen Südens die Nordhaus stellte angesichts dieses Problems Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft 2015 eine in der Folge viel diskutierte Idee nicht erfüllen können, stellt die Bundes- für einen Klimaclub vor, dessen Mitglieder regierung in ihrem Vorschlag auch passende sich auf einen CO2-Preis einigen und sich Mittel zum Kapazitätsaufbau in Aussicht. mit einem gemeinsamen Außenzoll gegen dadurch entstehende Wettbewerbsnachteile absichern. So würde auch verhindert, dass sich die Nachfrage im Welthandel in Länder SWP-Aktuell 33 Mai 2022 2
Zwischen Exklusivität und Produkt- und Technologiestandards ergäben. Inklusivität Die steigende Nachfrage nach klimafreund- lichen Gütern durch öffentliche Aufträge Allianzen von Vorreiterstaaten stehen vor sowie Vorrang für Unternehmen aus Club- der Herausforderung, dem UNFCCC-Prinzip Mitgliedsländern schüfen weitere Club- der gemeinsamen, aber unterschiedlichen vorteile. Gemeinsame klimapolitische For- Verantwortungen (Common But Differentiated schungs- und Entwicklungsinitiativen Responsibilities and Respective Capabilities) für grüne Technologien – zum Beispiel Rechnung zu tragen. Demzufolge sollen Batterieentwicklung, grünen Wasserstoff, die Industrieländer, die historisch für den smarte Infrastrukturen oder Kreislauf- Klimawandel verantwortlich sind, auch wirtschaft – könnten zu neuen Leitmärkten entsprechend zum Klimaschutz beitragen. in den Mitgliedstaaten führen. Im besten Die Mitsprache der besonders betroffenen Falle würden sich auf diese Weise Liefer- Entwicklungsländer darf dabei nicht ein- und Wertschöpfungsketten im internatio- geschränkt werden. Ein Klimaclub funk- nalen Gefüge dauerhaft in Richtung einer tioniert aber gerade aufgrund exklusiver zunehmend dekarbonisierten Wirtschafts- Clubvorteile, zu denen nicht jedes Land weise verändern. sofort Zugang hat. Die Exklusivität setzt die Soweit die Idee – doch angesichts poli- Kooperationsanreize für solche Länder, tischer Prioritäten und des geoökonomi- die bisher ihre international versprochenen schen Kontextes ist es eine enorme politi- Klimaschutzanstrengungen nicht aus- sche Herausforderung, einen solchen Wan- reichend umsetzen. Die G7-Initiative sollte del einzuleiten und durchzusetzen. Zwar also das globale Potential einer solchen lauten die offiziellen Haltungen der amtie- Ansprache für die kommenden Jahre – renden G7-Regierungen gleich. Alle unter- auch über die deutsche Präsidentschaft stützen die internationale Klimaagenda hinaus – sorgsam sondieren. Je nachdem und die Ziele des Pariser Abkommens. Aller- um welche Clubvorteile es geht, könnten dings liegen ihre nationalen Ambitionen sich auch Länder der G20 wie Indien, China und deren Umsetzung nicht auf einer Linie. und Indonesien angesprochen fühlen. Damit eine große Zahl an Entwicklungs- Ausgangspunkte für die G7 ländern den G7-Vorstoß unterstützt, braucht man für die Zusammenarbeit eben- Mit dem europäischen bzw. britischen falls entsprechende Angebote. Emissionshandel haben die vier europäi- schen G7-Staaten bereits ein gemeinsames Instrument etabliert. In den USA dagegen Clubvorteile und ist auf absehbare Zeit kein nationaler CO2- gemeinsame Interessen Preis zu erwarten, und die Klimagesetz- gebung kommt nur langsam voran. Auch Die Bundesregierung schlägt für einen die japanische Regierung plant aktuell kein Klimaclub zuvorderst einen Mindest-CO2- CO2-Preissystem für Energieerzeuger und Preis vor und darauf aufbauend einen Industrie. Während Deutschland, Frank- gemeinsamen CO2-Grenzausgleich. Durch reich, Italien und Großbritannien zudem diese zwei Maßnahmen entstünde ein eine breit angelegte gemeinsame Klima- gemeinsamer Regulierungsraum. Trittbrett- governance haben, sind Anknüpfungsoptio- fahrer gäbe es nicht. Drittstaaten müssten nen von Japan, Kanada und den USA nur den Grenzausgleich zahlen und würden punktuell vorhanden. Japan, dessen Regie- sich – wie Nordhaus argumentiert – rung 2023 die G7-Präsidentschaft über- letztlich dem Club anschließen wollen. nimmt, hat das Ziel der Klimaneutralität Über diesen abgestimmten CO2-Preis bis 2050 ausgerufen und kann sich nach hinaus sind Vorteile denkbar, die sich bei- langem Widerstand nun vorstellen, eine spielsweise durch harmonisierte Emissions-, internationale CO2-Steuer für den Schiffs- SWP-Aktuell 33 Mai 2022 3
verkehr zu unterstützen. Wegen aktueller Unternehmen einen indirekten CO2-Preis wirtschaftlicher Probleme steht Klima- zu ermitteln. Auch könnten im Lichte des schutz indes nicht sehr weit oben auf der GSA weitere gemeinsame Dekarbonisie- politischen Agenda und wird von großen rungsinitiativen entwickelt werden, auf- Teilen der Bevölkerung eher als Elitenpro- grund derer schließlich die CO2-Emissionen jekt wahrgenommen. CO2-Preise wurden in der Industrieproduktion und damit auch Kanada und den USA auf Provinz- bzw. teil- die Berechnungsgrundlage für den CBAM weise auf Bundesstaatenebene eingeführt, sinken würden. aber es gibt keine einheitliche Vorgehens- Kurzfristig drängt nun aber die Energie- weise. Eine Verabredung der G7 über einen versorgungssicherung als gemeinsames CO2-Mindestpreis, die über eine Absichts- Interesse aller G7-Staaten in den Vorder- erklärung hinausginge, ist daher momen- grund. Der russische Angriff auf die Ukraine tan nicht realistisch. Stattdessen wäre die wird nicht nur in Europa, sondern weltweit Einigung auf eine gemeinsame regulatori- auf absehbare Zeit Lieferengpässe, steigende sche Basis eine naheliegende Option. Preise und veränderte Abhängigkeiten zur Weiterhin ist die Reduktion des CO2- Folge haben. Die Diversifizierung der Ener- Ausstoßes in energieintensiven Wirtschafts- gielieferbeziehungen und die Zusammen- zweigen (unter anderem Stahl, Zement und arbeit bei der Abfederung steigender Preise Aluminium) durchaus ein gemeinsames binden die Aufmerksamkeit der Staats- Interesse der EU, Japans und der USA. Mit und Regierungschefs. Es gibt bereits klima- einem Green Steel Arrangement (GSA) politische Vorhaben und Konzepte, beson- hatten die EU und die USA im Rahmen des ders die Steigerung der Energieeffizienz, G20-Gipfels in Italien 2021 Strafzölle auf den Ausbau erneuerbarer Energien, den Stahl und Aluminium sowie entsprechende Hochlauf der Wasserstoffproduktion und Gegenzölle abgeschafft. Bis 2024 soll darüber zudem nachhaltige Mobilitätsangebote. verhandelt werden, wie die beiden Parteien Diese Vorhaben sollten gemeinsam be- den Handel mit diesen energieintensiven schleunigt werden. Sie sind auch Antworten Gütern auch an Kriterien der CO2-Intensität auf jene makroökonomischen Heraus- ausrichten können. Das Thema eignet sich forderungen, die durch die Pandemie und daher gut für die G7. Einer sodann erstre- den Krieg in der Ukraine aufgetreten sind, benswerten Zusammenarbeit mit China, so etwa Preissteigerungen und die Suche welches zu den größten Handelspartnern nach weiteren Finanzierungsquellen für für energieintensive Güter gehört, steht staatliche Investitionen. aber entgegen, dass die US-Regierung beim GSA eine Kooperation mit China ausschlie- ßen will. Die USA und Japan haben mittler- Intensivierung von weile ebenfalls verabredet, gegenseitig Partnerschaften jenseits der G7 keine Stahlzölle mehr zu erheben. Eine weitere Hürde, die innerhalb der G7 Wie andere Staaten jenseits der G7 die deut- überwunden werden muss, ist der Umgang sche Club-Initiative wahrnehmen, wird maß- mit der von der EU geplanten Einführung geblich mitbestimmen, ob sie erfolgreich einer CO2-Grenzausgleichsabgabe (Carbon Partnerschaften aufbauen und Strahlkraft Border Adjustment Mechanism, CBAM, siehe entfalten kann. Aus der Perspektive beson- SWP-Studie 9/2021) auf Stahl und weitere ders vulnerabler Entwicklungsländer ist die energieintensive Produkte. Da nicht alle G7- Initiative wohl schon deshalb problematisch, Staaten einen CO2-Preis eingeführt haben, weil die G7-Staaten den Klimawandel maß- ist der CBAM derzeit eher ein Stolperstein als geblich verursacht haben und nicht alle von ein Hebel für die deutsche Initiative. Des- ihnen als Vorreiter bei der internationalen wegen wird darüber nachgedacht, die US- Klimakooperation gelten. Der Schutz vor Regulierungsmaßnahmen als äquivalent Wettbewerbsnachteilen, der im G7-Klima- anzuerkennen, also anhand der Kosten der club auch als Mittel zur Überwindung poli- SWP-Aktuell 33 Mai 2022 4
tischer Hindernisse gesehen wird, wirkt vor Können große Schwellenländer in diesem Hintergrund eigennützig. den Club? Auch um diesem Eindruck zu begegnen, ist es in der internationalen Klimapolitik Indonesien übernimmt 2022 den Vorsitz 2022 wichtig, dass die G7 die Klimafinan- der G20. Einzelne Schwellenländer aus zierung für Anpassung an den Klimawandel dieser Gruppe bedürfen besonderer Auf- sowie Verluste und Schäden – ein Schwer- merksamkeit, weil sie ihren Verbrauch von punkt der COP27-Verhandlungen – sichert Kohle weiter steigern wollen und aufgrund und die Geberländer sich verlässlich zeigen. der aktuellen Energiepreiskrise darin be- Vom Gipfel im Juni werden neue Zusagen stärkt werden. Es bleibt daher schwierig, erwartet. In ihrem Vorschlag regt die Bun- vor allem mit China und Indien gemein- desregierung konkret an, Einnahmen aus same Projekte zu identifizieren und die dem Grenzausgleichsmechanismus für Investitionen in Kohlekraftwerke zu brem- mehr internationale Klimafinanzierung sen. Zwar gibt es in China Bemühungen, aufzuwenden. die Emissionen zu reduzieren, unter ande- Konditionalität in Bezug auf finanzielle rem weil dort Luftverschmutzung durch Unterstützung bei Vermeidungs- und An- Kohleverbrennung gravierende gesundheit- passungsanstrengungen ist allerdings ein liche Folgen hat. In Indien und Indonesien Problembereich, der in den Klimaverhand- aber wird dieser Energieträger nach wie vor lungen zwischen Industriestaaten und Ent- als essentiell betrachtet, um wirtschaftlich wicklungsländern schon seit langem für aufholen zu können. Reibungen sorgt. Klimafinanzierung als Auch in dieser Frage wirkt sich der Krieg Clubvorteil in Aussicht zu stellen hieße, sie Russlands gegen die Ukraine aus. Der klima- an Bedingungen zu knüpfen – nämlich die politischen Notwendigkeit, mit den großen Kooperation mit der G7-Initiative und deren Schwellenländern zu kooperieren, steht Erfolg bei der Generierung neuer Einnah- zumindest kurzfristig entgegen, dass die men. Dass die G7-Länder in der Pflicht sind, Konfrontation Russlands mit dem Westen Anpassungs- und Vermeidungsbemühun- neue Verwerfungen in der energiepoliti- gen zu finanzieren, ergibt sich für Interes- schen Zusammenarbeit erzeugen kann. Die senvertreter des Globalen Südens aber allein Schwellenländer werden Sanktionen gegen aus der Dringlichkeit des Klimaproblems Kohle, Öl und Gas aus Russland nicht mit- sowie der historischen Verantwortung der tragen. Nun werden fossile Energieträger Industrieländer. Doch das Volumen der zwar teurer, aber es ist nicht ausgemacht, internationalen Klimafinanzierung wird dass China, Indien und Indonesien deswegen bisher weder dem Bedarf gerecht noch dem ihre Kohleausbaupläne zurückfahren. Versprechen der Industriestaaten, bis 2020 Letztlich wächst allenthalben die politische jährlich 100 Milliarden Dollar aufzubrin- Bedeutung der Versorgungssicherheit, und gen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist einige Vertreter dieser Länder deuten die es diplomatisch heikel, Finanzierung von jüngste Steigerung der europäischen Kohle- Einnahmen aus dem noch zu gründenden stromerzeugung als Abkehr vom Kohle- Club abhängig zu machen oder gar als Ko- ausstieg. Gemeinsame Interessen existieren operationsanreiz zu nutzen. Daher sollte indes weithin beim Zubau erneuerbarer unmissverständlich klargestellt werden, dass Energieträger, was sowohl die Versorgung sämtliche Klimafinanzierung im unmittel- als auch den Klimaschutz sichert. Es zeich- baren Zusammenhang mit dem Club aus- net sich ab, dass die EU und Deutschland schließlich neue und zusätzliche Gelder ent- auf diesem Weg auch den Einfluss auf hält, die spezifisch dem Kapazitätsaufbau einzelne G20-Staaten wie zuletzt Indien mit Blick auf die technischen und adminis- suchen, damit diese die Isolierung Russ- trativen Anforderungen einer Mitglied- lands auf den Energiemärkten mittragen. schaft dienen. Sollten einzelne Schwellenländer ein Interesse an CO2-Bepreisung entwickeln SWP-Aktuell 33 Mai 2022 5
oder vorhandene Pläne nachdrücklicher ausstieg und eine Kohlerenaissance müssen verfolgen, wird es vonnöten sein, ihre insti- dagegen unbedingt vermieden werden. An tutionellen und wirtschaftlichen Kapazitä- einer weiteren Diversifizierung der europä- ten realistisch einzuordnen und über die ischen Gasversorgung hin zu mehr Flüssig- politischen Vorteile dieses Instruments ins gas aus den USA wird auch in den Verhand- Gespräch zu kommen. Die G7- und die G20- lungen der europäischen G7-Umwelt- und Gipfel können hier Impulse setzen, wenn Energieminister kein Weg vorbeiführen. auch mit wenig bindender Kraft. Immerhin Hierbei sollten die Vertreterinnen und Ver- können Deutschland, Frankreich, Italien, treter gemeinsamen Maßnahmen zu größe- Großbritannien und Kanada – zusammen ren Einsparungen einen hohen Stellenwert © Stiftung Wissenschaft mit der EU – mit China und Südafrika einräumen, ebenso den Bemühungen, die und Politik, 2022 über die weitere gemeinsame Gestaltung Emissionsbilanz bei Gewinnung und Ver- Alle Rechte vorbehalten des Instruments sowie dessen Anrechnun- arbeitung dieses Energieträgers zu verbes- gen beim CBAM verhandeln: Diese beiden sern. Das Aktuell gibt die Auf- Länder haben bereits einen CO2-Preis. Zudem sollte die Bundesregierung die fassung der Autorin und des Autors wieder. Erwartungen an den Club dämpfen. Die G7 ist eine intergouvernementale Gesprächs- In der Online-Version dieser Optionen und Prioritäten für die plattform, die sich gerade aufgrund ihres Publikation sind Verweise deutsche G7-Präsidentschaft eher losen Charakters in der Geschichte als auf SWP-Schriften und flexibel und beständig erwiesen hat. Sie wichtige Quellen anklickbar. Der deutsche Anstoß für einen Klimaclub kann daher politischer Inkubator für eine SWP-Aktuells werden intern kann in der G7 nützlich sein, gemeinsame globale Klimaallianz sein, diese aber nicht einem Begutachtungsverfah- Formen der Zusammenarbeit bei der regu- mit einem verbindlichen Regelwerk ver- ren, einem Faktencheck und latorischen Umsetzung der Klimaziele zu sehen. Letztlich werden erfolgreiche Initia- einem Lektorat unterzogen. entwickeln, je nach Ambitionsniveau der tiven der G7 an internationale Institutionen Weitere Informationen einzelnen Partner. Das kann CO2-Preise, delegiert werden müssen. zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP- sektorale Initiativen und weitere Maßnah- Für die Umsetzung des Pariser Abkom- Website unter https://www. men umfassen. Für die japanische Regie- mens kann die Clubidee als Beitrag zu swp-berlin.org/ueber-uns/ rung muss dabei ein greifbares Projekt einem Prozess dienen, bei dem die Art der qualitaetssicherung/ identifiziert werden, welches sich für eine angebotenen Clubvorteile von vornherein Fortschreibung während der eigenen G7- auf die Interessen jener potentiellen Mit- SWP Stiftung Wissenschaft und Präsidentschaft 2023 eignet. Hierzu zählen glieder und Partner abgestimmt wird, die Politik Reduktionsziele für die Produktion energie- nicht der G7 angehören. Mit Indien, Süd- Deutsches Institut für intensiver Güter sowie die Investitionen in afrika, Senegal und G20-Gastgeber Indone- Internationale Politik und den Wasserstoffhochlauf. sien hat die Bundesregierung vier wichtige Sicherheit Der Krieg in der Ukraine bringt neue Partner zum G7-Gipfel in Deutschland ein- Herausforderungen für die globale Energie- geladen. Die Verständigung mit ihnen Ludwigkirchplatz 3–4 10719 Berlin versorgung mit sich. Daher sollte die Unter- würde ein wichtiges Zeichen der Inklusivi- Telefon +49 30 880 07-0 stützung der G7-Staaten untereinander – tät setzen. Damit käme die Bundesregie- Fax +49 30 880 07-100 aber auch für weitere Länder, die wegen rung voran auf dem schmalen Grat zwi- www.swp-berlin.org hoher Energiepreise Hilfe benötigen – schen der Stärkung internationaler Koope- swp@swp-berlin.org mit klimapolitischen Zielen in Einklang ration und deren wahrgenommener Aus- ISSN (Print) 1611-6364 gebracht werden. An oberster Stelle stehen hebelung durch das unabgestimmte Vor- ISSN (Online) 2747-5018 hier Finanzierung und Beschleunigung preschen einer Gruppe reicher Industrie- doi: 10.18449/2022A33 erneuerbarer Energieerzeugung und ent- staaten. sprechender Infrastrukturen sowie rasche Effizienzsteigerungen beim Verbrauch. Eine Abkehr vom Kohle-Finanzierungs- Dr. Susanne Dröge ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Globale Fragen. Dr. Marian Feist ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen. SWP-Aktuell 33 Mai 2022 6
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