Die Berge und wir - Deutscher Alpenverein
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DAV-Kultur im Jubiläumsjahr Die Berge und wir „Wir lieben die Berge“ heißt das Motto des DAV. Das „Wir“ penverein, seine Sektionen und Mitglieder anlegten: Gemälde steht auch im Zentrum seiner kulturellen Aktionen im Jubilä- und Fotos, Utensilien des Bergsteigens und Alben zur privaten umsjahr: Eine neu gestaltete Ausstellung samt Begleitband Erinnerung machen deutlich, wie breit das Interesse an den im Alpinen Museum und eine spannende Veranstaltungsreihe Bergen von Anfang an war. Sie lassen gleichzeitig die Wellen spüren den Empfindungen nach, die entstehen, wenn Men- und Moden erkennen, die oft von gesellschaftlichen Entwick- schen und Berge sich begegnen. lungen getragen waren. Zeugnisse ambitionierter Bergfahrten Text: Friederike Kaiser finden sich dabei ebenso wie liebevoll gestaltete Skizzenbü- cher zu Wanderungen in den bayerischen Voralpen oder das Gästebuch des Pfarrhofs von Vent im Ötztal, in dem Alpenrei- Die Berge sind überall. Allein unter dem Hashtag #nature fin- sende der 1860er und 1870er Jahre Erlebnisse und Anregun- den sich 380 Millionen Posts, 87 Millionen unter #wanderlust. gen festgehalten haben. Überwältigende Landschaften und die Begegnung mit der Na- Schon die Gründer des Alpenvereins hatten unterschiedliche tur scheinen – zumindest am Bildschirm – fest zu unserem heu- Ziele. Doch sie einigten sich auf gemeinsame Maßnahmen, um tigen Leben zu gehören. Mit Kletterhallen und Boulderzentren die Alpen für den Bergtourismus zu erschließen und einen Beitrag zur Erforschung und Vermittlung ihrer Foto: Bettina Warnecke faszinierenden Geologie, Fauna und Flora zu leisten. Der Verband sollte für möglichst viele Menschen attraktiv sein; jeder sollte im Rahmen seiner Fähigkeiten und Neigungen mit- Alpines Museum: Prater- machen können. Die insel 5, 80538 München, geöffnet Dienstag - Sonntag über die österreichi- und an Feiertagen, 10-18 Uhr sche Monarchie und alpines-museum.de das ganze spätere Deutsche Reich zerstreuten Sektionen legten in wenigen Jahren ein umfangreiches Hütten- und Wegenetz an, ihre Mitglieder veröffentlichten Er- lebnisse und Ergebnisse in der Vereinszeitschrift oder schufen (wie der erste Vereinspräsident Georg von Bezold und die bayerische Königin Marie Therese) Panoramen, die zur Orientierung dienen sollten. Eine Vielfalt von Exponaten zeigt, wie die Alpenfreunde die Region ihrer Leidenschaft erforscht und erhalten haben. Von den Mitgliedern gingen auch die ersten Rich- tungsänderungen im Verein aus. Ab etwa 1890 ist der Bergsport zudem längst in die Städte eingezogen und gewann das leistungs- und risikoorientierte Bergsteigen immer die Werbung mit den Bergen ist allgegenwärtig. Der Rolle der größere Bedeutung und zog Forderungen nach Winterräumen Berge in unserer Gesellschaft und der Frage, in welcher Weise und der Ausbildung des Nachwuchses nach sich. Nach dem Ers- der Alpenverein daran gestaltend beteiligt war und ist, wid- ten Weltkrieg lösten Erschließungs- und Staudammprojekte men sich 2019 die Jubiläumsausstellung, eine Vortragsreihe erste große Aktionen für den Naturschutz aus. Doch ähnlich wie und ein neues Buch des Alpinen Museums. später das Sport- und Wettkampfklettern dauerte es Jahre, bis sich die neuen Aufgaben dauerhaft im Verein etablierten. Aus Perspektive der Menschen Eine Vereinsgeschichte muss sich auch jener vergewissern, die Die Ausstellung im Alpinen Museum legt ihren Fokus auf die dort keinen Platz fanden oder nicht das Wort führten. Der frühe Menschen. Wie hat sich ihr Verhältnis zu den Bergen in den Alpenverein war vor allem vom Bürgertum und vom Adel ge- vergangenen 150 Jahren gewandelt und wie damit auch der prägt; Handwerker und Arbeiter wurden erst nach 1918 zu einer Verein? Auskunft darüber geben die Sammlungen, die der Al- wahrnehmbaren Gruppe. Auch Frauen gingen zwar in die Berge, 8 DAV 3/2019
Berg & Tal Die Alpen. Der gefährdete Traum Vortragsreihe zum Jubiläum In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) widmet Illustration: Erbse sich eine hochkarätig besetzte Vortragsreihe ak- tuellen Herausforderungen. Mit soziologischen und ökonomischen Ansätzen werden Erklärungen für die Bergleidenschaft unserer Ge- sellschaft gesucht und die Ergebnisse in die Diskussionen um Lö- sungsansätze eingebracht. Mehr Info zu Inhalten und Diskutanten plus Livestream, der auch archiviert wird: waren aber als Mitglieder kaum präsent. Eine eigene Geschich- alpenverein.de/vortragsreihe 2019 te ist die der Jüdinnen und Juden, die seit Anfang der 1920er Der Ruf der Berge – eine resonanztheoretische Deutung Vortrag von Jahre massiver Missachtung, Einschränkung und Ausgrenzung Prof. Dr. Hartmut Rosa und Gespräch mit Prisca Straub. Donnerstag, 16. Mai, 19 Uhr, BAdW ausgesetzt waren. In der Ausstellung werden einzelne Perso- nen beispielhaft mit einigen wenigen Zeugnissen vorgestellt. Versportlichung des Bergsteigens Prof. Dr. Robert Gugutzer im Ge- Auf dem Weg zum lebendigen Verein von heute spielte die spräch mit Prof. Dr. Helga Peskoller und Alexander Huber, moderiert von Michael Pause. Frage der Kontinuitäten eine besondere Rolle. Was änderte Dienstag, 21. Mai, 19 Uhr, Alpines Museum sich nach 1945 im Verein, der dem Nationalsozialismus zuge- arbeitet hatte, was blieb gleich? Exemplarisch zeigen das die Medialität und Vermarktung des Bergsports Dr. habil. Jens Badura im Gespräch mit Mesi Tötschinger und Ines Papert, moderiert von Mi- Lebensläufe von Mitgliedern der Leitungsgremien und die chael Ruhland. Bildsprache der Publikationen des Alpenvereins. Gleichzeitig Donnerstag, 6. Juni, 19 Uhr, Alpines Museum reformierte sich der Verein kontinuierlich, beispielsweise mit Alpenvereinskultur – eine „andere“ Ökonomie? Prof. Dr. Monika der Neuausrichtung des Naturschutzes und einer stärkeren Schnitzer im Gespräch mit Roland Stierle und Prof. Dr. Bernd Sieben- Eigenständigkeit der Jugend in den 1960er und 1970er Jahren. hüner, moderiert von Silvia Liebrich. Neue Personengruppen kommen heute im Verein und in der Donnerstag, 27. Juni, 19 Uhr, BAdW Ausstellung zu Wort und geben ihren Anliegen eine Stimme. Raumordnungskonzepte und Naturschutz im Alpenraum Dr. Raimund Sie werden für weitere Richtungsänderungen sorgen. Rodewald im Gespräch mit Prof. Dr. Gerlind Weber und Dr. Roland Kals, moderiert von Dr. Georg Bayerle. Mehr als nur Begleitprogramm Donnerstag, 4. Juli, 19 Uhr, Alpines Museum Erstmals finden Führungen durch die Ausstellung auch in Ein- Herausforderung Klimawandel Dr. Christoph Mayer im Gespräch mit facher Sprache und Gebärdensprache statt. Kinder und Fa Rudi Erlacher, Thorsten Glauber und Dr. Michael Staudinger, mode- milien erwartet ein umfangreiches Programm wie etwa eine riert von Miriam Stumpfe. „Wanderkarte“, mit der Kinder Ausstellung und Garten des Montag, 15. Juli, 19 Uhr, BAdW Alpinen Museums auf besondere Weise erkunden können. Im reich bebilderten, großformatigen Buch, das zur Ausstel- lung erscheint, ist die DAV-Geschichte mit vielen Hintergrün- Alpenverein im Ötztal Wo der Vereinsgründer Franz Senn wirkte, ha- ben heute neun DAV-Sektionen ihre Arbeitsgebiete und Hütten. Zum den und historischen Forschungsergebnissen attraktiv aufbe- Vereinsjubiläum haben sie ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm reitet – eine anregende Ergänzung zur Ausstellung und zum aufgestellt, mit Ausstellungen, Vorträgen und Bergbesteigungen. Nachlesen. Und im Jubiläumsjahr werden an sechs Veranstal- Faltblatt zum Download: alpenverein.de/150-oetztal Foto: SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk tungsabenden prominente Experten aktuelle Themen für Al- Geburtstag in Hamburg Wohl kaum ein Gemäl- pinismus und Gesellschaft diskutieren (s. rechts). de packt die Faszination der Bergnatur so emo- tional wie Caspar David Friedrichs „Wanderer Friederike Kaiser ist Leiterin des über dem Nebelmeer“ (1817). Seine Museums- DAV-Geschäftsbereichs Kultur und heimat, die Hamburger Kunsthalle, feiert in die- begeisterte Bergsteigerin. Sie war sem Jahr auch ihren 150. Geburtstag – und DAV- wesentlich an der Konzeption und Erarbeitung der Ausstellung und Mitglieder zahlen nur 11 statt 14 Euro Eintritt. des Begleitbuches beteiligt. hamburger-kunsthalle.de DAV 3/2019 9
Rudi Erlacher zur Jubiläums-Veranstaltungsreihe „Ein Scherflein Klugheit und Weitsicht“ Zum 150. DAV-Jubiläum veranstaltet das Al- bringt. Diese Entzweiung pine Museum des DAV gemeinsam mit der sucht sich eine kulturelle Rudi Erlacher Bayerischen Akademie der Wissenschaften Kompensation für dieses Der Diplomphysiker und ge- eine sechsteilige Vortragsreihe (s. S. 9) und Defizit und erfindet die Al- standene Bergsteiger kümmert sich als Vizepräsident im DAV setzt damit die aktuelle Bergbegeisterung pen als Fluchtraum. Diese vor allem um Themen, die mit in einen gesellschaftlich-historischen Kon- Sichtweise wandelt sich. Naturschutz und kulturellen text. Georg Hohene ster befragte den Wozu auch die Entwicklung Zusammenhängen im Alpinis- DAV-Vizepräsidenten Rudi Erlacher zu den in den Städten beiträgt: Sie mus zu tun haben. Hintergründen. werden immer lebenswer- ter – was soll man da noch kompensieren? bar zu machen. Dabei droht sie uns jedoch Warum braucht es eine Vortragsreihe mit Und doch strömen die Leute begeistert in stumm und fremd zu werden: Lebendigkeit dem Titel „Die Alpen. Der gefährdete die Berge, so dass man schon von Over- entsteht aus der Akzeptanz des Unverfüg- Traum“? Mountaineering spricht. baren.“ Das ist „die Gefährdung“! Seit 150 Jahren sind die Alpen im Fokus der Der Soziologe Hartmut Rosa bringt es in Wir verstehen damit besser, was uns moti- Wissenschaft und des Tourismus. Das meint seinem neuesten Essay über die „Unver- viert und wie wir es zugleich gefährden – die Alpen „als Traum“. Welcher Traum? Lan- fügbarkeit“ als basale Ressource für ein das verlangt nach einer erneuten Vertie- ge war das Nachdenken über die Faszinati- gelingendes Leben auf den Punkt: „Die fung, wie sie die Alpenvereine übrigens on des Gebirges geprägt von einer mehr Moderne ist darauf ausgerichtet, mög- immer wieder geleistet haben: die Selbst oder weniger expliziten Kritik an der Mo- lichst viel ‚Welt‘ verfügbar zu machen, um reflexion des eigenen Tuns aus dem Wis- derne: Mit der Moderne kommt eine Art die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit sen der Zeit heraus. Entzweiung des Menschen mit seinen kul- unverfügbarer, aber ersehnter und erfül- turellen Wurzeln in die Welt. Das ist quasi lender Resonanzerfahrungen zu erhöhen.“ Weshalb sind gerade die sechs behandel- die Schattenseite zu den Erleichterungen, Erfüllende „Resonanzerfahrungen“ wären ten Themen relevant? die gerade die Industrie den Menschen demnach nicht eine Kompensation für ein Wir beginnen mit einem Vortrag des eben Defizit, sondern die Moder- zitierten Hartmut Rosa, in dem es genau Fotos: Jürgen Winkler, DAV ne ermöglicht in besonde- um den „Alpinismus als ‚Projekt‘ der Mo- rem Maß einen Naturbezug derne“ in seiner Ambivalenz geht. Der als Selbstzweck – das ist zweite Termin behandelt den Megatrend „der Traum“. Aber die Mo- einer „Versportlichung der modernen Kul- derne ist maßlos und tur“ und wie sich dies auf den Umgang mit schüttet das Kind mit dem der Bergwelt auswirkt. Der Sport benötigt Bade aus. Rosa weiter: „Un- ja in der Regel ein Sportgerät und eine In- ablässig versucht der mo- frastruktur, das ist oft heikel für den alpi- derne Mensch, die Welt in nen Naturraum. Wir sehen eine Ver-Ding- Reichweite zu bringen: sie lichung auch im Bergsport. Zum Beispiel ökonomisch verfügbar und im E-MTB-Sektor: Zuerst sah man hier eine technisch beherrschb ar, Art „helfende Hand“, um Senioren ein paar wissenschaftlich erkennbar Jahre mehr im Gebirge zu gönnen – jetzt und politisch steuerbar und entsteht mit dem Uphillen eine neue zugleich subjektiv erfahr- Sportart, wo Mensch-Maschine-Einheiten artistisch steile Bergpfade hochklettern. Daneben gibt es Free-Solo-Kletterer wie Hat unsere Zivilisation den Durchblick verloren? Wo Alex Honnold, der im Fokus der Medien finden wir Rückhalt und steht. Der Film über seine Begehung der Orientierung? Nur beim Route „Freerider“ am El Capitan erhielt Bergsteigen ist die Realität etwas Einfaches. den Oscar für den besten Dokumentarfilm. 10 DAV 3/2019
Berg & Tal Doch was wird dokumentiert? Nur die „bespielt“ der Alpenverein diesen Raum andere Player den alpinen Raum in Wert sportliche Tat oder die Faszination dieses mit einer spezifischen Ökonomie, die ver- setzen, die sich um diese Einschränkung Grenzgangs in der modernen Welt? Ein sucht, das, was Hans Magnus Enzensber- nichts scheren. Moment, das allen alpinen Grenzgängen ger 1958 in seinem berühmten Essay (Ver- Die zwei letzten Themen kreisen um „Raum von Anfang an innewohnte. gebliche Brandung der Ferne. Eine Theorie ordnung und Naturschutz“ und den Klima- Auch dieses „Potenzial der Medien“ als des Tourismus, Red.) prophezeit hat, nicht wandel. „Raumordnung und Naturschutz“ Welt sich ständig wandelnder Optionen Wirklichkeit werden zu lassen: „Der Touris- fassen das bisher Gesagte zusammen, in- nehmen wir in den Fokus. Die Chancen und mus zerstört, was er sucht, indem er es fin- dem sie ein Koordinatensystem für den die prekären Seiten, wenn zum Beispiel det“. Mit der „Ressourcenspende der Sekti- alpinen Raum entwerfen und in eine an die hintersten Winkel der Natur als Kulisse onen“ für den Ausbau und Erhalt von Hütte Nachhaltigkeit orientierte Politik überset- für das Selfie herhalten müssen. und Arbeitsgebiet hat man der vom Alpen- zen – eine Politik, die oft von Interessen Schließlich erinnern wir daran, dass der verein ins Gebirge gebrachten Infrastruktur bedrängt wird, die mit Nachhaltigkeit we- alpine Raum für einen ganzen Strauß un- weitgehend den Stachel des Profits gezo- nig am Hut haben. Und der Klimawandel terschiedlicher Erfahrungen ökonomisch gen. Jetzt erhält man diese Infrastruktur auf brennt uns am meisten auf den Nägeln: betrachtet ein Allgemeingut ist. Eine All- einem zeitgemäßen Niveau. Diese defensi- Überproportional steigende Temperaturen mende, die niemandem gehört, aber von ve Hintergrunds-Ökonomie ist den meisten erodieren eine Infrastruktur, von der man vielen aufgesucht wird. Seit 150 Jahren nicht bewusst. Und sie ist gefährdet, sobald früher meinte, sie wäre auf festem Fels ge- gründet und würde den Alpinisten das ewi- ge Eis etwas zugänglicher machen – aber Das Buch für alle, die die Berge lieben: alles ist in Bewegung. „Die Berge und wir“ reflektiert umfangreiche Forschungen im Vorfeld. Die Texte des Buches behandeln Facetten der Welche Ergebnisse versprechen Sie sich Geschichte des Alpenvereins, die erstmals seit Jahrzehn- ten in ihrer Gänze dargestellt wird. Zahlreiche großfor- für den DAV? matige Fotos und Bildstrecken bieten ein besonderes Ein Scherflein beizutragen für ein kluges, optisches Erlebnis. weitsichtiges Handeln – und keine Scheu, „Die Berge und wir. 150 Jahre Deutscher Alpenverein“; auch von der Politik ein solches Handeln 320 Seiten, 400 Abbildungen, Prestel Verlag München. Erhält- lich im Buchhandel für € 39,- (Hardcover), für Mitglieder zu einzufordern, gerade in der Klimapolitik. € 34,- (Softcover) im Alpinen Museum und im dav-shop.de OCK Softshelljacke Herren SCHLAUER MAMMUT ULTIMATE V Softshelljacke Herren €59 95 FUCHS? €259 95 ODER COOLER HUND? Softshelljacken in allen Preis- klassen und für jede Gelegenheit. Jetzt in unseren Filialen und auf SPORTSCHECK.COM
„Haltung zeigen!“ Mobilität per PKW Berg-Auto-Zukunft? Wie werden wir künftig zum Bergsport fahren? Korrekt ren die Fahrzeuge andere Leute zum Einkauf, Kinder zum Kin- betrachtet, sind derzeit Batterie-Elektroautos kein echter dergarten, Pakete zu Ausgabestellen oder füllen Energie aus Gewinn für die Umwelt – während die attraktive Alternative dem Strom- oder Gasnetz nach. Parkplatz- und Stauprobleme Erdgas quasi totgeschwiegen wird. Ein Vergleich der Sys würden reduziert, weil die Autos geteilt werden. Das braucht teme kann bei der Kaufentscheidung helfen. eine gewisse innere (statt karosseriegestützte) Größe und Da- tenschutz-Aufmerksamkeit, aber es könnte sogar am Berg Wir wollen nicht diskutieren, was eher gerechtfertigt ist: an funktionieren: Anfahrt mit der Bahn, vom Bahnhof mit dem 250 Tagen im Jahr 12 Kilometer zur Arbeit pendeln; an zehn autonomen Taxi in den Talschluss, und nach der Tour wird Wochenenden von Stuttgart oder Ingolstadt 300 Kilometer man wieder abgeholt. Wenn man viel Gepäck hat oder etwas in die Alpen zu fahren; oder im Urlaub ans Rote Meer zu flie- deponieren muss, kann man das Auto auch für die Touren- gen (3000 km). dauer exklusiv mieten. Aber wenn wir als Ziel ansetzen würden, mit den „klima-ak- Zukunftsmusik, klar – und nicht für jeden wohlklingende. Aber zeptablen“ 2,3 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr auszukommen, ohnehin gibt es zu solchen Ideen höchstens erste zaghafte Versuche. Das Bahn- und Foto: Jürgen Winkler Busnetz ist für längere Tou ren meist zu lückig (räumlich und zeitlich) – wer in die Berge fährt, braucht und nutzt meist ein Auto. Heute, und höchstwahrscheinlich auch noch in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Um dabei den CO2-Ausstoß zu reduzieren, gibt es zwei allererste Punkte: a) Wähle dein Auto so klein wie möglich und nur so groß wie unbedingt nötig. Jedes So arg weit vorwärts gekommen ist die Verkehrspolitik nicht in den letz- Kilo Gewicht, jeder Qua ten zwanzig Jahren – wer schafft es, die Leitplanken zu durchbrechen? dratzentimeter Luftwiderstand kostet Treibstoff, ein überpro- portionierter SUV erzeugt zwei- bis dreimal soviel CO2 wie ein muss man für jede Autofahrt und Reise, die man nicht ver- Kleinwagen (der schöne Campingbus leider auch …). Und b) meiden kann oder will (1. Priorität), überlegen, wie man den Teile deine Fahrt. Die Pro-Kopf-Emission ergibt sich aus der ökologischen Reifenabdruck reduzieren könnte (2. Priorität) Ökobilanz des Fahrzeugs geteilt durch die Zahl der Insassen. – was übrig bleibt, ließe sich zuletzt noch kompensieren. Wie aber reduziere ich die Ökobilanz des Autos selbst? Dazu Werfen wir dazu einen Blick in eine Mobilitätszukunft, die zuerst noch eine Zukunftsaussage: Treibstoffe aus fossilen ungefähr so viel an politischer und weltbürgerlicher Verant- Quellen sollten tabu sein. Allein schon, weil Erdöl ein wich- wortung verlangen würde, wie der Weltklimarat gefordert hat tiger Rohstoff für Kunststoffe ist, ohne die unsere Welt nicht („beispiellose Veränderungen“ seien nötig, um katastrophale funktioniert. Wir brauchen „regenerative Treibstoffe“. Also Klima-Wirkungen zu verhindern). Autos besitzt man nicht nicht etwa „Biodiesel“, der per Industrielandwirtschaft der mehr, man benützt sie, wenn es nötig ist. Dafür steht flächen- Welternährung Konkurrenz macht. Sondern beispielsweise deckend eine Flotte autonomer, klimaneutraler Fahrzeuge Biogas aus Reststoffen, organischen Abfällen, Mist. Oder re- bereit, die man per App bestellt und die uns von A nach B generativen Strom – also nicht den deutschen Braunkohle- bringen. Wahrscheinlich steigen unterwegs Mitfahrer ein mix aus dem Hambacher Forst, sondern Ökostrom aus ei- oder aus – und während die einen im Büro sind, transportie- gens dafür neu gebauten Windrädern oder Solarfeldern. Zur 12 DAV 3/2019
Berg & Tal Mach’s einfach! ist eine Kampa- gne des Projekts „Bergsport mit Zu- kunft“, das vom Bayerischen Um- weltministerium (StMUV) gefördert Dimension: Um die deutsche Pkw-Ge- und von Vaude unterstützt wird. Akkuherstellung ist derzeit noch aufwän- alpenverein.de/Haltung-zeigen; samtfahrleistung 2017 (630 Mrd. km) elek- dig: Pro 100 Kilometer Reichweite hat ein #machseinfach trisch anzutreiben, müsste die deutsche Elektroauto 1,5 Tonnen CO2 mehr auf dem Stromversorgung um rund 20 Prozent zusätzlichen Öko Buckel; das sind bei durchschnittlichen Modellen (rund 300 strom erweitert werden. Beim derzeitigen Strommix dage- km Reichweite) circa neun statt vier Tonnen. Um diesen gen verursacht ein E-Auto rund 100 Gramm CO2 pro Kilome- Start-Nachteil gegenüber einem Benziner auszugleichen, ter, nicht weniger als Erdgasautos oder sparsame Diesel. muss ein Durchschnitts-Elektroauto mit deutschem Strom- Genügend regenerativen Strom zu erzeugen und zu verteilen, mix mindestens 150.000 Kilometer fahren, steht im renom- ist die erste schwierige Aufgabe, solange es Leute gibt, die mierten „Spektrum der Wissenschaft“. Windräder und Stromtrassen blockieren. Das zweite Problem ist die Speicherung, denn Sonne und Wind sind nicht so leicht Wasserstoff, E-Fuels oder Biogas? regelbar wie ein Kraftwerk. Und auch beim Autofahren muss Eleganter als die Batterie-Speicherung ist es, den Strom um- der benötigte Strom mitgeführt werden; Oberleitungen wer- zuwandeln, etwa per Elektrolyse: Die spaltet Wasser in Sau- den derzeit nur für Lkw diskutiert. Die allseits gepriesenen erstoff und Wasserstoff; mit diesem kann man dann per Elektroautos speichern ihre Energie in Akkus. Deren größter Brennstoffzelle einen E-Motor antreiben, und aus dem Aus- Nachteil für Bergsportler ist die Reichweite und die langsame puff kommt nur wieder Wasser. Nachteil: Wasserstoff ist „Betankung“: Nach 200 bis 400 Kilometern muss der Wagen schwierig zu handhaben, es gibt kein Tankstellennetz, und die für mindestens 15-30 Minuten an die Ladestation – da wird Brennstoffzellen-Technologie haben die deutschen Autobau- die Südfrankreichfahrt zum Geduldsspiel. Die Technik wird er seit Jahrzehnten zurückgehalten. Toyota und Hyundai ma- sich verbessern – aber auf Gefahr der Ökobilanz, denn die chen derzeit die Pionierarbeit. ANZEIGE e inklusiv g li c h e r tä r se ja u Wande Rauszeit in den JUFA Hotels Ihr Rauszeit-Angebot Mehr als nur Wanderurlaub: Regionale Köstlichkeiten zum Mitnehmen in der Rauszeit • 2 oder 4 Übernachtungen Jausenbox, Leih-Wanderausrüstung und eine Vielfalt an Hotels, die alles bieten, was man • Halbpension für sein Abenteuer in den schönsten Wanderregionen Österreichs und Bayerns braucht. • Wandertipps und -karten • Leih-Wanderausrüstung „Rauszeit in den JUFA Hotels ist, wenn man den Fernseher gegen die Fernsicht • Rauszeit Jausenbox zum tauscht und das Brot auf der Rastbank nach Sommer duftet. “ Selbstbefüllen Diesen Sommer gönnt man sich Rauszeit zu zweit oder mit der ganzen Familie in einer von ab € 198,- pro Doppelzimmer 23 Regionen zwischen dem Montafon und den Nockbergen, im Salzburger Land oder Allgäu. Jetzt buchen Über 30 JUFA Rauszeit Hotels bieten Insider-Tipps, Outdoor-Kompetenz, Leih-Wanderaus- rüstung sowie ein vielfältiges Programm und zahlreiche Angebote für einen erlebnisreichen Wander- und Aktivurlaub in den Bergen. Immer inklusive: die regionale JUFA Frühstücksvielfalt und die Rauszeit Jausenbox zum Selbstbefüllen. jufa.eu/rauszeit
Berg & Tal Emissionen im Vergleich Achillesfersen Strommix und Akku Einfacher und schon teils etabliert ist das Konzept „power to 150 Deutscher Strommix fuel“, also Treibstoff aus Strom zu erzeugen. Dazu treibt man den Prozess noch etwas weiter und verbindet den Wasser- 140 stoff mit CO2 zu Methan (Erdgas). Dieses lässt sich über das normale Pipeline- und Tankstellennetz verbreiten – beim Au- 130 Diesel Erdgas tofahren entsteht nur das CO2, das vorher der Atmosphäre entnommen wurde, ein Kreislauf. Theoretisch lassen sich so- 120 CO2-Emission in g/km bei einer Laufleistung von 200.000 km gar Benzin und Diesel auf diese Weise herstellen, aber Erdgas 110 ist das praktischste „power to fuel“-Speichermedium. Erdgas ist aber auch schon jetzt eine hervorragende Alter- 100 native, zumindest bis die E-Entwicklung richtig Fortschritte macht. Fossiles Erdgas erzeugt gegenüber Diesel 25 Prozent 90 weniger CO2, 90 Prozent weniger Stickoxide und 99 Prozent weniger Feinstaub. Und wer Biomethan (aus organischen Ab- 80 fällen) tankt, fährt beispielsweise einen Golf mit 24 Gramm Solarstrom CO2 pro Kilometer, gerade ein Viertel dessen, was ein E-Auto 70 mit deutschem Strommix erzeugt (und eben der kommt noch Windstrom Biomethan oft aus den Ladesäulen, selbst wenn man im Haushalt Power-to-Gas 60 Ökostrom bezieht). Schwer zu verstehen, warum die Alterna- tive Erdgasauto in Politik, Medien und öffentlicher Diskussi- 50 105 14 2 on quasi totgeschwiegen wird. 89 40 Zukunft geht heute schon – auch ohne Strom 99 Denn sie ist sicher (Erdgas explodiert genauso wenig wie Ben- Quellen: Audi, VW, div. Testberichte 30 Akku: zin), preiswert (die Autos kosten kaum mehr, der Sprit ist 18 24 15 10 22,5 günstiger und energiereicher) und sie funktioniert. Rund 1000 20 Tankstellen findet man in Deutschland, eine ähnlich gute Ab- deckung bieten Österreich, Italien und die Schweiz. Eine per- 10 sönliche Erfahrung: Seit knapp einem Jahr fahren wir ein Erd- Fahrzeug (ohne Akku): gasauto. Der Kleinwagen mit 11-Kilo-Tank bringt uns rund 350 0 27 29 26,5 Kilometer weit; bei längeren Strecken muss man sich per App Diesel Gas (CNG) Akku-E-Auto (85 kw, informieren und ein bisschen planen, wo man tanken kann; (81 kw) (81 kw) 500 km elektr. Reichweite) wenn dann mal die Säule besetzt oder kaputt ist, bringt uns ein 10-Liter-Benzintank auf jeden Fall zu einer anderen Tank- möglichkeit. Manche Tank-Konstruktionen sind etwas hakelig, Kompaktklasse, Fahrleistung 200.000 km aber man kriegt’s hin, und dass es etwas länger dauert als bei Fahrzeug-Herstellung Fahrtemission Diesel, nehmen wir gerne in Kauf – im Bewusstsein, mit lang- Kraftstoffbereitstellung Kraftstoffbereitstellung + Fahrtemission fristig realen 90 Gramm CO2 pro Kilometer zu fahren. Oder mit noch viel weniger, wenn wir die Biomethan-Säule ansteuern. Wie „ökologisch“ ein Auto ist, zeigt nur die Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus, der auch die „Vorkette“ von Auto-(und Auch mit meiner Ausbildung als Umwelt-Ingenieur ist mir klar: Batterie-)Herstellung und Treibstoffbereitstellung erfasst. Batterie- a) Wenn Verbrennungsmotor, dann Erdgas. b) Wenn „Bio“- E-Autos treten wegen des aufwändigen Akkubaus mit einem beson- ders großen Rucksack an, der sich erst nach vielen Fahrkilometern Kraftstoff, dann Biomethan. c) Wenn regenerativer Strom ex- mit eigens erzeugtem, regenerativem Strom ausgleicht. klusiv für den Autoverkehr verfügbar ist, dann wäre die Spei- Die Verbrauchsangaben sind die Herstellerangaben. Erfahrungsgemäß liegen cherung in Strom-Gas eine elegante Lösung. die Praxiswerte 15 bis 30 Prozent darüber, je nach Hersteller-Ehrlichkeit und Fahrstil. Das gilt allerdings auch für E-Autos – dort ganz besonders (laut VCD Und was auch schön ist: Unser kleines Auto verführt nicht zu + 70 Prozent), denn Zusatzverbraucher (Heizung, Klimaanlage, Licht) brauchen schnellem Überholen, sondern zu entspannt-achtsamem Extrastrom und sind nicht im Fahrverbrauch enthalten, genauso wenig wie Unregelmäßigkeiten beim Laden (Füllzustand, Temperatur). Hybrid-Autos wur- Fahren. Mitdenken; vom Gas gehen statt bremsen; vor roten den nicht aufgenommen, weil keine überzeugenden Verbrauchs-Angaben zu Ampeln kein Gas geben – ein bisschen Hirn statt Bauch am finden waren. Diesel und Benzin können theoretisch mit „E-Fuel“ wesentlich besser abschneiden (Reduktion des Fahr-Verbrauchs um 70 bis 75 Prozent). Steuer ist ein letzter Punkt zu ökologischer Mobilität. ad 14 DAV 3/2019
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50 % alpenverein.de/buecherberg -> Auslese der Alpengletscher werden bis 2050 ver- schwunden sein. Darauf weisen Schweizer Geschichte/n aus Forscher in der Fachzeitschrift „The Cryosphere“ dem Eisgebirge hin. Diese Schmelze ist Folge unserer bisherigen CO 2 -Emissionen und unvermeidbar. Unser Vier aktuelle Biografien zeichnen in jeweils unterschiedlicher sprachli- Verhalten von heute entscheidet darüber, ob bis cher Form große Legenden aus dem Himalaja nach: die Expedition der 2100 fast alle (94,4 %) oder nur zwei Drittel Brüder Schlagintweit; Alexandra David-Néels Fußmarsch nach Lhasa; das (63,2 %) der alpinen Schaustücke und Trink- Leben von Peter Aufschnaiter, der Heinrich Harrer nach Tibet führte; und wasserspeicher verloren sein werden. red das Wirken von Hermann Buhl – vor und nach seinem Tod. Wissenschaft Mit dem Willen am Berg einer Frau Die dreijährige Reise (1854-57) „Würde man mir eine Million der Brüder Hermann, Adolf bieten, damit ich das Aben- und Robert von Schlagintweit teuer … wiederhole, dann preiswürdig nachhaltig Jährlich do- durch den Himalaja ist eine würde ich wohl ablehnen.“ kumentiert der offizielle DAV-Ausrüs- der berühmtesten frühen So schreibt Alexandra David- ter Vaude sein Bemühen um umwelt- Expeditionen. Was es bedeu- Néel (1868-1969) über ihren und sozialverträgliches Wirtschaften. tete, sich in dieser Welt zu be- dreijährigen Fußmarsch, der Nun errang der Nachhaltigkeitsbe- wegen, das lässt der Autor Rudi Palla in journa- sie als wohl erste weiße Frau ins verbotene Lha- richt 2017 Platz eins im Ranking des listischer Erzählung lebendig werden. Wie Ale sa führte. Die „Edition Erdmann“ gibt nun ihre Instituts für ökologische Wirtschafts- xander von Humboldt als Drahtzieher wirkte; Briefe heraus, in denen sie ihrem Mann von un- forschung und der Unternehmensver- wie die Brüder zwischen Blutegel-Dschungeln, terwegs berichtet. In klaren, meist nüchternen einigung „future – verantwortung un- Gletschergipfeln und viktorianischen Kolonial- Worten, aber mit einer Prise Humor und genau ternehmen“ in der Kategorie „kleine bauten unzählige wissenschaftliche Sammel- beobachtet. Sie berichtet freizügig von ihrem stücke anhäuften; wie Wissenschaft, Politik und rigorosen Umgang mit den „Wilden“, von der und mittlere Unternehmen“. Die Jury Alpinismus auf den höchsten Bergen aufeinan- Angst vor Räubern, von Krankheit, Kälte und lobte unter anderem die Information dertrafen. Ein unterhaltsam und erhellend ge- Mühsal – und legt damit eindrucksvoll Zeugnis „über ökologische und soziale An- schriebenes Stück Alpingeschichte. red ab, „was der Wille einer Frau vermag“. red sprüche an die Lieferkette“ und de- Alexandra David-Néel: Mein langer Weg in die Rudi Palla: In Schnee und Eis – Die Himalaja- ren Umsetzung. Expedition der Brüder Schlagintweit, Galiani verbotene Stadt – Briefe aus Tibet, Edition ranking-nachhaltigkeitsberichte.de Verlag, 2019, 192 S., € 20,- Erdmann, 2018, 192 S., € 20,- geschickt einkaufen F ür Besitzer der DAV-Globetrotter-Clubkarte hat der Vom Flüchtling Vom Leben Handelspartner von DAV und JDAV zum Entwick- nach dem Tod wieder etwas Besonderes: Am Diens- lungshelfer „Ist es nicht viel heldenhaf- tag, 2. Juli, ist DAV-Tag, und jeder Ein- Dass Peter Aufschnaiter dem ter, den Alltag mit Würde zu kauf in Filialen oder online gibt die bekannteren Heinrich Harrer bewältigen, ohne zu fallen?“ dreifache Bonuspunktezahl. „vorausging nach Lhasa“, Diesen Gedanken legt Kriem- globetrotter.de/kooperationen/dav-tag stellt diese intensiv recher- hild Buhl ihrer Mutter „Ge- chierte Biografie nun klar. Sie nerl“ in den Mund – er trägt nachdenklich wandern S eit 1986 bie- zeichnet den verschlungenen Lebensweg des uns Leser durch ihr Buch „Papa Lalalaya“. So tet Harald Weber in der DAV-Sektion studierten Agrarwissenschaftlers, der Hindi, Ne- nannte das Mädchen seinen Vater Hermann Bergfreunde Saar Bergexerzitien an pali und Tibetisch sprach, detailreich und infor- Buhl. Hautnah, ja bis unter die Haut gehend, – genau genommen sind das durch- mativ nach. Trotz Aufschnaiters NS-Begeiste- schildert sie seine „Familiengeschichte“: die aus anspruchsvolle Wanderungen rung begegnet man in ihm einem interessierten große Liebe zweier junger Menschen; ein und beliebten Menschen, der sich als Kartograf, strahlendes Paar im Glanz des Nanga Parbat; oder Hochtouren, bei denen aber der Bauplaner und Entwicklungshelfer verdient eine einsame Witwe mit drei kleinen Mädchen. Blick nicht nur zum Gipfel, sondern machte und in seinen Tagebuch-Aufzeichnun- Ehrlich und tiefschürfend, packend und hu- vor allem nach innen geht. Im Okto- gen warmes Empfinden für die Menschen und morvoll, poetisch und ergreifend erzählt sie ber startet er zur 100. Woche, auf der von Leben, Liebe und Tod. Ein etwas anderes die Kultur der Himalaya-Länder zeigt. hho/red Lavarellahütte in Südtirol. Ein bemer- Bergbuch. red Nicholas Mailänder: Er ging voraus nach Lhasa – kenswertes Jubiläum. bergfreunde- Peter Aufschnaiter. Die Biographie. Tyrolia Ver- Kriemhild Buhl: „Papa Lalalaya“, Edition Tandem, saar.de/index.php?id=105 (S. 11, 31) lag, 2019, 416 S., € 29,95 2019, 360 S., € 22,- 16 DAV 3/2019
Berg & Tal Fotos: SBB Neue Karte Naturfrevel im Elbsandsteingebirge Langtang neu Abgekratzt Zur Langtang-Region hat der DAV eine be- Kletterer wollen der Natur nicht scha- sondere Beziehung: Nach dem Erdbeben den. Deshalb markieren sie Zugangswe- wurden dort mit Spenden von Mitgliedern ge und Kletter- bzw. Nichtkletterberei- und Bundesverband neue Wege angelegt. che am Fels mit klaren, aber zurückhal- Seit vielen Jahren schon ist das Gebiet So wie links soll's tenden Pfeil- und Kreuzsymbolen. Nun durch eine Alpenvereinskarte abgedeckt; aussehen: Klare berichtet die DAV-Sektion Sächsischer Bergsteigerbund Symbole helfen diese ist allerdings mittlerweile Kletterern, der (SBB), dass im Nationalpark Sächsische Schweiz 450 sol- nicht mehr auf dem neuesten Natur nicht zu cher Markierungen entfernt wurden: Baumrinde wurde ab- schaden. Dass gekratzt, Felsoberfläche abgehackt oder mit schwarzer Stand. Hier schaffen nun die Ar- Zeichen samt beitsgemeinschaft für verglei- Baumrinde abge- Lackfarbe übermalt. Und man fragt sich, wer der Natur ei- chende Hochgebirgsforschung kratzt werden (r.), nen solchen doppelten Bärendienst antut. Teilweise waren entzieht sich dem und die Hochschule München Verständnis. sogar frische Markierungen schon nach wenigen Tagen Abhilfe: Nach Solu Khumbu und verschwunden. Der SBB, in dem zwölf Ehrenamtliche allein Shorong Hinku haben sie nun im letzten Jahr 850 Stunden für die Markierung gearbeitet auch dieses schöne Tal mit Dör- haben, ruft nun alle Kletterer und Wanderer auf, Beobach- fern und Sechstausendern, Aus- tungen zu melden – um die Natur und den Klettersport sichtspunkten und Teehäusern Die Karte ist für 16,80 nicht zu gefährden. Denn nur intakte Markierungen entfal- Euro über den Nelles im Maßstab 1:50.000 erfasst. red Verlag erhältlich. ten ihre Naturschutz-Wirkung. SBB/red Gelingt bei 170° C. Von hier. Von uns. Schmeckt bei 11° C. Wahre Grillmeister. Wenn draußen der Sommer erwacht, freut man sich auf Leckeres vom Grill. Am besten mit frischen Produkten von hier. Von uns kommen dazu die Roséweine, die das Grillvergnügen auf frische und fruchtige Weise perfekt abrunden. Entdecken Sie das Beste aus Württemberg: Achten Sie einfach auf das Siegel unserer Erzeuger. Württemberger Weingärtnergenossenschaften wein-heimat-württemberg.de Württemberg ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) der Europäischen Union. www.wein-heimat-württemberg.de/gU-wuerttemberg
Bergsteckbrief Mont Aiguille Mons Inaccessibilis Wie wär’s? Der Mont Aiguille, ein Tafelberg südlich von Grenoble, gilt Die normale Route: Der Mont Aiguille ist von keiner Seite ein- als Wahrzeichen des Vercors, des westlichsten Gebirgs- fach zu besteigen. Nur der Normalweg durch die Nordseite ist stocks der Alpen. Er gehört zu den sagenumwobenen sieben teilweise versichert (8 SL, III A0 oder IV-, 250 m). Der Fels ist stellenweise poliert, trotzdem Steinschlaggefahr durch andere Wundern der Dauphiné. Wegen seiner 300 Meter hohen, Bergsteiger oder Gämsen. Zustieg via Col de l’Aupet (1627 m). steil abfallenden Felswände, mit denen er das Trièves-Tal Der Abstieg verläuft auf anderer Linie durch steiles Schrofen- überragt, galt er noch im Mittelalter als unbesteigbar. Heute gelände (bis II) mit einer 45-Meter-Abseilstelle. – Die zweite Be- führen 30 Kletterrouten bis zum neunten Grad durch seine steigung des Mont Aiguille gelang erst 342 Jahre später, im Jahr Wände. Etwa 1000 Bergsteiger stehen jährlich auf seinem 1834, dem Schafhirten Jean Liotard, einem Nachfahren eines der Erstbesteiger. Die schöne Route: Im Jubiläumsjahr 1992 leg- 500 Meter langen und etwa 100 Meter breiten Gipfelplateau, ten die notorischen Brüder Remy die Route „Trilio“ (11 SL, 300 wo viele endemische Blumen gedeihen. nr m, IX- oder VIII- A0) über den klassischen Nordostpfeiler, eine beeindruckende Säule, die das Trièves-Tal dominiert. Zumin- dest in den ersten vier Seillängen soll der Fels ziemlich gut sein. – Im August 1957 landete Henri Giroud seine Piper J-3 auf dem Gipfelplateau des Mont Aiguille. Foto: Wikipedia/Musée Condé Die berühmte Route: Die Südpfeiler-Route (VI+, 180 m, 10 SL) an der kurzen Südwand des Mont Ai- guille ist sehr exponiert. Die Route schlängelt sich im Zickzack durch die Wand und nutzt die Schwä- chen aus. Der Fels ist stellenweise brüchig, die Absicherung durchwachsen – kein Wunder, dass sie als „großer Klassiker“ bezeichnet wird. – Die erste Abfahrt auf Ski gelang 1992, im Jahr der Feierlichkeiten zum 500. Jubiläum der Erstbesteigung, über die Route Tubulaires, die klassische Abstiegsroute. Daten und Fakten Charaktercheck Höhe: 2087 m Erschließung Der Mensch am Berg Prominenz: 465 m Touristen Bergsteiger „Du musst da rauf“, sagte der franzö- Erstbesteigung: 26. Juni 1492 durch Antoine Anspruch sische König Karl VIII. (Bild) zu Antoine de Ville und zehn weitere Genießer Stresser de Ville, einem Söldner an seinem Hof. Expeditionsteilnehmer Einsamkeit Der stürmte den Gipfel mit einer Ex- Normalweg: Von Westen (PD, III) Singletreffer Eremiten pedition inklusive zwei Priestern und Talort: Chichilianne einem Notar – und blieb gleich sechs Renommee Hütte/n: Unterkünfte im Ausgangsort Tage oben. Facebooker schweigende Kenner La Richardière (1057 m) „149 der Entd2 – das Jahr kas, abe eckung Ameri- Foto: Wikipedia/Tom Chirossel der erst r auch das Ja en hr künstlic Klettertour ‚m hen Mit it Walter Pa teln‘.“ use in se ten Fels“, inem Buc weil die E h „Im Leitern u rstbesteig leich- nd and ung mit Hilfsmitte eren künstlichen ln gelung en war. 18 DAV 3/2019
EXPLORE MORE. GIANT Explore E+ 0 sehr gut 1,4 Kategorie: Trekking ENTDECKEN SIE DIE NEUEN GIANT EXPLORE E+ Modelle Ob durch die Innenstadt oder über holprige Seitenstraßen: Dieses vielseitige E-Bike sorgt dafür, dass du jede Fahrt genießen wirst. Unser Explore E+ GTS kombiniert urbanen Fahrstil mit vielseitiger Allround-Performance. Kernstück unseres Explore E+ GTS ist sein ALUXX-Aluminiumrahmen mit SyncDrive-Sport-Mo- tor powered by Yamaha. Ein Dream-Team, das dir hervorragendes Handling und geschmeidige Beschleunigung bei unterschiedlichsten Straßenbedingungen bietet. Einstellbare Unterstützungs-Modi liefern bis zu 350 Prozent deiner Pedalkraft und du kannst exakt wählen, wie viel Motor-Unterstützung du haben möchtest. Breitere Tubeless-Reifen sorgen für mehr Komfort und Fahrstabilität – eine hervorragende Wahl, um neue Routen zu entdecken. Irrtümer, Druckfehler, Preisänderungen & Liefermöglichkeiten vorbehalten. Sitz der Gesellschaft: Giant Deutschland GmbH | Mettmanner Str. 25 | 40699 Erkrath
Weitere „So schmecken die Berge-Rezepte“ gibt es auf: alpenverein.de/soschmeckendieberge Zum 150. DAV-Jubiläum: Genuss-Gruß aus der Hütte VORSPEISE Tiroler Graukassuppe Für 4 Portionen: 1 Zwiebel von der Lizumer Hütte in den Tuxer Alpen 2 Kartoffeln Ein cremig-würziger Auftakt aus der Tiroler Küche. 200 g Tiroler Grau- kas (oder Bergkäse) Zwiebel, Kartoffeln und Käse würfeln. Die Butter in einem großen Topf zerlas- 2 EL Butter sen und die Zwiebeln darin anschwitzen. Die Kartoffeln hinzugeben und an- 1 l Rinderbrühe dünsten. Mit Rinderbrühe aufgießen und den Käse dazugeben. Die Suppe 250 g Sahne köcheln lassen, bis die Kartoffeln gar sind. Dann die Sahne hinzufügen und Salz, Pfeffer, frisch geriebene Muskat- alles mit dem Pürierstab glatt rühren. Noch einmal kurz aufkochen lassen und nuss mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken. Das Brot in etwa ein Zenti- 2 Scheiben meter große Würfel schneiden und rösten, den Schnittlauch in Röllchen Holzofenbrot schneiden. Die Suppe in tiefen Tellern servieren und mit den gerösteten Brot- Schnittlauch zum Garnieren würfeln und Schnittlauchröllchen garnieren. Für 4-5 Portionen: Für den Tafelspitz: HAUPTGERICHT Tafelspitz mit Salsa verde 800 g Tafelspitz (al- von der Oberetteshütte (Südliche Ötztaler Alpen) ternativ Schulter- nahtl oder Nuss) Ein feiner Fleischgericht-Klassiker mit pfiffiger Saucen-Begleitung. 1 EL Salz, 5 Pfeffer- körner, 2 Lorbeer- Die mit der Schale halbierte Zwiebel anbräunen. In einem großen Topf reich- blätter, 3 Petersili- lich Wasser zum Kochen bringen, das Fleischstück mit dem Salz, den Pfeffer- enstängel, 1 Karotte körnern, Lorbeerblättern, Petersilienstängeln und Zwiebelhälften hineinge- 80 g Lauch, 1 Toma- te, 1 Zwiebel ben. Die Hitze sofort reduzieren und alles etwa eineinhalb Stunden köcheln Für die Salsa verde: lassen. Die Karotte und den Lauch grob zerkleinern und mit der Tomate hin- 4 EL Petersilienblät- zugeben, weitere 60 Minuten garen. Für die Salsa verde die klein gehackten/ ter, 2 EL Essiggur- gewürfelten Zutaten vermischen, mit Essig und Öl verrühren und mit Salz und ken, 1 EL Zwiebeln 1 Knoblauchzehe Pfeffer abschmecken. Das Fleisch aus der Brühe heben, kurz ruhen lassen, 1 TL Kapern, 1-2 gegen die Faser in Scheiben schneiden und in der durchgeseihten Brühe Sardellenfilets, 1 TL warm halten. Den Tafelspitz mit dem Gemüse und etwas Suppe servieren. Die Senf, 1 EL Weißwein essig, 50 ml Samen Fotos: Peter Raider, Karin Heinisch, Michael Kirchmayer Sauce dazu reichen. Als Beilage passen Salz- oder Ofenkartoffeln. öl, 50 ml Olivenöl Salz, Pfeffer NACHSPEISE Topfenkiachl von der Pfeishütte im Karwendel Für 4 Portionen: 500 g mehligko- Ein süßes Schmankerl aus Omas Rezepte-Sammlung. chende Kartoffeln 500 g Topfen Die Kartoffeln kochen, schälen und noch warm durch eine Kartoffelpresse (abgetropft) drücken. Den Topfen, das Mehl, den Zucker und Vanillezucker, das Eigelb, den 150 g Mehl Zitronenabrieb und nach Belieben Rosinen zugeben und zu einem gleichmä- 70 g Zucker ßigen Teig verkneten. Reichlich Butterschmalz in einer großen Pfanne erhit- 2 Pck. Vanillezucker zen. Aus dem Teig kleine Kugeln formen, in die Pfanne legen und etwas platt- 1 Eigelb abgeriebene Schale drücken. Bei mittlerer Hitze die von ½ Zitrone Topfenkiachl von beiden Seiten 4 EL Rosinen Ja so schmeckt’s! goldgelb backen. Die warmen (nach Belieben) Weitere leckere „So schmecken die Berge“-Rezepte von 15 Topfenkiachl mit Puderzucker Butterschmalz Puderzucker AV-Hütten in den Ostalpen stellt das neue „Original-Hütten- bestäuben und mit Vanillesauce kochbuch. Bergrezepte und alpine Lebensart“ vor. Erschie- und Preiselbeeren servieren. nen im BLV-Buchverlag, zu beziehen über den DAV-Shop und im Buchhandel, € 20,- 20 DAV 3/2019
Berg & Tal Marmolada-Südwand: „Moderne Zeiten“ (1982) Alpines Freiklettern ohne Bohrhaken Mitten durch die schönste Wand der Dolomiten, schwierig und ohne Bohrhaken: ein Statement für Stil. Anfang der 1980er Jahre war das Yosemite das Mekka der Freikletterei. Heinz Mariacher, 1955 in Wörgl bei Innsbruck geboren, hatte die obligatorische Reise ins Yosemite absolviert, aber warum sollte er da jetzt noch einmal hin? Er liebte die Dolomiten, das große Felsenparadies, und seine Freundin Luisa Iovane. Sie durchstiegen Wand um Wand, es war ein endloser Sommer wie in den alten Surfer-Filmen. Was sollten sie in diesen neuen Hotspots wie Buoux, Verdon, Frankenjura? Heinz Mariacher war der König der Dolomiten und Luisa seine schöne Königin, reihenweise gelangen erste freie Begehungen der alten Hakenrasseln. Aber: Erstbegehungen frei klettern, ohne Bohrhaken-Absicherung, das wäre natürlich das Allerschärfste. Mit puristisch abgesicherten Neutouren wie „Charlie Chaplin“ (VI+) an der Lalidererspitze und „Abrakadabra“ (VII) an der Marmolada tastete er sich vor. Dort, an der Marmolada, war der Fels am besten, der feine geologische Unterschied: kein Dolomitgestein, sondern Kalk. Nachdem ihm 1981 zwei Tschechen den „Weg durch den Fisch“ vor der Nase wegschnappten, visierte er die größte Linie an, die die Marmolada noch bot: die achthundert Meter hohe Südwand der Punta Rocca mit ihrer steilen, geschlossenen Gipfelwand. Ohne offensichtliche Risslinien, das pure unvor- hersehbare Plattengelände. Bestimmt fantastische Kletterei, aber man konnte nicht wissen, wann wieder ein Keil oder Normalhaken reinging. Die Nerven würden entscheidend sein. Fotos: Archiv Mariacher, Dolomiti Unesco/M. dell'Agnola 1982 DESIGN? „ICH BAUE SO, WIE ICH LEBE. NATÜRLICH, NACHHALTIG UND ANSPRUCHSVOLL.“ Für Luisa Jovane und Heinz Mariacher war die Marmolada-Wandflucht ein Traumland. Im ersten Anlauf kamen sie nur bis Wandmitte, beim zweiten Go vollendeten sie ihren großen Weg. Die Route war ein Statement, bis heute gültiger Maßstab, dass die Schwierigkeit nie vom Stil zu trennen ist, ja, dass Stil immer wichtiger war, ist und bleiben wird als die Schwierigkeit allein. Der großartige Name war natürlich ein Statement für sich: An diesem Maßstab, Freunde, müsst ihr euch messen las- sen. „Moderne Zeiten“ ist heute einer der begehrtesten Klassiker der Alpen, wenn nicht der Welt. Mit dem Verzicht auf Bohrhaken stand Mariacher in der Tradition von Messner, der 1969 in seinen So- lo-Direktausstieg zur Vinatzerführe ebenfalls ohne Bohrset eingestiegen war. Die Marmolada, ja die Dolomiten insgesamt, blieben eine Trutzburg der strengen Kletterethik. An der Westlichen Zinne nahm NACHWEISLICH Alexander Huber später mit „Bellavista“ und „Pan Aroma“ die Fackel auf; er verwendete zwar Bohrha- UNERREICHTE WOHN- ken, aber so wenige, dass niemand je behaupten kann, er würde die Tradition aufweichen. GESUNDHEIT UND PREIS- Heinz Mariacher und Luisa Iovane leben und klettern noch immer zusammen. Das Wandfoto der „Mo- GEKRÖNTES DESIGN – DAS dernen Zeiten“ hat in ihrem Häuschen einen Ehrenplatz. KANN NUR BAUFRITZ. www.baufritz-pa.de Malte Roeper (*1962), Bergsteiger, Autor und Filmemacher, skizziert in seiner Kolumne „Wendepunkte“ Besteigungen, die den Alpinismus verändert haben. Nächster Wendepunkt: So schön und schwer kann Klettern sein. Gullivers Reisen: Sportklettern in den Alpen (1982) DAV 3/2019 21
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