DIE PATCHWORK-KARRIERE UND ANDERE NEUE KAR-RIEREMODELLE ALS ANTWORT AUF DEN VERÄNDER
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DIE PATCHWORK-KARRIERE UND ANDERE NEUE KAR- RIEREMODELLE ALS ANTWORT AUF DEN VERÄNDER- TEN BETRIEBLICHEN KONTEXT Proseminararbeit eingereicht der Wirtschats- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern Betreuende Assistentin: Joanna Harasymowicz-Birnbach, Magister-Ing. Institut für Organisation und Personal Engehaldenstrasse 4 CH-3012 Bern Direktor: Prof. Dr. Norbert Thom von: Mario Holzer aus Worben (BE) Matr.-Nr.: 02-120-053 Busswilstrasse 6 3252 Worben Bern, 06. Mai 2004
Proseminararbeit Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis I Tabellenverzeichnis II Abkürzungsverzeichnis II Anhangsverzeichnis II 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands 1 1.2 Stand der Forschung 3 1.3 Zielsetzung und Methode der Arbeit 4 2 Begriffliche Grundlagen 5 2.1 Karriere 5 2.2 Karrieremodelle 6 3 Erscheinungsformen der Karriere 7 3.1 Die alten und neuen Karriererealitäten: Eine Gegenüberstellung 7 3.2 Alternative traditionelle Karrieremodelle 8 3.3 Ansätze zu neuen Karrieremodellen 10 3.3.1 Das Flächenmodell 11 3.3.2 Die internationale Karriere 12 4 Die Patchwork-Karriere als vermutlich vorteilhafte Karriereform in Bezug auf den veränderten betrieblichen Kontext 14 4.1 Eigenschaften der Patchwork-Karriere 14 4.2 Argumente für eine gute Anpassung der Patchwork-Karriere an den veränderten betrieblichen Kontext 15 5 Schlussfolgerungen 18 6 Anhang 21 7 Literaturverzeichnis 22 I
Proseminararbeit Tabellenverzeichnis Tabelle 1.1: Alte und neue Karriererealitäten 7 Abkürzungsverzeichnis Aufl. Auflage Bd. Band bzw. beziehungsweise d. h. das heisst f. folgende ff. fortfolgende hrsg. v. herausgegeben von i. e. S. in engerem Sinne Jg. Jahrgang KMU Kleine und mittlere Unternehmungen lat. lateinisch Nr. Nummer resp. respektive S. Seite(n) u. a. unter anderem/und andere Verl. Verlag vgl. vergleiche zit. n. zitiert nach z. B. zum Beispiel Anhangsverzeichnis Anhang 1: Selbständigkeitserklärung 20 II
Proseminararbeit 1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Abgrenzung des Untersuchungsgegen- stands Während praktisch des gesamten letzten Jahrhunderts verstand man unter Karriere den hierarchischen Aufstieg innerhalb einer Unternehmung. Nach Abschluss der schulischen Ausbildung wurde mit der Berufswahl der praktisch endgültige Arbeitge- ber festgelegt. Arbeitsplatzsicherheit war beinahe eine Selbstverständlichkeit. Man hatte seinen beruflichen Werdegang für das gesamte Arbeitsleben mehr oder weni- ger vorweggenommen. Das Ziel für den Einzelnen bestand nun darin, auf der Karrie- releiter Sprosse um Sprosse aufzusteigen, wie dies auch schon die Vorgänger getan hatten. Die Karrieremöglichkeiten waren zum grössten Teil klar vorgegeben. Diese Sachlage war dem damaligen betrieblichen Kontext angepasst. Man bewegte sich in stabilen Märkten und statischen Organisationen, die stark hierarchisch aufge- baut waren. Der Aufstieg innerhalb der Linie galt als logische Konsequenz und bilde- te die vorherrschende Karriereform (vgl. Herriot 2002: 799). Die heutige Situation hat sich fundamental geändert. Ausgewählte Bedingungsgrös- sen (vgl. Friedli 2002: 46 ff.) präsentieren sich in veränderter Form und sollen nach- folgend kurz aufgezeigt werden: • Entwicklung der Wirtschaftslage: Nach wie vor sind die Folgen der schlechten Konjunkturlage spürbar. Ausserdem hat der Wettbewerb zwischen Unternehmen in der letzten Zeit stark zugenommen (vgl. Herriot 2002: 800) und scheint sich noch weiter zu verstärken. Die Einbussen von Einnahmen wurden vielmals mit Kosteneinsparungen im Personalbereich wettgemacht (vgl. Schmidt 1998: 232). Diesen Massnahmen fielen ganze Hierarchieebenen zum Opfer, was die vertika- len Karrieremöglichkeiten erheblich eingeschränkt hat (vgl. Friedli 2002: 48). • Demografische Entwicklung: Das Durchschnittsalter in der Gesellschaft steigt ste- tig an, da die Lebenserwartung zunimmt und die Geburtenrate sinkt. Durch die Reformation der Rentensysteme ist ein längeres Erwerbsleben vorgesehen. Der Trend geht also dahin, gesunde und fähige Fachkräfte länger zu beschäftigen (vgl. Michel-Alder 2004: 3). -1-
Proseminararbeit • Wertewandel: Die neue Generation von Arbeitnehmern zeichnet sich durch eine verminderte Karriereorientierung und ein erhöhtes Selbstverwirklichungsinteresse aus. Dies hat allgemein zu einer verringerten Bereitschaft geführt, sich in einem bestimmten Unternehmen einbinden zu lassen (vgl. Berthel 2000: 105). „Nach wie vor muss aber davon ausgegangen werden, dass so empfindende Mit- arbeiter in den höheren Hierarchiestufen selten sind und die Werthaltungen ge- genüber der beruflichen Arbeit deshalb zum Selektionskriterium sowohl beim Be- rufsstart als auch bei Versetzungen avancieren“ (Friedli 2002: 53). • Änderung der Frauenrolle: Eng mit dem Wertewandel ist die veränderte Frauen- rolle verbunden. Moderne Frauen hegen vermehrt den Wunsch, neben Haushalt und Familie in der Wirtschaft tätig zu sein. Dies hat zur Folge, dass die Hausar- beit innerhalb der Familie öfters aufgeteilt wird und sich somit das Verlangen nach Teilzeitarbeit und flexiblen Arbeitszeiten verstärkt (vgl. Oertig/Stoll 1997: 8 f.). • Steigende Mobilität: „Die Mobilität erlaubt eine zunehmende Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort und damit […] einen flexibleren Einsatz auch in Zweigstel- len des Unternehmens oder in ausländischen Niederlassungen, was [..] so ein grösseres Spektrum an unterschiedlichen Karrierepfaden erschliesst“ (Friedli 2002: 55). • Verstärkte Globalisierung der Wirtschaft: Die internationale Verflechtung der Wirt- schaft nimmt stetig zu (Becker 1993: 281). Unternehmungen produzieren jeweils dort, wo es am kostengünstigsten ist. Dies führt zu Dezentralisierung und Ausla- gerung von einzelnen Bereichen (vgl. Herriot 2002: 800). Diese Massnahmen können nach Ansicht des Verfassers wiederum zu einem Abbau von Hierarchie- stufen und damit eingeschränkten vertikalen Karrieremöglichkeiten führen. Diese Entwicklungen sollen in der vorliegenden Arbeit als der veränderte betriebliche Kontext verstanden werden. Im Wesentlichen stellen sich in Anlehnung an Brasse folgende Veränderungen her- aus (vgl. Brasse 1998: 42): -2-
Proseminararbeit • Vertikale Entwicklungsmöglichkeiten reduzieren sich aufgrund einer vermin- derten Anzahl von Aufstiegspositionen, dies vor allem wegen eines vermehr- ten Personal- und Hierarchieabbaus. • Diagonale Entwicklungsmöglichkeiten nehmen aufgrund von Dezentralisie- rungsprozessen zu. Unter diagonalen Entwicklungsmöglichkeiten sind dabei Aufstiege über verschiedene Abteilungen/Unternehmensbereiche oder ver- schiedene Niederlassungen zu verstehen (vgl. Friedli 2002: 2). Es ist also nach neuen Karrieremodellen zu suchen, die den Anforderungen des ver- änderten betrieblichen Kontextes gerecht werden und die heute gefragte Flexibilität der Mitarbeiter sicherstellen. Ansätze zu solchen Modellen sollen in dieser Arbeit aufgezeigt werden. „Mit der grösseren Dynamik und Komplexität der heutigen Arbeitswelt steigt gleich- zeitig die Notwendigkeit, Mitarbeiter häufiger auf Stellen mit anderen (auch höheren) Anforderungen zu versetzen, ohne dass dies stets „Beförderung“, d. h. ranghierarchi- scher Aufstieg im herkömmlichen Sinne sein kann.“ (Berthel 2000: 285). 1.2 Stand der Forschung Zum Themenbereich der Karriere an sich gibt es eine kaum überblickbare Menge an Fachbeiträgen. Dabei überwiegen Beiträge aus der Psychologie und Soziologie. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird die Karriere mehrheitlich der Funktion der Perso- nalentwicklung zugeordnet. Namhafte Verfasser sind u. a. Norbert Thom und Man- fred Becker (vgl. Friedli 2002: 5 f.). Bei den Karrieremodellen existiert eine grosse Anzahl an Beiträgen zu den alternati- ven Modellen Führungskarriere, Fachkarriere und Projektkarriere 1 . Als Auswahl an wichtigen Autoren sind hier Manfred Becker, Jürgen Berthel und Michel E. Domsch zu nennen (vgl. Friedli 2002: 7). Die neuen Modelle wurden bisher vor allem in Fachzeitschriften behandelt und nach Ansicht des Verfassers herrscht in der Betriebswirtschaft noch keine Einigkeit über ernstzunehmende neue Modelle. Vielmehr werden bisher eher unternehmensindivi- 1 Vgl. Abschnitt 3.2 -3-
Proseminararbeit duelle Ansätze aufgezeigt. Ein Modell, das häufig erwähnt wird, ist das Flächenmo- dell2 von Jürgen Fuchs, das bei der Beratungsfirma CSC Ploenzke entwickelt wurde. 1.3 Zielsetzung und Methode der Arbeit Diese Arbeit soll die Trends und Tendenzen im Bereich der Karrieremodelle aufzei- gen und erläutern. Es soll ein allgemeiner Überblick geschaffen werden, wobei der Patchwork-Karriere besondere Beachtung geschenkt wird. Die Arbeit will folgende Ziele erreichen: • Den veränderten betrieblichen Kontext und die daraus folgenden neuen Kar- riererealitäten darstellen • Bestehende traditionelle, wie auch neue Karrieremodelle aufzeigen und be- schreiben • Aufzeigen, weshalb die Patchwork-Karriere für den neuen betrieblichen Kon- text als geeignet erscheint Methodisch wird deskriptiv und analytisch vorgegangen, indem ausgewählte Beiträge aus der betriebswirtschaftlichen Literatur analysiert und in der Arbeit erörtert werden. Der grösste Teil der verwendeten Literatur stammt aus dem Personalmanagement, insbesondere aus dem Teilbereich der Personalentwicklung. Für Ansätze zu neuen Karrieremodellen werden Beiträge aus verschiedenen betriebswirtschaftlichen Fach- zeitschriften - mit dem Schwerpunkt Personal - verarbeitet. 2 Vgl. Abschnitt 3.3.1 4
Proseminararbeit 2 Begriffliche Grundlagen Der Begriff des Karrieremodells setzt sich aus den Komponenten Karriere (resp. Laufbahn) und Modell zusammen. Was unter Karriere zu verstehen ist, wird explizit erläutert. Der Begriff des Modells erfährt eine kurze Betrachtung zu Beginn des Ab- schnitts Karrieremodelle. 2.1 Karriere resp. Laufbahn Nach dem traditionellen Verständnis bedeutet Karriere eine möglichst schnelle Posi- tionsabfolge innerhalb einer Hierarchie. Diese Definition stammt ursprünglich vom französischen Wort carrière ab, unter welchem der Renngalopp (die schnellste Gangart des Pferdes) im Pferdesport zu verstehen ist (vgl. Friedli 2002: 19). Diese Definition wird nach der Meinung des Verfassers den heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht, weil der hierarchische Aufstieg immer mehr an Bedeutung ver- liert. Der Begriff der Laufbahn soll in dieser Arbeit nicht verwendet werden, da er zu eng mit dem öffentlichen Dienst verknüpft ist und eine solche Vorbestimmtheit von Positi- onsfolgen vorsieht, die nicht mehr den Bedingungen des veränderten betrieblichen Kontextes entsprechen (vgl. Friedli 2002: 19 f.). Unter Karriere ist in dieser Arbeit „jede beliebige Stellenfolge einer Person im betrieb- lichen Stellengefüge“ (Berthel 2000: 285) zu verstehen. Dadurch wird ein breiteres Karriereverständnis möglich, welches vor allem in Bezug auf die neuen Karrieremo- delle eine absolut notwendige Vorraussetzung ist. Nebst dem hierarchischen Aufstieg werden durch diese Definition auch „vertikale Abwärtsbewegungen und horizontale bzw. laterale Wechsel (Job-Rotation3)“ (Becker 1993: 274) ermöglicht. In einer weiten Begriffsauffassung ist unter Karriere auch ein regionaler Unternehmenswechsel zu verstehen (Berthel 2000: 285). Nach Ansicht des Verfassers sollten überdies auch nationale und internationale Wechsel berücksichtigt werden. Dies stellt eine Erweite- 3 Unter Job-Rotation ist ein Arbeitsplatzwechsel auf der gleichen hierarchischen Ebene zu verstehen (vgl. Thom 2003: 162). 5
Proseminararbeit rung des oben geschilderten traditionellen Karriereverständnisses dar und entspricht den heutigen Anforderungen. 2.2 Karrieremodelle Modelle sind vereinfachte Abbilder der Realität. Die Vereinfachung erhält man durch die Abstraktion eines Realweltausschnitts und der daraus resultierenden Reduktion der Informationen auf das Wesentliche. Abstrahieren (lat.) bedeutet das Weglassen von unwesentlichen Informationen (vgl. Bea/Dichtl/Schweitzer 2000: 314). Bilden sich in einem Unternehmen über längere Zeit hinweg charakteristische Positi- onsabfolgen heraus, entstehen Bewegungsprofile. Werden diese durch bewusste Gestaltungsentscheidungen gefördert, können sie sich zu Karrieremodellen verfesti- gen. Berthel nennt diese Karrierepfade (vgl. Berthel 2000: 286). Die Karrieremodelle „unterscheiden sich voneinander durch ihre Länge, d. h. die An- zahl der zugehörigen Positionen, deren Aufeinanderfolge, ihre Steighöhe (die höchs- te zuletzt erreichte hierarchische Position)“ (Berthel 2000: 287). Hat sich eine Unter- nehmung für bestimmte Karrierepfade entschieden, so ist damit ein generalisierter Versetzungsmodus festgelegt. Dies heisst jedoch nicht, dass Abweichungen unzu- lässig seien. Die Entwicklung von Karrieremodellen scheint vor allem in grösseren Unternehmun- gen mit ausreichend zahlreichen und homogenen Stellen in stabilen Hierarchien möglich. In kleineren Betrieben und in solchen, die ein stark heterogenes Stellenge- füge aufweisen, sind generelle Pfade in aller Regel nicht möglich. Hier sind pro frei- werdende Führungsposition individuelle Lösungen zu suchen, die den jeweiligen Stellenanforderungen am besten entsprechen (vgl. Berthel 2000: 287). Generelle Karrieremodelle scheinen immer mehr an Bedeutung zu verlieren, da der Trend in Richtung individuelle Karriere weist. Dies führt letztendlich dazu, dass auf starre lineare Karrierewege verzichtet wird (Fuchs 1998: 594). 6
Proseminararbeit 3 Erscheinungsformen der Karriere In einem ersten Schritt sollen alte und neue Karriererealitäten einander gegenüber- gestellt werden. Danach werden ausgewählte traditionelle und neue Modelle darge- stellt, die als Antwort auf die unterschiedlichen Karriererealitäten entwickelt wurden. 3.1 Die alten und neuen Karriererealitäten: Eine Gegenüberstellung In der nachfolgenden Tabelle sind die Karriererealitäten dargestellt, wie sie sich im Bezug auf den früheren und den neuen betrieblichen Kontext präsentieren. Die Ta- belle beinhaltet die wichtigsten Punkte. Alt: Neu: - Permanente Vollzeitarbeitsverträge - Temporäre Teilzeitarbeitsverträge - Gesicherter Arbeitsplatz - Unsicherer Arbeitsplatz - Einmalige Karrierewahl - Wechsel in der Karriere - Beschäftigung und Arbeitgeber für - Verschiedene Beschäftigungen das Leben und Arbeitgeber - Regelmässige Beförderungen - Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit - Starke Hierarchisierung - Abgeflachte Hierarchie - Voraussehbare Arbeitswechsel - Nicht vorhersehbare Arbeitswechsel - Interner Arbeitsmarkt - Externer Arbeitsmarkt - Vorgegebene Karrieremöglichkeiten - Selbstbestimmte Karrieremöglichkeiten - Nationale Karriere - Internationale Karriere Tabelle 1.1: Alte und neue Karriererealitäten (vgl. Herriot 2002: 800) Als Fazit lässt sich sagen, dass das Bild eines stabilen internen Arbeitsmarktes der Vergangenheit angehört. Daraus folgt, dass eine erhöhte Flexibilität von Seiten der Arbeitnehmer notwendig ist, um weiterhin für ein Unternehmen attraktiv zu bleiben. Arbeitsmarktfähigkeit tritt anstelle der Beschäftigungssicherheit. Verschiedene Stel- lenwechsel müssen in Kauf genommen werden, die Karriere wird mehr und mehr zu einer selbstbestimmten Variable im Leben eines jeden Angestellten. Auch ist Offen- heit in Bezug auf die Bewegungen innerhalb einer Unternehmung gefragt (vgl. Herri- 7
Proseminararbeit ot 2002: 801). Aufgrund der eher flachen Hierarchie sind Seitwärtsbewegungen als äquivalente Karriereschritte in Bezug auf vertikale Aufstiege zu akzeptieren und vom Unternehmen auch so zu kommunizieren. Dies kann z. B. durch eine Entkopplung des materiellen Anreizsystems von der hierarchischen Position bewerkstelligt werden (vgl. Thom 2001: 122). 3.2 Alternative traditionelle Karrieremodelle Die Führungskarriere stellt die traditionellste Karriereform dar. Nebst diesem Modell werden aber in der personalwirtschaftlichen Literatur häufig zwei weitere erwähnt, die als Ergänzungen zur Führungslaufbahn gelten. Es sind dies die Fachkarriere und die Projektkarriere, die als praxisrelevant betrachtet werden können (Friedli 2002: 35). Dabei ist anzumerken, dass die Fach- und die Projektkarriere nach der Führungskar- riere entwickelt wurden. Dennoch werden diese beiden Modelle in dieser Arbeit nicht zu den neuen Karrieremodellen gezählt, da sie nach Ansicht des Verfassers in der Zeit des früheren betrieblichen Kontextes entstanden sind, in dem noch die alten Karriererealitäten gegolten haben. Unter Führungskarriere i. e. S. versteht man eine Versetzung innerhalb der Linien- organisation bzw. der Hierarchie, wobei die vertikalen Versetzungen gegenüber den horizontalen (Versetzung auf gleicher Hierarchieebene) überwiegen. Meistens ist dieser Aufstieg mit einem Zuwachs an Kompetenz, Verantwortung, Status, Macht und Entgelt verbunden. Karrieremöglichkeiten in diesem Modell werden aufgrund der Schaffung flacherer Hierarchien und einem verlangsamten Wirtschaftswachstum ge- ringer (vgl. Berthel 2000: 290 f.). Damit kann die Nachfrage nach einer Führungskar- riere nicht mehr bei allen Mitarbeitern gedeckt werden. Dies ist insofern problema- tisch, als dass die Gefahr einer Abwanderung von guten Arbeitskräften besteht. Des- halb ist es notwendig, zusätzliche Karrieremöglichkeiten anzubieten. Jedoch ist anzunehmen, dass immer noch sehr viele Mitarbeiter eine Führungskarrie- re anstreben, da diese mit einem sehr grossen Prestigezuwachs verbunden scheint (vgl. Brasse 1998: 46). Vermehrt wird anstelle eines hierarchischen Aufstiegs auch von der Möglichkeit eines Abstiegs gesprochen. Angesichts des sich verändernden betrieblichen Kontexts, ins- besondere des beschleunigten Wandels der Märkte, ist damit zu rechnen, dass er- 8
Proseminararbeit reichte Karrierepositionen nicht immer gehalten werden können (vgl. Schanz 1993: 402). In diesem Fall ist aber eher davon auszugehen, dass der betroffene Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlässt, anstatt sich mit einer niedrigeren Position zufrie- den zu geben. Wie die Führungskarriere beinhaltet auch die Fachkarriere den Aufstiegsgedanken, jedoch in horizontaler Richtung auf der gleichen hierarchischen Ebene (vgl. Friedli 2002: 32). Sie existiert neben der traditionellen Leitungshierarchie (mit Führungslauf- bahn) und hat einen hohen Anteil an Fachaufgaben bei sehr geringem Umfang an administrativen Aufgaben als Charakteristikum. „Grundgedanke der Fachlaufbahnen ist es, Aufstiegsmöglichkeiten für solche Mitarbeiter zu schaffen, die nicht geeignet oder bereit sind, Positionen in Führungslaufbahnen zu übernehmen.“ (Berthel 2000: 291). Somit dient die Fachkarriere insbesondere der Erhaltung hochqualifizierter Fachspezialisten (vgl. Müller/Stöpfgeshoff 1998: 600), welche vor allem in der For- schung und Entwicklung oder im Bereich der Informationstechnologie zu finden sind (vgl. Friedli 2002: 33). Es ist zudem wahrscheinlich, dass die waagrechte Bewegung zu einer zunehmenden Zentralität führt. Damit ist ein Näherrücken an Schaltstellen gemeint, was sich z. B. in der Mitgliedschaft wichtiger Gremien und Informationsvorsprüngen gegenüber ande- ren Personen äussert. Dies könnte unter Umständen eine gute Voraussetzung für ei- nen späteren hierarchischen Aufstieg darstellen (vgl. Schanz 1993: 403). Damit ist auch dieser Weg noch offen und könnte als Anreiz für Mitarbeiter angese- hen werden, zuerst eine Zeit lang auf der gleichen hierarchischen Stufe Karriere zu machen, um danach die nötigen Voraussetzungen für einen Aufstieg mitzubringen. Die Projektkarriere wird zu einer immer wichtiger werdenden Alternative für Karrie- reentscheidungen. Durch fähige und willige Mitarbeiter werden Projektgruppen gebil- det. „Sie treten als vorübergehende Arbeitsform neben die ständige Linienorganisati- on und verbreitern durch Hinzukommen von Leitungsstellen die Führungsebenen.“ (Berthel 2000: 292). Die Palette der Entwicklungsmöglichkeiten wird durch die Pro- jektarbeit erweitert, was vor allem dann bedeutsam ist, wenn den Aufstiegsgelegen- heiten (z. B. durch ein relativ niedriges Lebensalter von Führungskräften) Grenzen gesetzt sind (vgl. Berthel 2000: 292). Die Mitarbeiter können sich also vor einem ver- 9
Proseminararbeit tikalen Aufstieg zuerst einmal vertieftes Fachwissen in bestimmten Projekten aneig- nen, und sich so weiter qualifizieren. „Je nach Stellung des Mitarbeitenden in der Projektorganisation und je nach Gewicht des Projektes innerhalb der Unternehmensaufgaben ergeben sich durch den Einsatz im Projekt unterschiedliche Karrierepfade.“ (Friedli 2002: 35). Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein Angestellter vom Projektmitarbeiter zum stellvertretenden Projektleiter und schliesslich zum Projektleiter selbst befördert würde (vgl. Friedli 2002: 35). Nebst vielen Chancen und Möglichkeiten für die Beschäftigten in Projekten ergeben sich auch Gefahren. Einerseits bestehen für viele Gruppenmitglieder Unsicherheiten bezüglich ihrer Position nach der Rückkehr in die Linie. Damit verbunden ist die Furcht vor dem Verpassen einer Beförderungschance. Diese Wiedereingliederungs- probleme entstehen vor allem, weil der Beendigungstermin eines Projekts selten klar festgelegt werden kann (vgl. Berthel 2000: 292). Diese Problematik könnte vielleicht gelöst werden, indem man den Projektmitarbei- tern laufend eine Ansprechperson aus der Linie zur Verfügung stellt. Diese Person hätte die Aufgabe, den Mitarbeitern laufend Informationen über in Frage kommende Positionen für die Zeit nach der Projektarbeit bereitzuhalten. 3.3 Ansätze zu neuen Karrieremodellen Nachfolgend sollen ausgewählte neuere Karrieremodelle beschrieben werden, die aus der verarbeiteten Literatur hervorgegangen sind. Es wird sich zeigen, dass diese Modelle nicht als gänzliche Neuerungen bezeichnet werden können. Sie bauen zu einem grossen Teil auf die oben genannten Modelle Führungskarriere, Fachkarriere und Projektkarriere auf (vgl. Friedli 2002: 41). Der Beitrag zur Patchwork-Karriere folgt im anschliessenden Kapitel, da auf dieses Modell gesondert eingegangen werden soll. 10
Proseminararbeit 3.3.1 Das Flächenmodell Das Flächenmodell wurde vom Wiesbadener Beratungsunternehmen CSC Ploenzke entwickelt. Es wendet sich von der Führungskarriere und dem damit verbundenen hierarchischen Aufstieg ab: „Karriere heisst wertvoller werden, nicht aufsteigen.“ (Fuchs 1998: 594). Anstelle der Karriereleiter wird die Metapher der Karrierefläche verwendet. Dies bedeutet, dass eine Entwicklung der Kompetenzen im Sinne einer Mehrfachqualifikation und einer verbesserten Kommunikationsfähigkeit verfolgt wird. Die konsequente Umsetzung dieses Modells führt dazu, dass starre lineare Karriere- wege überflüssig werden, da jeder Mitarbeiter individuell Karriere macht. Ein Kern- stück des Konzepts ist die Erkenntnis, dass der Mensch nur durch dauernde Ände- rung und stetigen Wandel lernbereit und lernfähig bleibt. Somit darf er sich nicht zu fest spezialisieren, sondern muss bereit sein, immer wieder Neues zu lernen (und damit auch Altes vergessen). Diese Entwicklung vom Spezialisten zum „Multi- Experten“ soll eine lebenslange Arbeitsmarktfähigkeit („lifelong employability“) garan- tieren. Das Ziel besteht in einer zukunftsorientierten, marktfähigen Entwicklung von Know-how (vgl. Fuchs 1998: 85). Anstelle des althergebrachten Stellenkegels treten so genannte „Kompetenzschalen“ und „Know-how-Räder“ (vgl. Fuchs 1998: 595). Die Kompetenzschalen dienen zur Darstellung der Gesamtkompetenz, die sich aus den Bereichen Persönlichkeitskom- petenz, soziale Kompetenz, methodische Kompetenz und fachliche Kompetenz zu- sammensetzt. Alle diese Kompetenzarten spielen beim Flächenmodell eine wesentli- che Rolle und sollen gleichermassen erreicht werden. Das Know-how-Rad besteht aus einzelnen Segmenten, die die Tätigkeitsfelder für die jeweilige Organisationseinheit dokumentieren. Dabei werden einerseits diejeni- gen Felder aufgezeigt, die bereits beherrscht werden, andererseits wird gezeigt, wel- che Themen durch die Mitarbeiter zukünftig abgedeckt werden sollen. Mit dem Know- how-Rad ist zudem eine zielkonforme Leistungs- und Potentialbeurteilung verknüpft, die zur mittelfristigen Karriereplanung eingesetzt werden kann (vgl. Fuchs 1998: 595). Es muss jedoch angefügt werden, dass das Flächenmodell eher einseitig auf die Be- ratungsbranche ausgerichtet ist. Unberücksichtigt bleiben Sozial- und Führungskom- petenzen (vgl. Friedli 1999: 13). 11
Proseminararbeit 3.3.2 Die internationale Karriere Ein weiterer Trend in Bezug auf neue Modelle geht in Richtung internationale Karrie- re. Die wachsende internationale Verflechtung der Wirtschaft erfordert auch über- staatliche Erfahrung der Mitarbeiter. Nebst dem Wunsch eines einzelnen Mitarbeiters im Ausland zu arbeiten, wurde in einigen Betrieben ein Auslandsaufenthalt bereits standardisiert und gilt für die weitere Karriere als Bedingung (vgl. Friedli 2002: 38 f.). „International tätige Unternehmungen entsenden Beschäftigte kurz-, mittel-, oder langfristig zu ihren Auslandsniederlassungen oder Tochtergesellschaften, damit die- se beim Aufbau das notwendige technische oder managementbezogene Wissen einbringen können.“ (Becker 1993: 281). Vor allem die Verwirklichung eines Know- how-Transfers ins Ausland und zurück, die Heranbildung von kosmopolitischem Be- wusstsein und die Erhöhung der Qualifikationen der Mitarbeiter sind ausgewählte Ziele (vgl. Domsch/Lichtenberger 1991: 379, zit. n. Becker 1993: 282). Um einen Auslandseinsatz absolvieren zu können, müssen die Mitarbeiter bestimmte Voraussetzungen mitbringen, die neben den fachlichen auch die persönlichen Fähig- keiten betreffen. Bezüglich der fachlichen Fähigkeiten scheinen Generalisten eher geeignet, weil sie eine breitere Wissensbasis mitbringen und so unterschiedliche Aufgaben leichter meistern können als Spezialisten. Bei den persönlichen Fähigkeiten sind vor allem die Anpassungsfähigkeit, die Kom- munikationsfähigkeit und die Motivation von grosser Wichtigkeit, um im Ausland zu bestehen (vgl. Becker 1993: 283). Vor der Entsendung sollte der Mitarbeiter Aus- und Weiterbildungsprogramme absol- vieren. Die Förderung von rein fachlichen Fähigkeiten für bestimmte Aufgabengebie- te spielt eine wichtige Rolle. Auch sollten Kenntnisse über die neue Arbeitsumwelt (z. B. Sprachkenntnisse) erworben werden. Weiter müssen die zu entsendenden Füh- rungskräfte in der Lage sein, Entscheidungen im Sinne der Muttergesellschaft auch im Ausland fällen zu können. Schliesslich sind die betroffenen Mitarbeiter auf die veränderten Verhältnisse im Gastland aufmerksam zu machen, um einen Kultur- schock zu vermeiden (vgl. Becker 1993: 284). Die Unternehmung sollte vor der Abreise mit dem jeweiligen Mitarbeiter eine indivi- duelle Karriereplanung mit klaren Absprachen für die Zeit nach der Auslandstätigkeit durchführen. Damit kann die Angst vor einer schlechten Re-Integration nach der 12
Proseminararbeit Rückkehr erheblich verringert werden, was zu einem Abbau von Widerständen ge- gen einen Auslandsaufenthalt führen sollte. „Schliesslich ist eine laufende Betreuung während des Aufenthalts im Ausland wün- schenswert, um den Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten“ (Becker1993: 284). 13
Proseminararbeit 4 Die Patchwork-Karriere als vermutlich vorteilhafte Karriereform in Bezug auf den veränderten betrieb- lichen Kontext In diesem Teil der Arbeit soll etwas vertieft auf die Patchwork-Karriere eingegangen werden. Nach einer Erläuterung der Eigenschaften dieses neuen Karrieremodells sollen Gründe für die vorteilhafte Anpassung an den veränderten betrieblichen Kon- text aufgezeigt werden. Die Patchwork-Karriere wurde deshalb gewählt, weil sie in den Augen des Verfassers als das umfassendste neue Karrieremodell in dieser Arbeit anzusehen ist. Sie vereint zu grossen Teilen das Flächenmodell und die internationale Karriere zu einem Gan- zen. Dies macht sich dadurch bemerkbar, dass einerseits Kompetenzerweiterungen innerhalb einer Unternehmung betrachtet werden. Damit wird das Flächenmodell teilweise abgedeckt. Andererseits sind in der Patchwork-Karriere auch Unterneh- menswechsel bis auf internationaler Ebene miteinbezogen. Dies ist ganz klar das Hauptthema der internationalen Karriere. 4.1 Eigenschaften der Patchwork-Karriere Unter der Patchwork-Karriere hat man im Wesentlichen eine Vielzahl von einzelnen Karriereschritten zu verstehen, die sich zu einem Karrieremuster verbinden. Nachfol- gend soll erläutert werden, was man sich genau darunter vorzustellen hat. Mit dem strukturellen Wandel in der Gesellschaft verändern sich auch die Beschäfti- gungs- und Karrieremuster. Die Laufbahnzyklen verkürzen sich, die Verweildauer in einem bestimmten Unternehmen wird immer geringer und der Ruf nach flexiblen Le- bensarbeitszeiten immer lauter (vgl. Oertig/Stoll 1997 8 ff.). Dies führt zu einer Auflö- sung von traditionellen Stellen. Der Arbeitsmarkt wird zunehmend unternehmens- übergreifend. Konnte bislang mehr oder weniger von einer einzigen Berufsphase in einem oder wenigen Unternehmen ausgegangen werden, so sind heute mehr Dis- kontinuitäten, Brüche, so wie unterschiedliche Höhen und Tiefen feststellbar. Nebst dem Wechsel der Aufgabenfelder sind auch Unternehmenswechsel für die meisten Mitarbeiter Teil ihrer Karriere. Diese Wechsel auf der Unternehmensebene können innerhalb derselben Branche oder in verschiedenen Branchen stattfinden. Diese „kurzen“ Karrieren in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, Branchen und Unterneh- 14
Proseminararbeit men werden nach Thom als Patchwork-Karrieren bezeichnet (vgl. Thom 1998: 17 ff., zit. n. Friedli 2002: 40). Nach Johansson gehört die klassische Führungskarriere endgültig der Vergangen- heit an. Die obersten Führungspositionen stehen nicht mehr denjenigen offen, die ihr ganzes Leben in einem einzigen Unternehmen gearbeitet haben. Gesucht sind viel- mehr diejenigen, die ihre Erfahrungen in verschiedenen Umgebungen, Branchen und Funktionen sowie auf internationaler Ebene sammeln konnten (vgl. Johansson 2001: 39). Diese Aussage kann jedoch nicht generell gelten und ist vor allem für kleine und mitt- lere Unternehmungen (KMU) in Frage zu stellen. Dort spielt sicherlich eine langjähri- ge Betriebserfahrung eine sehr wichtige Rolle, um in der Lage zu sein, eine Füh- rungsposition zu übernehmen. Hier ist vor allem wichtig, die sehr spezifischen Abläu- fe innerhalb einer solchen Unternehmung sehr genau zu kennen. Für international tätige Grossunternehmungen mit vielen Filialen und Tochtergesell- schaften mag die Aussage von Johansson hingegen stimmen (vgl. Friedli 2002: 40). 4.2 Argumente für eine gute Anpassung der Patchwork-Karriere an den veränderten betrieblichen Kontext In diesem Teil der Arbeit sollen Argumente für eine gute Anpassung der Patchwork- Karriere an den veränderten betrieblichen Kontext aufgezeigt werden. Dabei wird auf diejenigen Bedingungsgrössen4 zurückgegriffen, die zu Beginn dieser Arbeit aufge- zählt wurden. Es soll jeweils gezeigt werden, wie die Patchwork-Karriere mit dem veränderten Kontext umzugehen vermag. Diese Ausführungen beziehen sich vor al- lem auf grosse Unternehmen, die auch international tätig sind: • Entwicklung der Wirtschaftslage: Dem Ruf nach flexibleren Arbeitskräften be- gegnet die Patchwork-Karriere mit kürzeren Karrierephasen in unterschiedli- chen Aufgabenfeldern. Dies führt zu einer breiteren Wissensbasis und somit zu einer erhöhten Anpassungs- und Einsatzfähigkeit (vgl. Oertig/Stoll 1997: 8ff.). Damit wird in gewisser Weise auch der Verringerung von Hierarchiestu- fen begegnet. Die Karriere folgt zuerst eher einem horizontalen Weg, bevor die nötigen Grundlagen für einen vertikalen Aufstieg vorhanden sind. Von ei- 4 Vgl. Abschnitt 1.1 15
Proseminararbeit ner reinen Führungskarriere wird also grundsätzlich abgesehen (vgl. Johans- son 2001: 39). • Demografische Entwicklung: Der Überalterung der Arbeitnehmer kann die Patchwork-Karriere in dem Sinne Paroli bieten, als dass durch die kürzeren Karrierephasen immer wieder neue potentielle Einsatzgebiete gefunden wer- den können. Diese sollten in regelmässigen Abständen von spezialisierten Personalverantwortlichen geprüft werden (vgl. Michel-Alder 2004: 2). Nach Ansicht des Verfassers müssen die Mitarbeiter jedoch auch bereit sein, eine vertikale Bewegung nach unten in Kauf zu nehmen, falls sich zeigen sollte, dass ihre Leistungsfähigkeit abnimmt. Somit kann die Beschäftigungssicher- heit im besten Fall bis zum natürlichen Ausscheiden aus der Unternehmung aufrechterhalten werden (vgl. Brasse 1998: 45). • Wertewandel und Änderung der Frauenrolle: Durch die Patchwork-Karriere sollen verschiedene professionelle wie auch familiäre Identitäten erlaubt wer- den. Statt in eine einzige Karriere zu investieren, müssen mehrere Optionen aufeinander abgestimmt werden. Damit werden auch Brüche und Pausen möglich, ohne danach den Anschluss in der Arbeitswelt zu verlieren. Alternati- ve Beschäftigungsformen, wie etwa Teilzeitarbeit für Führungspersönlichkei- ten, sind als wichtiger Bestandteil der Patchwork-Karriere anzusehen. „Die Laufbahnen von Mann und Frau ergänzen sich im Idealfall zu einem Patch- work partnerschaftlicher Laufbahngestaltung“ (Oertig/Stoll 1997: 8 f.). • Steigende Mobilität: Die Patchwork-Karriere erlaubt einen flexibleren Einsatz der Arbeitnehmer an verschiedenen Standorten einer Unternehmung. Wie der steigenden Mobilität aber konkret begegnet wird, geht aus der verarbeiteten Literatur nicht hervor. • Globalisierung der Wirtschaft: Nach Johansson gehört die internationale Be- rufserfahrung immer mehr zum Handwerkszeug einer potentiellen Führungs- kraft (vgl. Johansson 2001: 39). Dies ist nach Ansicht des Verfassers gut mit dem Konzept der Patchwork-Karriere vereinbar, da die individuelle Karriere für einzelne Phasen in ausländische Zweigstellen „ausgelagert“ werden kann. 16
Proseminararbeit Dort wird die nötige internationale Erfahrung gesammelt, die vonnöten ist, um nach der Rückkehr ins Stammhaus einen vertikalen Karriereschritt durchlau- fen zu können. Es scheint aber klar, dass dieser Punkt von der internationalen Karriere besser abgedeckt wird. Die Patchwork-Karriere scheint in ihrer idealtypischen Form gut an den veränderten betrieblichen Kontext angepasst. Sie bringt die nötige Flexibilität und Anpassungsfä- higkeit der einzelnen Mitarbeiter mit und erlaubt eine individuell gestaltete Karriere. Die Arbeitsmarkfähigkeit sollte somit über lange Zeit gewahrt werden können. 17
Proseminararbeit 5 Schlussfolgerungen Durch einen zunehmenden Wettbewerb zwischen Unternehmungen und einer ver- stärkten Globalisierung erfolgt eine immer grössere Konzentration auf das Kernge- schäft. Teilbereiche werden zusammengeschlossen oder ausgelagert. Diese Um- strukturierungsmassnahmen werden häufig von einem Abbau der Hierarchie inner- halb einer Unternehmung begleitet. Daneben zeigt sich vermehrt ein Wertewandel in der Gesellschaft. Freizeit und Fami- lie erlangen vor allem bei jungen Leuten einen höheren Stellenwert als früher. Nebst der Karriere werden vermehrt auch nebenberufliche Aspekte wichtig. Diese Veränderungen der Bedingungsgrössen, die auf Unternehmungen einwirken, wurden in dieser Arbeit als der veränderte betriebliche Kontext bezeichnet. Aufgrund dieser Umgestaltungen scheint klar, dass die traditionelle Führungskarriere, die idealtypisch einen kontinuierlichen hierarchischen Aufstieg innerhalb einer Unter- nehmung vorsieht, nicht mehr den heutigen Bedingungen angepasst ist. Als Alternativen zur Führungskarriere wurde die Fach- und die Projektkarriere entwi- ckelt. Die Fachkarriere richtet sich an qualifizierte Fachkräfte, die keine Führungsver- antwortung übernehmen möchten, sich dennoch aber weiterentwickeln wollen. Kar- riere wird hier durch eine vermehrte Übernahme von unterschiedlichen Fachaufga- ben gemacht. Unter der Projektkarriere ist eine Weiterentwicklung der Fähigkeiten im Bezug auf die erfolgreiche Durchführung von eigenständigen Projekten zu verstehen. Der Mitarbeiter übernimmt im Verlaufe einer Projektkarriere eine immer grössere Verantwortung in Bezug auf ein bestimmtes Projekt und wird unter Umständen nach einiger Zeit der hauptverantwortliche Projektleiter. Diese beiden Karrieremodelle schaffen also mit horizontalen Bewegungen in der Hie- rarchie die Voraussetzung zu einem potentiellen vertikalen Aufstieg. Doch beide Modelle wurden zu einer Zeit entwickelt, die sich als relativ stabil darstell- te. Sie zeigen eher Alternativen für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, die sich nicht für eine traditionelle Führungskarriere eignen, als dass sie sich durch eine be- sonders hohe Flexibilität auszeichnen würden. Als Antwort auf den veränderten betrieblichen Kontext, der keine sicheren Arbeits- plätze mehr garantieren kann und flexiblere Arbeitskräfte fordert, werden vermehrt Ansätze zu neuen Karrieremodellen entwickelt und in der betriebswirtschaftlichen 18
Proseminararbeit Fachliteratur erläutert. Sie versuchen, nicht die Beschäftigungssicherheit eines ein- zelnen Arbeitnehmers zu gewährleisten, sondern dessen Arbeitsmarktfähigkeit über möglichst lange Zeit aufrecht zu erhalten. Das Flächenmodell hat die Absicht, die Kompetenzen der Mitarbeiter durch Mehr- fachqualifikationen zu erweitern. Anstatt von Spezialisten sollen Generalisten ausge- bildet werden, die sich durch eine breite Wissensbasis auszeichnen und sich in re- gelmässigen Abständen neues Wissen aneignen. Es erfolgt eine Abkehr vom hierar- chischen Aufstieg hin zu einer „Seitwärtskarriere“. Das Flächenmodell hat den Nach- teil, dass es eher einseitig auf die Beratungsbranche ausgerichtet ist. Die internationale Karriere kann vor allem als Antwort auf die wachsende Globalisie- rung und Internationalisierung von Unternehmungen betrachtet werden. Ziel dieses Modells ist eine erhöhte internationale Erfahrung der Mitarbeiter, indem diese, falls sie geeignet sind, in Auslandsgesellschaften eingesetzt werden. Damit sollen sie sich das nötige technische oder managementbezogene Wissen aneignen, um später eine Führungsposition in einer internationalen Unternehmung übernehmen zu können. Es scheint klar, dass dieses Modell hauptsächlich auf internationale Grossunterneh- mungen ausgerichtet ist. Als letztes neues Karrieremodell wurde in dieser Arbeit die Patchwork-Karriere be- handelt. Nach Ansicht des Verfassers handelt es sich hierbei um das am breitesten einsetzbare der drei Modelle. Die Patchwork-Karriere vereint Elemente des Flä- chenmodells und der internationalen Karriere. Einerseits sind Kompetenzerweiterun- gen in verschiedenen Gebieten, Branchen und Unternehmungen möglich, anderer- seits sind diese auf nationaler wie auf internationaler Ebene durchführbar. Aufgrund der breiten Einsatzmöglichkeiten und der als vorteilhaft betrachteten Ele- mente wurde die Patchwork-Karriere auf ihre Anpassung an den veränderten betrieb- lichen Kontext geprüft. Die Hypothese, dass es sich um eine gute Anpassung han- delt, sollte dargestellt werden. Dabei stellte sich heraus, dass dieses Karrieremodell in seiner idealtypischen Form sehr gut geeignet erscheint, sich den veränderten Bedingungen zu stellen. Gut an- gepasst ist sie vor allem an den erhöhten Wettbewerb, den Wertewandel, die demo- grafische Entwicklung und die veränderte Rolle der Frau. Inwiefern sich die betrachteten neuen Karrieremodelle in der Praxis durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Ausserdem wird sich zeigen, wie stark der Unterschied 19
Proseminararbeit von den neuen zu den traditionellen Mustern wirklich sein wird. Es ist davon auszu- gehen, dass von den in dieser Arbeit dargestellten idealtypischen Modellen abgewi- chen wird, um unternehmensindividuelle Anpassungen vorzunehmen. Als abschliessende Bemerkung soll noch angefügt werden, dass nach Ansicht des Verfassers die einzelnen aufgezeigten Karrieremodelle nicht als erschöpfend zu be- trachten sind. Während eines gesamten Erwerbslebens können also mehrere Model- le parallel oder nacheinander durchlaufen werden. 20
Proseminararbeit 6. Anhang Anhang 1: Selbständigkeitserklärung „Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäss aus Quellen entnommen wurden, habe ich als solche kenntlich gemacht. Mir ist be- kannt, dass andernfalls die Proseminararbeit abgelehnt werden kann und das ge- samte Proseminar als „nicht bestanden“ mit der Note 1 bewertet wird.“ Worben, 6. Mai 2004 Mario Holzer 21
Proseminararbeit 7. Literaturverzeichnis Bea, F.X./Dichtl E./Schweitzer M. (2000) Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Bd. 1: Grundfragen. 8. Aufl., Stuttgart 2000 Becker, Manfred (1993) Personalentwicklung: die personalwirtschaftliche Herausforderung der Zukunft, Bad Homburg vor der Höhe: Verl. für Unternehmensführung, Gehlen,1993 Berthel, Jürgen (2000) Personal-Management. Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit, 6. Auflage, Stuttgart 2000 Brasse, Claudia (1998) Veränderung der betrieblichen Karrierepfade. In: Personalwirtschaft, 25. Jg. 1998, Nr. 12, S. 42-46 Friedli, Vera (1999) Die integrierte betriebliche Karriereplanung. Ausgangslage in einem Forschungs- projekt. Arbeitsbericht Nr. 33 des Instituts für Organisation und Personal der Univer- sität Bern, Bern 1999 Friedli, Vera (2002) Die betriebliche Karriereplanung. Konzeptionelle Grundlagen und empirische Studien aus der Unternehmerperspektive, Bern; Stuttgart; Wien 2002 Fuchs, Jürgen (1998) Die neue Art Karriere im schlanken Unternehmen. In: Harvard Business manager, 20. Jg. 1998, Nr. 4, S. 83-91 Fuchs, Jürgen (1998) Karriere ohne Hierarchie: Wie man in der Know-how Gesellschaft Karriere macht. In: Personal, 50. Jg. 1998, Nr. 12, S. 594-597 22
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