Die Aktivierende Ressourcenkonfrontation als Interventionsmethode - Prof. Dr. Franz Hamburger zur Ansicht: Wissenschaftliche Arbeit gemäß 4 5 ...

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Prof. Dr. Franz Hamburger zur Ansicht:

Wissenschaftliche Arbeit
gemäß § 4 (5, e) der Promotionsordnung

Die Aktivierende
Ressourcenkonfrontation
als Interventionsmethode

von:
Stefan Werner

Bienengarten 18

55411 Bingen

                           Abgabetermin 07. Juni 2010
Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung .................................................................................................................. 4
1. Der aktuelle Stand der Forschung ................................................................................ 6
2. Konfrontative Pädagogik ............................................................................................. 7
2.1. Konfrontation .......................................................................................................... 7
2.1.1. Konfrontation als ritualisierte Folge von Handlungsschritten .................................... 10
2.1.1.1. Situationsbezogene Konfrontation ...................................................................... 10
2.1.1.2. Die curriculare Form der Konfrontation ............................................................... 11
2.2. Der Begriff der Konfrontativen Pädagogik ................................................................ 13
2.3. Das professionelle Selbstverständnis der konfrontativen Pädagogik ............................ 14
2.3.1. Das Selbstverständnis der konfrontativen Pädagogik .............................................. 14
2.3.2. Einordnung in bestehende Theorien ...................................................................... 16
2.3.3. Ziele der Konfrontativen Pädagogik....................................................................... 18
2.4. Kritik an der konfrontativer Methodik ....................................................................... 19
2.5. Weiterentwicklung der Konfrontativen Pädagogik ..................................................... 20
2.6. Untersuchungen zur Erweiterung der Konfrontativen Pädagogik ................................. 21
3. Empowerment - Verfahren ........................................................................................ 22
3.1. Empowerment - Begriff .......................................................................................... 22
3.2. Ressourcen ........................................................................................................... 23
3.2.1. Personale Ressourcen.......................................................................................... 23
3.2.1.1. Physische Ressourcen ....................................................................................... 24
3.2.1.2. Psychische Ressourcen ..................................................................................... 24
3.2.1.3. Kulturelle und symbolische Ressourcen .............................................................. 24
3.2.1.4. Relationale Ressourcen ..................................................................................... 24
3.2.2. Umweltressourcen............................................................................................... 25
3.2.2.1. Soziale Ressourcen ........................................................................................... 25
3.2.2.2. Ökonomische Ressourcen ................................................................................. 26
3.2.2.3. Ökologische Ressourcen ................................................................................... 26
3.2.2.4. Professionelle (Dienstleistungs-)Ressourcen........................................................ 26
3.3. Das Leitmotiv des Empowerment ............................................................................ 27
3.4. Die Ebenen des Empowerment ............................................................................... 27
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3.4.1. Die Ebene der Einzelhilfe zur Zukunftsgestaltung in der sozialen Arbeit .................... 28
3.4.2. Die Ebene der Einzelhilfe in der Therapie - der hypnosystemische Ansatz................. 33
3.4.2.1. Begriffserläuterung Hypnose und Trance ............................................................ 34
3.4.2.2. Hauptaussagen des hypnosystemischen Ansatzes ............................................... 35
3.4.2.2.1. Gehirneffektivität ........................................................................................... 35
3.4.2.2.2. Die Potentialhypothese .................................................................................. 36
3.4.2.2.3. Interventionen .............................................................................................. 38
3.4.2.2.4. Kompetenzfokussierende Fragetechniken ........................................................ 39
3.4.2.2.5. Das Utilisationsprinzip .................................................................................... 39
3.4.2.2.6. Anzuwendende Prinzipien der hypnosystemischen Therapie für die Aktivierende
Ressourcenkonfrontation............................................................................................... 40
3.5. Kritik..................................................................................................................... 41
3.6. Untersuchungen zur Erweiterung des Empowerment-Verfahrens................................ 41
4. Die Aktivierende Ressourcenkonfrontation als Interventionsmethode ............................ 42
4.1. Einführung in die Aktivierende Ressourcenkonfrontation ............................................ 42
4.2. Definition .............................................................................................................. 44
4.3. Kurz- und Langzeitintervention der Aktivierenden Ressourcenkonfrontation ................ 44
4.3.1. Kurzzeitintervention............................................................................................. 45
4.3.2. Langzeitintervention ............................................................................................ 46
4.3.3. Das Konfrontative ressourcenaktivierende Verhaltenstraining (KraVt-Programm) ...... 49
4.4. Vorteile der aktivierenden Ressourcenkonfrontation .................................................. 53
5. Untersuchungsgegenstand der Dissertation................................................................. 54
6. Fazit ........................................................................................................................ 55
7. Literaturangaben ...................................................................................................... 57
8. Eidesstattliche Erklärung ........................................................................................... 60

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0. Einleitung
Konfrontative Ansätze in der Pädagogik werden seit vielen Jahren als wirksame
Intervention bei deviantem und delinquentem Verhalten angesehen. Positive
Forschungsergebnisse bezüglich der konfrontativen Pädagogik zeigen deren
Wirksamkeit        (aktuelle     Zusammenfassung          unter      www.prof-jens-
weidner.de/Forschung). Grundsätzlich werden Konfrontationen als Gegenüberstellung
von Grundhaltungen angesehen. Sie finden statt, um Grenzüberschreitungen
parteilich und klar anzusprechen und um Integritätsverletzungen vorzubeugen, zu
verhindern und zu unterbrechen. Dabei werden Verantwortungsbereitschaft für und
Einsicht in das unangemessene Verhalten gefordert. Flankierend kann die
Wiedergutmachung       der    Grenzüberschreitung/Integritätsverletzung  erarbeitet
werden. Erst die Einsicht in und das Zeigen von dauerhaftem prosozialem Verhalten
macht den Einsatz von Methoden konfrontativer Pädagogik entbehrlich. Diese
Methode erfordert vom professionellen Helfer Verantwortungsbereitschaft und den
Fokus auf Entwicklung und Hilfestellung und nicht auf Strafe.

Da nur von konfrontativen Erziehungselementen gesprochen werden kann, wirken
Beziehungsaspekte und Ressourcenentwicklung als Unterbau dieser konfrontativen
Elemente. Konfrontative Pädagogik ohne diesen Unterbau kann nicht durchgeführt
werden, da diese ansonsten militärisch, autoritär-patriarchalisch oder, wie Kunstreich
(2003)    überspitzt   formuliert,    „psycho-terroristisch“     erscheinen    würde.
Dementsprechend kann die konfrontative Pädagogik nur als „Arbeitstitel dieser
pädagogischen Entwicklung“ (Weidner, 2004, 11) gesehen werden.

Konfrontative   Pädagogik    unterstützt  die  Erziehung     zur     prosozialen
Verantwortungsübernahme, indem die Normenperspektive eindringlich als Gebot der
Verhaltensanpassung dargestellt wird, indem sie die Einsicht in Unrecht und
Fehlverhalten, die Erzeugung von Schuldgefühlen sowie die Entwicklung von
moralischem Bewusstsein unterstützt.

Deswegen gilt es nach Kilb (2009, 67) „vom konfrontativen Handlungskontext
überzuleiten in ein Empowerment-Verfahren, in dem sich die pädagogische Rolle
nahezu völlig wandeln muss“, um diese Ziele erreichen zu können. Konfrontation als
Hilfestellung kann jedoch nur stattfinden, wenn bereits vor der Konfrontation der
notwendige Beziehungsaufbau stattgefunden hat und auch die Grundhaltung des
Pädagogen ressourcenaktivierend ist. Es muss also nicht erst übergeleitet werden in
ein Empowerment-Verfahren, sondern es sollte die ganze Zeit bereits aktiv sein. Ob
diese frühzeitige Ressourcenaktivierung den Zielen der Grenzsetzung und
Normenverdeutlichung entgegengesetzt wirkt und wie diese gestaltet werden kann,
ohne diesen Befürchtungen ausgesetzt zu sein, versucht diese Arbeit zu beleuchten.
Es gilt jedoch insgesamt, dass nach den Konfrontationen die Aufmerksamkeit der
Klienten verstärkt auf eine andere, zur Veränderung motivierende Haltung anzuregen
ist.
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In diesem Ressourcen aktivierenden Bereich, der dafür steht, die
Entwicklungspotentiale zur Mündigkeit zu fördern, sollen selbstverantwortliche
Tendenzen entwickelt werden, um Hoffnung und Zuversicht für den weiteren Verlauf
der persönlichen Entwicklung ebnen zu können. Diese Arbeitsansätze zeigen sich auf
ihrer Ebene ebenso erfolgreich (Herriger, 2010, Schmidt, 2008, 9f). Sie werden
überwiegend in der hypnotherapeutischen und systemischen Therapie, beim
Empowerment-Verfahren der Sozialen Arbeit und im schulischen Bereich, im
Coaching sowie im Mentaltraining angewandt. Ressourcen aktivierende Ansätze
gehen von einer „Potentialhypothese“ (Schmidt, 2008, 35ff.) aus, die alle
(zieldienlichen) Kompetenzen im Menschen veranlagt sieht. Nach Rogers Theorie der
Selbstheilung (1972) werden die Bedingungen zur Veränderung von den Helfenden
geschaffen, die Veränderung selbst führt der Klient herbei. Somit trägt jeder das
Potential zur Selbstverwirklichung und Selbstaktualisierung in sich. Nach den
Erkenntnissen der Autopoieseforschung (Maturana, 1982) und der modernen
Hirnforschung bestimmt „ein individuelles lebendes System sein Erleben völlig
autonom in seiner inneren, strukturdeterminierten Selbstorganisation“ (Schmidt,
2008, 9), was bedeutet, dass Einflüsse von Kontextbedingungen zwar wichtig sind,
aber niemand zu einem bestimmten Erleben gegen seinen Willen gezwungen werden
kann. Bei einem humanistischen Menschenbild versucht somit der Mensch selbst für
sich eine optimale Lebenssituation zu schaffen, die seiner Selbstorganisation
entspricht.

Dementsprechend sollten jugendliche Klienten zur eigenen Kompetenzbetrachtung
eingeladen werden, um daraufhin eine andere, wertschätzende Sichtweise von sich
einnehmen zu können. Dies kann als geeignete Grundlage zu persönlicher
Weiterentwicklung gesehen werden. Jedoch gelingt es einigen Jugendlichen nicht,
solchen Einladungen innerhalb des Empowerment zu folgen. Sie verstehen
wohlwollende Begegnungen manchmal nicht als lebensweltbezogen und entwickeln
Abwehr. Deswegen bedarf es auch in Empowerment-Verfahren einer
lebensweltbezogenen Ausrichtung, die in dieser Arbeit auch als konfrontativ
vorgestellt werden soll. Um den heutigen Erziehungsaufgaben im Bereich
abweichenden Verhaltens gerecht zu werden, erscheint es notwendig, als Helfender
eine klare, transparente Haltung gegenüber deviant/delinquentem Verhalten zu
formulieren. Zur Akzeptanz von Grenzen bedarf es oft konfrontative Elemente
genauso wie ressourcenaktivierende Unterstützung, um Hoffnung auf und
Veränderung selbst anzustoßen. Die Verknüpfungspotentiale beider Arbeitsansätze
sollen in dieser Arbeit vorgestellt werden. Es soll sich dabei speziell auf jugendliche
Klientel bezogen werden, da gerade sie in einer gefährdeten Entwicklungsepoche
leben. Klientel meint Jugendliche, die hilfsbedürftig sind, durch Delinquenz auffallen
und/oder Entwicklungsbedarf von professionellen Helfern erkennen lassen.

In Kapitel 1 wird der Stand der aktuellen Forschung dargestellt. Da diese
Interventionsmethode vom Autor neu entwickelt wurde, gibt es noch keine
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Untersuchungen zur Wirksamkeit der aktivierenden Ressourcenkonfrontation. Ebenso
ist dieser Text die erste Zusammenfassung einer theoretischen Begründung dieses
Ansatzes.

In Kapitel 2 und 3 werden der momentane Stand der Forschung bezüglich der
Konfrontativen Ansätze und der Empowerment-Verfahren dargestellt.

In Kapitel 4 wird zunächst der Interventionsansatz der aktivierenden
Ressourcenkonfrontation vorgestellt, wie er auf die Entwicklung intrinsischer
Motivation wirkt, um die Kompetenzen der Klienten zu fördern. Dazu wird sie als
Kurzinterventionsmethode und als längerfristiges Behandlungsangebot in Form eines
Sozialen Trainings (KraVt) dargestellt. Im weiteren Verlauf wird der Fragestellung
nachgegangen, welchen Nutzen die Interventionsmethode als Kurzzeit- und als
Langzeitintervention haben kann, um insbesondere die intrinsische Motivation von
Jugendlichen, die wenig motiviert erscheinen, zu entwickeln. Dabei soll auf die
Motivationslage junger Menschen eingegangen werden, um zu zeigen, für welche
Klientel dieser Ansatz besonders förderlich sein kann.

In Kapitel 5 wird die zu erläuternde Fragestellung der Dissertation formuliert und die
Untersuchungsmethodik angerissen. In Kapitel 6 erfolgt ein Fazit, wie die Methode
der aktivierenden Ressourcenkonfrontation einzuordnen ist.

1. Der aktuelle Stand der Forschung

Zu der hier zu untersuchenden Methode der aktivierenden Ressourcenkonfrontation
sind momentan keine Veröffentlichungen bekannt. Zu den jeweiligen einzelnen
Ansätzen der Konfrontativen Pädagogik und dem Empowerment-Ansätzen sind
bislang viele Veröffentlichungen und Wirksamkeitsstudien erschienen. Diese sollen im
weiteren Verlauf dargestellt werden.

Diese Aktivierende Ressourcenkonfrontation kann als neuartige Zusammenführung
zweier selbständiger Ansätze (Konfrontative Pädagogik und Empowerment-Ansätze)
gesehen werden, welche seit zwei Jahren in der praktischen Sozialen Arbeit vom
Autor angewandt wird. Da diese Methode noch nicht untersucht oder beschrieben
wurde, soll sich im Folgenden damit auseinandergesetzt werden, ob und wie sie
wirksam in der Sozialen Arbeit und in welchen Anwendungsfeldern bevorzugt
eingesetzt werden kann.

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2. Konfrontative Pädagogik

2.1. Konfrontation
Kilb (2009, 47) versteht Konfrontationen im erzieherischen Kontext „i.d.R. als
Handlungsaktion bzw. Handlungsform zwischen mindestens zwei Akteuren in einer
symmetrischen oder asymmetrischen Beziehung (Machtverhältnis). Hier sollen
sowohl das asymmetrische Verhältnis, legitimiert aus einer pädagogischen Position
heraus aber auch das symmetrische Verhältnis in erzieherischen Situationen mit eher
diffusen Machtverhältnissen betrachtet werden. Der konfrontierende Akteur fühlt sich
dabei entweder in einer moralischen Rechtsposition demjenigen gegenüber, den er
konfrontiert mit einer diesem zugeschriebenen unmoralischen Rechts- bzw.
Regelverletzung. Er/sie ist in einem asymmetrischen Verhältnis darüber hinaus in
einer Machtposition oder in einer übergeordneten Funktionsrolle, die ihn/sie zu einer
Konfrontation ermächtigt. Im letzteren Fall kann auch eine Legitimation durch den zu
konfrontierenden Akteur vorliegen. Konfrontation steht als Handlungsaktion meist in
einer Abfolgekette oder Schrittfolge eines meist größeren Handlungszusammenhangs
aus sukzessiv sich steigernden Interventionsimpulsen oder -schritten. Ihr
Interventionsstatus lässt sie häufig als ultima ratio am vorläufigen Ende einer solchen
Abfolge pädagogischer Reaktionsschritte erscheinen.“

Aus dem Lateinischen kommend bedeutet Konfrontation: Stirn an Stirn – im Sinne
einer Gegenüberstellung. Konfrontation im pädagogischen Kontext kann als
Gegenüberstellung von Grundhaltungen angesehen werden. Die Art und Weise der
Konfrontation muss sich, wie bei Kilb erkennbar, individuell und der Situation
entsprechend begründen. Da jeder Mensch unterschiedlich ist und keine Theorie den
Anspruch für sich besitzt, das Wesen des Menschen sowie die Kontextbedingungen
des Individuums auf eine allgemeingültige verbindliche Aussage zu definieren, muss
jeder pädagogische Ansatz sein Erziehungsziel begründen. Konfrontationen sollen
den Klienten zur Selbstverantwortung führen. Dementsprechend werden sie gezielt
im pädagogischen Prozess dafür eingesetzt und sollen somit nicht, wie von einigen
Kritikern in öffentlichen Erscheinungen proklamiert, als strafend angesehen werden.
Auch wenn eine solche Konfrontation als unangenehm für sämtliche Beteiligten
empfunden wird, weil sie in der Regel emotional, intervenierend, reflektierend,
parteiisch und beurteilend ist, besitzt sie entwicklungsfördernden Charakter. Es
können neben der Grenzsetzung dabei auch Inkongruenzen (Grawe, 2004),
vorhandene Schemata (Damm, 2010) bzw. persönliche Legitimations- oder
„Bewältigungsmuster“ (vgl. Böhnisch, 2001) der Klienten von den Pädagogen
reflektiert werden.

Deshalb müssen Konfrontationen dem Menschen und der Situation angemessen
erfolgen, d.h. sie müssen in jeder Situation an strengen ethischen Maßstäben wieder
neu ermessen und überprüft werden, ob sie für diesen Menschen und dieser

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Situation als angemessene Intervention gelten können. Diese ständige
Auseinandersetzung        des        Professionellen    zur       konfrontativen
Interventionsberechtigung erfordert vom ihm ein hohes Maß an Verantwortung, um
diese Methode nicht für sich selbst und für den Zweck der Bemächtigung zu
missbrauchen.

Dafür ist die Fragestellung zu diskutieren: Was oder wer gibt uns den Auftrag,
einzugreifen    und    zu    konfrontieren?     Ausschlaggebend     ist  dabei    die
Interventionsberechtigung, die einerseits vom Klienten mit dem Professionellen
gemeinsam bestimmt werden muss (Regeln), die sich aus den gesellschaftlichen
Werten und Normen im Makro- (Menschenwürde) bzw. von den institutionellen
Werten und Normen im Mikrobereich definiert. Andererseits definieren sich
Interventionsberechtigungen aus dem gesellschaftlichen Verantwortungsbereich,
andere Menschen zu schützen, wenn deren Integrität verletzt wird oder verletzt
werden soll. Kilb (2009, 46) sieht ebenfalls die Sinnhaftigkeit und das Gelingen der
konfrontativen Methodik in einem Zusammenhang zum vorherrschenden normativen
Bezug: „Der entsprechende normative Maßstab oder Korridor orientiert sich einerseits
an den Grund- und Menschenrechten; darüber hinaus definieren institutionelle oder
über einen demokratischen Prozess gemeinsam generierte Interaktionsregeln die
‚normative Mitte„ als auch die Grenzen. Diese (…) Interaktionskultur ist als
‚gemeinsame Geschäftsbasis„ den situativ-individuellen Verhaltensbedürfnissen
übergeordnet.“ So legitimiert sich die Interventionsberechtigung zur Konfrontation an
einem gemeinsamen „normativen Agreement“ (Kilb,              2009, 48), z.B. in der
Zustimmung zur Einhaltung gemeinsam aufgestellter Regeln bzw. durch einen von
beiden Seiten unterschriebenen Teilnahmevertrag, der bei Regelverletzung die
Erlaubnis zu Konfrontation gewährleistet. Der Klient würde in diesem Fall mit seinen
Regelverletzungen konfrontiert werden. Natürlich könnte dem Regelverletzenden sein
Verhalten auch ohne Konfrontation erläutert werden. Es muss in jeder Situation
ermessen und überprüft werden, welche Interventionstechnik wirksam und
angemessen ist und ob die Konfrontation für diesen Menschen und dieser Situation
als entsprechende Intervention gelten könnte.

Kilb (ebd.) sieht es so, dass „insbesondere der reintegrative Aspekt unter
erziehungsphilosophischen Gesichtspunkten die Schärfe und Intensität dieser
Methodik legitimiert, selbst in einem demokratisch-partizipativen Gesamtrahmen. Die
Alternative hierzu stellt sich in vermutlich sehr viel repressiver ausfallenden späteren
Reaktionen      und      entsprechend      fortgeschrittenen     Desintegrations-    und
Exklusionsfolgen dar“ (ebd.).

Die Art und Weise der Intervention obliegt auch den Erfahrungen des Professionellen
im Umgang mit seiner Klientel und der entsprechenden Situation, das erlebte
Fehlverhalten deutlich werden zu lassen.

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Interventionsberechtigungen vom Klienten können somit einerseits Zustimmungen
sein, die sich aus dem pädagogischen Bezug (Nohl, 1927) oder der vorher
eingeforderten Erlaubnis des Klienten legitimieren. Andererseits bestimmen sich die
Interventionsberechtigungen       aus      anstehenden       oder      ausgeführten
Integritätsverletzungen oder Grenzüberschreitungen.

Grenzziehung und Konfrontation können in unterschiedlichen didaktischen Versionen
praktiziert werden. Grenzziehung ist also einer der zentralen Eckpunkte einer
konfrontativen Pädagogik. Flitner (2009, 105ff) betont drei zentrale Bereiche, die die
Grenzziehung zwingend notwendig machen, auch gegen den Willen der Agierenden:

1. Grenzen sind dort zu ziehen, wo dem Kind eindeutig Gefahren drohen.

2. Grenzziehung ist dort nötig, wo ohne solche Grenzen Menschen verletzt, geplagt,
gekränkt würden.

3. Es gibt Grenzen, die das gemeinschaftliche Leben, die gemeinsame Sitte,
gemeinsame Dinge und Geräte erfordern. Dazu gehört auch die (eigene)
Belastbarkeit.

Kilb (2009, 46) beschreibt den notwendigen gesetzlichen Rahmen konfrontierender
Arrangements in der Sozialpädagogik oder im schulischen Bereich: „Sie legitimieren
sich gesetzlich in der in SGB VIII beschriebenen jugendhilfespezifischen
Aufgabenvielfalt. Im Gesetz geht es dabei einerseits um sozialpädagogische
Förderung (§§ 11 ff.) und Hilfen (§§ 27 ff.), die den Status sozialer (Dienst-)
Leistungen besitzen, aber genauso auch um die Wahrnehmungen des staatlichen
Wächteramtes bei Kindeswohlverletzungen (§ 1, Abs. 2 SGB VIII/ Art. 6 Abs. 2 GG),
mit Eingriffsmöglichkeiten insbesondere ins Elternrecht (§§ 42,43, 50 Abs. 3 SGB
VIII), bei Überschreitung der Gefährdungsschwelle (§ 1666 BGB) oder auch um
richterliche Anordnungen (§ 71 Abs.2 SGB VIII/ § 72 Abs. 4 JGG).“

Zusammenfassend kann mit Kilbs Worten (2009, 45f.) Konfrontation im
grenzsetzenden Bereich als „eine von zahlreichen Interventionsformen angesehen
werden, hinter der die entschiedene Haltung des/der intervenierenden Pädagogen
steht, entweder eine Störung sozial-kommunikativer Gruppenbezüge, Verletzungen
individueller Freiheitsrechte oder der Unversehrtheit anderer Personen nicht zu
akzeptieren, steht.“ „Eine von zwei wichtigen Voraussetzungen für eine
Konfrontation“, so unterstützt Weidner, „ist die Interventionserlaubnis der konkret
Betroffenen sowie der sich aus der gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme zur
Einhaltung unserer erarbeitenden Werte und Normen ergebende Auftrag. Die zweite
Voraussetzung ist der davor oder damit initiierte Beziehungsaufbau zum
Konfrontierenden, da nur auf der Grundlage einer von Respekt und bestmöglich auch
von Sympathie geprägten Beziehung Konfrontation ermöglicht“ (vgl. Jens Weidner,
in: Unsere Jugend, Heft 4/2004).

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2.1.1.  Konfrontation                als       ritualisierte        Folge        von
Handlungsschritten

Pädagogisch gelungene Konfrontationen beginnen anfangs autoritär, sind aber
danach durch einen demokratisch-partizipativ orientierten Stil zu ersetzen, der helfen
soll, die Konfrontation als Hilfestellung ansehen zu können. Dementsprechend sind
die Konfrontationen so auszurichten, dass der Konfrontierte wahrnehmen kann, dass
es um seine Entwicklung und den Schutz der Integrität anderer geht.

In den pädagogischen Kontextbezügen existieren ganz verschiedene Konfrontations-
formen, die einerseits aus situativen Motiven als pädagogische Handlungsformen,
aber auch als curricularer Baustein wie im AAT durchgeführt werden.

2.1.1.1. Situationsbezogene Konfrontation

Alternativ zu der curricularen Form bietet sich im pädagogischen Setting mit
deutlichen Grenzziehungen oder aber einer klar umrissenen Regelungsstruktur die
Konfrontation als situationsbezogen ritualisierte Reaktionsweise an. Sie ist auch hier
möglichst nah am Zeitpunkt der Regelverletzung zu platzieren. Dadurch soll eine
Entfremdung durch zwischenzeitliche Distanzbildung des Verletzenden von seiner
Aktion und den betroffenen Personen verhindert werden. Vieles spricht dabei für ein
ritualisiertes und für alle transparentes und gleiches Verfahren im Umgang mit
Regelverletzungen. Ritualisierung bedeutet, dass es in einem institutionskulturell
spezifischen Rahmen eine, an der jeweiligen Regelverletzung orientierte, Abfolge
spezifischer personeller Reaktionsmuster, institutioneller Maßnahmen und auch
Sanktionen gibt. Solche reaktiven Schritte sollten transparent, einheitlich und
miteinander abgestimmt, mit den Klienten abgesprochen und für diese
nachvollziehbar sein.

Level der Konfrontation (Grissom/Dubnov, 1989, 53), wie sie bspw. in der Glen-Mills-
School angewandt werden:

1. Level: freundliches körpersprachliches Aufmerksam-Machen auf den Regelverstoß
   (friendly-nonverbal);
2. Level: ernsteres Wiederholen der Geste (concerned-nonverbal);
3. Level: freundliche verbale Ermahnung (friendly-verbal);
4. Level: eine entschiedene verbale Ermahnung (concerned-verbal);
5. Level: ultimative, durch weitere hinzukommende Personen unterstützte
   Aufforderung (support);
6. Level: leichte körperliche Intervention durch eine Person in Situationen, in denen
   die Gefahr einer Verletzung oder Bedrohung Dritter nicht ausgeschlossen werden
   kann (touch for attention);
7. Level: entschiedene körperliche Intervention (gestützt durch hinzugeholte
   Personen) und Festhalten bis zur Beruhigung (physical restraint).
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Konfrontation lässt sich als spontanes Interventionsverhalten im erzieherischen
Kontext definieren, um auf Grenz- oder Normverletzungen durch Gegenübertreten
oder Gegenüberstellung zu reagieren. Auch hierbei kommt es auf die
Angemessenheit des konfrontierenden Verhaltens an.

2.1.1.2. Die curriculare Form der Konfrontation
Das tertiärpräventive Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) ist die bedeutendste
längerfristig konfrontierende Methode. Das AAT und sekundärpräventives Coolness-
Training (CT) basieren beide auf einem lerntheoretisch-kognitiven Paradigma. Das
AAT umfasst die folgenden curricularen Bausteine:

   die Anamnese und Bearbeitung der Aggressionsauslöser,
   die Kosten-Nutzen-Kalkulation aggressiven Verhaltens,
   die Differenz zwischen idealem Selbstbild und Real-Selbst,
   die Entlarvung der genutzten Neutralisierungstechniken, um Verantwortung der
   begangenen Taten einzufordern,
   die eigentliche Konfrontation mit der Tat, der Regelverletzung und der hiervon
   betroffenen Opferperspektive (meist durch den Heißen Stuhl),
   die zur Desensibilisierung dienenden Provokationstests,
   das Kompetenztraining,
   die Verabschiedung von der subkulturellen Peergroup
   und die Nachbetreuung, Auswertung und gemeinsame Reflexion.

Die konfrontativen Aspekte konzentrieren sich auf den konkreten Umgang in
Konfliktsituationen, etwa im Rahmen von individuellen Provokationstests oder bei der
Analyse von Aggressivitäts-Auslösern (angelehnt an die systematische
Desensibilisierung), wobei den Teilnehmern des Kurses die Konfrontation in Form
eines Deeskalationstrainings oder der didaktischen Dramaturgie eines life-act-
Rollenspiels inszeniert wird, um ihre Handlungskompetenzen unter fast realen
Bedingungen für spezielle Konfliktsituationen zu überprüfen und sie, falls
unangemessen, zu erweitern.

Beim Heißen Stuhl wird ebenfalls standardisiert konfrontiert, wobei die Reihenfolge
der verschiedenen Ablaufformen flexibel und nach den jeweiligen Bedingungen
flexibel zu gestalten ist. Wichtig vor Beginn des Heißen Stuhls ist dessen gründliche
Vorbereitung. Hier geht es um die genaue Planung, welche Themen bearbeitet und
welche Ziele bei der konfrontativen Behandlung erreicht werden sollen.
Dementsprechend soll vor dem ersten Heißen Stuhl die Schulung der Teamer und
Teilnehmer verstärkt werden. Es sollen vor der Durchführung des Heißen Stuhles
bestimmte Schritte eingehalten werden:

1. Die Teilnehmer benötigen klare Anweisungen zur Durchführung des Heißen
Stuhles und sollen ihre Sicht des zu Behandelnden, dessen Themen und die

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entsprechenden Vorschläge zur Vorgehensweise einbringen. Dies erfordert vom
zuständigen Trainer eine sorgfältige Vorbereitung des folgenden Heißen Stuhles, um
dessen Planung professionell anleiten zu können.

Das strukturelle Vorgehen beim Heißen Stuhl umfasst

1. Eine Einstimmung oder eine Einführungsübung zum Heißen Stuhl. Dies ist in der
   Regel eine Vertrauensübung, wie „Sich-Fallen-Lassen“.

2. Kurzinterview des Teilnehmers, um ihn gedanklich und emotional auf den Heißen
   Stuhl einzustimmen. Hierbei wird besonders der Veränderungswille des
   Teilnehmers geklärt, seine Motivation zur Veränderung. Dementsprechend kann
   der Heiße Stuhl vorbereitet und durchgeführt, sowie die Intensität der
   Konfrontationen bestimmt werden.

3. Herausschicken des Teilnehmers aus dem Raum und Besprechung der Strategie
   des Heißen Stuhls mit sonstigen Anwesenden. Dabei werden besondere
   Inszenierungsmethoden kreiert, um eine Emotionalisierung oder eine Zuspitzung
   der zu bearbeitenden Hauptthemen des Probanden zu fokussieren, eine mögliche
   Antagonisten-Rolle herauszuarbeiten, die Sitzstruktur, den Einstieg ins Thema, die
   Methodik und mögliche Kommunikationszeichen oder Absprachen zur Intervention
   oder spontanen Ablaufgestaltung festzulegen. Besonders wichtig ist dabei die
   gründliche Vorbereitung der folgenenden Themen, die auf dem Heißen Stuhl
   behandelt bzw. punktuell konfrontiert werden:

      Tatrekonstruktion (Auseinandersetzung mit der eigenen Tat ohne
      Beschönigungs- oder Verleugnungstendenzen)
      Entwicklung von Opferempathie, um die eigenen Rechtfertigungen und den
      Nutzen von Gewalt zu relativieren. Es sollen Gefühle, wie Scham oder Ekel zu
      den eigenen Handlungen erzeugt werden, um den Wandel der eigenen
      Einstellungen zu entwickeln.
      Herausarbeiten der ausgebildeten Schemata, um diese bei den Gewalttätern
      zu klären, zu hinterfragen und daraufhin entsprechende pädagogische Ziele zu
      formulieren (Damm, 2010).
      Motive der Gewaltausübung klären. Es soll abgeklärt werden, welchen Nutzen
      und welche Vorteile der Gewalttäter durch seine Taten erzielt. Dabei ist auf
      die Konsistenz von Bedürfnissen und entsprechend ausgewählten
      Verhaltensweisen einzugehen (vgl. Grawe, 2004).
      Tätertypanalyse
      Normen verdeutlichen und Akzeptanz dafür einfordern.
      Zielentwicklung, was der Teilnehmer für sich verändern und entwickeln
      möchte.
      Ressourcenarbeit in Form von Ressourcenaktivierung oder aktivierender
      Ressourcenkonfrontation.

                                                                                  12
Beendigung des heißen Stuhls mit Applaus.
      Anschließende Reflexion des Heißen Stuhls durch Feedback oder Sharing.
      Aufgaben zur Zielerreichung übertragen.

Bei dieser inszenierten Konfrontation innerhalb des Heißen Stuhls übernehmen die
Pädagogen, Tutoren und die anderen Teilnehmer des Kurses die Funktion des
Advocatus Diaboli.

Die Intensität der Konfrontation hängt von der Einsicht und                     der
Veränderungsbereitschaft, der Schwere der Regelverletzung sowie                 der
Reflexionsbereitschaft des zu Konfrontierenden ab. Dafür ist immer              das
Einverständnis des Betroffenen bzw. dessen Sorgeberechtigter Voraussetzung,     was
vorher vertraglich festgelegt wird.

2.2. Der Begriff der Konfrontativen Pädagogik

Konfrontative Ansätze sozialpädagogischen und pädagogischen Arbeitens sind in
diesen Bezügen in nahezu sämtlichen Handlungsfeldern so präsent, dass man davon
ausgehen kann, dass sich eine neue Balance zwischen akzeptierend-verstehenden
und grenzsetzend-konfrontativen Stil- und Handlungselementen entwickelt hat.
Dieser Einzug konfrontativer Arbeitsformen wie etwa des AAT, des CT, konfrontativer
Sozialer     Trainingskurse    oder     konfrontativer    Kurzinterventionen      im
Interventionsmethodenkoffer zeigen, dass inzwischen viele Fachkräfte diese im
sozialen, psychologischen und schulischen Bereich in ihren Arbeitsbereich einfließen
lassen. Viele deutsche Hochschulen bieten dazu eine theoretische Lehre an und
arbeiten an der Zuordnung konfrontativer Methodik zur sozialen Arbeit und zur
Pädagogik. Es gilt, diesen Ansatz pädagogisch zu verorten und für die momentanen
pädagogischen Anforderungen weiter zu legitimieren.

Der Begriff der konfrontativen Pädagogik steht ausdrücklich nicht für eine in sich
geschlossene pädagogische Theorie, sondern bezeichnet einen pädagogischen
Handlungsstil, eine Methodik im Kontext eines auf Demokratie und auf Förderung
von Selbstverantwortung des Klienten zielenden erzieherischen Prinzips (vgl. Kilb,
2009, 45f.). Konfrontative Pädagogik kann dementsprechend nur als „Arbeitstitel
dieser pädagogischen Entwicklung“ (Weidner, 2004, 11) gesehen werden. Da nur
von konfrontativen Erziehungselementen gesprochen werden kann, wirken
Beziehungsaspekte und Ressourcenentwicklung als Unterbau dieser konfrontativen
Elemente.

Die konfrontative Pädagogik ist besonders geprägt durch die kognitionspsychologisch
orientierte, konfrontative Therapie von Corsini (1994, 555ff.). Die konfrontative
Therapie strebt einen schlagartigen und schnellen Erkenntnisgewinn des Menschen
an und ist methodisch orientiert an Perls ‚hot seat„ und Morenos ‚Hinter-dem-
Rücken-Technik„, wo der Klient sein abweichendes Verhalten erklären            und

                                                                                 13
rechtfertigen muss. Die Angst der Professionellen, dass Jugendliche
zusammenbrechen, wenn Fachkräfte diese Methode anwenden, kommentiert Farrelly
(1994, 961) in Bezug auf Mehrfachauffällige: „Die psychische Fragilität von Klienten
wird sowohl von ihnen selbst als auch von anderen weit überschätzt."

Zusammenfassend favorisiert die Konfrontative Pädagogik folgenden Leitsatz:
Professionelle der Sozialen Arbeit sollten pädagogisch (nicht polizeilich/ juristisch)
auf Kleinigkeiten reagieren, damit Großes erst gar nicht passieren kann, denn gerade
die kleinen Auseinandersetzungen sind Erfolg versprechend auflösbar und derart
beziehungsfördernd, dass sie eine gute Basis zur Lösung auch großer Konflikte
darstellen.

2.3. Das professionelle Selbstverständnis der konfrontativen
Pädagogik

2.3.1. Das Selbstverständnis der konfrontativen Pädagogik
Um wirksame Veränderungen bei schwierigen Klienten zu erreichen, helfen die
Steigerung der Reizintensität und der Reizdauer sowie insbesondere eine gezielte
Lenkung der Aufmerksamkeit auf ressourcenorientierte Prozesse (Grawe, 2004, 125).
Durch die konfrontative Pädagogik wird die Steigerung der Reizintensität und der
Reizdauer gewährleistet.

Das Selbstverständnis sozialpädagogischen Handelns besteht jedoch nach Weidner
(2001,14f.), „basierend auf Nohls (1927) ,pädagogischem Ethos`, angetrieben von
Mollenhauers (1964:97f.) ‚schützen, pflegen, beraten`, immer auf der Suche nach
Thierschs (1987:1008) ‚gelingenderem Alltag`“ darin, dass die Professionellen der
Sozialen Arbeit versuchen, ihre Jugendlichen nicht-stigmatisierend ernst zu nehmen,
sie auszuhalten, zu teilen, den Alltag zu strukturieren, aufzuklären und die
Lebenswelt der Betroffenen zu verbessern“. Weidner fragt provokant, nach was die
ca. 9% der abweichenden Jugendlichen, welche für die Hälfte aller Straftaten
verantwortlich sind und bei denen man fast von erziehungsresistenten
Persönlichkeiten sprechen kann, erzogen werden sollen. Diese meist männlichen
Jugendlichen haben größtenteils keine Veränderungsmotivation, da sie gewisse
kurzfristige Vorteile aus ihrem Verhalten ableiten können. Ein Veränderungswille ist
erst ungefähr ab dem zwanzigsten Lebensjahr sichtbar, wenn die Erwachsenenreife
einsetzt. Er sieht für diese Klienten die o.g. Ansätze nicht angemessen oder nur
begleitend und definiert somit das Selbstverständnis der konfrontativen Pädagogik
für dieses Klientel (ebd.). Inzwischen hat sich die konfrontative Pädagogik, aus dem
Fehlen notwendiger alltagstauglicher pädagogischer Interventionen oder im Umgang
mit Störungen, eine Berechtigung auch in anderen pädagogischen Handlungsfeldern
erobert.

                                                                                   14
Um diesen jugendtypischen Episodencharakter von Gewalt nicht abwarten und damit
Gewaltopfer billigend in Kauf nehmen zu müssen, ist es zwingend notwendig, mit
entsprechenden      Methoden,     diesen    Jahrtausende    alten   Kreislauf der
Jugendauffälligkeit zu unterbrechen. Eine dieser inzwischen bewährten Methoden ist
die Konfrontative Pädagogik. Ihre Wirksamkeit lässt sich durch Untersuchungen im
curricularen Bereich (AAT) belegen. So wurden von 134 konfrontativ behandelten
Klienten ca. 2/3 der Personen nicht mehr einschlägig rückfällig (vgl. Ohlemacher,
2001, Feuerhelm, 2007). Weiterhin ergab die Auswertung von standardisierten
psychologischen Fragebögen zur Erhebung von Aggressivitätsfaktoren (FAF) in Prä-
und Post-Tests eine deutliche Verbesserung in der Erregbarkeit und dem
Aggressivitätsabbau     sowie    eine    geringfügige     Verbesserung     in der
Aggressionshemmung (vgl. Wolters, 1992, Brand, 1999). Dies bestätigen auch die
Ergebnisse von Schanzenbächer (2003, 263), die ebenso nachweisen, dass es sich
beim Anti-Aggressivitäts-Training um „eine wirkungsvolle Methode im Umgang mit
aggressiven Gewalttätern“ handelt.

Sind es jedoch allein die Mehrfachauffälligen, die eine konfrontative Pädagogik
benötigen? Neben den Institutionen des Strafvollzugs besteht auch in Schulen
(besonders in Hauptschulen und Berufsschulen und da besonders das BVJ und
überwiegend männlich besetzte Ausbildungsklassen), in Heimen der Kinder- und
Jugenderziehung,       in   Kindertagesstätten   und      Jugendzentren      enormer
Handlungsbedarf, da dort die Schüler, Klienten oder Besucher teilweise durch
massive Störungen – ohne Vorliegen vielfältiger Straftaten – auffallen. Dabei handelt
es sich in vielen Klassen, Gruppen oder in ganzen Stadtteilen nicht nur um Einzelne,
sondern es kann davon gesprochen werden, dass Einzelne die gesamte Normen- und
Wertekultur so negativ beeinflussen, dass auch Pädagogen, Justiz und Polizei ratlos
sind. Hiermit ist gemeint, dass es bspw. zwei oder drei Schüler einer
Berufsschulklasse oder Mitbewohner einer Jugendwohngruppe schaffen, eine ganze
Klasse oder eine Heimgruppe oder sogar eine Jugendgang des Stadtteils durch ihre
subkulturellen Wertvorstellungen und ihre Verhaltensabweichungen zu beeinflussen,
die Normen der entwickelten Leitbilder bloßzustellen um dafür ihre Normen und
Wertvorstellungen als „Gesetze der Klasse, der Gruppe oder sogar des Stadtteils“ zu
etablieren.

Es geht also, wie Weidner (2001, 14) es formuliert, nicht um „strafen oder behandeln
oder begleiten“, sondern es geht durch die „Komplexität von Erziehungsprozessen“
um „begleiten und behandeln sowie Grenzziehung“. Überspitzt ausgedrückt bedürfen
die neuen Anforderungen der gesellschaftlichen Situation sogar mehr als Weidners
Empfehlungen. Die Erfahrungen vieler Praktiker zeigen inzwischen, dass Erziehung
erst wieder möglich gemacht und die Möglichkeit zur Herstellung eines
pädagogischen Zugangs geleistet werden muss. Betrachtet man die Fehlzeiten in
Schulen, die Abbrüche von Schul- und Berufsausbildungen, die nicht aufhörenden
Übergriffe im (sozial-)pädagogischen Alltag sowie den Burn-Out von Lehrern und
                                                                                  15
Berufstätigen in sozialen Kontexten, so muss kritisch nachgefragt werden, welche
Konzepte oder Erziehungsmethoden wirksam sind und welche weniger.

2.3.2. Einordnung in bestehende Theorien
Kilb versucht, die konfrontativen Ansätze einerseits innerhalb der kompensatorischen
Erziehung und andererseits innerhalb der Lebensweltorientierung (Thiersch, 1992)
einzuordnen.

Kompensatorische Erziehung kann weitgefasst zum Ziel haben, „fehlende oder
unzureichend entwickelte Verhaltens- und Erlebensmuster anzubahnen, zu fördern,
auszugleichen bzw. durch andere zu ersetzen…“ (Vernooij, 2005, 81).
Kompensatorische Erziehung bezieht sich weitgehend auf die frühe vorschulische
Förderung von Kindern, die aufgrund „wenig förderlicher Sozialisationsbedingungen
vermutete oder tatsächliche Defizite in ihrer Gesamtentwicklung, ihrer Lernfähigkeit,
in ihrer Sprachentwicklung sowie in ihrem sozialen Verhalten haben oder haben
können. Ziel ist es, diesen Kindern Chancengleichheit zu ermöglichen“ (ebd.).

Kilb zielt hier überwiegend auf die Steigerung sozialer Kompetenzen ab. Somit stellt
ein konfrontativer pädagogischer Stil ein Element einer kompensierenden Förderung
sozialer Kompetenzen dar. Dadurch soll ein Anpassungsprozess an die bestehenden
Normen gelingen bzw. erleichtert werden. Die Konfrontative Pädagogik soll ebenso
Lernmöglichkeiten bieten, um die Motivation zum Erlangen individueller Fähigkeiten
und sozialer Kompetenzen zu erhöhen. Parallel hierzu sollte sich bei Bedarf ein
Prozess der Entstigmatisierung entwickeln können, um die zugewiesenen
Etikettierungen ablegen zu können. Inwieweit dies gelingt, soll in der Dissertation
untersucht werden.

Ein weiterer theoretischer Bezugspunkt liegt in Thierschs Konzept einer
lebensweltorientierten Sozialen Arbeit. Die darin enthaltene „Hilfe zur Selbsthilfe“
muss so ansetzen, „dass sie ihren Ausgang in den gegebenen Struktur-, Verständnis-
und Handlungsmustern nimmt“ (Thiersch, 1992, 23).

Die Lebensweltorientierung basiert auf drei Hauptaussagen, welche Kilb (2009, 68ff)
nutzt, um die konfrontativen Ansätze lebensweltorientiert darzustellen:

1. Die Lebensweltorientierung soll an den bestehenden Ausgangsbedingungen
ansetzen und diese in den Hilfeprozess mit einschließen, insbesondere die damit
verbundenen Ressourcen sowie persönlichen und gruppenbezogenen Kompetenzen.

Das Konfrontative Prinzip setzt nach Kilb (ebd.) in der Form seiner Kommunikation
genau an den häufig hierarchisch akzentuierten, aggressiven und auch partiell
repressiven Kommunikations- und Aktionsformen der Betroffenen an, nimmt deren
kulturell-soziale Handlungsmuster mit in das Curriculum auf, ergänzt diese aber
durch zusätzliche Module mit reflexiven, verständnisbezogenen und empathie-

                                                                                  16
orientierten Zielen. Es vollzieht sich somit im Verlaufe des Curriculums auch ein
langsamer paradigmatischer Transfer.

Wird an den bestehenden Ausgangsbedingungen der Klienten angesetzt, um diese in
den Hilfeprozess ressourcenaktivierend mit einzubinden, dann kann besonders das
Utilisationsprinzip (vgl. Erickson u. Rossi, 1981) angewandt werden, um die Stärken
und Kompetenzen selbst in den anfangs noch bewusst vorhandenen Schwächen und
Defiziten der Ausgangsbedingungen zu nutzen. Das Utilisationsprinzip wird im Kapitel
3.4.2.2.5. genauer erläutert werden. Dieses Prinzip macht sich die Aktivierende
Ressourcenkonfrontation nutzbar.

2. Die Lebensweltorientierung beinhaltet die Aushandlung von Zielvorstellungen und
kulturell-normativen Orientierungslinien.

Der konfrontative Erziehungsstil verlangt ständige Aushandlungsprozesse zwischen
den     Beteiligten  und     regt    somit    auch    die    Kommunikations-     und
Aushandlungsbereitschaft über Normen, Werte und abweichendes Verhalten an. Kilbs
Ansicht müsste in diesem Sinne noch erweitert werden, da er dies nicht auf den
Heißen Stuhl bezieht. Aber auch dort ist das Aushandeln von Zielvorstellungen und
kulturell-normativen Orientierungslinien der Status quo. Auf dem Heißen Stuhl finden
keine belehrenden Monologe oder autoritäre Disziplinierungen statt, sondern es geht
um das Aushandeln von neuen normativen Vorstellungen im Leben des
Konfrontierten. Gerade die später vorgestellte Aktivierende Ressourcenkonfrontation
soll das Aushandeln von Zielvorstellungen in den Mittelpunkt dieser Intervention
rücken.

3. Im Sinne von Empowerment soll die Lebensweltorientierung die Betroffenen in die
Lage einer selbst organisierten Hilfemöglichkeit hin vermitteln.

Der Aspekt der Selbsthilfe, so Kilb (ebd.), hat seiner Meinung nach während des
Trainingsverlaufs kaum eine Bedeutung, da das Selbsthilfeprinzip auf einer primären
Motivationslage aufbaut. So habe das Training selbst oder auch die konfrontierende
Haltung eher eine vorbereitende Wirkung, um anschließend günstigere Bedingungen
entwickelt zu haben, sich selbst helfen zu können. Dagegen muss allerdings
eingewandt werden, dass primäre Motivationslagen der Teilnehmer oft schon zum
Anfang dieser Trainingskurse vorliegen und daher die Aspekte der Selbsthilfe schon
in vorderen Teilen des AATs angewandt werden können. Dementsprechend muss
Kilb widersprochen werden, wenn er davon schreibt, dass eine pädagogische Haltung
im Sinne von Empowerment unbedingt eine Option am Ende eines konfrontativen
Trainings bleiben sollte, um nicht als inkonsequentes Verhalten am Anfang eines
Trainings interpretiert werden zu können. Kilb spricht vom „paradigmatischen
Wechsel“ (ebd.) von konfrontativen zu Empowermentbezügen. Jedoch sollten alle
Sequenzen des AATs vom Empowerment beeinflusst werden, um individuell auf die
Bedürfnisse und Anforderungen der Klienten eingehen zu können und auch, um die

                                                                                 17
Bereitschaft zur Hilfestellung zu signalisieren. Sollten nach Kilb Bedenken bestehen,
dass Ressourcen aktivierende Bezüge die Autorität des Trainers in Frage stellen
könnten, gäbe es die Möglichkeit, die Aktivierende Ressourcenkonfrontation in dieses
Setting einfließen zu lassen, so dass der konfrontative Charakter durchgehend
erhalten bleibt. Selbst am Ende des Heißen Stuhls soll diese neue
Empowermentmethode für den Betroffenen als Hoffnungsressource zu einer selbst
organisierten Hilfemöglichkeit wirken. Dementsprechend sollte die Beschreibung des
AATs vom rein defizitorientierten sozialen Training umdefiniert werden zu einem in
der Tatkonfrontation, der Grenzüberschreitung und dem Schutz vor
Integritätsverletzungen defizitorientierten und verhaltensklärenden Einschreiten.
Ansonsten hat der konfrontative Ansatz von seinem humanistischen Menschenbild
(Ich schätze dich, verurteile aber dein destruktives Verhalten.) sich sehr stark
ressourcenorientiert verändert. Dies wird von vielen Praktikern auch ohne Aufnahme
in die, eigens zur Abgrenzung gegen unseriöse Behandlungsansätze entwickelten,
Qualitätsstandards und ohne interne Veränderung der curricularen Eckpfeiler des
AATs inzwischen durchgeführt.

Am Ende dieser Arbeit soll festgestellt werden, dass Konfrontationen im Sinne der
Aktivierenden Ressourcenkonfrontation den Sinn des Empowerment vermitteln, so
dass die Betroffenen hierdurch zu einer selbst organisierten Hilfemöglichkeit motiviert
werden können.

Wird die Aktivierende Ressourcenkonfrontation in die Konfrontationsmethodik
integriert (in die Kurzeit- sowie in die curriculare Form), sollte der der Begriff der
Defizitorientierung nur noch für die Tat- und Täterkonfrontation benutzt werden.
Dementsprechend würde die Konfrontative Pädagogik sich in ihrer Anwendungs-
möglichkeit bis hin zu den Empowerment-Ansätzen erweitern.

2.3.3. Ziele der Konfrontativen Pädagogik
Konfrontative Pädagogik arbeitet mit explizit formulierten Erziehungszielen, die die
Einstellungs- und Verhaltensänderung beim Betroffenen anvisiert (Weidner, Gall,
2003):

   Erhöhung von Hemmschwellen (Scham, Angst, Ekel) gegenüber destruktivem
   Verhalten
   Verbesserung der moralischen Urteilsfähigkeit
   Handlungskompetenz entwickeln und fördern (Empathie, Frustrationstoleranz ,
   Ambiguitätstoleranz sowie Rollendistanz)
   positive Sicht der eigenen Person und des eigenen Körpers
   Erreichung von schulischer Qualifikation und Aufbau von Arbeitstugenden
   Förderung von Life Skills, Grundnormen und Alltagsregelungen
   Demokratielernen
   Verhinderung von Integritätsverletzungen und Grenzüberschreitungen
                                                                                    18
Es geht letztlich darum, das subjektive Verantwortungsbewusstsein für das eigene
Handeln durch die Konfrontative Pädagogik zu erzeugen. Inwieweit jedoch
konfrontative Pädagogik dafür sorgen kann, dass der junge Mensch – bei den bisher
gezeigten destruktiven Leistungen – eine positive Sicht der eigenen Person
empfindet, ist fraglich. Ebenso stammen diese jungen Menschen oft einem
destruktiven Elternhaus, in dem sich die Betroffenen ein negatives Selbstkonzept
zugelegt haben. Es bestehen starke Zweifel, ob sich durch grenzsetzende
Konfrontation dieses Selbstkonzept positiv verändert. Untersucht werden soll hier,
inwiefern die Aktivierende Ressourcenkonfrontation unterstützen kann, das eigene
Selbstkonzept zu verändern.

Ebenso spricht Weidner von den Handlungskompetenzen und meint damit Empathie,
Frustrationstoleranz, Ambiguitätstoleranz sowie Rollendistanz. Sind nicht auch andere
Handlungskompetenzen nötig, um einen prosozialen Lebensweg einschlagen zu
können?     Hier    soll  ebenso     untersucht    werden,     welche     individuellen
Handlungskompetenzen weiterhin gefördert werden müssen und wie die Aktivierende
Ressourcenkonfrontation dabei unterstützen kann.

Die Ziele der Erreichung von schulischer Qualifikation und Aufbau von
Arbeitstugenden sowie die Förderung von Life Skills und Alltagsregelungen brauchen
neben dem konfrontativen Druck auch einen frühen hoffnungsgebenden Impuls. Hier
kann untersucht werden, inwieweit die Aktivierende Ressourcenkonfrontation diese
Ressource Hoffnung gerade am Anfang von curricularen Konfrontationsarrangements
wie dem AAT unterstützen kann.

2.4. Kritik an der konfrontativer Methodik

Die Entwicklung und Förderung eines gesunden Selbstwertes kann nicht mittels
bisher vorgestellter Konfrontationsstrategien aufgebaut und entfaltet werden.
Selbstwertschätzung kann sich nur entfalten, wenn professioneller Helfer ihren
Klienten mit Wertschätzung und Respekt entgegnen. Dies gilt genauso für den
Heißen Stuhl, wenn er nur defizitorientiert durchgeführt wird. Die inzwischen
wiederholt gefundenen negativen Beziehungen zwischen Konfrontation und
Therapieverlauf sind der Grund, weshalb sie in einer ressourcenorientierten Therapie
inzwischen als kontraindiziert betrachtet werden. Besonders gilt dies für (sexual-)
delinquente Patienten im Gefängnis und in der forensischen Psychiatrie (Fiedler,
2004).

Kilb sieht die Schnittstellen des kompensatorischen und des konfrontativen Ansatzes
überwiegend bei der Steigerung sozialer Kompetenzen. Mit Hilfe dieser Aspekte
gelingt ein Anpassungsprozess an bzw. hin zum „normativen Korridor“ und erleichtert
hierdurch über die bisherigen Lernerfahrungen hinausreichende alternative
Lernmöglichkeiten. Viele Klienten besitzen jedoch laut Untersuchungen mittels der
FAF-Auswertung (Schanzenbächer, 2003) ein sehr hohes Maß an Selbstaggressionen
                                                                                    19
und auch depressive Züge (Selbstvorwürfe, Selbstmordabsichten, Misstrauen,
Ressentiments und depressive Stimmungen). Selbst durch das AAT konnten nur
geringfügig Veränderungen in diesem Bereich festgestellt werden (ebd., 2003,
154ff.) Inwieweit aus dem neu erlernten „normativen Korridor“ die Steigerung von
sozialen Kompetenzen von jungen Menschen mit Persönlichkeitsstörungen zu
erwarten ist, ist dementsprechend sehr fraglich. Es muss zur Konfrontation noch
unbedingt ein ressourcenorientiertes Setting (Empowerment) angegliedert werden,
um die gewünschten sozialen Kompetenzen entwickeln zu können. Ebenso erscheint
die Motivation zum Aufbau sozialer Kompetenzen bei diesen Klienten auch gering. Es
sollten dementsprechend motivierende Techniken eingesetzt werden, die den Erfolg
beim Aufbau sozialer Kompetenzen eher ermöglichen. Weiterhin kann es sein, je
nachdem, in welchem sozialen Kontext sich der Klient nach einer konfrontativen
Trainingsmaßnahme aufhält, dass er durch seine alte Subkultur eher dazu ange-
halten ist, seine neu erlernten Fähigkeiten zu unterdrücken.

Dementsprechend kann festgehalten werden, dass Lernen von sozialen Kompetenzen
eher durch die Entwicklung von Motivation und durch Verhaltenstraining möglich ist
als durch Konfrontationen.

Kilb meint ebenso, dass sich bei Bedarf ein Prozess der Entstigmatisierung entwickeln
kann, um diese Lernmöglichkeiten ohne Hindernisse durchhalten zu können. Ob
alleinige Konfrontation hilft zu entstigmatisieren, sei bezweifelt. Es soll untersucht
und verdeutlicht werden, dass durch die Aktivierende Ressourcenkonfrontation eher
Stigmatisierungen aufgehoben werden können als durch reine Konfrontationen.

Als weiterer Kritikpunkt kann angesehen werden, dass die Konfrontative Pädagogik
nur unklar angibt, für welche Adressaten sich diese pädagogische Methode richtet.
Bisher wurden damit die „Top-Schläger“ (Heilemann, 2001) behandelt, inzwischen
findet Konfrontative Pädagogik auch in Grundschulen statt. Es erfordert eine klare
Zuordnung der Methode zu den entsprechenden Adressaten oder besser sogar zu
entsprechenden Verhaltensweisen (dauerhafte Stigmatisierungsgefahr).

Weiterhin hat sich vor einigen Jahren eine lebendige Fachdebatte zur konfrontativen
Pädagogik insbesondere in ihrer curricularen Ausgestaltung (AAT/CT) entwickelt.
Diese soll hier nicht ausgeführt werden, da sie zu einseitig das AAT als Trainings-
curriculum bewertet.

2.5. Weiterentwicklung der Konfrontativen Pädagogik

Bisher wurden Konfrontationen allein zur Grenzsetzung oder zum Schutz vor
Integritätsverletzungen erläutert. Bisher greift konfrontative Pädagogik grenzsetzend
ein und möchte ihre Klienten anschließend zu einer Verhaltensänderung ermutigen.
Sie erwartet und besteht auf sozial verträglichen Umgangsformen und fordert diese
kämpferisch ein.

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