DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...

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DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...
DIALOG
               M OS E S M E N D E L SS O H N A K A D E M I E • M OS E S M E N D E L SS O H N S T I F T U N G • M OS E S M E N D E L SS O H N Z E N T R U M
                                                                                                                                                                      Heft 86
                                                                                                                                                                      Potsdam 1/2020

»Es ist nicht leicht, sich zu erinnern – und schwer, zu vergessen!«
Überlebensgeschichten der Schoa – eine Ausstellung im Brandenburgischen Landtag

A
        m 27. Januar 2020, dem internationalen Ge-
        denktag an die Opfer der Schoa, feierte Zipora
        Feiblowitsch, eine der sieben in der Ausstellung
Porträtierten, ihren 93. Geburtstag. Doch statt zu feiern
stand sie, neben George Shefi, einem ebenso eigens
aus Israel angereisten Porträtierten, Dr. Manja Schüle,
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des
Landes Brandenburg, Gabriele Schiebe, Schulleiterin
des Luise-Henriette-Gymnasiums Oranienburg, und
Rudi-Karl Pahnke, Institut Neue Impulse, auf dem von
Susanne Krause-Hinrichs (F. C. Flick Stiftung) moderier-
ten Podium und appellierte an das zahlreich erschienene
Publikum, nicht erneut den populistischen und antise-
mitischen Stimmen in Deutschland die Deutungshoheit
zu überlassen.
    Im Talmud heißt es sinngemäß: »Wir sterben, wenn
wir aufhören zu erinnern«. Diese Erinnerung an die
Schrecken der Schoa und die Lehren, die daraus zu zie-

                                                                                                                                                                                           Foto: MMZ
hen sind, teilen sieben Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
seit Jahren mit Schülerinnen und Schülern in Branden-
burg. In regelmäßigen Abständen kommen die heute
weit über Achtzigjährigen aus Israel nach Deutschland,            Die Ausstellung »AugenZeugen« wird ab dem 23. März 2020 in der Jüdischen Gemeinde Berlin zu sehen sein.
um in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen
über ihre Erlebnisse und Erfahrungen während der Zeit
des Nationalsozialismus zu sprechen. Die F. C. Flick Stif-    an Berliner und Brandenburger Schulen zum Einsatz               Pflicht an, Zeugenschaft abzulegen und die Folgen von
tung und das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) wid-             kommen. Es soll eine Brücke in die Zukunft schlagen, in         Verblendung und falsch verstandenem Gemeinschafts-
men diesen AugenZeugen, so auch der Titel der Ausstel-        der es uns nicht mehr möglich sein wird, die Zeitzeugen         gefühl aufzuzeigen.
lung, eine Porträtschau, die im Januar und Februar 2020       selbst zu befragen und ihre Berichte vis-à-vis auf uns              Die den Porträts zur Seite gestellten persönlichen Zi-
im Foyer des Brandenburgischen Landtags in Potsdam            wirken zu lassen.                                               tate sollen auch künftig Anlass geben, um sich mit den
zu sehen war und ab dem 23. März 2020 in der Jüdischen           Die sieben Porträtierten legen Zeugnis ab über die           Aussagen und deren tieferer Bedeutung auseinander zu
Gemeinde Berlin (Fasanenstraße 79/80) gezeigt wird.           Zeit des Nationalsozialismus und die eigenen Erfah-             setzen. Im Klassenverband wie auch in kleinen Gruppen
    Wie funktioniert das Fassbarmachen des Unfassbaren        rungen als Geächtete, Vertriebene, Verfolgte und dem            oder ganz individuell sollen Schülerinnen und Schüler,
und was motiviert die Schoa-Überlebenden, die Erin-           Tode nur knapp Entkommene.                                      Heranwachsende wie auch Eltern und Lehrpersonal
nerung an Todesangst und Überlebenswillen mit den                Ihre Motivation, vor jungen Menschen aus Deutsch-            – das heißt die Zivilgesellschaft als solche – jene Aus-
nachfolgenden Generationen zu teilen?                         land zu sprechen – und sich darüber bewusst zu sein,            sagen hinterfragen, auch dann, wenn die Urheberinnen
    Die Porträts des Berliner Fotografen Kai Abresch füh-     dass deren Vorfahren durchaus zu jenen gezählt haben            und Urheber diese Worte selbst nicht mehr aussprechen
ren uns die Zeitzeugen eindrucksvoll – und im wahrsten        könnten, die an der eigenen Leidensgeschichte Mitver-           können.
Sinne des Wortes – unmittelbar vor Augen. Ihrer visua-        antwortung getragen haben –, speist sich aus dem tie-               Die Ausstellung entstand in Kooperation des Moses
lisierten AugenZeugenschaft ist jeweils ein persönliches      fen Verlangen und der Hoffnung, die nachwachsenden              Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien
Zitat zur Seite gestellt. Eines davon wurde der Ausstel-      Generationen zu sensibilisieren für die Gefahren, die aus       und der F. C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit,
lung als Motto vorangestellt: »Es ist nicht leicht, sich zu   Propaganda, Hetze, Xenophobie und einem falschen                Rassismus und Intoleranz. Kuratiert wurde sie von der
erinnern – und schwer, zu vergessen!« In diesen Worten        Verständnis von Nationalismus erwachsen können.                 Verfasserin (MMZ) und Susanne Krause-Hinrichs (F. C.
spiegeln sich exemplarisch der Antrieb und das Ziel der          Die Geschichte darf sich im Hinblick auf das men-            Flick Stiftung). Die Schirmherrschaft der Ausstellung hat
Berichterstattenden: ERINNERN UND NICHT VERGESSEN!            schenverachtende politische System des Nationalsozia-           der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dr. Diet-
Dieses Diktum wollen sie weitergeben, damit das Erin-         lismus, das im Holocaust seine fatalste Widerspiegelung         mar Woidke, übernommen. Die Koordinierungsstelle
nern fortgesetzt wird – auch dann, wenn sie persönlich        fand, nicht wiederholen. Dieses Diktum eint alle sieben         »Tolerantes Brandenburg« der Landesregierung hat das
nicht mehr Zeugnis ablegen können.                            in der Ausstellung vorgestellten Protagonistinnen und           Projekt finanziell unterstützt.
    Die Ausstellung soll künftig als Vermittlungsprojekt      Protagonisten. Sie sehen es als ihren Beitrag, ja als ihre                                           Elke-Vera Kotowski

                                                                                                                      1
DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...
Au s d e m M M Z

Nicht nur »gnadenloser Publizierer«
Micha Brumliks Biographie über Hans-Joachim Schoeps beschreibt vielseitige Intellektualität

H
        ans-Joachim Schoeps, über Jahrzehnte                                                                                                                      ihren mancherlei na-
        Lehrstuhlinhaber für Religions- und Gei-                                                                                                                  tionalsozialistischen
        stesgeschichte an der Universität Erlangen,                                                                                                               Irrwegen geläutert
ist schon zu Lebzeiten mit mancherlei Epitheta                                                                                                                    hätten.
ornantia belegt worden, sympathischen oder auch                                                                                                                      Als zweite Weg-
abschätzigen Zuschreibungen, unter denen zu-                                                                                                                      marke nennt Brum-
nächst die Floskel vom »gnadenlosen Publizierer«                                                                                                                  lik «Theologie der
eine Facette in Leben und Lebenswerk schlagartig                                                                                                                  Offenbarung und
beleuchtet. Die nachgelassenen gesammelten                                                                                                                        jüdischer Barthia-
Schriften umfassen 16 Bände – in Linie aufgereiht                                                                                                                 nismus«, oder zur
etwa 55 Zentimeter, in grauem Leinen opulent                                                                                                                      »Geschichte der dia-
aufgebunden und auf dem Rücken in Schwarz                                                                                                                         lektischen Theologie
und Gold fortlaufend numeriert. Hinzu kommen                                                                                                                      und ihre Beziehung
Schriften aus der Jugendzeit, die sich mit Christen-                                                                                                              zum Judentum un-
tum und Judentum, mit der Religions­offenbarung,                                                                                                                  ter Auswertung von
auch mit Messias und messianischer Vorsehung                                                                                                                      Schoeps‘ Briefwech-
aus Sicht der Gegenwart und wiederholt aus den                                                                                                                    sel mit Karl Barth«,
Jahrhunderten seit der Aufklärung befassen.                                                                                                                       wobei er dem Leser
   Es ist aber nicht nur der Umfang der schrift-                                                                                                                  vielerlei     theolo-
lichen Hinterlassenschaft, was beeindruckt und                                                                                                                    gische Umwege und
Schoeps einen gewichtigen Nachruhm sichern                                                                                                                        Umschriften nicht
sollte, sondern die gleichsam aufregenden Neu-                                                                                                                    erspart, und sogleich
entdeckungen und Erstauffindungen, wie etwa                                                                                                                       wird noch assozia-
die zunächst aus dem Schrifttum entwickelten                                                                                                                      tiv nachgeschoben:
Gedanken über die vor- und frühchristlichen                                                                                                                       »Parallel dazu muss
Gemeindebildungen im Zusammenhang seiner                                                                                                                          Schoeps als einer der
Essener-Forschung, die mit den Qumran-Funden                                                                                                                      Ersten gelten, der
am Toten Meer eine wissenschaftliche Diskussion                                                                                                                   die Bedeutung des
von erheblicher Brisanz in Gang brachte.                                                                                                                          Werkes von Franz

                                                                                                                                                       Foto: Böhlau Verlag
   Ich nehme an dieser Stelle bereits meine Sym-                                                                                                                  Kafka erkannt hat«.
pathie für Micha Brumliks kürzlich erschienene                                                                                                                       Im Kontext solcher
biographische Darstellung Preußisch, konservativ,                                                                                                                 Stränge, die auch
jüdisch: Hans-Joachim Schoeps‘ Leben und Werk                                                                                                                     vom persönlichen
vorweg. Brumlik kennt sich in der Religionsphi-           Micha Brumlik: Preußisch, konservativ, jüdisch: Hans-Joachim Schoeps‘ Leben und Werk, Böhlau            ins wissenschaft-
losophie und in den Kontroversen der gegenwär-            Verlag Wien/Köln/Weimar 2019, 294 Seiten, 39 Euro.                                                      liche Interesse über-
tigen jüdischen Religionswissenschaft bestens aus,                                                                                                               leiten, mögen auch
seine Nähe zur Frankfurter Philosophie und Politik-                                                                                                              jene Ausführungen
wissenschaft der Nachkriegszeit, vornehmlich mar-         offenbar lebensbestimmende Phänomene, die sehr                       genannt werden, die sich zum eigenen Profil eines
kiert durch Horkheimer und Adorno, ist an zahlreichen     persönlicher Natur sind. Da ist einmal die dauernde                  Konservatismus entwickeln, der von grobschlächtigen
Stellen vernehmbar.                                       Bindung, sich verstärkend und abschwächend im                        Verächtern historischer Nachdenklichkeit einfach als
   Indes stellt sich für jede Biographie die Frage        Laufe des Lebens, an die Jugendbewegung, wobei die                   nationalsozialistisch, als »Rechtsaußen« diffamiert
nach der Nähe zur dargestellten Person. Hat Brumlik       Bündigung in Form der Freideutschen – bürgerlich,                    wurde. Wollte man Schoeps in das überkommene
Hans-Joachim Schoeps je als Vortragenden erlebt,          norddeutsch, gymnasial – später im eigenen Konzept                   Links-Rechts-Schema einordnen, wäre er vielleicht bei
Vorlesungen bei ihm gehört oder auch einem privaten       der jüdischen Jugendgruppe (»Vortrupp«) wieder                       den Jungkonservativen der endenden 20er und begin-
Gespräch lauschen können, das Schoeps mit Kollegen        aufgenommen wurde; sodann die Konfrontation mit                      nenden 30er Jahre des 20. Jahrhunderts aufgehoben
geführt hat? In der vorliegenden Publikation scheint      dem geistesgeschichtlich und auch von Brumlik über-                  gewesen (E. J. Jung. W. Schotte, W. von Gayl). Aber
mir dieser Bezug zur Person unterbeleuchtet zu sein.      schätzten Hans Blüher, dem publizistischen Ärgernis                  die historische Rückversicherung hat ihn später nicht
Die Inhalte der abgehandelten Gesamtschau sprechen        der deutschen Jugendbewegung seit den 20er Jahren                    vor »Freunden« bewahrt, die ihn nur für ihre Zwecke
allerdings für sich. So ist das Vorwort mit »Remigrati-   und kämpferischen Antisemiten, der ungeschminkt                      instrumentalisiert haben. Diese Umwege zu einem
on und intellektuelle Gründung der Bundesrepublik«        und wohl als erster im Umfeld des Meissner Festes                    preußisch-neuzeitlichen Konservatismus sind heute
übertitelt und reiht beispielhafte Wegmarken im           von 1913 Jugendbewegung und Homosexualität (Die                      kaum mehr nachzuvollziehen und werden in der öf-
Lebensgang eines »deutschen Juden im 20. Jahrhun-         Wandervogelbewegung als erotisches Phänomen, 1912)                   fentlichen Diskussion nicht mehr gedacht.
dert« auf. Darunter fallen zunächst die Wegmarken         in Beziehung brachte. Beide Themen hat Schoeps                                                              Joachim H. Knoll
auf, die die eher öffentliche Darstellung von Hans-       auch bei der Rückkehr in die Bundesrepublik aus dem
Joachim Schoeps ausmachen und nur beiläufig oder          Gedanken des Lebensbundes weiter ausformuliert,                      Eine ausführlichere Version dieser Rezension erscheint in
allmählich auch das wissenschaftliche Interesse be-       freilich von der Illusion begleitet, dass sich die Frei-             der kommenden Ausgabe der Zeitschrift für Religions-
rühren. Gleich zu Beginn dieser Auflistung stehen zwei    deutsche Nachhut und ihr vergleichbare Bünde nach                    und Geistesgeschichte.

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DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...
Au s d e m M M Z

Die Linie von den Freikorps bis zum NSU
Eine Tagung in Potsdam versammelte Ansätze für zeitgeschichtliche Erforschung rechter Gewalt

G
       ewalt ist eine der großen Konstanten in der Pra-  beiten, so Beck: Motivlagen werden bei diesem Ansatz              im gleichen Jahr zeigen dies eindringlich.
       xis des deutschen Rechtsextremismus. In immer     systematisch ausgeblendet, »rechte Gewalt« sei so                    Der Hamburger Historiker Hannes Heer führte am
       neuen Varianten beschwören die Akteure einen      somit per se ein problematischer Begriff – und die Ge-            Abend durch eine TV-Dokumentation, die den Mordfall
drohenden Untergang Deutschlands, einen »Volks-          walt rechter Gruppierungen sei bisher von der Neueren             Oppenhoff aufarbeitete, den vielleicht frühesten Fall
tod«, einen »Großen Austausch«. Es sind antisemitisch    Gewaltsoziologie kaum betrachtet worden.                          tödlicher rechter Gewalt nach Ende des Nationalsozia-
grundierte, rassistische oder antikommunistische Kri-       Auf einem ersten Panel wurden sodann Arbeiten zu               lismus: Am 25. März 1945 ermordeten Mitglieder eines
senszenarien, die in der Dramatik, mit der sie vorgetra- verschiedenen Erscheinungen rassistischer und antise-             nationalsozialistischen »Werwolf«-Kommandos den
gen werden, die Legitimation von Gewalt notwendig        mitischer Gewalt diskutiert. Ein folgendes Panel unter-           Oberbürgermeister Franz Oppenhoff im kurz zuvor von
in sich tragen. Das Verlangen nach »Wiederherstel-       suchte, welche Formen organisierter Gewalt sich bei               den Amerikanern besetzten Aachen.
lung« von ethnischer Homogenität, na-
tionaler Ehre und Einheit und einer als
natürlich behaupteten Geschlechterord-
nung impliziert drastische Maßnahmen,
Säuberungen. Es kann darum nicht ver-
wundern, dass die extreme Rechte im-
mer zum Einsatz von Gewalt neigte und
weiterhin neigt.
   Am 13. und 14. Februar veranstaltete
das Moses Mendelssohn Zentrum in Pots-
dam zusammen mit dem benachbarten
Zentrum für Zeithistorische Forschung
(ZZF), dem Fritz Bauer Institut (Frankfurt
am Main) und dem Hannah Arendt Insti-
tut (Dresden) eine Tagung, die die Kon-
tinuitäten rechter Gewalt aus verschie-
denen Blickwinkeln untersuchte. Der
Andrang war groß: Wegen der begrenz-
ten Räumlichkeiten konnten lediglich 130
Teilnehmer_innen zugelassen werden,

                                                                                                                                                                                    Foto: Heike Hilbert
angemeldet hatten sich weit mehr Inte-
ressierte. Die Dimension der Vorjahres-
veranstaltung wurde somit übertroffen.
Im Februar 2019 hatten sich – ebenfalls
in Potsdam und unter Federführung von Anke Hoffstadt (Moderation), Gideon Botsch, Barbara Manthe, Caro Keller (v.l.n.r).
MMZ und ZZF – rund 100 Interessierte zu
einer ersten Tagung und zur Gründung
des »Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Extreme Rech-    paramilitärischen Verbänden und im Rechtsterroris-                   Am Freitag folgten drei weitere Panel, die sich mit
te« (Zaker) getroffen (vgl. Dialog 82/2019, S. 4).       mus in der deutschen Geschichte finden. Gideon Botsch             transnationalen Aspekten rechter Gewalt in Europa,
   Die neuerliche Tagung legte ihren Schwerpunkt         (MMZ) referierte zur Biografie von Arthur Ehrhardt,               mit den Perspektiven der Betroffenen rechter Gewalt
auf die Zeiträume, in denen die großen Desiderate        der schon im Ersten Weltkrieg als Soldat kämpfte und              und der rechten Gewalt in der Transformationsphase
der zeitgeschichtlichen Erforschung des Rechtsex-        im Zweiten Weltkrieg im Dienst der Waffen-SS in der               um die Jahre 1989 und 1990 beschäftigten. Carsta
tremismus liegen. Arbeiten zur Gewaltpraxis der ex-      »Bandenbekämpfung« tätig war. Ehrhardt hatte das                  Langner (Jena) gab Einblicke in ihre Studien zur Re-
tremen Rechten nach 1945 in Deutschland wurden           »Werwolf«-Guerillakonzept entwickelt, das in der End-             konstruktion rassistischer Gewalt in der Spät-DDR und
mit diversen Ansätzen und Hintergründen vorgestellt      phase des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz kommen                  der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, wäh-
und diskutiert. Doch die zeitlichen und geografischen    sollte und das in der Nachkriegszeit Inspiration für              rend Christoph Wowtscherk (Hoyerswerda) mit den
Grenzen wurden auch immer wieder überschritten           nachfolgende Generationen militanter Rechter wurde.               Ausschreitungen von Hoyerswerda 1991 und Claudia
und historische Arbeiten über die Zeit vor 1945 und die  Barbara Manthe (Düsseldorf) stellte ihre Forschung                Pawlowitsch (Dresden) mit dem Mord am ehemaligen
Gewaltgeschichte anderer europäischer Länder in die      zum Rechtsterrorismus der 1970er und 1980er Jahre                 Vertragsarbeiter Jorge Gomondai 1991 in Dresden
Überlegungen mit einbezogen.                             vor, Caro Keller (Hamburg) nahm den Rechtsterro-                  genauere Blicke auf ihre Untersuchungen zu zwei kon-
   Nach einer Begrüßung durch Christoph Schulze          rismus im vereinigten Deutschland in den Fokus. Die               kreten Gewaltereignissen gaben.
(MMZ) und Dominik Rigoll (ZZF) begann die Tagung         Traditionslinie organisierter rechter Gewalt, die mit                Die Tagung fand ihren Abschluss mit einer Zusam-
mit einer Keynote von Teresa Koloma Beck, Soziolo-       dem Ende des Ersten Weltkriegs begann und bis zu den              menkunft des »Zaker«-Arbeitskreises. Die zeitge-
gieprofessorin an der Universität der Bundeswehr in      Morden des »Nationalsozialistischen Untergrunds«                  schichtliche Forschung zum Rechtsextremismus wird
München, die die Ansätze der Neueren Gewaltsozio-        (NSU) führte, wurde durch die Diskussionen im Panel               in diesem Rahmen weitergeführt werden – die Pla-
logie vorstellte und daraus kritische Hinweise für eine  nachvollziehbar gemacht. Die Linie hat keinen End-                nungen für neue Workshops und Tagungen hat bereits
Erforschung rechter Gewalt ableitete. Doch auch die      punkt erreicht: der Mord am CDU-Politiker Walter Lüb-             begonnen.
Neuere Gewaltsoziologie habe blinde Flecken zu bear-     cke 2019 und der Anschlag auf die Hallenser Synagoge                                                               C. S.

                                                                                                                     3
DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...
Au s d e n S a m m l u n g e n

Handeln und schützen, bevor es zu spät ist
Die Trockenreinigung und Entsäuerung der Ernst Simon-Bibliothek ist abgeschlossen

D
        er Erhalt von bedrohtem schriftlichen Kulturer-   Baeck Konzepte für die Bildungsarbeit der deutschen              den Büchern über die Jahrzehnte sehr zu. Dazu kam bei
        be wurde 2019 bundesweit mit einem Gesamt-        Juden zu entwickeln. Nach seiner Rückkehr nach                   einem Großteil der 12.000 Bände die zu ihrer Entste-
        volumen von 4,5 Millionen Euro durch Sonder-      Palästina im Jahr 1935 erhielt Simon 1939 eine Uni-              hungszeit bei der Herstellung übliche Verwendung von
programme der Beauftragten der Bundesregierung            versitätsdozentur für Philosophie und Geschichte der             stark säurehaltigem Papier. Von der intensiven Nut-
für Kultur und Medien (BKM) gefördert. Mit dieser         Pädagogik, der 1950 die Ernennung zum Professor für              zung der Bücher durch Ernst Simon zeugen nicht nur
Fördersumme wurde auf den großen Bedarf an Mitteln        Pädagogik an der Hebräischen Universität Jerusalem               unzählige Anmerkungen, Anstreichungen, persönliche
für Maßnahmen zur langfristigen Erhaltung und zum         folgte. Simon war entscheidend am Aufbau des israe-              Indices, Verweise auf wichtige Passagen oder Kapitel
Schutz von bedrohten Originalen in Archiven und Bibli-    lischen Erziehungs- und Bildungswesens beteiligt. Zeit           und ähnliches, die fast jeden Band zu einem Unikat
otheken reagiert. Mengenverfahren wie Massenent-
säuerung, Trockenreinigung sowie die fachgerechte
Verpackung von Archiv- und Bibliotheksbeständen
standen im vergangenen Jahr im Fokus der Förderung.
   Die Bibliothek des MMZ warb bei der Koordinie-
rungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kultur-
guts (KEK), die die Förderanträge entgegennimmt,
Mittel für die dringend erforderliche Trockenreinigung
und Entsäuerung von 192 laufenden Metern der Ernst
Simon-Bibliothek ein. Zuvor gab es bereits eine Zusage
für eine Kofinanzierung durch das Land Brandenburg,
eine Vorbedingung für die Einreichung eines Förderan-
trags für die Bundesmittel.
   Die private Nachlassbibliothek des Pädagogen, Reli-
gionsphilosophen, Historikers und Literaten Ernst Aki-
ba Simon wurde im Sommer 2000 durch das MMZ von
den Erben erworben. Mit finanzieller Unterstützung

                                                                                                                                                                                Foto: Archiv MMZ
der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
gelang der Ankauf der als national wertvolles Kul-
turgut eingestuften ca. 12.0000 Bände umfassenden
Privatbibliothek, deren thematische Schwerpunkte in
den Bereichen Philosophie, insbesondere jüdische Phi-     Ernst Simon mit Studierenden in seinem Arbeitszimmer in Jerusalem.
losophie, Zionismus, jüdische Geschichte, Erziehungs-
wissenschaften und Literatur liegen. Selbstverständ-
lich finden sich aber auch die Klassiker der deutschen    seines Lebens engagierte er sich als Vordenker einer             machen. Sehr oft ging dieses intensive Arbeiten mit
Literatur wie Goethe, Schiller, Heine und viele andere    jüdisch-arabischen Verständigung und war ein steter              und in den Büchern auch mit einer starken physischen
mehr im Bestand, all jene Titel, die in den 1920/30er     Gesprächspartner im jüdisch-christlichen Dialog.                 Beanspruchung und Abnutzung einher und macht
Jahren in jedem Bücherschrank in Deutschland zu fin-      Zahlreiche Vortragsreisen führten den »Brückenbau-               heute, aber auch noch in Zukunft bei einer großen An-
den waren.                                                er«, wie ihn Buber einmal nannte, immer wieder nach              zahl von Bänden eine Bearbeitung durch einen Buch-
   Die einzelnen Bände zeugen vom Leben und Wir-          Deutschland.                                                     binder oder Restaurator erforderlich.
ken, aber natürlich auch vom Sammeln und der Lek-            1988 starb Ernst Simon in Jerusalem. Seine Wit-                  Im Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig fand das
türe eines aus Nazideutschland vertriebenen jüdischen     we Toni Simon entschied zusammen mit den beiden                  MMZ einen kompetenten und erfahrenen Partner für
Wissenschaftlers. Die Bibliothek als Ganzes ist ein he-   Kindern, dass die Bücher nach Deutschland gelangen               alle im Rahmen des Projektes anvisierten und für den
rausragendes Beispiel für eine Bibliothek eines Jeckes,   sollen. Getragen wurde diese Entscheidung der Familie            Erhalt der Bibliothek nötigen Maßnahmen. Die Bände
eine Büchersammlung eines deutschen Juden, die ih-        durch den Wunsch, die einzigartige Privatbibliothek              wurden trockengereinigt und soweit erforderlich in
ren Ursprung in Deutschland nahm und in Palästina/        vollständig und dauerhaft zu erhalten. Gleichzeitig              einem erprobten Verfahren entsäuert. Anschließend
Israel im Laufe eines Lebens weiter zusammengetra-        würden die Bände im MMZ aber auch den Bibliotheks-               wurde ein Teil der Bände in Schutzverpackungen
gen wurde.                                                bestand der noch jungen Bibliothek optimal ergänzen              verpackt. Auf diese Weise ist der physische Erhalt der
   Simon, geboren 1899 in Berlin, studierte seit 1919     und ganz im Sinne des Sammlers weiterhin Forschung               Ernst Simon-Bibliothek nun mindestens für die näch-
Philosophie, Geschichte und Germanistik in Berlin und     und Lehre zur Verfügung stehen. Fürs Erste blieben die           sten Jahrzehnte gesichert.
Heidelberg und wurde 1923 mit einer Arbeit über Ran-      Bücher jedoch in Jerusalem, da Toni Simon sich zu ih-               Mit der Übernahme der privaten Bibliothek Ernst
ke und Hegel promoviert. Bis 1928 arbeitete er als Re-    ren Lebzeiten nicht von der Bibliothek trennen wollte.           Simons ist das MMZ die Verpflichtung eingegangen,
dakteur u.a. für die von Martin Buber herausgegebene      Erst nach ihrem Tod im Jahr 2000 wurden mit der Auf-             dieses Kulturerbe zu bewahren sowie Sorge dafür zu
Zeitschrift Der Jude. Durch Gershom Scholem kam er        lösung des Haushalts die Bücher in 171 Bücherkartons             tragen, dass die Nachlassbibliothek dauerhaft für Wis-
zunächst als Schüler, dann als Lehrer an das Freie Jü-    verpackt und in einem 20-Fuß-Seecontainer nach                   senschaft und Forschung sowie Lehre und Bildung zu-
dische Lehrhaus in Frankfurt am Main und wirkte dort      Potsdam verschickt.                                              gänglich ist. Mit Hilfe der finanziellen Förderung kön-
bis zu seiner Emigration nach Palästina im Jahr 1928.        Die klimatischen Bedingungen waren in den Jeru-               nen wir dieser Verpflichtung nun aufs Beste gerecht
Auf Bubers Bitte kehrte Simon 1934 für ein knappes        salemer Jahren für den physischen Erhalt der Bücher              werden. Den Förderern gilt unser Dank.
Jahr nach Deutschland zurück, um mit ihm und Leo          nie optimal. Die meist zu hohe Luftfeuchtigkeit setzte                                               Ursula Wallmeier

                                                                                                                   4
DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...
Au s d e r M M A

Im Jubiläumsjahr 2020 startet der Museumsumbau in Halberstadt
Trotz zahlreicher Besucher aus der Landespolitik ist die institutionelle Förderung der MMA weiterhin offen

I
    m Dezember 2019 kam endlich der Fördermittel-
    bescheid der Investitionsbank von Sachsen-Anhalt
    für die Sachmittel der Neugestaltung des Berend
Lehmann Museums. Dem Bescheid sind zwei Jahre in-
tensiver Vorarbeit vorangegangen. In dieser Zeit wurde
ein touristisches Konzept entwickelt, und es mussten
in großem Umfang Formblätter ausgefüllt, Unterlagen
von der Stadt Halberstadt und dem Landkreis eingeholt
werden. Zudem entwickelten die beiden wissenschaft-
lichen Mitarbeiter, Uri Faber und Tom Pürschel, eine
belastbare Vorplanung für die Inhalte der Ausstellung
sowie grundlegende Überlegungen für die Gestaltung.

                                                                                                                                                                                                                      Foto: Melanie Schulz, Ministerium für Inneres und Sport
Dies war möglich durch die seit Dezember 2019 laufende
Förderung durch die Staatskanzlei Sachsen-Anhalt. Un-
terstützende Ratschläge in diesem Prozess kamen vom
Museumsverband des Landes.
   Zur Übergabe des Bescheids der Landesinvestiti-
onsbank kam am 10. Januar Wirtschaftsminister Prof.
Dr. Armin Willingmann. Begleitet wurde er von Land-
tagsabgeordneten der SPD und der CDU, Prof. Dr. Angela
Kolb und Daniel Szarata. Die Summe der Fördermittel
der Landesinvestitionsbank beläuft sich auf knapp
615.000 Euro. Der Betrag deckt 90 Prozent der Gesamt-
kosten ab. Das ist nur möglich, wenn ein »besonderes                                      Am historischen Ort der ehemaligen Halberstädter Barocksynagoge (v.l.n.r.): Innenminister Holger Stahlknecht, MdL; Daniel
Landesinteresse« vorliegt. Dieses wurde von der Landes-                                   Szarata, MdL, sowie die MMA-Vorstände Jutta Dick und Jörg Felgner.
regierung attestiert.

                                                                                     Ausstellung, so weit in den historischen Gebäuden mög-                Trotz dieser positiven Bestrebungen muss eine Lö-
                                                                                     lich, barrierefrei sein, und es werden neue Anforderun-           sung für die Jahre 2020/2021 gefunden werden. Die
                                                                                     gen an den Brandschutz gestellt. Spätestens seit dem 9.           Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2020 und 2021
                                                                                     Oktober 2019, als der Anschlag auf die Synagoge in Halle          sind noch nicht abgeschlossen. Hier wird von Seiten der
                                                                                     stattfand, stehen zusätzliche Fragen der Sicherheit an.           Moses Mendelssohn Akademie um die Finanzierung
                                                                                         Nur wenige Tage später besuchte Ende Januar 2020              einer zusätzlichen Stelle für die Vermittlungsarbeit
                                                                                     der Landesinnenminister und CDU-Chef Sachsen-An-                  gekämpft. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der
                                                           Foto: Jörg Felgner, MMA

                                                                                     halts, Holger Stahlknecht, die Moses Mendelssohn Aka-             aktuellen Ereignisse, die eine verstärkte Nachfrage zur
                                                                                     demie. Themen des Besuchs waren die schon erwähnten               Folge haben.
                                                                                     neuen Herausforderungen bei der Sicherung der Einrich-                Ein Vierteljahrhundert arbeitet die Moses Mendels-
                                                                                     tung und das Interesse, einen Einblick in die inzwischen          sohn Akademie in Halberstadt nunmehr an der Ver-
                                                                                     seit 25 Jahren in Halberstadt durchgeführte Arbeit der            mittlung jüdischer Geschichte und Kultur, 2001 kam das
Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Julius H. Schoeps und                              Akademie zu gewinnen. Am Tag seines Besuchs konnte                Berend Lehmann Museum hinzu. Am 1. März 1995 nahm
Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke freuen sich                             der Minister ein Beispiel erleben, das zudem sein eige-           die Akademie die Arbeit auf. Am Anfang in einem Büro
über den Fördermittelbescheid für die MMA.                                           nes Ressort betraf. Eine Gruppe von Polizeianwärtern              der Stadtverwaltung, später in den sanierten Räumen
                                                                                     der Polizeihochschule Aschersleben absolvierte eine               der Klaussynagoge im Rosenwinkel, und immer dabei:
                                                                                     Fortbildung zu den Grundlagen des Judentums und der               Direktorin Jutta Dick, die die Einrichtung zusammen mit
   Das gesamte Projekt, d.h. die vollständige Neuge-                                 deutsch-jüdischen Geschichte.                                     Prof. Julius H. Schoeps bis heute prägt. »Nur bei der fi-
staltung der Dauerausstellung und damit verbundene                                       Trotz der breiten Unterstützung im gesamten Land              nanziellen Ausstattung durch das Land Sachsen-Anhalt
bauliche Baumaßnahmen, schlägt in diesem und im                                      ist bisher weiterhin offen, wie die langfristige finanzielle      wünsche ich mir mehr Kontinuität und ein dauerhaftes
nächsten Jahr mit insgesamt etwas über 1 Mio. Euro zu                                Absicherung der Moses Mendelssohn Akademie gestal-                und klares Bekenntnis«, so Prof. Schoeps. Sein diesbe-
Buche. Ohne das Engagement der Moses Mendelssohn                                     tet werden kann. Deshalb hat im November letzten Jah-             züglicher Brief an den Ministerpräsidenten von Oktober
Stiftung Berlin/Erlangen hätte der für die Fördermittel                              res für die Lösung der Frage eine interministerielle Steu-        letzten Jahres sei jedenfalls bis heute unbeantwortet.
notwendige Eigenanteil nicht aufgebracht werden kön-                                 erungsgruppe – geführt durch die Staatskanzlei und                »Dennoch bewegt sich etwas«, ergänzt Jutta Dick,
nen.                                                                                 das Ministerium für Kultur – ihre Arbeit aufgenommen.             »denn noch nie war die MMA so wichtig wie heute!«
   Die ersten Überlegungen der Kuratoren nahmen pri-                                 Der Stiftungsvorstand vertritt in diesem Gremium die              Im Juni 2020 wird in Halberstadt im Garten der Klaus-
mär neue Forschungserkenntnisse und die in den ver-                                  Interessen der Akademie. Alle beteiligten Ressorts der            synagoge, der um 1700 »zur Befriedigung der vegeta-
gangenen zwanzig Jahren stark gewachsene Sammlung                                    Landesregierung sind gewillt, ab dem kommenden Dop-               bilischen Bedürfniss der Rabbiner« angelegt wurde, mit
in den Blick. Zudem waren sie mit aktuellen Medien in                                pelhaushalt (2022/2023) eine institutionelle Förderung            einem Sommerfest dieses Jubiläum begangen.
der Präsentation konfrontiert. Außerdem soll die neue                                für die Moses Mendelssohn Akademie einzurichten.                                                               Jörg Felgner

                                                                                                                                              5
DIALOG Heft 86 - Moses Mendelssohn ...
Von MMA bis MMZ
N OT I Z E N – V E R ANS TALT U NG E N – B Ü CHER

Jüdische Orienterfahrung                               die Begegnung mit der Welt des »Orients« in all’ ihren   versuchten der zunehmenden Ausgrenzung mittels
                                                       Facetten und auch wechselseitigen Beeinflussungen.       jenes Orientalismus, der oft auch den europäischen
Auf der Leipziger Buchmesse ist das MMZ in diesem      Diese werden illustriert durch die Grafiken des Künst-   »Osten« einschloss, entgegenzutreten oder auszuwei-
Jahr u.a. mit einem biografischen Sammelband zu        lers Ephraim Moses Lilien, deren meisterliche Ver-       chen. Etwa durch eine Besiedelung der neuen/alten
jüdischen Orienterfahrungen vertreten. Die darin       schmelzung okzidentaler und (alt-)orientalischer         Heimat, über die Vermittlung zwischen »Ost« und
vorgestellten »Grenzgänger« aus den Bereichen Wis-     Motive und Stilelemente dem Künstler u.a. auch die       »West« bis hin zum Aufgehen in der Welt des Islam.
senschaft, Kunst, Literatur, Architektur und Politik   – kritisch zu hinterfragende – Zuschreibung eines »Ju-   Mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 än-
in einem Zeitraum vom 18. bis ins 20. Jahrhundert,     denstils« eingetragen haben.                             derte sich die Grundlage dieses Verhältnisses zwischen
                                                       Dabei ist die Beziehung aschkenasischer Juden zum        Orient und Okzident, in dem Juden bis heute eine Son-
                                                       Orient immer spannungsgeladen gewesen. Spätestens        derstellung einnehmen.
                                                       ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutete     Herausgegeben wird der ca. 360 Seiten umfassende
                                                       »Orient« ein fremdkulturelles Konzept, gegen das man     Band von Julius H. Schoeps und Thomas L. Gertzen im
                                                       sich abgrenzen wollte. Viele jüdische Intellektuelle     Verlag Hentrich & Hentrich.

                                                            Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (Heft 1/2020) neu erschienen

                                                         Inhalt:                                                 Norbert Waszek (Hg.): G. W. F. Hegel und Her-
                                                                                                                 mann Cohen. Wege zur Versöhnung. Festschrift
                                                         Aufsätze                                                für Myriam Bienenstock, Freiburg/München:
                                                         Predrag Bukovec: Die Abrahamisierung der                Verlag Karl Alber, 2018, 270 S. (Martin Arndt)
                                                         Wallfahrt durch Mohammed                                Uta Jungcurt: Alldeutscher Extremismus in
                                                         Rolf Hosfeld: Welttheater als Tragikomödie.             der Weimarer Republik. Denken und Handeln
repräsentieren ein breites Spektrum an persönlichen      Heinrich Heines Epochenerfahrung                        einer einflussreichen bürgerlichen Minderheit,
und beruflichen Hintergründen und Motivationen für       Wolfgang Bock: Walter Benjamin als Leser Søren          Berlin/Boston: Walter de Gruyter 2016, 395 S.
                                                         Kierkegaards. Der geschichtsphilosophische              (Christoph Kopke)
                                                         Ursprung des deutschen Trauerspiels zwischen            Olga Benario/Luiz Carlos Prestes: Die Unbeug-
                                                         Erbsünde und Sprung in den Glauben                      samen. Briefwechsel aus Gefängnis und KZ (hg.
  IMPRESSUM                                              Klaus-Jürgen Hermanik: The Film When Day                von Robert Cohen), Göttingen: Wallstein 2013,
                                                         Breaks – a Visual Lieu de Mémoire for the               270 S.; Robert Cohen:Der Vorgang Benario.
  Herausgeber:
                                                         Yugoslav Jewry                                          Die Gestapo-Akte 1936–1942, Berlin: Edition
  Moses Mendelssohn Stiftung
                                                                                                                 Berolina 2016, 188 S. (Hiltrud Arens)
  Fasanenstraße 3 | D – 10623 Berlin
                                                         Miszellen                                               Harald Jähner: Wolfszeit. Deutschland und die
  Telefon: 030 - 31 99 87 53, Fax: - 31 99 87 69
                                                         Christoph Böhr: Einflüsterungen des Rätselhaf-          Deutschen 1945–1955, Berlin: Rowohlt Verlag
  e-mail: kladow@snafu.de
                                                         ten: Metaphysik als Änigma. Wolfram Hogrebe             2019, 475 S. (Joachim H. Knoll)
                                                         über Ungelöstes und Unlösbares                          Stefan Mückl (Hg.): Kirche und Staat in Mit-
   MMZ
                                                         Julius H. Schoeps: »Kommen Sie, Fontane!« Der           tel- und Osteuropa. Die Entwicklung des
  für europäisch-jüdische Studien
                                                         märkische Schriftsteller und sein ambivalentes          Staat-Kirche-Verhältnisses in den Transforma-
  Am Neuen Markt 8 | D–14467 Potsdam
                                                         Verhalten Juden gegenüber                               tionsländern Mittel- und Osteuropas seit 1990,
  Telefon: 0331 - 28 09 40, Fax: - 2 80 94 50
                                                                                                                 Staatskirchenrechtliche Abhandlungen (SKA),
  moses@mmz.uni-potsdam.de
                                                         Rezensionen                                             Band 56/I, Berlin: Duncker & Humblot 2017,
  www.mmz-potsdam.de
                                                         Gottfried Mehnert: Jüdische Wissenschaft im             264 S. (Martina Bitunjac)
                                                         Dialog mit evangelischer Theologie. Auseinan-
  Moses Mendelssohn Akademie
                                                         dersetzung mit Adolf von Harnack, Marburger
  PF 1420, D– 38804 Halberstadt
                                                         Rabbinerprüfungen, Marburger Verein zur
  Rosenwinkel 18 | D– 38820 Halberstadt
                                                         Abwehr des Antisemitismus, Forum Christen
  Telefon: 03941 - 60 67 10, Fax: - 60 67 13
                                                         und Juden, Bd. 16, Berlin/ Münster: LIT Verlag
  info@moses-mendelssohn-akademie.de
                                                         2017, 172 S. (Klaus-Peter Friedrich)
  www. moses-mendelssohn-akademie.de
                                                         Hans Otto Horch (Hg.): Handbuch der deutsch-
                                                         jüdischen Literatur, Berlin/Boston: Walter
  Redaktion:
                                                         de Gruyter 2016, VII + 630 S. (Enrico Rosso)
  Dr. Ines Sonder
                                                         Christof Landmesser (Hrsg.): Bultmann Hand-
                                                         buch, Tübingen: Mohr Siebeck 2017, 546 S.
  Druck:
                                                         (Lukas Bormann)
  druckhaus köthen
                                                         Andrew Wright Hurley: Ludwig Leichhardt’s               Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte
                                                         Ghosts. The Strange Career of a Traveling Myth,         72 (2020), 1
  Bankverbindung:
                                                         Rochester, NY: Camden House 2018, 345 S.                Brill Academic Publishers, Leiden/Boston 2020
  IBAN: DE 74 16 08 00 00 42 00 75 75 00
                                                         (Helmut Peitsch)                                        ISSN: 0044-3441 / E-ISSN: 1570-0739

  Online und Bezug über: www.mmz-potsdam.de

                                                                                                           6
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