Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz
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Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz Der Katalog der charakteristischen Originalarbeit Kulturlandschaften der Schweiz Anwendung in der Praxis für die Landschaftsentwicklung Von Raimund Rodewald, Christine Meier und Karina Liechti Abstracts Dank der Europäischen Landschaftskonvention sind die land- The Catalogue of Characteristic Swiss Cultural Landscapes and its schaftlichen Werte und deren Wandel wieder vermehrt in den practical application Fokus des Interessens gerückt. Die ratifizierenden Staaten sind hinsichtlich des Erhalts und der Förderung der Landschaftsqua- The European Landscape Convention has stimulated renewed litäten aufgefordert, die Erfassung und Bewertung ihrer Land- debate about landscape values and their change. With a view to schaften sowie einen entsprechenden internationalen Metho- the maintenance and promotion of landscape qualities, the denaustausch diesbezüglich voranzutreiben. Zur Sicherung einer ratifying states are requested to analyse and evaluate their land- nachhaltigen Landschaftsentwicklung sind zudem das Sichtbar- scapes and to engage in an international dialogue on method- machen der charakteristischen Kulturlandschaften und die ge- ologies. Furthermore, in order to promote sustainable landscape zielte Gestaltung dieser Transformationsprozesse entscheidend. development, characteristic cultural landscapes have to be made Aus diesem Grunde hat die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz visible and transformation processes need to be actively shaped. eine methodische und konzeptionelle Grundlage erarbeitet, den In this context, the Swiss Foundation for Landscape Conservation Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz. has developed a methodological and conceptual framework: the Der Katalog bietet eine Basis für die qualitative Entwicklung der Catalogue of Characteristic Swiss Cultural Landscapes. The heimischen Kulturlandschaften und soll dazu beitragen, die catalogue provides a basis for the qualitative development of Qualitäten von unterschiedlichen Landschaften zu erkennen, zu Swiss cultural landscapes. It is intended to aid the identification benennen und daraus Landschaftsentwicklungsziele abzuleiten. and specification of different landscapes’ qualities and, on that Im vorliegenden Beitrag werden der konzeptuelle Rahmen und basis, the derivation of development objectives for those land- die Vorgehensweise der Landschaftscharakterisierung der scapes. This article presents the conceptual framework and Schweiz vorgestellt sowie erste Anwendungen in der Praxis an- methodology adopted to characterize Swiss landscapes, and hand von Fallbeispielen präsentiert und diskutiert. discusses first examples of their practical application. 1 Einleitung mittlerweile von 39 Staaten ratifiziert wur- oder auch neu einzufordernden landschaft- de. Diese Konvention fordert im Art. 6 Kap. lichen Qualitäten. „Wir werden gegen Ende dieses Jahrhun- C zur Verbesserung der wissenschaftlichen Eine der ersten wissenschaftlichen Me- derts eine ganz und gar urbane Spezies Kenntnisse namentlich die Erfassung und thoden der Landschaftsbewertung ist das sein.“ Der Journalist Doug Saunders sah Bewertung der Landschaften und einen von der Countryside Commission (heute in seinen weltweiten Studien eine „neue entsprechenden internationalen Metho- Natural England) 1993 entwickelte Land- Völkerwanderung“, die eine endgültige denaustausch (Europarat 2000). scape Assessment, später Landscape Cha- Verschiebung der Menschen vom Landle- Seither sind zahlreiche Publikationen racter Assessment LCA (The Countryside ben und von der Landwirtschaft in die zur Bewertung von Landschaften, ihrer Agency and Scottish Natural Heritage großen Städte hinein, die „arrival cities“, Qualitäten und ihres Wandels erschienen 2002). Darin wurde der Landschaftscharak- darstellt (Saunders 2013). Fast parallel (ILF 2016, Nohl 2015; Rodewald 2006, ter definiert als unterschiedliches und er- dazu wächst, wenn auch vor allem in der 2008; Roth 2012). Wegweisend war auch kennbares Muster von Elementen oder westlichen Welt, ein Bewusstsein für die der Bericht des Millennium Ecosystem As- Charakteristiken, welche eine Landschaft Landschaft, sei es der transformierten sessment von 2005 (MA 2005), mit wel- von der anderen unterscheidet (Tudor ländlichen, sei es der transformierten ur- chem die kulturellen Ökosystemleistungen, 2014). Das LCA dient banen (Terrasson 2008). Dennoch erfuhr insbesondere die landschaftsästhetischen (a) zur Beschreibung von Landschaften, das Thema der Landschaft bislang nie die Werte, das Kulturerbe und die Erholungs- deren Charakteristiken unterscheidbar gleiche wissenschaftliche Aufmerksamkeit nutzung eine zentrale Rolle bekamen. Der sind, wie die Umweltthemen Klimaerwärmung, Bericht folgert: „Rapid loss of culturally (b) für das Monitoring im Sinne einer Naturgefahren und Technologiefolgen, valued ecosystems and landscapes has led Referenzlinie in der kartographischen Dar- Umweltverschmutzung, Gesundheitsge- to social disruptions and societal margin- stellung der Landscape-Character-Gebiete fährdungen, Biodiversitätsverluste, Was- alization in many parts of the world.“ Die- und -Typen, serknappheit und anderes (Terrasson se breiter werdende Einsicht in die Not- (c) als Wissensgrundlage über die 2008). wendigkeit, Landschaften als wesentlichen Schlüsselcharakteristiken (z.B. sense of Dies beginnt sich zu ändern, vor allem Faktor für das menschliche Wohlbefinden place) für Entscheidungsträger in Fragen aufgrund der Europäischen Landschafts- anzuerkennen, fördert nun auch das Inte- der Regionalentwicklung, der Siedlungs- konvention, die vom Europarat in Florenz resse der Wissenschaft an der konkreten tätigkeit und des Infrastrukturausbaues am 20. Oktober 2000 verabschiedet und Erfassung der auf dem Spiel stehenden sowie 138 N ATU RS C H U TZ u nd L and s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 5) | 2018
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz (d) zur Sichtbarmachung des Land- Erfassung der Landschaftsqualitäten und ler et al. 2011). Hinsichtlich der Sichtbar- Originalarbeit schaftswandels (Tudor 2014). Landschaftsentwicklungsziele erarbeitet machung der Nachfrage nach einem nicht- Entstanden sind seither Karten von – den Katalog der charakteristischen Kul- materiellen Nutzen werden drei Haupt- Großbritannien auf nationaler, regionaler turlandschaften der Schweiz (Rodewald aspekte von (sozio-)kulturellen Land- und auch kommunaler Ebene zu Land- et al. 2014). schaftsleistungen unterschieden: spirituel- scape-Character-Gebieten und Landscape- Im vorliegenden Beitrag werden der le/religiöse, ästhetische und erholungsbe- Character-Typen. So resultierte die Land- konzeptionelle Rahmen, die Vorgehenswei- zogene (vgl. MA 2005). Diese kulturellen schaftsbewertung Englands durch das öf- se und das Produkt – der Katalog der cha- Leistungen sind, anders als die Produk- fentlich-rechtliche, staatlich unterstützte rakteristischen Kulturlandschaften der tions- und Regulierungsleistungen, direk- Beratungsorgan „Natural England“ in 159 Schweiz – vorgestellt. Seine Anwendung ter mit einer spezifischen Landschaft ver- National Character Areas (NCA), die in in der Praxis wird anhand zweier Fallbei- knüpft und dadurch nicht oder schwer Profiles aufgeteilt sind (z.B. NCA Profile: spiele, einer flächendeckenden kantonalen ersetzbar (vgl. Bieling & Plieninger 2012). 135 Dorset Heaths, Natural England 2013). Grundlage Landschaft als Ergänzung zum Die Landschaftsleistungen sind in der Die wichtigsten Landschaftsgebiete natio- kantonalen Richtplan sowie einer Land- Schweizer Politik jüngst anerkannt und naler Bedeutung wurden je in ausführli- schaftscharakterisierung zur konkreten gesichert worden. Der Schweizerische Bun- chen Profilen beschrieben und die jeweili- Umsetzung von Maßnahmen zur Land- desrat hat 2016 in seiner Strategie „Nach- gen Ökosystemleistungen mit ihrem Nut- schaftsaufwertung in der Region eines ge- haltige Entwicklung 2016-2019“ folgende zen („opportunities“) zur Bereitstellung planten Nationalparks, präsentiert und Zielsetzung festgehalten: „Die Landschaft weiterer Leistungen analysiert. Neben diskutiert. wird unter Wahrung ihres Charakters wei- Großbritannien haben heute weitere Staa- terentwickelt und gestaltet. Die Land- ten und Regionen eine Charakterisierung 2 Konzeptueller Rahmen und schaftsleistungen sind anerkannt und ge- ihrer Landschaften vorgenommen. Zu er- Vorgehensweise sichert“ (Schweizerischer Bundesrat 2016). wähnen sind beispielsweise die kulturland- Umgesetzt werden soll dieses Ziel durch schaftliche Gliederung Spaniens (Ministe- 2.1 Vorbemerkungen die Aktualisierung des Landschaftskonzep- rio de Medio Ambiente y Medio Rural y tes Schweiz von 1998 (Bundesamt für Um- Marino 2010) und die naturschutzfachliche Die Erfassung der einzelnen Kulturland- welt 2016). Landschaftsbewertung Deutschlands (Bun- schaften im Rahmen der Erarbeitung des Die Frage, welche Landschaftsleistun- desamt für Naturschutz 2011), die zu flä- Katalogs erfolgte auf der Basis der Europä- gen hinsichtlich Analyse und Umsetzung chendeckenden Karten führten. ischen Landschaftskonvention (Europarat im Vordergrund stehen, ist Gegenstand Auch für die Schweiz liegen mit der 2000), welche die Schweiz 2013 ratifizier- vieler Diskussionen (Bieling & Plieninger Landschaftstypologie (Bundesamt für te. Diese verlangt für die nachhaltige Land- 2012, Vallés-Planells et al. 2014). Das Raumentwicklung et al. 2011) und den auf schaftsentwicklung auch den Einbezug englische Landscape Character Assessment der gleichen Datengrundlage aufgebauten soziokultureller und wahrnehmungsbezo- LCA unterscheidet bei den NCA-Profiles Agrarlandschaftstypen (Szerencsits et al. gener Qualitäten der Landschaft. Entspre- unter den kulturellen Leistungen die Iden- 2009) analytische Grundlagen vor. Diese chend richtete sich die Erarbeitung metho- tität (sense of place/inspiration), die Kul- haben aber den Nachteil, dass sie nicht disch nach den kulturellen Landschaftsleis- turgeschichte (sense of history), die Ruhe vertieft auf die soziokulturellen, respektive tungen als wesentlicher Bestandteil der (tranquility), Erholung (recreation) und wahrnehmungsbezogenen Qualitäten der Ökosystems- respektive Landschaftsleis- die geologische und biologische Diversität Kulturlandschaften eingehen und entspre- tungen (de Groot 2006, Grêt-Regamey (geo- and biodiversity). Für den Katalog chend Entwicklungsziele für diese vorwie- et al. 2012, Grunewald et al. 2017, Keller der charakteristischen Kulturlandschaften gend kulturell geprägten Landschaftsas- 2017, MA 2005) (vgl. Abschnitt 2.2) sowie der Schweiz wurden in Anlehnung an den pekte fehlen. Das führt in der Praxis – ins- dem Konzept der Landschaftstexturen englischen LCA-Ansatz folgende vier (so- besondere bei konkreten Nutzungs- und (Meier & Bucher 2010) (vgl. Abschnitt zio-)kulturelle Landschaftsleistungen un- Bauvorhaben außerhalb von Schutzobjek- 2.3). Der Fokus lag dabei in erster Linie auf terschieden: kultureller Ausdruck, natür- ten – oft zu einer (unbeabsichtigten) Ver- kulturell geprägten Landschaften (Kultur- licher Ausdruck, Identifikation und Hei- minderung der charakteristischen Qualitä- landschaften), da in den Charakterisierun- matbildung sowie Erholungs- und Erleb- ten der unterschiedlichen Kulturlandschaf- gen und Typisierungen dieser Landschaften nisleistung. ten. Es besteht somit ein wachsendes Inte- der größte Handlungsbedarf und eine fach- resse an einem übergeordneten landschafts- liche Lücke identifiziert worden waren. 2.3 Landschaftstexturen als spezifischen Zielsystem auf der Basis einer wahrnehmungsbezogener Ansatz kohärenten fachlichen Grundlage, welche 2.2 Kulturelle Landschaftsleistungen der Landschaftsanalyse die Identifikation der charakteristischen als Basis der Landschaftsanalyse Kulturlandschaften mit ihren Qualitäten Die physische-räumliche Landschaft ist das und Entwicklungszielen auf der regionalen Das Konzept der Ökosystem- resp. Land- dynamische Ergebnis verschiedener natür- Ebene (in der Schweiz z.B. auf der kanto- schaftsleistungen ermöglicht die Sichtbar- licher und kultureller Prozesse, die sich in nalen Ebene) erleichtert. machung der gesellschaftlichen Werte- ihr in kontinuierlichen Schichtungen ma- Aus diesem Grunde hat die Stiftung beziehungen zu natürlichen und land- nifestieren. Entsprechend ist das Erschei- Landschaftsschutz Schweiz mit Unterstüt- schaftsspezifischen Funktionen als nutzba- nungsbild einer Landschaft durch das Zu- zung durch das Bundesamt für Umwelt re Güter und Dienstleistungen (vgl. auch sammenwirken und Überlagern dieser (BAFU) und das Bundesamt für Raument- Kienast 2010). Die Landschaft spielt dabei „Schichten“ (Palimpsest) entstanden und wicklung (ARE) sowie in enger Begleitung eine fundamentale Rolle als Lieferant von wird durch sie weiter gestaltet (Meier & durch eine Expertengruppe die methodi- Produktionsleistungen, Regulierungsleis- Bucher 2010, Vallés-Planells et al. sche und konzeptionelle Grundlage für die tungen und kulturellen Leistungen (Mül- 2014). Ähnlich wie bei Textilstoffen ent- 50 (5) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 139
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz Originalarbeit 140 N ATU RS C H U TZ u nd L and s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 5) | 2018
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz stehen dadurch Landschaftstexturen, die 2.4 Methodisches Vorgehen bei der Die Beschreibung dieser Landschafts- Originalarbeit neben der strukturellen Beschaffenheit Erarbeitung des Katalogs qualitäten basierte auf einer umfangrei- auch die wahrgenommenen ästhetischen chen Literaturrecherche, einer Sichtung der und emotionalen Qualitäten miteinbezie- Die Vorgehensweise zur Erarbeitung des räumlichen Daten (aktuelle und historische hen. Die spezifische Gestalt einer Land- Katalogs der charakteristischen Kulturland- Karten und Luftbilder) sowie der Diskussi- schaft, wie wir sie wahrnehmen, kann so- schaften der Schweiz beinhaltete analog on der Zwischenresultate mit einer Begleit- mit als „Gesamtgewebe, als Gesamttextur“ zur LCA-Erhebung die Identifikation und gruppe, bestehend aus Fachpersonen aus verstanden werden, die sich aus verschie- detaillierte Beschreibung der Landschafts- Wissenschaft, Verwaltung und Praxis. Ba- denen geschichteten, natürlich und kultu- qualitäten und der -entwicklungsziele der sierend auf dem so erarbeiteten ersten rell modellierten Landschaftstexturen zu- charakteristischen Kulturlandschaften der Entwurf des Katalogs folgten Feldstudien, sammensetzt. Somit sind Landschaftstex- Schweiz sowie deren Zuordnung zu den welche aufgrund von identifizierten Schlüs- turen spezifische landschaftliche Oberflä- sechs prägenden Texturen. Landschafts- selmerkmalen der charakteristischen Kul- chen, etwa dominiert durch Wasser, Land- qualitäten sind in diesem Zusammenhang turlandschaften ausgeführt wurden und wirtschaft, Siedlung oder Infrastruktur, als objektiv ermittelbare Eigenschaften zu eine vertieftere Beschreibung der vorhan- welche durch natürliche und anthropogene verstehen, die individuell und gesellschaft- denen Landschaftsqualitäten zum Ziel hat- Einflüsse geformt worden sind (Meier & lich unterschiedlich wahrgenommen wer- ten. In diesen Feldstudien wurde auch das Bucher 2010). den können. Sie dienen der Sicherung von Wissen von Fachpersonen vor Ort (insbe- Das Konzept der Landschaftstexturen Leistungen, welche durch die Landschaft sondere auch bezüglich Identifikation und ist die Grundstruktur für eine Gliederung erbracht werden, und prägen den Charak- Heimatbildung) einbezogen. Dies erlaubte der charakteristischen Kulturlandschaften ter einer Landschaft maßgeblich (vgl. Grêt- anschließend eine Formulierung von Land- nach ihrer charaktergebenden, landschaft- Regamey et al. 2012, Rodewald 2006). schaftsentwicklungszielen, gegliedert wie- lichen Oberfläche. Als vorinterpretierte Grundlage, gestützt auf die phänomenolo- Tab. 1: Die charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz (RODEWALD et al. 2014). Switzerland’s characteristic cultural landscapes (Source: RODEWALD et al. 2014). gische Wahrnehmung, bieten Landschafts- texturen eine gute Basis für den Dialog – Textur charakteristische Kulturlandschaft auch mit Nicht-Landschaftsfachleuten, Waldtextur • Waldlandschaften was für die Anwendung in der Praxis wich- • Wytweidelandschaften/Waldweidelandschaften • Selvenlandschaften (parkähnliche Waldlandschaften mit Fruchtnutzung der tig ist. Bäume – z.B. Kastanien oder Nüssen – und Unternutzung durch Beweidung Für die systematische Gliederung der oder Mähwiese) charakteristischen Kulturlandschaften des • Sekundärwildnislandschaften Katalogs wurden sechs Texturen unter- Agrartextur • Obstwiesenlandschaften schieden: Waldtextur, Agrartextur, Ge- • Reblandschaften wässertextur, Siedlungstextur, Infra- • Heckenlandschaften strukturtextur und Patrimoine- oder • Alplandschaften Kulturerbetextur. Damit wird der als do- • Wildheulandschaften • Mosaiklandschaften mit Wald-Offenland-Muster minant wahrgenommene Aspekt einer • Agrarlandschaften mit hoher Struktur- und Nutzungsvielfalt Kulturlandschaft zum prägnanten und • intensive Grünlandlandschaft landschaftlichen Raumbezug. Unter Patri- • meliorationsgeprägte Agrarlandschaften moinetextur werden diejenigen Kultur- • periurbane Agrarlandschaften landschaften zusammengefasst, die dem Gewässertextur • Moorlandschaften früheren Begriffsverständnis einer tradi- • Flusslandschaften tionellen Kulturlandschaft (Ewald 1978) • Seenlandschaften entsprechen, also Landschaftsprägungen • Kleingewässerlandschaften mit Industrievergangenheit • Gewässerkorrektionslandschaften aufweisen, die stark vom baulichen kultu- rellen Erbe und von lesbaren historischen Siedlungstextur • Streusiedlungslandschaften • ländliche Dorf- und Weilerlandschaften Nutzungsmustern geprägt sind. • periurbane Siedlungslandschaften • suburbane Siedlungslandschaften • Stadtlandschaften • kontur- und kontrastreiche Transformationslandschaften Linke Seite: • Gewerbelandschaften Abb. 1: Die charakteristischen Landschaftstypen Infrastrukturtextur • Verkehrsinfrastrukturlandschaften des Kantons Zug dienen als fachliche Grundlage • Energieinfrastrukturlandschaften für verschiedene planerische und konzeptionelle • Tourismusinfrastrukturlandschaften Aufgaben. Für die Umsetzung in der Planungspra- • Militärinfrastrukturlandschaften xis werden sie flächendeckend identifiziert, räum- lich bezeichnet, mit den relevanten kantonalen Patrimoinetextur • historische Kulturlandschaften von baukulturellem Wert Fachstellen diskutiert und abgestimmt sowie kar- (Kulturerbetextur) • Terrassenlandschaften tographisch dargestellt. © Amt für Raumplanung • Wiesenwässerungslandschaften Zug, Planentwurf Dezember 2017 • Hangberieselungslandschaften • Alleenlandschaften The catalogue of landscape types of the Canton of • Maiensässlandschaften (verstreute oder kompakte Siedlungsform mit Gebäu- Zug is intended as a basis for planning and conceptu- den der mehrstufigen Berglandwirtschaft) al work. In an ongoing effort, landscape types are be- • Sakrallandschaften ing identified, specified in terms of spatial extent and • historische Verkehrsinfrastrukturlandschaften location across the entire canton, discussed with rele- • Campagna vant cantonal authorities, and mapped. 50 (5) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 141
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz derum nach den jeweiligen Landschafts- schaften sind als schutzwürdig einzustufen, wendung sowie die inhaltliche und metho- Originalarbeit leistungen. Auch hierzu wurde die Begleit- da sie in größeren regionalen Flächenan- dische Konkretisierung im Rahmen der gruppe einbezogen. teilen auftreten und eine starke Gefähr- Erarbeitung einer kantonalen Landschafts- dung aufweisen. konzeption. Das Fallbeispiel 2 erläutert die 3 Der Katalog der charakteristischen Anwendung im Rahmen der Entwicklung Kulturlandschaften der Schweiz 4 Anwendungen in der Praxis von konkreten Landschaftsaufwertungs- projekten in der Region des geplanten Na- Der Katalog der charakteristischen Kultur- 4.1 Vorbemerkungen tionalpark Locarnese. landschaften der Schweiz (Rodewald et al. 2014) enthält eine Zusammenstellung Der Katalog der charakteristischen Kultur- 4.2 Fallbeispiel 1: von 39 charakteristischen Kulturlandschaf- landschaften der Schweiz stellt eine wich- Landschaftskonzeption Kanton ten, die in der Schweiz in mehr oder weni- tige Basis für die Erarbeitung von planeri- Zug ger ausgeprägter Form heute noch anzu- schen Konzepten und Projekten für die treffen sind. Sie wurden anhand ihres Landschaft dar. So werden – gestützt auf Der Regierungsrat des Kantons Zug hatte prägenden Aspektes sechs charaktergeben- den Katalog – derzeit in verschiedenen Kan- 2015 mit der Verabschiedung des Konzep- den Texturen zugeordnet (Tab. 1). Neben tonen der Schweiz kantonale Landschafts- tes „Vielfältige und vernetzte Zuger Land- traditionellen Kulturlandschaften, wie konzeptionen erarbeitet, wie sie das schwei- schaft“ das Ziel formuliert, das Typische beispielsweise Waldweidelandschaften, zerische Bundesgesetz über die Raumpla- und Einzigartige der Zuger Landschaft zu wurden bei der Erarbeitung des Katalogs nung von den Kantonen fordert. Eine kan- stärken. Für die Umsetzung dieser Zielset- auch „neue“, d.h. transformierte Kultur- tonale Landschaftskonzeption ist eine flä- zung wurde eine kantonale fachliche landschaften (z.B. meliorationsgeprägte chendeckende Grundlage Landschaft, die Grundlage Landschaft erarbeitet, die dazu Agrarlandschaften; vgl. Tab. 2) sowie Sied- über den gesamten Raum (inklusive Sied- dient, zukünftige Förderungsmaßnahmen lungslandschaften berücksichtigt. lungen und Wald) die charakteristischen im Bereich Landschaft gezielt auf die ver- Den unterschiedlichen Kulturlandschaf- Landschaftstypen erfasst und Entwicklungs- schiedenen charakteristischen Landschaf- ten sind ausgehend von den vier maßge- ziele daraus ableitet (Bundesamt für Um- ten des Kantons Zug abzustützen. Ebenso benden Landschaftsleistungen (kultureller welt 2015, vgl. Abschnitt 4.2). Ebenso kann soll sie den Gemeinden und Projektträger- Ausdruck, natürlicher Ausdruck, Identifi- der Katalog bei der Ausarbeitung von Land- schaften als eine kantonal kohärente, fach- kation und Heimatbildung, Erholungs- und schaftsförderprojekten beigezogen werden liche Grundlage für die Erarbeitung von Erlebnisleistung) allgemeine Landschafts- (vgl. Abschnitt 4.3) oder als Grundlage für Landschaftsentwicklungskonzepten, Land- qualitäten zugeschrieben (vgl. Abschnitt Landschaftsqualitätsprojekte der Landwirt- schaftsqualitätsprojekten sowie weiteren 2.4). Daraus ergeben sich wiederum all- schaft, für Agglomerationsprogramme so- Konzepten und Projekten mit landschafts- gemeine Landschaftsentwicklungsziele, die wie für Landschaftsentwicklungskonzepte relevanten Zielen zur Verfügung stehen. eine besondere Bedeutung für den Erhalt dienen. Zudem ermöglicht er eine Erfas- Zudem sollen mit dieser Grundlage das und die Förderung der Landschaftsquali- sung und Entwicklung derjenigen charak- Verständnis für die Bedeutung der vielfäl- täten aufweisen und für die Erbringung der teristischen Landschaften, welche beispiels- tigen, kulturell geprägten Landschaften des jeweiligen Landschaftsleistung entschei- weise die besondere landschaftliche Quali- Kantons Zug gefördert werden. dend sind. Zum Schluss sind die Schlüssel- tät eines Naturparks ausmachen. Die Erarbeitung erfolgte in drei Phasen: elemente der einzelnen Kulturlandschaf- In den nachfolgend vorgestellten Fall- f Phase 1: Für die Systematisierung der ten, welche durch ihre Anzahl, ihre Größe beispielen wird die konkrete Anwendung Landschaften wurden die charaktergeben- oder ihre Verteilung im Raum in der jewei- des Katalogs der charakteristischen Kultur- den Landschaftstexturen identifiziert (vgl. ligen Landschaft besonders prägend sind landschaften der Schweiz exemplarisch Abschnitt 2.3). Diese bildeten unter Einbe- und somit bei der Entwicklung der Land- aufgezeigt. Das Fallbeispiel 1 zeigt die An- zug der relevanten kantonalen Grundlagen schaft eine besondere Bedeutung haben, aufgeführt (Tab. 2). In Anlehnung an die Landschaftstypen Deutschlands (BfN 2011) kann so auch die Schutzwürdigkeit der einzelnen Kultur- landschaften der Schweiz abgeschätzt wer- den (Rodewald 2018): Elf charakteristi- sche Kulturlandschaften sind besonders schutzwürdig, da sie nur in geringen regi- onalen Flächenanteilen auftreten und eine starke Gefährdung aufweisen. 14 Land- Abb. 2: In den Seenlandschaften des Kantons Zug ist das gewachsene Mosaik naturnaher und sozio- kulturell geprägter Bereiche, das sich auch in der wechselnden Uferbestockung ablesen lässt, ein identitätsstiftendes Schlüsselelement dieses Land- schaftstyps. © Christine Meier The mosaic of more natural and more culturally shaped areas – visible in the varying character of the shore vegetation – is a key element of the Canton of Zug’s lakeside landscapes. 142 N ATU RS C H U TZ u nd L and s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 5) | 2018
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz Tab. 2: Das Beispiel „Meliorationsgeprägte Agrarlandschaft“ – eine der 39 charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz. Die den vier kulturellen Land- Originalarbeit schaftsleistungen zugeordneten Landschaftsqualitäten und –entwicklungsziele sind allgemeiner Natur. Im konkreten Fall können sie mehr oder weniger rele- vant sein (RODEWALD et al. 2014). “Agrarian landscapes characterized by land improvement” are one of Switzerland’s 39 characteristic cultural landscapes. The landscape qualities and landscape develop- ment objectives listed for each of the four cultural landscape services are generic in nature; their relevance varies from case to case. (Source: RODEWALD et al. 2014). Meliorationsgeprägte Agrarlandschaft Ausgeräumte meliorationsgeprägte Agrarlandschaft in Strukturreiche meliorationsgeprägte Agrarlandschaft im Grand Marais (Kanton Freiburg). Villars-le-Terroir (Kanton Waadt). © Archiv SL © Archiv SL Meliorationsgeprägte Agrarlandschaften umfassen meliorierte, intensiv agrarisch genutzte Ebenen oder Plateaus, die durch eine großflächige einheitliche Nutzung von eher geringer Anbauvielfalt geprägt sind und eher bescheidene raumgliedernde Strukturen aufweisen. Im Gegensatz zu den Gewässerkorrektions- landschaften entstanden die meliorationsgeprägten Agrarlandschaften nicht aufgrund von großflächigen Entwässerungen. Die Offenheit und der baulich unverstellte Horizont führten zu einer verstärkten Wahrnehmung des Himmels, der räumlichen Weite und Leere. Landschafts- kultureller Ausdruck natürlicher Ausdruck Identifikation und Heimat- Erholungs- und Erlebnisleistung leistungen bildung Landschafts- • intensive Produktionslandschaften • relativ störungsfreie agrarische • Topos der gepflegten, kul- • gute Zugänglichkeit qualitäten • Vielfalt der Kulturen (Gemüsebau, Lebensräume (z.B. für Feldhase, tivierten Landschaft • mittlerer Erholungswert Obstbau, Getreide, Wiesland u.a.) Reh) • lokale und regionale Pro- • Orte mit großer Raumwirkung • kulturlandschonende Situierung • inselartige Lebensräume dukte • Erlebbarkeit der landwirtschaft- der Siedlungen am Hang oder an er- (Feuchtgebiete) und lineare • Orte der Produktion von Nah- lichen Nutzung höhter Lage Vernetzungsstrukturen (Ge- rungsmitteln • vielfältiges ästhetisches Erlebnis • dünnbesiedelte Flächen, eher gerin- wässer, Hecken, Wegränder, • Potenzial für regionale und der kohärenten Landschafts- ge Zersiedlung und Zerschneidung Waldungen) lokale Spezialitäten gestalt • stark geometrisches Nutzungs- und • Mosaik von intensiven und • markante Vertikalstrukturen • Eindruck der Weite, Offenheit Landschaftsmuster extensiven Kulturen (Dorfkirche, Einzelbäume, und Gleichförmigkeit • Anlagen der landwirtschaftlichen • geringer Anteil von Habitat- Hügel) • ausgeprägte Sichtbeziehungen Mechanisierung (Wegmuster, flächen (z.B. Brachen) • Lage und Persistenz der und Sichtachsen Bewässerungsanlagen, Kanäle, Silo- • angepasste Kulturen raumprägenden Nutzungs- • Kontinuität des Flurmusters bauten) • Potenzialräume aus Sicht Bio- muster • ehemals arbeitsintensive Nutzung diversität • Orientierungsorte • große Flächeneinheiten • strukturierende Landschafts- elemente wie Einzelbäume und Naturschutzinseln Landschafts- • Erhaltung des Produktionsgrads der • Erhöhung der Ökoflächen • Akzentuierung besonderer • Erhaltung der Weite und Unver- entwicklungs- Landschaft • Vernetzungsprojekte Orte in der Landschaft durch bautheit der Landschaft ziele • Vermeidung von exponierten, • Bewirtschaftungsausrichtung Struk turelemente (z.B. Soli- • Vermeidung der Zerschneidung großen und schlecht gestalteten auf Feldhase, Bodenbrüter, tärbaum an Wegkreuzung, von markanten Sichtachsen, z.B. Hochbauten und der Ausfransung Rehe, Wildtierkorridore etc. Alleen) durch Freileitungen der Siedlungen • Förderung des Mosaiks von • Regionalvermarktung • Strukturierung des Raumes • Erhalt und Schaffung von qualitati- intensiven und extensiven • Kommunikationsmaßnah- durch prägende Vertikalelemen- ven Siedlungsansichten Flächen men te (Baumhecken, Pappelalleen, • Erhöhung der strukturellen und der • Erhaltung der Störungsarmut • überkommunale Land- Einzelbäume) Anbauvielfalt • Vermeidung von Zerschneidun- schaftsentwicklungskonzep- • Verbesserung des Erlebnisses • Vermeidung von generalisierenden gen te unter Einbezug der Bevöl- von Naturnähe und Vielfalt Abläufen in der Bewirtschaftung • Vermeidung von Terrainein- kerung • Erhöhung der landschaftlichen • Erhöhung des Orientierungscharak- griffen in geomorphologisch • innerlandschaftliche Unver- Komplexität durch Kontrast- ters der Landschaft wertvolle Räumen wechselbarkeiten schaffen erhöhung (z.B. Brachen) und • Erhöhung der Kontraste (Kleinstruk- nicht-geometrische Gestal- turen, kleine Waldungen, Habitate) tungen Schlüssel- weite und offene Landschaften; unverstellte Sichtachsen bis zu den Dörfern und zum Horizont; raumgliedernde Landschaftselemente elemente (z.B. Alleen, Einzelbäume); ausgeprägtes Flurmuster und geometrische Flurformen 50 (5) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 143
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz Originalarbeit Abb. 3: Die Karte des geplanten Nationalparks Locarnese zeigt, dass von Wäldern geprägte Landschaften (Waldtextur) dominieren. Die anderen charakteristischen Kulturlandschaften sind in ihrer Flächernausdehnung viel kleiner (z.B. Patrimoinetextur; dazu gehören Terrassenlandschaften, Maiensässlandschaften etc.), tragen aber wesentlich zur Diversität und damit zur landschaftlichen Qualität der Region bei (Quelle: Gianoni & Padovan 2015a/b; Legende angepasst). The landscape map of the planned Locarnese National Park shows that the area is dominated by forested landscapes (green). But although its other characteristic cultur- al landscapes are much smaller in size, they contribute significantly to diversity and thus to the region’s overall landscape quality (Source: GIANONI & PADOVAN 2015a/b). den Rahmen für die anschließende wahr- Abb. 4: Eine „Paesaggio nehmungsbasierte Landschaftsanalyse und dei monti“ (Maien- die Herausarbeitung der für den Kanton sässlandschaft) mit Relikten einer Terras- Zug charakteristischen Landschaftstypen. senlandschaft in der Um die spezifischen kantonalen und regi- Region des geplanten onalen Ausprägungen der Landschaften in Nationalparks Locar- ihrer identitätsstiftenden Wirkung erfassen nese. © Gery Ryter und darstellen zu können, wurde der Ka- A paesaggio dei monti, talog der charakteristischen Kulturland- consisting of temporar- schaften für die konkrete Anwendung ent- ily inhabited residential sprechend angepasst. buildings and alpine pastures, with remains f Phase 2: Die Landschaften des Kantons of a terraced landscape Zug wurden insgesamt 13 unterschiedli- in the area of the chen Landschaftstypen zugeordnet und auf planned Locarnese Na- einer Karte im Maßstab 1 : 25 000 – analog tional Park. zum Maßstab des kantonalen Richtplans – flächendeckend über das gesamte Kan- tonsgebiet räumlich identifiziert und be- 144 N ATU RS C H U TZ u nd L and s ch a f ts pla nu ng | 50 ( 5) | 2018
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz zeichnet (Abb. 1). Dabei standen die wahr- Originalarbeit genommenen landschaftlichen Charakte- ristika mit ihren prägenden Aspekten im Vordergrund und nicht – wie in einem Flächennutzungsplan – die Nutzungen. Eine flächendeckende, eindeutige räumli- che Zuordnung der Landschaften zu jeweils einem Landschaftstyp erleichtert die pla- nerische Handhabung sowie eine klare Prioritätensetzung für die Ableitung von Entwicklungszielen. Die Ausnahme von der Regel der eindeutigen Zuordnung bilden die meist kleinräumig ausgeprägten Kul- turerbelandschaften, die gerade in der Verflechtung mit dem charakteristischen Landschaftstyp ihre Besonderheit zeigen. So gehört beispielsweise das westliche See- ufer des Zugersees zum Landschaftstyp der „Seenlandschaften“. Seine historische, kul- turelle Prägung durch Schlösser und Villen wird jedoch mit einer überlagernden Abb. 5: Eine Terrassenlandschaft im geplanten Nationalpark Locarnese, die im Rahmen eines Landschafts- Schraffur für die „Parklandschaften“, die entwicklungsprojektes restauriert wurde. © Archiv SL zur Kulturerbetextur gehört, hervorgeho- This terraced landscape in the planned Locarnese National Park has been restored as part of a landscape deve- ben (vgl. Abb. 1 und 2). lopment project. f Phase 3: Die verschiedenen Landschaft- stypen wurden textlich mit ihrem natürli- onalparks Locarnese die unterschiedlichen Abschätzung der Qualitäten des Raumes chen und kulturellen Ausdruck charakte- Kulturlandschaften identifiziert. Anschlie- und damit ein koordiniertes Vorgehen hin- risiert und mit Typbildern dokumentiert ßend wurden die insgesamt 25 charakte- sichtlich relevanter Landschaftsentwick- (Abb. 2). Zusätzlich wurden typstärkende ristischen Kulturlandschaften qualitativ lungsziele und -projekte erlaubt (Abb. 5). und typschwächende Aspekte in Stichwor- nach deren landschaftlicher Bedeutung ten aufgeführt (typstärkend: z.B. durchge- kategorisiert. Mit dieser Qualifizierung 5 Schlussfolgerungen hende Horizontlinie, typschwächend: z.B. konnte für jede Teilregion aufgezeigt wer- Zersiedelung) und naturräumliche und den, welche Landschaften maßgeblich zur Landschaften veränderten sich kontinuier- kulturelle Schlüsselelemente für den jewei- umfassenden Diversität des Raumes bei- lich und ihre Entwicklung wird weiterge- ligen Landschaftstyp formuliert. Mit diesen tragen. Es wird damit also nicht allein die hen. In einigen Landschaften bleiben auch Ergänzungen können Inhalte und Zielset- Ausdehnung der unterschiedlichen Land- im Wandel die charakteristischen Qualitä- zungen weiterer „Schichten“ der Land- schaften berücksichtigt, sondern vielmehr ten erhalten oder entwickeln sich weiter. schaft wie Gewässer, Wald oder Siedlungs- etwas über deren Beitrag zur landschaft- Andere Landschaften haben ihren spezifi- struktur, die sich nicht unbedingt aus der lichen Qualität der unterschiedlichen Teil- schen Charakter weitgehend verloren und Charakterisierung der Landschaften erge- räume ausgesagt (Gianoni & Padovan werden damit austauschbar. Zur Sicherung ben, jedoch den Landschaftstyp stärken, 2015a, b). So sind Waldlandschaften zwar einer nachhaltigen Landschaftsentwick- gefährden oder beeinträchtigen können, hinsichtlich der Fläche dominierend, aber lung sind das Sichtbarmachen der charak- über eine zusätzliche Ebene eingebracht auch andere, in ihrer Ausdehnung viel klei- teristischen Kulturlandschaften und die werden. Für jeden Landschaftstyp wurden nere charakteristische Kulturlandschaften gezielte Gestaltung dieser Transformati- zudem auf der Basis der Charakterisierun- (z.B. Terrassenlandschaften) tragen we- onsprozesse entscheidend. Die politischen gen wichtige prioritäre landschaftliche sentlich zur Diversität und damit zur land- Entscheidungsträger, die zuständigen Entwicklungsziele abgeleitet. schaftlichen Qualität der Nationalparkregi- Amtsstellen, aber auch lokale Interessens- Der Kanton Zug will als Ziel in der lau- on bei (Abb. 3 und 4). gruppen und weitere Akteure sind daher fenden Richtplan-Anpassung verankern, In der Umsetzung der Landschaftsent- auf eine Grundlage angewiesen, die es ih- dass Kanton und Gemeinden die typischen wicklungsziele im Rahmen von Landschaft- nen ermöglicht, auch außerhalb der formell Zuger Landschaften mit ihren charakteris- aufwertungsprojekten kann folglich auf geschützten Räume die Folgewirkung ihrer tischen Elementen stärken. Auf diese Wei- diejenigen Teilräume mit hoher landschaft- Entscheidungen abzuschätzen und adäqua- se kann aus der Typisierung ein behörden- licher Bedeutung fokussiert werden. Dabei te Leitplanken für die Entwicklung der verbindliches Konzept erarbeitet werden. wird ein koordiniertes Vorgehen unter Landschaft zu formulieren. Ohne eine sol- Einbezug bestehender Instrumente, u.a. che Wissensbasis fehlt nicht nur das Ver- 4.3 Fallbeispiel 2: der Landschaftsqualitätsbeiträge der Land- ständnis für den Landschaftsschutz, son- Landschaftscharakterisierung wirtschaft, der Ausweisung der Landschaf- dern auch die konkreten Kenntnisse über in der Region des geplanten ten von kantonaler Bedeutung oder kon- die Landschaftsqualitäten, die im Falle von Nationalparks Locarnese kreter Landschaftsaufwertungsprojekte, Nutzungskonflikten auf dem Spiel stehen. vorangetrieben. Mit dem Katalog der cha- Der für die Schweiz erarbeitete Katalog Hinsichtlich der konkreten Umsetzung von rakteristischen Kulturlandschaften der der charakteristischen Kulturlandschaften Maßnahmen zur Landschaftsaufwertung Region Locarnese haben die Beteiligten ein trägt bei zu einer umfassenden Land- wurden in der Region des geplanten Nati- Instrument zur Hand, das eine fundierte schaftsanalyse, welche auch die kulturellen 50 (5) | 2018 | NAT UR SCHUTZ und L andschaf tspl a n un g 145
Raimund Rodewald et al., Der Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz planning for sustainable, multi-functional land- charakteristischen Kulturlandschaften der Fazit für die Praxis scapes. Landscape and Urban Planning 75, 175- Schweiz, Grundlage zur Ermittlung von Land- Originalarbeit 186. schaftsentwicklungszielen. Bern. www.sl-fp.ch • Der Katalog der charakteristischen Kul- Europarat (2000): Europäisches Landschaftsüber- > Grundlagen (aufgerufen am 21.03.2018). turlandschaften der Schweiz bietet eine einkommen. www.coe.int/en/web/conventions/ Roth, M. (2012): Landschaftsbildbewertung in der Basis für die qualitative Entwicklung der full-list/-/conventions/treaty/176 (aufgerufen Landschaftsplanung. Entwicklung und Anwen- charakteristischen Kulturlandschaften am 21.03.2018). dung einer Methode zur Validierung von Verfah- und kann dazu beitragen, die Qualitäten Ewald, K. 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