DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater

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DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
DER
ZAREWITSCH
OPERETTE VON FRANZ LEHÁR
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
Allein! Wieder allein! Einsam wie immer!
                                                                 Vorüber rauscht die Jugendzeit

   KANTINEN
                                                                 in langer, banger Einsamkeit.
                                                                 Mein Herz ist schwer und trüb mein Sinn,
                                                                 ich sitz im gold’nen Käfig drin.

   GESPRÄCHE
                                                                 DER ZAREWITSCH IM „WOLGALIED“, ERSTER AKT

                                  SCHON ?
                                       T
                                  GEHÖR

DER PODCAST DES
TIROLER LANDESTHEATERS
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                                                 Florian Stern
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
DER
ZAREWITSCH
                                                         MUSIKALISCHE LEITUNG Hansjörg Sofka
                                                         REGIE & KOSTÜME Sebastian Ritschel
                                                         CHOREOGRAFIE Stefanie Erb
                                                         BÜHNE Michael D. Zimmermann
                                                         LICHT Ralph Kopp
OPERETTE VON FRANZ LEHÁR . TEXT VON BELA JENBACH UND     CHOREINSTUDIERUNG Michel Roberge
HEINZ REICHERT . FREI NACH DEM GLEICHNAMIGEN STÜCK VON   KONZEPTIONELLE MITARBEIT Ronny Scholz
GABRI ELA ZAPOLSKA (ÜBERSETZT UND BEARBEITET VON         DRAMATURGIE Susanne Bieler
BERNARD SCHARLITT) . REKONSTRUKTION DER MUSIKALISCHEN    REGIEASSISTENZ & ABENDSPIELLEITUNG Lukas Thurnwalder
URFASSUNG VON HENNING HAGEDORN UND MATTHIAS GRIM-        MUSIKALISCHE ASSISTENZ Stefan Politzka, Sumiko Tokushima
MINGER . DIALOGFASSUNG VON SEBASTIAN RITSCHEL            STUDIENLEITUNG John Groos
                                                         DANCE CAPTAIN Katharina Glas
                                                         AUSSTATTUNGSASSISTENZ Netty Eiffes
GROSSES HAUS                                             INSPIZIENZ Anne-Marie Lang
                                                         SOUFFLAGE Denise Pelletier

                                                         TECHNISCHE LEITUNG Alexander Egger TECHNISCHER PRODUKTIONSASSISTENT
DER ZAREWITSCH Florian Stern                             Gerhard Müller BÜHNENMEISTER Gerhard Spöttl TON Gunter Eßig, Lukas Ossinger,
DER GROSSFÜRST, sein Onkel Dale Albright                 Thomas Schlienger LEITERIN DER KOSTÜMWERKSTÄTTEN Andrea Kuprian KOSTÜM-
DER MINISTERPRÄSIDENT Michael Gann                       WERKSTÄTTEN Ines Federspiel, Christa Obererlacher MASKE UND FRISUREN Rudolf
SONJA, eine Tänzerin Susanne Langbein                    Sieb REQUISITEN Philipp Baumgartner LEITER DER DEKORATIONSWERKSTÄTTEN
KAMMERDIENER Konrad Hochgruber                           Alexander Egger TISCHLEREI Rainer Ebenbichler SCHLOSSEREI Karl Gögele TAPEZIE-
IWAN, der Leiblakai Andrea De Majo                       REREI Roman Fender MALERSAAL Gerald Kofler
MASCHA, seine Frau Annina Wachter
BORDOLO Bernhard Wolf                                    AUFFÜHRUNGSRECHTE Originalverlag: GLOCKEN VERLAG . Bühnenvertrieb: MUSIK
LINA Clarissa Toti                                       UND BÜHNE Verlagsgesellschaft mbH, Wiesbaden
PRINZESSIN MILIZA Luise Lütjohann

Tanzensemble
Chor des TLT                                              KANTINEN              DER PODCAST DES TIROLER LANDESTHEATERS
Tiroler Symphonieorchester Innsbruck                      GESPRÄCHE        ZUM STÜCK Zur Einstimmung, zum Nachhören & Nach-Denken
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
HANDLUNG

                                                ERSTER AKT

                                                Im Zarenpalast macht man sich Sor-          Iwan, Aljoschas Leiblakai, hat andere
                                                gen um die Thronfolge. Der Zarewitsch       Probleme: Seine Frau Mascha hat sich
Susanne Langbein, Florian Stern, Tanzensemble
                                                Aljoscha will von Frauen nichts wis-        heimlich in den Palast geschmuggelt
                                                sen. Seine einzige Leidenschaft ist das     und verdächtigt ihn, ihr untreu zu sein.
                                                Theater. Da sich eine standesgemäße
                                                Vermählung mit Prinzessin Miliza ab-
                                                zeichnet, erdenken sich der Minister-
                                                präsident und der Großfürst eine Intrige:
                                                Sie verpflichten die Tänzerin Sonja, die
                                                als Tscherkesse Eindruck auf Aljoscha
                                                gemacht hat, den Zarewitsch zu ver-
                                                führen. Erst in seinen Privatgemächern
                                                soll sie sich als Frau zu erkennen ge-
                                                ben und seine Begierde wecken. Der
                                                aufgebrachte Aljoscha entdeckt den
                                                Betrug. Doch Sonja weiß ihn mit der
                                                Idee zu besänftigen, dem Hofstaat eine
                                                Affäre vorzutäuschen, damit man sich
                                                nicht weiter bemüht, dem Zarewitsch
                                                Frauenbekanntschaften aufzudrängen.
                                                Also dreht Aljoscha den Spieß um und
                                                spielt mit Sonja, was von ihm erwartet
                                                wird: ein Liebespaar.

                 Andrea De Majo, Damenchor
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
ZWEITER AKT

Nach dem Theaterbesuch und einer
ausgelassenen Feier im Kronprin-
zenpalais wird der Zarewitsch auf-
gefordert, bei einer Truppenschau
erstmalig als Militärkommandant zu        DRITTER AKT
sprechen. Doch Aljoschas Gedanken
sind bei Sonja, denn aus dem schein-      Das Spiel im Spiel erreicht einen neu-
baren Spiel ist längst Ernst geworden.    en Höhepunkt: Mit ihrer Revue La bella
Der Ministerpräsident überbringt die      luna schaffen sich Aljoscha und Sonja                 Florian Stern, Susanne Langbein, Tanzensemble
Nachricht, dass noch am selben Abend      die trügerische Illusion einer „heilen“
Prinzessin Miliza eintrifft. Der Groß-    Welt. Doch der Traum währt nur kurz,
fürst stellt Sonja vor die Alternative,   denn der Großfürst platzt in die Revue.
sofort den Palast zu verlassen oder       Der Zar liegt im Sterben und der Za-
dem Zarewitsch von einem ausschwei-       rewitsch wird die Geschäfte überneh-
fenden Vorleben zu erzählen. Um in        men müssen. Der Großfürst appelliert
seiner Nähe bleiben zu dürfen, wird       an Sonja, auf ihr persönliches Glück
sie sagen, was man von ihr verlangt.      zum Wohle des Volkes zu verzichten.
Der Zarewitsch lehnt sich gegen den       Schweren Herzens entsagt Sonja ihrer
Befehl des Vaters auf und verweigert      großen Liebe, damit der Zarewitsch
den Empfang der Prinzessin. Stattdes-     der Staatsraison folgen kann. Da trifft
sen sieht er sich eine Aufführung von     die Meldung vom Tod seines Vaters ein.
Sonjas Balletttruppe an. Der Großfürst    Aljoscha fügt sich der Vorbestimmung
kompromittiert Sonja, doch Aljoscha       und wird zum Zaren gekrönt. Sonja
durchschaut die erneute Intrige.          bleibt allein zurück.

                                                                                    Dale Albright,Dale
                                                                                                   Michael  GannMichael Gann
                                                                                                       Albright,
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
WISSENSW E RTE S
                                 NOTIZEN ZU FRANZ LEHÁR UND ZU DER ZAREWITSCH

                                 • Fast 30 Bühnenwerke schrieb Franz           skandalumwitterten Schriftstellerin
                                   Lehár (1870–1948). Zunächst Geiger          ein. Sie verfasste 17 Romane und
                                   und bald darauf Militärkapellmeister        sechs Theaterstücke.
                                   avancierte er zu einem der erfolg-        • Zum Libretto umgeformt wurde
                                   reichsten Komponisten seiner Zeit.          Der Zarewitsch von Bela Jenbach
                                   Melancholische „slawische“ Melo-            (1871–1943) und Heinz Reichert
                                   dien und der Einsatz folkloristischer       (1877–1940). Beide widmeten sich
                                   Instrumente prägen seine Operetten          erfolgreich dem lukrativen Geschäft
                                   ebenso wie eine differenzierte, bis-        des Schreibens von Operettentext-
                                   weilen an Puccini erinnernde Orches-        büchern – bis die Nationalsozialisten
                                   tertechnik. Die Zusammenarbeit mit          mehr Einfluss gewannen. Reichert
Annina Wachter, Bernhard Wolf
                                   dem Tenor Richard Tauber, für den           (eigentlich Blumenreich) emigrierte
                                   Lehár in den 1920er-Jahren viele            1938 in die USA. Jenbach, ebenfalls
                                   Hauptrollen schuf, hatte auf seine          jüdischer Herkunft, versteckte sich
                                   Gesangsstilistik großen Einfluss.           ab 1940 drei Jahre lang in einem Kel-
                                 • Auch die Titelpartie des 1927 in Ber-       ler in Wien und starb an Krebs.
                                   lin uraufgeführten Zarewitsch wurde       • In der Historie finden sich Paralle-
                                   von dem Sänger mitgestaltet. Die            len zwischen dem Schicksal des Za-
                                   Innsbrucker Inszenierung greift aller-      rewitsch und realen Zarensöhnen:
                                   dings auf die Urfassung zurück, die         Alexei (1690–1718), der Sohn Pe-
                                   – anders als die zumeist aufgeführte        ters des Großen, floh nach dem Tod
                                   revidierte Fassung von 1937 – nicht         seiner Ehefrau ins Ausland. Seine
                                   die Handschrift des Tenors trägt.           Geliebte, vermutlich eine finnische
                                 • Als Vorlage für den Zarewitsch dien-        Bäuerin, begleitete ihn als Page ver-
                                   te das gleichnamige Schauspiel von          kleidet. Durch eine Intrige wurde er
                                   Gabriela Zapolska (1857–1921), das          nach Russland zurückgelockt und
                                   1917 am Deutschen Volkstheater in           hart bestraft. Der Zarewitsch Niko-
                                   Wien aufgeführt wurde. Die Autorin          laus (1868–1917) traf sich eine Zeit
                                   stammte aus dem polnischen Land-            lang mit einer Tänzerin. Letztendlich
                                   adel. Ihr Beruf als Schauspielerin, ein     verarbeitet Der Zarewitsch aber kei-
                                   uneheliches Kind, zwei Scheidungen          ne wahre Geschichte, sondern spielt
                                   und das Gesellschaftskritische ihrer        in einem erfundenen „Operetten“-
                                   Literatur trugen ihr den Ruf einer          Russland.
 Andrea De Majo, Clarissa Toti
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
Bekenntnis überschriebenen Kurzbio-
                                          grafie. „Bei dieser Gelegenheit spielte
                                          ich den Meistern meine Jugendkom-
                    F RANZ                positionen vor. Ich hatte Erfolg.“ Al-
                                          lerdings konnte Lehár nach Abschluss
                    L EHÁR                des Studiums die Geige noch nicht
                                          „an den Nagel hängen“, um sich ein-
  ÜBER DEN OPERETTENKÖNIG                 zig dem Komponieren zu widmen. Um
                                          „für mich selbst zu sorgen“, trat er als
                                          Achtzehnjähriger ein Engagement im
„Dein ist mein ganzes Herz! Wo du         Orchester der Vereinigten Stadtthea-
nicht bist, kann ich nicht sein“, „Gern   ter in Barmen-Elberfeld an. Dort avan-
hab ich die Frau’n geküsst, hab nie       cierte er schnell zum Konzertmeister.
gefragt, ob es gestattet ist“, „Lippen    Doch bereits nach einem Jahr wurde
schweigen, ’s flüstern Geigen: hab mich   Lehár vertragsbrüchig und wechselte
lieb“, „Es steht ein Soldat am Wolga-     in die Militärkapelle des k. und k. Infan-
strand“ … Melodien wie diese sind un-     terieregiments Nr. 50 in Wien, die von       Susanne Langbein, Florian Stern
vergessen. Sie stammen aus Das Land       seinem Vater geleitet wurde. „Mit 20
des Lächelns (1929), Paganini (1925),     Jahren wurde ich Militärkapellmeister
Die lustige Witwe (1905) und Der Zare-    und übte diesen Beruf zwölf Jahre aus“,
witsch (1927) – Werke, die Franz Lehár    berichtete Lehár in seinem Bekenntnis
zum am meisten aufgeführten Kompo-        weiter. Seine Fähigkeit, die Instru-
nisten seiner Zeit machten und somit      mentation äußerst differenziert einzu-
zum König der Operette im 20. Jahr-       setzen, ist auf diese Tätigkeit zurück-
hundert. Und zu einem wohlhabenden        zuführen. Denn Lehár gab „während
Mann.                                     dieser Zeit das Komponieren nicht auf
Von den Einkünften aus seinen Werken      und hatte mit 26 Jahren erreicht, dass
leben zu können, war schon früh der       meine Oper Kukuschka […] in Leipzig
Wunsch des Musikers. Aufgrund seiner      am Stadttheater uraufgeführt wurde“.
Begabung begann der 1870 in Komá-         Lehár musste sich aber noch eini-
rom im damaligen Ungarn geborene          ge Jahre gedulden, bis er von seinen
Sohn eines k. und k. Militärkapellmeis-   Werken leben konnte. Einen ent-
ters bereits im Alter von zwölf Jahren    scheidenden Schritt in diese Richtung
ein Violinstudium am Prager Konserva-     brachte ihm 1902 der Kontakt zum
torium. „Als Konservatorist hatte ich     Theater an der Wien, der führenden
aber das Glück, mit Johannes Brahms       Operettenbühne der Metropole, in
und Antonín Dvořák in Berührung zu        der Lehár seit 1899 mit seinem da-
kommen“, schrieb Lehár in einer mit       maligen Regiment stationiert war. Als
                                                                                       Andrea De Majo, Annina Wachter
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
„Vertragskomponist“ am Theater an         ber. Durch die Auftritte des Opernstars
der Wien tätig, schrieb er seine ers-     auf der Operettenbühne erfuhr dieses       EIN STOS S S E UFZE R
te Operette Wiener Frauen. Der kurz       Genre eine Aufwertung. Für die Stim-
darauf folgende Rastelbinder erregte      me des Tenors schrieb der Komponist
bereits etwas mehr Aufmerksamkeit.        zahlreiche Lieder. Auf Wien folgte Mit-
                                                                                     Schreib’ ich ernste Musik, ist’s zu opernhaft. Schreib’ ich heitere Musik, ist’s zu trivial.
Mit der 1905 uraufgeführten Lustigen      te der 1920er-Jahre Berlin als Urauffüh-   Schreib’ ich einen Schlager, sagt man: Er schreibt für die Galerie.
Witwe gelang Franz Lehár schließlich      rungsort von Lehárs Spätwerken. Zu         Schreibt er keinen Schlager, sagt man: Es ist ihm nichts eingefallen.
der weltweite Durchbruch. In den USA      der boomenden Revueoperette boten
fanden etwa 5000 Aufführungen im          seine tragischen „Verzichtsoperetten“      Fordere ich vom Sänger viel, sagt man: Das sind doch keine Opernsänger.
                                                                                     Fordere ich vom Sänger wenig, sagt man: Ja früher, da war’s anders,
ersten Jahr statt, in Buenos Aires 1907   ohne Happy End einen stilistischen Ge-     da haben die Operettenmeister noch etwas für die Sänger geschrieben.
gleichzeitig fünf verschiedene Produk-    genpol. Die neuen Medien Rundfunk,
tionen in fünf verschiedenen Sprachen.    Schallplatte und Film zeigten großes       Beschäftige ich den Chor, sagt man: Das sind überflüssige Sachen,
„Ich schrieb nun fast jedes Jahr eine     Interesse an den lyrischen Operetten-      kein Mensch hört zu, was die oben singen.
                                                                                     Beschäftige ich den Chor nicht, sagt man:
neue Operette und so entstanden bis       werken. Einen Höhepunkt und zugleich
                                                                                     Wie prächtig haben die Chöre in den alten Operetten geklungen.
zu 30 Bühnenwerke. […] Ich hatte mir      einen Schlussakzent in Lehárs Karrie-
in den Kopf gesetzt, den Rahmen der       re markierte die Uraufführung seiner       Beschäftige ich die Harfe, sagt man: Das ewige Gezirpe geht auf die Nerven.
Operette zu sprengen“, war das we-        „musikalischen Komödie“ Giuditta 1934      Beschäftige ich die Harfe nicht, sagt man: Wo ist der Glanz im Orchester?
                                                                                     Heute klingt’s so leer.
sentliche Anliegen Lehárs. „Ich emp-      an der Wiener Staatsoper, die von 120
fand immer mehr und mehr, dass man        Rundfunksendern live übertragen wur-       Bring’ ich an auffallender Stelle einen guten Walzer, sagt man:
die Operette nicht als Kunstgattung,      de.                                        Immer diese Walzer. Offenbach hat das nicht nötig gehabt.
sondern nur als eine unterhaltsame        Die Machtergreifung der Nationalso-        Bring’ ich keinen Walzer, sagt man: Wo ist diesmal der große Walzer geblieben?
Angelegenheit ansah. […] Ich […] emp-     zialisten 1933 zwang Lehár aufgrund
                                                                                     Schreib’ ich keine Ouvertüre, sagt man: Der macht sich’s leicht,
fand als Ursache die vielen Unwahr-       seiner Zusammenarbeit mit „nicht-          nicht einmal eine Ouvertüre hat er geschrieben.
scheinlichkeiten und Dummheiten der       arischen“ Künstler*innen zunächst
Handlung. […] Ich setzte mir in den       in die Emigration. Vermutlich durch        Bring’ ich jedes Jahr ein neues Werk heraus, sagt man: Das ist ein Vielschreiber.
Kopf, Menschen zu schaffen, sie so zu     die Intervention von Joseph Goebbels       Der hat mit der Kunst nichts zu tun. Der reine Fabrikbetrieb.
                                                                                     Bring’ ich nicht jedes Jahr ein neues Werk heraus, sagt man: Dem fällt nichts mehr ein.
schildern, dass sie unter uns gelebt      setzte man seine Erfolgsoperetten
haben könnten. Sie empfinden Liebe        aber wieder auf die Spielpläne. Lehár      Suche ich den Verkehr mit Kritikern, dann denken sie sich:
und Leid so wie wir. Natürlich musste     wurde als populäres Aushängeschild         Na wart’, Kerl, mich wirst Du nicht beeinflussen.
ich diese Verinnerlichung in der Musik    der NS-Kulturpropaganda gefeiert. Al-      Suche ich keinen Verkehr mit Kritikern, dann denken sie sich:
                                                                                     Na wart’, du arroganter Flegel, du wirst an mich denken.
zum Ausdruck bringen. Ich musste un-      lerdings bot das seiner jüdischen Ehe-
bewusst, wenn es die Handlung forder-     frau Sophie einen gewissen Schutz.         Ich bitte gute, nicht komponierende Freunde um einen Ausweg aus diesem Dilemma.
te, mit Opernmitteln kommen.“ Und         Die letzten Lebensjahre des Komponis-      Ich habe bisher mehr als zweieinhalb Jahrzehnte vergeblich darüber nachgedacht.
so wurden die Anforderungen an die        ten waren von einem raschen gesund-
                                                                                     Ich bin aber immer noch ratlos! Gott helfe mir!
Sänger*innen und an das Orchester in      heitlichen Verfall gekennzeichnet. Am
                                                                                     Es gibt in der Kunst keine letzte Instanz.
seinen Kompositionen immer größer.        24. Oktober 1948 starb Franz Lehár in      Die einzige Instanz, in der ich als Künstler mich beuge, ist mein Gewissen.
Ein wahrer Glücksfall für Lehár war da-   seiner Villa in Bad Ischl.
her seine Begegnung mit Richard Tau-      Susanne Bieler                             FRANZ LEHÁR
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
sein, dass der Komponist überhaupt
                                                                 DE R                            auf die Figur dieses „verhemmten
                                                                                                 Frauenfeinds“ verfiel. Begonnen hatte
                                                          ZAREWITS C H                           die etwas verworrene Entstehungsge-
                                                                                                 schichte allerdings mit Lehárs späterer
                                                       ODER „DIE NEGATIVE EWIGKEIT               Frau Sophie Meth, die das gleichna-
                                                                    DER OPERETTE“                mige Stück von Gabriela Zapolska im
                                                                                                 Deutschen Volkstheater gesehen hat-
                                                                                                 te, wo es 1917 am Vorabend der Ok-
                                                                                                 toberrevolution und mitten im Ersten
                                                       DER TAUBER IN MONTUR                      Weltkrieg ein Wiener Theatererfolg ge-
                                                                                                 wesen war. […]
                                                       „Glaubst du wirklich, Franz, dass mir     Im Gegensatz zu Lehár, der das Buch
                                                       nur ein einziger Mensch einen ver-        Anfang der 20er-Jahre bereits abge-
                                                       hemmten Frauenfeind abnehmen wür-         lehnt hatte, worauf es erst bei Pietro
                                                       de?“ – Mit diesen Worten soll Hubert      Mascagni, dann bei Eduard Künneke
                       Annina Wachter, Bernhard Wolf
                                       Tanzensemble
                                                       Marischka, der legendäre Bonvivant der    gelandet sein soll – war Richard Tauber
                                                       Wiener Operette, 1926 die Titelrolle in   von jenem Schauspiel sofort entzückt,
                                                       Lehárs Zarewitsch dankend abgelehnt       als es ihm Lehárs Librettisten Heinz
                                                       haben. Tatsachlich genügte dieser Za-     Reichert und Bela Jenbach vorschlu-
                                                       rensohn den elementarsten Anforde-        gen. Der misogyne Thronerbe wurde
                                                       rungen, die man gemeinhin an einen        zu einer von Taubers Lieblingsrollen;
                                                       Operettenhelden stellt, schon damals      mit Wonne trug er die verschiedensten
                                                       in keinster Weise. Weder hat er gern,     Variationen russischer Gala-Unifor-
                                                       noch jemals „die Frau’n geküsst“, von     men. […]
                                                       anderen Dummheiten ganz zu schwei-        Mit dem Zarewitsch erreichte die Zu-
                                                       gen, die mit denselben in Verbindung      sammenarbeit des Operettenkompo-
                                                       mit Alkoholgenuss und tänzelnder Be-      nisten mit dem Tenor ihren ersten Hö-
                                                       wegung anzustellen wären und nicht        hepunkt. Aus dem Opernsänger, der,
                                                       umsonst als eigentliches Geschäft der     wie Lehár formulierte, „früher gele-
                                                       Operette gelten. […]                      gentlich den Operettensänger mit gro-
                                                       Franz Lehár hatte indes längst die Kon-   ßen gesanglichen Mitteln auf die Bühne
                                                       sequenzen gezogen. Der Zarewitsch er-     stellte, war der Sänger der deutschen
                                                       lebte als erste Lehár-Operette über-      Operette geworden“.
                                                       haupt seine Uraufführung in Berlin. Die   Er sollte es fortan bleiben. Tauber
                                                       Titelrolle sang nicht Hubert Marischka,   hatte den Komponisten gefunden,
                                                       sondern Richard Tauber. Ihm nämlich       der ihm die Musik auf die begnade-
                                                       soll es letztlich zu verdanken gewesen    ten Stimmbänder schrieb, Lehár den
Konrad Hochgruber, Annina Wachter © Pawel Sosnowski
DER ZAREWITSCH - Tiroler Landestheater
Interpreten, der ihm schon immer als        überlegte sich die Sache und erschien       Die Uraufführung des Zarewitsch wur-         bürgerliche Publikum durch die radika-
Ideal vorgeschwebt haben mochte.            eines Nachts bei Tauber. „lch wollte        de zu einem wahren Triumph dieses            len Neuerungen der zeitgenössischen
Tauber war auch der erste Darsteller,       mich gerade zur Ruhe begeben, da ich        Gespanns und legte den Grundstein            Oper verunsichert genug. „lch bin mit
von dem Lehár musikalische Änderun-         am nächsten Tag in Turandot aufzutre-       ihrer weiteren Erfolge. […] Allein als       meiner – wenn Sie so wollen – fixen
gen akzeptierte, Anregungen zur mu-         ten hatte, aber die Sache schien mir zu     Zarewitsch war Tauber 1927 über              Idee, die Grenzgebiete der Operette
sikalischen Gestaltung, ja zu ganzen        wichtig und so spielte mir Meister Le-      200 Mal aufgetreten – die eine Hälfte        zu erweitern, vielleicht zu früh gekom-
Werken annahm: „Die Vorstellungen           hár zwei Kompositionen vor, die er mir      in Berlin, die andere auf einer großen       men. Das musste ich damit bezahlen,
dieses Künstlers beeinflussen die Wahl      zur Auswahl für das Hauptlied für Zare-     Deutschlandtournee, wobei er neben-          dass ich für einige Jahre ins Hintertref-
meiner Libretti, die melodische Linie       witsch vorschlug. Ich wählte sofort die     bei auch noch seinen Verpflichtungen         fen geriet und meine zu ,schwierigen‘
und die Klangfarbe des Orchesters.“         heute gesungene Melodie des Liedes:         an der Berliner und Wiener Staatsoper        Operetten nicht aufgeführt wurden.
Wie sehr Richard Tauber, der auch           ,Willst du, willst du‘ … Ich fühlte, dass   nachkam. Noch vor der Uraufführung           Das Publikum geht, wenn man Neues
selbst komponierte, an der Entste-          das der Schlager werden könnte. Lehár,      waren die wichtigsten Nummern des            versucht, vielleicht nicht gleich mit ...
hung der Lehárschen Operetten be-           der meine Begeisterung sah, sagte:          Zarewitsch aufgenommen worden, das           Wenn sie heute nicht kommen, kom-
teiligt war, gab er in Zusammenhang         ,Damit du in ein paar Tagen nicht wie-      Radio erreichte mit ihnen bereits an-        men sie morgen!“
mit dem Zarewitsch preis. „Dieses           der erklärst, es gefalle dir doch nicht,    nähernd 2 Millionen Abonnenten. So           Einem Publikum jedoch, das bei Neu-
Werk, welches noch mehr als Pagani-         wirst du mir die Annahme des Liedes         wurde Tauber schon zu Lebzeiten zu           em in der Oper nicht mehr mitging,
ni den Stempel meiner künstlerischen        hier in mein Skizzenbuch bestätigen.‘       seiner eigenen omnipräsenten Legen-          kam das Neue in der Operette gerade
Eigenart trägt, da fast jeder Takt erst     Ich ging auf seine scherzhaften Worte       de, die auf Schallplatte für jeden all-      recht, mochte es auch das Altbekann-
meine ,Zensur‘ passierte, war fast fer-     ein und schrieb unter die Skizze: ,Be-      täglich verfügbar war. Sein leibhaftiges     te der Oper sein. Nicht umsonst wird
tig, als ich im Herbst 1926 nach Wien       willigt!‘“                                  Erscheinen auf der Bühne freilich wur-       im Zarewitsch der alte Opernkonflikt
kam. Lehár hatte bereits ein ,Tauber-       Ausgerechnet dieses Tauber-Lied             de zum Feiertag: „Dieser zum Mythos          von individuellem Glück und Staats-
Lied‘, wie er sich ausdrückte, im Sinn.     konnte sich dann auf Dauer nicht            gewordene ,Mann mit dem Einglas‘ ist         raison ausgetragen, wenn auch mit
Es sollte ein Walzer werden. Er spielte     durchsetzen und wurde von Lehár spä-        nicht nur ein Prinz, sondern ein Halb-       den Mitteln der Operette: nicht in den
mir die Melodie vor und ich war ehrlich     ter zum Duett „Küss mich, küss mich“        gott, ein Gott des Gesangs und bei sei-      Gesangsnummern, sondern im Dialog.
begeistert, nur die letzten sechs Takte     umgearbeitet. – Bei der Berliner Ur-        nem Preislied kann er nicht weniger als      Entsprechend tritt der Gegenspie-
waren zu gekünstelt und harmonisch          aufführung am 21. Februar 1927 frei-        vier- oder fünfmal Tauber spielen.“ […]      ler der Titelfigur, nämlich sein Vater,
zu kompliziert, um populär werden zu        lich war es „ein Bombenerfolg! Viermal                                                   im Gegensatz zu Zapolskas Vorlage
können … Ich machte darauf den Vor-         musste ich das Lied wiederholen. Ich                                                     erst gar nicht persönlich auf, sondern
schlag, die ganze Nummer fallen zu          hatte mich nur für zwei Wiederholun-        GRENZGEBIETE DER OPERETTE                    nur in Gestalt von Stellvertretern wie
lassen“ – sie wurde mit dem Text „Ich       gen mit verschiedenen Schlüssen ver-                                                     dem Großfürsten oder dem Minister-
bin verliebt“ dann ins zweite Finale ein-   sehen. Ich musste also improvisieren        „Zwischen der ernsten Produktion und         präsidenten […]. Auch der Chor spielt
gelegt – „und ein gleiches Lied wie in      und sang vor der vierten Wiederholung       dem bürgerlichen Konsum zeigt sich           als Repräsentant des Volkes drama-
Paganini zu schreiben, nämlich einen        zu Lehár, der am Pult saß, in der Me-       allerorten offen das Vakuum“, klagte         turgisch nur eine Nebenrolle, sei es
Gesang in Rondoform, das heißt die          lodie von ,Willst du‘ hinunter: ,Franzl,    schon damals Theodor W. Adorno. Die-         als bloßer akustischer Hintergrund zu
Hauptmelodie am Anfang und Schluss,         Franzl, wollen wir noch mal singen!‘ Er     ses Vakuum auszufüllen, war seit jeher       Beginn des ersten Akts, sei es im zwei-
als Mittelsatz eine vollkommen neue         nickte und sein liebes, herziges Gesicht    Lehárs Bestreben. Mit erstaunlicher          ten Akt als dekorative Staffage des
Melodie“ – eine Form, die von nun an        strahlte in eitel Wonne.“ […]               Hartnäckigkeit hatte er daran festge-        Hofes. Erst am Ende des dritten Akts
jedes Tauber-Lied haben sollte. Lehár                                                   halten, bis die Zeit reif war, sprich: das   stellt er jene Öffentlichkeit her, für
deren Wohl der Zarewitsch vermeint-        Als habe es sich die Weltgeschichte zur
lich auf sein vermeintliches Glück ver-    vornehmsten Aufgabe gemacht, die
zichtet. Aber selbst dieses öffentliche    Operette mit Stoff zu versorgen, war
Wohl bleibt eine Behauptung, die sich      Lehár durchdrungen von seiner kul-
musikalisch in einer 12-taktigen Vokal-    turellen Mission, Geschichte zu emo-
fanfare erschöpft. Fast drei Viertel der   tionalisieren. […] Statt die Gegenwart                                                  Das alles ist sehr echt und sehr slawisch.
Musiknummern gelten schließlich dem        zu überhöhen, wie in früheren Zeiten,                                            Aber natürlich klingt auch überall in der Partitur
Privatschicksal des unglücklichen Lie-     verklärte die Operette unversehens die                                                                    der echte Lehár-Ton auf,
                                                                                                                                                       der weich-melodische,
bespaars. So Iyrisch entfremdet sie der    Vergangenheit, oft genug ihre eigene,                                                               von innen heraus durchglühte.
prosaischen (durch Sprechrollen reprä-     denn, so Adorno, „die negative Ewig-
sentierten) Außenwelt gegenüberste-        keit der Operette: das ist allemal die                                        ERICH URBAN IN B.Z. AM MITTAG, FEBRUAR 1927
hen, so Iyrisch erblüht ihr Gesang aus     des Gestrigen …“. […]
dieser Entfremdung. Es ist das Melos
des vergeblichen Glücks, nach dem sich
die Figuren von Anfang an sehnen. Die-     RUSSISCHES ALTHEIDELBERG
se melancholische Spätblüte kantabler
Melodik fand in Franz Lehár just dann      „Gefühl freilich steht ja augenblick-
ihren letzten Meister, als sie aus der     lich nicht allzu hoch im Kurs, und nur
Oper endgültig verschwunden war.           zu oft bekommt man zu hören, das
Und so war Taubers Wechsel zur Ope-        sei alles ,falsche Sentimentalität‘ ...
rette symptomatisch für die Situation      Könnte es aber nicht sein, dass Men-
des Musiktheaters in den 20er-Jahren.      schen, denen das Gefühl für echtes
Neben unwiderstehlichen Gagen lockte       Gefühl abhandengekommen ist, jede         Immer wieder erfreut die melodiöse Sprache seiner Musik.
die Operette namhafte Opernsänger          Gefühlsäußerung mit falscher Senti-       Nirgends banale oder abgegriffene Tonfolgen
vor allem wegen ihrer unbestrittenen       mentalität verwechseln?“ – beklagte       in dieser […] mit Sinn für aparte Färbung instrumentierten Partitur,
                                                                                     in der es singt und klingt,
Möglichkeiten zu stimmlicher Entfal-       sich Franz Lehár zu Zeiten des Zare-
                                                                                     und deren Lyrik besonders gerne
tung an. Immerhin boten sie im Falle       witsch. Zumindest der Vorwurf, er habe    auf breit ausgesponnenen Harfen-Glissandi schwebt;
Lehárs, wie Tauber versicherte, „voll-     mit diesem die Träne in die Operette      opernhaft aufgebaut und gesteigert die großen Ensemble-Sätze,
endete Gesangspartien und unter-           eingeführt, trifft nur bedingt zu. Die    zumal das Finale des zweiten Aktes,
scheiden sich nur sehr wenig von der       sentimentale Operette ohne Happy          in dem die orchestralen Wogen der aufstürmenden Gefühle
                                                                                     hemmungslos über den Singstimmen zusammenschlagen.
ernsten Kunst der Oper. Es ist nicht       End hatte bereits 1916 im äußerst lu-
wahr, dass eine Operette Kitsch sein       krativen Dreimäderlhaus traurige Ur-      MORITZ LIEB IN DER BERLINER MORGENPOST, FEBRUAR 1927
muss. Wenn ein wirklicher Künstler         ständ gefeiert. Und schon 1907 hatte
eine Operette komponiert, kann auch        Georg Jarnos Förster-Christl nicht min-
sie ein Kunstwerk sein.“                   der rührselig auf ein gekröntes Haupt
Wie um diesen Kunstanspruch zu le-         verzichtet. Als unerreichtes Muster
gitimieren, wich die alte Frivolität des   solcher Sujets darf jedoch das Rühr-
Genres neuem historistischen Pomp.         stück des 20. Jahrhunderts schlechthin
gelten: Altheidelberg von Wilhelm         „EINSAM AM WOLGASTRAND“                    Ehrengast an der 3. Jahrestagung der        Wolga angekommen sein, doch hat-
Mayer-Förster, 1901 uraufgeführt und                                                 Reichskulturkammer in der Philharmo-        te das „Wolgalied“ durch Stalingrad
in den nächsten Jahrzehnten das meist-    „Du weißt, ich habe den Czarewitsch        nie teil, wo er auch Hitler kennenlernte.   plötzlich eine völlig neue Bedeutung
aufgeführte deutsche Drama über-          zweimal refüsiert. Vor einigen Tagen       […]                                         erhalten. Dass ausgerechnet zwei
haupt. Die Geschichte der Mesalliance     kam Jenbach zum dritten Mal mit dem        Drei Tage später besuchte Hitler gar        Juden diese inoffizielle Hymne der
eines einsamen Prinzen namens Karl-       Buch zu mir. Er kam in verzweifelter       eine Vorstellung des Zarewitsch, der am     deutschen Weltkriegskatastrophe ge-
Heinz, der wie Zarewitsch Aljoscha        Stimmung. Die Erben der Frau Zapolska      25. November im Theater am Nollen-          schrieben haben, ist grotesk genug;
noch nie „die Frau’n geküsst“ hat, und    erklärten, nicht mehr zuwarten zu wol-     dorfplatz Premiere hatte, zusammen          dass das „Wolgalied“ tatsächlich zu
der Kellnerin Käthie, wie Sonja unbe-     len! Sein Recht, aus dem Stoff eine        mit dem protokollierenden Goebbels:         einer solchen wurde, gehört zu den
schwertes Mädel aus dem Volk, war         Operette zu machen, sei verwirkt           „Der Führer ist ganz groß in Aktion.        makabren Wendungen der Geschichte.
selbst schon Operettenstoff genug,        – kurz sie warten nur unter einer Be-      […] Abends gehen wir mit ihm in den         „Es stand ein Soldat am Wolgastrand,
wie Sigmund Romberg mit seiner in         dingung – wenn ich das Werk vertone!       Zarewitsch. Lehár dirigiert. Ein rich-      hielt Wache für sein Vaterland ...“ Wenn
Amerika sehr erfolgreichen „Musical       Da nahm ich das Buch wieder zur Hand       tiges Schmalz für Auge und Ohr. Das         es nach dem Zweiten Weltkrieg in fast
Romance“ The Student Prince unter         und – fall’ nicht um – es geschah ein      Publikum ist begeistert. Das ist auch       jedem Radiowunschkonzert erklang,
Beweis stellte. Bereits hier hatte der    Wunder. Die Einfälle überstürzten sich,    schön so. Wir haben alle viel Spaß da-      galt es den vermissten Soldaten in rus-
Prinz eine weltgeschichtliche Mission     ich wurde von Liebe erfasst und ich        ran, und Lehár ist ganz glücklich.“         sischer Kriegsgefangenschaft, denen
zu erfüllen, der das Mädel aus dem        glaube – es wird eine Lustige Witwe.“      Das eigentlich Erstaunliche an dieser       ein Operettentext zur konkreten Ge-
Volk nicht leichtfertig im Wege stehen    Obwohl Lehárs kühne Prophezeiung           Produktion aber war der Programm-           schichte geworden war: „Wenn ein
will. […]                                 den skeptischen Hubert Marischka           zettel, auf dem groß die Namen der          Mensch verlassen ist und er klagt und
Bereits in Zapolskas Rührstück war        bekanntlich nicht umstimmen konn-          jüdischen Librettisten Bela Jenbach         er fragt: Hast du dort oben vergessen
die Weltgeschichte auf psychologische     te, schien sie sich zum Erstaunen al-      und Heinz Reichert zu lesen waren. Als      auf mich?“ Seitdem hat Der Zarewitsch
Probleme geschrumpft, selbst wenn bei     ler zunächst zu erfüllen; vor allem im     sechs Jahre später die Wehrmacht am         seinen Platz im kollektiven deutschen
ihr der Zar noch leibhaftig als das Ge-   deutschsprachigen Raum und im Ge-          Wolgastrand stand, erhielt der Kom-         Bewusstsein gefunden. Die Operette,
spenst einer bedrohlichen politischen     biet der früheren k. und k.-Monarchie      ponist, kurz vor dem Fall Stalingrads,      die sich der Historie hemmungslos als
Realität in den düsteren Gemäuern des     war die Resonanz gewaltig. Über 100        von „Oberleutnant Petzold und seinen        Stofflieferant bedient hatte, wurde
Kremls umging. Denn eigentlicher Aus-     Theater haben hier den Zarewitsch          Getreuen“ noch folgende Feldpost:           schließlich selbst von der Geschichte
löser der Handlung ist des Zarensohns     allein in der Spielzeit 1927.28 nach-      „Bei den Klängen des Liedes ,Es steht       eingeholt und bestätigt somit ihre „ne-
schwer zu ergründende Abneigung           gespielt. Seitdem gehört er zum eiser-     ein Soldat am Wolgastrand‘, das aus         gative Ewigkeit … Was gestern verging,
gegen das weibliche Geschlecht. Auf-      nen Operettenrepertoire und doch           der Membrane eines für die Ostfront         kommt heute als Gespenst zurück und
gewachsen unter Soldaten, erfreut er      fällt seine eigentliche Rezeption in die   gespendeten Grammophones tönt,              in der Zukunft gibt es sich als Zeichen
sich nämlich eher an turnenden Buben      dunkelste Epoche deutscher Geschich-       erlauben wir uns, den Wunsch auszu-         der Ewigkeit.“
als an tanzenden Damen. Ein Ludwig II.    te, als nicht nur ein Soldat am Wolga-     sprechen, Sie, hochverehrter Meister,       Stefan Frey
der Operette? Oder doch eher ihr Par-     strand stand. Richard Tauber, der ers-     zu bitten, uns ein Bild von Ihnen mit
sifal? Der weitere Verlauf der Handlung   te jener namenlosen Soldaten, war zu       Widmung zu senden. Wir werden dem           Dr. Stefan Frey ist Rundfunkjournalist und Autor zahl-
                                                                                                                                 reicher Publikationen zur Operette, u. a. der 2020 im
lässt es im Dunkeln. […]                  diesem Zeitpunkt längst nach London        Bild einen Ehrenplatz in unsrem Wolga-
                                                                                                                                 Wiener Böhlau Verlag erschienenen Biografie Franz
                                          emigriert. Und Lehár? Reiste seit vier     Bunker einräumen.“                          Lehár. Der letzte Operettenkönig.
                                          Jahren erstmals wieder nach Berlin         Die am 11. Februar 1943 abgeschickte
                                          und nahm am 27. November 1936 als          Fotografie dürfte wohl kaum an der
Susanne Langbein, Florian Stern, Tanzensemble © Pawel Sosnowski
ben war. Interessant ist auch, dass sich   das schmissige „Wengerka-Lied“ von        dierten Fassung. Das Reizvolle der Ur-
                                           das Original-Libretto kaum von der         Sonja. Neben vielen Modetänzen wie        fassung: Es handelt sich hierbei um ein
                                           revidierten Fassung (1937) unterschei-     One-Step, Charleston oder Foxtrott        wirkliches Duett, und ein Chor hinter
                                           det. Aber selbstverständlich haben wir     vereint die Zarewitsch-Partitur natür-    der Szene – mal singend, mal summend
                                           – die Dramaturg*innen Susanne Bieler       lich slawische Folklore, wie Tscherkes-   – begleitet das Paar traumversunken in
      E I NE R WIRD                        und Ronny Scholz und ich – das Libret-     sen-Tänze, aber auch Tango und Wie-       seiner „Italien-Revue“.
                                           to in ein sprachliches „Heute“ trans-      ner Walzer. Das Tanzensemble und die
       KO MM E N …                         feriert und an entscheidenden Stellen      wunderbaren Choreografien von Stefa-
                                           ausgedünnt, um es auf das Wesentli-        nie Erb sind daher ein wesentlicher Be-   Die Operette spielt im Russland des
        REGISSEUR SEBASTIAN                che zu konzentrieren.                      standteil unserer Inszenierung.           ausgehenden 19. Jahrhunderts. Wel-
      RITSCHEL UND DIRIGENT                                                                                                     che Bedeutung bekommt der histo-
HANSJÖRG SOFKA IM GESPRÄCH                                                                                                      rische Hintergrund in Ihrer Inszenie-
       ÜBER DEN ZAREWITSCH.                Also kann man sich auf einige uner-        Dem Star-Tenor Richard Tauber wurde       rung?
                                           wartete Überraschungen freuen?             die Rolle des Zarewitsch auf den Leib
                                                                                      geschrieben. Wie umgeht man diese         SEBASTIAN RITSCHEL: In erster Linie
                                           HANSJÖRG SOFKA: Ja, die Urfassung          Ausrichtung beziehungsweise spielt        erzählt der Zarewitsch eine universelle
                                           ist wesentlich Tanzmusik-lastiger. Die     der Personenkult eine Rolle?              Geschichte: Die der Unvereinbarkeit
Der Innsbrucker Zarewitsch-Insze-          Nummern – sie sind zum Teil dieselben,                                               von persönlichem Glück und vorbe-
nierung liegt die musikalische Rekon-      nur in anderem Kontext, mit anderem        SEBASTIAN RITSCHEL: Man umgeht            stimmter Funktion innerhalb einer Erb-
struktion der Urfassung zugrunde.          Text und oft einer anderen Figur zu-       diese Ausrichtung, indem man die          folge. Das russische Zarenreich legt
Wie kam es zu dieser Ausgrabung?           gewiesen – sind spritziger gehalten.       Urfassung spielt. In dieser Fassung       sich als eine Art Folie über die Hand-
                                           Weniger Fermaten, weniger Rubato.          ist die Sonja/Zarewitsch-Proportion       lung. Daher glaube ich, dass der histo-
SEBASTIAN RITSCHEL: Durch die              Und auch weniger hohe Spitzentöne.         vielschichtiger und vor allem ausge-      rische Hintergrund und der Staatsap-
enge Zusammenarbeit mit Stephan            Ganz offensichtlich hat sich bei der re-   glichener. Man muss wissen, dass die      parat „Russisches Zarenreich“ für den
Kopf (Leiter des Verlags MUSIK UND         vidierten Fassung ein berühmter Tenor      revidierte beziehungsweise bekannte       Grundkonflikt und die Dramaturgie des
BÜHNE und Lizenzvertreter der Lehár-       stark eingebracht, um stimmlich mehr       Fassung des Zarewitsch einen Zustand      Zarewitsch unerlässlich sind. Trotzdem
schen Werke in Deutschland) ist in uns     glänzen zu können.                         zusammenfasst, der die unterschied-       ist es mir wichtig, den Kontext zum
die Idee gereift, die wenig bekannte                                                  lichsten Aufführungstraditionen – gut     Heute herzustellen, das Verhalten der
und nicht edierte Urfassung des Zare-      SEBASTIAN RITSCHEL: Die musika-            oder schlecht – bündelt und in erster     handelnden Menschen für uns nach-
witsch (1927) wieder auf die Bühne zu      lische Urfassung hält wirklich einige      Linie einen „Tauber-Abend“ repräsen-      vollziehbar und erklärbar zu machen.
bringen. Mein Vorschlag, sich für diese    Überraschungen bereit. Eine davon          tiert.                                    Der „moderne Mensch“ agiert anders
lohnenswerte Fassung zu entscheiden,       ist das burleske Tanz-Duett „Täglich                                                 als der „historische Mensch“. Die In-
wurde von Johannes Reitmeier und           frische, heiße Liebe“ von Mascha und       HANSJÖRG SOFKA: Ein Beispiel da-          szenierung blickt mit heutigen Augen
den Kolleg*innen des Tiroler Landes-       Iwan aus dem dritten Akt, welches in       für ist der Beginn des dritten Aktes      auf die Figuren und zeigt am Beispiel
theaters begeistert angenommen. Und        der revidierten Fassung vollständig        mit „Kosende Wellen/Warum hat jeder       der Sonja den Wandel von der Opfer-
so präsentieren wir den Zarewitsch in      gestrichen wurde. Ebenfalls geopfert       Frühling ach nur einen Mai?“. Hier gibt   rolle zur emanzipierten Frau.
einer musikalischen Fassung, die wahr-     wurden der One-Step „Weib, reizendes       es Veränderungen sowohl im Vorspiel
scheinlich seit 1936 nicht mehr zu erle-   Weib, dich hab ich lang studiert“ oder     als auch im Duett gegenüber der revi-
Die Handlung des Zarewitsch könnte        als Ehefrau versteckt zu werden und                                               Zieh ich das große Los,
man so zusammenfassen: Der Zaren-         genau weiß, was sie will. Auf der ande-                                     wird das Glück mir scheinen?
sohn Aljoscha verliebt sich in die Tän-   ren Seite: Ihr Mann Iwan, der versucht,                                      Werd ich als Spielzeug bloß
zerin Sonja und entsagt der Krone.        nicht nur die Herzen anderer Frauen zu                                            diese Stund beweinen?
                                                                                                                           Werde, was will, daraus,
Letztendlich trennt er sich aber doch     erobern.                                                                         Liebe, nach dir, nach dir
von ihr, um die Thronfolge anzutreten.    Gerade im Nebeneinander dieser Le-                                            breite ich meine Arme aus!
Was sind die Themen, die das Werk         bens- und Liebesentwürfe sehen wir                                                  Einer wird kommen …
auch für uns hier und heute interes-      die gesamte Breite der Möglichkeiten
                                                                                                                                     SONJA IN
sant und relevant machen?                 von zwischenmenschlichem Miteinan-
                                                                                                                       „EINER WIRD KOMMEN …“,
                                          der.                                                                                     ERSTER AKT
SEBASTIAN RITSCHEL: Die Themen
der Operette möchte ich mit Identi-
tätssuche und Liebesflucht umschrei-      Dem Zarensohn werden Frauenfeind-
ben. Das Stück handelt auf den ersten     lichkeit und homosexuelle Neigungen
Blick von einem jungen Mann, der unter    nachgesagt. Wie geht die Inszenie-
enormem gesellschaftlichen Druck lebt     rung mit diesen Themen um?
und – in einen goldenen Käfig „ge-
sperrt“ – den Erwartungen einer gan-      SEBASTIAN RITSCHEL: Ist es nicht
zen Nation entsprechen muss. Diesem       nachvollziehbar, dass der Zarewitsch
Druck versucht er zu entfliehen, indem    – im Bewusstsein einer nahenden
er seiner Leidenschaft, dem Theater,      Zwangsverheiratung – keine Bindung
frönt, um sich so den Einflüssen des      eingeht? Von der Frauenfeindlichkeit
Palastes entziehen zu können. Die         des Zarewitsch wird uns nur berichtet
innige Beziehung zur Tänzerin Sonja       und in der Tat lernen wir anfangs einen
ist aus einer Trotzreaktion gegen die     sehr harschen Menschen kennen. Psy-
Obrigkeit hervorgegangen. Doch der        chologisch interessant, weil der jun-
Zarewitsch ist eine „Verzichtsoperette“   ge Thronfolger scheinbar niemanden
ohne Happy End, denn der Ausbruch         wirklich an sich heranlässt und ihn die
aus der Gesellschaft und die Verwirk-     Versuche des Hofes, ihn zu verbandeln,
lichung des persönlichen Lebenstrau-      verständlicherweise irritieren. Seine
mes wird pflichtbewusst hintange-         Reaktion auf die Enttarnung des ge-
stellt, sobald es die Erfordernisse der   wünschten „Tänzers“ als „Frau“ ist sehr
Gesellschaft verlangen.                   grob und viele Inszenierungsansätze
Neben dem „großen Paar“ Sonja und         stürzen sich daher auf das Thema „Die
Zarewitsch gibt es noch das Buffo-Paar    Homosexualität des Titelhelden“.
Iwan und Mascha: Eine sehr selbst-        Ist aber nicht die Frage viel interes-
bewusste junge Frau, die es satthat,      santer, weshalb er sich dann doch auf

                                                                                    Susanne Langbein, Florian Stern
Sonja einlässt? Die Intrige des Zaren-     Orchesters verzichten wir und nehmen
hofes, dem Zarewitsch einen „jungen        dafür die Mandoline mit in den Graben,
Tscherkessen“ vorzusetzen, um ihn          um ein wenig folkloristisches Kolorit
dann mit einer Frau „zu überraschen“,      mit in den Klang zu bekommen.
kontert Sonja geschickt mit einer
eigenen Intrige: Sie wollen kamerad-       SEBASTIAN RITSCHEL: Was mich
schaftlich den Anschein einer Affäre       als Regisseur an dem Stück und den
erwecken. Und aus diesem gemeinsa-         Figuren reizt, ist das Aufeinandertref-                                    Ich kann es nicht einsehen,
                                                                                                       dass es der Zweck der Operette sein soll,
men Miteinander (ein Pakt gegen den        fen des schonungslos berechnenden                                          alles Schöne und Erhabene
Hofstaat) entstehen wirkliche Gefüh-       Intrigenspiels und die angewendete                         ins Lächerliche und Ulkige herabzuziehen.
le, die beide übermannen – den Zare-       Kälte des Staatsapparates, der be-                                 Ein musikalischer Possenschreiber
witsch wohl noch mehr als Sonja. Ist       rührende Optimismus von Sonja und                                             möchte ich niemals sein.
                                                                                                      Mein Ziel ist es, die Operette zu veredeln.
sie vielleicht der erste Mensch, für den   dem Zarewitsch sowie das unglaub-
                                                                                                           Der Zuschauer soll ein Erlebnis haben
er überhaupt fühlt?                        lich witzig gebaute Buffo-Paar Mascha                         und nicht bloß Unsinn sehen und hören.
                                           und Iwan. Diese drei Facetten erzeugen
                                           eine enorme Lebendigkeit. Denn eins                                                   FRANZ LEHÁR
Was macht für Sie den Reiz dieser          dürfen wir nicht vergessen: Bei aller
Operette aus?                              Tragik ist Der Zarewitsch – und jetzt
                                           spreche ich als Kostümbildner – ein
HANSJÖRG SOFKA: Die Verbindung             opulentes Werk voller rauschhaftem
von Tanzmusik beziehungsweise Un-          Tanz und effektvollen Theatertableaux,
terhaltungsmusik der damaligen Zeit in     vor allem im dritten Akt, den wir in un-
manchmal schmissigen, manchmal ruhi-       serer Lesart zu einer Revue ausgebaut
gen Nummern mit dem Gestus der gro-        haben.
ßen Oper in den Akt-Finali. Ursprüng-      Das Gespräch führte Ronny Scholz.
lich waren Saxophone geplant, diese
sind aber wohl schon vor der Berliner
Premiere wieder eliminiert worden. Die
Instrumentierung ist ganz praxisnah.
Ohne große Eingriffe kann das Instru-
mentarium auf ein kleines Orchester
reduziert werden. Viele Theater der
damaligen Zeit hatten einfach zu wenig
Platz für große Orchester. Man musste
den Gegebenheiten angepasst musizie-
ren. Wir haben uns für eine Zwischen-
variante entschieden. Auch auf die
Bühnenmusik in Form eines Balaleika-

                                                                                      Dale Albright
S O N JAS VERZ ICHT
AUSSCHNITT AUS DEM DRAMA DER ZAREWITSCH
VON GABRIELA ZAPOLSKA

Präsident: Ihr müsst ihn bewegen, Euch      Präsident:   Hört mich gut an, Sonja Iwa-                  ihnen, atme ihre Gedanken,              mit Euch ins Ausland gehen.
           zu vergessen. Müsst ihn                       nowna! Ihr betrachtet die-                    lechze wie sie nach den Re-             Doch wer weiß, ob es ihn
           dazu bringen, dass er mit                     se höchsten Dinge einfach                     formen, die kommen müs-                 nicht eines Tages gereuen
           seiner Braut sich trauen las-                 und, wie ich sagen muss, mit                  sen und kommen werden!                  würde, durch Euch auf die
           se, wie dies der historische                  Scharfsinn. Glaubt mir: Auch                  Wehe uns allen aber, wenn               Stelle verzichtet zu haben,
           Moment erfordert, den wir                     ich teile im Innersten Eure                   sie schon jetzt kämen! Denn             die ihm das Schicksal be-
           jetzt durchleben.                             Ansichten und liebe unser                     sie wären verfrüht! Noch                stimmt! Wie schön sind hin-
Sonja:     Das dürft Ihr von mir nicht                   Volk nicht weniger als Ihr.                   ist das Volk darauf nicht               gegen Eure jetzigen Rollen!
           verlangen! Ich will nichts an-                Nun liegen aber die Dinge so,                 genügend vorbereitet, da-               Zwei Herzen, die ihre egois-
           deres, als Aljoschas Wohl.                    dass in der gegenwärtigen                     rüber nicht genügend auf-               tischen und im Grunde nich-
           Und ich weiß, dass er ein-                    Regierungsform auch nicht                     geklärt! Und darum würde                tigen Ziele freiwillig auf den
           zig mit mir und in der Stille                 einen Moment lang eine Pau-                   diese unsere teure Erde in              Altar der Pflicht hinlegen.
           glücklich sein kann. Lasst                    se, eine Lücke eintreten darf.                ein Riesenleichenfeld sich     Sonja:   Nicht um solch nichtigen Lo-
           ihn zurücktreten und leben                    Alle, die unser Volk so auf-                  verwandeln! Was jetzt noch              bes willen täte ich das, was
           wie ein Mensch, nicht wie                     richtig lieben wie ich, wie Ihr,              Ferment ist, würde einen                Ihr von mir fordert! Ich tue es
           ein Zar! Er hat dies übrigens                 Sonja, auf sein Wohl wirklich                 brudermörderischen Kampf                einzig deshalb, weil ich mit
           schon längst begriffen und                    bedacht sind, müssen daher                    entfachen! Habt Ihr mich an-            meinem einfachen Bauern-
           sich danach immer gesehnt.                    alles daransetzen, dass sie                   gehört, Sonja?                          verstande die ganze Gefahr
Präsident: Möglich. Doch das darf jetzt                  nicht entstehe. In demselben       Sonja:     Ich – höre –                            erkenne, die durch Aljoschas
           unter keiner Bedingung ge-                    Moment, da der Selbstherr-         Präsident: Und glaubt Ihr an die Auf-              Rücktritt heraufbeschwo-
           schehen. Er muss für das                      scher seine Augen schließt,                   richtigkeit meiner Worte?               ren würde. Und ich erkenne
           Wohl seines Volkes sich                       muss schon der zweite              Sonja:     Ich glaube –                            darum auch, dass weder er
           opfern, muss den Thron be-                    vor die Menge treten. Der          Präsident: Ich dank’ Euch, Sonja Iwa-              noch ich hier infrage kom-
           steigen nach seines Vaters –                  zweite, an den sie gewöhnt                    nowna. Ihr seid ein tapferes            men dürfen. Gegen das,
Sonja:     Für das Wohl? Eher für das                    ist und den allein sie ohne                   Weib und eine große edle                was auf dem Spiele steht,
           Unheil. Ach, Eure Exzellenz!                  Wanken annimmt. Glaubt                        Seele. Nichts wäre doch für             sind wir Nullen – Staub –
           Ich bin nur ein einfaches                     Ihr, Sonja, ich kenne die                     Euch leichter, als des Zare-            So geschehe denn, was ge-
           Volkskind. Dennoch weiß ich,                  Seele dieser Menge nicht,                     witsch morganatische Ge-                schehen muss!
           dass der Menschheit Heil                      die sich jetzt vor dem Palast                 mahlin zu werden. Er würde
           nicht –                                       drängt und zu den Fenstern                    für Euch ohne Bedenken
                                                         hinaufblickt? Ich lebe ja mit                 dem Thron entsagen und
Susanne Langbein © Pawel Sosnowski
LEBENSLÄUFE

Hansjörg Sofka                      Sebastian Ritschel                Stefanie Erb                     Michael D. Zimmermann            Florian Stern                       Dale Albright
MUSIKALISCHE LEITUNG                REGIE & KOSTÜME                   CHOREOGRAFIE                     BÜHNE                            ZAREWITSCH                          GROSSFÜRST

Der Innsbrucker studierte           Sebastian Ritschel ist seit       Ihre Ausbildung absolvierte      Michael D. Zimmermann            Aufgewachsen und matu-              Geboren in Minnesota, stu-
Dirigieren und Komposition          2017.18 Operndirektor der         Stefanie Erb an der Iwanson      studierte Bühnen- und Kos-       riert in Berlin, ökonomisch         dierte Dale Albright Gesang
bei Prof. Edgar Seipenbusch         Landesbühnen Sachsen. Zuvor       International School of          tümbild in Köln und Dortmund     studiert in Hannover und            und Kunstgeschichte. Engage-
am Tiroler Landeskonservato-        war er Hausregisseur und Lei-     Contemporary Dance in            sowie Kunstgeschichte und        gesanglich diplomqualifiziert       ments führten ihn u. a. nach
rium. Es folgten Meisterkurse       tender Dramaturg am Theater       München. Seit 1995 arbeitet      Architektur in Frankfurt/Main.   in Zürich (bei Scot Weir und        Hildesheim, Bremen, Frank-
bei Yuri Achronovich in Italien     Görlitz-Zittau. Als Regisseur     sie als Tänzerin u. a. an den    Er entwarf das Bühnenbild        Werner Güra), involviert in         furt, Münster und an die Ber-
und Konrad Leitner in Wien.         und Ausstatter erarbeitete er     Staatsopern München und          zur Caterina Valente Show am     das a-cappella-Quintett www.        liner Kammeroper. Seit 1993
Seit 1999 ist er Dirigent beim      sich in mehr als 50 Produktio-    Berlin, am Theater Basel,        Theater des Westens in Berlin,   maennerwirtschaft.de und den        ist er Ensemblemitglied am
TENM – Tiroler Ensemble für         nen ein vielseitiges Repertoire   Montpellier Opernhaus, an der    wie auch diverse Ausstattun-     Verlag www.uhrenliteratur.          TLT und war u. a. als Herodes
Neue Musik. Seit 2001.02 ist        in Oper, Operette und Musical,    Vlaamse Opera sowie bei den      gen u. a. an den Theatern Ulm,   de, brachte den Tenor ein           (Salome), Hauptmann
er am TLT engagiert, zunächst       darunter Die Liebe zu den drei    Festspielen in Salzburg und      Braunschweig, Darmstadt,         Vorsingen in Hof (Bayern)           (Wozzeck), Totengräber (Toten-
als Ballett- und Solorepetitor,     Orangen (Theater Münster),        Bregenz und dem Edinburgh        Hildesheim, Passau, Gelsen-      noch zu Studienzeiten an das        tanz), Zauberer Nika Magadoff
seit 2008.09 als Kapellmeister      Cabaret (Theater Magdeburg),      Fringe Festival. Als freie       kirchen, Münster, Kaiserslau-    TLT, dem er seit der Spiel-         (Der Konsul), als Diener in The
und Solorepetitor. Er hatte         Die Dreigroschenoper (Staats-     Choreografin ist sie für Film,   tern, am Prinzregententheater    zeit 2012.13 verbunden ist.         Fall of the House of Usher und
die Musikalische Leitung bei        operette Dresden), Linker-        TV, Varieté-Theater sowie für    München und in Coburg, wo        Frei nach Loriot: „Ein Leben        als Blazes in Der Leuchtturm
zahlreichen Musicals inne           hand (GHT Görlitz-Zittau)         Schauspiel- und Opernpro-        er einige Jahre als Ausstat-     außerhalb Tirols ist möglich,       zu erleben sowie in Musicals
(u. a. Anatevka, Jekyll & Hyde,     sowie Sunday in the Park with     duktionen tätig, u. a. an der    tungsleiter arbeitete. Ferner    aber sinnlos“ krönte die            wie La Cage aux Folles (als
Der Mann von La Mancha, Oli-        George und Katja Kabanowa         Hamburgischen Staatsoper,        entstanden Ausstattungen         Familiengründung sowie die          Zaza), Anatevka (Tevje), Hello,
ver!, Nostradamus, Hello, Dolly!,   (Landesbühnen Sachsen).           dem Landestheater Linz und       am Teatro Colon in Bogotá/       Entwicklung des Zirbengins          Dolly! (Vandergelder) und Die
Chicago, Die Schattenkaiserin),     Seine Grazer Inszenierung         dem Staatstheater Darmstadt.     Kolumbien und für den ORF in     www.zirbin.at die Verbunden-        Schattenkaiserin (Ludovico
bei Liederabenden/Revuen            von Joseph Beers Operette         Sie ist Dozentin an der Aka-     Innsbruck. Von 1999 bis 2013     heit mit der neuen Heimat.          Sforza). Als Regisseur arbeite-
(Sekretärinnen, Heiße Zeiten        Polnische Hochzeit wurde für      demie Iwanson International,     leitete er die Kostümabteilung   Florian Stern sang bisher in 44     te er u. a. mit der Opernklasse
…, Quarantäne. Die Revue)           den Österreichischen Musik-       der Theaterakademie August       am TLT. Seit 2013.14 ist er      Produktion und mehr als 460         am Tiroler Landeskonservato-
und zeitgenössischen Opern          theaterpreis 2020 u. a. als       Everding und unterrichtete       Chefkostümbildner, seit 2007     Vorstellungen Rollen wie Cliff      rium (zuletzt Die lustigen
(Stallerhof und Totentanz).         Beste Operettenproduktion         an der königlichen Ballett-      zudem Ausstattungsleiter der     (Cabaret), den Italienischen        Nibelungen). Am TLT inszenier-
Außerdem komponierte er             nominiert und gewann den          akademie in Stockholm und        Kammerspiele. Für seine Kos-     Sänger (Capriccio), Baron-          te er z. B. The King and I,
Musik zu Schauspielproduk-          BR-Klassik „Operettenfrosch“.     am Tanzhaus Moskwitsch in        tümgestaltung von Johanna        celli (Rienzi), Tony (West Side     Anatevka, Der Weibsteufel,
tionen, zuletzt für Pinocchio       Im September 2022 wird er         Moskau. 2007 wurde sie mit       Doderers Oper Liliom erhielt     Story), Cornelius (Hello, Dolly!)   Souvenir und Rigoletto.
sowie Jim Knopf und Lukas der       die Intendanz am Theater          dem Isadora Tanzpreis geehrt.    er 2020 den Österreichischen     oder Amos (Chicago).
Lokomotivführer.                    Regensburg übernehmen.            Am TLT choreografierte sie       Musiktheaterpreis.
                                                                      American Idiot.
Michael Gann                      Susanne Langbein                    Konrad Hochgruber                 Andrea De Majo                     Annina Wachter                    Bernhard Wolf
MINISTERPRÄSIDENT                 SONJA                               KAMMERDIENER                      IWAN                               MASCHA                            BORDOLO

Nach Abschluss seiner Ausbil-     Erste Erfahrungen sammelte          Der aus Südtirol stammende        Der Italiener absolvierte seine    Die Innsbruckerin erhielt ihre    Bernhard Wolf wurde in Bach/
dung an der Staatlichen Hoch-     die Sopranistin am Landes-          Konrad Hochgruber absolvier-      Ausbildung an der Theater-         Gesangsausbildung an der          Lechtal geboren und trat
schule für Musik in Karlsruhe     theater Coburg. Ihr Studium         te zunächst eine Gesangs-         und Musicalakademie Fon-           Anton-Bruckner-Universität        bereits als Zehnjähriger an der
1991 gab er sein Bühnendebüt      absolvierte sie an der Hoch-        und Instrumentalausbildung        deria delle Arti in Rom. Auf       Linz bei Katerina Beranova.       dortigen Dorfbühne auf. 1996
bei den Ettlinger Festspielen.    schule für Musik Franz Liszt in     in Bruneck. Parallel zur          eine Italien-Tournee als Dorian    Zuvor war sie Schülerin von       spielte er in Schwabenkinder
Er sang im Bayreuther Fest-       Weimar. Gastspiele führten sie      Ausbildung an der Schauspiel-     Gray im gleichnamigen Mu-          Vera Schoenenberg in Inns-        eine Hauptrolle und wurde
spielchor und war Ensemble-       nach Deutschland, Dänemark,         schule FORUMSCHAUSPIEL            sical folgte die Rolle des Guy     bruck und studierte am Tiroler    festes Mitglied der Geierwally
mitglied am Stadttheater          Thailand, Polen, Italien und        Tirol studierte er Psychologie    in Once in Südtirol. Er wirkte     Landeskonservatorium. Die         Freilichtbühne. Nach seiner
Regensburg. Von 1993 bis          in die Schweiz. Ab 2010 war         in Innsbruck. Engagements         im Ensemble der Vereinigten        Richard-Wagner-Stipendiatin       Ausbildung zum Elektroniker
2007 war er als Spieltenor am     sie Ensemblemitglied des TLT,       führten ihn u. a. an das Stadt-   Bühnen Bozen in Anatevka, Ein      gewann 2019 beim Ober-            besuchte er die Schauspiel-
Staatstheater am Gärtner-         wo sie u. a. als Ilia (Idomeneo),   theater Bruneck, Kellertheater    Sommernachtstraum und als          österreichischen Operetten-       schule Sachers in Innsbruck
platz in München engagiert.       Schlaues Füchslein, Sophie          Innsbruck, Münchner Volks-        Action in der West Side Story      wettbewerb den 2. Preis,          und wurde anschließend
Gastengagements führten           (Der Rosenkavalier), Margarete      theater sowie von 1995 bis        mit. Die Hauptrolle Jim Farrell    den Publikumspreis sowie          Ensemblemitglied des TLT,
ihn nach Potsdam, Karlsruhe,      (Faust), Liù (Turandot) und         2000 ans TLT. Er leitete zwei     in Titanic übernahm er bei         die Sonderpreise der Bühne        wo er u. a. in Ein Sportstück,
Augsburg, an die Bayerische       als Euridice zu erleben war.        Jahre lang die Schauspiel-        den Seefestspielen in Melide/      Baden und des Landestheaters      Playback Life, Verbrennungen
Staatsoper München, nach          Seit 2017 freischaffend tätig,      schule Schauspielforum Tirol.     Schweiz. Als Swing war er          Linz und war Finalistin beim      und als Kostja in Die Möwe zu
Klagenfurt sowie nach Italien     gastierte sie als Margarete,        Seit 2004 ist er Künstlerischer   in Saturday Night Fever auf        Zukunftsstimmen-Wettbe-           sehen war. Seit 2007 ist er
und Brasilien. 2008 wirkte er     Violetta (La Traviata) und          Leiter des Westbahntheaters,      der Walensee-Bühne in der          werb in Wien. 2019.20 sang        freier Schauspieler und arbei-
bei der Münchener Biennale        Rosalinde (Die Fledermaus)          wo er zuletzt Kehlmanns           Schweiz zu sehen. Sein Debüt       sie am Landestheater Linz         tet an vielen Theater- und
mit. Im Chor des TLT singt er     am Pfalztheater Kaiserslau-         Die Reise der Verlorenen in-      am TLT gab er als A-Rab in der     die Manuelita in Offenbachs       Filmproduktionen mit. Zusam-
seit 2009 und übernahm zu-        tern. In der Tonhalle Zürich/       szenierte. Er trat in mehr als    West Side Story. Anschließend      Operette Pépito. Darüber          men mit Thomas Gassner und
dem Solorollen, wie den 1. Ge-    Winterthur war sie als Adina        60 Rollen am Theater auf und      wurde er Ensemblemitglied          hinaus gastierte sie u. a. am     Markus Oberrauch gründete
harnischten in der Zauberflöte,   in L’elisir d’amore zu hören.       war im Film und Fernsehen         und verkörperte u. a. den          Musiktheater Vorarlberg und       er 2008 das Feinripp-Ensem-
Enjolras in Les Misérables, Dr.   Ans TLT kehrte sie als Antonia      zu erleben. Darüber hinaus        tanzenden Torero in Carmen,        als Pamina in Bad Hall. Am        ble, mit dem er österreichweit
Blind in Die Fledermaus, Don      in Hoffmanns Erzählungen,           führte er Regie bei über 49       Barnaby Tucker in Hello, Dolly!,   TLT war sie 2019 als Eleonore     tourt. Seit Sommer 2011 ist
Curzio in Le nozze di Figaro,     Martha in der gleichnamigen         Theaterstücken, überwiegend       den Conférencier in Chicago,       in Pallhubers Der Ritter in der   er außerdem Künstlerischer
Krupke in der West Side Story,    Oper, Donna Anna in Don             in der Freien Szene, und gibt     Doktor Baldironi in Die Schat-     weißen Rüstung zu sehen. Jetzt    Leiter der Geierwally Freilicht-
Stephan Kadar in Liliom und       Giovanni sowie als Agathe in        Schauspielunterricht. Am TLT      tenkaiserin und Samiel in Der      ist sie Ensemblemitglied und      bühne in Elbigenalp. Am TLT
Ari Leschnikoff in den Come-      Der Freischütz zurück.              war er zuletzt in Der Vetter      Freischütz.                        sang zuletzt das Ännchen in       war er zuletzt in Chicago zu
dian Harmonists.                                                      aus Dingsda zu sehen.                                                Der Freischütz.                   erleben.
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