Die General Motors Suisse SA
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09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 45 HISTORIE Die General Motors Suisse SA Louis Chevrolet, der wohl bekannteste Schweizer Autopionier, machte seine Karriere zwar in den USA, dennoch brachten die Jahre bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges der jungen helvetischen Auto- mobilindustrie im In- und Ausland namhafte Erfolge. Man schätzte Schweizer Automobile ihrer Quali- tät und Zuverlässigkeit wegen. Von 1906 bis 1920 exportierte die Schweiz rund 12.000 Wagen im Wert von damals über 225 Mio. Schweizer Franken. Von den im Jahre 1902 in der Schweiz zirkulierenden Motorfahrzeugen stammten 35% aus einheimischer Produktion. D er erste Weltkrieg und die bei der ausländischen Konkurrenz einsetzende Massenproduktion ver- setzten der jungen Industrie schwere Schläge. Der Börsencrash von 1929 und die folgende große Wirtschafts- krise mit der ungeheuren Arbeitslo- sigkeit veranlassten den Bundesrat, auf importierte Luxusgüter hohe Steuern zu erheben, während auf Einzelteile und auf Halbfabrikate sogar Subventionen gewährt wurden. Als in Basel im Rahmen eines Ar- beitsbeschaffungsprogramms begon- nen wurde, das Hafenbecken 3 von Hand auszuschaufeln, suchte man in Biel, das eine Arbeitslosenrate von 19% aufwies, noch verzweifelt nach einer ähnlichen Maßnahme. Im Jahre 1934 schloss Martini, das Bereit zur Testfahrt – Manta A 1971 letzte eigenständige Schweizer Auto- mobilwerk, seine Pforten, als der Bieler Stadtpräsident Dr. Guido Müller vernahm, dass sich eine amerikanische Delegation in einem Genfer Hotel niedergelassen hatte, um sich in der Schweiz nach einen Standort für ein Automobilmontage- werk umzusehen. Der Sozialdemo- krat Müller rief in Genf an und verlangte Ed Riley, ein Mitglied der Generaldirektion aus Übersee, an den Apparat. In gebrochenem Englisch erklärte er ihm, dass es Biel nicht gut gehe; ob nicht die Möglichkeit beste- he, den projektierten Betrieb in Biel anzusiedeln? Der Generaldirektor antwortete, man hätte sich dort ver- geblich nach brauchbaren Hallen umgesehen. Der Stadtpräsident ließ sich nicht entmutigen: "Biel braucht Ihre Fabrik, und wenn Ihnen die leerstehenden Werkstätten nicht passen, wird die Stadt auf eigene Kosten eine Fabrik nach Ihren Wün- schen errichten." Montage Buick 1936 Clubmagazin Nr. 193 45
09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 46 HISTORIE Diese Aussicht war für Riley verlok- Von Anfang an lief das Unternehmen kend, zumal man ihm ein Gelände in gut. Die Produkte der neu entstande- unmittelbarer Nähe des Bahnhofes in nen Industrie fanden sofort ihre Aussicht stellte, und die Hartnäckig- Liebhaber. Der Absatz stieg von keit des mutigen Bieler Stadtpräsi- Woche zu Woche, und gleich im denten imponierte ihm. Einige Wo- ersten Jahr wurden etwa 1.600 Wagen chen später, im Herbst 1934, reisten montiert und verkauft. Im Frühling die Amerikaner nach Biel, um das 1937 veröffentlichte die General fragliche Grundstück zu besichtigen. Motors Suisse SA eine Broschüre, die Autor: Marcel Motzet Bei strömendem Regen stapften sie der Schweizer Bevölkerung aufzeig- auf der Allmend umher. Das Unwet- te, welchen positiven Aufschwung ter hatte den Boden in Morast ver- das Automobil-Montagewerk Biel in wandelt, und die Herren versanken der ganzen Schweiz auszulösen bis zu den Knöcheln im Schlamm. vermochte. Einleitend stand darin: Trotz dieser widrigen Umstände waren die Besucher guter Laune; die „Vor einigen Tagen jährte sich die Lage des Bauplatzes war ideal: über Eröffnung des Bieler Montagewerkes 30.000 m² hinter dem Bahnhof mit der General Motors. Heute beschäf- Gleisanschluss, fast im Stadtzentrum. tigt General Motors Suisse SA in Biel Durchnässt und mit dreckigen Schu- 320 Arbeiter und Angestellte. Jeder Buick, Swiss made – die Num- hen begab sich die Delegation der einzelne im Bieler Werk montierte mer 1, 1936 General Motors ins Büro des Stadt- Wagen verschafft einer Schweizerfa- präsidenten, um mit ihm die Sache zu milie den Lebensunterhalt für erheb- besprechen. Generaldirektor Riley lich mehr als einen Monat, die zu- gab grünes Licht und wies Guido sätzliche Beschäftigung bei den Müller an, sofort Verträge aufzuset- schweizerischen Lieferanten nicht zen. Das Gesicht des Stadtpräsiden- mitgerechnet. In der Tat hat im ten verklärte sich vor Freude, und im vergangenen Jahr das Bieler Werk anschließenden zwanglosen Gespräch allein für jeden daselbst montierten wurden bereits die wesentlichen Wagen einen Mann über 2 Monate Bedingungen erörtert. hinweg beschäftigt. Chevrolet 1939 Kübelwagen für Das Neubauprojekt musste aber Gezeichnet: Paul R. Bürgin, General- die Schweizer Armee zuerst noch vors Bieler Stimmvolk. direktor“ Das notwendige Kreditbegehren für 2 Mio. Schweizer Franken kam am 19. Weiter stellte die Broschüre nebst den Mai 1935 zur Abstimmung. Mit über volkswirtschaftlichen Vorzügen, 5.000 Ja- gegen weniger als 200 immerhin 7 Millionen Schweizer Neinstimmen wurde der Vertrag mit Franken Umsatz in den ersten Mona- überwältigender Mehrheit angenom- ten, auch den Ablauf am Montage- men. Schon im Juni wurde mit dem band, alle beteiligten Lieferanten und Aushub der Fundamente begonnen. die aktuelle Marken- und Modellaus- Der Bau wurde innerhalb eines wahl vor. Insgesamt ergab sich aus Einträchtig nebeneinander – halben Jahres in modernster einem in Biel montierten Wagen eine Chevrolets und Kapitäne war- Glas/Stahlbauweise vollendet, suchte einheimische Wertschöpfung von ten auf die Auslieferung, 1950 damals in der Schweiz seinesgleichen 64,9%. und steht heute unter Denkmalschutz. Der Produktionsablauf sah folgender- Am 5. Februar 1936 rollte der erste maßen aus: Das Montageband be- in Biel montierte GM-Wagen, ein gann in zwei gegenüberliegenden Buick Achtzylinder mit dem stilisier- Ecken des Gebäudes, zog sich ten Logo von Eiger, Mönch und schlangenartig durch die Halle, Jungfrau am Kühlergrill, vom Band. vereinigte sich im letzten Drittel entlang der vom Trottoir aus einseh- "Made in Switzerland" baren Fensterfront und endete schließlich am großen Tor in der Dieser Neubeginn einer Schweizer Mitte, wo die fertigen Wagen zu einer Chevrolet 13 PS Stabswagen Automobilproduktion wurde in Biel Probefahrt starteten. Grundsätzlich 1951 mit einem offiziellen Festakt gefeiert. wurden fertig gestanzte oder gegosse- 46 Clubmagazin Nr. 193
09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 47 HISTORIE ne Rohteile angeliefert, bei gewissen brandneuen Wagen an der steilen Marken sogar einzelne Baugruppen "Hueb" bei Nidau bereits erhebliche wie etwa einbaufertige Motoren oder Leistung abforderte. Zurück auf dem Getriebe. Bei einem Anfang des Werksgelände wurden Wagen, die Bandes wurden zuerst die Fahrge- nicht ganz mängelfrei waren, mit stellprofile zusammengenietet, grun- entsprechendem Rapport in eine diert und lackiert und danach mit den spezielle Aufbereitungsanlage ver- an Satellitenstationen vorbereiteten bracht, während die unbeanstandeten Federn und Achsen versehen. Einige Wagen auf dem Freigelände bis zu Meter weiter wurden Motoren mit ihrer Auslieferung per Bahn abge- Getrieben gekoppelt und ebenfalls stellt wurden. am Fließband verbaut, bis ein kom- Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz plettes Fahrgestell zum Knotenpunkt verdoppelte sich von 1934 bis 1936 "Mariage" gelangte. Parallel dazu beinahe. In Biel aber sank sie dank startete beim anderen Bandanfang die Pontiac 1950 Endmontage dem kühnen Projekt. Beachtlich war Montage an großen Lehren, wo die ebenfalls das Lieferantennetz, das in gepressten und gestanzten Karosse- der ganzen Schweiz gesponnen riebleche zusammengeschweißt und wurde und so vielen in Bedrängnis anschließend die Übergänge verzinnt geratenen Branchen zu neuem Auf- und verschliffen wurden. In verschie- schwung verhalf. denen Durchgängen wurden die Scheinwerferreflektoren kamen aus Rohkarosserien von Hand grundiert Genf, Batterien aus Orient im Waadt- und feingeschliffen. Nach dem Lak- land, Yverdon und Oerlikon. Autoglas kieren trockneten sie in Einbrennö- wurde in Lausanne oder aus dem fen, um schließlich noch in Handar- Tessin geordert, Uhren kamen aus Le Olympia Rekord ´54 – „Mariage“ beit auf Hochglanz poliert zu werden. Locle und Fontainemelon. In Bern von Karosserie und Antrieb/ Danach ging es ziemlich zügig wei- saß das "Reklamebüro", aus Burgdorf Fahrwerk ter: Ähnlich wie bei der Montage der kam der Lötzinn, Scintilla Solothurn Mechanik wurden die an Satelliten lieferte die gesamten elektrischen vorgefertigten Kabelstränge eingezo- Komponenten. "Carrosserie Langen- gen, Innenausstattungen gepolstert thal" und "Reinbolt & Christé" aus und in die Karosserie eingesetzt Basel fertigten im Auftrag der GM sowie Scheiben und Chromzierrat Sonderkarosserien wie zum Beispiel angebracht. Kurz darauf traf die fast viertürige Cabriolets. Ebenfalls in fertige Karosserie auf das Fahrgestell. Langenthal, in Melchnau, Näfels, Es folgte die Vereinigung, im Fabrik- Ennenda, Hätzingen und Flawil jargon liebevoll "Mariage" (Hochzeit) wurden Teppiche und Polsterstoffe genannt. Die nun zusammengefügten gewoben. Firestone Pratteln und Olympia Rekord ´54 und Chev- Baugruppen wurden durch Gestänge Pallas Cord aus Pfäffikon lieferten rolet ´55 in der Endmontage – und Anschlüsse funktionsfähig mit- Reifen, während aus Basel die Che- GM Suisse arbeitete bereits einander verbunden, schließlich die mikalien und aus Frauenfeld das „just in time“ und konnte da- vorderen Kotflügel und Motorhauben Schmirgeltuch bezogen wurde. Luga- durch eine Vielzahl unterschied- aufgesetzt. Auf den letzten Metern no und Zürich hatten Felgendrücke- licher Modelle parallel fertigen des 170 m langen Fließbandes wur- reien und ebenfalls aus Zürich liefer- den Öl, Wasser und Benzin einge- te man Lackfarben und unzählige füllt, der Motor zum ersten Mal Motorenbestandteile. Jedes in Biel gestartet und sämtliche Funktionen hergestellte Automobil unterschied überprüft. Danach wurden letzte sich in Details von seinen Schwester- Einstellarbeiten vorgenommen und modellen aus den Stammwerken, und die Radkappen angebracht, während die sich ständig abwechselnden, oft gleichzeitig der Kontrolleur sein O.K. kleinen Liefermengen verschieden- mit Visum auf die Windschutzscheibe ster Herkunft führten dazu, dass kritzelte. Endlich wurden die Wagen schlussendlich fast jedes fertiggestell- von Testfahrern übernommen, minu- te Fahrzeug eine gewisse Individuali- tenlang mittels Abspritzen auf Dich- tät aufwies. In der Lackiererei – Vauxhall tigkeit überprüft und danach über Die Schweizer Automontage in Biel Victor und Opel Olympia eine Teststrecke gehetzt, die den gilt bis heute als logistische Meister- Rekord ´57 Clubmagazin Nr. 193 47
09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 48 HISTORIE leistung. Lange vor jeglicher Compu- Automobile unter der Marke GM tersteuerung gelang es den General CARBOR Beschäftigung. In der Motors-Ingenieuren, nicht nur mo- Sattlerei wurden Militärtornister dell-, sondern auch markenübergrei- hergestellt und die Schweißer began- fend und "just in time" auf einem nen, Munitionskisten für die Waffen- einzigen Montageband zu produzie- fabrik in Altdorf zu fabrizieren. Speziell für die Schweiz – ren. Mit speziellen Transportfahrrä- Die Halle der bisherigen Servicestati- Rekord PI Ascona 1958 dern wurden die entsprechenden Teile on diente dem Roten Kreuz als Lager exakt zum richtigen Zeitpunkt an die für Kleider, Decken und Medikamen- richtige Montagestation verbracht - te. Den wesentlichsten Beitrag zur bemannte Vorläufer der heutigen Überbrückung der kritischen Be- Transportroboter. Dieses Vorgehen schäftigungsperiode aber leistete der erforderte hohe Konzentration und größte Konkurrent des Automobils: exaktes Arbeiten am Fließband, was die Eisenbahn. Das Rollmaterial der Autos für Männer, die Pfeife den ohnehin schon guten Qualitäts- SBB war durch die Mobilmachung rauchen – Prospekt des PI Ascona standard noch erhöhte. stark beansprucht worden und be- Bereits 1938 erreichte man an die durfte einer gründlichen Überholung. 2.000 produzierte Automobile, und Anstelle des Fließbandes wurde ein man war guten Mutes, bis sich im Schienenstrang verlegt, und bald Laufe des Jahres 1939 der Himmel rollten lange Züge reparaturbedürfti- über Europa massiv verdunkelte und ger Eisenbahnwaggons nach Biel. sich eine der größten menschlichen Katastrophen, der Zweite Weltkrieg, Neubeginn und zu entfesseln begann. Wiederaufstieg Langsam kehrten die Arbeiter aus Die Kriegsjahre dem Aktivdienst an ihre Arbeitsplätze Der Ausbruch des Zweiten Weltkrie- zurück, und allmählich erholte sich ges stellte das Begonnene für Jahre in die Wirtschaft. Bald zeichnete sich Das Werk bei Nacht, Frage. Wohl verfügte die General ab, dass ein gewaltiger Nachholbe- aufgenommen 1963 Motors Suisse SA zu Beginn des darf für Automobile zu befriedigen zweiten Kriegsjahres noch über war. Um sich für das wieder einset- Material für etwa 800 Automobile, zende Geschäft zu wappnen, kaufte aber die Stilllegung des Fließbandes die General Motors Suisse SA im war nur noch eine Frage der Zeit. Jahre 1947 der Stadt das Fabrikge- Viele dienstpflichtige Männer wurden bäude ab und setzte es wieder in- durch die Mobilmachung zum Aktiv- stand. Das Grundstück hatte General dienst einberufen, daher übernahmen Motors bereits 1934 von Biel ge- Hausfrauen ihre Arbeitsplätze. Die schenkt bekommen. Trotz weit ver- fertigen Wagen aber wurden bald breiteter Befürchtungen einer erneu- wegen Rationierung von Benzin und ten Wirtschaftskrise glaubte die Kapitän A 1965 – „Mariage“ Öl unverkäuflich. Die Armee requi- Leitung der GM Suisse an einen rierte zudem alle größeren Wagen aus Konjunkturaufschwung. Vorsichtige Zivilbeständen. Zunächst wurden Schätzungen bezifferten das auf dem Chevrolets zu Militärfahrzeugen Schweizer Markt zu erwartende umgebaut. Später wurden requirierte jährliche Potenzial auf rund 10.000 Ford V8 oder Plymouth ebenfalls zu Personenwagen. Unmittelbar nach so genannten "Kübelwagen" umge- dem Zweiten Weltkrieg wurde die baut. Diese Kübelwagen waren General Motors Suisse SA zusätzlich ursprünglich viertürige Limousinen, mit dem Aufbau einer ausgedehnten denen das Dach auf Höhe der Gürtel- Verkaufs- und Serviceorganisation für linie abgesägt wurde. Der General- Österreich, Italien und dem damali- stab der Armee schrieb größtmögli- gen Jugoslawien betraut. che Schiesswinkel und Rundumsicht Die erste Erweiterung der Fabrikati- Kontrastprogramm – Chevrolet für Fahrzeuge vor. onsanlagen wurde 1949 abgeschlos- Impala und Opel Kadett B bei Für eine gewisse Zeit bot die Herstel- sen, und zwischen der bestehenden der Anlieferung in Studen lung von Azetylengeneratoren für Fabrik und dem neuen Warenlager 48 Clubmagazin Nr. 193
09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 49 HISTORIE hatte man einen Tennisplatz und ein größte Problem der Unternehmenslei- Fußballfeld für die Angestellten tung war, wie man die ständig bis ans errichtet. Nach Inbetriebnahme Limit ausgelasteten Kapazitäten mit verdoppelte sich die bisherige Pro- allerhand Tricks und Kniffen weiter duktionskapazität auf gute 5.500 erhöhen konnte. 1968 gipfelte die Einheiten jährlich. Die tatsächliche Montage in einem Produktionsaus- Nachfrage überstieg jedoch alle stoß von 17.740 GM-Wagen, zeitwei- Prognosen und stieg sprunghaft in die se befanden sich 220 Autos gleichzei- Höhe. Bereits im Jahre 1950 wurden tig auf dem Band. Ohne Zweifel über 6.500 GM-Wagen verkauft. drängte sich eine weitere Expansion Erneut genügten die Kapazitäten des auf. Bieler Werks trotz äußerster Ausnüt- Obwohl der Montageverlauf im zung nicht mehr. Am 3. Oktober Wesentlichen immer noch demjeni- 1954 landete das Privatflugzeug von Vauxhall Cresta 1966 gen aus der Zeit vor 1940 entsprach, Harlowe H. Curtice, Präsident der entfiel durch die selbsttragende General Motors Corporation, in Konstruktion moderner Autos der Zürich-Kloten. Er wollte höchstper- Bau von Chassisrahmen. 27 Stunden sönlich überprüfen, ob sich ein neues nach dem ersten Teil, das auf Band Erweiterungsprojekt von über 14 gelegt wurde, genügte eine Drehung Mio. Schweizer Franken lohnen des Zündschlüssels, um ein nagelneu- würde. Gut gelaunt bewilligte er es Auto zum Leben zu erwecken. Am schlussendlich sogar zusätzliche 4. Werkstor konnte man alle sieben Mio. Franken. Nach ihrem Abschluss Minuten ein wegfahrendes Auto Noch ein Spezialmodell für die im August 1957 ermöglichte die beobachten - mehr als 80mal pro Tag. Schweiz – Kadett Ascona 1967 Erweiterung eine großzügige Erhö- Die GM kaufte in Studen, sechs hung des Produktionsausstoßes auf Kilometer von der Fabrik entfernt, im jährlich ungefähr 14.000 bis 15.000 Interesse einer zentralisierten Lage- Personenwagen. Am 6. Juli 1957 rung und Auslieferung eine Landpar- feierte die Belegschaft unter Produk- zelle von 147.000 m². Mit dem Bau tionsleiter Torricelli den 50.000. dieses größten Lager- und Ausliefe- Wagen aus Bieler Fertigung, einen rungszentrums der Schweiz wurde im Vauxhall Victor. Hatte die GM Suisse Dichtheitsprüfung am Vauxhall Frühjahr 1964 begonnen, 1966 konn- Victor 1969 SA für die Herstellung der ersten te es offiziell eingeweiht werden. 50.000 Wagen einundzwanzig Jahre Den größten Teil des noch heute gebraucht, so lief der 100.000. Wagen bestehenden Geländes (über 100.000 bereits vier Jahre später, nämlich am m²) nahm ein riesiger offener Platz 7. Juni 1961, vom Montageband. ein, auf welchem 6.000 bis 7.000 Natürlich war Nurenberg, der neue Fahrzeuge abgestellt werden konnten. CEO von GM Biel, sofort einverstan- Die heutige Besitzerin, die Cotra den, den 100.000. Wagen mit Promi- Autotransport AG, bewirtschaftet von nenz und Presse zu feiern, aber er dort aus noch immer im Auftrag der wünschte gleichzeitig eine Geste an Stiefbruder des Bestsellers – General Motors Suisse SA die Aus- die Jugend. So wurde der Jubilar, ein Swiss Ranger 2500 Prototyp, lieferung von Neufahrzeugen für den Opel Rekord PII Caravan, dem ebenfalls 1969 Pestalozzi-Kinderdorf in Trogen gesamten Schweizer Markt. Appenzell als Geschenk überreicht. Zu den jährlich rund 18.000 in Biel Die Länge des Montagebandes betrug montierten Fahrzeugen führte die 1936 gerade mal 170 Meter, Mitte GM Suisse im Jahr 1969 zusätzlich der sechziger Jahre war es gut auf das etwa 9.000 fertig gebaute Automobile Zehnfache und die Belegschaft auf ein. über tausend Angestellte angewach- sen. 1964 führte man die erste Daten- Das jähe Ende verarbeitung im Finanzwesen ein und In den monatlichen Forecast Mee- erreichte gleichzeitig den 150.000. tings der Geschäftsleitung waren Wagen, diesmal ein Opel Kapitän. trotz Hochkonjunktur immer wieder Die Hochkonjunktur in der Schweiz harte Nüsse zu knacken. 1960 grün- Süßwasserrochen – Manta A, und in Europa hielt an, und das deten die Staaten Europas, die nicht montiert 1971 Clubmagazin Nr. 193 49
09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 50 HISTORIE dem Schweizer Markt zu etablieren. ferien kein einziges Auto mehr mon- Im März 1970 debütierte der Ranger tiert werden würde. Am 14. August am Genfer Automobilsalon. 1975 fuhr ein Opel Rekord, als letzter Als 1972 das Freihandelsabkommen von insgesamt 329.864 Wagen aus zwischen EFTA- und EWG-Staaten Schweizer Montage, vom Band. rechtskräftig wurde, standen die Dank eines unvergleichlichen Sozial- Zukunftspläne für die General Mo- planes, den die unermüdliche Perso- tors Suisse fest. Das Bieler Montage- nalabteilung der GM Suisse SA werk würde für den gesamten Welt- ausgearbeitet hatte, waren an jenem markt das Oberklassemodell "Diplo- denkwürdigen Tag aber lediglich Heute eine Rarität – Rekord D mat" von Opel mit dem Label noch achtzig Personen von fast Lieferwagen 1973 "SWISS MADE" produzieren. Die tausend Entlassenen ohne neue An- Umbauarbeiten waren in vollem stellung. Pete Wiesman, Dr. Alex Gange, als am 16. Oktober 1973 die Meile und Armin Grond hatten sich Vereinigung Erdöl fördender Länder, monatelang für die Belegschaft OPEC, den Preis pro Barrel Rohöl eingesetzt, sich der Presse und der von bisher drei Dollar auf fünf Dollar Gewerkschaft gestellt und waren erhöhte. Tags darauf verhängte sie, sichtlich gezeichnet ob der nerven- als Protest gegen die vermeintliche raubenden Aufgabe. westliche Unterstützung Israels im Trotz dieses wirtschaftlichen Schocks Yom-Kippur-Krieg, einen totalen endete damit die Geschichte der Lieferboykott gegen die USA und General Motors Suisse SA keines- Finale – als letzter Opel verlässt Holland. Die folgenschwere Ölkrise wegs. Als Generalimporteur für die 1975 ein Rekord D Caravan die nahm ihren Anfang. Der unermessli- Schweiz funktioniert sie überaus Schweizer Fertigung che Preisanstieg für Rohstoffe stürzte erfolgreich weiter. die Wirtschaft endgültig in eine Erst im Jahre 2004 löste die General Mitglied in der EWG (Europäische schwere Rezession. In der Schweiz Motors Suisse SA ihre Verbindung Wirtschaftsgemeinschaft, bestehend wurden Sonntagsfahrverbote erlassen, mit Biel. Um Synergien mit General aus den Gründerstaaten der heutigen und Automobilverkäufe fielen ins Motors Europe besser zu nutzen, EU) waren, die EFTA (European Bodenlose. Großvolumige Wagen verließ das Unternehmen das histori- Freetrade Association). Auch die wurden über Nacht unverkäuflich, ihr sche Gebäude an der Salzhausstrasse Schweiz war mit dabei, und ihr Ziel Image erlitt regelrecht Rufmord. und zog nach Glattbrugg, wo sie war es, erleichterte Zollabkommen Ähnlich wie die brandneue "französi- weiterhin als straffe, moderne Ver- mit der EWG zu erreichen. Für die sche Revolution", der Citroën SM, triebsorganisation an ihrer Erfolgsge- beiden noch existierenden Schweize- hatte auch der Opel Diplomat inner- schichte strickt. rischen Automontagewerke, die GM halb von Wochen seine Existenzbe- Suisse und die AMAG in Schinznach, rechtigung verloren. Text: Marcel Motzet, Swiss Car bedeutete dies, dass der ursprüngliche Die AMAG in Schinznach musste als Register, Sektion Montage Suisse Grund für ihre Existenz, nämlich das Erste 1972 ihre Montage von Chrys- Bilder: Archiv Motzet, Swiss Car Zollstatut, das die hohen Einfuhrzölle ler-Modellen einstellen. Auch in Biel Register auf Fertigprodukten vorschrieb, damit zeichnete sich die Schließung des untergraben wurde. Regelmäßig Werkes ab, obschon man dies mit wurde diskutiert, wie die EFTA- aller Kraft zu verhindern suchte und GM-Suisse - speziell Auswirkungen ausgeglichen werden die Benzinpreise längst wieder im und individuell könnten. Dennoch steigerte sich die Fallen waren. Die japanische Invasi- Produktion vorerst weiter gegen on von billigen Autos und Elektroge- Modellvielfalt nach Maß 20.000 Autos pro Jahr, und 1967 räten setzte der einheimischen Wirt- Im ersten Jahr pries die General übergab Bob Price, der Nurenberg schaft ebenfalls stark zu, und aber- Motors Suisse S.A. ihre Modelle mit abgelöst hatte, dem Pestalozzi-Kin- mals erschütterten Entlassungs- und folgendem Werbetext an: derdorf einen weiteren Opel Rekord Rationalisierungswellen die Bevölke- Die Marken Opel, Vauxhall, Chevro- Caravan, diesmal war es das 200.000. rung. Im Frühling 1975 streikte in let, Pontiac, Oldsmobile, Buick, La in Biel montierte Auto. Um Qualitäts- Biel die Belegschaft der Uhrenfirma Salle und Cadillac bieten über 130 einbussen infolge der englischen Bulova aus Protest gegen Entlassun- verschiedene Modelle. Von der Streiks und das geschädigte Image gen und entfesselte damit die berüch- kleinsten Limousine zu Fr. 2 700.- von Vauxhall zu kompensieren, tigte Uhrenkrise. Gleichzeitig stand bis zum größten 16-Zylinder-Luxus- entschied er, eine neue Automarke in der Chefetage der General Motors wagen von über Fr. 50 000.-. Von 5 auf Basis eines Opel-Derivats auf Suisse SA fest, dass nach den Werks- bis 38 Steuer PS. Jede Marke, jedes 50 Clubmagazin Nr. 193
09-0073-Alt-Opel_MagazinNr193:210 x 297 10.02.2009 16:09 Uhr Seite 51 HISTORIE Modell hat seinen Platz in der Viel- Schweizer Kundschaft wünschte zusammen mit der GM Suisse im falt der Transporterfordernisse. möglichst komplett ausgestattete Tessin ein neues Mittelklasse-Modell Trotz großer Preisunterschiede erfüllt Autos, und so kreierte man in Biel ab vor: den Opel Ascona, der sich in jedes Modell mindestens vier Haupt- Mitte der fünfziger Jahre edle Versio- hunderttausendfacher Ausführung in forderungen: Zuverlässigkeit, Be- nen des Opel Rekord und ganz kurz drei Generationen über Jahrezehnte quemlichkeit, Sicherheit und Wirt- auch des Kapitän, die mit sämtlichem hinweg im Programm hielt. schaftlichkeit. Von diesen ausgehend, aufpreispflichtigem Zubehör ausgerü- hat General Motors ein Produktions- stet waren. Zusätzlich wurden sie 75 Jahre General programm zur Befriedigung aller zweifarbig mit Metallic-Farben aus erdenkbaren Wünsche entwickelt. der amerikanischen Palette lackiert, Motors Suisse SA Wurden bis in die fünfziger Jahre erhielten einen "Ascona"-Schriftzug Sonderausstellung Montage Suisse hinein Limousinen aller GM-Marken auf den Flanken und galten als letzter Fahrzeuge 1936 bis 1975 im Salz- außer Cadillac in Biel montiert, so Schrei. Mit dem Modellwechsel 1961 haus Wangen a/A, 21. Mai bis 1. Juni 2009 waren es Mitte der sechziger Jahre kam serienmäßig ein Luxus-Modell, doch vorwiegend Opel, Vauxhall und der "Rekord L", ins Programm, dafür Im Salzhaus Wangen an der Aare präsentiert das Swiss Car Register der Öffentlichkeit im Rahmen noch einige Chevrolets, in den siebzi- entdeckte man in Biel die Nische für des Internationalen ALT-OPEL Treffens vom 21. ger Jahren dann nur noch Opel, dafür veredelte Kombis und wandelte den Mai bis 1. Juni 2009 eine exklusive Auswahl von die verschiedensten Modelle. simplen Lastesel "Caravan" zum zwanzig echten „Montage Suisse“ Fahrzeugen aus der 40-jährigen Bieler Fabrikationsgeschich- Vor dem Krieg bot Chevrolet das "Ascona Caravan", einem luxuriösen te. So werden ein früher Buick Eight, zwei umfangreichste Modellsortiment aus Familien-Kombi. Chevrolet 13 PS mit Opel-Motor – ursprünglich für die Schweizer Armee gebaut – genauso prä- einheimischer Fertigung an, sogar ein 1962 erschien ein neues, kompaktes sentiert wie die Schweizer Luxusmodelle „Opel viertüriges Imperial Cabriolet mit Chevrolet-Modell, der Chevy II. Rekord Ascona“ der späten 50er Jahre, die aller- dings nichts mit dem späteren Modell Ascona ge- langem Radstand, entweder von Niemand in der Schweiz wollte einen meinsam hatten. Exponate wie eine Olympia- Langenthal oder Reinbolt & Christé simplen "Chevy Zwo", nebst wohl- Spezialanfertigung der Carrosserie Langenthal, ein seltener „Süßwasser-Manta“ vom Bielersee karossiert. Auch von Buick lieferte klingenden Modellnamen wie Cor- bis hin zu „GM Swiss Ranger“, der letzten die GM Biel einige Fahrgestelle an vair, Corvette, Bel Air oder Impala Schweizer Automarke, honorieren die 75-jährige Schweizer Karosseriefirmen, um kaufen, obschon sich das Fahrzeug in Geschichte der General Motors Suisse SA. Als besonderer Leckerbissen ergänzt der erste exklusive, meist viertürige Cabriolets Form und Abmessungen äußerst Schweizer Concept Car von 1956, der Soletta aufbauen zu lassen. Ein Reinbolt & attraktiv für den Schweizer Markt aus Solothurn, den Reigen. Es ist dem Swiss Car Register, Sektion Montage Suisse Christé Buick erlangte als Dienstwa- präsentierte. Also wandte man das (www.swisscarregister.ch) gelungen, nach mona- gen von General Guisan nationalen "Ascona-Prinzip" an und nannte das telangen Recherchen und Verhandlungen, die- sen einmaligen Querschnitt an historischen Ruhm. Modell nach dem Jurahügel, an „Montage Suisse“ Raritäten für zehn Tage zu- Kurz vor Ausbruch des Zweiten dessen Fuß die Stadt Biel hochge- sammenzubringen. Weltkrieges beauftragte der General- wachsen war, "Beaumont". Die Clubs, Gesellschaften und Gruppen können, selbstverständlich auch abends, Führungen, Vor- stab der Armee die GM Suisse, ein Zubehörliste war eine reine Streichli- träge mit der Vorführung historischer Filme der offenes, wirtschaftliches, aberviertüri- ste. Man musste also Zubehör, das GM Suisse, sowie auf Wunsch auch Catering bu- chen. ges und sechssitziges Zugfahrzeug man nicht haben wollte, aus der (Teilnehmer vom 38. Internationalen ALT-OPEL für leichte Geschütze zu bauen. Die Bestell-Liste abstreichen, da anson- Treffen 2009 profitieren von Sonderkonditionen, Details im Startpaket) Bieler Ingenieure schnitten kurzer- sten das Fahrzeug komplett und hand einer Chevrolet Limousine das reichhaltig ausgestattet in Biel vom Buchungen und Infos: Infobüro regioW, CH-3380 Wangen a. A. Dach ab, entfernten rundum alle Band lief. Tel. +41(0)32 361 07 07 Scheiben und ersetzten die originale 1967 erschien der Schriftzug "Asco- info@regiow.ch 3,6 Liter Maschine durch den 2,5 na" ein weiteres Mal am Heck eines www.regiow.ch Liter Sechszylinder aus dem Opel unscheinbaren, dafür aber umso Öffnungszeiten: Blitz. Der sparsame Chevrolet 13 HP pfiffigeren Kleinwagens: Die Bieler Täglich geöffnet, werktags: 14.00 bis 18.00 Uhr Samstag, Sonntag und Feiertage: 10.00 bis war geboren und hielt sich sogar im Tüftler hatten dem Kadett, serienmäs- 18.00 Uhr zivilen Lieferprogramm - natürlich sig mit 1100er Maschine ausgerüstet, Gesellschaften, Clubs und Gruppen auch vormit- tags und abends nach Vereinbarung wieder mit Dach - bis 1954. Als die das 1700er Aggregat des Opel Re- Führungen, Vortrag zur Geschichte, Vorführung sechssitzigen Opel Kapitän und kord eingepflanzt und einen sport- hist. GM-Suisse Filme nach Vereinbarung Vauxhall Cresta mit moderner Pon- lich-agilen Kleinwagen ins Leben Catering nach Vereinbarung tonkarosserie erschienen, wurde die gerufen - Urvater des Kadett Rallye? Eintritte / Preise: Fertigung des 13HP eingestellt. Böse Zungen behaupteten es immer Erwachsene: CHF 5.- / Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre gratis wieder. 1970 ergänzte eine neue AHV / IV, Studenten, Militär: CHF 2.50 Sondermodelle für den Schweizer Automarke, der Ranger, Ausstellungskatalog: CHF 5.- Führung durch Ausstellung ca. 40 Min. CHF 70.- helvetischen Fortschritt das gesamte GM-Programm, weil die pauschal (zzgl. Eintritte) englischen Vauxhall-Modelle auf- Führung mit Vortrag Historie, ca. 60 Min. CHF 100.- pauschal (zzgl. Eintritte) Der absolute Clou der General Mo- grund massiver Qualitätsmängel Führung, Vortrag und hist. Filmvorführung, ca. tors Suisse waren aber die verschie- unverkäuflich geworden waren. Im 100 Min. CHF 150.- pauschal (zzgl. Eintritte) denen "Ascona"-Sondermodelle. Die selben Jahr stellte Opel Rüsselsheim Clubmagazin Nr. 193 51
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