Ein Insolvenzrecht für souveräne Staaten? - Carsten Hefeker - Wirtschaftsdienst
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SCHULDENKRISE Carsten Hefeker Ein Insolvenzrecht für souveräne Staaten? Auf der Jahrestagung des IWF im Oktober in Washington wurde ein Mechanismus zur Re- gulierung von Schulden souveräner Staaten diskutiert und vereinbart, bis zur Frühjahrsta- gung im April 2003 einen ausgearbeiteten Vorschlag vorzulegen. Ist ein Insolvenzrecht für Staaten sinnvoll? Können dadurch internationale Finanzkrisen leichter bereinigt werden? Notwendigkeit einer geordneten Umschuldung A rgentinien hat Anfang dieses Jahres seine Zah- lungsunfähigkeit erklärt, und auch für Brasilien erwarten Beobachter, dass es seine Auslandsschul- All dies könnte wesentlich weniger schmerzhaft ablaufen, gäbe es eine Möglichkeit, in einem geord- den nicht fristgerecht wird bedienen können , so dass neten Prozess und im Einvernehmen mit den Gläubi- eine Umstrukturierung der Schulden notwendig wird. gern eine Umstrukturierung der Schuld zu erreichen, In vielen anderen Ländern konnte ein Zahlungsausfall die einen längeren Zeitraum für die Bedienung oder nur durch massive Interventionen des Internationa- sogar eine teilweise Entschuldung vorsieht. Ganz so len Währungsfonds (IWF) verhindert werden1. Das wie dies auch der Fall ist, wenn ein Privatunternehmen typische Muster ist, dass die Währung des Landes die Insolvenz erklärt und dann in einem geordneten unter Spekulationsdruck gerät, die Zentralbank ihre Verfahren nach einem Weg gesucht wird, sowohl das Währungsreserven und oft auch Kredite von Seiten Unternehmen zu erhalten als auch die Gläubiger zu- der Internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF, frieden zu stellen. Kann eine solche einvernehmliche der Weltbank und den regionalen Entwicklungsban- Lösung gefunden werden, so ist mit neuen Finanzmit- ken darauf verwendet, die Währung zu verteidigen. teln für die betroffenen Staaten zu rechnen. Dieser Versuch schlägt aber meist fehl, so dass eine In Analogie zum privaten Sektor existieren bereits Abwertung nicht zu vermeiden ist. Damit mündet die seit der Zeit der Schuldenkrise in den 1980er Jahren Währungskrise oft in eine Verschuldungskrise. Vorschläge, ein solches Verfahren auch für Staaten einzuführen, wobei in den letzten Jahren der Bedarf Da die betroffenen Länder häufig den größten Teil hierfür stark angestiegen ist2. Waren es in den 1980er ihrer Schulden in ausländischer Währung aufgenom- Jahren noch im Wesentlichen Bankkredite, die notlei- men haben oder Kredite in heimischer Währung an dend wurden und nicht mehr bedient werden konnten, den Dollar indexiert sind, führt jede Abwertung zu so findet heute der größte Teil der Kreditvergabe in einer entsprechenden Erhöhung der Verschuldung in Form von Anleihen und Schuldverschreibungen statt. heimischer Währung. Unternehmen, die sich im Aus- Im Gegensatz zu Bankkrediten impliziert dies eine land verschuldet haben, werden insolvent; Banken, erheblich größere Zahl von Gläubigern, wodurch die die ausländische Kredite weitergegeben haben, gera- Koordination zwischen Gläubigern und eine Einigung ten unter Druck; und Regierungen sehen sich einer in- zwischen Gläubigern und Schuldnern erheblich er- ländischen Rezession gegenüber, die es ihnen schwer schwert wird. Entsprechend bedarf es heute dringen- macht, ihre eigenen Schulden zu bedienen. Wollen die der denn je eines Koordinationsmechanismus3. Staaten und Unternehmen nicht zahlungssäumig wer- Deshalb hat auch die Internationale Bürokratie in den, müssen sie entsprechend die letzten Reserven Gestalt von Anne Krueger, stellvertretende Chefin des mobilisieren und, im Falle des Staates, die Rezession IWF, einen entsprechenden Vorschlag im Spätherbst weiter durch Zins- und Steuererhöhungen verschär- 1 fen, auch um eine weitere Abwertung zu vermeiden. Für eine Chronologie und eine umfassende Diskussion, siehe B. E i - c h e n g r e e n : Financial Crises, Oxford 2002. Dennoch ist oft Zahlungsunfähigkeit das Ergebnis. 2 Für eine umfassende Chronologie dieser Ideen und ihrer Alternativen siehe K. R o g o f f , J. Z e t t e l m e y e r : Bankruptcy Procedures for So- vereigns: A History of Ideas, IMF-Working Paper, 02/133. Dr. Carsten Hefeker, 38, Privatdozent an der 3 Damals fanden die Umstrukturierungsverhandlungen im Rahmen der Universität Basel, ist Leiter der Abteilung so genannten Paris und London Clubs statt. Im „London Club“ kamen die Schuldner mit ihren privaten Bank-Gläubigern zusammen und im Weltwirtschaft im Hamburgischen WeltWirt „Paris Club“ mit souveränen Staaten als Gläubiger. Beide Verfahren schaftsArchiv (HWWA). existieren noch heute. 684 Wirtschaftsdienst 2002 • 11
SCHULDENKRISE 2001 aufgegriffen4. Auf der Jahrestagung des IWF im Der zweite Aspekt bei beiden Verfahren ist die so Oktober 2002 in Washington wurde der so genannte genannte Einbindung des privaten Sektors, indem Mechanismus zur Regulierung souveräner Schulden auch die privaten Gläubiger an der Lösung des Ver- zum offiziellen Thema, wobei vereinbart wurde, dass schuldungsproblems beteiligt werden. Bei den be- der IWF bis zur nächsten Frühjahrstagung im April treffenden Schulden handelt es sich in aller Regel um 2003 einen ausgearbeiteten Vorschlag vorlegen wird. hochverzinsliche Papiere, die mit einem besonderen Mit dieser Initiative kommt der IWF vielen Forderungen Ausfallrisiko behaftet sind. Damit ist klar, dass die von akademischer Seite und von Nichtregierungs- Gläubiger entsprechend an diesem Risiko beteiligt organisationen entgegen. Dieser Vorschlag soll aber werden. Zudem soll „moral hazard“ auf Seiten der ohne einen oft geforderten formalen supranationalen Gläubiger vermieden werden. Gerichtshof auskommen5. So wird vielfach behauptet, die Gläubiger seien in Allerdings hat sich seit April 2002 eine einflussrei- ihrer Kreditvergabe nicht hinreichend vorsichtig ge- che Gegenposition gebildet, die durch Staatssekre- wesen, da sie (häufig mit Recht) darauf spekulieren tär John Taylor vom US-amerikanischen Schatzamt würden, dass im Zweifelsfall die Internationalen Finanz- vertreten wird und offizielle Eingriffe ablehnt und auf institutionen eingreifen und mit Hilfe neuer Kredite die Marktmechanismen zur Lösung von Schuldproblemen Bedienung der alten Schulden ermöglichen würden. vertraut6. Unter dem Druck der amerikanischen Regie- Die privaten Anleger erhielten zwar die hohen Zinsen rungsposition und aufgrund des Widerspruchs von der riskanten Anlagen, ohne aber das Risiko tragen zu Geschäftsbanken wurde der IWF-Vorschlag deshalb müssen. Damit wären es schließlich die Steuerzahler relativ stark modifiziert und offiziell zum Teil einer zwei- der Geberländer, die über Beiträge zu den Internati- stufigen Vorgehensweise herabgestuft, in der auch onalen Finanzinstitutionen die Gewinne der Anleger eine Variante des Taylor-Vorschlags enthalten ist7. sichern. Durch eine Beteiligung der Anleger an den Einbindung des Privaten Sektors Kosten einer Umstrukturierung könnte diese Umver- teilung unterbunden werden8. Sowohl dem Verfahren des IWF als auch dem des USSchatzamtes ist gemeinsam, dass sie eine dop- Bei der Lösung des US-Schatzamtes wird darauf pelte Zielsetzung haben. Zum einen sollen sie dazu gesetzt, dass in die privaten Schuldverträge Klauseln dienen, hochverschuldete Staaten aus ihrer Schul- aufgenommen werden, die ein geordnetes Umstruk- denfalle zu befreien. Einem überschuldeten Staat soll turierungsverfahren im Insolvenzfall vorsehen, so durch die Umstrukturierung die Gelegenheit gegeben genannte „collective action clauses“. Dies würde eine werden, die gesamte Schuldenlast zu reduzieren. Regelung aufgreifen, die sich z.B. in Schuldverschrei- Mindestens ist jedoch eine Umschuldung vorgesehen, bungen englischen Rechts findet, nach der vorgese- indem die Kredite zu günstigeren Konditionen und hen ist, dass eine große Mehrheit der Gläubiger (z.B. für einen längeren Zeitraum vergeben werden. Dabei 80%) sich auf Umschuldung und Zahlungsaussetzung ist freilich nicht vorgesehen, die Schuldner ganz zu einigen und dies dann für den Rest der Gläubiger ver- entschulden oder das Umstrukturierungsverfahren zu bindlich ist. Damit wird verhindert, dass einige wenige einfach für sie zu machen, um nicht dem „moral ha- Gläubiger, die kooperationsunwillig sind, ein geordne- zard“ auf Seiten der Schuldner Vorschub zu leisten. tes Verfahren verhindern, indem sie vor Gericht auf so- 4 fortige und vollständige Bedienung ihrer Forderungen Erstmals in die Öffentlichkeit getreten mit ihrem Vorschlag ist A. Krueger in einer Rede; vgl. A. K r u e g e r : International Financial Ar- klagen. chitecture for 2002: A New Approach to Sovereign Debt Restructuring (www.imf.org/external/np/speeches/2001/112601.htm). Ausgearbei- 6 J. Ta y l o r : Sovereign Debt Restructuring: A US Perspective tet wurde der Vorschlag, mit verschiedenen Modifikationen, in: (www.treas.gov/press/release/po2056.htm). A. K r u e g e r : A New Approach to Sovereign Debt Restructuring, 7 International Monetary Fund, 2002. Den letzten Stand der Debatte Zur Position der Geschäftsbanken siehe die Stellungnahme des aus Sicht des IWF gibt J. B o r r m a n : Sovereign Debt Restucturing: Institute for International Finance (www.iif.com/press/pressrelease. Where Stands the Debate? (www.imf.org/external/np/speeches/2002/ quagga?id=34). 101702.htm). 8 Allerdings ist zu beachten, dass diese Vorstellung so nicht zutrifft. 5 Siehe hierzu J. S a c h s : Resolving the Debt Crisis of Low-Income Zwar ist richtig, dass die Internationalen Finanzinstitutionen unter Countries, Brookings Papers of Economic Activity, 1:2002, S. Umständen einen „bail out“ des privaten Sektors ermöglichen und 257-286, und A. P e t t i f o r : Chapter 9/11? Resolving International dass somit Moral hazard entsteht. Nicht richtig ist allerdings, dass Debt Crises - The Jubilee Framework for International Insolvency die Internationalen Finanzinstitutionen und damit die Steuerzahler der (www.jubileeplus.org). Dabei wird eine Analogie hergestellt zu Para- Mitgliedsländer die Kosten tragen. In den allermeisten Fällen werden graphen im amerikanischen Recht, die sich auf private Schuld (Chap- die Kredite der Internationalen Finanzinstitutionen bevorzugt bedient ter 11) oder auf Gebietskörperschaften (Chapter 9) beziehen. Solche und zurückgezahlt. Somit sind es die Steuerzahler in den Schuldner- Analogien sind natürlich unvollständig, weil es sich hier um souveräne ländern, die die Kosten der Verschuldung tragen; siehe O. J e a n n e , Staaten handelt, die nicht aufgelöst und verkauft werden können und J. Z e t t e l m e y e r : International Bailouts, Moral Hazard and Conditio- auch keine übergeordnete Ebene besitzen. nality, in: Economic Policy, 33 (2002), S. 407-432. Wirtschaftsdienst 2002 • 11 685
SCHULDENKRISE Dabei ist der Taylor-Vorschlag allerdings eine Er- ein Forum zur Lösung etwaiger Konfliktfälle. Außer- weiterung der einfachen „collective action clauses“ zu dem bestünde die Möglichkeit des Einsatzes von Ka- „super-collective action clauses“. Er enthält eine Re- pitalverkehrskontrollen, um den Abfluss von Mitteln für präsentationsklausel, die vorsieht, dass von Seiten der eine gewisse Zeit zu beschränken. Gläubiger eine Verbindungsstelle zum Schuldner ge- Nach Ansicht des IWF sollte die Rolle der Koordina- schaffen wird; es gibt eine „Initiationsklausel“, die mit tion beim IWF liegen, der auch das Verfahren einleiten der Eröffnung des Verfahrens rechtliche Schritte von soll. Mit Hilfe des IWF sollten dann Kriterien entwickelt Seiten einer Minderheit von Gläubigern ausschließt; werden, unter denen der Schuldenum- und -abbau und es gibt eine Aggregationsklausel, die Gläubiger stattfinden kann. Die Rolle des IWF wäre es zudem, über verschiedene Klassen von Schuldpapieren hin- dem Schuldner weiteres Kapital zur Verfügung zu stel- weg zusammenfasst. len, um damit die wichtigsten Bedürfnisse befriedigen Auch dies soll verhindern, dass sich, so wie bisher zu können. Durch die bevorzugte Bedienung neuer geschehen, einige Gläubiger einer geordneten Um- Gläubiger soll auch der Zufluss neuer privater Mittel schuldung oder Entschuldung widersetzen und auf erleichtert werden, was ausgeschlossen wäre, wenn Vollerfüllung ihrer Forderungen klagen. Als Beispiel neue Schuld alter untergeordnet würde. Als Streit- wird hier häufig der Fall von Elliott Associates gegen schlichtungsmechanismus ist ein Gremium von 21 Peru genannt, die 1996 Schuldpapiere im Wert von Personen vorgesehen, das zwar in Zusammenarbeit 20 Mrd. US$ auf dem Sekundärmarkt aufgekauft und mit dem IWF das Verfahren überwachen und auch sich einer Umschuldung, die von Peru angeboten wor- im Fall der Nichteinigung zwischen Gläubiger und den war, widersetzt hatten. Um ein Gerichtsverfahren Schuldner schlichten soll, aber ansonsten vom IWF zu vermeiden und die Umstrukturierungsverhandlun- unabhängig ist10. Vorgesehen ist, dass in diesem Gre- gen nicht zu gefährden, wurde ein Vergleich zwischen mium auch Vertreter der Finanzindustrie einen Platz Elliott und Peru geschlossen, bei dem die potenziellen haben, um deren Interessen zu vertreten. Kläger mit 56 Mrd. US$ abgefunden wurden, während Probleme mit der „Marktlösung“ der Rest der Gläubiger wesentlich weniger großzügig bedient wurde. Die beiden vorgeschlagenen Verfahren sind nicht ganz unproblematisch. Gegen „collective action clau- Wenn sich dieses Verhalten auf Gläubigerseite ses“ in ihrer herkömmlichen Form, und wie sie von Ver- durchsetzt, wird sich kaum ein Gläubiger noch zu ei- tretern der Finanzindustrie bevorzugt werden, spricht nem geordneten Verfahren bereit erklären. Dieses Ko- in erster Linie, dass sie jeweils nur für eine Klasse ordinierungsproblem soll dadurch vermindert werden, von Papieren gelten können. Es wäre also nötig, für dass sich eine qualifizierte Mehrheit auf die Um- oder jede Klasse eigene Verhandlungen zu führen11, da die Entschuldung einigen kann. Dann können sich weitere Schuldtitel möglicherweise von jeweils unterschied- Gläubiger dem Verfahren nicht mehr entziehen. lichen Gläubigern gehalten werden. Bei der großen Der IWF-Vorschlag hingegen sieht vor, dass eine Menge von unterschiedlichen ausstehenden Papieren Instanz geschaffen wird, die ganz offiziell ein Morato- ist dies ein erhebliches Unterfangen, das kaum als rium von Zahlungen beschließen kann und somit die effizient bezeichnet werden kann. Dieser Aspekt ist Schuldner vor ihren Gläubigern schützt. Ist ein solches allerdings im Vorschlag von Taylor aufgegriffen, indem Verfahren offiziell eingeleitet, wird gemeinsam mit eine Bündelung über verschiedene Schuldenklassen Schuldnern und Gläubigern versucht, eine Um- oder hinweg vorgesehen ist. Entschuldung zu erreichen9. Die wichtigsten Bestand- Ein weiterer negativer Aspekt ist, dass trotz dieser teile eines Mechanismus zur Regulierung souveräner Klauseln keine einvernehmliche Lösung erzwungen Schulden aus Sicht des IWF wären der Schutz der werden kann. Gelingt es einem Gläubiger wie Elliott ei- Schuldner vor den Gläubigern; eine Versicherung für ne Sperrminorität an Papieren auf dem Sekundärmarkt die Gläubiger, dass Anpassungsprogramme durch- zusammenzukaufen, kann er den Prozess wie bisher geführt werden; eine Priorität für neue Schulden, um aufhalten. Während dies einerseits eine Einigung er- somit neues Kapital ins Land zu bringen; eine Mehr- schwert, stellt es andererseits sicher, dass die Rechte heitsklausel, die es einer Minderheit unmöglich macht, der Gläubiger nicht allzu stark beschnitten werden. das Verfahren zu verzögern oder zu verhindern; und Dies ist im Vorschlag des IWF nicht vorgesehen. 9 Dabei kann ein solcher Mechanismus auch im Interesse der Gläubi- 10 A. K r u e g e r : Sovereign Debt Restructuring and Dispute Resolution ger sein. Gibt es keinerlei Verfahren zur Lösung von Schuldverhältnis- (www.imf.org/external/np/speeches/2002/060602.htm). sen souveräner Staaten, kann man erwarten, dass der Marktwert der Papiere stärker fällt als dies alternativ der Fall ist. Siehe A. K r u e g e r : 11 Argentinien z.B. hatte 88 verschieden Formen von Anleihen und A New Approach, a.a.O. Schuldverschreibungen emittiert. 686 Wirtschaftsdienst 2002 • 11
SCHULDENKRISE Ein weiteres Problem ist, dass sich traditionell sol- Richter in eigener Sache? che Klauseln nur in Papieren englischen Rechts befin- Doch auch der IWF-Vorschlag ist nicht unproble- den. Das heißt, sie müssten erst in anderen Ländern matisch. Auch seine Implementierung erfordert eine eingeführt werden, allen voran in den USA, in denen Überführung in nationales Recht, da sonst auf natio- rund 70% der Anleihen und Schuldverschreibungen naler Ebene weiter die Gefahr von Klagen gegen ein begeben werden. Bislang haben nur Kanada und Zahlungsmoratorium bestände. Die relativ einfachste Großbritannien solche Klauseln in ihrem Recht ver- Lösung wäre wahrscheinlich, eine Änderung der Sta- ankert, während die EU beschlossen hat, ab sofort tuten des IWF zu beschließen, die dann durch die in- solche Klauseln in Schuldpapiere aufzunehmen, die ternationale Verpflichtung der Mitgliedstaaten Vorrang unter ausländischem Recht emittiert werden. Und ob- vor dem nationalen Recht hätte. Somit könnte die wohl sich viele Industrieländer bereits 1995 für diese Wirksamkeit des Mechanismus sichergestellt werden. Lösung ausgesprochen und in verschiedenen Stel- Für die Änderung der IWF-Statuten wäre allerdings lungnahmen die Implementierung dieser oder einer eine qualifizierte Mehrheit von 85% nötig; die USA ähnlichen Lösung vorgeschlagen haben, muss man hätten eine Sperrminorität. konstatieren, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt aus die- Ein Vorteil wäre, dass ein solcher Mechanismus für sen Initiativen nichts geworden ist12. Selbst wenn eine alle Klassen von Schuldpapieren gelten würde, anders Umsetzung von „collective action clauses“ in nationa- als dies bei den einfachen „collective action clauses“ les Recht auf breiter Basis erfolgte, stellt nichts sicher, der Fall ist. Diese werden beispielsweise von Seiten dass sie in selber Weise interpretiert werden, was aber der Geschäftsbanken bevorzugt. Damit entfiele die nötig wäre, um eine universelle Lösung zu finden und Notwendigkeit, für jede Klasse ein Verfahren gleich das Abwandern der Emissionen an andere Plätze zu welcher Art einzuleiten. Auch wäre vorteilhaft, dass unterbinden. das Übergangsproblem auf elegante Art gelöst wür- Auf jeden Fall aber wird eine solche Regelung nur de, da ein solches Verfahren ab der Implementierung für neu emittierte Schuldpapiere gelten können, so wirksam wäre und keiner weiteren Verzögerung unter- dass eine umfassende Wirkung erst nach zehn oder liegen würde. noch mehr Jahren zu erreichen ist, wenn alle bislang Ein nicht zu unterschätzender Nachteil hingegen emittierten Papiere ausgelaufen sind. Um den Prozess ist, dass der IWF damit quasi zum Richter in eigener der Implementierung zu beschleunigen, wäre natürlich Sache gemacht würde. Da er ebenfalls in der Regel zu denkbar, dass alte ausstehende Papiere umgeschul- den Gläubigern gehört, besteht der Anreiz, sich selbst det und durch neue Emissionen ersetzt werden. Um als Beteiligten bevorzugt zu behandeln. Schon heute eine rasche Umsetzung zu erleichtern, wäre es nötig, wird kritisiert, dass Kredite der Internationalen Finanz- dass entsprechende Anreize geschaffen werden. Dis- institutionen in der Regel bevorzugt bedient werden kutiert wird, ob man nicht die Vergabe von IWF-Kredi- müssen und sie somit gegenüber den privaten Gläubi- ten an die Existenz von „collective action clauses“ in gern eine Sonderposition einnehmen15. den privaten Vereinbarungen binden sollte oder ob mit Nicht zuletzt auch wegen dieser Kritik sieht der IWF Hilfe finanzieller Unterstützung durch die Weltbank die für sich selbst jetzt eine geringere Rolle als noch an- Konditionen der Ersatzemissionen attraktiver gemacht fangs vor. Sicherlich auch als Reaktion auf den Wider- werden13. stand der USA gilt jetzt das zweistufige Verfahren als Befürchtet wird außerdem von Schuldnerseite, dass die offizielle Strategie des IWF, bei dem beide Mecha- solche Klauseln die Mittelaufnahme verteuern könn- nismen parallel verfolgt werden. Damit wird auch der ten, da quasi bereits bei der Emission auf einen etwa- generelle Vorwurf etwas entkräftet, dass ein weiteres igen Zahlungsausfall hingewiesen wird. Diese Furcht, Mal die Rolle der internationalen Bürokratie gestärkt so haben Untersuchungen gezeigt, ist allerdings kaum werde. Dies traf nicht nur auf Widerspruch vieler Kriti- gerechtfertigt14. Trotzdem bleibt potenziell die Gefahr ker des IWF in den Gläubigerländern, sondern weckte bestehen, dass eine Verlagerung der Emissionen in auch in den Schuldnerländern die Befürchtung, dass jene Länder stattfinden wird, die solche Klauseln nicht die Bevormundung durch die Internationalen Finanz- in ihr nationales Recht aufnehmen. institutionen weiter anwachsen würde. Obwohl man nun vorsieht, nicht den IWF, sondern eine unabhän- 12 Vorgeschlagen wurde dies erstmals im so genannten „Rey-Report“ der G–10. Für eine Chronologie der Initiativen, siehe B. E i c h e n - 15 Ein Argument, das für die Sonderbehandlung spricht, ist, dass diese g r e e n , a.a.O. Kredite in der Regel auch zu Sonderkonditionen vergeben werden und 13 Siehe hierzu J. Ta y l o r, a.a.O. auch vermieden werden soll, dass mit Hilfe der öffentlichen Gelder die privaten Gläubiger bedient werden, um das Moral-hazard-Problem zu 14 B. E i c h e n g r e e n , a.a.O. verringern. Siehe J. B o r r m a n , a.a.O. 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SCHULDENKRISE gige Kommission mit der Rolle der Konfliktlösung zu chanismen sind keine Lösung für die wirklich armen beauftragen, behält der IWF jedoch eine bedeutsame Ländern, denen nicht mit einer Umstrukturierung oder Rolle in diesem Verfahren. einem Teilabbau ihrer Schuld gedient ist, weil sie viel zu stark verschuldet sind und weil auch keine Aussicht Markt versus Bürokratie besteht, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern Durch die Angleichung von „super collective action könnte. Hier werden weiterhin andere Initiativen nötig clauses“ und dem modifizierten Krueger-Vorschlag sein. ist die Entscheidung für die eine oder andere Lösung Ungelöst ist außerdem die entscheidende Frage, wohl vor allem Ansichtssache. Auf der einen Seite wie die inländische Verschuldung behandelt werden steht das Gefühl, der Markt sei selbst am besten in der soll und ob auch die Verschuldung von Staaten bei Lage, seine Probleme zu lösen. Während man bezüg- Staaten eingeschlossen sein soll17. Findet eine Zah- lich der Selbstheilungskräfte des Marktes durchaus lungsaussetzung nur für ausländische Schulden statt seine Zweifel haben kann, ist die Stärkung der interna- und erstreckt sich ein Moratorium nicht auf die inlän- tionalen Bürokratie auch keine besonders erbauliche dischen Schulden, so werden die inländischen Gläubi- Aussicht. Dem IWF mehr Macht zukommen zu lassen ger bevorzugt. Werden, wie vorgesehen, weitere Mittel wird von vielen Leuten auch mit dem Argument abge- zu Verfügung gestellt, so besteht sogar die Gefahr, lehnt, dass er sich während der vergangenen Krisen dass diese an die inländischen Gläubiger fließen, was nicht gerade auf der Höhe der Zeit gezeigt habe. In nicht im Interesse der ausländischen Gläubiger sein einer Zeit, wo immer wieder seine Abschaffung ge- kann. Dieser ganze Komplex ist bislang ungelöst, und fordert wird, ist die Ausdehnung seiner Kompetenzen es ist auch wenig wahrscheinlich, dass hier rasch eine vermutlich nicht konsensfähig. Lösung gefunden werden kann. Dies wäre ein allzu Außerdem ist klar, dass gegen den Willen der USA starker Eingriff in die Angelegenheiten von souve- in dieser Beziehung nichts laufen kann. Die USA set- ränen Staaten. Irgendeine abgestimmte Lösung für zen eher auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. inländische und ausländische Verschuldung wird aber Dies hört sich zwar gut an, schwer vorstellbar ist je- gefunden werden müssen. Desgleichen sind auch doch, wie selbst erweiterte „collective action clauses“ private Schuldverhältnisse nicht abgedeckt, da sich die allgemeine Wirksamkeit und den breiten Ansatz beide Vorschläge auf Staatsschulden beschränken. einer Umstrukturierung sicherstellen können. Trotz der Allerdings gibt es hier kaum Anlass für die Internati- marktnäheren Lösung scheint sich auch hier die inter- onalen Finanzinstitutionen tätig zu werden, da in die- nationale Gemeinschaft, inklusive der USA, schwer mit sem Bereich privatwirtschaftliche Lösungsverfahren einer Umsetzung zu tun. Man darf durchaus skeptisch bestehen. sein, ob selbst diese stark abgeschwächte Version der Vor diesem Hintergrund ist es naiv zu glauben, Intervention durchsetzbar ist. „collective action clauses“ oder der IWF-Mechanis- Dennoch bleibt zu hoffen, dass wenigstens die al- mus könnten internationale Finanzkrisen weniger ternative Position des US-Treasury mit mehr Elan als häufig oder weniger problematisch machen. Sowohl bisher verfolgt wird. Vielleicht ist aber auch die von in Mexiko wie in Russland handelte es sich vorwie- einigen Autoren vorgeschlagene doppelte Strategie gend um inländische Schulden, die nicht bedient ein gangbarer Weg, der die Förderung der Verwen- werden konnten, und in Korea und Indonesien waren dung von „collective action clauses“ vorsieht, um es vorwiegend private Unternehmen und Banken, ihre Akzeptanz und Umsetzung zu fördern, gleichzei- die ihre Schulden nicht bedienen konnten. Selbst in tig aber damit droht, im Falle des Scheiterns auf den Brasilien, das im Moment als gefährdet gilt, befindet IWF-Vorschlag zurückzugreifen16. Das kann aber nur sich der größte Teil der öffentlichen Schulden bei in- funktionieren, wenn eindeutige Zeitvorgaben gemacht ländischen und die Auslandsschuld in erster Linie bei werden. Ohne eine Erklärung der internationalen Staa- privaten Gläubigern. So wichtig und richtig die beiden Vorschläge auch sind, die im Moment diskutiert wer- tengemeinschaft darüber, welchen Weg sie gehen will, den, man sollte sich keinen Illusionen hingegeben: Sie kann so oder so kein Fortschritt erwartet werden. werden Finanzkrisen nicht verhindern können und die Die Lösung aller Probleme? Aufräumarbeiten nur zum Teil erleichtern. Trotz der Tatsache, dass beide Mechanismen ein 16 M. M i l l e r : Sovereign Debt Restructuring: New Articles, New Con- erkanntes Problem angehen, sollte man nicht der Illu- tracts - or No Change?, in: International Economics Policy Briefs, sion erliegen, sie würde die Verschuldungsproblematik 03/2002, Institute for International Economics, Washington. ganz oder weitgehend lösen. Dazu sind beide in ihrem 17 Die erste Version des Krueger-Vorschlags sah noch vor, sich auch auf inländische Schuld zu erstrecken. Dies wird aber offensichtlich Anspruch viel zu begrenzt. So beschränken sich beide von den Mitgliedstaaten des IWF nicht mitgetragen, da es in nationa- auf die so genannten Schwellenländer. Beide Me- les Recht eingreifen würde. 688 Wirtschaftsdienst 2002 • 11
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