AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum

 
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                                         tner   schaft vor
                                     Par                     Or
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                                     AIDS-Arbeit
                                     in der Praxis
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Inhaltsverzeichnis

        Inhaltsverzeichnis   Vorwort................................................................................................................................................3
                             Dr. Jürgen Wilhelm, Dr. Winfried Zacher

                             Einführung: Schritt für Schritt: Der Aufbau der HIV/AIDS-Arbeit des DED..............................4
                             Walter Spellmeyer

                             Prävention und Aufklärung ..............................................................................................................8
                             Erster Schritt ans Licht ......................................................................................................................8
                             Klaus van Briel

                             Das Tabu brechen ............................................................................................................................10
                             Andrea Pfeiffer

                             HIV/AIDS-Arbeit vor Ort ..................................................................................................................12
                             Andrea Pfeiffer

                             „Ich hätte auch einer der Infizierten sein können“....................................................................14
                             Interview mit Wellington Chavura

                             Kasperle in Südafrika ......................................................................................................................16
                             Jennifer Goldenstede

                             AIDS als Querschnittsaufgabe beim DED....................................................................................18
                             Winfried Zacher

                             Mainstreaming HIV/AIDS................................................................................................................21
                             AIDS Workplace Initiative ................................................................................................................21
                             Judith Elhardt

                             Sozialmarketing ..............................................................................................................................24
                             Kondomverkauf in einem der ärmsten Länder Afrikas ............................................................24
                             Heike Schlickum

                             Public Private Partnership ..............................................................................................................26
                             Bekämpfung von HIV/AIDS in Tansania ......................................................................................26
                             Natalie Groos

                             AIDS-Beratung..................................................................................................................................28
                             Schritte über tausend Hügel ..........................................................................................................28
                             Reinhild Schumacher

                             AIDS-Aufklärung und Beratung über reproduktive Gesundheit ..............................................31
                             Gudrun Gätschenberger

                             Multisektoraler Ansatz ....................................................................................................................33
                             „Workplace Policies“ bei Partnerorganisationen..........................................................................33
                             Barbara Stehl

                             Berufsbildung: Einführung von HIV/AIDS-Programmen..............................................................35
                             Ulla Tschoetschel

                             Was hat ein Flusspferd mit HIV/AIDS zu tun?..............................................................................37
                             Barbara Schmidt-Eule

                             AIDS-Awareness.............................................................................................................................. 39
                             Bewusstseinsbildung bei Kindern und Jugendlichen................................................................39
                             Melanie Radtke

                             Peer Education..................................................................................................................................42
                             Aufklärungsarbeit an Schulen ........................................................................................................42
                             Judith Bögelsack

                             Vorbereitung ....................................................................................................................................45
                             HIV/AIDS-Kurs in Heidelberg..........................................................................................................45
                             Walter Spellmeyer

                             HIV/AIDS-Onlinekurs von InWEnt..................................................................................................47
                             Sandra Albers

2
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Vorwort

                                                                                                              Vorwort
D
         erzeit sind in Tansania     wanas gehen und von den Län-         Therapie? Ist präventive Arbeit
         acht Prozent, in Süd-       dern lernen, denen es gelungen       mit Jugendlichen nicht die ein-
         afrika 21 Prozent und       ist, den Trend umzukehren            zige Chance? Oder liegt die
in Botswana 37 Prozent aller         (Uganda, Thailand, Brasilien).       Lösung des Problems im Social
Erwachsenen HIV-positiv. Anders      Wir müssen daran mitarbeiten,        Marketing von Kondomen?
ausgedrückt: In sieben Jahren        in allen Ländern das Problem         Kein Ansatz macht die anderen
wird ein Drittel der heutigen        unter Kontrolle zu bekommen.         überflüssig, aber der DED muss
Bevölkerung Botswanas nicht          Nach einigen Jahren zielstrebigen    sich fragen: Was kann er am bes-
mehr leben – wenn dieses Drittel     Aufbaus verfügt der DED über         ten? Wo ist unser Beitrag am
nicht noch Zugang zu immer           eine Summe erster Erfahrungen        effizientesten? Wo sind unsere
noch sehr teuren Therapien er-       in der HIV/AIDS-Arbeit unter         „Instrumente“ – Entwicklungs-
hält, was zu diesem Zeitpunkt        unterschiedlichen Rahmenbe-          helfer, Koordinatoren, Finanz-
sehr unwahrscheinlich ist.           dingungen, auf verschiedenen         mittel, Einheimische Fachkräfte –
                                     Interventionsebenen, in einer        am wirksamsten eingesetzt?
Was wird mit einem Land ge-          Vielzahl heterogener Aktivitäten.
schehen, in dem jeder dritte         Am Ende der Aufbauphase ist          Seit dem Jahr 2000 widmet sich
Polizist und jeder dritte Lehrer,    es an der Zeit zu fragen, wie die    der DED verstärkt dem Thema
jeder dritte Bauer und jede dritte   ersten Ergebnisse aussehen, welche   HIV/AIDS. So sind heute fünf
Krankenschwester, jeder dritte       Ansätze Erfolg versprechen, wie      Prozent aller Entwicklungshelfer
Lastwagenfahrer und jede dritte      die Arbeit verbessert werden kann.   des DED in der HIV/AIDS-
Verwaltungsangestellte immer         Es ist Zeit, eine erste Bilanz zu    Arbeit tätig, vor allem in der
häufiger krank ist, Angst davor      ziehen und das Resultat den          Beratung einheimischer Organi-
hat, von allen fallengelassen zu     Beteiligten und der interessier-     sationen, die sich an gefährdete
werden, einen Großteil des Ein-      ten Öffentlichkeit bekannt zu        Jugendliche wenden oder die
kommens für Behandlung aus-          machen. Damit wird nun eine          Benutzung von Kondomen pro-
geben muss, weder Zeit noch          Phase der Konsolidierung ein-        pagieren, in Arbeitsplatzprogram-
Energie hat, sich um die Kinder      geleitet. Regionale Fachseminare     men und als Querschnittsberater.
zu kümmern, und schließlich          in Pretoria und Nairobi haben
doch stirbt? Was wird es für die     die Querschnittsarbeit im öst-       Unsere Arbeit in diesem Bereich
innere Sicherheit eines Landes       lichen und südlichen Afrika          bekannt zu machen, aber auch
bedeuten, wenn auch nur 20 Pro-      ausgewertet. Eine Aufarbeitung       die Erfahrungen zu bündeln, ein
zent aller Waisen – von denen        der westafrikanischen Erfah-         erstes Resümee aus der Arbeit zu
es viel mehr gibt, als die Gesell-   rungen steht an. Auch in der         ziehen, um sie weiter zu qualifi-
schaft auffangen kann – nichts       ‚spezifischen’ HIV/AIDS-Arbeit       zieren, das ist die Aufgabe des
gelernt haben, als sich um jeden     müssen alle Ansätze kritisch         vorliegenden Heftes. Es soll die
Preis zu nehmen, was sie zum         überprüft werden: Arbeit mit         längst geführte Diskussion auf
Überleben brauchen? Was werden       Waisen oder mit Selbsthilfe-         die Grundlage besserer Informa-
die Folgen für die Bildung sein,     gruppen von Betroffenen? Radio-      tion und reflektierter Erfahrung
wenn – weil weniger Lehrer           programme oder Theatergruppen        stellen und weiter anregen. Die
nachwachsen als durch AIDS           unterstützen? Nützt es wirklich,     Schlüsse daraus werden in unsere
wegsterben – die Klassen von         das Thema in die Ausbildung          Arbeit einfließen und sie weiter
40 Schülern auf 100 anwachsen?       von Lehrern zu integrieren?          verbessern.
                                     Lassen sich die bewährten
Wir werden täglich mit Schre-        Arbeitsplatzprogramme von
ckensmeldungen überschüttet und      Weltmarktfirmen auch in Klein-
haben uns leider ein sehr „dickes    betrieben realisieren? Trägt die     Dr. Jürgen Wilhelm
Fell“ zugelegt. Doch müssen wir      Einführung häuslicher Kranken-       Geschäftsführer
die Realität zur Kenntnis nehmen,    pflege wirklich zur Entlastung
mögliche Zukunftsszenarien           der Krankenhäuser oder wenigs-
daraus ableiten und uns fragen,      tens zum menschenwürdigen
was uns das angeht. Wir müssen       Sterben bei? Oder gibt es nur        Dr. Winfried Zacher
versuchen zu verhindern, dass        eines: die Mitarbeit bei der         Leiter des Fachreferats Gesund-
weitere Länder den Weg Bots-         Einführung der antiretroviralen      heit und Soziale Grunddienste

                                                                                                                        3
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Einführung

             Schritt für Schritt: Der Aufbau der HIV/AIDS-Arbeit des DED
             Walter Spellmeyer

             Vor 20 Jahren wurde über die ersten Fälle eines neuen Syndroms der erworbenen Immunschwäche
             berichtet. Es dauerte kaum zwei Jahre, bis der Erreger identifiziert und die Übertragungsme-
             chanismen sowie die epidemiologische Dynamik geklärt waren. Damit wären, nach dem üblichen
             Verlaufsmuster kleinerer oder größerer Krankheitsepidemien, die Voraussetzungen für eine wirk-
             same Bekämpfung der Seuche gegeben gewesen.

             I  n den westlichen Industrie-
                ländern konnte ein relativer
             Erfolg erzielt werden. Es gelang,
                                                 eine Krankheit gekümmert und
                                                 noch nie wurden weltweit so
                                                 massive Mittel für ihre Bekämp-
                                                                                      Sache der ganzen Gesellschaft
                                                                                      werden.

             die Epidemie einzudämmen und        fung zur Verfügung gestellt.         Die ersten Aktivitäten kamen
             im Wesentlichen auf die Hoch-                                            „von unten“, auch im DED.
             risikogruppen der homosexuell       Die Gesundheitsfachleute standen     Schon Anfang der 90iger Jahre,
             aktiven Männer und der von          im Kampf gegen AIDS allein auf       lange bevor es eine „policy“ gab,
             injizierten Drogen Abhängigen zu    verlorenen Posten. Die lange Jahre   begannen Entwicklungshelferin-
             begrenzen. Im Süden, vor allem      dauernde therapeutische Hilf-        nen und Entwicklungshelfer sich
             in Afrika, haben sich die Voraus-   losigkeit gegenüber dem sicher       Gedanken zu machen, über das
             sagen einer explosionsartigen       tödlichen Krankheitsverlauf          Thema zu sprechen und mit ein-
             Ausbreitung leider weitestgehend    festigte die Tabuisierung des        heimischen Initiativen, die sich
             erfüllt, mit allen Folgen für die   Themas. Die Stigmatisierung der      bildeten, zusammenzuarbeiten.
             Entwicklung dieser Länder.          Kranken und Infizierten, die auch    Vor vier Jahren wurde die AIDS-
             Dementsprechend ist die AIDS-       in den ‚aufgeklärten’ westlichen     Bekämpfung im DED geschäfts-
             Bekämpfung zu einer der drin-       Gesellschaften noch nicht ganz       politisch zu einem Schwerpunkt
             gendsten Aufgaben der Entwick-      überwunden ist, behindert in         erklärt: Drei Prozent der Arbeits-
             lungspolitik geworden. Noch         allen Kulturen den angemessenen      plätze und drei Prozent der Mittel
             nie hat sich die Politik auf        Umgang mit der Bedrohung. Die        sollten für diese Aufgabe bereit-
             höchster Ebene so intensiv um       AIDS-Bekämpfung musste eine          gestellt werden.

                     Anzahl der Entwicklungshelfer (EH) in der HIV/AIDS-Arbeit

              60

              50

              40

              30

              20

              10

                 0
                      1998        1999           2000         2001           2002          2003          2004

4
AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum
‚Die’ Strategie der AIDS-Bekämp-       Es ist dem DED gelungen, das             der DED-Strategie ist demgemäß
fung, die überall anzuwenden           drei Prozent-Ziel zu erreichen           die AIDS-Querschnittsberatung
wäre, gibt es noch nicht. Für den      und sogar zu übertreffen. 49             in den Hochprävalenzländern.
Aufbau primärer Gesundheits-           Entwicklungshelfer arbeiten bis-         Alle Entwicklungshelfer und
dienste, für die Prävention von        her nur in Afrika in verschiedens-       Entwicklungshelferinnen sollen
Infektionskrankheiten sowie für        ten Bereichen der AIDS-Bekämp-           an ihrem jeweiligen Platz moti-
reproduktive Gesundheit hatte          fung. In diesem Heft berichten           viert und unterstützt werden,
die Weltgesundheitsorganisation        einige von ihnen über ihre Alltags-      das Thema, das jeden angeht,
seit ihrer Konferenz in Alma           und Arbeitserfahrung. Die An-            möglichst vielen Menschen per-
Ata 1978 mit dem Modell des            sätze sind vielfältig, noch vielfälti-   sönlich näher zu bringen. Das
Primären Gesundheitsdienstes ein       ger, als in den Berichten zum            geschieht am besten nicht mit
Förderkonzept erarbeitet, das für      Ausdruck kommt. Es geht nicht            Informationen, sondern mit
Empfänger- und Geberländer             nur um Information und Auf-              Aktionen. Dazu ist fast jedes
weltweit verbindlich wurde und         klärung, die auch in den weniger         Mittel recht: Theater, Kondom-
große Erfolge vorzuweisen hat.         betroffenen und in den struktur-         demonstration und -verteilung,
Die internationale AIDS-Bekämp-        schwächeren Ländern inzwischen           AIDS-Tage, Wettbewerbe unter-
fung besteht immer noch – und          verhältnismäßig weit fortgeschrit-       schiedlichster Art und vieles mehr.
vielleicht auf Dauer – aus „best       ten sind, sondern mehr und mehr          Mit hunderten von Fachkräften,
practices“ für erfolgreiche und        um aktivierende „face to face“-          die nah an der Zielgruppe leben
„lessons learnt“ für fehlgeschlagene   Kommunikation, damit das                 und arbeiten, und nicht wenigen
Versuche, die als Beispiele zur        Wissen zu Verhaltensänderungen           begleitenden Partnerinnen und
Nachahmung empfohlen werden            führt. Alle Ebenen, auf denen            Partnern, die bereit sind, sich
oder eben nicht. Auch dieses           Menschen zu erreichen sind –             mit einzusetzen, verfügt der DED
Herangehen hat zu ersten hoff-         Schulen, Ausbildungsstätten              über ein großes Potenzial für
nungsvollen Ergebnissen geführt.       und vor allem die Arbeitsplätze –        diese viel versprechende Kontakt-
                                       werden genutzt. Ein Kernelement          arbeit. Die zweite Säule ist der

➔ November 1999                        ➔ seit 2000                              ➔ Juli 2003
  Umfrage bei den EH über                In allen Hochprävalenz-                  Kooperationsprojekt mit
  Stellenwert von HIV/AIDS               ländern wurde das Thema                  InWEnt: AIDS Workplace-
➔ Dezember 1999                          auf den Vollversammlungen                programs in Southern Africa
  Studie über Mitarbeitsbedarf           des DED eingeführt                       AWiSA
  und -möglichkeiten                   ➔ seit 2000                              ➔ Dezember 2003
➔ März 2000                              In vielen Fachgruppen-                   Regionale Fachseminare in
  HIV/AIDS als Querschnitts-             sitzungen der EH und                     Südafrika und Kenia über
  aufgabe für alle EH in Hoch-           Partner in Hochprävalenz-                HIV/AIDS als Querschnitts-
  prävalenzländern definiert             ländern wird das Thema                   aufgabe
➔ April 2000                             regelmäßig besprochen                  ➔ März 2004
  HIV/AIDS-Arbeitskonzept              ➔ Juni 2001                                Vernetzung aller EH in der
  des DED an alle Auslands-              Kommentierte Literaturliste              HIV/AIDS-Arbeit
  büros verteilt                         erstellt und verteilt                  ➔ August 2004
➔ Mai 2000                             ➔ September 2001                           Fachheft: Erfahrungen des
  Die Geschäftsführung                   Im Rahmen der Vorberei-                  DED in der HIV/AIDS-
  beschließt, mindestens drei            tung werden alle EH in die               Arbeit
  Prozent der DED-Aktivitäten            Problematik eingeführt                 ➔ geplant Januar 2005
  diesem Problem zu widmen             ➔ März 2003                                Regionale Fachkonferenz
➔ Mai 2000                               Zweiwöchentlicher                        Togo
  DED-Brief über HIV/AIDS                Trainingskurs in Heidelberg            ➔ geplant 2006
➔ 2000                                   zweimal pro Jahr für alle,               Externe Evaluierung der
  Sondierungsmissionen in                die in die HIV/AIDS-Arbeit               Querschnittsarbeit
  Malawi, Sudan, Sambia,                 gehen, eingerichtet
  Burkina Faso, Niger, Togo

                                                                                                                      5
AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum
Einführung

             spezifische Ansatz: Die Beratung       und Gefahren, die uns aus der        blick in einige der Möglichkeiten
             einheimischer Organisationen           Entwicklungszusammenarbeit           der AIDS-Arbeit. Hier ist Raum
             und Selbsthilfeinitiativen, die sich   vertraut sind, vor allem auf der     für und Bedarf an Kreativität
             der gesundheitlichen und sozialen      Ebene der Institutionen. Wir         des Einzelnen wie in keinem
             Probleme der Betroffenen anneh-        sehen aber auch ermutigende          anderen Arbeitsfeld, und wie in
             men sowie Test und Beratung vor        Erfolge. „Die positiven Reaktio-     den frühen Zeiten des Entwick-
             allem in Risikomilieus anbieten;       nen haben meine Erwartungen          lungsdienstes. Noch ist die Phase
             die Unterstützung von meist ex-        weit übertroffen“, ist ein Zitat,    des „Experimentierens“ nicht
             tern finanzierten Institutionen zur    das für die basisnahe Arbeit nicht   abgeschlossen. Die nächsten Jahre
             sozialen Vermarktung von Kon-          untypisch ist. Auf diesem schwie-    werden zeigen, welche Ansätze
             domen; und die Mitarbeit in            rigen Arbeitsfeld erweist sich,      gezielt ausgebaut werden können.
             Gesundheitsdiensten in der Be-         nicht überraschend, der Wert         Die bisherigen Erfahrungen
             handlung und Betreuung der             unseres alten Prinzips des part-     machen aber hoffentlich deutlich,
             Erkrankten.                            nerschaftlichen Herangehens:         dass es sich lohnt, mit aller Kraft
                                                    „Die bestdurchdachten, in Büros      auf diesem Felde weiter zu arbei-
             Die verschiedenen Beiträge des         entwickelten Konzepte und Stra-      ten. Die Erkenntnisse und Ergeb-
             Fachheftes stellen eine erste          tegien gehen nicht auf, wenn die     nisse aus der AIDS-Bekämpfung
             Zwischenbilanz der unternom-           Menschen vor Ort mit ihren           werden für die gesamte Entwick-
             menen Aktivitäten dar. Erfolge         Hintergründen, Erfahrungen und       lungsarbeit fruchtbar sein.
             und Enttäuschungen sind, wie           Gefühlen nicht mit einbezogen
             sollte es anders sein, gemischt.       werden“.                             Walter Spellmeyer
             In der AIDS-Arbeit begegnen                                                 Referat für Gesundheit und
             wir den gleichen Hindernissen          Dieses Heft gibt nur einen Ein-      Soziale Grunddienste

6                                                                                                                        6
AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum
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AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum
Prävention und Aufklärung

                                                              Erster Schritt ans Licht
                                                              Klaus van Briel

                                                              Über HIV/AIDS zu sprechen, fällt den Menschen in Benin schwer. Klaus van Briel beschreibt,
                                                              wie zwei Menschen den Mut aufbringen und öffentlich über ihre Infektion berichten. Dabei gehen
                                                              sie ein hohes Risiko ein. HIV-infizierten Menschen droht in Benin die soziale Isolation. Doch
                                                              immer mehr Menschen bringen den Mut auf, treten mit ihrem Schicksal aus der Anonymität
                                                              heraus und stellen sich der Öffentlichkeit.

                                                              L    ässig und die Beine von sich
                                                                   gestreckt, sitzt Esteban
                                                              Houessou auf einem Stuhl und
                                                                                                     in Benin möglich ist. In einem
                                                                                                     Land, wo sich jeder zu kennen
                                                                                                     scheint und wo sich kaum jemand
                                                                                                                                          heute nicht verändert, obwohl
                                                                                                                                          die Zahl derjenigen, die sich
                                                                                                                                          nicht mehr verstecken wollen,
                                                              erzählt von seinem Leben, sagt,        der sozialen Kontrolle entziehen     zunimmt.
                                                              wie es ihm geht, was er macht          kann, geht es den Beiden um
                                                              und wie er sich seine Zukunft          einen offenen und ehrlichen Um-      Die Spots erreichten jedoch ein
                                                              vorstellt. Er wirkt cool, doch der     gang mit der Immunschwäche-          wichtiges Ziel: Sie dokumentier-
                                                              Eindruck täuscht. An seiner leisen,    krankheit, um ein Ende der           ten, dass es die Epidemie gibt,
                                                              manchmal zittrigen Stimme              Lügen und Mythen, der Geheim-        dass die Immunschwächekrank-
                                                              merkt man, dass ihm das, was           niskrämerei und der Diskriminie-     heit wirklich existiert, auch wenn
                                                              er gerade tut, schwer fällt. Vor       rung von HIV-Infizierten und         die Infizierten anonym bleiben.
                                                              ihm sitzen – im Halbkreis – 45         AIDS-Kranken. Offenheit – dies       Doch die Aufklärungsarbeit der
                                                              Mädchen und Jungen aus allen           ist nicht nur für Esteban und        zahlreichen Nichtregierungsorga-
                                                              Teilen Benins. Sie sind für drei       Mireille eine der wichtigsten        nisationen (NRO) und staat-
                                                              Tage nach Porto-Novo gereist –         Voraussetzungen für die wirksame     licher Aufklärungsprogramme,
                                                              in die Hauptstadt des westafrika-      Bekämpfung der Epidemie, die         die in dem sieben Millionen
                                                              nischen Landes. Keiner sagt ein        in Benin laut offiziellen Angaben    Einwohner zählenden Land seit
                                                              Wort; alle wollen hören, was           4,1 Prozent der evaluierten          Jahren geleistet wird, trägt mitt-
                                                              Esteban ihnen zu sagen hat. Ne-        Bevölkerung erfasst hat (2001).      lerweile erste Früchte: Die Men-
                                                              ben ihm sitzt Mireille Alihonou.       Und täglich stecken sich durch-      schen treten aus der Anonymität
                                                              Gleich wird auch die junge Frau        schnittlich etwa 45 Beniner neu      heraus und zeigen ihr Gesicht.
                                                              ihre Geschichte erzählen. Denn         mit HIV an.                          So sehen die meisten Jugend-
                                                              Mireille ist wie Esteban mit HIV                                            lichen, die an diesem Wochen-
                                                              infiziert und will sich nicht länger   TV-Spots als Mittel der              ende am Projekt „Panter“ in
                                                              verstecken wie eine Aussätzige.        Aufklärung                           Porto-Novo teilnehmen, zum
                                                              Sie steht zu ihrer Infektion und                                            ersten Mal HIV-Infizierte. Doch
                    Esteban Houessou und Mireille Alihonou    möchte, dass dies eines Tages          Die „Témoignage“, die Zeugnis-       es gibt auch Misstrauen gegenüber
                    berichten offen über ihre HIV-Infektion   auch allen anderen Infizierten         ablegung, gehört in Benin heute      soviel Mut. Ein Teilnehmer fragt
                                                                                                     zu einer der effektivsten Sensibi-   nach einem Beweis. Das geht
                                                                                                     lisierungsmethoden, mit der die      anderen wiederum zu weit, Un-
                                                                                                     Öffentlichkeit über die reale        mut regt sich gegen den zweifeln-
                                                                                                     Gefahr und die wahre Dimen-          den Seminarteilnehmer. Doch
                                                                                                     sion der Immunschwächekrank-         Mireille zückt – als hätte sie mit
                                                                                                     heit in ihrem Land aufgeklärt        solchem Misstrauen gerechnet –
                                                                                                     werden soll. Das war nicht immer     einen Ausweis, der attestiert, dass
                                                                                                     so: Die ersten HIV-Infizierten,      sie als HIV-Infizierte für die be-
                                                                                                     die noch vor einigen Jahren in       ninische NRO „La vie nouvelle“
                                                                                                     TV-Spots in Benin auftraten,         Sensibilisierungsarbeit leistet.
                                                                                                     wurden noch unkenntlich ge-          „Würde ich mich wirklich hier
                                                                                                     macht, sprachen im abgedunkel-       hinsetzen und euch erzählen,
                                                                                                     ten Studio über ihre AIDS-Krank-     dass ich HIV-infiziert bin, wenn
                                                                                                     heit. Das war der erste Schritt.     ich es nicht tatsächlich wäre?“,
                                                                                                     Weiter konnte man damals nicht       fragt Mireille die Jugendlichen.
                                                                                                     gehen, weil für diejenigen, die      Mit ablehnenden Reaktionen
Quelle: van Briel

                                                                                                     in den Spots auftraten, das Risiko   und Angst vor Ansteckung
                                                                                                     der sozialen Isolierung zu groß      müssen diejenigen, die sich offen
                                                                                                     war. Das hat sich im Prinzip bis     zu ihrer Krankheit bekennen,

                     8
AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum
nämlich immer noch rechnen.
Esteban bekennt vor den Jugend-
lichen, dass bis heute seine Eltern
nichts von seiner Infektion wissen.
Den passenden Moment, es ihnen
mitzuteilen, hat er bislang noch
nicht gefunden. Viel Zeit bleibt
ihm sicher nicht mehr, denn in
Benin fließen die Informationen
manchmal schneller als einem

                                                                                                                                                                Quelle: van Briel
lieb ist.

Sensibilisierung über
HIV/AIDS
                                        Prävalenz bei den Jugendlichen      Dabei ist es die Hauptaufgabe         Mitglieder des Peer-Group-Projekts „Panter“
Das vom amerikanischen Peace            ist in Benin regional sehr unter-   des Entwicklungshelfers, die be-
Corps aufgebaute Peer-Group-            schiedlich. In den nördlichen       stehenden Kommunikationswege
Projekt „Panter“ wurde in diesem        Departements Borgou und Ali-        effektiv zu nutzen und neue
Jahr von der NRO Population             bori sind 8,4 Prozent der Jugend-   Möglichkeiten zu finden, um
Services International (PSI)            lichen im Alter von 15 - 24         Jugendliche auf die Gefahr einer
übernommen und soll in den              Jahren infiziert, in den weiter     HIV/AIDS-Infektion aufmerk-
kommenden Jahren weiter aus-            südlichen Departements Zou          sam zu machen.
gebaut werden. 2003 haben               und Collines sind es 4,6 Prozent
sich 45 Jugendliche, vorwiegend         und in den Departements Atlan-      Ein besonderes
aus ländlichen Regionen Benins,         tique und Littoral 4,1 Prozent.     Jugendmagazin
bereit erklärt, für ein Jahr in ihrem
sozialen Umfeld Sensibilisierungs-      Beitrag des DED                     Das Engagement von PSI zeigt
aktionen zu organisieren. Unter-                                            erste Erfolge. Die drei wichtigsten
stützt werden sie dabei von den         Mit der Strategie des sozialen      Methoden zur Verhinderung einer
in ihren Dörfern tätigen jungen         Marketings wurden die u.a. von      HIV-Infektion („Abstinenz, Treue,
Amerikanern und Amerikane-              der Kreditanstalt für Wiederauf-    Kondom“) sind in Benin vielen
rinnen des Freiwilligenkorps.           bau (KfW) subventionierten          Jugendlichen vor allem durch
PSI stellt Videokassetten, Infor-       Präservative im vergangenen Jahr    die seit 1996 von PSI herausge-
mationsmaterial und eine kleine         über acht Millionen Mal verkauft    gebenen Jugendbroschüre be-
finanzielle Unterstützung zur           (begleitet von Sensibilisierungs-   kannt: „Amour & Vie“ (Liebe
Verfügung. Zudem werden die             aktionen, die eine Änderung         & Leben). Das Magazin erscheint
Jugendlichen in mehrtägigen             des Verhaltens innerhalb der        fünf Mal im Jahr in einer Auf-
Seminaren auf ihre Arbeit vor-          unterschiedlichen Zielgruppen       lage von 30.000 - 50.000 Exem-
bereitet. Das Peer-Group-Projekt        fördern). Der DED unterstützt       plaren und ist bei den Jugend-
ist eine von vielen Sensibilisie-       den Aufbau des Sensibilisierungs-   lichen sehr beliebt. Ein farbiger
rungsaktivitäten, die von Popu-         programms für Jugendliche.          Comic-Strip, ein Forum für
lation Services International seit      Von Januar 2001 bis Dezember        Fragen, Rätsel und Preisausschrei-
Aufnahme des sozialen Marke-            2002 war eine Entwicklungs-         ben – alles rund um die repro-
tingprogramms in Benin im               helferin des DED maßgeblich         duktive Gesundheit Jugend-
Jahre 1990 auf dem HIV/AIDS-            am Auf- und Ausbau eines Fami-      licher – sind feste Bestandteile
Sektor unternommen wurden.              lienplanungsprogramms bei PSI       jeder Ausgabe. Begehrt ist
Sie richten sich vor allem an           beteiligt. Der aktuelle Beitrag     „Amour & Vie“ nicht zuletzt auch
Jugendliche, weil die Altersgruppe      des DED zielt vor allem auf die     wegen des farbigen Posters in
der 15 - 24-Jährigen mehr als           Beratung der Nichtregierungs-       der Heftmitte: In jeder Ausgabe
20 Prozent der Bevölkerung Be-          organisation (NRO) bei der Ent-     kommt ein in Benin bekannter
nins ausmacht. Dementsprechend          wicklung und Anwendung von          Star oder eine Band groß heraus
werden auch die Methoden der            neuen Kommunikationsstrategien      – Exklusivinterview inbegriffen.
Sensibilisierungen gewählt. Die         im Umgang mit Jugendlichen.         So ist es für die meisten Jugend-

                                                                                                                                                          9
AIDS-Arbeit in der Praxis schaftvorO rt - ded forum
Prävention und Aufklärung

                                                                                                                                                        sierung der Live-Sendung ist
                                                                                                                                                        der DED mit einem Entwick-
                                                                                                                                                        lungshelfer maßgeblich beteiligt.
                                                                                                                                                        Radio „Amour & Vie“ kann dann
                                                                                                                                                        landesweit von fast zwei Millionen
                                                                                                                                                        Mädchen und Jungen im Alter
                                                                                                                                                        zwischen 10 und 24 Jahren ge-
                                                                                                                                                        hört werden und gibt ihnen die
                                                                                                                                                        Möglichkeit, per Telefon oder
                                                                                                                                                        Brief Fragen zu stellen, die so-
                                                                                                                                                        wohl von Fachleuten als auch
                                                                                                                                                        von ihren Altersgenossen in der
                                                                                                                                                        Redaktion beantwortet werden.
                                                                                                                                                        Das kann im Studio und an den
                                                                                                                                                        Plätzen, wo die Sendung gehört
                                                           Quelle: van Briel
Quelle: van Briel

                                                                                                                                                        wird, zu heißen Diskussionen
                                                                                                                                                        führen. Denn heikle Themen
                                                                                                                                                        gibt es genug: Sex zwischen den
                                                                                                                                                        Generationen oder zwischen
                    Das Magazin „Amour & Vie“ trifft den                       lichen kein Problem, 50 CFA         hundert Briefe von Mädchen           Schülern und Lehrern (zur Auf-
                    Geschmack vieler Jugendlicher
                                                                               (circa 7 Cent) pro Heft zu be-      und Jungen, die darin offen ihre     besserung der Zeugnisnote),
                                                                               zahlen. Noch vor zwei Jahren        Fragen stellen, am Preisausschrei-   jugendliche Prostitution, sexuelle
                                                                               wurden die Ausgaben gratis ver-     ben teilnehmen oder einfach nur      Belästigung und Vergewaltigung,
                                                                               teilt. Absatzprobleme gab es da-    ihre Freude darüber ausdrücken,      Frauenbeschneidung, etc. Ob
                                                                               mals natürlich erst recht nicht.    dass es „Amour & Vie“ gibt.          Tabu oder nicht, Ziel des Radio-
                                                                               PSI entschied sich dennoch,         Denn in Benin fehlt den              projektes ist es, einen Freiraum
                                                                               einen kleinen, wenn auch nur        Jugendlichen ein Forum, das          für Jugendliche zu schaffen, wo
                                                                               symbolischen Preis für das Heft     ihnen die Möglichkeit gibt, die      sie ungezwungen und offen ihre
                                                                               einzuführen, um bei den Jugend-     Fragen zu stellen, die ihnen unter   Probleme loswerden, Informatio-
                                                                               lichen ein Gefühl für den Wert      den Nägeln brennen.                  nen austauschen und Antworten
                                                                               des Magazins und der darin be-                                           auf ihre Fragen bekommen
                                                                               handelten Themen zu wecken.         Noch in diesem Jahr soll aus         können.
                                                                               Das Interesse an „Amour & Vie“      diesem Grund die erste 45-
                                                                               hat darunter nicht gelitten – im    minütige Radiosendung starten,       Klaus van Briel ist Entwick-
                                                                               Gegenteil. Die Redaktion von        die von und für Jugendliche ein-     lungshelfer des DED in Benin
                                                                               „Amour & Vie“ erhält nach Er-       mal pro Woche produziert wird.
                                                                               scheinen jeder Ausgabe mehrere      An der Konzeption und Reali-

                                                                               Das Tabu brechen
                                                                               Andrea Pfeiffer

                                                                               HIV/AIDS ist in Ghana ein Tabu und das Wissen über das Thema ist gering. Andrea Pfeiffer
                                                                               gibt Beispiele dafür, wie Beratung und HIV/AIDS-Test miteinander verbunden werden können.
                                                                               Solange die Krankheit nicht sichtbar ist, kann sie nicht bekämpft werden. Aufklärung und
                                                                               Prävention sind zwei Seiten derselben Medaille.

                                                                               „P     romote Tourism, not HIV/
                                                                                      AIDS“, lautet der Slogan
                                                                               auf einem Sticker des ghanaischen
                                                                                                                   Prozent (andere Schätzungen ge-
                                                                                                                   hen von sechs Prozent aus) zu den
                                                                                                                   Ländern, in denen HIV/AIDS
                                                                                                                                                        500.000 infizierte Personen im
                                                                                                                                                        Land, aber sie werden schlicht
                                                                                                                                                        verschwiegen. Soll es gelingen,
                                                                               Ministeriums für Tourismus.         nahezu unsichtbar geblieben ist.     die ghanaische Bevölkerung vor
                                                                               Noch gehört Ghana mit einer         Zwar leben nach Angaben der          einer weiteren Ausbreitung von
                                                                               Prävalenzrate von offiziell 3,8     Ghana Aids Commission circa          HIV/AIDS zu schützen bzw. die

                    10
Krankheit auf westeuropäisches       sollen den Teufelskreis von In-       haben, sie könnten HIV-infiziert
Niveau zu reduzieren, müssen         fektion, Verbergen und neuer          sein, zu CENCOSAD kommen
die Menschen, die heute mit          Infektion unterbrechen. Zaghaft       und sich freiwillig beraten und
HIV/AIDS leben, medizinisch,         bilden sich Selbsthilfegruppen,       testen lassen. Dies geschieht
wirtschaftlich und sozial unter-     in denen sich die Betroffenen         anonym und nur die Berater
stützt und ermutigt werden.          austauschen und unterstützen.         kennen die Ergebnisse. Vor und
                                     Diese Gruppen kann man jedoch         nach der Blutentnahme werden
Stigmatisierung erkrank-             noch an zwei Händen abzählen.         die Klienten beraten und Fragen
ter Personen                         Große Hoffnungen verbinden            wie die folgenden beantwortet:
                                     sich deswegen mit freiwilligen        Was sagt der Bluttest aus? Warum
Trotz einiger Kampagnen mit          HIV/AIDS-Tests. Denn mit              habe ich Angst, infiziert zu sein?
verschiedensten Aufklärungsar-       Unterstützung der beratenden          Was würde ich machen, wenn
tikeln, Appellen und Seminaren       Organisation wird es erkrankten       ich HIV-positiv bin und wer
unter dem Motto „Love Life –         Personen leichter fallen, unbelas-    könnte mich wie unterstützen?
Stop AIDS“ ist es noch nicht         teter und vor allem länger mit        Wie gehe ich mit dem Testergeb-
zu einer Änderung im sexuellen       ihrer Krankheit zu leben. Letz-       nis um? Wie kann ich und wie
Verhalten gekommen. Erkrankte        teres ist besonders für jene Per-     können andere HIV-negativ
Personen werden weiterhin stig-      sonen (und die Gesellschaft) von      bleiben? Da beide Stadtteile zu
matisiert. Dafür sind mehrere        unschätzbarem Wert, die Kinder        den ärmeren in Accra gehören,
Gründe verantwortlich: die           haben oder mitten im beruflichen      sollen im Lauf der Zeit einkom-
Unheilbarkeit von HIV/AIDS,          Leben stehen. So kann erkrank-        mensschaffende Maßnahmen für
die sexuellen Übertragungswege       ten und schwangeren Frauen            erkrankte Personen dazu kom-
(verbunden mit der Schwierigkeit     geholfen werden, ein gesundes         men.
darüber zu sprechen), die Ansicht,   Kind zu gebären – unter der
dass Krankheiten mit übernatür-      Voraussetzung allerdings, dass        Werbung für freiwillige
lichen Mächten im Zusammen-          die medizinische Versorgung           HIV/AIDS-Tests
hang stehen, zahlreiche kulturelle   gewährleistet wird, was in einem
Vorbehalte gegenüber dem Ge-         Entwicklungsland wie Ghana            Mit diesen HIV/AIDS-Tests
brauch des Kondoms sowie –           eben nicht selbstverständlich ist.    hoffen wir, zum einen Personen,
last but not least – die große                                             die HIV-negativ geblieben sind,
Armut. Das tägliche Überleben        Care and support                      in ihrem präventiven Verhalten
kostet die Menschen Kraft genug,                                           für die Zukunft zu bestärken.
woher dann noch das Geld für         Ein Versuch wurde im Herzen           Zum anderen können wir Per-
Medikamente nehmen? Ein nied-        von Accra, Ghanas Hauptstadt,         sonen, die HIV-positiv sind,
riges Bildungsniveau vereitelt       gestartet. Zusammen mit CEN-          möglichst rasch durch weiterge-
grundlegendes Wissen, so dass        COSAD, einer ghanaischen              hende Beratung oder eine Über-
viele unsicher sind, ob sie nicht    Partnerorganisation des DED,          weisung an andere Hilfseinrich-
doch durch Händeschütteln an-        wird seit Ende 2002 in zwei           tungen helfen. Darüber hinaus
gesteckt werden könnten. Erkrank-    Stadtteilen ein Unterstützungs-       unterstützen wir sie manchmal
te Personen fühlen sich schuldig     programm für an HIV/AIDS              auch materiell. Ein Hindernis-
und würden sich aus Angst vor        erkrankte Personen aufgebaut.         lauf ist die Beschaffung von Geld-
sozialer Isolation in ihrer Umge-    Erster Schritt ist der Aufbau eines   mitteln für die kostenlosen Tests
bung nie als HIV-positiv „outen“.    so genannten „Voluntary Coun-         und weitergehende Maßnahmen
Meistens sind nur einige wenige      selling and Testing“-Programmes.      für erkrankte Personen (ganz ab-
Verwandte eingeweiht.                Hier können Personen, die Angst       gesehen von den Gehältern für

Breaking the silence

„Das Schweigen brechen“ und
„Show Compassion to People
Living with HIV/AIDS today“
                                                                                                                Quelle: DED

(Zeige heute Mitgefühl gegenüber
an AIDS erkrankten Personen)

                                                                                                                              11
Prävention und Aufklärung

                                                       die Mitarbeiter und Mitarbeite-      aufgeführt. Die ehrenamtlichen       die Grundlage für den Erfolg
                                                       rinnen). Das vom DED bereit-         Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen     des Programms. Wir hoffen, dass
                                                       gestellte Budget ist bescheiden,     von CENCOSAD werden über             immer mehr Menschen unserer
                                                       ermöglicht aber einiges an Im-       Voluntary Counselling and            Aufforderung „Get HIV-tested
                                                       pulsen für das Programm.             Testing aufgeklärt und verbreiten    now” folgen, so dass der Gang
                                                                                            die Informationen. Ende des          zum HIV/AIDS-Test normaler
                                                       Um unser Angebot publik und          Jahres werden wir direkt in einen    wird und die Krankheit in ihrem
                                                       verständlich zu machen, wurden       Stadtteil gehen und dort unter       bedrohlichen Umfang sichtbar
                                                       erste Faltblätter und Artikel pro-   freiem Himmel HIV/AIDS-Tests         – und damit in Zukunft zuneh-
                                                       duziert. Ein Theaterstück mit        anbieten.                            mend vermeidbar sein wird.
                                                       den Schwerpunkten „Angebot
                                                       des freiwilligen HIV/AIDS-Tests“     Da es Befürchtungen gibt, dass       Andrea Pfeiffer ist Entwick-
                                                       und „Umgang mit erkrankten           der Test nicht anonym durchge-       lungshelferin des DED in Ghana
                                                       Personen“ wurde an verschiede-       führt wird oder dass er die Le-
                                                       nen Plätzen unter freiem Himmel      benszeit verkürzt, ist Aufklärung

                                                       HIV/AIDS-Arbeit vor Ort
                                                       Andrea Pfeiffer

                                                       Andrea Pfeiffer stellt Maßnahmen vor, die im Rahmen der Bewusstseinsbildung über HIV/AIDS
                                                       in Ghana durchgeführt werden. Die Beispiele zeigen, wie vielfältig die Ansätze sind, um die
                                                       Menschen an das schwierige Thema heranzuführen, um langfristig eine Änderung des Verhaltens
                                                       zu bewirken.

                                                       I  n einem Entwicklungsland
                                                          wie Ghana, wo ca. 30 Prozent
                                                       der Bevölkerung keine Schulaus-
                                                                                            abzielt. Hierbei wird, in Anleh-
                                                                                            nung an die ABC Strategie (A
                                                                                            steht für Abstinenz, B für treu
                                                                                                                                 beschlossen, wobei es oft sehr
                                                                                                                                 lebhaft zugeht.

                                                       bildung haben und viele nur eine     sein und C für den Gebrauch          Geteiltes Wissen
                                                       Basisausbildung im Rahmen            von Kondomen), eine Geschichte
                                                       des dürftigen Bildungssystems        erzählt, die zur Veranschaulichung   Ebenso lebhaft kann es werden,
                                                       erhalten, ist der Gebrauch von       auf einem Tuch dargestellt ist       wenn Wissensspiele angewandt
                                                       partizipativen und anschaulichen     (siehe Abb.). Eine Flut kommt,       werden wie auf einem „Gender
                                                       Methoden besonders wichtig.          und die Leute müssen sich in         und HIV/AIDS“-Seminar, das in
                                                       Die wohl bekannteste Methode         eines von drei Booten retten. Die    Ghana stattfand. In Form eines
                                                       in Ghana ist die „Journey of         Boote symbolisieren die drei         einfachen Würfelspiels, das die
                                                       Hope“, die auf eine Verhaltens-      Alternativen: Abstinenz, Treue       „HIV/AIDS-Frauen“ mit der
              Wer entscheidet sich für welches Boot?   änderung im sexuellen Bereich        und Kondomgebrauch. Zusätz-          Genderbeauftragten (Beraterin
                                                                                            lich lauern Krokodile im Wasser,     für geschlechtsspezifische Fragen)
                                                                                            so dass man sich möglichst rasch     selbst entwickelt haben, kommen
                                                                                            für eine „Insel der Zukunft“         Wissenskarten, Diskussionskarten
                                                                                            entscheiden sollte. Für ausge-       und Meinungskarten zum Ein-
                                                                                            wählte Personen, die auf Karten      satz. Manchmal wird eine Gruppe
                                                                                            aufgezeichnet sind, muss die         auch zum HIV/AIDS-Test ge-
                                                                                            Gruppe entscheiden, wer sich         schickt oder es kann eine Frage
                                                                                            für welches Boot entscheiden         gestellt werden. Um die breit
                                                                                            wird, z.B. die schwangere Mutter,    gefächerte Diskussion zu struk-
                                                                                            der Soldat, der Geschäftsmann,       turieren und nicht bei den ersten
                                                                                            die schicke Studentin etc. Die       Karten stecken zu bleiben, wird
                                                                                            Antwort auf dieses Rätsel wird       ein Zeitnehmer bestimmt, der
Quelle: DED

                                                                                            in gemeinsamer Diskussion er-        darauf achtet, dass die Diskussion
                                                                                            örtert und dann von der Gruppe       nicht ausufert.

              12
HIV/AIDS praktisch                   jeweiligen Gemeinde den Aus-
                                     gangspunkt für das Theaterstück
Eine beeindruckende Herange-         bilden. Um diese Einbindung
hensweise, welche die Folgen einer   zu gewährleisten, werden Ge-
HIV-Infektion für den familiären     spräche mit Meinungsführern
Kontext aufzeigt, ist „Familien-     und „normalen Bürgern“ jeden
dynamik“. Den Arbeitsgruppen         Alters und Herkommens geführt
werden verschiedene Familien-        und das Programm angekündigt.
konstellationen in Form von          Je nach Situation finden die
Papierfiguren vorgelegt. Zunächst    Aufführungen entweder auf der
sollen diese Familien mit Leben      Straße oder an einem Versamm-
gefüllt werden: Was machen die       lungsort statt. Das Publikum
verschiedenen Personen? Wie          kann (und soll) sich während des

                                                                                                                                                            Quelle: Pfeiffer
sehen die Beziehungen zwischen       Theaterstückes einmischen und
den Familienmitgliedern aus?         mit Fragen oder (Unmuts-) Äu-
Wie verdient die Familie ihren       ßerungen reagieren. Die Diskus-
Lebensunterhalt? Was will die        sion geht nach der Aufführung
Familie erreichen, welche Träume     weiter, deren Abschluss eine zu-      ihren HIV-Status zu verbergen.        Einfache Würfelspiele regen zu lebhaften
                                                                                                                 Diskussionen über HIV/AIDS an
gibt es? Nun werden die Figuren      vor abgesprochene Einführung          Das hat zur Folge, dass kaum
umgedreht und man sieht, dass        in den Gebrauch des Kondoms           jemand erkrankte Personen kennt.
ein Familienmitglied mit einem       für Männer und des Kondoms
roten Punkt gekennzeichnet ist,      für Frauen bildet. Nach einiger       Um an diese Probleme heranzu-
das heißt er oder sie hat HIV/       Zeit hört man sich in der Ge-         führen und die Gefühle der Men-
AIDS. Nun werden Fragen              meinde um, was von dem                schen zu berühren, kann ein
erörtert wie: Was ändert sich        Theater in Erinnerung geblieben       kurzer Reflektionsbogen helfen,
dadurch in der Familie? Wie wird     ist und was die Zuhörer und           der individuell ausgefüllt wird
die Familie damit umgehen,           Zuhörerinnen besonders ange-          und folgende Fragen stellt: Kenne
wenn es der erkrankten Person        sprochen oder abgestoßen hat.         ich eine erkrankte Person? Wie
schlechter geht? Was wird sein,      Idealerweise wird es nicht bei        werden erkrankte Personen in
wenn die Person stirbt? Kann         einer Aufführung bleiben, sondern     der Gemeinde behandelt? Was
die erkrankte Person andere Fa-      es werden mehrere Variationen         würde ich tun, wenn ein Fami-
milienmitglieder anstecken und       der Aufführungen stattfinden.         lienmitglied erkrankt? Wer soll
wenn ja, was hat das für Folgen?                                           für die erkrankten Personen
Wie haben sich die Ziele und         HIV/AIDS ein Gesicht geben            sorgen? Wie könnte ich eine
Träume der Familie verändert?                                              erkrankte Person unterstützen?
                                     Menschen können für die Be-           Möchte ich mich beraten und
Nachdem alle Arbeitsgruppen im       lange von an HIV/AIDS erkrank-        testen lassen?
Plenum berichtet haben, kann         ten Personen sensibilisiert werden,
man das Spiel für die Ebene der      wenn die Möglichkeit geschaffen       Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt
Gemeinde fortsetzen. Alle Fami-      wird, erkrankte Personen im ge-       aus der Vielfalt der Methoden,
lien bilden zusammen eine Ge-        schützten Rahmen eines Seminars       die bei der Bewusstseinsbildung
meinde und man stellt sich vor,      zu treffen. Mittlerweile gibt es      für HIV/AIDS angewandt wer-
wie diese Gemeinde in drei Jah-      Selbsthilfegruppen in Ghana,          den. Sinnvoll wäre für die
ren, in fünf Jahren usw. aussieht.   deren Mitglieder bereit sind, von     Zukunft eine Sammlung von
                                     ihrem Leben mit HIV/AIDS zu           Methoden, auf die man immer
Theater for Development              berichten – nie jedoch in dem         wieder zurückgreifen könnte.
                                     Stadtteil, in dem sie wohnen.
Theateraufführungen werden oft       Die Stigmatisierung der Men-          Andrea Pfeiffer
und gerne in Ghana gesehen.          schen, die mit HIV/AIDS leben
Werden sie nach den Prinzipien       müssen, ist aus verschiedenen
des „Theater for Development“        Gründen nach wie vor sehr weit
durchgeführt, bedeutet dies, dass    verbreitet. Erkrankte Personen
Probleme und Sichtweisen der         versuchen so lange wie möglich

                                                                                                                                                      13
Prävention und Aufklärung

                                 „Ich hätte auch einer der Infizierten sein können“
                                 Maria Staiger
               Quelle: Staiger

                                 Maria Staiger spricht mit Wellington Chavura, dem Initiator und Vorsitzenden des Kazando
                                 AIDS-Clubs in Malawi.

                                 Staiger:                              mehr als zehn Menschen an AIDS        gegründet. Seither seid Ihr einer
                                 Aus welchen Gründen habt Ihr          erkrankt. Aber das wurde uns erst     der aktivsten Clubs in der ganzen
                                 Farmer aus Kazando an unserem         damals klar. Auch mein Bruder         Region. Erzähle uns bitte von
                                 ersten HIV/AIDS-Informations-         starb an den Folgen von AIDS.         dieser Entwicklung.
                                 tag teilgenommen?                     Es wurde allerdings nicht darüber
                                                                       gesprochen. Weil wir es aber ge-      Chavura:
                                 Chavura:                              nau wissen wollten, ging ich mit      Seit der ersten Veranstaltung gab
                                 Es gab zwei Gründe: Erstens           ihm ins Hospital und sagte, dass      es drei Meilensteine: Zunächst
                                 hatten wir über AIDS bisher nur       wir zum Test kämen, und dass          hatten wir uns gesagt, dass mehr
                                 im Radio gehört. Aber das be-         wir das Ergebnis erfahren möch-       Menschen aus unseren Dörfern
                                 deutet nicht viel, denn das Radio     ten. Seine Frau hatte zu der Zeit     von AIDS erfahren sollten und
                                 beantwortet nicht unsere Fragen       übrigens noch abgelehnt, mitzu-       nicht nur die Farmer aus dem
                                 und hat für unser Handeln keine       kommen. Ich dachte dann, dass         DED/GTZ-Projekt (‚Horticul-
                                 Konsequenzen. Es ist doch ein         es für mich besser ist, im AIDS-      ture Project’). Daher hatten wir
                                 großer Unterschied, wenn man          Bereich aktiv zu werden. Denn         einige wichtige Leute aus den
                                 einen Ansprechpartner hat.            so wie ich gelebt habe, hätte auch    umliegenden Orten eingeladen
                                 Zweitens waren Leute aus unse-        ich einer der Infizierten sein        und Euch gebeten, zu uns zu
                                 rem Dorf krank, aber niemand          können. Inzwischen sind vier          kommen. Was wir nicht erwartet
                                 redete offen darüber. Sie hatten      Menschen an den Folgen von            hatten war, dass anstatt der 40
                                 Durchfall, magerten ab und be-        AIDS gestorben. Unter den Toten       eingeladenen Personen über 200
                                 kamen ganz dünne und spröde           ist auch eine Frau, die zuerst zu     kamen. Es hatte sich wie ein
                                 Haare. Im Krankenhaus wurde           uns gekommen war, dann aber           Lauffeuer herumgesprochen, dass
                                 uns gesagt, sie hätten Tuberkulose.   doch wieder in ihre alten und         Ihr kommt. Die GTZ ist in der
                                 Aber um sie zu pflegen, sollten       risikoreichen Gewohnheiten zu-        Region für ihre Arbeit im land-
                                 wir Handschuhe tragen. Dadurch        rückfiel und vor kurzer Zeit starb.   wirtschaftlichen Sektor bekannt
                                 wurden wir stutzig und merkten,       Inzwischen haben sich mehrere         und viele Teilnehmer erhofften
                                 dass irgendetwas nicht stimmt.        Dörfer unserem AIDS-Komitee           deshalb von einem ‚Malawian-
                                                                       angeschlossen – insgesamt leben       GERMAN Project’ Farminput
                                 Staiger:                              dort ca. 5.000 Menschen, wovon        und HIV/AIDS-Informationen.
                                 Wie war die Situation bei Euch        26 HIV-infiziert sind.                Es war das erste Mal, dass in der
                                 im Dorf?                                                                    Region offen über HIV/AIDS
                                                                       Staiger:                              geredet wurde. Das war der
                                 Chavura:                              Bald nach der ersten Veranstal-       Anfang. Daraufhin wurden wir
                                 Von 2.000 Einwohnern waren            tung habt Ihr das AIDS-Komitee        aktiv und gründeten das Komitee

14
mit sieben Mitgliedern. Unser              Seither besuchen wir alle Kranken    nimmt sich die Jugend ein Bei-
                  Ziel war, alle Menschen aus un-            in der Region. Wir wollen mit        spiel an uns. Neue Anti-AIDS-
                  serer Region über HIV/AIDS                 Eurer Hilfe ein kleines Pflegebüro   Clubs entstehen und wir haben
                  zu informieren. Wir besuchten              einrichten, damit die Leute, die     für die Zukunft noch viel vor.
                  die sieben „village-headmen“               dazu in Lage sind, zu uns kom-
                  aus der Region und übergaben               men können und immer wissen,         Das Interview führte Maria
                  ihnen eine schriftliche Einladung,         wo sie Hilfe bekommen. Aller-        Staiger, Entwicklungshelferin des
                  damit sie die Menschen aus ihren           dings haben wir weder Medika-        DED in Malawi
                  Dörfern zu einer Veranstaltung             mente noch Pflegematerialien.
                  einladen. Wir hatten unsere Bot-           Aber wir geben jedem Kranken
                  schaften in ein kleines Theater-           etwas Maismehl und Gemüse
                  stück eingearbeitet, AIDS-Lieder           und 45 Malawi Kwacha (ca. 40         Informationen über das
                  getextet und geplant, eine Frage-          Cent) aus unserer Komiteekasse.      HIV/AIDS-Projekt in Malawi
                  Antwort-Runde zum Thema zu
                  gestalten. Leider erschienen aber          Staiger:                             Das Malawisch-Deutsche HIV/
                                                             Was hat sich seit dem Anfang         AIDS-Projekt wird von DED
                                                             Eurer Arbeit für die Mitglieder      und GTZ in Kooperation durch-
                                                             Eures Komitees verändert?            geführt. Wir arbeiten landesweit
                                                                                                  mit zwei DED-Mitarbeiterinnen
                                                             Chavura:                             in Sektoren wie Grundbildung,
                                                             Wir sind aktiv geworden. Wir         Gesundheit, Demokratie/Dezen-
                                                             können etwas tun, um uns vor         tralisierung und Landwirtschaft.
Quelle: Staiger

                                                             HIV/AIDS zu schützen. Eine
                                                             unverheiratete Frau mit Kind         Zielgruppen sind die Mitarbeiter
                  „Wir haben für die Zukunt noch viel vor“
                                                             aus unserem Komitee, von der         der Programme und Projekte, in
                                                             viele Männer etwas wollen, sagte     die von deutscher Seite der DED,
                  nur wenige Leute. Die „village-            neulich: „Niemand kann mich          die GTZ, die Kreditanstalt für
                  headmen“ hatten zum Teil „ver-             mehr für dumm verkaufen, ich         Wiederaufbau (KfW) und das
                  gessen“, die Briefe weiterzuleiten         weiß jetzt, wie ich mich verhalten   Centrum für Internationale
                  oder sie sind selbst nicht zu un-          muss“. Wir können zudem unse-        Migration (CIM) involviert sind.
                  serer Veranstaltung gekommen,              ren Familien helfen. Allerdings
                  was einen schlechten Einfluss              brauchen wir noch Unterstüt-         Außerdem arbeiten wir mit den
                  auf die Motivation der anderen             zung, um besser beraten zu kön-      Menschen, für die diese Projekte
                  Menschen hatte. Aber es war ein            nen. AIDS ist nach wie vor ein       gedacht sind: Farmer, Fischer,
                  Anfang und wir waren entschlos-            heikles Thema.                       Lehrer, Gemeindearbeiter, Ge-
                  sen weiterzumachen. Der zweite                                                  sundheitsposten u.a.m. Wir
                  Meilenstein war der Welt-AIDS-             Staiger:                             führen unter anderem HIV/
                  Tag, an dem hier rund 600                  Was hat sich für Dich persön-        AIDS-Informationsveranstaltun-
                  Menschen zusammen feierten.                lich geändert?                       gen am Arbeitsplatz und in der
                  Es war die erste große Veranstal-                                               Gemeinde durch und entwickeln
                  tung, die jemals in unserer Region         Chavura:                             zusammen mit anderen Organisa-
                  stattgefunden hat. Alle „village-          Ich wusste lange nichts über die     tionen Präventionsprogramme.
                  headmen“ und der Bürgermeister             Gefahr der Ansteckung. Ich än-
                  aus Mzuzu waren gekommen                   derte mein Verhalten und meine
                  und unsere Arbeit wurde in der             Frau schätzt das. Außerdem werde
                  ganzen Region bekannt. Danach              ich nicht mehr betrogen. Nach-
                  kamen die „Chiefs“ zu uns, um              dem mein Bruder gestorben war,
                  sich über HIV/AIDS zu infor-               sollte ich eigentlich seine Frau
                  mieren und um Hilfe zu bitten.             heiraten (Witwenvererbung –
                                                                                                                                        Quelle: Staiger

                  Der dritte entscheidende Schritt           ein kultureller Brauch in Malawi),
                  waren die zwei Wochen Pflege-              aber die Leute sagten, der ist im
                  training (Home-based Care), an             AIDS-Komitee, dem können wir         „Eine Frau sagte: Niemand kann mich
                  dem wir teilnehmen konnten.                das nicht vorschlagen! Übrigens      mehr für dumm verkaufen“

                                                                                                                                                          15
Prävention und Aufklärung

                                                                Kasperle in Südafrika
                                                                Jennifer Goldenstede

                                                                Mit der Aufklärung über die Gefahren von HIV/AIDS kann gar nicht früh genug begonnen wer-
                                                                den. Um Grundschülern in Südafrika das schwierige Thema zu vermitteln, ließ sich Jennifer
                                                                Goldenstede etwas ganz besonderes einfallen und gewann mehrere Schulen für einen Puppen-
                                                                theater-Wettbewerb: So lernen die Schüler nicht nur etwas über HIV/AIDS, sondern stärken
                                                                auch ihr Selbstbewusstsein.

                                                                S   eit Juni 2003 arbeite ich im
                                                                    Rahmen des DED-Nach-
                                                                wuchsförderungsprogramms
                                                                                                   sind landesweit 15,2 Prozent der
                                                                                                   15- bis 49-Jährigen HIV-positiv.
                                                                                                                                      unseren Krankenschwestern
                                                                                                                                      medizinisch versorgt und durch
                                                                                                                                      Home-based Care unterstützt.
                                                                (NFP) im Hillcrest AIDS Centre,    Wettbewerb im                      Damit sich die Menschen über
                                                                das in der südafrikanischen        Puppenspiel                        ihren HIV-Status informieren
                                                                Provinz KwaZulu Natal nahe                                            können, werden zudem kosten-
                                                                der Stadt Durban am indischen      Das Hillcrest AIDS Centre ver-     lose HIV-Tests angeboten. Um
                                                                Ozean liegt. Dieses eigentlich     sucht den Menschen, die von        die künftige Generation schon
                                                                wunderschöne Land kämpft je-       HIV/AIDS betroffen sind, eine      sehr früh über HIV/AIDS auf-
                                                                doch mit einem schwerwiegenden     Perspektive zu bieten. So wird     zuklären – und sie damit in die
                                                                Problem: HIV/AIDS. Tagtäglich      zum Beispiel Essen an bedürftige   Lage zu versetzen, in Zukunft
                                                                sterben Menschen an AIDS und       Menschen verteilt, um eine ge-     anders zu handeln und eine HIV-
                                                                die Infektionsrate innerhalb der   sunde Ernährung sicherzustellen.   Infektion zu vermeiden – legte ich
                                                                Altersgruppe der 15- bis 49-       Außerdem wird den Betroffenen,     den Schwerpunkt meiner Arbeit
                                                                Jährigen beträgt in der Provinz    die gesund genug sind, die Mög-    auf Aktivitäten in den Grund-
                                                                KwaZulu Natal 11,7 Prozent         lichkeit geboten, mit kunsthand-   schulen. Ein Wettbewerb im
                                                                (Nelson Mandela/HSRC Study         werklicher Produktion Geld zu      Puppenspiel sollte die Schüler
                                                                on HIV/AIDS: Executive             verdienen. Diejenigen, die an      motivieren und zum Nachden-
                                                                Summary 2002). Insgesamt           AIDS erkrankt sind, werden von     ken anregen. Das Pilotprojekt
Jennifer Goldenstede hilft den Schülern
beim Basteln der Theaterpuppen
                                          Quelle: Goldenstede

16
startete im September 2003 an         Bereich Kunsthandwerk verant-         gegeneinander antreten. Als erster
drei Grundschulen, die auch           wortlich ist, zeigte mir, wie man     Preis ist ein „Fun Day“ für die
eine Sekundarstufe hatten. Ein-       Puppen aus Pappmaché bastelt,         Gewinner-Schule geplant, wobei
bezogen sind die Klassenstufen        eine Fertigkeit, die ich dann         das Hillcrest AIDS Centre mit
vier bis sieben, wobei jeweils        wiederum an die Kinder weiter-        Unterstützung des DED verschie-
eine Klassenstufe für die Kon-        geben konnte. Außerdem hat            dene Aktivitäten wie Spiele,
zeption eines Theaterstücks           mir ein ehrenamtlicher Mitar-         Hüpfburg, Grillen und vieles
verantwortlich ist.                   beiter für die Schulaufführungen      mehr organisieren wird. So profi-
                                      ein bezauberndes Puppentheater        tieren alle Schüler von dem Pro-
Die Grundidee ist, dass die Kin-      gezimmert. So bekamen die Kin-        jekt, und auch diejenigen, die
der nicht als bloße Zuschauer         der die notwendigen Instrumente       nicht direkt am Wettbewerb teil-
eines Theaterstücks mit Informa-      und Materialien, um ihre eigenen      nahmen, werden neugierig darauf.
tionen berieselt werden, sondern      Geschichten über HIV/AIDS
dass sie die zur Verfügung gestell-   zu erzählen.                          Die positiven Reaktionen der
ten Informationen über HIV/                                                 Schulen haben meine Erwar-
AIDS bewusst verarbeiten, indem       Bevor jedoch die praktische Ar-       tungen weit übertroffen. Es gab
sie selbst ein Stück schreiben.       beit begann, wurden die Kinder        auch von anderen Seiten viel
Zudem lernen die Kinder, wie          an die HIV/AIDS-Thematik              versprechende Anfragen: So hat
Konflikte kreativ gelöst werden       herangeführt. Tsidi Mapela,           sich beispielsweise World Vision
können. So wird das Selbstbe-         eine junge HIV-positive Südafri-      bereits sehr für das Projekt in-
wusstsein der Kinder gestärkt, da     kanerin, berichtete den Schülern      teressiert. Wenn das Puppen-
sie aus eigener Kraft etwas gestal-   von ihrer Erfahrung in einem so       theater weiterhin erfolgreich ist
ten, das einen Wert besitzt und       genannten „HIV/AIDS-Talk“.            und sich herausstellt, dass dieser
mit Anerkennung belohnt wird.         Sie erzählte zum Beispiel, wie        Weg der partizipativen und ak-
                                      sie sich infizierte, wie die Infek-   tiven Vermittlung von Wissen
Analyse und Auswahl                   tion ihr Leben veränderte, wie        eine nachhaltige Wirkung bei den
                                      andere Menschen auf sie reagier-      Schülern erzielt, besteht eine
Gemeinsam mit einem unserer           ten und auch, welche Möglich-         große Chance, dass das Projekt
einheimischen Berater, der mir        keiten es gibt, weiterhin ein ge-     unter Einbeziehung mehrerer
sowohl mit seinem Wissen über         sundes Leben als HIV-positiver        Schulen wiederholt wird. Außer-
HIV/AIDS als auch mit der             Mensch zu führen. Im Anschluss        dem möchte ich die Theater-
Sprache Zulu hilft, besuchte ich      an diesen Talk besuchten Berater      stücke von Kindern für Kinder
bisher neun Schulen. Diese Schu-      des Hillcrest AIDS Centre die         für die weitere HIV/AIDS-Auf-
len füllten einen Fragebogen aus,     Schulen, gaben den Kindern            klärung einsetzen. Geplant ist
in dem sie Auskunft über ihre         zusätzliche Informationen über        zum Beispiel, diese Theaterstücke
Schulsituation und ihre Motiva-       HIV/AIDS und halfen ihnen,            bei den Sportprojekten des Hill-
tion für die Teilnahme am Projekt     die Geschichten für das Puppen-       crest AIDS Centres zur Präven-
gaben. Die Fragebögen bildeten        theater zu erarbeiten. Ziel ist       tion zu verwenden, denn so wie
dann die Grundlage für eine           dabei, dass die Kinder vor allem      fast überall auf der Welt, so ver-
Auswahl von drei Schulen, die         ihre persönlichen Erfahrungen         folgen auch in Südafrika die Kin-
am Projekt teilnehmen können,         und Gefühle bezüglich HIV/            der die Abenteuer von Kasperle
da aus finanziellen und zeitlichen    AIDS in den Vordergrund stellen.      mit großen und aufmerksamen
Gründen die Beteiligung von                                                 Augen.
mehr Schulen nicht möglich war.       Start des Wettbewerbs
Die Auswahl fiel uns am Centre                                              Jennifer Goldenstede war von
jedoch sehr schwer, da alle Schu-     Dieser Teil des Projektes endete      2003 bis 2004 Entwicklungssti-
len dringend Aufklärung benöti-       2003. Im Februar 2004 startete        pendiatin des DED in Südafrika
gen und sie von staatlicher Seite     dann der erste Wettbewerb. Die
nur selten unterstützt werden.        Klassenstufen der Schulen kon-
                                      kurrieren um das beste Stück der
Große Unterstützung bekam ich         Schule. Im April werden dann
von den Mitarbeitern des Centre.      die jeweils besten Stücke der drei
Unsere Designerin, die für den        Schulen in einem Wettbewerb

                                                                                                                 17
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