Die 2. Stammstrecke schafft die Vor-aussetzungen für einen weiteren Bahnausbau in der Region München - SMA und Partner AG

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Die 2. Stammstrecke schafft die Vor-aussetzungen für einen weiteren Bahnausbau in der Region München - SMA und Partner AG
BAYERN | S-Bahn München                                                                            www.eurailpress.de/archiv/2. Stammstrecke/

     Die 2. Stammstrecke schafft die Vor-
     aussetzungen für einen weiteren
     Bahnausbau in der Region München
     Die Planung zur 2. Stammstrecke der Münchner S-Bahn begann mit der Jahrtausendwende und durch-
     lief verschiedene Optimierungsphasen. Mit der nun beschlossenen Realisierung dieses Schlüsselprojek-
     tes ist die Voraussetzung für die dringende Verbesserung des Bahnverkehrs in der Metropolregion
     München gegeben. Der folgende Beitrag behandelt daher aus der Sicht der Angebotsplanung die
     Planungsgeschichte der 2. Stammstrecke und gibt einen Ausblick auf den weiteren Bahnausbau in der
     Region München.

     1. GESCHICHTE DER ANGEBOTS­                      und Anschlussbrüchen stetig zu. Das 1998                     Dipl.-Ing. ETH Georges Rey
                                                                                                                   Partner und Marktverantwortli-
     PLANUNG S-BAHN MÜNCHEN MIT                       beschlossene und bis 2005 umgesetzte so-                     cher Süddeutschland bei SMA
     2. STAMMSTRECKE                                  genannte „520 Mio. DM Ausbauprogramm“                        und Partner AG in Zürich
                                                      brachte zusammen mit dem Einsatz eines                       g.rey@sma-partner.com
     1.1. VORGESCHICHTE UND                           vollständig neuen Fahrzeugparks (ET 423)
     AUSGANGSLAGE                                     eine gewisse Entlastung aber auch zusätzli-
                                                      chen Verkehr. Der Erfolg der S-Bahn in den
     Die Idee, die Stadt München in West-Ost-         zurückliegenden vier Jahrzehnten hat das                     Bauoberrat Frank Kutzner
                                                                                                                   Stv. Sachgebietsleiter IIE2 Öffent-
     Richtung mit einem zweiten Eisenbahntun-         System an die Grenzen der Leistungsfähig-                    licher Verkehr auf Schiene und
     nel zu durchqueren, wurde bereits Mitte          keit gebracht. Täglich nutzen über 800 000                   Straße, Oberste Baubehörde im
     der 1990er-Jahr im Rahmen des Projektes          Fahrgäste die S-Bahn München. Das ent-                       Bayerischen Staatsministerium
     München 21 betrachtet. Eine Mitte 2001           spricht rund zwei Dritteln aller rund 1,3                    des Innern, für Bau und Verkehr
     abgeschlossene Machbarkeitsstudie [1] un-        Millionen Fahrgäste die täglich den Schie-                   frank.kutzner@stmi-bayern.de
     tersuchte 2 Varianten: Eine Variante A mit       nenpersonennahverkehr im Freistaat Bayern
     einem Durchgangsbahnhof mit 14 Gleisen           nutzen. Bei rund 400 000 Fahrgästen liegen
     (vollständiger Ersatz des Kopfbahnhofs) so-      Ziel oder Anfang der Fahrt an einer der 12     →→ Flügeln einer Linie im 20-Minuten-Takt
     wie eine Variante B mit einem auf 16 Gleise      Stationen der Stammstrecke.                       in Neufahrn zum Flughafen und nach
     konzentrierten Kopfbahnhof und einem               Das Münchner S-Bahn-System weist eine           Freising,
     Durchgangsbahnhof mit 6 Gleisen. Dabei           Reihe von infrastrukturellen und betriebli-    →→ Zugbildungsänderungen          (Stärken/
     wurde auch bereits eine Mitnutzung des           chen Besonderheiten auf, die hohe Anfor-          Schwächen) zur Anpassung an die Nach-
     City-Tunnels München 21 durch die S-Bahn         derungen an die Betriebsabwicklung stellen        frage bzw. an die infrastrukturellen Ge-
     mituntersucht. Das Gutachten empfahl die         bzw. diese auch erst ermöglichen:                 gebenheiten,
     Umsetzung der Variante B; allerdings ließ                                                       →→ Express-S-Bahn morgens von Erding
     die hinterlegte Verkehrsprognose mit dem         →→ Hohe Zugdichte auf der Stammstrecke            über Markt Schwaben in die Stammstre-
     Zielhorizont 2010 kein positives Kosten-Nut-        mit 30 Zügen pro Stunde und Richtung           cke.
     zen-Verhältnis erwarten. Das Projekt wurde          zur Hauptverkehrszeit (HVZ),
     daher zurückgestellt; die Trasse für den City-   →→ Breites Spektrum der Charakteristik der     Das Nadelöhr Stammstrecke inkl. Ostbahn-
     Tunnel wird jedoch noch freigehalten.               Zulaufstrecken: Ein- oder zweigleisig,      hof bleibt jedoch trotz der Infrastruktur-
       Bereits vor der Jahrtausendwende war              nur S-Bahn oder Mischbetrieb mit Fern-,     verbesserungen bestehen und lässt das
     feststellbar, dass die S-Bahn München ein           Regional- und Güterverkehr,                 komplexe Gesamtsystem nach wie vor sehr
     Opfer ihres eigenen Erfolges wurde. Die          →→ Sogenannte Spanische Bahnsteige –           sensibel auf Unregelmäßigkeiten reagieren.
     stetige Zunahme der Fahrgäste sowie die             gleichzeitiges Ein- und Aussteigen durch    Um nun auch langfristig die Entwicklungs-
     damit einhergehenden Fahrgastwechsel-               die Anordnung von zwei Bahnsteigkan-        möglichkeiten für die Münchner S-Bahn si-
     zeiten auf den hochbelasteten Stammstre-            ten – an den Stationen Hauptbahnhof,        cherstellen zu können, sind umfangreiche
     ckenbahnhöfen führten zusammen mit der              Karlsplatz und Marienplatz,                 weitere Infrastrukturausbauten notwendig.
     hohen betrieblichen Komplexität in den           →→ Kopfmachen von 3 Linien im 20-Minu-         Weitere verkehrlich notwendige Angebots-
     Jahren 1999 bis 2003 zu einer steten Abnah-         ten-Takt am Ostbahnhof in der HVZ in-       verbesserungen im S-Bahn-Netz lassen sich
     me der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit            nerhalb von jeweils 2 Minuten mittels       mit der bestehenden Stammstrecke nicht
     des Systems. Entsprechend nahm die Kun-             Linksbetrieb auf der Strecke nach Gie-      mehr realisieren. Eine nochmalige, über die
     denunzufriedenheit wegen Verspätungen               sing,                                       30 Züge pro Stunde und Richtung hinausge-

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Die 2. Stammstrecke schafft die Vor-aussetzungen für einen weiteren Bahnausbau in der Region München - SMA und Partner AG
BAYERN | S-Bahn München

hende Steigerung der Stammstreckenleis-                                                                                   BILD 1:
tungsfähigkeit ist nicht mehr möglich. Dem-                                                                               Angebotsorientierte
                                                                                                                          Planungsmethodik
entsprechend sind verkehrlich gewünschte
Taktverdichtungen, z. B. aus Richtung Gel-
tendorf (S4) oder zum Flughafen, über die
Stammstrecke zum Ostbahnhof nur dann
möglich, wenn eine ergänzende Infrastruk-
tur im Bereich der Münchner Innenstadt
geschaffen wird. Mit der Realisierung einer
2. Stammstrecke werden die folgenden
Zielsetzungen verfolgt; wobei ein Teil dieser
Zielsetzungen erst im Verlauf der Planungen
hinzukam:

→→ Verbesserung der Angebotsdichte für
   alle Linienäste
→→ Verteilung der Linien auf 2. Stammstre-       de die Nachfragewirkung der Angebotskon-         tere Haltepunkte auf der 2. Stammstrecke
   cke                                           zepte berechnet und falls erforderlich, das      vorgesehen. Die entwickelten Angebotskon-
→→ Verbesserung der Betriebsqualität durch       Angebot (Takt und/oder Zuglänge) an die          zepte der beiden Mitfälle waren Grundlage
   Reduktion der Zugdichte pro Stamm-            Nachfrage angepasst. Mit dieser Planungs-        für eine erste NKU [2] und in einer späteren
   strecke                                       methodik stehen auch wesentliche Teile der       Phase auch für eine Betriebssimulation. Die
→→ Aufrechterhalten einer West-Ost-Verbin-       für eine Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU)        NKU ergab nur für den Mitfall 2 einen posi-
   dung bei Störungen auf einer der beiden       erforderlichen Input-Größen zur Verfügung.       tiven Nutzen-Kosten-Faktor. Maßgeblich für
   Stammstrecken                                                                                  dieses Resultat verantwortlich sind die mit
→→ Einführung von Express-S-Bahn-Linien                                                           den Express-S-Bahnen erzielbaren Reise-
   und Verlängerung von S-Bahn-Linien in         1.3. PLANUNGSGESCHICHTE                          zeitverbesserungen sowie die Erhöhung der
   die erweiterte Agglomeration München                                                           Angebotsdichte bei der Umstellung vom 20-
→→ Verbesserung der Flughafenanbindung           Die Angebotsplanung zur 2. Stammstrecke          auf einen 15-Minuten-Takt.
   über den Ostkorridor                          begann Mitte 2001 und lässt sich aus heu-           Zeitraum 2 (2005 bis 2007): Im zweiten
                                                 tiger Sicht in mehrere Abschnitte gliedern.      Planungsabschnitt stand die Weiterentwick-
                                                 Im Verlauf der über 15jährigen Planungsge-       lung und Anpassung des Mitfalls 2 – insbe-
1.2. PLANUNGSMETHODIK                            schichte haben sich naturgemäß verschie-         sondere an neue Trassierungsvarianten im
­ANGEBOTSPLANUNG                                 dene Parameter und Randbedingungen               Osten (Mitfälle 4 und 5) – im Vordergrund.
                                                 geändert. Ein einschneidendes Ereignis           Ein zentraler Punkt war dabei auch die Ver-
Im Gegensatz zur Machbarkeitsstudie zu           war beispielsweise die Beendigung der Pla-       besserung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses
München 21 wurde die Planungsmethodik            nungen für eine Magnetschwebebahn zum            mit der Untersuchung und teilweisen Über-
mit Projektbeginn an die Erfordernisse einer     Münchner Flughafen (Transrapid). Von be-         prüfung durch eine NKU der folgenden An-
Weiterentwicklung eines komplexen Eisen-         sonderer Wichtigkeit war und ist auch die        sätze:
bahnsystems angepasst. Die Methodik muss         Abstimmung der Fahrpläne der Münch-
insbesondere Fragestellungen nach den An-        ner S-Bahn mit der Weiterentwicklung des         →→ Reduktion der Anzahl an erforderlichen
gebotsveränderungen bei der S-Bahn und           Bayern-Taktes. Die einzelnen Planungsab-            netzergänzenden Maßnahmen u. a.
beim Regionalverkehr sowie der Dimensi-          schnitte sind nachfolgend dargestellt. In Er-       durch eine Taktmischung (Mitfall 3)
onierung der Infrastruktur im Regelbetrieb       gänzung dazu stellt das Bild 2 die Entwick-      →→ Verzicht auf den Linienast Max-Weber-
als auch im Störfall beantworten können.         lung der Trassierung der 2. Stammstrecke            Platz – Ostbahnhof hoch (Mitfall 4)
Anders formuliert erfordert die Planung von      dar.                                             →→ Betrieb der Express-S-Bahn-Linien nur
Eisenbahnsystemen die zeitgleiche und um-           Zeitraum 1 (2001 bis 2004): Die ers-             zur HVZ
fassende Betrachtung aller Elemente. Der         ten Überlegungen für die Trassierung der         →→ Einführung von Express-S-Bahn-Linien
Fahrplan ist dabei das Zentrum, um das ge-       2. Stammstrecke sahen eine relativ direkte          auf weiteren Linienästen
samte System iterativ zu koordinieren und        Einbindung am Leuchtenbergring und eine
zu optimieren (Bild 1).                          Schlaufe zur oberirdischen Anbindung des         Ebenfalls in diesen Abschnitt fällt die Er-
   Die angebotsorientierte Planung zeigt         Ostbahnhofs von Osten her vor (Bild 2), um       stellung einer Studie „Veränderung der Rei-
die Abhängigkeiten von Betrieb und Infra-        das Kopfmachen der Linien von/nach Gie-          sezeiten im MVV infolge Realisierung der
struktur auf; sie ermöglicht eine strategische   sing zu vermeiden. Im Zentrum der Untersu-       2. Stammstrecke und der Magnetschnell-
Infrastrukturplanung („taylor-made“) und         chung standen grundsätzliche Überlegun-          bahn“. Dabei waren bei der S-Bahn die Mit-
eröffnet alle Möglichkeiten, das Eisenbahn-      gen zum Taktsystem mit 2. Stammstrecke:          fälle 1 und 2 zu unterstellen und beim Trans-
system zu optimieren. Zudem erlaubt sie          Entweder Ausbau des 10-Minuten-Taktes            rapid eine Fahrzeit von 10 Minuten vom
eine stufengerechte Planungspräzision, wo-       auf allen Linienästen (Mitfall 1) oder die Um-   Hauptbahnhof zum Flughafen München.
bei ein höherer Detaillierungsgrad jederzeit     stellung des Taktsystems auf einen Viertel-      Auf der Grundlage der Reisezeitanalyse,
genutzt werden kann. Bei den gestellten          stundentakt mit einer Überlagerung mit           wurde ein sogenanntes Kiosk-System ent-
Aufgaben handelte es sich primär um eine         einer Express-S-Bahn im Halbstundentakt          wickelt, das die interaktive Abfrage und den
Optimierung im Planungsviereck Ange-             auf nachfragestarken Linienästen (Mitfall 2).    Vergleich von Reisezeiten für verschiedene
botskonzept – Infrastruktur – Netzkapazität      Beim Mitfall 1 waren neben dem Hauptbahn-        Mitfälle mit dem aktuellen Fahrplan ermög-
– Rollmaterial. In einem zweiten Schritt wur-    hof und dem Marienhof auch noch drei wei-        lichte.                                       »

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Die 2. Stammstrecke schafft die Vor-aussetzungen für einen weiteren Bahnausbau in der Region München - SMA und Partner AG
BAYERN | S-Bahn München

                                                                                                  einer Anbindung in Richtung Landshut und
                                                                                                  Mühldorf wurden mit Angebotskonzepten
                                                                                                  und dem dafür notwendigen Infrastruktur-
                                                                                                  bedarf hinterlegt. Die Studie empfahl den
                                                                                                  Ausbau des Ostkorridors (Gesamtplanfall 5).
                                                                                                     Parallel dazu erfolgte die Prüfung einer
                                                                                                  Führung von Express-S-Bahn-Linien sowohl
                                                                                                  über den Korridor der S1 als auch den der
                                                                                                  S8. Mit der bis jetzt geplanten Infrastruktur
                                                                                                  der 2. Stammstrecke (Bild 2) wäre jedoch
                                                                                                  eine Express-Verbindung vom Flughafen
                                                                                                  über den Ostkorridor in die 2. Stammstrecke
                                                                                                  ohne Bedienung des Ostbahnhofs erfolgt.
                                                                                                  Der Ostast der 2. Stammstrecke wurde da-
                                                                                                  her umgeplant und mit einem Haltepunkt
                                                                                                  Ostbahnhof tief ergänzt, um der Bedeutung
                                                                                                  des Ostbahnhofs als Verkehrsdrehscheibe
                                                                                                  gerecht zu werden.
                                                                                                     Auf dieser Infrastrukturgrundlage erfolgte
                                                                                                  die Entwicklung des Mitfalls 6 in mehreren
                                                                                                  Varianten. Dabei wurde vom Gutachter der
                                                                                                  bereits im Mitfall 3 angedachte Ansatz einer
                                                                                                  Mischung der Taktfamilien Takt 10/20 und
                                                                                                  Takt 15/30 wieder aufgegriffen. Bei einem
                                                                                                  zu Grunde gelegten Trassenabstand von 2,5
                                                                                                  Minuten ergibt sich je ein 5-Minuten-Raster
                                                                                                  für die beiden Taktfamilien (Bild 3). D. h. die
                                                                                                  Taktmischung funktioniert nur bei einer Aus-
                                                                                                  lastung der Stammstrecken mit maximal 24
                                                                                                  Zügen pro Stunde und Richtung sowie einer
                                                                                                  gleichmäßigen Anzahl der Züge je Taktfami-
                                                                                                  lie. Mit dieser Taktmischung war es möglich,
                                                                                                  den Mitfall 6 so zu optimieren, dass die ein-
                                                                                                  gleisigen Strecken nach Wolfratshausen und
                                                                                                  zur Kreuzstraße (S7) zunächst beim 20-Mi-
                                                                                                  nuten-Takt bleiben und keine netzergänzen-
                                                                                                  den Maßnahmen (NeM) erfordern. Auch die
                                                                                                  Linienäste nach Petershausen/Altomünster
                                                                                                  (S2) und nach Deisenhofen/Holzkirchen
                                                                                                  bleiben zunächst beim 10/20-Minutentakt
                                                                                                  bzw. bei der heutigen Taktdichte.
                                                                                                     Ebenfalls in diesem Zeitraum erfolgte eine
                                                                                                  vergleichende Untersuchung 2. Stammstre-
                                                                                                  cke versus Südring inkl. einer NKU unter Be-
                                                                                                  rücksichtigung beider Taktsysteme Takt 10
                                                                                                  und Takt 15 mit Express. Bestandteil dieser
                                                                                                  Studie waren auch Überlegungen zur Bewäl-
                                                                                                  tigung von Störfällen sowie ggf. dazu zusätz-
                                                                                                  lich erforderlicher Infrastruktur. Die Untersu-
                                                                                                  chung bestätigte nochmals die Resultate der
                                                                                                  bisherigen Untersuchungen: Den höheren
                                                                                                  Nutzen einer 2. Stammstrecke gegenüber
     BILD 2: Entwicklung der Trassierung der 2. Stammstrecke von 2001 bis 2017                    einem Ausbau des Südrings und die Umstel-
                                                                                                  lung des Taktsystems auf einen Viertelstun-
                                                                                                  dentakt mit überlagertem Express-System.
       Zeitraum 3 (2008 bis 2010): Mit dem          den Fernverkehr betrachtet werden. In einer      Zeitraum 4 (2011 bis 2012): Nach dem
     Rückzug der Planfeststellung und der Be-       Machbarkeitsstudie in mehreren Phasen         politischen Entscheid für die 2. SBS und der
     endigung des Projekts einer Transrapidver-     erfolgte daher auf der Grundlage einer um-    Flughafenanbindung über den Ostkorridor
     bindung zum Flughafen München im März          fangreichen Ideensammlung die Überprü-        waren Fragen zu beantworten, die sich im
     2007 war ein Plan B für die Verbesserung der   fung mehrerer Gesamtplanfälle einer Flug-     Zusammenhang mit der Weiterentwicklung
     Flughafenanbindung gefragt. Dabei soll-        hafenanbindung [3]. Trassierungsvarianten     des Schienenverkehrs in der Metropolregi-
     te die Schienenanbindung des Flughafens        über den West-, Zentral- und Ostkorridor in   on München stellten. Zudem ergaben sich
     nicht nur über die S-Bahn sondern auch über    Kombination mit verschiedenen Varianten       aus der Untersuchung „Langfristkonzepte

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Die 2. Stammstrecke schafft die Vor-aussetzungen für einen weiteren Bahnausbau in der Region München - SMA und Partner AG
BAYERN | S-Bahn München

Bayern Zeithorizont 202X“ teilweise neue
Randbedingungen aus der geplanten Ent-
wicklung im Regionalverkehr. Grundlagen
für diese bayernweite Studie waren ein ab-
gestimmtes Fernverkehrskonzept und prog-
nostizierte Güterzugzahlen für den Zeithori-
zont 202X sowie eine umfassende Liste der
geplanten und vorgesehenen bayernweiten
Infrastrukturausbauten. Daraus leiteten sich
auch neue Erkenntnisse für den Bahnknoten
München ab, die in eine parallel zu erstellen-
de Untersuchung einflossen.
   Die Studie „Angebotsplanung Bahnkno-
ten München“ entwickelte zuerst einen
umfassenden und konsistenten Zielzustand
(Mitfall 10), der u. a. auch den Südast der       BILD 3: Prinzip der Taktmischung im Mitfall 6
2. Stammstrecke und zusätzliche S-Bahn-
Gleise zwischen Pasing und Laim enthält.
Dieses Zielkonzept sieht auch den Einsatz         und Express-S-Bahn-Linien weiter optimiert      passen, was die weitere Entwicklung für die
von sogenannten Regional-S-Bahnen vor,            und mit der zu erwartenden Nachfrage für        Öffentlichkeit transparent macht.
die über die heutigen Endpunkte der S-Bahn        den Zeithorizont 2025 abgeglichen. Das so
hinaus verkehren und Regionalverkehr er-          entwickelte Startkonzept ist die zentrale
setzen und/oder ergänzen. Damit sind eine         Grundlage für den weiteren Bahnausbau in        2. DAS GEPLANTE STARTKONZEPT
bessere Auslastung der beiden Stammstre-          der Region München.                             DER S-BAHN MIT
cken und eine Entlastung des Münchner                Zum Spatenstich der 2. Stammstrecke am       2. STAMMSTRECKE
Hauptbahnhofs erzielbar. In einer zweiten         5. April 2017 wurde auch das Infozentrum
Stufe erfolgte die Ausplanung eines Stufen-       am Marienhof eröffnet. SMA und Partner AG       Die Europäische Metropolregion München
konzepts vom Mitfall 6 bis zum Mitfall 10.        hat dafür eine Applikation entwickelt, die      (EMM) und ganz Oberbayern zählen zu den
Dabei entsprachen die Mitfälle 8 und 9 den        die Abfrage des Fahrplans des Startkonzepts     Wachstumsregionen in der Bundesrepublik
beiden Zeithorizonten der bayernweiten            und dessen Vergleich mit dem aktuellen          Deutschland. Dies unterstreichen auch Pro-
Studie.                                           Fahrplan ermöglicht. Es ist vorgesehen, die     gnosen, die voraussagen, dass bis zum Jahr
   Das Bild 4 zeigt exemplarisch für 3 Zeit-      Fahrpläne laufend an die Planungen anzu-        2035 in der EMM die Zahl an Einwohnern »
horizonte die erzielbaren Reisezeiten. Die
Auswirkungen dieser Angebotskonzepte
                                                  BILD 4: Reisezeiten von allen Linienendpunkten nach Marienhof/Marienplatz im Vergleich zum
wurden nicht mit einer Nachfrageprognose          Fahrplan 2010
verifiziert. Bei der dritten Stufe erfolgte die
Abstimmung des Mitfalls 6 mit den Planun-
gen zum Ringschluss Erding und die Prüfung
der Umsetzung von Regional-S-Bahn-Linien
bereits im Startkonzept (Mitfall 6+)
   Im Zusammenhang mit der Kandidatur der
Landeshauptstadt München für die Olympi-
schen Winterspiele 2018 stellte sich die Auf-
gabe, eine vorgezogene Teilinbetriebnahme
der 2. Stammstrecke zu untersuchen. Grund-
lage bezüglich des Fahrplankonzeptes war
der Fahrplan Status Quo. Als erste Etappe
der 2. Stammstrecke war die Inbetriebnah-
me eines eingleisigen Abschnitts Laim – Ma-
rienhof zu unterstellen. Ziel war eine Bedie-
nung der neuen Strecke mit Verbindungen
Garmisch-Partenkirchen – Laim – Marienhof
mit einer Durchbindung über den Westkor-
ridor zum Flughafen München im 20-Minu-
ten-Takt als Untervariante.
   Zeitraum 5 (2016 bis 2017): Als eine
Grundlage für den Entscheid der Bayeri-
schen Staatsregierung über die endgültige
Realisierung der 2. Stammstrecke war die
Nachführung der NKU [5] erforderlich. Auf
der Basis des Mitfalls 6+ aus der Bahnknoten-
untersuchung wurde die Angebotskonzep-
tion bezüglich des Einsatzes von Regional-

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     von aktuell 5,7 Millionen auf dann 6,4 Mil-            schließen, welche umfassend modernisiert           21 Mio. Zkm/a auf dann rund 30 Mio. Zkm/a.
     lionen steigen wird. Dies entspricht einem             werden, und zudem sind mehr Langzugbil-            Folgende, nicht abschließende Aufzählung
     Plus von rund 12 Prozent und bedeutet, dass            dungen (3x ET) realisierbar. Die Modernisie-       zeichnet das Startkonzept der S-Bahn mit
     durchschnittlich rund 35 000 neue Einwoh-              rung der ET 423 wird eine um 12 Prozent hö-        2. Stammstrecke aus:
     ner pro Jahr in der EMM zu erwarten sind.              here Transportkapazität ermöglichen.
        Diese Zunahme stellt große Anforderun-                 Als konsequente Fortsetzung des bereits         →→ erhebliche     Kapazitätserweiterungen,
     gen an die Bewältigung des damit einher-               2010 beschlossenen Entwicklungskonzepts               auch in der Hauptverkehrszeit,
     gehenden Mobilitätswachstums. Im Fokus                 für den Bahnknoten München [4] hat die             →→ bei Störungen auf einer Stammstrecke
     steht dabei der weitere Ausbau des öffentli-           Bayerische Staatsregierung Ende 2016 über             bleibt die Erreichbarkeit der Münchner
     chen Verkehrs. Dabei kommt der S-Bahn als              die endgültige Realisierung der 2. Stamm-             Innenstadt mit den S-Bahnen auf der an-
     Rückgrat des öffentlichen Verkehrs zwischen            strecke entschieden. Zum Projektumfang                deren Stammstrecke möglich,
     der Landeshauptstadt München und der Re-               zählen neben der 2. Stammstrecke auch die          →→ zum Teil erheblich verkürzte Fahrzeiten
     gion eine herausragende Rolle zu.                      dazugehörigen netzergänzenden Maßnah-                 von bis zu 14 Minuten durch Expressver-
        Um das Wachstum bis zur Inbetriebnahme              men (siehe Tabelle 1 bzw. Abbildung 5) so-            bindungen auf vier westlichen und zwei
     der 2. Stammstrecke bewältigen zu können,              wie erste Ausbaustufen des Projektes Ring-            östlichen S-Bahnästen,
     ist vorgesehen, dass die derzeit 253 Triebwa-          schluss Erding.                                    →→ ganztägiger     15-Minuten-Takt     statt
     gen umfassende Fahrzeugflotte der Münch-                  Mit der Inbetriebnahme der 2. Stamm-               20-Minuten-Takt auf fünf der sieben
     ner S-Bahn (238x ET 423 und 15x ET 420)                strecke ist eine Angebotsoffensive bei der            westlichen und drei der fünf östlichen S-
     um 21 Triebzüge der Baureihe ET 420 aufge-             S-Bahn möglich. Der derzeitige Planungs-              Bahn-Linienäste,
     stockt werden soll. Ab Dezember 2018 lässt             stand geht davon aus, dass das Bestellvo-          →→ ganztägig sechs statt drei Züge pro
     sich mit diesen zusätzlichen Fahrzeugen die            lumen an Zugkilometern/Jahr (Zkm/a) um                Stunde und Richtung über den Ostkor-
     Lücke an Fahrzeugen der Baureihe ET 423                rund 40 % gesteigert wird, von derzeit rund           ridor (S8-Strecke) zum Flughafen (S8
                                                                                                                  im 15-Min.-Takt zzgl. Express-S-Bahn im
                                                                                                                  30-Min.-Takt),
      Maßnahme                         Stand aktuell                          Wirkung                          →→ umsteigefreie Fahrt in das Münchner
      2. Stammstrecke                  im Bau;                                Voraussetzung für mehr und          Stadtzentrum mit Regional-S-Bahnen
                                       Inbetriebnahme (IBN) Ende 2026         pünktlichere S-Bahnen im            aus Buchloe (halbstündlich), Landshut
                                                                              Gesamtnetz                          und Augsburg (stündlich) inkl. Bedie-
      Neufahrner Kurve                 im Bau; IBN Ende 2018                  Anschluss von Nordostbayern         nung aller Halte zwischen Mammen-
                                                                              an den Flughafen
                                                                                                                  dorf und Mering (Althegnenberg, Has-
      Erweiterung                      Baubeginn 12. Juli 2017;               mehr Abstellkapazitäten für         pelmoor) sowie zwischen Freising und
      Werk Steinhausen                 IBN Ende 2020                          S-Bahn-Fahrzeuge
                                                                                                                  Landshut (Marzling, Langenbach, Moos-
      Linienförmige Zugbeein-          in Planung;                            Steigerung der Leistungsfähig-      burg, Bruckberg, Gündlkofen).
      flussung (LZB) westlich          Start Planfeststellungsverfahren       keit des Bf Pasing
      Pasing                           (PFV) Ende 2019; IBN Ende 2026
                                       Netzergänzende Maßnahme im                                              Das geplante Startkonzept der S-Bahn mit
                                       Projekt 2. Stammstrecke
                                                                                                               2. Stammstrecke lässt täglich mindestens
      Ausbau Abzweigstelle             in Planung; Start PFV Ende 2019;       Voraussetzung für 15-Minuten-    60.000 zusätzliche Fahrgäste im öffent-
      Westkreuz                        IBN Ende 2026                          Takt + Express-S-Bahnen
                                       Netzergänzende Maßnahme im                                              lichen Verkehr erwarten. Dies entspricht
                                       Projekt 2. Stammstrecke                                                 einer Reduzierung von rund 300 Mio. Pkw-
      Wendegleis Weßling               in Planung; Start PFV Ende 2018;       Voraussetzung für 15-Minuten-    Kilometer/Jahr. Die Trassenkapazität im
                                       IBN Ende 2023                          Takt + Express-S-Bahnen          Stammstreckenbereich erhöht sich mit der
                                       Netzergänzende Maßnahme im
                                       Projekt 2. Stammstrecke                                                 Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke von
      zusätzlicher Bahnsteig           seit Ende 2016 im Planfeststellungs-   Kreuzungsmöglichkeit für         heute 30 auf zukünftig 54 Züge pro Stunde
      Markt Schwaben                   verfahren (PFV); IBN Ende 2020         S-Bahnen                         und Richtung. Davon werden durch das ge-
                                       Netzergänzende Maßnahme im                                              plante Startkonzept in der Summe 36 Züge
                                       Projekt 2. Stammstrecke
                                                                                                               pro Stunde und Richtung durch die Stamm-
      Fahrzeitverkürzung zum           in Planung; Start PFV Ende 2019;       schneller zum Flughafen
      Flughafen                        IBN Ende 2026                                                           strecken genutzt. Dies ermöglicht über das
                                       Netzergänzende Maßnahme im                                              Startkonzept hinausgehende weitere Ange-
                                       Projekt 2. Stammstrecke                                                 botsverbesserungen im S-Bahn-Verkehr.
      zweites Gleis Steinebach –       in Planung; Start PFV Ende 2019;       Voraussetzung für 15-Minuten-
      Seefeld-Hechendorf               IBN Ende 2026                          Takt + Express-S-Bahnen
                                       Netzergänzende Maßnahme im
                                       Projekt 2. Stammstrecke                                                 3. ZUSAMMENFASSUNG
      zweites Gleis im Bereich         in Planung; Start PFV Ende 2019;       Voraussetzung für 15-Minuten-    UND AUSBLICK
      St. Koloman                      IBN Ende 2026                          Takt
                                       Netzergänzende Maßnahme im
                                       Projekt 2. Stammstrecke                                                 Um die Münchner S-Bahn für die Zukunft zu
                                                                                                               rüsten und mehr Menschen zum Umstieg auf
      Bahnsteigertüchtigung für        Planungen in Vorbereitung; IBN         Bahnsteighöhenanpassung
      Regional-S-Bahnen                Ende 2026                              für Regional-S-Bahnen nach       den ÖPNV zu motivieren, braucht es zusätz-
                                                                              Buchloe und Landshut             liche Kapazitäten im Stammstreckenbereich
      Flughafen – Schwaigerloh         seit Juli 2015 im PFV; IBN Ende 2024   Erhöhung der Leistungsfähig-     der Münchner S-Bahn. Der 2. Stammstre-
      (Teil des Lückenschlusses                                               keit des Flughafenbahnhofs       ckentunnel, dessen Realisierung endgültig
      Flughafen – Erding)
                                                                                                               entschieden wurde, ist hierfür eine unver-
     TABELLE 1: Zusammenstellung netzergänzender Maßnahmen und weiterer Ausbauten im                           zichtbare Voraussetzung.
     Bereich Ringschluss Erding                                                                                   Die Trassenkapazität im Stammstreckenbe-

18         ETR  |  NOVEMBER  2017  |  NR. 11                                                                                            www.eurailpress.de/etr
BAYERN | S-Bahn München

BILD 5: Zusammenstellung netzergänzende Maßnahmen und weiterer Ausbauten im Bereich Ringschluss Erding

reich erhöht sich mit der Inbetriebnahme der 2. Stammstrecke von
heute 30 auf zukünftig 54 Züge pro Stunde und Richtung. Mit dem
hier vorgestellten Startkonzept verkehren in der Summe 36 Züge pro
Stunde und Richtung durch die Stammstrecken. Die noch freien Ka-
pazitäten verdeutlichen, dass die Entwicklung der S-Bahn München
noch nicht abgeschlossen ist. Über diese bereits laufenden Planun-
gen zu berichten, bedarf es eines gesonderten Artikels. ◀

Literatur
[1] DE-Consult: Machbarkeitsstudie München 21 im Auftrag von DB Netz AG, Bayerisches
    Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie sowie der Landeshauptstadt
    München, Oktober 2001
[2] Rey, G., Kutzner, F., Schneider, J.: Untersuchungen zu Angebot und Nachfrage für die
    S-Bahn München mit Zweiter Stammstrecke, in ETR 53 (2004), H. 3, S. 120 – 132
[3] ITP / SMA / SSF / GRE: Verbesserung der Schienenanbindung des Flughafens Münchens
    – Gutachten im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und
    Technologie, München, Januar 2010
[4] Scheller, A., Kutzner, F.: 2. Stammstrecke München Zentrales Element des Bahnknoten-
    Konzeptes, in ETR 05/2017
[5] ITP: Nutzen-Kosten-Untersuchung 2. S-Bahn-Stammstrecke München 2025 im Auftrag
    des MVV und der OBB, Abschlussbericht, Oktober 2016

 ▶ SUMMARY
 Second home line as precondition for another railway
 expansion project in the Munich area
 The planning procedure for the second home line of the Munich city
 tram started at the turn of the century and went through different
 optimization phases. Extensive investigations have resulted in the
 construction of a second home line, a necessary requirement to
 allow an appropriate development of the city rail and other public
 transport possibilities in the exploding European metropolitan area
 of Munich. While launching the second home line, the city rail offer
 can be increased by about 40 per cent. The new created capacities
 in the home line sector allow further improvements in the service
 offer which are currently being implemented.

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