Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark
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Seminararbeit Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Seminar: Migrationsrecht (Ausländer- und Asylrecht, Schengen, Freizügigkeitsrecht) unter der Leitung von Prof. Dr. Breitenmoser PD Dr. Uebersax Cecilie Moser An der Auhalde 22 4125 Riehen 0794437982 cecilie.moser@stud.unibas.ch 7. Semester Abgabedatum: 16. Januar 2012
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Inhaltsverzeichnis LITERATURVERZEICHNIS.........................................................................................................III MATERIALIENVERZEICHNIS...................................................................................................VII ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.....................................................................................................IX A. EINLEITUNG................................................................................................................... 1 B. BEGRIFF UND FUNKTION DER INTEGRATION .................................................................... 1 I. Definition ................................................................................................................... 1 II. Inhalt der Integration ................................................................................................ 2 1. Die kulturelle Integration........................................................................................... 3 a. Die Bedeutung von Sprachkenntnissen ....................................................................... 3 2. Die soziale Integration............................................................................................... 4 3. Die strukturelle Integration........................................................................................ 4 4. Die rechtliche Integration .......................................................................................... 4 5. Die politische Integration........................................................................................... 4 III. Funktion................................................................................................................... 4 1. Abgrenzung von der Assimilation............................................................................... 4 C. INTEGRATION UND EINBÜRGERUNG IN DER SCHWEIZ ...................................................... 5 I. Schweizer Bürgerrecht................................................................................................ 5 II. Einbürgerung ............................................................................................................ 6 1. Erwerb des Bürgerrechts ........................................................................................... 6 a. Erwerb von Gesetzes wegen ....................................................................................... 6 b. Erwerb durch behördlichen Beschluss: die ordentliche Einbürgerung........................ 6 2. Totalrevision des BüG................................................................................................ 8 III. Integrationsbestimmungen im geltenden Recht ......................................................... 8 1. Integration im Bürgerrechtsgesetz (BüG) ................................................................... 9 a. Bedeutung der Integration.......................................................................................... 9 2. Integration im Ausländergesetz (AuG) ......................................................................10 a. Das Integrationskapitel.............................................................................................10 aa. Vorzeitige Niederlassungsbewilligung bei erfolgreicher Integration...................... ..11 bb. Integrationsvereinbarungen, Integration als Kriterium bei Bewilligungsentscheiden...................................................................................................12 3. Integration in der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer (VIntA).........................................................................................................13 I
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark 4. Integration in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) .........................................................................................................................13 IV. Die schweizerische Integrationspolitik ....................................................................14 1. Integration in den Regelstrukturen ............................................................................16 2. Akteure der integrationspolitischen Bemühungen......................................................17 a. Die Rolle des Staates.................................................................................................17 b. Die Rolle der Kantone und Gemeinden .....................................................................18 c. Fazit..........................................................................................................................19 3. Weiterentwicklung der Integrationspolitik.................................................................19 4. Ansätze für eine erfolgreiche Integration...................................................................20 D. INTEGRATION UND EINBÜRGERUNG IN DÄNEMARK ........................................................21 I. Dänische Staatsbürgerschaft .....................................................................................21 II. Einbürgerung ...........................................................................................................22 1. Einbürgerungsverfahren ...........................................................................................22 III. Integration in Dänemark.........................................................................................22 1. Bedeutung der Integration.........................................................................................22 2. Die dänische Integrationspolitik................................................................................23 3. Integrationsgesetz .....................................................................................................23 a. Ziel ...........................................................................................................................24 b. Zielgruppe ................................................................................................................24 c. Integrationsprogramm ..............................................................................................24 d. Integrationsvertrag ...................................................................................................25 4. Akteure der Integrationsförderung ............................................................................26 IV. Ausblick ..................................................................................................................26 E. RECHTSVERGLEICH ZWISCHEN DER SCHWEIZ UND DÄNEMARK BEZÜGLICH DER EINBÜRGERUNGS- UND INTEGRATIONSPRAXIS ....................................................................27 F. SCHLUSSWORT ..............................................................................................................29 II
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Literaturverzeichnis Literatur: ACHERMANN ALBERTO Integrationsverpflichtungen, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2006/2007, hrsg. von Alberto Achermann, Martina Caroni, Astrid Epiney, Walter Kälin, Minh Son Nguyen und Peter Übersax, Bern 2007, 107 ff. (zit. ACHERMANN) ÅREBO INGRID MEISSL Thorning-Schmidt wird Ministerpräsidentin, in: NZZ vom 17.9.2011, 3 (zit. ÅREBO, 17.9.2011) ÅREBO INGRID MEISSL Politikwechsel in Dänemark, in: NZZ vom 4.10.2011, 3 (zit. ÅREBO, 4.10.2011) ARGAST REGULA Staatsbürgerschaft und Nation: Ausschliessung und Integration in der Schweiz 1848-1933, Göttingen 2007 (zit. ARGAST) BEGLINGER MARTIN Könige der Integration (Die heimlichen Helden), in: Das Magazin vom 27.8. - 2.9.2011, 32 ff. (zit. BEGLINGER) BIANCHI DORIS Die Integration der ausländischen Bevölkerung: Der Integrationsprozess im Lichte des schweizerischen Verfassungsrechts, Diss. Universität Zürich, Zürich 2003 (zit. BIANCHI) BONIN JENNY Migrations- und Integrationspolitik in Dänemark und Finnland- ein nordischer Sonderweg?, Diss. Universität Rostock, Rostock 2010 (zit. BONIN) BROWN GÜVENGÜL KÖZ Neue Impulse in der Integrationspolitik, in: MIX- Die Migrationszeitung der Kantone AG BE BL BS SO ZH 2010, 4 ff. (zit. BROWN) BUNDESAMT FÜR MIGRATION Migrationsbericht 2010, Bern 2011 (zit. BFM) BÜHLER MARGRIT Partizipation im öffentlichen Raum: Mit Migrantinnen und Migranten zur Mehrheitsgesellschaft, Ein Handbuch für die Praxis, Herzberg, Asp, S.4 ff. (zit. BÜHLER) CARONI MARTINA Grundrechte als Katalysator der Integration, in: terra cognita 2006, 40 ff. (zit. CARONI, terra cognita) III
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark CARONI MARTINA/ Migrationsrecht, Bern 2009 (zit. CARONI) MEYER TOBIAS D./ OTT LISA DAVOLIO MIRYAM/ „Die Guten ins Körbchen, die Schlechten raus“- Erfüllung der TOV EVA Integrationsvereinbarung als Messlatte für die Beurteilung von Integrationswilligkeit, in: Asyl 2011, 8 ff. (zit. DAVOLIO) DROSDOWSKI GÜNTHER/ Schülerduden Fremdwörterbuch: Herkunft und Bedeutung der BERGER DIETER/ Fremdwörter, 3.Aufl., Zürich 1997 (zit. DROSDOWSKI) WURMS FRIEDRICH ESSER HARTMUT Sprache und Integration: Die sozialen Bedingungen und Folgen des Spracherwerbs von Migranten, Frankfurt/Main 2006 (zit. ESSER) GAMILLSCHEG HANNES Neue Töne in Dänemark, in: BaZ vom 4.10.2011, 9 (zit. GAMILLSCHEG, 4.10.2011) GERNY DANIEL „Welcome!“–und dann?, in: NZZ vom 28.9.2011, 15 (zit. GERNY) HOUMARD SERGE/ Zwischen Verpflichtung und Förderung: SCHOCH SABINE Integrationspolitik in den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Schottland und England, hrsg. von Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bern 2007 (zit. SFH) HUBER BERTOLD/ Ausländer- und Asylrecht, 2.Aufl., München 2008 GÖBEL-ZIMMERMANN RALPH (zit. HUBER) KÄLIN WALTER Grundrechte im Kulturkonflikt: Wenn das Recht auf Kultur eingefordert wird, in: terra cognita 2002, 78 ff. (zit. KÄLIN) SCHMID WALTER Integriert ist, wer sich akzeptiert fühlt, in: terra cognita 2006, 14 ff. (zit. SCHMID) SPESCHA MARC Neues Ausländergesetz- Migrationspolitik mit Zuckerbrot und Peitsche, SZIER 2008, 229 ff. (zit. SPESCHA, SZIER) SPESCHA MARC/ Handbuch zum Migrationsrecht, Zürich 2010 (zit. SPESCHA) KERLAND ANTONIA/ BOLZLI PETER IV
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark SPESCHA MARC/ Migrationsrecht: Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2009, 130 ff. (zit. THÜR HANSPETER/ SPESCHA Kommentar) ZÜND ANDREAS/ BOLZLI PETER SPRENGER KAATJE Schweizer Ausländerrecht 1860-1978, in: Da und fort. Leben in zwei Welten, hrsg. von Heinz Nigg, Zürich 1999 (zit. SPRENGER) STUDER BRIGITTE/ Das Schweizer Bürgerrecht: Erwerb, Verlust, Entzug von 1848 ARLETTAZ GÉRALD/ bis zur Gegenwart, Zürich 2008, 99 ff. (zit. STUDER) ARGAST REGULA SÜSSMUTH RITA Migration und Integration: Testfall für unsere Gesellschaft, München 2006 (zit. SÜSSMUTH) ROTH KATRIN „Im Herzen war ich schon Baslerin“, in: BaZ vom 3.10.2011, 15 (zit. ROTH) WEHRLI CHRISTOPH Ausländer im Föderalismus, in: NZZ vom 28.10.2011, 14 (zit. WEHRLI) WICHMANN NICOLE „Fördern und Fordern“- Eine Analyse des baselstädtischen Integrationsmodells, Asyl 2011, 3 ff. (zit. WICHMANN) WINTSCH SANDRA Flüchtlingskinder und Bildung- Rechtliche Aspekte, in: ZStöR 2008, 62 ff. (zit. WINTSCH) ZEUGIN BETTINA Wo steht die Schweizer Migrationspolitik?, Asyl 2007, 18 ff. (zit. ZEUGIN) V
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Internetseiten: http://www.admin.ch/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.bfm.admin.ch/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) https://www.borger.dk/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.denstoredanske.dk/Samfund%2c_jura_og_politik/Sociologi/Grupper/indvandrere/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.ekm.admin.ch/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.migazin.de/2011/07/15/eu-statistik-in-deutschland-leben-die-meisten-auslander/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.mipex.eu/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.nyidanmark.dk/da-dk/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://www.rem.dk/sw313.asp/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) https://www.retsinformation.dk/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) http://um.dk/ (zuletzt besucht am 28. Dezember 2011) VI
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Materialienverzeichnis Amtliche Publikationen: BUNDESAMT FÜR MIGRATION: Probleme der Integration von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz, Juli 2006, 9 (zit. BFM, 2006) BUNDESAMT FÜR MIGRATION: Bundesrat will Integration verstärken, Medienmitteilungen, EJPD, 5.3.2010 (zit. BFM, 5.3.2010) Botschaften: Botschaft des Bundesrates and die Bundesversammlung zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 23. August 1951, BBl 1951 II 705, SR 6088 Botschaft zu Änderung des Bürgerrechtsgesetzes vom 26. August 1987, BBl 1987 III 304, SR 87.055 Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3796, 3797, 3800, SR 02.024 Botschaft des Bundesrats zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht vom 4. März 2011, BBl 2011 2826, 2836, SR 11.022 Bundesverfassung, Bundesgesetze und Bundesverordnungen: Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV), SR 101 Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (Bürgerrechtsgesetz, BüG), SR 141.0 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005 (AuG), SR 142.20 Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer vom 24. Oktober 2007 (VIntA), SR 142.205 Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 (VZAE), SR 142.201 VII
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Entscheide: BGE 119 Ia 178; Urteil des Bundesgerichts E. 4c vom 18. Juli 1993 BGE 129 I 232; Urteil des Bundesgerichts 1P.1/2003 vom 9. Juli 2003 BGE 131 I 18; Urteil des Bundesgerichts 1P.468/2004 vom 4. Januar 2005 BGE 134 I 56; Urteil des Bundesgerichts 1D_11/2007 vom 27. Februar 2008 BGE 135 I 79; Urteil des Bundesgerichts 2C_149/2008 vom 24. Oktober 2008 BVGE Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2466/2008 vom 27. Juni 2011 VIII
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz Art. Artikel Aufl. Auflage AuG Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005, SR 142.20 BaZ Basler Zeitung BBl Bundesblatt BFM Bundesamt für Migration BüG Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, Bürgerrechtsgesetz vom 29. September 1952, SR 141.0 BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, SR 101 bzw. beziehungsweise Diss. Dissertation EFTA Europäische Freihandelsassoziation EKM Eidgenössische Kommission für Migrationsfragen EU Europäische Union f. folgende ff. fortfolgende Hrsg. herausgegeben IntV Integrationsvereinbarung i.V.m. in Verbindung mit KMU Kleine und mittlere Unternehmen m.E. meines Erachtens MIPEX Migrant Integration Policy Index IX
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark NRO Nichtregierungsorganisation NZZ Neue Zürcher Zeitung SFH Schweizerische Flüchtlingshilfe SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht u.a. unter anderem v.a. vor allem VIntA Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer vom 24. Oktober 2007, SR 142.205 VZAE Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007, SR 142.201 Ziff. Ziffer zit. zitiert ZStöR Zürcher Studien zum öffentlichen Recht X
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark A. Einleitung Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern ist in den westeuropäischen Ländern ein aktuell heiss und emotional diskutiertes Thema. Die Integrationsfrage hat in den Gerichtssälen, in der Politik sowie in der Bevölkerung in der letzten Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Das war nicht immer so. Die schweizerische Ausländerpolitik der Nachkriegszeit basierte bis in die 1960er Jahre auf dem sogenannten Rotationsprinzip, welches ausländische Arbeiter willkommen hiess, ihre Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung jedoch auf wenige Jahre begrenzte. Integration war kein Thema, obschon die Zahl der ausländischen Bevölkerung im Laufe der Jahre rasant zunahm. Diese Vernachlässigung der Integration zeigt sich heutzutage u.a. durch schlechte Sprachkenntnisse der Ausländer, patriarchalische Familienverhältnisse, Parallelgesellschaften, Ghettobildungen sowie durch erschwerte Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten. Diese Probleme müssen nun durch effektive Förderungsmassnahmen gelöst werden. Gefordert wird von den Einbürgerungswilligen viel Selbstverantwortung, um die an sie gestellten Forderungen zu erfüllen. Gleichzeitig fördert der Staat ihre Integration in den Regelstrukturen sowie mit spezifischen Massnahmen. Mit der Integration soll das Zusammenleben der einheimischen und ausländischen Wohnbevölkerung auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und gegenseitiger Achtung und Toleranz erreicht werden (Art. 4 Abs. 1 AuG). Doch was genau ist Integration? Wo findet die Integration statt und wie kann sie am besten gefördert werden? Wie ist die schweizerische Integrationspolitik und ihre Praxis zu beurteilen? Welche Bedeutung hat die Integration bei der Einbürgerung? Wie sieht die Lage im Ausland, zum Beispiel in Dänemark aus? Wie geht das nordische Land mit der Integrationsfrage um und welche Massnahmen werden ergriffen, um eine erfolgreiche Integration zu erreichen? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Schweiz und Dänemark sind festzustellen? Die Arbeit soll u.a. auf diese Fragen eine Antwort geben. Sie gibt einen Einblick ins Thema Einbürgerung und Integration von Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz und wirft zudem einen rechtsvergleichenden Blick auf die Praxis in Dänemark. B. Begriff und Funktion der Integration I. Definition Das Wort Integration ist vom lateinischen integratio abgeleitet und meint „die Wiederherstellung eines Ganzen“.1 Integration ist ein vielschichtiger und facettenreicher 1 DROSDOWSKI, 223. 1
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Begriff, der verschiedene Vorstellungen und Erwartungen mit sich bringt. Es gibt bis heute keine einheitliche Definition dafür. Integration bedeutet für die Einen das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Andere setzen den Begriff mit der Assimilation gleich.2 Integration wird vorherrschend als Gegensatz der Ab- und Ausgrenzung, der sogenannten Desintegration, bezeichnet und somit als individuelle und gesellschaftliche Teilhabe und Zugehörigkeit angesehen.3 Der Begriff Integration findet seinen Ursprung in der Soziologie und beschreibt einen gesellschaftlichen Prozess sowie ein gesellschaftliches Ziel. Der Prozess besteht in der Eingliederung und Akzeptanz von Individuen in eine Gruppe oder in ein übergeordnetes Ganzes.4 Diese so genannte Sozialintegration bezeichnet die Partizipation von einzelnen Akteuren an bereits existierenden sozialen Systemen und den daraus resultierenden Eigenschaften, Fertigkeiten und Ressourcen. 5 Die Integration wird zudem als ein gesellschaftliches Ziel angesehen, das eine stabile, gleichgewichtige Kooperation von Einzelnen in einem sozialen System anstrebt.6 Diese Systemintegration bezieht sich folglich auf den Zusammenhalt des Systems.7 Die Integration von Ausländerinnen und Ausländern schliesst beide Aspekte des soziologischen Integrationsbegriffs mit ein, in dem sie den dauerhaften Einschluss von Ausländerinnen und Ausländern in die Bevölkerung, in den Staat und in die Gesellschaft anstrebt.8 II. Inhalt der Integration Integration ist ein dynamischer, lang währender und überaus differenzierter Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens. Dieser Prozess zwischen Zugewanderten und Aufnahmegesellschaft besteht aus dem Aufeinanderzugehen, sich miteinander auseinandersetzen, Gemeinsamkeiten finden, Unterschiede feststellen und gemeinschaftliche Verantwortung übernehmen. Der zweiseitige Prozess beinhaltet zudem die Klärung und Lösung entstandener Konflikte.9 Die Integration von Einbürgerungswilligen stellt einen Prozess der Eingliederung in mehrere gesellschaftliche Bereiche dar und umfasst die kulturelle, soziale, strukturelle sowie die rechtliche Integration. 2 http://www.ekm.admin.ch/de/themen/integration.php. 3 SÜSSMUTH, 138; vgl. D ROSDOWSKI, 223. 4 CARONI, 121. 5 ESSER, 23. 6 CARONI, 121. 7 ESSER, 30. 8 CARONI, 121. 9 HUBER, 348. 2
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark 1. Die kulturelle Integration Die kulturelle Integration kann als individuell-subjektiver Lernvorgang des Ausländers angesehen werden. Dabei lernt er wie die Aufnahmegesellschaft funktioniert, indem er sich Kenntnisse über die Sprache, die Gewohnheiten, die sozialen Rollen sowie die Ordnung in der Arbeitswelt, im Bildungswesen, in der Politik und in der Freizeit aneignet. Diese neu erworbenen Kenntnisse ermöglichen ihm eine gute Orientierung, ein Zurechtfinden und eine gute Kommunikation sowie eine Beteiligung im gesellschaftlichen Leben.10 a. Die Bedeutung von Sprachkenntnissen Die Sprachkenntnisse sind fundamental für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern. Die Sprache selbst ist Teil wie auch Bedingung und Folge anderer Prozesse der Integration. Die wichtige Bedeutung der Sprache hat mit ihrer mehrfachen Funktionalität zu tun. Nach ESSER lassen sich drei spezielle Funktionen der Sprache angeben: Erstens stellt die Sprache eine wertvolle Ressource dar, mit welcher andere Ressourcen gewonnen werden können und in die investiert werden kann. Zweitens ist sie ein Symbol, das Dinge beschreibt, innere Zustände ausdrückt, Aufforderungen transportiert und Situationen bezeichnet. Drittens ist die Sprache ein Medium der Kommunikation und der darüber verlaufenden Transaktionen.11 Fraglich ist, auf welche Art und Weise die Sprachkenntnisse am effizientesten gefördert und geprüft werden sollen und inwiefern Zwang dabei behilflich ist. Experten sind der Ansicht, dass Sprachexamen eine bedrohliche Wirkung haben können und die Förderung der Sprache eher hemmen. Beim Aufstellen der Anforderungen müsste die individuelle Situation des Migranten beachtet werden. Je länger und verfestigter der Aufenthalt des Migranten ist, desto höhere Anforderungen an die Sprachkenntnisse können folglich gestellt werden. Zudem sind das Alter und die Berufstätigkeit des Migranten zu berücksichtigen.12 Gemäss der Botschaft des Bundesrates ist es von grosser Bedeutung, dass der Einbürgerungswillige die Sprache versteht und sich darin angemessen ausdrücken kann, so dass er sich im alltäglichen Leben gut verständigen kann und in der Lage ist die politischen Rechte auszuüben.13 Das Aneignen von Sprachkenntnissen ist eine conditio sine qua non für die Integration. Für eine erfolgreiche Integration bedarf es dennoch zusätzlich der Förderung 10 BIANCHI, 27; CARONI, 14. 11 ESSER, 23; 52. 12 ACHERMANN, 127 f. 13 BBl 2011 2825. 3
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark weiterer Bereiche, wie die Eingliederung in die Gesellschaft, Politik und Beruf sowie die aktive Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft.14 2. Die soziale Integration Die soziale Integration umfasst die privaten und sozialen Beziehungen zwischen Ausländern und Einheimischen, die sich im Bereich des Zusammenlebens abspielen. 3. Die strukturelle Integration Die strukturelle Integration bezieht sich auf den Zugang zu den bestehenden Strukturen, wie Schule, Berufsbildung, Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen. 15 4. Die rechtliche Integration Die rechtliche Integration bezieht sich auf die Rechtstellung der Ausländerinnen und Ausländer im Aufnahmeland. Sie soll den Rechtsstatus der Ausländer im Aufnahmeland zunehmend verbessern und deren Rechte schrittweise an jene der einheimischen Bevölkerung anpassen. 5. Die politische Integration Die politische Integration erfolgt durch die Partizipation an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen und den Besitz politischer Rechte. In der Schweiz kann die ausländische Bevölkerung zwar am politischen Diskurs partizipieren, jedoch hat sie mit Ausnahme einzelner Kantone16 kein Stimm- und Wahlrecht.17 III. Funktion Die Funktion der Integration besteht darin, ein Zusammenleben von Einheimischen und Ausländern zu ermöglichen, das durch gegenseitige Achtung und Toleranz geprägt ist. Mit diesem Ziel soll es den Ausländern ermöglicht werden, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Aufnahmegesellschaft teilzuhaben.18 1. Abgrenzung von der Assimilation Im Zusammenhang mit Integration taucht immer die Bezeichnung der Assimilation auf. Assimilation bedeutet die vollständige Aufgabe eigener Traditionen und Werte und die Übernahme der einheimischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Bräuche, Wertvorstellungen 14 HUBER, 351. 15 BFM, 2006, 9. 16 Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Waadt. 17 BIANCHI, 29. 18 CARONI, 121. 4
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark sowie Denkweise. Zusammenfassend ist Assimilation also die komplette Identifikation der Ausländer mit der Kultur der Einheimischen.19 Die Bürgerrechtspolitik nach dem Ersten Weltkrieg folgte einem Konzept, das eine Einbürgerung ohne Assimilation nicht erlaubte.20 Bis zum Jahre 1987 wurde die Assimilation explizit als Eignungskriterium für die Einbürgerungsbewilligung bezeichnet.21 In einer Botschaft des BüG des Jahres 1987 betonte der Bundesrat erstmals, dass von den Einbürgerungswilligen keine Aufgabe der angestammten kulturellen Eigenart und Staatsangehörigkeit verlangt würde.22 Damit hat sich der Bundesrat von der Assimilation deutlich distanziert. Die Leiterin der Fachstelle Diversität und Integration im Kanton Basel-Stadt, Nicole von Jacobs, schliesst sich diesem Standpunkt an und befürwortet Integration, während sie Assimilation ablehnt. Sie hält es zudem für wichtig ebenfalls die Landessprache der Migranten zu fördern, weil es ihrer Ansicht nach für die Identität eines Menschen von grosser Bedeutung ist.23 Dennoch sehen heute immer noch einige Kantone die Assimilation als Voraussetzung für die ordentliche Einbürgerung vor.24 C. Integration und Einbürgerung in der Schweiz I. Schweizer Bürgerrecht Der Erwerb einer Staatsangehörigkeit eines Staates kann durch zwei unterschiedliche Systeme erfolgen: Es gibt das ius soli, das Recht des Bodens, nach welchem die Staatsangehörigkeit aufgrund Geburt im entsprechenden Land erteilt wird, wie in den bekannten Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien. Die Schweiz kennt das andere System, nämlich das ius sanguinis, das Recht des Blutes, was soviel bedeutet wie der Erwerb der Nationalität durch väterliche oder mütterliche Abstammung. Diesem Konzept gehen auch Deutschland, Österreich und Dänemark nach.25 Das Schweizer Bürgerrecht hat die besondere Eigenschaft, dass die Schweizerinnen und Schweizer gleichzeitig drei verschiedene Bürgerrechte haben: das Bürgerrecht einer Gemeinde, das Bürgerrecht des entsprechenden Kantons und das Bürgerrecht des Bundes (Art. 37 Abs. 1 BV). Diese drei Bürgerrechte stellen eine untrennbare Einheit dar.26 Das Schweizer Bürgerrecht ist mit Rechten und Pflichten 19 BIANCHI, 27; CARONI, 121; S PRENGER, 276. 20 ARGAST, 291. 21 STUDER, 107. 22 BBl 1987 III 304. 23 ROTH, 15. 24 BIANCHI, 24. 25 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/buergerrecht.html. 26 CARONI, 233. 5
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark verbunden. Zu den Rechten gehören die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen sowie das Aufstellen zur Wahl in den Gemeinden, Kantonen und im Bund. Des Weiteren können sie diplomatischen Schutz im Ausland beanspruchen. Sie dürfen weder ausgewiesen und noch ausgeliefert werden (Art. 25 Abs. 1 BV). Schliesslich geniessen die Schweizer eine schweizweite Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV). Zu den Pflichten zählt das Leisten des obligatorischen Militär- oder zivilen Ersatzdienstes (Art. 59 BV). Die Kantone und Gemeinden sind ausserdem befugt weitere Bürgerpflichten aufzustellen. Seit dem 1. Januar 1992 ist nach schweizerischem Recht das Doppelbürgerrecht ohne Einschränkungen erlaubt. Für den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts sind die Bestimmungen des Bundes im Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, das Bürgerrechtsgesetz (BüG), sowie die kantonalen und kommunalen Bürgerrechtsbestimmungen massgebend.27 II. Einbürgerung 1. Erwerb des Bürgerrechts Das Schweizer Bürgerrecht kann von Gesetzes wegen durch Abstammung oder Adoption von einem schweizerischen Elternteil erworben werden oder durch behördlichen Beschluss, nämlich durch die Einbürgerung. a. Erwerb von Gesetzes wegen Der Bund regelt nach Art. 38 Abs. 1 BV den Erwerb und den Verlust des Bürgerrechts durch Abstammung, Heirat und Adoption. Laut Art. 1 Abs. 1 lit. a BüG erwirbt das Kind das Schweizer Bürgerrecht von Gesetzes wegen, wenn die Eltern miteinander verheiratet sind und zumindest ein Elternteil Schweizer oder Schweizerin ist. Falls die Eltern nicht verheiratet sind, muss die Mutter nach lit. b Schweizerin sein. Ist lediglich der Vater Schweizer und nicht mit der Mutter verheiratet, so kann das minderjährige Kind durch Begründung des Kindesverhältnisses zum Vater das Schweizer Bürgerrecht erwerben (Art. 1 Abs. 2 BüG). Durch Adoption eines unmündigen, ausländischen Kindes durch einen Schweizer Bürger erwirbt das Kind nach Art. 7 BüG ebenfalls das schweizerische Bürgerrecht.28 b. Erwerb durch behördlichen Beschluss: die ordentliche Einbürgerung Der Erwerb des Bürgerrechts durch behördlichen Beschluss kann durch die ordentliche oder erleichterte Einbürgerung erfolgen. Die ordentliche Einbürgerung stellt dabei den Regelfall 27 SPESCHA, 315. 28 CARONI, 234. 6
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark dar. Die erleichterte Einbürgerung betrifft vor allem die ausländischen Ehepartner von Schweizern und Kinder von eingebürgerten Eltern.29 Auf die erleichtere Einbürgerung wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Die ordentliche Einbürgerung ist für alle Ausländerinnen und Ausländer möglich, sofern sie die dafür erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen erfüllen. Das Einbürgerungsverfahren der Schweiz ist dreistufig, denn nach Art. 12 BüG benötigt es für die Einbürgerung eine Bewilligung des Bundes, des Kantons und der Gemeinde. Der Bund legt in Art. 14 und Art. 15 BüG seine Voraussetzugen fest. Art. 15 BüG regelt die Wohnsitzanforderungen, wonach ein zwölfjähriger Wohnsitz in der Schweiz gefordert wird. Die Zeit zwischen dem vollendeten 10. und 20. Lebensjahr werden dabei doppelt gezählt.30 Art. 14 BüG regelt die Eignungsvoraussetzungen für die Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass die einbürgerungswillige Person: • in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist, • mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist, • die schweizerische Rechtsordnung beachtet, durch Vorweisen leerer Straf- und Betreibungsregister, • die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet. Die Prüfung dieser genannten Voraussetzungen erfolgt im Auftrag des BFM durch die Kantone und Gemeinden. Der Bund überprüft lediglich, ob die Rechtsordnung beachtet wird und keinerlei Sicherheitsrisiko besteht. Die Prüfung der weiteren Einbürgerungsvoraussetzungen erfolgt in den Schweizer Kantonen und Gemeinden auf unterschiedliche Art und Weise. In einigen Kantonen und Gemeinden werden mündliche Befragungen durchgeführt, um die Sprachkenntnisse und das Vorliegen der Integration zu prüfen. In anderen Kantonen und Gemeinden wird eine schriftliche Prüfung der Sprach- und Staatskundekenntnisse verlangt. Je nach Kanton und Gemeinde kann eine eingerichtete Einbürgerungskommission, die Exekutive oder die Legislative für die Einbürgerung zuständig sein.31 Das Bundesgericht hat in einem Entscheid eine Initiative für ungültig erklärt, welche vorsah, dass Einbürgerungsgesuche der Urnenabstimmung unterstellt werden sollten. Das Bundesgericht hielt fest, dass damit eine Verletzung der verfassungsmässigen 29 CARONI, 235. 30 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/themen/buergerrecht/einbuergerung/ordentliche_einbuergerun g.html. 31 http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/die_oe/kontakt/kantonale_behoerden/kantonale_einbuergerun gsbehoerden.html. 7
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Begründungspflicht vorliegen würde. Ablehnende Einbürgerungsgesuche unterliegen nämlich der Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 8 Abs. 2 BV.32 Wenn die Voraussetzungen des Bundes erfüllt sind, hat der Bewerber einen Anspruch auf Erteilung der Einbürgerungsbewilligung durch das BFM. Die Gemeinden und Kantone haben neben den Mindestvorschriften des Bundes jedoch noch die Möglichkeit zusätzlich eigene Wohnsitz- und Eignungsvoraussetzungen von den Bewerbern zu verlangen. Solche Eignungskriterien sind zum Beispiel die Beherrschung der Amtsprache des Kantons oder die Unabhängigkeit von der Sozialhilfe. Erst wenn auch die Voraussetzungen der Kantone und Gemeinden erfüllt sind, kann das Schweizer Bürgerrecht erworben werden.33 2. Totalrevision des BüG Laut der Botschaft des Bundesrates soll das BüG demnächst aufgrund grossen Reformbedarfs einer Totalrevision unterzogen werden. Dabei soll das Einbürgerungsverfahren vereinfacht werden und anhand einheitlicher Abläufe und einer klaren Rollenverteilung im Verfahren harmonisiert werden. Der Integrationsbegriff soll an das Ausländerrecht angeglichen werden. Es sollen dieselben Anforderungen an die Integration gestellt werden wie im AuG. Zudem soll künftig die Niederlassungsbewilligung als Voraussetzung für die ordentliche Einbürgerung gelten, die Aufenthaltsdauer von bisher zwölf Jahren soll in Zukunft auf acht Jahre herabgesetzt werden und die kantonalen und kommunalen Wohnsitzfristen sollen harmonisiert werden. Mit der Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen soll sichergestellt werden, dass nur gut integrierte Ausländerinnen und Ausländer das Schweizer Bürgerrecht erwerben können.34 III. Integrationsbestimmungen im geltenden Recht Im Gesetz lässt sich keine Definition des Integrationsbegriffs finden. Der Gesetzgeber hat gemäss der Botschaft des Bundesrates bewusst auf eine Legaldefinition verzichtet, weil das gesellschaftliche Verständnis und die Vorstellungen über die Integration im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen sein könnten.35 Integration bezeichne generell „den Eingliederungsprozess von einzelnen sozialen Gruppen in das gesellschaftliche Ganze im Sinne eines sich Vertrautmachens und Vertrautwerdens mit den Verhältnissen in der 32 Siehe BGE 129 I 232, E. 3.3 4 5 6; BGE 131 I 18, E. 3. 33 SPESCHA, 317; http://www.bfm.admin.ch/content/bfm/de/home/die_oe/kontakt/kantonale_behoerden/kantonal e_einbuergerungsbehoerden.html. 34 BBl 2011 2826. 35 BBl 2002 3796. 8
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Schweiz.“36 Integrationsbestimmungen finden sich im geltenden Recht im Bürgerrechtsgesetz, im Ausländergesetz, in der Integrationsverordnung sowie in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit. 1. Integration im Bürgerrechtsgesetz (BüG) Im Bürgerrechtsgesetz steht die Bedeutung der Integration der Einbürgerungswilligen für die Erteilung des Schweizer Bürgerrechts im Zentrum. Zu den essentiellsten Eignungsvoraussetzungen für die Einbürgerung gehört nämlich die Integration. Der Bund, der Kanton sowie die Gemeinde prüfen, ob u.a. diese Eignungsvoraussetzung erfüllt ist. Wie bereits erwähnt, setzt Art. 14 lit. a BüG voraus, dass die einbürgerungswillige Person in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist. Dieses Kriterium wird als soziale Integration bezeichnet und zeigt sich in der selbständigen Lebensführung sowie im Interesse und der Teilhabe am sozialen und öffentlichen Leben. Des Weiteren muss nach Art. 14 lit. b BüG nachgewiesen werden, dass die Person mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche vertraut ist. Diese Voraussetzung kann als kulturelle Integration angesehen werden.37 Das Vertrautsein mit den schweizerischen Lebensverhältnissen zeigt sich darin, dass die Bewerberin und der Bewerber regelmässige Kontakte mit Schweizerinnen und Schweizern pflegen oder sich für einen lokalen Verein engagieren. Ein Vertrautsein äussert sich auch in der Kenntnis über Sprache, Geschichte, Geographie und Politik der Schweiz.38 Die Kantone können neben den Voraussetzungen des Bundes noch zusätzliche und konkretisierende Eignungskriterien aufstellen.39 a. Bedeutung der Integration Die Integration steht bei der Einbürgerung im Mittelpunkt. Die Bewilligungserteilung für die Einbürgerung ist ein Ermessensentscheid, d.h. es liegt im Ermessen der kommunalen Behörde, ob die soziale und kulturelle Integration beim Einbürgerungswilligen zu bejahen ist oder nicht.40 Die Ablehnung eines Einbürgerungsgesuches aufgrund fehlender Integration endet meist beim Bundesgericht.41 Manche sehen die Einbürgerung als krönender Abschluss der Integration. SCHMID sieht die Einbürgerung dagegen eher als eine relativ zufällig gesetzte 36 BBl 2002 3797. 37 BIANCHI, 24; BVGE C-2466, E.5.3.2. 38 BBl 2011 2836. 39 CARONI, 237. 40 BIANCHI, 25; BBl 1951 II 705. 41 Siehe BGE 131 I 18, E. 3; BGE 134 I 56, E. 3 4. 9
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Marke auf einem langen Weg: Über einen längeren Zeitraum bleiben die Unterschiede bemerkbar, aber irgendwann ist die Eingliederung, die Integration, beinahe unmerklich erfolgt.42 2. Integration im Ausländergesetz (AuG) Die wichtigsten Grundsätze der Integrationspolitik sind auf Gesetzesstufe im Ausländergesetz verankert. Am 1. Januar 2008 trat das neue AuG in Kraft. Das Ziel der Integration sowie die Förderungsmassnahmen des Bundes sind hier festgelegt worden. In Art. 4 AuG wird das Ziel der Integration als das Zusammenleben der einheimischen und ausländischen Wohnbevölkerung in gegenseitiger Achtung und Toleranz auf der Grundlage der Werte der BV beschrieben. Zugleich soll eine Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Gesellschaft ermöglicht werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist auf der einen Seite der entsprechende Wille der Ausländerinnen und Ausländer, deren Bereitschaft sich mit den schweizerischen gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen auseinanderzusetzen sowie eine Landessprache zu lernen. Auf der anderen Seite ist die Offenheit der schweizerischen Bevölkerung massgebend. a. Das Integrationskapitel Die Integration bildet das 8. Kapitel im AuG (Art. 53- 58 AuG). Das Gesetz bezeichnet in Art. 53 AuG die Förderung der Integration als eine staatliche Aufgabe, wobei die Behörden des Bundes, der Kantone und Gemeinden sowie nichtstaatliche Organisationen, inklusiv Sozialpartner und Ausländerorganisationen, zusammenarbeiten. Die Integration wird als eine Querschnittsaufgabe angesehen, die hauptsächlich über die Schule, Berufsbildung und Arbeitswelt erfolgen soll. Bund, Kantone und Gemeinde schaffen günstige Rahmenbedingungen für die Chancengleichheit und die Teilhabe der Ausländer am öffentlichen Leben.43 Durch die Schaffung eines verbindlichen Rahmens wird u.a. verhindert, dass auf kantonaler und kommunaler Ebene verschiedene Praxen entstehen, wie es beispielsweise beim Einbürgerungsverfahren der Fall ist. Den Kantonen und Gemeinden wird dabei nicht die konkrete Umsetzung vorgeschrieben, sondern lediglich die Rahmenbedingungen werden festgelegt.44 Gefördert wird primär der Spracherwerb, das berufliche Fortkommen, die Gesundheitsvorsorge sowie Bestrebungen, die dem gegenseitigen Verständnis zwischen Schweizern und Ausländern helfen und somit das Zusammenleben 42 SCHMID, 14 ff. 43 SPESCHA, Kommentar, 131 ff. 44 BROWN, 4. 10
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark erleichtern. Das Bildungs- und Berufssystem sowie das Gesundheitswesen sind für die Integration von grosser Bedeutung und demnach zu fördern. Besondere integrative Förderungsmassnahmen gelten den Frauen, Kindern und Jugendlichen, weil diese speziell ungünstige Startchancen haben. Diese Integrationsmassnahmen bestehen, gemäss der Botschaft, aus früh eingesetzten Sprachkursen, Berufsberatungen und Einführungen in die Grundrechte und Pflichten.45 Nach Art. 55 AuG kann der Bund Integrationsprojekte und Programme finanziell unterstützen, soweit sich auch die Kantone, Gemeinden oder Dritte angemessen an den Kosten beteiligen. Gemäss Art. 56 AuG sind Bund, Kantone und Gemeinden für die Information der Ausländer über die schweizerischen Lebens- und Arbeitsbedingungen und vor allem über deren Rechte und Pflichten zuständig. Hingewiesen wird auf Integrationsfachstellen, die personell und fachlich in der Lage sind, auf die individuellen und spezifischen Informationsbedürfnisse des Ausländers einzugehen. Laut Art. 57 AuG obliegt die Koordinationsaufgabe im Bereich Integration dem BFM. Das BFM koordiniert die Massnahmen der einzelnen Departemente und Bundesämter, insbesondere in den Bereichen der AHV, Berufsbildung und des Gesundheitswesens. Zudem sorgt das BFM für den Informations- und Erfahrungsaustausch mit den Kantonen und Gemeinden. Die Behörden der Gemeinden treten normalerweise als erstes mit dem Ausländer in Kontakt. Deshalb muss die Gemeinde den Ausländer auch frühzeitig über Integrations- und Sprachkursangebote aufklären. Die Kantone müssen eine Ansprechstelle für Integrationsfragen einrichten und mit dem BFM regelmässig Meinungen und Erfahrungen austauschen.46 aa. Vorzeitige Niederlassungsbewilligung bei erfolgreicher Integration (Art. 34 Abs. 4 AuG) Mit der Niederlassungsbewilligung, die unbefristet gilt und nicht an Bedingungen gebunden ist, wird den Ausländern ein sicheres Anwesenheitsrecht gewährt. Bei Ausländern, die nur über eine Aufenthaltsbewilligung - die in der Regel befristet ist - verfügen und keinen Rechtsanspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung nach fünf Jahren Aufenthalt haben, entscheidet die Behörde nach ihrem Ermessen über eine Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Einen Rechtsanspruch darauf haben die Ausländer auch bei einem Aufenthalt von zehn Jahren nicht. Allerdings kann nach Art. 34 Abs. 4 AuG bei erfolgreicher Integration die ermessensweise Erteilung einer vorzeitigen 45 ACHERMANN, 112 f.; BBl 2002 3800. 46 SPESCHA, Kommentar, 131 ff. 11
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Niederlassungsbewilligung nach einem ununterbrochenen Aufenthalt mit Aufenthaltsbewilligung von fünf Jahren erfolgen. Das Gesetz sieht als Kriterium für eine erfolgreiche Integration gute Kenntnisse einer Landessprache vor.47 bb. Integrationsvereinbarungen, Integration als Kriterium bei Bewilligungsentscheiden Nach Art. 54 AuG kann die Erteilung einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung sowie die Bewilligungserteilung im Rahmen des Familiennachzugs an die Bedingung geknüpft werden, dass ein Sprach- oder Integrationskurs besucht wird. Die Verpflichtung zum Kursbesuch kann dabei in einer Integrationsvereinbarung (IntV) festgehalten werden. Die Integrationsvereinbarung mit verpflichtenden Massnahmen wurde mit dem neuem AuG eingeführt. Der Bund überlässt es den Kantonen mit einer Kann-Klausel, IntV einzuführen. Das Ziel der IntV ist nach Art. 5 Abs. 3 VIntA die Förderung des Erwerbs der am Wohnort gesprochenen Landesprache sowie der Kenntnisse über die gesellschaftlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen, das schweizerische Rechtssystem und die fundamentalen Regeln und Normen, deren Einhaltung eine notwendige Voraussetzung für ein geordnetes Zusammenleben ist.48 Der Inhalt einer solchen Vereinbarung können die Verbesserung der Sprachkenntnisse, das Aufsuchen einer Schuldenberatungsstelle, das Vorweisen von Arbeitsbemühungen und der Besuch eines Integrationskurses sein.49 In der IntV müssen die im Einzelfall verfolgten Ziele und die vereinbarten Massnahmen überprüft sowie die möglichen Konsequenzen bei einer Nichterfüllung, nämlich die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung, festgehalten werden (Art. 5 Abs. 2 VIntA). Die IntV werden auf der einen Seite, als effektives Anreizsystem begrüsst und auf der anderen Seite als Droh- und Druckmittel kritisiert. Das BFM will mit der IntV Anreize für eine nachhaltige und erfolgreiche Integration der Ausländer schaffen und diese dazu motivieren ihren Beitrag zur Integration zu leisten. Weitere Befürworter sehen in der Einsetzung dieses Instruments einen Erfolg, da sie Zugewanderten, die seit vielen Jahren in der Schweiz anwesend sind und Integrationsdefizite aufweisen, unterstützen würden. IntV werden lediglich mit Ehegatten aus Drittstaaten, die im Rahmen des Familiennachzugs eingereist sind und Personen, deren Verhalten zu einer möglichen Nichtverlängerung der Bewilligung führen könnte, abgeschlossen.50 Die Verpflichtung zum Kursbesuch betrifft somit nur einen kleinen 47 SPESCHA, SZIER, 231 f. 48 ACHERMANN, 120 f. 49 WICHMANN, 5. 50 CARONI, 125. 12
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark Personenkreis. Die EU- und EFTA- Bürger, Angehörige von Schweizerinnen und Schweizern und Niedergelassenen, die meisten Kurzaufenthalter, Asylsuchende und internationale Funktionäre sind davon ausgenommen. Kritiker sehen darin eine Ungleichbehandlung und Diskriminierung von einer bestimmten Migrantengruppe.51 Die IntV würde nicht ein Integrationsinstrument, sondern vielmehr ein Ausgrenzungsinstrument darstellen, denn die Integrationsleistungen können lediglich bei Ausländern aus Drittstaaten von der Behörde eingefordert, überprüft, belohnt oder bestraft werden.52 IntV sind nach der Meinung von SPESCHA tatsächlich Integrationsverpflichtungen, deren praktische Umsetzung Fragen aufwirft. Fraglich ist beispielsweise, ob bloss ein Kursbesuch gefordert wird oder auch ein Kurserfolg erreicht werden muss, um den möglichen Konsequenzen der Ausweisung zu entgehen.53 3. Integration in der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer (VIntA) Die Integration ist auch auf Verordnungsstufe verankert. In der VIntA steht die Förderung der Integration im Vordergrund. Die Förderungskompetenzen des Bundes werden konkretisiert, indem die Aufgaben und die Organisation der EKM sowie das Verfahren für die Gewährung von Finanzhilfen festgelegt werden. Gemäss Art. 2 Abs. 1 VIntA ist das Ziel der Integration die chancengleiche Teilhabe der Ausländer an der schweizerischen Gesellschaft. Nach Art. 11 VIntA kann das BFM Finanzhilfen für Integrationsprojekte gestatten. Handelt es sich dabei um ein kantonales Integrationsprogramm, werden die Beiträge sowie Inhalt und Ziele des Programms vertraglich mit dem Kanton festgelegt.54 4. Integration in der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) In dieser Verordnung kommt der Integration bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung eine entscheidende Rolle zu. Nach Art. 60 VZAE wird der Grad der Integration des Gesuchstellers bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung berücksichtigt. Eine erfolgreiche Integration wird nach Art. 62 Abs. 1 VZAE bejaht, wenn der Ausländer die rechtsstaatliche Ordnung und die Werte der BV respektiert, grundsätzlich die am Wohnort gesprochene Landessprache spricht sowie den Willen zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung zeigt. Fraglich ist, was konkret unter dem Erwerb von Bildung 51 ACHERMANN, 126; SPESCHA, 231. 52 DAVOLIO, 11. 53 SPESCHA, SZIER, 231. 54 WINTSCH, 63; siehe unten IV. 2. 13
Die Integration als Voraussetzung der Einbürgerung in der Schweiz und ein rechtsvergleichender Blick auf die Praxis in Dänemark verstanden wird.55 Nach der Botschaft des Bundesrates zur Totalrevision des BüG bezweckt dieses Integrationskriterium die Fähigkeit der wirtschaftlichen Selbsterhaltung, so dass die Bewerberin oder der Bewerber für seinen Lebensunterhalt selber aufkommen kann und nicht auf staatliche Sozialleistungen angewiesen ist. Bei dauerhafter und erheblicher Sozialhilfeabhängigkeit kann nach dem AuG die Niederlassungsbewilligung entzogen werden (Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG). Wenn einbürgerungswillige Personen aufgrund einer Behinderung ein Einbürgerungskriterium nicht erfüllen können, soll dies beim Verfahren angemessen berücksichtigt werden. Diese Sonderfälle setzten voraus, dass kein Selbstverschulden, d.h. kein Wille zur Nichtteilnahme am Wirtschaftsleben vorliegt.56 Gemäss Art. 62 Abs. 2 VZAE wird zusätzlich der Integrationsgrad der Familienmitglieder des Ausländers, die älter als 12 Jahre sind, berücksichtigt. Diese Bestimmung wird von SPESCHA als unsachgerecht kritisiert. Er nimmt das Beispiel eines 15- jährigen ausländischen Schülers, der sehr gut integriert ist und dessen Erfolgsaussichten auf dem Lehrstellenmarkt mit einer Niederlassungsbewilligung eindeutig grösser wären als lediglich mit einer Aufenthaltsbewilligung. Der junge Ausländer würde ausländerrechtlich benachteiligt, nur weil seine Eltern beispielsweise nicht Deutsch sprechen und sozialhilfeabhängig sind. SPESCHA sieht darin eine Kollektivstrafe und genau das Gegenteil der eigentlichen Absicht der Integrationsartikel, nämlich der Anreiz für eine persönliche Integrationsbemühung. Jedes Gesuch um eine vorzeitige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sollte darum unabhängig von der Integration der Familienangehörigen beurteilt werden.57 Nach SPESCHA sind die Integrationsartikel darauf ausgerichtet, Integrationsanstrengungen mit Anreizen zu belohnen und Integrationsdefizite mit strikten, unverhältnismässigen Massnahmen zu bestrafen.58 Mit der Verknüpfung der Rechte an den Integrationsgrad einer Person würde ersichtlich, dass Integration ein Instrument der Migrationskontrolle ist, mit welcher erwünschte Migranten ausgewählt werden und unerwünschte Zuwanderer ausgewiesen werden. Dieser Selektionsgedanke wird in der Lehre kritisiert.59 IV. Die schweizerische Integrationspolitik Die Integrationspolitik der Schweiz wurde über lange Zeit vernachlässigt. Bundesrätin Sommaruga räumt ein, dass es in der Vergangenheit versäumt wurde, schlecht ausgebildete 55 ACHERMANN, 118. 56 BBl 2011 2825. 57 SPESCHA, SZIER, 231 f. 58 SPESCHA, SZIER, 233. 59 WICHMANN, 3. 14
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