Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...

 
WEITER LESEN
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Eine Welt Journal Baden–Württemberg   Nr. 90 | Sept. ’21 | 5 Euro

           :
Interkultur     rne sagen würden
            h ge
Was wir euc               eßen
                Wir feie rn und geni
           el:
Fairer Hand
                         t  es Sie glücklich,
                        h
   hgefragt : Warum mac
Nac                        ten?
              Brot zu ret
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Inhalt                                                                          Editorial

Interkultur
 3   Was wir euch gerne sagen würden

 6   Wir haben Aha-Momente!

 8   Die Nachfrage ist riesig

 9   Unsere Buchtipps

10   Rassismus: Das geht gar nicht!

12   Eine Welt der Vielen                            Liebe Leserin, lieber Leser,
14   Glossar: Wie sage ich es richtig?
                                                     unser Redaktionsteam ist bei dieser Südzeit-Ausgabe
                                                     größer als üblich: das Schwerpunktthema „Was wir
Rezept                                               euch gerne sagen würden“ haben Interkulturelle Pro-
                                                     motoren gemeinsam mit ihrer Koordinatorin kon-
15   Wir lieben es scharf: Aguachile                 zipiert. Die vier Frauen und ein Mann sind Teil des
                                                     „Interkulturellen Promotor*innen-Programms“. Sie
                                                     beraten, qualifizieren und begleiten Vereine, Einzel-
Asylpolitik                                          personen und Kommunen in ganz Baden-Württem-
                                                     berg in allen Fragen rund um das große Thema In-
16   Unser moralisches Angebot                       terkultur. Gleich nach dem Start des Programms am
                                                     1. Januar 2021 war die Nachfrage nach Beratung,
                                                     Vernetzung und Vermittlung, trotz der Pandemie be-
Forum                                                dingten Beschränkungen, groß. „Meine 70 %-Stelle
                                                     reicht bei weitem nicht aus, es fühlt sich an, als hätte
18   Das ist keine Droge!                            ich 300“, so eine Promotorin.
20   Die verkaufte Würde
                                                     Im Mittelpunkt stehen die migrantisch-diasporischen
                                                     Vereine, von denen es in Baden-Württemberg fast
Fairer Handel                                        Tausend gibt. Viele ihrer Mitglieder sind seit Jahren
                                                     aktiv und leisten, oft unbeachtet von der Öffentlich-
22   Zukunft fair gestalten                          keit, wertvolle entwicklungspolitische Arbeit. Ein
                                                     wichtiges Ziel der Promotorinnen und des Promotors
                                                     ist es, diese Expertise sichtbar zu machen und die
Politik                                              migrantischen Expertinnen und Experten mit Kom-
                                                     munen, Eine Welt-Vereinen und Geflüchteten-Un-
24   Forderungen: Was uns wichtig ist                terstützungen zu vernetzen. Immer deutlicher wird,
                                                     welch vielfältige neue Möglichkeiten, welch Wissens-
                                                     zuwachs und Inspiration sich durch diese Zusam-
Zeit-Fragen                                          menarbeit ergeben. Doch lesen Sie selbst, was Ihnen
                                                     die engagierten Akteure gerne sagen möchten …
26   Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten?
                                                     Ihre

Ser vice                                             Susanne Schnell

27   Termine, Aktuelles, Fairer Handel, Impressum

31   Das war mein größter Coup
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Was wir euch gerne sagen würden

Hala Elamin
           "Menschen mit
  unterschiedlichen inter-
nationalen Hintergründen
  und diversen Biografien
            bereichern die
             Gesellschaft."

              Foto rechts:
  Treffen der Promotoren
 im Juli 2021 mit Referent
       und Koordinatorin.

Was wir euch gerne sagen würden
Vier Frauen und ein Mann engagieren                        shops oder Veranstaltungen zu Frieden, Religion, Migra-
                                                           tion. Ich führe Angebote für das Empowerment und die
sich als Interkulturelle Promotoren                        Anti-Rassismus-Arbeit durch und stehe Hand in Hand
(IKP) für eine offene Gesellschaft. Ihre                   mit ehren- und hauptamtlichen Akteuren in der Region
Erfahrungen                                                für Frieden und mehr Teilhabe.
                                                           Menschen mit unterschiedlichen internationalen Hinter-
                                                           gründen und diversen Biografien bereichern die Gesell-
                                                           schaft und ermöglichen neue Perspektiven.
Empowerment von Frauen
                                                           Hala Elamin, Interkulturelle Promotorin, Regierungsbezirk
ist ein wichtiges Ziel                                     Stuttgart. Trägerverein: Freundeskreis Afrika e.V.

Ich freue mich, durch meine Arbeit als Interkulturelle
Promotorin unsere Heimat aktiv mitzugestalten und für
ein gutes Zusammenleben zu werben. Ich vernetze die un-    Öffnet euch für
terschiedlichen Akteure und Initiativen, informiere bzw.
berate sie und tausche mich mit Expertinnen und Ex-        migrantische Expertise!
perten aus. Ein Highlight meiner bisherigen Arbeit war
die Unterstützung von Frauen mit Gewalterfahrung. Ge-      Meine Arbeit startete während der Pandemie. Mir wur-
meinsam mit der Diakonie und mithilfe von Psychologen      de schnell klar, dass es ein Privileg ist, eine uneinge-
konnten wir traumatisierten Frauen, u.a. aus Togo, Af-     schränkte Online-Präsenz zu haben. Für viele migran-
ghanistan und Syrien, Methoden vermitteln, die verhin-     tische Vereine war es schwierig, sich im digitalen Raum
dern, dass es zu einem dramatischen Flashback kommt.       zu bewegen. Sie hatten keine digitale Ausrüstung, kein
Außerdem gaben wir Tipps, um ihnen zu helfen, metho-       ausreichendes Datenvolumen, litten unter Existenzäng-
disch mit ihrem Trauma umzugehen. Aus dieser Arbeit        sten und unter geschrumpften Finanzen. Auch für Eine
entstanden weitere Programme zum Empowerment von           Welt-Vereine war der Umgang mit digitalen Formaten
Frauen. Ein neues Interaktionskonzept der Stadt soll nun   eine Herausforderung. Zu meinen wichtigsten Beratungs-
alle Akteure, von Polizei über Kirche und Zivilgesell-     feldern gehörten deshalb u.a. die digitale Qualifizierung,
schaft vor Ort, miteinbinden.                              Fördermöglichkeiten, Stärkung der Vereinsstrukturen,
Ein anderes wichtiges Arbeitsfeld ist die internationale   Netzwerkbildung, Werbung neuer Mitglieder und die ent-
und entwicklungspolitische Bildungsarbeit, um Perspek-     wicklungspolitische Bildungsarbeit. Ich stellte fest, dass
tivenwechsel zu ermöglichen, z. B. im Rahmen von Work-     die mehrheitsgesellschaftlichen Eine Welt-Vereine nicht

       Nr. 90                                                                                                      3
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Dr. Rajya                                  Farina
                              Karumanchi-                               Görmar
                              Dörsam                             "Die Verwirklichung der
                                                             Nachhaltigkeitsziele betrifft
                              "Glaubwürdigkeit ist ein        nicht nur den Globalen Sü-
                              Thema bei einer Laufzeit       den, sondern auch uns hier
                              des Programms von nur          in der Region Stuttgart. Da-
                              einem Jahr. Um Beratungen        für müssen alle Menschen
                              durchzuführen, muss man              partizipieren können."
                              Vertrauen schaffen. Das
                              braucht Zeit."

immer bereit sind, sich interkulturell zu öffnen. Sie dazu    Die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele betrifft
zu bringen, migrantische Expertise wahrzunehmen und           nicht nur den Globalen Süden, sondern auch uns hier
miteinzubeziehen, braucht viel Überzeugungsarbeit, be-        in der Region Stuttgart. Für die Gestaltung einer viel-
sonders wenn Sie noch im „Wir-retten-die-Dritte-Welt“         fältigen und friedlichen Zukunft ist es wichtig, dass alle
Modus sind. Oder wenn sie trotz einer Partnerschaft mit       Menschen gesellschaftlich partizipieren können, Chan-
einem Land des Globalen Südens behaupten, dass „un-           cengleichheit gewährleistet ist und Machtdifferenzen ab-
ser Verein nichts mit Integration/Migration zu tun“ hat.      gebaut werden.
Wichtig ist, auf die Sprache und Wortwahl zu achten,
wenn man die verschiedenen Zielgruppen erreichen will.        Als IKP möchte ich deshalb transkulturelle Bürgerbetei-
                                                              ligung fördern und gemeinsam mit Verantwortlichen und
Auch Glaubwürdigkeit ist ein Thema bei einer Laufzeit         Akteuren neue Ideen entwickeln, um Partizipationsmög-
des Programms von nur einem Jahr. Um Beratungen               lichkeiten auszubauen, und eine gesellschaftliche Spal-
durchzuführen, muss man Vertrauen schaffen. Das               tung in „Wir“ und „die Anderen“ in der Region Stuttgart
braucht Zeit und viele Gespräche. Meine Stelle reicht         zu verhindern. Es ist dabei wichtig, MDO als zivilgesell-
nicht, um den Beratungs-Bedarf aller Akteure zu stem-         schaftliche Akteure mitzudenken, ihre Expertisen ein-
men.                                                          zubeziehen sowie die Öffentlichkeit für Fluchtursachen,
                                                              globale Zusammenhänge und soziale Gerechtigkeit zu
Der neue Koalitionsvertrag enthält Punkte, die die För-       sensibilisieren. Gerade junge Migranten sollten unter-
derung von migrantischen Vereinen und migrantischer           stützt werden, damit sie ihre Vorstellungen, insbesondere
Partizipation betreffen und es ist gewinnbringend, bei        im Bereich Nachhaltigkeit, adressieren können.
den verschiedenen Zielgruppen darauf hinzuweisen.             Die ersten sechs Monate als IKP zeigten, dass unse-
Viele Akteure, besonders migrantische Organisationen,         re Aufgabe als beratende Schnittstelle zwischen MDO,
freuen sich, dass die Entwicklungs- und Integrationspoli-     Politik, Verwaltung, Eine Welt-Akteuren, Geflüchteten-
tik einen sichtbaren Platz in der Landespolitik einnimmt.     Unterstützung und Zivilgesellschaft gut angenommen
                                                              wird. Es gab viele Vernetzungs- und Beratungsanfragen
Dr. Rajya Karumanchi-Dörsam, Interkulturelle Promotorin,      zu Themen der Interkulturellen Öffnung, Vermittlung
Regierungsbezirk Karlsruhe.                                   migrantisch-diasporischer Expertisen und gemeinsamer
Trägerverein: SIMAMA - STEH AUF e. V.
                                                              Ausgestaltung nachhaltiger, entwicklungspolitischer
                                                              Themen-Veranstaltungen.

Nur gemeinsam schaffen                                        Besonders gefreut hat mich das große Interesse von Kom-
                                                              munen, Bildungsakteuren und Schulen sowie die Of-
wir eine zukunftsfähige Welt                                  fenheit der verschiedenen Zielgruppen voneinander zu
                                                              lernen und gemeinsam nachhaltige, chancengerechte Le-
                                                              bensräume zu gestalten. Die globale Situation erfordert
Der Start meiner Arbeit war Pandemie bedingt heraus-
                                                              gemeinsames Handeln, über soziokulturelle, politische
fordernd, aber ein wichtiger Meilenstein, denn migran-
                                                              und religiöse Grenzen hinweg. Nur gemeinsam können
tisch-diasporische Organisationen (MDO), Geflüchtete
                                                              wir uns stark machen für eine bessere und gerechtere Zu-
und Migranten sind besonders stark betroffen von den
                                                              kunft unseres Planeten
sozioökonomischen und sozialen Auswirkungen der Co-
ronakrise. Die Nachfrage nach Beratung war gleich zu          Farina Görmar, Interkulturelle Promotorin für die Region
Beginn meiner Arbeit groß und stieg zunehmend an.             Stuttgart. Trägerverein: Afrokids International e.V.

4                                                                                                                   Nr. 90
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Ivonne                                                          Alex M.
       Cadavid                                                         Moepedi
     "Ich konnte erleben,                                         "Migrantisch-diasporische
        wie migrantische                                            Organisationen sind die
   Akteure ihre Expertise                                       wichtigsten Akteure unserer
   bei Projekten anderer                                        Gesellschaft, um den Globa-
 Organisationen einbrin-                                       len Süden und den Globalen
gen, aber auch, wie Eine-                                             Norden zu verbinden."
   Welt-Bündnisse diese
Expertise annehmen und
         damit wachsen."

Mein Anliegen:                                               gerne einbringe, denn es fühlt sich nach einer sehr ge-
                                                             winnbringenden Tätigkeit für die Sichtbarkeit, Teilhabe

Vernetzt euch!                                               und den Strukturenaufbau vieler Akteure sowie migran-
                                                             tisch-diasporischer Gruppen an. Wir als Gesellschaft
                                                             können hieran nur wachsen. Ganz nach dem Motto: „Al-
Im Regierungsbezirk Tübingen, in dem ich als Interkul-       leine ist man schneller, gemeinsam kommt man weiter.“
turelle Promotorin (IKP) tätig bin, gibt es viele interes-
sante Projekte, Bündnisse und Initiativen, die schon gut     Ivonne Cadavid, Interkulturelle Promotorin im
etabliert sind oder gerade neu entstehen. Als IKP gehört     Regierungsbezirk Tübingen. Trägerverein: Telar e.V.
es zu meinen Aufgaben, eine Vernetzung herzustellen. Ich
stand vor der spannenden Frage: Wer soll denn vernetzt
werden – und wieso ist das so relevant?
                                                             Wer entwickelt wen?
Wichtig für meine Arbeit sind insbesondere Projekte und
Initiativen aus drei Bereichen: zum einen migrantisch-       Seit ich mit Migrantinnen und Migranten sowie Geflüch-
diasporische Organisationen oder migrantische Akteure,       teten arbeite, ist mir klar geworden, dass ihre Expertise in
zum anderen jene Initiativen, die im Bereich der Ent-        unserer Gesellschaft unterschätzt wird. Ein wichtiger As-
wicklungspolitik sowie der Eine Welt-Arbeit tätig sind       pekt meiner Arbeit als IKP ist es, diese Expertise sichtbar
oder tätig werden möchten und nicht zuletzt die Geflüch-     zu machen. Wir müssen Migranten bzw. Geflüchtete in
teten-Unterstützung etwa in Form von Asyl- oder Inte-        alle Entscheidungsprozesse der Projekte und Initiativen,
grationskreisen.                                             die sie betreffen, einbeziehen! Viele Vorhaben und Initia-
Warum sollen sich diese Bereiche stärker vernetzen? Die      tiven sind genau aus diesem Grund nicht erfolgreich: Die
Antwort war schnell gefunden: Projekte und Initiativen       eigentlichen Akteure werden nicht eingebunden, sondern
können gegenseitig von den Expertisen und neuen Per-         das Projekt wird für sie erledigt.
spektiven profitieren. Bei einer Zusammenarbeit besteht
die Möglichkeit, Synergien zu nutzen. Auch bestehen-         Oft höre ich: „Probleme liegen im Süden, Wissen zur Lö-
de Strukturen wie Newsletter und Websites, aber auch         sung der Probleme liegt im Norden.“ Doch der Globale
Räumlichkeiten oder Fördergelder können genutzt wer-         Norden kennt nicht alle Antworten und Lösungen für
den und somit mehr Sichtbarkeit verleihen.                   den Globalen Süden. Migrantisch-diasporische Orga-
Es gibt unzählige Beispiele, wie diese Vernetzung und        nisationen sind die wichtigsten Akteure unserer Gesell-
Kooperation aussehen kann. Bis jetzt konnte ich erleben,     schaft, um den Globalen Süden und den Globalen Norden
wie migrantische Akteure ihre Expertise bei unterschied-     zu verbinden. Ich bin in Kontakt mit Kommunen, Eine
lichen Projekten anderer Organisationen einbringen           Welt-Vereinen und anderen Initiativen, um Kooperati-
konnten, aber auch, wie Eine Welt-Bündnisse in ihren         onen zu ermöglichen. Wichtig finde ich auch, dass wir die
Strukturen Raum schaffen, um diese Expertise anzu-           Kultur des Wissenstransfers und des Wissensaustauschs
nehmen und damit zu wachsen. Auch die Geflüchteten-          zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden
Unterstützung wird durch die Expertise und das Enga-         fördern. Eine offene Frage lautet nach wie vor: Wer wird
gement von migrantisch-diasporischen Organisationen          entwickelt oder wer entwickelt wen?
beraten und unterstützt.
                                                             Alex M. Moepedi, Interkultureller Promotor,
Die Vernetzungsarbeit setzt Beratung und Betreuung vo-       Regierungsbezirk Freiburg, Träger: Interkultureller Verein
raus und nimmt viel Zeit in Anspruch. Es ist Zeit, die ich   FAIRburg e.V.

       Nr. 90                                                                                                             5
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Was wir euch gerne sagen würden

Wir haben Aha-Momente!

Die einen wünschen sich migrantische Expertise, die
anderen mehr Teilhabe, manche haben nur eine Frage.
Und Sie? Wie konnten die Promotoren Ihnen weiterhelfen?

                                       Dachverband Entwicklungspolitik       Menschen vor Ort, die sich enga-
                                       Baden-Württemberg (DEAB) kann         gieren für und mit Menschen aus
                                       ich ganz konkret an der Arbeit un-    anderen Kulturkreisen, sei es aus
                                       serer Interkulturellen Promotorin     entwicklungspolitischer Motivation
                                       festmachen. Mit ihrem Erfahrungs-     oder im Engagement für Integrati-
                                       hintergrund als Geflüchtete ist sie   on und gegen Rassismus. So wer-
                                       ein lebendiger Teil der Stadtge-      den Gemeinsamkeiten sichtbar und
                                       sellschaft, die neue Impulse setzt    für die zivilgesellschaftliche Arbeit
                                       für interkulturelles Lernen in den    fruchtbar gemacht. Migrantinnen
                                       verschiedensten Kontexten. Das        und Migranten werden auf ihrem
                                       Interkulturelle     Promotor*innen-   Weg zu selbstbewussten Bürgern
                                       Programm ist dafür die Plattform.     unterstützt, für ihre Rechte einzu-
                                       Damit wird Engagement sichtbar        treten. Zugleich fungieren sie als
                                       gemacht und erfährt Wertschätzung.    Brückenbauer ins Ausland.
Menschen vor Ort werden                Das Interkulturelle Promotor*innen-
vernetzt und ermutigt                  Programm öffnet Räume für Neuan-      Jutta Niemann, MdL, Fraktion
                                                                             Bündnis 90/Die Grünen im Landtag
                                       kömmlinge und Alteingesessene, es     Baden-Württemberg, Sprecherin für
Die Stärken des Interkulturellen       verbindet und initiiert gemeinsames   Energie- und Klimapolitik
Promotor*innen-Programms     des       Lernen. Es vernetzt ganz konkret

Durch neue Kontakte                    ker, da brauchen wir die Sichtwei-    en Kontakte gibt es viele Aha-Mo-
haben wir Aha-Momente                  se und Expertise von Menschen aus     mente bei unseren Netzwerktreffen,
                                       dem Globalen Süden. Durch die neu-    denn der Blick auf bestimmte Dinge
Die Interkulturelle Promotorin (IKP)                                         ist oft überraschend unterschiedlich.
berät uns und begleitet unsere Ar-                                           Die IKP und unsere neuen Netz-
beit. Sie gestaltet Prozesse mit und                                         werkmitglieder erweitern nicht nur
ermöglicht uns, Kontakte zu Grup-                                            unser fachliches Wissen und unseren
pen und Organisationen zu knüpfen,                                           Horizont, es ist auch mehr Dynamik
zu denen wir sonst keinen Zugang                                             in den Treffen vorhanden. Und auch
hätten. In der Vergangenheit ha-                                             auf der persönlichen Ebene fühle ich
ben wir schon mehrfach versucht,                                             mich durch die IKP und die neuen
Menschen aus migrantisch-diaspo-                                             Mitglieder sehr bereichert.
rischen Vereinen zu unseren Treffen
                                                                             Hanna Smitmans, Geschäftsführung
einzuladen, das hat jedoch nie ge-                                           und Koordination des Vereins
klappt. Wir beschäftigen uns mit den                                         „FAIRstrickt – wer bezahlt den Preis
Themen globaler Gerechtigkeit und                                            der Mode?“
sind eine Gruppe weißer Akademi-

6                                                                                                             Nr. 90
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Wir fühlen uns als                       sere Lebensbedingungen zu fordern       einer demokratischen Gesellschaft
Migranten gestärkt!                      und Menschenrechtsverletzungen in       diskutieren. Durch die Beratung und
                                         Kolumbien durch die Polizei anzu-       Mitwirkung des Interkulturellen
Es gibt unterschiedliche Gründe,         klagen.                                 Promotors haben wir neue Wege zur
warum mehr als 20.700 Kolum-             Ich gehöre zu einer Gruppe von Ko-      Verwirklichung unserer Integration
bianerinnen und Kolumbianer in           lumbianerinnen und Kolumbianern         gefunden und fühlen uns als Mi-
Deutschland einen Ort gefunden           in Freiburg. Hier finden wir Unter-     granten im Bereich Bildung, Frieden
haben, ihr Lebensprojekt zu ver-                                                 und Demokratie gestärkt.
wirklichen: Sie sind hier für ein Stu-
dium, für bessere Arbeitschancen,                                                Wir danken dem IKP für die Bereit-
aufgrund der Liebe oder wegen po-                                                schaft, uns bei der Bildung und bei
litischem Asyl. Viele kolumbianische                                             der Festigung einer Gruppe kolum-
Migranten spüren immer noch die                                                  bianischer Migranten zu begleiten.
physischen und emotionalen Aus-                                                  So können wir Projekte für unser
wirkungen, die das Leben in einem                                                Herkunftsland umsetzen und unsere
Land mit sich bringt, das von sozi-                                              Anliegen sichtbarer machen sowie
aler Ungleichheit, Korruption und                                                unseren Beitrag zur Bereicherung
Gewalt geprägt ist. Manche wollen                                                der deutschen Gesellschaft leisten.
mit den in Deutschland gesammel-                                                 Wir können die Stimme erheben,
ten Erfahrungen zurückkehren, um                                                 um die internationale Gemeinschaft
zur Veränderung Kolumbiens beizu-                                                aufzufordern, ihre Beteiligung an
tragen. Vor zwei Monaten kam es zu                                               den Ursachen von Konflikten auf der
Protesten in Kolumbien gegen eine                                                ganzen Welt anzuerkennen und mög-
Politik, die soziale Ungleichheiten      stützung bei Projekten wie dem Lese-    liche Lösungen einzuleiten.
vergrößert. Tausende Kolumbianer         kreis „Für den Frieden Denken: Bil-
                                                                                 Camila Morales, Mitglied einer
in ganz Deutschland hat dies inspi-      dung für Soziales Engagement”, bei      Kolumbien-Gruppe in Freiburg
riert, gemeinsam für den nationalen      dem wir die Rolle und die Möglich-
Streik zu mobilisieren und u.a. bes-     keiten von Bildung für den Aufbau

                                         gramm „Demokratie leben!“. Auf          rin hat die Begrüßung, Übersetzung
                                         diese Weise möchte die Stadt einen      sowie das Programm gestaltet. Zu-
                                         Beitrag zur Förderung der Demo-         dem hat sie einen Vortrag für die
                                         kratie und zur Bekämpfung von Ras-      Eltern Schwarzer Kinder gehalten
                                         sismus und Diskriminierung leisten.     sowie das Kinderprogramm für die
                                         Wir organisieren Lesungen, Fußball-     Schwarzen Kinder konzeptioniert.
                                         turniere, Trommelworkshops oder
                                         auch Podiumsdiskussionen. Dabei         Es ist gut, eine fachlich kompetente
                                         kam die Idee auf, auch ein „Treffen     Ansprechpartnerin zu haben, die die
                                         Schwarzer Kinder“ anzubieten. Da-       erste Organisation solch eines Tref-
                                         für haben wir die für uns zuständige    fens eng begleitet. Einen Mehrwert
                                         Interkulturelle Promotorin kontak-      für uns haben auch die kostenlosen
                                         tiert. Sie hat uns bei der Organisa-    Workshops für verschiedene Ziel-
                                         tion fachlich unterstützt, begleitet    gruppen. Die Interkulturelle Promo-
„Treffen Schwarzer                       und insbesondere den Start des Pro-     torin hilft bei der Sensibilisierung
Kinder“ wurde möglich                    jekts befördert: die Konzeption, das    und Reflexion.
                                         erste Treffen sowie den Übergang
In Weinstadt beteiligen wir uns un-      in ein regelmäßiges Angebot. Das        Stefanie Falk, Integrationsbeauftragte
                                                                                 der Stadt Weinstadt
ter anderem an den Interkulturellen      erste Treffen fand am 10. Juli in der
Wochen und auch am Bundespro-            Stadtbücherei statt. Die Promoto-

       Nr. 90                                                                                                         7
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Was wir euch gerne sagen würden

Die Nachfrage ist riesig

Seit acht Monaten sind                   te Öffentlichkeit zur Zielgruppe des     Ebenso konnten die Promotoren Ge-
                                         Programms.                               flüchtete als Multiplikatoren gewin-
die Interkulturellen                                                              nen.
Promotoren aktiv.                        Sind schon Erfolge sichtbar?
Eine Zwischenbilanz                      Den Promotoren ist es gelungen, in       Das Programm begann inmitten der
                                         einigen integrations- und entwick-       Pandemie. Das war schwierig?
                                         lungspolitischen Strukturen den          Die Corona-Regelungen reduzierten
                                         Mehrwert migrantischer Expertise         die Gespräche der fünf Promotoren
                                         und Beteiligung deutlich zu ma-          aus den Regierungsbezirken Karls-
                                         chen. Sie stellten Kontakte zu mi-       ruhe, Tübingen, Freiburg, Stuttgart
                                         grantischen Gruppen her, die dann        und der Region Stuttgart auf den
                                         zu Kooperationspartnern wurden.          digitalen Raum. Das war schwierig.
                                         Manche Migrantinnen und Mi-              Andererseits ermöglichten Online-
                                         granten wurden sich durch ihre so        plattformen, interessierte Gruppen
                                         erlangte Sichtbarkeit ihres politi-      und Personen Land- und Stadtkreise
                                         schen Einflusses bewusst.                übergreifend und sogar Kontinente
                                                                                  übergreifend zu vernetzen, zu bera-
Warum brauchen wir in Baden-             Mit welchen Themen wenden Sie            ten und zusammenzubringen.
Württemberg ein Interkulturelles         sich an die Gesamtgesellschaft?
Promotor*innen-Programm?                 Wir möchten die breite Öffentlich-       Zur Person: Jenny Mushegera,
                                                                                  Dachverband Entwicklungspolitik
Unter     politisch-gesellschaftlichen   keit für Themen wie Migration und        Baden-Württemberg, DEAB,
Rahmenbedingungen wie der Black          Entwicklung, Flucht und Entwick-         koordiniert das Interkulturelle
Lives Matter Bewegung, Fridays for       lungspolitik, Menschenrechte sowie       Promotor*innen-Programm
Future, Agenda 2030 und den gesell-      Rassismus und Diskriminierung sen-
schaftlichen Auswirkungen der Co-        sibilisieren. Hierfür wurden in den
rona-Pandemie zeigt das Interkul-        vergangenen Monaten über 60 Ver-
turelle Promotor*innen-Programm          anstaltungen organisiert. Die Digita-     Das Interkulturelle
(IKPP) seine Stärken. Es bringt un-      lisierung hatte den Vorteil, dass sich
terschiedliche Akteure miteinander       Menschen aus verschiedenen Regi-
                                                                                   Promotor*innen-
ins Gespräch, qualifiziert sie weiter    onen Baden-Württembergs zu Ver-           Programm (IKPP)
und macht die Schnittstelle von In-      anstaltungen dazuschalten konnten.
                                                                                   Wer kann sich an die Promotoren wen-
tegrations- und Entwicklungspolitik                                                den? Alle, die sich für globale Verantwor-
deutlich. Tatsächlich war die Nach-      Was bieten Sie Asylkreisen?               tung und Solidarität engagieren
frage nach Beratung gleich zu Be-        Ein Ziel des IKPP ist es, Geflüchte-      Tätigkeit der Promotoren: Information,
ginn des Programms riesig. Und nun       ten-Unterstützungen, wie beispiels-       Beratung, Vernetzung, Qualifizierungen
nimmt sie immer weiter zu.               weise Asylkreisen, Zugang zu ent-         Ziele des IKPP:
                                         wicklungspolitischen Fortbildungen        • Mehr Teilhabe von Migranten durch
Wer gehört zur Zielgruppe?                                                           Stärkung ihrer zivilgesellschaftlichen
                                         zu ermöglichen. Hierfür ermitteln
                                                                                     Strukturen
Die Hauptzielgruppe sind migran-         wir in Gesprächen mit z. B. Integra-      • Mehr Interkulturelle Öffnung von Eine
tisch-diasporische Organisationen.       tionsmanagern, Asyl-Arbeitskreisen,         Welt-Akteuren in Baden-Württemberg
(MDO). Die fünf Interkulturellen                                                   • Geflüchteten-Unterstützungen entwick-
                                         Stabsstellen und dem Flüchtlings-
                                                                                     lungspolitisch weiterqualifizieren
Promotoren haben in den ersten           rat Baden-Württemberg e.V. ent-           • Die Integrationsbereitschaft der Ge-
sechs Monaten ihrer Arbeit fast 500      wicklungspolitische Themen, die             samtgesellschaft erhöhen
MDO in Baden-Württemberg iden-           Geflüchteten-Unterstützungen      in      Struktur: Der Dachverband Entwicklungs-
tifiziert und sie zu Themen wie För-     ihrer Arbeit beschäftigen. Folgende       politik Baden-Württemberg (DEAB) koordi-
dermöglichkeiten, Digitalisierung,                                                 niert das Programm. Es wird durch das
                                         Themen konnten wir u.a. ermitteln:
                                                                                   Ministerium für Soziales, Gesundheit und
Vereinsgründung und Vernetzung           Klimawandel, Bildung, Konflikte,          Integration aus den Mitteln des Landes
beraten. Ebenso gehören Geflüch-         kapitalismuskritische Arbeit, Em-         Baden-Württemberg unterstützt.
teten-Unterstützungen, Politik und       powerment, friedliches Zusammen-          Kontakt und Information: www.deab.de
Verwaltung und natürlich die brei-       leben, Gender-basierte Mehrbedarfe.

8                                                                                                                        Nr. 90
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Unsere Buchtipps

                                                                          Lesen eröffnet neue Perspektiven.
                                                         Und diese Autorinnen weiten Ihren Blick. Garantiert!

                              n J .
                           b i
                         Ro elo
                           iA  ng
                         D
Die Soziologin forscht seit vielen Jahren zum
Thema Rassismus. 2011 prägte sie den Be-
griff „White fragility“. Dieser bezeichnet die
abwehrende Reaktion vieler Weißer, wenn sie
mit dem Rassismus konfrontiert werden, der
von ihnen ausgeht. Nun wurde ihr Buch ins
Deutsche übersetzt. Es hilft dabei, den eige-
nen Rassismus zu überwinden.

                                                                             ita
Robin J. DiAngelo: Wir müssen über

                                                                          Lup ‘o                                            Alice
Rassismus sprechen. A. d. Englischen von
Ulrike Bischoff, Hoffmann und Campe.

                                                                               g                                                 rs
Ab 5. Oktober 2021 als Taschenbuch

                                                                          Nyon                                              Haste
                                                 Lupita Nyong‘o ist eine kenianisch-mexika-      Alice Hasters, geboren in Köln, ist eine
                                                 nische Schauspielerin und Autorin. Im Mit-      studierte Journalistin. Schon in der Schule
                                                 telpunkt ihres Bilderbuchs steht die kleine     musste sie sich mit alltäglichem Rassismus
                                                 Sulwe, die sich nichts sehnlicher wünscht       auseinandersetzen. In ihrem Buch beschreibt
                                                 als eine hellere Haut zu haben. So lange, bis   sie, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze
                                                 sie eine Reise durch die Nacht und zu sich      Frau bestimmt. Und sie macht klar, dass jede
                                                 selbst antritt. Das Buch gewann mehrere         Person Rassismus nur überwinden kann,
                                                 Preise.                                         wenn sie sich damit in einem oft schmerz-
                                                                                                 haften Prozess auseinandersetzt.
                                                 Lupita Nyong‘o: Sulwe. A. d. Englischen
                                                 von Maureen Maisha Auma, Mentor Verlag,         Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht
                                                 2021. Empfohlen für Kinder ab 4 Jahren.         über Rassismus hören wollen aber wissen
                                                                                                 sollten. hanserblau, 2019

                      rn ardine
                    Be aristo                                                                    Stefanie-Lahya
                        Ev                                                                       Aukongo
Die Professorin für Kreatives Schreiben an
der Brunel University London wurde für ih-                                                       Schon als Kind führt die Autorin ein Leben
ren Roman "Mädchen, Frau etc." als erste                                                         zwischen den Kulturen voller Gefahren und
Schwarze Schriftstellerin mit dem Booker                                                         mit vielen Verletzungen. Bekannt wurde sie
Prize 2019 ausgezeichnet. In ihrem Buch be-                                                      durch ihre Autobiografie "Kalungas Kind“. In
schreibt sie Geschichten Schwarzer Frauen                                                        ihrem Buch "Buchstabengefühle" schreibt
über ein Jahrhundert hinweg. Ein leiden-                                                         sie Poesie voll Liebe und Protest.
schaftlicher, berührender und humorvoller
Roman.                                                                                           Stefanie-Lahya Aukongo,
                                                                                                 Buchstabengefühle. w-orten& meer, 2018
Bernardine Evaristo: Mädchen, Frau etc.
A. d. Engl. von Tanja Handels, Tropen, 2021

        Nr. 90                                                                                                                             9
Was wir euch gerne sagen würden - Fairer Handel: Wir feiern und genießen Nachgefragt: Warum macht es Sie glücklich, Brot zu retten? - Katholische ...
Was wir euch gerne sagen würden

Das geht gar nicht!

Über Rassismus, über uns und wie wir
alle gut zusammenleben könnten                                                             Du sprichst aber gut Deutsch!

                                                                  Du bist Deutsche?!
Viele fragen sich, warum sie Wörter und Begriffe, die sie
schon immer verwendet haben, nun nicht mehr benutzen
sollen.
Viele fühlen sich befangen, weil sie ihre Äußerungen kon-
trollieren müssen.
Viele sind gestresst von so vielen neuen Formulierungen
zum Thema Rassismus, von so vielen Einschränkungen
in der Sprache und Interaktion zu anderen. Hilfe, unsere     „Sie ist Schwarz, aber sie spricht super Deutsch!“ Auch
Meinungsfreiheit ist in Gefahr!                              eine solche Aussage ist kritisch zu betrachten, denn es
Das ist wirklich zu viel, das geht gar nicht! Oder doch?     gibt Deutsche, die sich als Afrodeutsche bezeichnen und
                                                             in Deutschland leben, und zwar seit Generationen. Sie
Vielleicht wäre es gut, Menschen zuzuhören, die gezwun-      sprechen einfach Deutsch als Muttersprache, wie ande-
gen sind, Zuschreibungen durch andere zu ertragen. Viel-     re weiße Menschen, die z. B. aus Polen oder Frankreich
leicht wäre es auch gut, einen Blick auf die Privilegien     vor langem nach Deutschland immigriert sind. Darüber
zu werfen, die uns erlauben, andere zu benennen und zu       hinaus gibt es in Deutschland viele weiße Menschen, die
entscheiden, wie sie genannt werden sollen.                  Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, ebenso wie
                                                             viele Schwarze Menschen, die hier geboren sind. Also, ist
Nur weil eine Handlung in der Vergangenheit normal           es wirklich ein Kompliment, wenn Sie einer Schwarzen
war, heißt das nicht, dass sie richtig war und Menschen-     Person sagen, dass sie gut Deutsch spricht? Empfinden
rechte geachtet wurden. Die Normalität, die die Mehrheit     Sie es als etwas Besonderes, wenn eine Schwarze Person
für sich selbst definiert, ist nicht immer mit einem Kon-    ihre Arbeit gut macht? Benutzen Sie als Kollege, Kunde
text der Menschenrechte, sondern mit einem Kontext der       oder gar Führungskraft solche Aussagen? Ganz einfach,
Privilegien verknüpft. Und das geht gar nicht!               es ist rassistisch! Und das geht auch nicht!

Es wird sehr viel über rassistische Polizeigewalt in den     Und das geht, klar! Beim Thema Rassismus geht es nicht
USA gesprochen. Aber es ist auch Zeit, über Rassismus        nur um Menschenfeindlichkeit, Stereotypisierung und
in Deutschland zu sprechen – nicht nur in Bezug auf die      Vorurteile im Alltag, sondern auch um den damit verbun-
Polizei, sondern auch auf Behörden, Universitäten, Un-       denen Anspruch auf Selbstbestimmung und Souveränität
ternehmen etc. Rassismus ist strukturell und in vielen Be-   auf struktureller Ebene. Kritische Perspektiven auf Ras-
reichen in Deutschland verankert.                            sismus und Dekolonisierungsprozesse können daher nur
                                                             wirksam sein, wenn die Bemühungen auf der individu-
Mai 2020: In einem auf Instagram verbreiteten VW-Wer-        ellen Ebene von Bemühungen auf der strukturellen Ebe-
bespot war eine überdimensionale weiße Hand zu sehen,        ne begleitet werden und umgekehrt. Nur so können wir
die einen Schwarzen Menschen herumschubst und in den         das koloniale Erbe und die damit verbundenen Struk-
Eingang eines Gebäudes schnippt, über dessen Tür „Petit      turen der Ungleichheit aufbrechen.
Colon“ (übersetzt „Kleiner Siedler“) steht. Gegen Ende
erschien eine Buchstabenfolge, deren Einblendung das         Wir haben durch unser Sozial- und Bildungssystem so
N-Wort nahelegt. Wie nehmen Unternehmen die Belei-           viel rassistisches Verhalten verinnerlicht, dass es wichtig
digung Schwarzer Menschen in ihrer Organisation wahr,        ist, die heutigen und künftigen Generationen vor solchen
wenn sie sich solche Werbungen leisten? Wenn Rassismus       Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Dafür sollten
so verharmlost und die gewaltvolle koloniale Geschich-       wir uns mit der kolonialen und gewaltvollen Geschichte
te dahinter als Werbespot verwendet wird, dann dürfen        Deutschlands bzw. Europas auseinandersetzen. Die Bil-
Schwarze Menschen in vielen Unternehmen noch immer           dungsmaterialien müssen hinterfragt und das Personal
nicht frei atmen. Und das geht auch nicht!                   geschult werden. Schulen sind ein Produkt der Gesell-

10                                                                                                                 Nr. 90
Dein Name ist so kompliziert,
                                           darf ich dich Sarah nennen?

                                                                                                   Das ist zu teuer für Sie!
    Du bist ja gar nicht richtig schwarz

                                                                           Kannst du deine
                                    Für eine Muslima
                                                                           Haare waschen?
                                     siehst du aber
                                        nice aus.

schaft genauso wie die Polizei und Mitarbeitende wei-
terer Institutionen, wo rassistische Haltungen verankert
                                                                   Stellen wir uns dann unser gemeinsames Leben als eine
sind. Bestimmte Haltungen und Vorstellungen, bestimmte
                                                                   Straße mit Kreuzungen und Ampeln vor. Wir benutzen
Narrative sind nicht mehr akzeptabel; sie waren es auch
                                                                   verschiedene Verkehrsmittel, aber wir müssen die glei-
nie, wir wussten es nur nicht. Jetzt wissen wir es!
                                                                   chen Verkehrsregeln beachten, damit wir selbst und alle
Damit wir vorankommen, müssen wir den Menschen die
                                                                   anderen sicher nach Hause kommen. Vielleicht brauchen
Möglichkeit geben, ihre Werte neu zu definieren. Das be-
                                                                   wir einen Führerschein des Zusammenlebens? Stellen
deutet, dass die Arbeit auf allen Ebenen geleistet werden
                                                                   wir uns also eine Welt vor, in der wir eigenverantwort-
muss. Wir haben die Pflicht, das Problem an der Basis zu
                                                                   lich bestimmte Regeln einhalten, um niemanden zu ge-
beheben. Es kann nicht hingenommen werden, dass der
                                                                   fährden. Das liegt in unserer Verantwortung und es fühlt
Lehrplan so voll ist, dass grundlegende Menschenrechts-
                                                                   sich gut an, wenn alle gesund und unfallfrei nach Hause
themen keinen Platz mehr haben. Wenn wir die Realität
                                                                   kommen. Und das geht auch, klar!
des Rassismus unterdrücken, wird uns die Geschichte
einholen, und zwar schneller als wir denken. Das können            Nicole Amoussou, Eine Welt-Fachpromotorin Migrantische
wir verhindern! Und das geht, klar!                                Partizipation und Postkolonialismus

  Kein besonderer Tag                                              wird niemand von Ihnen erwarten, dies unentgeltlich zu tun,
                                                                   weil es „für Sie doch toll sei, dabei gewesen zu sein“. Nie-
  Wenn Sie der weißen Mehrheitsgesellschaft angehören,             mand ist überrascht, dass Sie einen fachlich guten Beitrag
  werden Sie folgendes Scenario als „normal“ wahrnehmen:           leisten „obwohl Sie weiß sind“.

  Wenn Sie Ihr Frühstück auf dem Weg zur Arbeit beim Bäcker        Sollten Ihre Kinder in der Schule Schwierigkeiten haben,
  kaufen, werden Sie weder vom Personal noch von Kunden            wird niemand dies darauf zurückführen, dass Sie aufgrund
  erstaunt angeschaut, niemand wird Sie für Ihr gutes Schwä-       Ihrer schwäbischen Herkunft nicht in der Lage sind, Ihrem
  bisch loben oder nach Ihrer Herkunft fragen.                     Kind Tagesstruktur zu vermitteln. Als Eltern werden Sie bei
                                                                   Schulfesten nicht nur angefragt, um Kulinarisches aus Ih-
  Kommen Sie auf der Fahrt ins Büro in eine Verkehrskontrol-       rem Herkunftsland beizusteuern.
  le, können Sie sicher sein, dass es sich um eine Routine-
  kontrolle handelt. Die Polizei wird nicht vermuten, dass Ihr     Beim Abendspaziergang in den Weinbergen wird Sie nie-
  Ausweis gefälscht ist.                                           mand anhalten, um zu fragen „woher Sie kommen und wann
                                                                   Sie wieder dorthin zurückgehen“. Niemand wird Ihr Haar
  Sollten Sie in Ihrer Mittagspause essen gehen, wird Ihnen        ungefragt berühren oder fragen, ob Sie es waschen kön-
  beim Betreten des Restaurants niemand suggerieren, dass          nen. Niemand wird Ihnen zunahetreten, im Irrglauben, dass
  das Angebot „Ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigt“.        „alle weißen Menschen sexuell besonders aufgeschlossen“
  Werden Sie, zurück bei der Arbeit, als Referent angefragt,       seien. (F.G.)

       Nr. 90                                                                                                                  11
Was wir euch gerne sagen würden

Eine Welt der Vielen

Diversität und Inklusion sind Grundlagen                     wir wahrgenommen werden oder welche gesellschaft-
                                                             liche Position wir haben. Diversität bedeutet daher, die
einer zukunftsfähigen Eine Welt-Arbeit.                      Unterschiedlichkeit (Differenz) wahrzunehmen und an-
Doch wie können sie erreicht werden?                         zuerkennen und, von den unterschiedlichen Positionen
                                                             und Zugängen ausgehend, die Selbstverwirklichung und
                                                             gesellschaftliche Teilhabe jedes Individuums zu ermög-
                                                             lichen. Deshalb verfolgen Diversität und Inklusion als
Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft und Vielfalt
                                                             Konzept das Ziel, Menschen unabhängig von Herkunft,
ihre Realität. Und doch spiegelt sich diese gesellschaft-
                                                             Geschlecht, sexueller Orientierung, Religionszugehörig-
liche Vielfalt in unseren Verwaltungen, Organisationen
                                                             keit, Lebensalter, psychischen/physischen Fähigkeiten
und Strukturen noch nicht wider. Gesellschaftliche Bar-
                                                             oder dem sozialen Status als vielfältige Menschen wert-
rieren und Machtverhältnisse in staatlichen wie auch zi-
                                                             zuschätzen. Mehr noch, Diversität geht davon aus, dass
vilgesellschaftlichen Organisationen tragen immer noch
                                                             nicht nur Unterschiede, sondern auch Gemeinsamkeiten
dazu bei, dass Menschen aufgrund zugeschriebener oder
                                                             die Grundlage für ein solidarisches Miteinander bilden
tatsächlicher Zugehörigkeit(en) ungleich behandelt wer-
                                                             können. Denn Menschen können verschiedene Herkunfts-
den und sie durch strukturelle Diskriminierung ihre viel-
                                                             geschichten oder Weltanschauungen haben, aber sie kön-
fältigen Potenziale nicht entfalten oder nicht aktiv an
                                                             nen auch im gleichen Alter sein, dem gleichen Geschlecht
unserer Gesellschaft teilhaben können. Gerade Diversität
                                                             angehören oder ähnliche politische Interessen teilen. Die
als ganzheitliches Konzept und die diversitätsorientierte
                                                             Gleichzeitigkeit von Unterschieden und Gemeinsam-
Öffnung von Strukturen und Organisationen können
                                                             keiten ist als Bereicherung für alle zu verstehen: Wenn
dazu beitragen, Herrschaftsverhältnisse zu reflektieren,
                                                             Räume für die Artikulation und Repräsentation von Be-
soziale Barrieren abzubauen und aktiv gegen Diskrimi-
                                                             dürfnissen und Interessen unterschiedlicher Menschen(-
nierung und Ausgrenzung vorzugehen.
                                                             gruppen) geschaffen und ihre Potenziale, Kompetenzen
                                                             und Perspektiven gewinnbringend einbezogen werden,
Definition: Diversität und Inklusion                         gestalten sich demokratische Prozesse und gesellschaft-
                                                             liches Zusammenleben frei, selbstbestimmt, vielfältig
                                                             und konstruktiv. Um Diversität umzusetzen, müssen
Diversität beschreibt zunächst einmal nichts anderes als
                                                             Räume inklusiv gestaltet sein, gewachsene Machtstruk-
Vielfalt – wir alle sind vielfältige Menschen. Auch unsere
                                                             turen reflektiert werden und Organisationen im Sinne
sozialen Zugehörigkeiten setzen sich aus den unterschied-
                                                             einer diversitätsorientierten Öffnung bzw. Diversitätsori-
lichsten Versatzstücken zusammen. (Soziale) Inklusion
                                                             entierung transformiert werden.
ist dagegen ein Begriff, der seinen Ursprung in der päda-
gogischen Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigung hat
                                                             Das klassische Konzept von "Diversity Management"
und in einem erweiterten Sinne auf alle marginalisierten
                                                             geht im Sinne wirtschaftlicher Attraktivität eines Un-
Menschen übertragen werden kann. Er impliziert kon-
                                                             ternehmens von sechs Kerndimensionen aus (Alter, Ge-
krete Handlungsziele und Handlungsstrategien und zielt
                                                             schlecht, Behinderung, Ethnizität/Herkunft, Religion/
auf die gleichberechtigte Partizipation von Menschen, die
                                                             Weltanschauung und sexuelle Orientierung). Die soge-
Ausschlüsse auf verschiedenen Ebenen erfahren. Diver-
                                                             nannte „interkulturelle Öffnung“ geht nur von einer die-
sität und Inklusion sind, wenn man so will, zwei Seiten
                                                             ser Dimensionen (Ethnizität/Herkunft) aus. Gesellschaft-
einer Medaille – und diese nennt sich Gleichstellung.
                                                             liche Vielfalt wird dabei auf angenommene kulturelle
                                                             Unterschiede reduziert, Menschen zu „Anderen“ gemacht
Unterschiede anerkennen,                                     und Praktiken des Ausschlusses weiter verstärkt. Diver-
Gemeinsamkeiten entdecken!                                   sitätsorientierung geht dagegen von einem umfassende-
                                                             ren Verständnis von Vielfalt aus und berücksichtigt, dass
Ein vielfältiges Team besteht nicht nur aus Menschen mit     die vielschichtigen Ausschlussmechanismen miteinander
unterschiedlichen Stärken und Interessen, sondern auch       verbunden sind und sich gegenseitig bedingen. Die Dis-
aus Menschen, die in unserer Gesellschaft unterschied-       kriminierungsdimensionen werden dabei nicht hierar-
lich markiert sind. Einzelne (sichtbare) Merkmale werden     chisiert oder gegeneinander ausgespielt (Welche Gruppe
ungleich bewertet und stehen in hierarchischen Bezie-        wird „stärker“ ausgegrenzt?), sondern in ihrem Zusam-
hungen zueinander. Das hat Auswirkungen darauf, wie          menspiel erfasst und die Transformation von Organisa-

12                                                                                                                Nr. 90
tionen und Strukturen als Entwicklungsprozess in den         Jeasuthan Nageswaran, Bundeskoordinator für „Mi-
Blick gerückt (Wie können wir Ausschlüsse intersektio-       gration, Diaspora & Entwicklung“ bei der Arbeitsge-
nal verstehen und gemeinsam dagegen vorgehen?). Diver-       meinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke. Er vernetzt
sitätsorientierung ist ein Prozess, den wir alle gemeinsam   und koordiniert Akteure im Kontext des Eine Welt-
mitgestalten können. Dafür muss sich eine Organisation       Promotor*innen-Programms und berät Organisationen
bewusst für einen diversitätsorientierten (Weiter-)Ent-      und Teams zu rassismuskritischen und diversitätsorien-
wicklungsprozess entscheiden und mit allen Beteiligten       tierten Veränderungsprozessen.
ein gemeinsames Verständnis und eine Gesamtstrate-
gie von Diversität und Antidiskriminierung entwickeln.
Ist dieser Schritt getan, kann eine fachliche Instanz, die
den Prozess begleitet, auf Grundlage ihrer (Diskriminie-      Selbsttest für
rungs-)Erfahrungen und ihres Wissens entsprechende
Maßnahmen gegen Diskriminierung einleiten und pas-
                                                              (Eine Welt-) Organisationen
sende Interventions-Tools bereitstellen. Eine wichtige
Grundlage, um Ausschlussmechanismen zu erkennen und                Ihre Organisation hat eine Gesamtstrategie für
proaktiv gegen strukturelle Diskriminierung vorzugehen,            mehr Diversität und Antidiskriminierung.
ist die Erfassung von Daten zur Gleichstellung und An-
tidiskriminierung. Kommen die genannten Ausgangsbe-                Es gibt eine Instanz, die bei Diskriminierung
dingungen zusammen, kann die Diversitätsorientierung               Maßnahmen/Erfahrungen bereitstellen kann.
dazu dienen, gesellschaftliche Vielfalt in Organisationen
und Strukturen abzubilden und Unterschiedlichkeit wie              Ihre Einrichtung erfasst Daten zu
auch Gleichberechtigung gleichsam zu ermöglichen und               Antidiskriminierung und Gleichstellung.
so Diversitätskompetenzen nachhaltig aufzubauen.
                                                                   Führungskräfte werden regelmäßig zu
                                                                   Vielfaltskompetenzen geschult.
Eine Welt der Vielen – Vision für die
                                                                   Es werden regelmäßige Qualifikationen für
Eine Welt-Arbeit                                                   Mitarbeitende zum Thema Diversität angeboten.

"Eine Welt der Vielen" ist eine Vision für die Eine Welt-          Ihre Organisation setzt eine
Arbeit wie auch für die Entwicklungspolitik insgesamt, in          diskriminierungssensible Öffentlichkeitsarbeit um.
der wir die Diversitätsorientierung und gesellschaftliche
                                                                   Es werden anonymisierte Bewerbungsverfahren
Vielfalt als Stärke und Potenzial umsetzen. Dies konkre-
                                                                   eingesetzt.
tisiert sich bei der Besetzung von Stellen, der Zusammen-
setzung von Entscheidungsgremien wie auch darin, dass              Marginalisierte Gruppen werden bei gleicher
wir in der inhaltlichen Ausgestaltung entwicklungspo-              Qualifikation bevorzugt berücksichtigt.
litischer Bildungsarbeit und dem Selbstverständnis von
Deutschland als (Post-)Migrationsgesellschaft Diversität           Arbeitsorte/Räumlichkeiten sind inklusiv,
und Inklusion stets mitdenken und aktiv leben! Vielfalt            barrierearm und gendergerecht ausgestattet.
als Realität in allen (sozialen) Ebenen abzubilden, wirkt
gleichsam Projektionen und projektiven Ideologien ent-             Es gibt Kooperationen zu marginalisierten
                                                                   Netzwerken und Selbstorganisationen.
gegen und ist insgesamt als gesellschaftlicher Gegenent-
wurf zu Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung
zu verstehen. In Zeiten erstarkenden Nationalismus, Ras-
                                                              Treffen mehr als die Hälfte der 10 Punkte auf Ihre
sismus und der voranschreitenden Spaltung unserer Mi-         Organisation zu, dann haben Sie sich auf den Weg
grationsgesellschaft brauchen wir positive Gesellschafts-     gemacht, eine machtkritische, diskriminierungssensible
modelle dringender denn je. Gerade die Eine Welt-Arbeit       und diversitätsorientierte Organisation zu werden oder
kann einen Beitrag dazu leisten und aufzeigen, dass zivil-    Sie sind es bereits. In allen anderen Fällen: Lassen Sie
gesellschaftliches, entwicklungspolitisches Engagement        uns heute damit beginnen!
schon immer Einsatz für eine offene, vielfältige und in-
klusive Gesellschaft bedeutet.

       Nr. 90                                                                                                            13
Was wir euch gerne sagen würden

 Wie sage ich es richtig?

Viele Begriffe sind unklar oder werden                     Alternativen: Menschen aus Einwandererfamilien oder
                                                           Menschen mit internationaler Geschichte.
falsch gebraucht. Ein Glossar hilft weiter
                                                           Schwarze
Migranten                                                  „Wenn es um Rassismus, unterschiedliche Erfahrungen
werden vom Statistischen Bundesamt als Menschen defi-      und Sozialisationen geht, ist der politisch korrekte Be-
niert, die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepu-   griff Schwarze. In allen anderen Fällen gibt es aber mei-
blik, sondern im Ausland geboren sind. Rund die Hälfte     stens gar keinen Grund, dazu zu sagen, ob eine Person
davon sind Deutsche, die andere Hälfte hat eine auslän-    Schwarz oder weiß ist.“ (zitiert von www.derbraunemob.
dische Staatsangehörigkeit. Im Diskurs wird dieser Be-     info). Farbige / farbig ist ein kolonialistischer Begriff und
griff häufig irrtümlich als Synonym für Menschen mit       negativ konnotiert. Eine Alternative sind die Selbstbe-
Migrationshintergrund verwendet.                           zeichnungen People of Color (PoC, Singular: Person of
                                                           Color), Black and People of Color (BPoC) oder Black and
Menschen mit Migrationshintergrund                         Indigenous People of Color (BIPoC).
sind nach statistischer Definition
• in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer      Mischehe
• eingebürgerte Deutsche, die nach 1949 in die Bundesre-   beruht als Begriff auf der Rassentheorie und wurde vor
publik eingewandert sind                                   allem im Zuge der „Rassenhygiene“ zur Zeit des Natio-
• sowie in Deutschland geborene Kinder mit deutschem       nalsozialismus verwendet. Gute Alternativen sind binati-
Pass, bei denen sich der Migrationshintergrund von min-    onale, bikulturelle oder ggf. interreligiöse Ehe.
destens einem Elternteil ableitet.
Zunächst wurde »Personen mit Migrationshintergrund«        Wir
in der Verwaltungs- und Wissenschaftssprache verwen-       kann missverständlich wirken, wenn beispielsweise von
det. Doch als durch Einbürgerungen und das neue Staats-    »wir Deutschen« die Rede ist, aber nur Deutsche ohne
angehörigkeitsrecht von 2000 der Begriff Ausländer nicht   Migrationshintergrund gemeint sind. Als Alternative
mehr zutraf, um Einwanderer und ihre Nachkommen            kann Herkunftsdeutsche passender sein.
zu beschreiben, ging die Formulierung auch in die Um-
gangssprache ein. Heute wird der Begriff oft als stigma-   Diese und weitere Definitionen sind zu finden im
tisierend empfunden, weil damit mittlerweile vor allem                            Glossar der Neuen deutschen
                                                                                  Medienmacher*innen
(muslimische) »Problemgruppen« assoziiert werden. Gute                            (www.glossar.neuemedienmacher.de)

 Die Interkulturellen Promotoren mit Kontaktdaten

 Wir sind für Ihre Fragen da:
                                   Regierungsbezirk Stuttgart                    Regierungsbezirk Karlsruhe
 Regierungsbezirk Tübingen         Hala Elamin                                   Dr. Rajya Karumanchi-Dörsam
 Ivonne Cadavid                    Telefon: 07 91.9 70 66-31                     Handy: 0 15 90.6 75 27 95
 Handy: 01 57.80 78 14 13          Handy: 01 52 .05 91 32 67                     rajya.ikp@simama-stehauf.de
 ivonne.cadavid@telar-ev.org       elamin@afroprojects.org
                                                                                 Regierungsbezirk Freiburg
                                   Region Stuttgart                              Alex M. Moepedi
                                   Farina Görmar                                 Handy: 01 76.72 97 62 52
                                   Telefon: 07 151.1 33 10 70                    E-Mail: alex.moepedi@fairburg.de
                                   Handy: 0 15 21.2 96 86 49
                                   ik.promotorin@afrokids-international.org      Informationen: www.deab.de

14                                                                                                                 Nr. 90
Rezept

         Wir lieben es schar f: Aguachile

 Mauricio Salazar ist ein kluger Menschenrechts-Experte             erst Salz, dann Limettensaft dazu geben, Fisch etwa 20
 und ein begnadeter Hobbykoch. Freunde, Nachbarn,                   Minuten kühl stellen.
 Kollegen und Studierende aus allen Ländern scharen sich            Zwiebeln und Gurken in Halbringe schneiden, Tomaten
 gerne um seinen Tisch. Lebhafte Diskussionen werden                würfeln. Sobald der Fisch eine feste Konsistenz hat und
 bei seinen Speisen geführt und so manches Herzensleid              mit Zitronensäure vollgesaugt ist: verbleibenden Limetten-
 gemildert – Effekte, die der engagierte Studienleiter gern         saft mit Chili-Schoten, einer halben Gurke und Koriander
 auf die Schärfe seines Essens und seine geliebten Chilis           im Mixer mixen. Die Mischung zu den Gurken, Zwiebeln
 zurückführt. Nun nimmt Salazar eine neue Herausforde-              und Fisch geben, gut vermischen. Am Schluss mit Korian-
 rung in seiner Heimat Mexiko an. Zum Abschied schenkt              derblättern und dünnen Chili-Rädchen dekorieren.
 er uns eines seiner Rezepte und rührt uns damit wieder
 einmal zu Tränen: Aguachile mit Fisch oder Pilzen.                 Vegane Pilz-Variante: statt Fisch 500 g Pilze (Austernpilze
                                                                    und Champignons) trocken mit einer Bürste oder Serviet-
 Zutaten*: 500 g Fisch (Sushi-Qualität), 8 Limetten,                te putzen, in Streifen schneiden und in der Pfanne ohne
 2 rote Zwiebeln, 2 Tomaten, 2 Gurken, 4 grüne                      Fett kurz rösten (mittlere Temperatur), dabei rühren, bis
 Chili-Schoten (sehr scharf! Wer es weniger scharf mag,             sie braun sind. Dann in eine Schüssel geben. 4 Limetten
 nimmt nur 1 Chili-Schote ohne Kerne), 1 Bund Koriander             (statt 8 wie beim Fisch) pressen, Saft zu den Pilzen geben
 oder Petersilie, 10 Tortillas / Tostadas, Meersalz,                und 20 Minuten ruhen lassen. Danach den gleichen
 1 EL Olivenöl (Extra Vergine)                                      Schritten wie beim Fischrezept folgen.
                                *möglichst in öko-fairer Qualität
                                                                    Servieren mit „Tostadas“ (Mais-Tortillas), die auf dem
 Zubereitung: Limetten auspressen (ohne weiße Innen-                Blech für 10 – 15 Minuten bei 180 Grad gebacken werden.
 haut, die bitter schmeckt). Fisch in Würfel schneiden,             Alternativ: Tortilla-Chips oder Dinkelbaguette.

Nr. 90                                                                                                                  15
Asylpolitik

Unser moralisches Angebot

Immer mehr Kommunen                       Größe unserer Stadt liegt. Wir stre-   fahren muss nicht auf Lesbos statt-
                                          ben eine Kooperation mit Bund und      finden, die Lasten könnten auf die
erklären sich zu Sicheren                 Land, Innenministerium, Polizei        Länder verteilt werden.
Häfen. Sie bieten der Poli-               und Verfassungsämtern an, damit
tik ihre Hilfe an, doch die               höchstmögliche Sicherheit vorhan-      In Palermo wurde im Juni 2021 von
                                          den ist und wir keine Terrorverdäch-   33 Bürgermeistern die Internationa-
duckt sich weg. Und nun?                  tigen holen. Die Veränderung wäre,     le Allianz der Städte Sicherer Häfen
                                          dass die Politik das Angebot der       gegründet. Was erhoffen Sie sich da-
                                          Kommunen annimmt!                      von?
                                                                                 Die Bundesregierung wird nicht
                                          Warum engagieren Sie sich so stark?    müde darauf zu verweisen, dass wir
                                          Viele Menschen haben eine lange        eine europäische Lösung brauchen.
                                          Fluchtgeschichte im eigenen Kon-       Doch zu warten bis alle EU-Länder,
                                          tinent. Wir möchten, dass sie eine     insbesondere die osteuropäischen,
                                          sichere Ankunft am Endpunkt der        überzeugt sind, dauert zu lange.
                                          Flucht haben und ein Asylverfah-       Wenn zehn oder zwölf EU-Staaten
                                          ren bekommen, das alle Ansprü-         gemeinsame Sache machen würden,
                                          che erfüllt. Natürlich muss es eine    fiele es den anderen schwer, sich zu
Herr Neher, Rottenburg erklärt sich       Rückführung geben, wenn das Asyl-      entziehen. Mit der Allianz zeigen wir,
als Sicherer Hafen bereit, mehr Ge-       verfahren scheitert. Die Zustände      dass nicht nur deutsche Städte und
flüchtete als der Verteilschlüssel vor-   in Lesbos und auf dem Mittelmeer       Kommunen sich zu einer Aufnahme
gibt aufzunehmen. Seit zwei Jahren        erfordern alle Anstrengungen, die      von Geflüchteten und die Umsetzung
engagieren Sie sich außerdem im           Menschenrechte, die wir in Euro-       der Menschenrechte bekennen. Auch
Bündnis Städte Sicherer Häfen. Wa-        pa hochhalten, zu leben. Lippen-       Städte aus Ländern wie Italien, die
rum?                                      bekenntnisse genügen nicht. Wir in     als Grenzland sehr in Anspruch ge-
Es ist in der Vergangenheit zu wenig      Rottenburg sind uns als Bischofs-      nommen sind, treten dem Bündnis
geschehen. Bundesländer und Bun-          stadt unserer christlichen Verant-     bei. Gemeinsam möchten wir den
desregierung behaupten nach wie           wortung bewusst.                       Druck auf europäische Politik erhö-
vor, es wären nicht genügend Kapa-                                               hen. Jeder versucht, in seinem Land
zitäten vorhanden, um Geflüchtete         Und der viel beschworene Pull-Ef-      etwas voranzubringen.
aufzunehmen. Unser Ziel ist zu zei-       fekt?
gen, dass wir das auf kommunaler          Ich sehe keine Gefahr, dass es zu      Die Bundestagswahl steht bevor.
Ebene nicht so sehen. Wir haben           einem Pull-Effekt kommt. Die Not       Wird sich etwas ändern?
sowohl Wohn- als auch Betreuungs-         der Menschen ist so groß, dass sie     Ich hoffe schon, dass sich in den
kapazitäten. Es sind Ehrenamtliche        sich auf den Weg machen, unab-         kommenden Monaten etwas bewegt.
da, die unterstützen möchten. Als         hängig davon, was sie am Ende der      Wir möchten auch auf Länderebe-
Teil des Bündnis Städte Sicherer Hä-      Flucht erwartet.                       ne den Druck auf die Landesregie-
fen bieten wir der Bundesregierung                                               rungen erhöhen, damit die Länder
unsere Kooperation an, um die Not         Der Erste Bürgermeister von Rotten-    im Bundesrat auf die Bundesregie-
auf dem Mittelmeer oder in Flücht-        burg war in Lesbos. Was erlebte er?    rung einwirken. Eine grün-schwarze
lingslagern wie in Griechenland zu        Unser Erster Bürgermeister Thomas      Regierung in Baden-Württemberg
mildern.                                  Weigel berichtete, wie unwürdig die    wäre eigentlich prädestiniert, sich
                                          Zustände dort sind, insbesondere für   für unser Anliegen einzusetzen. Die
Aber die Bundesregierung nimmt            die Heranwachsenden. Kinder und        CDU sollte ihre christlichen Werte
das Angebot nicht an. Welche Verän-       Jugendliche haben keinen Zugang        leben und die Grünen nicht nur re-
derungen wären nötig?                     zu Bildung, keine Perspektive, die     den, sondern handeln.
Einige Städte Sichere Häfen fordern       Menschen leben auf engstem Raum.
ein kommunales Aufnahmerecht.             Weigel erzählte, dass er nachts im     Gibt es auch Erfolge?
Wir sind da zurückhaltender, was          Traum die Gerüche des Lagers nach      Immer mehr Kommunen treten dem
vielleicht auch an der kleineren          Kloake in der Nase hat. Das Asylver-   Bündnis bei. Sie repräsentieren zu-

16                                                                                                               Nr. 90
In Potsdam schlossen sich Kommunen zum Bündnis Städte Sicherer Häfen zusammen. Seit Juni 2021 gibt es eine Internationale Allianz.

sammen einen Großteil der Bevöl-             Erfolg in Rottenburg: Wir konn-               des Bündnis Städte Sicherer Häfen
kerung. Gerade in der Kommune                ten fünf Bootsflüchtlinge aufneh-             zählt und Teil der neugegründeten
                                                                                           Internationalen Allianz der Städte
sind wir sehr nah an den Bedürf-             men und hoffen über das Programm              Sicherer Häfen ist.
nissen der Menschen – die Bundes-            „NesT“ der Bundesregierung weite-
regierung kann somit nicht sagen,            ren Flüchtlingen aus den überfüllten          „Neustart im Team“ (NesT):
                                                                                           Aufnahmeprogramm der
dass die Bevölkerung unsere Forde-           Lagern helfen zu können.                      Bundesregierung für 500 besonders
rungen ablehnt. Wenn immer mehr                                                            schutzbedürftige Geflüchtete.
Menschen unsere Ziele unterstützen,          Zur Person:                                   Die Aufnahme ist nur möglich,
                                             Stephan Neher ist Oberbürgermeister           wenn sich einzelne Menschen oder
kann sich die Politik nicht entschul-        der Stadt Rottenburg am Neckar,               Organisationen zu einer Gruppe
digend wegducken. Und ein kleiner            die zu den Gründungsmitgliedern               zusammenschließen.

 Sichere Häfen: Es werden immer mehr                               Internationale Allianz der Städte Sicherer Häfen: gegründet
                                                                   am 25. Juni 2021 in Palermo (Italien). 33 Bürgermeister
 Sichere Häfen: Auf Initiative der „Seebrücke“ sind seit Som-      aus sieben europäischen Staaten verteidigen in der Erklä-
 mer 2018 über 250 Kommunen in Deutschland zu „Sicheren            rung „From the Sea to the City“ das Recht auf Asyl, wenden
 Häfen” geworden und haben ihre Bereitschaft erklärt, mehr         sich gegen Transitzonen an den europäischen Außengrenzen
 Schutzsuchende aufzunehmen, als der Verteilschlüssel vor-         und setzen sich für eine eigenständige und direkte kommu-
 gibt. Sie treten ein für einen Wandel der europäischen Asyl-      nale Aufnahme von Schutzsuchenden ein. Unterzeichner der
 und Migrationspolitik.                                            Basiserklärung: Palermo, Potsdam, Amsterdam, Athen,
                                                                   Barcelona, Marseille, Villeurbanne, Trier, Kiel, München,
 Bündnis Städte Sicherer Häfen: gegründet am 14. Juni 2019         Heidelberg, Gütersloh, Bergamo, Lampedusa, Pozzal-
 in Potsdam. Das Bündnis vernetzt Sichere Häfen und bündelt        lo, Reggio Calabria, Rottenburg, Flensburg, Göttingen,
 die gemeinsamen Interessen, um den Forderungen mehr Ge-           Braunschweig, Greifswald, Mannheim, Leipzig, Northeim,
 wicht zu verleihen. Gründungsmitglieder: Freiburg, Marburg,       Dormagen, Münster, Jülich, Bonn, Marburg, Dortmund,
 Rottenburg am Neckar u. a. Mitgliederzahl: 100 (Juli 2021).       Darmstadt, Würzburg, Tirana.

  Mitmachen:                                                       minalisierung der zivilen Seenotretter und ein europäisches
                                                                   Seenotrettungsprogramm. www.rettungskette.eu
  Hand in Hand: Rettungskette für
  Menschenrechte
  Mit einer Menschenkette von Hamburg bis zum Mittelmeer
  möchte die Aktion „Rettungskette für Menschenrechte“ am
  18. September ein Zeichen für mehr Menschlichkeit und ge-
  gen das Sterben im Mittelmeer setzen. Die Kette führt auch
  durch 37 Städte in Baden-Württemberg, z. B. durch Mann-
  heim, Karlsruhe, Pforzheim, Stuttgart, Eislingen, Göppin-
  gen, Ulm. Reihen Sie sich ein für ein offenes, buntes und
  friedliches Europa, die Schaffung sicherer Fluchtwege, einen
  humanen Umgang mit Menschen auf der Flucht, die Entkri-

       Nr. 90                                                                                                                    17
Sie können auch lesen