DIE PROBLEME DES BILDUNGSSYSTEMS MUTIG LÖSEN - BILDUNGSPOLITISCHES POSITIONSPAPIER DER AFD-FRAKTION IM THÜRINGER LANDTAG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DIE PROBLEME DES BILDUNGSSYSTEMS MUTIG LÖSEN Bildungspolitisches Positionspapier der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung – Zum Begriff der Bildung 7 1. Schulische Bildung 9 1.1 Lehrerstellen umgehend besetzen 17 1.1.1 Bestandsaufnahme 17 1.1.2 Forderungen der AfD-Fraktion 23 1.2 Lehrinhalte: Bewährtes nicht pädagogischen Moden opfern 27 1.2.1 Bestandsaufnahme 27 1.2.1.1 Rechtschreibung: „Lesen durch Schreiben“ und abgeleitete Methoden 28 1.2.1.2 Druckschrift auf dem Vormarsch 30 1.2.1.3 Sexualkundeunterricht in den Schulen 33 1.2.1.4 Benotung 37 1.2.1.5 Klassenwiederholungen an den Thüringer Schulen 39 Bildnachweis: PantherMedia © poznyakov (Titel) 1.2.2 Forderungen der AfD-Fraktion 40 PantherMedia © pressmaster (S. 5) stock.adobe.com © contrastwerkstatt (S. 16) 1.2.2.1 Rechtschreibung: Lesen durch PantherMedia © Peter Jobst (S. 28) PantherMedia © jukai5 (S. 25) Schreiben abschaffen 40 PantherMedia © tan4ikk (S. 31) PantherMedia © Herbert Reimann (S. 33) 1.2.2.2 Schreibschrift an Thüringer Schulen PantherMedia © Britt Weykam (S. 38) lehren 41 PantherMedia © poznyakov (S. 44) PantherMedia © lisafx (S. 65) 1.2.2.3 Keine Frühsexualisierung unserer Kinder 42 commons.wikimedia.org © Mazbln (S. 71) pixabay © (S. 6, 9, 56, 60) 2 3
Einleitung I. Grundlagen 1.2.2.4 Leistungsbezogene Benotung erhalten 42 1.2.2.5 Klassenwiederholungen als Chance begreifen 43 1.3 Förderschulen stärken 44 1.3.1 Bestandsaufnahme 44 1.3.2 Forderungen der AfD-Fraktion 51 1.4 Freie und staatliche Schulen gleichstellen 56 1.4.1 Bestandsaufnahme 56 1.4.2 Forderungen der AfD-Fraktion 58 1.5 Für ein differenziertes und gegliedertes Schulsystem 60 1.5.1 Bestandsaufnahme 60 1.5.2 Forderungen der AfD-Fraktion 62 2. Duale berufliche Bildung stärken 65 2.1 Bestandsaufnahme 65 2.2 Forderungen der AfD-Fraktion 69 3. Hochschulbildung: Humboldt statt Bologna 71 3.1 Bestandsaufnahme 71 3.2 Forderungen der AfD-Fraktion 76 4. Schlussbemerkung 79 4 5
Einleitung Einleitung Einleitung —— Zum Begriff der Bildung Ü ber kaum ein Thema wird so leidenschaftlich dis- kutiert, wie über Bildung. Bildung geht jeden an: Jeder kennt das Bildungssystem aus seiner eigenen Erfahrung, denn wir alle waren Schüler, Berufsschüler oder Studenten − und viele von uns sind Eltern oder Großeltern von schulpflichtigen Kindern. Mit dem Begriff der Bildung kommt die Schule in den Blick. Schulische Bildung liegt in der Verantwor- tung des Staates, der das Schulwesen organisiert. Die Schule leidet heute zunehmend unter einer Funktiona- lisierung und Ökonomisierung, aber auch unter einer immer größer werdenden Ideologisierung. Bildung als Selbstzweck, als Persönlichkeitsbildung und als Bildung zur Freiheit spielt eine immer geringere Rolle. Verstärkt „Bildung bedeutet die Anregung aller Kräfte eines geht es vor allem darum, unsere Schüler zu flexiblen Menschen, damit diese sich über die Aneignung Individuen zu machen, die die Anforderungen der der Welt in wechselseitiger Ver- und Beschränkung Wirtschaft erfüllen und sich in der Konsumwelt aus- harmonisch-proportionierlich entfalten und zu einer kennen. Parallel dazu werden kritisches Denken und sich selbst bestimmenden Individualität oder Persön- humanistische Inhalte zunehmend durch Indoktrina- lichkeit führen, die in ihrer Idealität und Einzigartigkeit tion ersetzt. Keine Statistik, keine Lehrstanderhebung die Menschheit bereichert.“ und keine Informationskampagne hat hieran etwas geändert, denn die Entwicklung ist seit Jahrzehnten Wilhelm von Humboldt politisch gewollt. 6 7
Einleitung Schulische I. Grundlagen Bildung Dass Schule auch auf das Berufsleben vorbereiten soll, ist selbstverständlich. Und zweifellos ist die Be- deutung einer guten Bildung für den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland herausragend. Dies darf aber nicht der einzige Grund sein, sich der Verbesserung unseres Bildungssystems anzunehmen. Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hält daran fest, dass Bildung mehr ist als die Konditionierung für den Arbeitsmarkt. Wir sehen Schüler nicht als nur nützli- ches „Humankapital“, denn Bildung geht über die Vermittlung von Kenntnissen und „Kompetenzen“ deutlich hinaus. Im Prozess der Bildung formt sich die Persönlichkeit des Menschen und die muss im Zentrum der Bildungspolitik stehen. Die Bildung zur freien und selbstständigen Persönlichkeit, zum mündigen Bürger – das bleibt die Aufgabe. In diesem Sinne verstehen wir mit Wilhelm von Humboldt unter Bildung die „An- 1. Schulische Bildung regung aller Kräfte eines Menschen“ mit dem Ziel, ein selbstbestimmtes Leben führen und so freier Bürger in einer freien Gesellschaft sein zu können. Die Fraktion der Alternative für Deutschland im Thü- D ie Selbstentfaltung der Kinder in der Schule und das elementare Lernen stehen im Mittelpunkt der bildungspolitischen Auffassungen der AfD-Fraktion im ringer Landtag orientiert sich an diesem freiheitlichen Thüringer Landtag. Bildungsverständnis. Wir setzen uns dafür ein, dass die Bildung unserer Kinder wieder in den Mittelpunkt Nach Helmut Fend (Theorie der Schule, 1980) die- der Bildungspolitik gerückt wird. Das Bildungssystem nen Schulen der Reproduktion der jeweiligen Ge- hat hierzu seinen Beitrag zu leisten und darauf hin- sellschaft über die Erziehung und Bildung der her- zuwirken, dass unsere Kinder zu selbstständigen und anwachsenden Generation. Dies leisten sie, indem eigenverantwortlichen Persönlichkeiten erzogen und sie drei Funktionen erfüllen. An erster Stelle steht die gebildet werden. Letztlich sind derart gebildete und Qualifikationsfunktion, also die Vermittlung von Fer- ausgebildete Personen auch für den Wirtschafts- und tigkeiten und Kenntnissen, die für die Teilhabe am Technologiestandort Deutschland am förderlichsten. 8 9
Schulische Bildung Schulische I. Grundlagen Bildung gesellschaftlichen Leben von Nöten sind. Hier ist das werden. Das aber führt zu den oft beklagten Defiziten Erlernen von elementaren Kulturtechniken wie Lesen, in den Kenntnissen und Fertigkeiten von Schulabgän- Schreiben und Rechnen ebenso umfasst wie künstleri- gern. Diese Entwicklung ist nach Auffassung der AfD- sche und handwerkliche Fähigkeiten. Fraktion zu beenden. Daneben hat die Schule eine Selektionsfunktion, in- Die politisch gewollte Inflation der Bildungsabschlüs- dem sie über Prüfungen, Noten und Zeugnisse dem se wurde mit einer dramatischen Absenkung der Schüler eine Stellung in der Klasse und in einer Schul- Anforderungen erkauft. Statistische Kennzahlen für art zuweist und ihm somit auch die Möglichkeit gibt, Thüringen zeigen, dass sich die durchschnittliche Abi- einen bestimmten Schulabschluss zu erlangen. Damit turnote zwischen 2006 und 2015 kontinuierlich verbes- wiederum sind jeweils unterschiedliche Möglichkeiten sert hat, was nicht auf bessere Leistungen der Schüler, für die weitere berufliche Laufbahn verbunden. sondern ein kontinuierliches Absenken der Anforde- rungen zurück zu führen ist. Außerdem erfüllt die Schule eine Integrationsfunk- tion, indem sie die Schüler durch die Vermittlung be- stimmter Werte und Normen in die Gesellschaft ein- gliedert. Längst werden der Schule aber noch weitere Auf- Abiturdurchschnittsnoten 2006-2015 gaben jenseits dieser Funktionen übertragen. Das aber führt zu einer permanenten Überforderung. So 2,40 soll Schule heute auch Ort der Primärsozialisation von 2,35 Kindern sein, die in den Familien oft nur noch unzurei- Notenmittel 2,30 chend geleistet wird. Die Schule wird so immer mehr 2,25 zu einer „institutionalisierten Erziehungsanstalt“ und 2,20 zum „Ersatz für Primärsozialisation, wie sie in der Fami- 2,15 lie geleistet werden sollte“ (Oesselmann et al. 2011). 2,10 Wenn Schule Funktionen übernehmen soll, die jen- 2,05 seits ihrer eigentlichen Zuständigkeit liegen, besteht 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 die Gefahr, dass elementare Aufgaben vernachlässigt 10 11
Schulische Bildung Schulische Bildung Daneben scheinen gerade in Thüringen gute Abi- turnoten „garantiert“ zu sein. Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, wurden im Jahr 2015 in Thüringen nicht nur die durchschnittlich besten Abiturnoten in Deutschland vergeben, sondern es gab auch mit 2,1 Prozent die wenigsten Schüler, die das Abitur nicht bestanden haben. Im Schuljahr 2016/17 lernen an den 894 allgemeinbil- denden Schulen Thüringens 190.521 Schüler und an den 115 berufsbildenden Schulen 49.609 Schüler. Wie die beiden folgenden Abbildungen zeigen, hat sich die Thüringer Schullandschaft seit den Zeiten der politischen Wende dramatisch verändert. Die ältesten uns vorliegenden Daten stammen aus dem In Thüringen traten im Schuljahr 2016/17 6.170 Schü- Schuljahr 1992/1993 und zeigen, dass damals noch ler von der Grundschule in das Gymnasium über. Seit 424.861 Schüler die 1690 Thüringer Schulen besuchten. 2009 liegt die Übertrittquote kontinuierlich bei rund 45 Prozent. 12 13
Schulische Bildung Schulische Bildung Nach der vierten Klasse ist der Besuch des Gymna- konnten im Schuljahr 2014/15 nur noch 43.225 Schü- siums möglich, wenn das Kind zum Schulhalbjahr der ler in dieser Schulform gezählt werden. Dies entspricht Klassenstufe 4 in den Fächern Deutsch, Mathematik einem Rückgang von 66 Prozent. Man könnte da- sowie Heimat- und Sachkunde jeweils mindestens mit von ausgehen, dass diese Entwicklung insbesondere der Note „gut“ bewertet wurde. Kann das Kind diese dem Bevölkerungsrückgang geschuldet ist. Allerdings Anforderungen nicht erfüllen, so besteht die Möglich- müsste in diesem Fall die Anzahl der Schüler an Gym- keit, auf Antrag der Eltern eine Empfehlung für den nasien im etwa gleichen Verhältnis gesunken sein. Besuch des Gymnasiums zu erhalten. Geschieht auch Aber während im Schuljahr 1991/92 66.956 Kinder und dies nicht, kann durch das Bestehen einer Aufnah- Jugendliche an Thüringer Gymnasien unterrichtet meprüfung der Zugang zum Gymnasium ermöglicht wurden, waren es im Schuljahr 2014/15 47.919, also werden. Außerdem ist für Kinder der Regelschule ein 29 Prozent weniger als nach der Wiedervereinigung. Übertritt zum Gymnasium nach den Klassenstufen 5, 6 und 10 möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen Die aktuelle Studie „Studierfähigkeit und Ausbil- erfüllt sind. dungsfähigkeit“ aus dem Jahr 2016 zeigt, dass sich Unternehmen und Universitäten zunehmend mit jun- In den relevanten Klassenstufen 5 bis 10 befinden gen Menschen konfrontiert sehen, die die Grundla- sich im aktuellen Schuljahr 2016/17 44.005 Schüler in genkompetenzen in Sprache und Mathematik nicht der Regelschule und 39.046 an einem Gymnasium. mitbringen. Daher wird in immer größerem Ausmaß Dass der Besuch eines Gymnasiums kein Privileg einer versucht, die Defizite mit gezielter Nachhilfe in Studi- kleinen Gruppe und das Abitur längst nicht mehr ei- um und Ausbildung auszugleichen. Inzwischen bieten ner Bildungselite vorbehalten ist, zeigt sich auch bei fast 40 Prozent der Ausbildungsbetriebe selbst Nach- einem Blick auf die Absolventenstatistik des Jahres hilfe für ihre Azubis an. 2014/15: Zu diesem Zeitpunkt verließen 5.554 Schüler mit einer Hochschulreife die allgemeinbildende Schu- Insbesondere hat sich die Situation für Ausbildungs- le in Thüringen, während 7.336 Absolventen die Schu- betriebe in den letzten Jahren deutlich verschärft. Die le mit einem Realschulabschluss verließen. aktuelle Unternehmensbefragung der DIHK 2016 hat ergeben, dass 47 Prozent der Ausbildungsbetriebe Dass das Gymnasium von einem immer größeren das Fehlen elementarer Rechenfertigkeiten beklagen Anteil an Schülern eines Jahrgangs favorisiert wird, (Deutscher Industrie- und Handelskammertag 2016). zeigt sich auch bei einem Blick auf die Schulstatistik im Diese Entwicklung ist nicht neu und zeigte sich so Zeitverlauf. Befanden sich noch im Schuljahr 1991/92 schon in den vergangenen Jahren. „Da im Zuge der 125.857 Schüler an einer Regelschule in Thüringen, demografischen Entwicklung immer weniger Schul- 14 15
Schulische Bildung Lehrerstellen demiker und eine große Menge an Facharbeitern, die das duale Ausbildungssystem durchlaufen haben, auf das Deutschland zu Recht stolz sein kann. 1.1 Lehrerstellen umgehend besetzen 1.1.1 Bestandsaufnahme Im Schuljahr 2016/17 lernten an Thüringer Schulen 240.514 Schüler in 1009 Schulen, 25.983 von ihnen an Schulen in freier Trägerschaft. An den staatlichen Schulen arbeiten laut aktueller Schulstatistik 17.413 Lehrer. Seit dem Jahr 2014, also zum Zeitpunkt der Re- gierungsübernahme der rot-rot-grünen Koalition, ist abgänger die Schulen verlassen und sich gleichzeitig der Unterrichtsausfall in Thüringen höher als die letzten der Trend zum Studium weiter ausprägt, geben immer 10 Jahre zuvor. Die aktuellsten Zahlen aus der zweiten mehr Betriebe leistungsschwächeren Jugendlichen Stichwoche des Schuljahres 2016/2017 zeigen, dass Ausbildungschancen“ (Deutscher Industrie- und Han- 15.199 Schulstunden, also 5 Prozent des Unterrichts er- delskammertag 2016). Die Unternehmen leiden unter satzlos ausgefallen sind. Dabei handelt es sich um den der mangelnden Ausbildungsreife der Schulabgän- höchsten Wert seit dem Schuljahr 2000/01, zu dem uns ger. So konnten 31 Prozent der Betriebe ihre Ausbil- die ersten Zahlen vorliegen. dungsplätze nicht besetzen. 71 Prozent derjenigen Unternehmen, die über offene Ausbildungsstellen ver- fügen, geben an, dass sie die Stellen nicht besetzen konnten, weil es nicht genügend geeignete Bewer- ber gab. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist durch diese Entwicklungen gefährdet. Das Bildungssystem leidet zunehmend unter der Verflachung der Lerninhalte, mit der eine übertriebene Akademisierung erkauft wird. Deutschland braucht aber kein akademisches Prekariat, sondern hervorragend ausgebildete Aka- 16 17
Lehrerstellen Lehrerstellen Unterrichtsausfall ist nach Definition der Landesre- rer eingestellt. Den Tiefpunkt hatte diese Entwicklung gierung ausschließlich der ersatzlose Ausfall von Un- im Jahr 2007, als gerade einmal fünf Vollzeitlehrer- terricht. Daneben gibt es unterschiedliche andere einheiten in den Schuldienst eingestellt wurden. Als Formen des nicht planmäßig erteilten Unterrichts, die Folge einer solchen Politik fehlt uns heute eine gan- nicht als Unterrichtsausfall gezählt werden, sich je- ze Lehrergeneration an den Thüringer Schulen. Zwar doch ebenso negativ auf den Lernerfolg der Schüler zeigt die Abbildung, dass im Jahr 2015 der vorläufige auswirken. Die fachfremde oder fachgerechte Vertre- Höhepunkt an Einstellungen erreicht wurde, jedoch tung von Unterricht soll, so geht es aus einem Schrei- genügt dies noch immer nicht, um die anstehenden ben des damaligen Ministeriums für Bildung, Wissen- Altersabgänge kompensieren zu können. schaft und Kultur vom 29. Juli 2013 hervor, welches noch immer Gültigkeit besitzt, dem Erreichen der Lehr- planziele und Bildungsstandards dienen. Auch das Zusammenlegen von Klassen ist eine Maßnahme, die durch den Schulleiter ergriffen werden kann, um dem ersatzlosen Ausfall von Unterricht entgegenzuwirken. Daneben besteht die Möglichkeit, dass Unterrichts- stunden durch eigenverantwortliches Arbeiten kom- pensiert werden. Dies wird nicht getrennt erfasst und gilt somit als planmäßig erteilter Unterricht, wenn die Arbeit methodisch-didaktisch strukturiert und fachori- entiert ist. Tatsächlich kann hier aber von einem regu- lären Schulunterricht nicht die Rede sein. Der Grund für den erheblichen Unterrichtsausfall besteht darin, dass zum einen zu wenig Lehrer an Wie die Abbildung auf der folgenden Seite zeigt, den Schulen beschäftigt sind, um den Unterricht ab- kann anhand der Daten des Personalentwicklungs- zudecken und zum anderen aus Mangel an Bewer- konzeptes Schule aus dem Jahr 2013 gezeigt werden, bern nicht die Fachlehrer eingestellt werden, die tat- dass eine Neueinstellung von pauschal 500 vollzeit- sächlich gebraucht werden. Ursächlich dafür ist die beschäftigten Lehrern, wie sie die aktuelle Landesre- desaströse Einstellungspolitik durch die Altparteien gierung ursprünglich plante, nicht ausreicht, um die in den zurückliegenden Jahren. Wie die Abbildung Altersabgänge zu kompensieren. zeigt, wurden in den vergangenen Jahren kaum Leh- 18 19
Lehrerstellen Lehrerstellen Dabei zeigt die Abbildung zwei unterschiedliche 2026/27 ein Zuwachs um rund 13.700 Schüler prognos- Berechnungsmethoden: die Vertragsfortschreibung tiziert wird. Der Bedarf an Lehrern ist also noch wesent- berechnet die Bestandsänderungen auf der Basis lich größer, als 2013 angenommen. In einem weiteren der personengenauen Fortschreibung der Verträge Schritt hat die Landesregierung nun angekündigt, die (Ausscheiden nach Erreichen der individuellen Re- Anzahl neu einzustellender Lehrer wiederum pauschal gelaltersgrenze bzw. nach derzeit bekanntem Ver- und ohne eine Begründung zu erhöhen. Dass dies die tragsstand – z. B. bei Befristungen) und die Altersüber- vorhandenen Probleme wirkungsvoll lösen wird, kann gangsquote berechnet die Bestandsänderungen auf angezweifelt werden. der Basis des derzeitigen realen Austrittsverhaltens. Dabei wird der häufig vorgezogene Austritt aus dem Außerdem fällt auch deshalb Unterricht aus, weil Arbeitsleben berücksichtigt. Inzwischen ist aber auch sich die Anzahl der langzeiterkrankten Lehrer seit dem klar, dass die Analyse aus dem Jahr 2013 den tatsäch- Schuljahr 2012/13 deutlich erhöht hat. Standen da- mals noch 459 Lehrer dem Unterricht länger als vier Wochen nicht zur Verfügung, so waren es im Januar 2016 nach Aussage der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) schon 770 Lehrer. Gründe für diese Erkrankungen können im Stress, in der Über- forderung und der Überlastung der Lehrer gefunden werden. Diese wiederum haben ihre Ursache unter anderem in der Heterogenität der Schulklassen, die verstärkt wird insbesondere durch die Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und einer hohen Anzahl von Kindern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Immer schwieriger wird so ein störungsfreier und kontinuierlicher Schulunter- richt. Entsprechende Belastungen setzen schließlich lichen Entwicklungen nicht gerecht wird. Es zeichnet vielen Lehrern gesundheitlich zu. sich nämlich ab, dass viel mehr Kinder auf Thüringer Schulen gehen, als seinerzeit angenommen. Die Lan- Zusätzlich wirkt sich die Altersstruktur der Thüringer desregierung gibt an, dass hinsichtlich der Schülerzah- Lehrer in problematischer Weise aus: Der Altersdurch- len im Vergleich zum vorliegenden Personalentwick- schnitt der Lehrer liegt bei 51,3 Jahren (Schuljahr lungskonzept Schule für die Schuljahre 2016/17 bis 2016/17). Aktuell sind von 17.413 über 7200 Lehrer an 20 21
Lehrerstellen Lehrerstellen Thüringen Schulen 55 Jahre und älter. Es ist davon aus- 1.1.2 Forderungen der AfD-Fraktion zugehen, dass innerhalb der nächsten acht Schuljah- re tausende Lehrer den Schuldienst verlassen werden. Hier haben es schon vorangegangene Landesregie- rungen versäumt, durch stetige Neueinstellungen D ie AfD-Fraktion fordert zunächst eine realistische Ermittlung des Bedarfs an Lehrern in Thüringen. Dabei dürfen statistische Tricks keine Anwendung fin- dem absehbaren Engpass entgegenzuwirken. Diese den. Die Bedarfsermittlung muss transparent und unter desaströse Politik wird unter Rot-Rot-Grün fortgesetzt. der Beteiligung aller wichtigen Akteure (insbes. Eltern- verbände, Lehrerverbände und Schülervertretungen) Schließlich befinden sich viele Lehrer in sog. Abord- durchgeführt werden. Auch diejenigen Lehrer, die nungen. Das heißt, dass diese Lehrer nicht für den Un- sich derzeit auf einer Position befinden, die nicht der terricht zur Verfügung stehen, sondern dauerhaft zum Absicherung des Unterrichts dient, müssen in die Be- Beispiel an Ministerien oder Museen abgeordnet sind. rechnung des Ersatzbedarfs an den Schulen einbezo- Im Schuljahr 2010/11 befanden sich 431 Lehrer in einer gen werden. Ebenso müssen langzeiterkrankte Lehrer Abordnung außerhalb des Schulunterrichts, zwei Jah- in die Statistik aufgenommen werden. Lehrer, die für re später waren es noch 290 Lehrkräfte und schließlich das Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache ein- im Schuljahr 2015/16 276. Diese Lehrer besetzen zwar gesetzt werden, dürfen nicht zu Lasten der Kinder an Stellen und werden aus dem Etat der Lehrer bezahlt, allgemeinbildenden Schulen vom Unterricht abge- sie werden aber nicht zur Unterrichtsabdeckung ein- zogen werden und müssen zusätzlich eingestellt wer- gesetzt. den. Die Umsetzung des Stellenabbauplans für das Land Alle Formen des nicht planmäßig erteilten Unter- Thüringen, ebenfalls ein Konzept aus dem Jahr 2013, richts tragen zu einer Minderung der Qualität des er- würde dazu führen, dass zukünftig in jedem Jahr hun- teilten Unterrichts bei. Deshalb müssen sie getrennt derte Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden erfasst und offen kommuniziert werden. Es ist nicht nur müssen, also nachdem Lehrer sich in den Ruhestand notwendig, den ersatzlosen Unterrichtsausfall mög- verabschieden, deren Stellen nicht mehr nachbesetzt lichst umfassend zu vermeiden, sondern jede Form werden. Alle diese Punkte zeigen, dass ein deutliches des nicht planmäßig erteilten Unterrichts. Statistische Umschwenken in der Personalpolitik nötig ist. Spielereien, die der Verschleierung der tatsächlichen Situation an den Thüringer Schulen dienen, dürfen nicht länger angewendet werden. 22 23
Lehrerstellen Lehrerstellen Die Umsetzung des Stellenabbauplans muss im Be- reich des schulischen Personals ausgesetzt werden. Prognosen zeigen eine wachsende Anzahl an Schü- lern in den nächsten Jahren. Hinzu kommt eine hohe Anzahl an ausländischen Kindern, die ebenfalls der Schulpflicht unterliegen. Zusätzliche Herausforderun- gen, die durch die rot-rot-grüne Landesregierung um- gesetzt werden, wie die Entwicklung aller Schulen zu inklusiven Schulen, fordern außerdem Hunderte neue Lehrer. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Vorstellung, zukünftig mehrere Hundert Lehrerstellen im Jahr ab- bauen zu können, als abwegig. Die AfD-Fraktion setzt sich für die Aussetzung des Stellenabbauplans und dafür ein, dass ausscheidende Lehrer unmittelbar sere Schulen gewinnen und im Wettbewerb unter den durch neue Lehrer ersetzt werden. Die Berechnung Bundesländern bestehen zu können. Mit Hilfe eines der Anzahl neu einzustellender Lehrer muss sich dabei Plenarantrages fordert die AfD-Fraktion im Thüringer an der konkreten Anzahl der schulpflichtigen Schüler Landtag die Landesregierung daher auf, alle Maß- orientieren und darf nicht pauschal erfolgen. Die Pro- nahmen zu treffen, die die Attraktivität des Lehrerbe- gnosen aus dem Jahr 2013 sind längst überholt. Leh- rufs steigern. Von Bedeutung ist dabei nicht nur, die rer, die sich in Abordnungen befinden, um lehrfremde Bearbeitung von Bewerbungen schneller durchzufüh- Aufgaben zu erfüllen, müssen entweder an ihre Schu- ren, damit potenzielle Kandidaten nicht auf Grund zu len zurück oder es müssen ihre Stellen neu besetzt langer Wartezeiten abgeschreckt werden und sich für werden. Es muss ein Betreuungsschlüssel eingehalten eine sichere Stelle in einem Nachbarland entschei- werden, der den Bedürfnissen der Kinder in der jewei- den, sondern auch ein bewerberfreundliches Verfah- ligen Altersstufe gerecht wird. ren, das den einzelnen Bewerber in den Mittelpunkt stellt. Um die Lehrerstellen besetzen zu können, muss Thü- Neben der Verbeamtung gehört zur Steigerung der ringen wieder attraktiver für junge Lehrer werden. Das Attraktivität des Lehrerberufes auch die Entlastung Land muss umfangreiche Anstrengungen unterneh- der Lehrer von bürokratischen Aufgaben. Dies kann men, um in Zukunft ausreichend Lehrpersonal für un- mittels der Einstellung von Schulverwaltungsassisten- ten passieren. 24 25
Lehrerstellen Lehrinhalte Da insbesondere der ländliche Raum abseits der 1.2 Lehrinhalte: Bewährtes nicht pädagogischen Städte Jena, Weimar und Erfurt vom Lehrermangel Moden opfern betroffen ist, schlagen wir eine Zulage für Lehrer vor, die bereit sind, im ländlichen Raum eine Tätigkeit auf- 1.2.1 Bestandsaufnahme zunehmen. Daneben müssen Konzepte Anwendung finden, die den ländlichen Raum gerade für junge Familien wieder attraktiver machen. Da sich der Un- terrichtsausfall in einigen Mangelfächern häuft, schla- D ie aktuelle bildungspolitische Debatte dreht sich um Themen, die von den erprobten Lehrinhalten wegführen. Zunehmend wird das Bewährte pädago- gen wir außerdem finanzielle Zulagen für Lehrer vor, gischen Moden geopfert. Von vielen Eltern werden die diese Fächer unterrichten. Die Gehälter der Lehrer die aktuellen Entwicklungen als befremdlich wahrge- müssen insgesamt einem Wettbewerb unter den Bun- nommen. Sie sorgen sich zu Recht um das Wohl ih- desländern standhalten können. Wir halten es auch rer Kinder. Gegen aktuelle Trends, die auf Methoden für notwendig, dass die Lehrer die Möglichkeit haben, und „Kompetenzen“ setzen, muss betont werden, an umfassenden Weiterbildungsaktivitäten teilzuneh- dass nicht zuletzt die Wiederholung für den Lernerfolg men. unabdingbar ist. Während der kompetenzorientierte Unterricht die Schüler nur mit dem passenden „Hand- werkszeug“ versieht, um beispielsweise einen Text far- big zu markieren, sind wir davon überzeugt, dass es in der Bildung um mehr als die so verstandenen „Kom- petenzen“ geht. Es ist Aufgabe der pädagogischen Erziehung, einerseits die inneren Kräfte und Anlagen des Schülers wachsen zu lassen und andererseits seine Stellungnahme zur Welt zu ermöglichen. Dies geschieht durch ein verantwortungsbewusstes Her- anführen an die objektive Welt, das heißt an die wis- senschaftlich begründeten Sachzusammenhänge, die in einer Gesellschaft herrschenden Normen und Werte usw. Es geht darum, die Selbstentwicklungskräf- te und Anlagen des Kindes zu fördern. Das ist mehr als die „Kompetenz“, eine Powerpoint-Folie erstellen zu können. 26 27
Lehrinhalte Lehrinhalte weise „die Kante“ (im Sinne der Begrenzung einer Fläche) ebenso mit zwei „n“ wie „kannte“ (Präteritum von kennen). Im Mittelpunkt dieses Konzeptes steht die nicht bewiesene Annahme, dass die Kinder das kreative Schreiben besser erlernen, wenn die falsche Rechtschreibung nicht korrigiert wird. Jedoch ist der Übergang vom freien Schreiben getreu dem Prinzip „Schreib, wie du sprichst“ zum Erlernen der richtigen Rechtschreibung gerade für lernschwache Schü- ler besonders schwierig. Oftmals haben sich falsche Schreibweisen, die sich an den Lauten, die beispiels- weise auch durch einen Dialekt beeinflusst werden, bereits stark eingeprägt und machen es vielen Schü- 1.2.1.1 Rechtschreibung: „Lesen durch Schreiben“ lern geradezu unmöglich, zu einer orthografisch richti- und abgeleitete Methoden gen Schreibweise überzugehen. D er Schriftspracherwerb im Anfangsunterricht der ersten Schuljahre wird an Thüringer Schulen mit Hilfe unterschiedlicher Methoden vermittelt. Die Ent- scheidungshoheit haben dabei die Lehrer. Insbeson- dere stehen sich die Konzepte „Lesen durch Schrei- ben“ und daraus abgeleitete Methoden einerseits und der Erwerb der Schriftsprache mit Hilfe der Fibel Originalfassung andererseits gegenüber. Neue Version Theoretisch soll das Konzept „Lesen durch Schrei- ben“ das Kind mit Hilfe von didaktisch aufbereiteten Unterrichtsmaterialien vom freien Verschriften zum Le- sen führen. Der Schüler soll mit Hilfe der Anlauttabelle Begriffe zusammensetzen, indem er die einzelnen Lau- te in der Tabelle sucht und diese zu einem Wort kom- biniert. Dabei wird nicht auf die tatsächlich richtige Buchstabentabellen nach Jürgen Reichen1 Schreibweise eines Wortes geachtet. Wendet ein 1 Lesen durch Schreiben: Methode zum selbstgesteuerten Schriftspracherwerb in der Schüler diese Methode an, so schreibt er beispiels- Primarschule nach Jürgen Reichen (von Maria Karlas, Susann Karpe, Constance Siepel), http://herder.philol.uni-leipzig.de/projekte/alpha/frames/main5.3.htm [28.06.2017] 28 29
Lehrinhalte Lehrinhalte 1.2.1.2 Druckschrift auf dem Vormarsch E ine einheitliche Schrift, die von jedem Schüler einer Grundschule in ganz Deutschland gelernt wird, gibt es nicht: In der Praxis werden in Deutschland vier ver- schiedene Schriften gelehrt. In der Regel wird dabei derzeit zunächst die Druckschrift und danach eine der drei verbundenen Schreibschriften gelehrt: Die Latei- nische oder die Vereinfachte Ausgangsschrift im Wes- ten der Republik, die Schulausgangsschrift hingegen in den neuen Bundesländern. In vielen Bundesländern gibt es keine verbindlichen Regeln, die das Erlernen der Schreibschrift im Grundschulalter vorschreiben. lateinische Ausgangsschrift Schulausgangsschrift So heißt es im Thüringer „Lehrplan Deutsch Grund- vereinfachte Ausgangsschrift schule“: „Mit Beginn der Grundschulzeit gewinnt der Schüler aufbauend auf seinen Vorkenntnissen, in der Auseinandersetzung mit Geschriebenem Einsichten in den Aufbau und die Struktur der Sprache. Der Schüler Druckschrift eignet sich in einem Schreiblehrgang die Druckschrift an.“ Nach Beendigung der vierten Grundschulklasse Handdruckschrift wird laut Lehrplan erwartet, dass der Schüler „mit ei- ner gut lesbaren individuellen Handschrift schreiben“ kann. Um welche Schrift es sich dabei handelt, legt Unterschiedliche Schriftarten2 der Lehrplan seit 2010 nicht mehr fest. Die Wahl der Schriftform und der zum Erlernen genutzten Lehr- und 2 Quelle: http://www.schulschriften.de/html/downloads.html 30 31
Lehrinhalte Lehrinhalte Lernmittel treffen die Schulen und die Lehrer in eige- ner pädagogischer Verantwortung im Rahmen der schulinternen Lehr- und Lernplanung. Traditionell wird in Thüringen die Schulausgangsschrift genutzt. Einige Schulen verwenden die Grundschrift. Eine statistische Erhebung, welche Schriftform von welcher Einzelschu- le genutzt wird, liegt nicht vor. Daher ist nicht sichergestellt, dass Thüringer Kinder in ausreichender Weise eine Schreibschrift erlernen. In der Zukunft kann dies dazu führen, dass sie Schwierig- keiten haben, sich schriftlich mitzuteilen. Wissenschaft- ler, Lehrer und Schriftsteller warnen, die Abschaffung der Schreibschrift setze „leichtfertig eine Kulturtechnik aufs Spiel“. Manche Reformer wollen Schüler auch möglichst früh zum Schreiben auf der Computertastatur bewe- 1.2.1.3 Sexualkundeunterricht in den Schulen gen oder gleich ganz auf jede Art von Handschrift verzichten. Solche Vorstellungen sind alarmierend. Die Schreibschrift muss fest im Lehrplan verortet sein, D as Thema Sexualkunde in der Schule spaltet schon seit Jahren unsere Gesellschaft. Nicht um- sonst kommt diesem brisanten Thema ein eigener Pa- die Verwendung von Computern und Tablets ist erst sinnvoll, wenn die Schüler das Schreiben in seinen ragraph im Schulgesetz zu. Grundzügen bereits erlernt haben. § 47 Absatz 4 des Thüringer Schulgesetzes definiert die Inhalte der Sexualerziehung an Thüringer Schulen. Dort heißt es: „Durch die Sexualerziehung, die als Teil der Gesamterziehung zu den Aufgaben der Schule gehört, sollen die Schüler sich altersgemäß mit den biologischen, ethischen, religiösen, kulturellen und so- zialen Tatsachen und Bezügen der Geschlechtlichkeit 32 33
Lehrinhalte Lehrinhalte des Menschen vertraut machen. Die Sexualerziehung Mit diesem Bildungsplan betreibt die rot-rot-grüne soll das Bewusstsein für eine persönliche Intimsphäre Koalition eine offensive Frühsexualisierung von Kin- und für partnerschaftliches, gewaltfreies Verhalten in dern, die hierbei den Erziehungsprimat der Eltern in persönlichen Beziehungen entwickeln und fördern so- einer für die Persönlichkeitsentwicklung eminenten wie die grundlegende Bedeutung von Partnerschaft, Frage ignoriert. Der Plan sieht unter anderem vor, Lern - Ehe und Familie vermitteln. Bei der Sexualerziehung arrangements für Kleinkinder zu schaffen, in denen ist Zurückhaltung zu wahren sowie Offenheit und To- „lustbetonte Selbstberührungen“ akzeptiert und wert- leranz gegenüber den verschiedenen Wertvorstellun- schätzend thematisiert werden. Als Lernarrangement gen in diesem Bereich zu beachten; jede einseitige soll Kindern auch beispielsweise ein Rollentausch er- Beeinflussung ist zu vermeiden.“ möglicht werden, indem z. B. „klassische“ Märchen in geschlechtsvertauschten Rollen dargestellt werden Unter der rot-rot-grünen Landesregierung wurde (der Prinz wird wachgeküsst etc.). Besorgniserregend der „Bildungsplan bis 18 Jahre“ herausgegeben, der ist auch die dem Bildungsplan zugrunde liegende ausgehend vom Koalitionsvertrag „unter Berücksich- Konzeption des Geschlechts als „soziales Konstrukt“, tigung der Gleichstellung von sexueller Orientierung welches es aufzulösen gelte. Mit solcherart postfakti- und geschlechtlicher Identität“ fortgeschrieben wur- schen Konzepten erfolgt ein Angriff auf die Identität de. Thüringen ist mit diesem Bildungsplan das erste von Kindern, die so in ihrer Entwicklung geschädigt Bundesland, das ein von der Landesregierung so be- werden. Das Geschlecht ist kein Konstrukt, sondern zeichnetes „durchgängiges Bildungskonzept“ vorlegt, eine biologische Tatsache. Die im „Bildungsplan bis welches vorgibt „die Bildungsorte und Bildungsansprü- 18“ verfolgten Absichten und nahegelegten Metho- che aller Kinder und Jugendlichen bis zum Erreichen den sind geeignet, die Identitätsentwicklung von Kin- der Volljährigkeit miteinander“ zu verbinden. Der „Bil- dern erheblich zu stören und den Erziehungszielen von dungsplan bis 18 Jahre“ löst den bisher geltenden Eltern entgegenzulaufen. Daher lehnt die Thüringer „Bildungsplan bis 10 Jahre“ ab und trat am 1. August AfD-Fraktion den Bildungsplan ab. 2016 als verbindlich für Kindertagesstätten in Kraft. Während der Lehrplan die Bildungsziele beschreibt, soll der Bildungsplan ein „Orientierungsrahmen für die Gestaltung von Unterricht“ sein. Tatsächlich ist er aber ein teures ideologisches Projekt ohne Nutzen. 34 35
Lehrinhalte Lehrinhalte von der Klassenstufe in der er eingesetzt wird, über „vielfältige Familienformen“ (Klassenstufe 1 bis 4) oder auch „Geschlechteridentitäten und Geschlechterrol- len“ (Klassenstufe 5 und 6) informieren soll. 1.2.1.4 Benotung Abbildungen aus dem Buch „Janosch: Mutter sag, wer macht die Kinder?“, genutzt für den Unterricht an Thüringer Schulen N oten und Zeugnisse begleiten Schüler auf ihrem gesamten Lernweg und sind eine Selbstverständ- lichkeit an unseren Schulen. Sie prägen die eigene Daneben kritisiert die AfD-Fraktion jedoch ange- Wahrnehmung der Schüler und geben eine Orientie- wendete Unterrichtsmaterialien, wie das im Unterricht rung für deren Selbsteinschätzung des eigenen Leis- eingesetzte Buch „Janosch: Mutter sag, wer macht tungsvermögens. Nichtsdestoweniger wird in einigen die Kinder?“. Die obige Abbildung zeigt zwei der im Bundesländern über die Abschaffung der Schulnoten Buch verwendeten Bilder. Die Thüringer AfD-Fraktion diskutiert. Die Gegner der Benotung argumentieren sieht hier einen tiefen Eingriff in das natürliche Scham- mit einer angeblichen Willkürlichkeit der Notenge- gefühl und in die individuelle Intimsphäre der Kinder. bung, die insbesondere Schüler aus bildungsfernen Die Erotisierung von Kindern ist nicht Aufgabe staatli- Schichten bzw. aus prekären Sozialverhältnissen dis- cher Bildungsinstitutionen. kriminieren würde. Dabei erfüllen Noten eine Reihe wichtiger Funktionen: Die Schüler werden dadurch Außerdem wenden wir uns gegen die Durchfüh- bereits früh an die Leistungsorientierung unserer Ge- rung von ideologischen Projekten zur Aufklärung an sellschaft gewöhnt. Noten werden herangezogen Schulen beispielsweise durch den Verein „miteinan- zur Kontrolle von Lehrern, Lehrplänen und sogar dem ders“, welcher nachweislich Kontakte zu dem nord- Schulsystem im Ganzen; Notenspiegel dienen als Maß rheinwestfälischen Projekt „Schule der Vielfalt“ unter- des Leistungsniveaus von Schulklassen. Zensuren stel- hält. Unterrichtsangebote ab Klasse 7 informieren dort len außerdem eine Information und Rückmeldung für beispielsweise über „SM“, „Darkrooms“ und Pornogra- Schüler, Eltern und Lehrer über den erreichten Lern- fie. So etwas wollen wir an Thüringer Schulen nicht. stand und die Lernfortschritte dar. Sie sind zudem als Vergleichsgrundlage des Leistungsstandes gegen- Im Rahmen der steuergeldfinanzierten Hirschfeldta- über Mitschülern oder auch als Grundlage für die ge 2016 wurde außerdem ein ausleihbarer sogenann- ter „Regenbogenkoffer“ erarbeitet, der abhängig 36 37
Lehrinhalte Lehrinhalte spielsweise durchschnittliche, unterdurchschnittliche oder überdurchschnittliche Leistungen erbracht ha- ben. Der Vergleich der Schüler untereinander beein- flusst gruppendynamische Prozesse. Der sachlichen Bezugsnorm liegen vorab festgelegte Lernziele zu Grunde, an denen die Leistung des Einzelnen gemes- sen wird. 1.2.1.5 Klassenwiederholungen an den Thüringer Schulen D ie Klassenwiederholung fand Eingang in das deutsche Schulsystem, weil davon auszugehen ist, dass leistungshomogene Lerngruppen ein beson- Gestaltung des weiteren Unterrichts zweckmäßig. ders förderliches Entwicklungsmilieu für das Lernen Schließlich werden Noten genutzt, um Erwartungen im von Schülern bieten. Die Wiederholung einer Klasse Hinblick auf die weiteren Lernfortschritte und Leistun- fördert demnach die Lernmöglichkeiten der betroffe- gen zu entwickeln. Letztlich sind Noten ein Aspekt der nen Schüler. Erziehung zu eigenverantwortlichem Lernen, das eine wichtige Grundlage für das nachschulische Leben Nach § 49 Thüringer Schulgesetz werden die Schü- ist, sei es in Beruf oder Studium. Ob unbewusst oder ler in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt, wenn bewusst: Bei jeder Bewertung werden Normen ange- sie während des laufenden Schuljahres die erforder- wandt. Zu unterscheiden sind drei unterschiedliche lichen Leistungsnachweise erbracht und dabei den Bezugsnormen: Die individuelle Bezugsnorm bewer- Anforderungen genügt haben. Nach der Reform der tet den Lernfortschritt des Einzelnen. Als Vergleichs- Thüringer Schulordnung im Jahr 2011 können Schüler maßstab dient dabei die zuvor erbrachte Leistung. der Klassenstufen 3, 5 und 7 allerdings nicht sitzen blei- Der Schüler kann sich also verbessert, verschlechtert ben, sondern rücken in die nächsthöhere Klassenstufe oder gleiche Leistungen erbracht haben. Die soziale auf. Im Schuljahr 2015/16 haben an Thüringer Schulen Bezugsnorm vergleicht die Leistung des Einzelnen mit 4418 Schüler ein Schuljahr wiederholt, 390 von ihnen derjenigen einer Gruppe. Der Schüler kann also bei- bereits in der Grundschule. 38 39
Lehrinhalte Lehrinhalte leitete Methoden, die nachweislich zu dauerhaften Problemen bei der Rechtschreibung führen, lehnen wir ab. Konzepte dieser Art gefährden insbesondere leistungsschwache Schüler, die auf Grund der Me- thodik enorme Schwierigkeiten haben, sich eine or- thografisch korrekte Schreibweise anzueignen. Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hat bereits im Sep- tember 2015 mit einem parlamentarischen Antrag die Abschaffung dieser unsinnigen Methode für den Frei- staat Thüringen gefordert. Schüler mit einer verlängerten Schullaufbahn in Thüringen 2015/16 nach Schularten 1.2.2.2 Schreibschrift an Thüringer Schulen lehren 1.2.2 Forderungen der AfD-Fraktion A ufgrund fehlender Vorschriften im Lehrplan kann für Thüringer Schulen nicht sichergestellt werden, dass Kinder in ausreichender Weise eine Schreibschrift 1.2.2.1 Rechtschreibung: Lesen durch Schreiben erlernen. Das kann zur Folge haben, dass die Schüler abschaffen Schwierigkeiten bekommen, sich schriftlich mitzutei- len. Wissenschaftler, Lehrer und Schriftsteller warnen, V die Abschaffung der Schreibschrift setze „leichtfertig iele Eltern sind über nachlassende Fähigkeiten eine Kulturtechnik aufs Spiel“. ihrer Kinder im Bereich der Rechtschreibung be- sorgt. Die entsprechende Entwicklung wird von Wis- Eine gebundene Handschrift zu erlernen ist ein ele- senschaftlern bestätigt, die ein Schwinden der Recht- mentarer individueller Lernprozess für jedes Kind. Die schreibkenntnisse von Schülern in deutschen Schulen Schreibschrift muss fest im Lehrplan verortet sein, da beobachten. deren Beherrschung positive Auswirkungen auf die Sprach- und Rechtschreibfähigkeit von Kindern hat. Ziel der Grundschulausbildung muss es insbesonde- Wir fordern, in allen Thüringer Grundschulen eine re sein, lesen, schreiben und rechnen zu lernen. Die Schreibschrift zu erlernen. Methode „Lesen durch Schreiben“ und daraus abge- 40 41
Lehrinhalte Lehrinhalte 1.2.2.3 Keine Frühsexualisierung unserer Kinder wertung der Schüler. Ein Lernziel kann entweder er- reicht oder nicht erreicht werden. Die Bewertung des D ie Thüringer AfD-Fraktion wendet sich gegen die Früh- und Hypersexualisierung in Schule und Kin- dergarten. Sexualkundeunterricht muss mit der kör- Schülers muss diesem Maßstab folgen und darf sich weder an vorangegangenen Leistungen, noch an den Leistungen der Gruppe orientieren. perlichen und seelischen Entwicklung der Kinder Schritt halten und darf nicht gegen die Vorstellungen der Eltern über das diesbezügliche Wohl ihrer Kin- der in Stellung gebracht werden. Er gehört nicht in 1.2.2.5 Klassenwiederholungen als Chance begreifen den Kindergarten, sondern in die Zeit der Pubertät. Lehrbuchinhalte haben Leitbildfunktion. Sie sollten sich vorrangig an der Lebenswelt von Mehrheiten ori- entieren, nicht an der von Minderheiten. Die Gleich- N icht nur, weil leistungsschwache Schüler das Ler- nen leistungsstärkerer Schüler oft behindern, son- dern auch, weil die Schwächeren in ihrer ursprüngli- macherei von allen sexuellen Orientierungen ist eine verfehlte Ideologie, die unsere Kleinsten zu Versuchs- chen Lerngruppe überfordert sind, vertreten wir die objekten links-grüner Politik machen will. Im Bereich Ansicht, dass Klassenwiederholungen ein sinnvoller der Sexualpädagogik muss aber auch ein lebensbe- Bestandteil des Schulsystems sind. Kinder brauchen jahendes Konzept vertreten werden, welches Kinder eine klare Rückmeldung über die Qualität der von ih- als Teil und Bereicherung der eigenen Persönlichkeit nen erbrachten Leistungen. begreift. Wir wenden uns entschieden gegen den Thüringer Bildungsplan, der Tür und Tor für eine Frühse- Sitzenbleiben sollte nicht als „Schande“ negativ, xualisierung an den Thüringer Schulen öffnet. sondern als Möglichkeit der Entwicklung persönlicher Reife im Sinne einer zweiten Chance positiv begriffen werden. Die Option der Klassenwiederholung muss Bestandteil eines leistungsorientierten Schulsystems 1.2.2.4 Leistungsbezogene Benotung erhalten bleiben. Eine drohende Klassenwiederholung kann von einem Schüler auch als Motivation begriffen wer- den, das Lernen ernst zu nehmen und sich anzustren- D ie Thüringer AfD-Fraktion fordert nicht nur den Erhalt der Benotung als solche, sondern die aus- schließliche Anwendung objektiver Maßstäbe zur Be- gen. 42 43
Förderschule Förderschule es in § 1: „Das Förderschulwesen in Thüringen nimmt Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf als Person in ihrer unveräußerlichen Würde an und bietet durch Erziehung, Unterricht und individuelle Fördermaßnahmen die Grundlage für er- folgreiches Lernen und für die soziale und berufliche Integration, damit sie zur Bewältigung ihres Lebens befähigt werden, ihre Eigenkräfte entfalten sowie zu einem erfüllten Leben gelangen.“ Es kann festgehal- ten werden, dass die Förderschulen optimale Voraus- setzungen bieten, um eine umfängliche Entwicklung der Kinder gewährleisten zu können. Neben der Ge- währleistung der notwendigen personellen zählen dazu auch die räumlichen Voraussetzungen: Häufig 1.3 Förderschulen stärken benötigen Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf Rückzugsmöglichkeiten oder Räumlich- 1.3.1 Bestandsaufnahme keiten, die es ihnen ermöglichen, ihrem erhöhten Be- wegungsdrang nachzugehen. Diese Möglichkeiten D ie Unterrichtung von Kindern mit sonderpädago- gischem Förderbedarf in einer auf den Bedarf spezialisierten Schule hat in Deutschland eine lange bietet die Förderschule. In den letzten Jahren fällt immer häufiger im Zusam- Tradition. So eröffnete Samuel Heinicke schon im Jahr menhang mit der Beschulung von Kindern mit einem 1778 die erste staatliche Gehörlosenschule Deutsch- individuellen Förderbedarf der Begriff der Inklusion. lands. Auf diesen Anfang folgte seit Beginn des 19. Vielen sind Herkunft und Bedeutung des Begriffs der Jahrhunderts vielerorts die Eröffnung von Schulen für Inklusion nicht klar. Das Konzept hat im schulpoliti- lernbehinderte Kinder. schen Bereich einen internationalrechtlichen Hinter- grund: Die Thematik der Beschulung von Menschen Im Schuljahr 2016/17 gibt es in Thüringen 80 Förder- mit Behinderung ist Teil mehrerer internationaler Ver- schulen (56 in staatlicher Trägerschaft und 24 in frei- träge, wie der Salamanca-Erklärung von 1994, die er Trägerschaft), an denen 6.754 Schüler unterrichtet die Integration aller Kinder und Jugendlichen in das werden. Geregelt werden die Belange der Förder- Schulsystem fordert. In der heutigen Diskussion beruft schulen im Thüringer Förderschulgesetz. Dort heißt man sich zur Legitimation von Bemühungen um die 44 45
Förderschule Förderschule Inklusionsthematik in der Regel auf die UN-Behinder- ten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssys- tenrechtskonvention von 2006. Deren Ausgangspunkt tem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen (…)“. ist die Überlegung, dass jedes Kind einen Zugang zum jeweiligen nationalen Bildungssystem haben soll. Die Es ist deutlich zu erkennen, dass die Konvention einschlägigen internationalen Verträge beziehen sich Staaten weder zur inklusiven Beschulung, also zur ge- auf Länder in der ganzen Welt – auch auf Länder, in meinsamen Unterrichtung von behinderten und nicht denen die Möglichkeit zum Schulbesuch von Wohl- behinderten Kindern verpflichtet, noch dazu, Förder- stand, Geschlecht oder auch Krankheiten der Kinder schulen abzuschaffen. bzw. ihrer Eltern abhängig ist. Die aktuellen Bestrebungen der rot-rot-grünen Thü- Laut einem Bericht der UNESCO aus dem Jahr 2014 ringer Landesregierung sehen die Fortentwicklung gehen weltweit 57 Millionen Kinder im Grundschulal- aller Thüringer Schulen zu inklusiven Schulen vor. Der ter nicht zur Schule. Im Sekundarbereich haben 69 Gedanke der Inklusion soll demzufolge auf alle Berei- Millionen Jugendliche keinen Zugang zu allgemei- che des schulischen Zusammenlebens ausgedehnt ner Schulbildung. 774 Millionen Erwachsene verfü- werden. Künftig sollen laut Bildungsministerium drei gen noch immer nicht über grundlegende Lese- und Arten von Förderschulen unterschieden werden: Re- Rechtschreibfähigkeiten. Vor diesem Hintergrund gionale Förderzentren mit den Förderschwerpunkten zeigt sich, dass die internationalen Erklärungen insbe- „Geistige Entwicklung“ sowie „Körperlich-motorische sondere darauf abzielen, generell allen Kindern den Entwicklung“, überregionale Förderzentren mit den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Obwohl in der Förderschwerpunkten „Sehen“ und „Hören“ sowie re- deutschen Ausgabe der UN-Behindertenrechtskon- gionale Beratungs- und Unterstützungszentren mit den vention an keiner Stelle der Begriff der Inklusion ge- Förderschwerpunkten „Lernen“, „Sprache“, „Emo- nannt wird, sondern immer von Integration die Rede tionale und soziale Entwicklung“ (ESE). Dabei beruft ist, beziehen sich alle Akteure im Bereich der inklusiven sich das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport da- Bildung auf diese internationale Vereinbarung. In de- rauf, dass Förderschulen nicht abgeschafft werden, ren Artikel 24 heißt es im Absatz 1: sondern für die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und ESE als Beratungs- und Kompetenzzentren ge- „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von führt und somit zu „Schulen ohne Schüler“ werden. Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Der Bildungsgang zur Lernförderung soll in den allge- Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage meinbildenden Bildungsgängen aufgehen. Die schul- der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleis- vorbereitenden Einrichtungen, die Kinder mit einer 46 47
Förderschule Förderschule Beeinträchtigung optimal auf den Schulbesuch vor- bereiten, sollen geschlossen werden. Die öffentlich geäußerte Kritik an den Plänen der Landesregierung hat dazu geführt, dass diese im April 2017 ein Arbeitspapier veröffentlichte, das klarstellte, dass der ursprüngliche Plan, bereits mit Beginn des Schuljahres 2018/19 keine Schüler in den Förderzen- tren mehr einzuschulen, auf breite Ablehnung stößt. Dieses Konzept wurde daher von der Landesregie- rung verworfen. Nun verfolgt die Landesregierung den Plan, Mindestgrößen für Förderschulen einzuführen und nur einen Standort je Gebietskörperschaft zu er- halten. Indes findet die inklusive Beschulung in Thüringen Schon heute kann die Situation der Beschulung von völlig ohne reflektierte Bewertung statt: Die Inklusi- Kindern im gemeinsamen Unterricht als sehr schwierig onspraxis an Thüringer Schulen wurde bislang nicht bezeichnet werden. Lehrer berichten von katastro- evaluiert bzw. wurden Evaluationsergebnisse der Öf- phalen Zuständen, wie ungenügenden Räumlichkei- fentlichkeit nicht zugänglich gemacht. Insbesondere ten, fehlenden Unterrichtsmaterialien und insbeson- existieren auch keine Studien darüber, wie sich der dere nicht ausreichendem Lehrpersonal. gemeinsame Unterricht auf Kinder ohne eine Beein- trächtigung auswirkt. Schon im Schuljahr 2012/13 war der Inklusionsanteil in Thüringen laut dem „Entwicklungsplan Inklusion“ mit Der Gedanke der Inklusion wird vollkommen über- 28,7 Prozent im Vergleich zu anderen Bundesländern höht, während sachliche Diskussionen über Möglich- überdurchschnittlich hoch. Seit 2007/08 wurde die In- keiten und Grenzen der Inklusion kaum stattfinden. Zu klusion an Thüringer Schulen rapide vorangetrieben: fragen wäre etwa, ob inklusiver Unterricht besser und Betrug der Inklusionsanteil 2007/08 noch 14,8 Prozent, vorzugsweise an Schwerpunktschulen stattfinden soll, so ist er bis zum Schuljahr 2011/12 um 13,0 Prozent- in denen die personellen und sächlichen Vorausset- punkte gestiegen. Im gleichen Zeitraum wurden zwölf zungen hierfür auch tatsächlich gegeben sind. Förderschulen geschlossen, elf davon waren in staat- licher Trägerschaft. 48 49
Förderschule Förderschule Das Ergebnis einer solchen Politik besteht darin, für den Landeshaushalt dar. Von den 806 Thüringer dass sich der Unterricht sowohl für Kinder mit einer Be- Schulen in staatlicher Trägerschaft sind derzeit 84 bar- einträchtigung als für Kinder ohne Beeinträchtigung rierefrei. Ein Gesetz zur inklusiven Beschulung, das aus negativ auswirkt. So wird das Recht auf individuelle allen Schulen inklusive Schulen machen wollte, würde Förderung zu Gunsten eines Ideologieprojektes ge- zu immensen Umbaukosten für Thüringer Schulen füh- opfert. Das Kindeswohl spielt dabei keine Rolle. Viel- ren. Laut Aussage des Ministeriums für Bildung, Jugend mehr werden ideologische Ziele ohne Rücksicht auf und Sport sind 150.000 Euro pro Schule notwendig, um die Betroffenen umgesetzt. Schon heute ist jeder 20. Barrierefreiheit herzustellen. Dies entspräche für das Lehrer langzeiterkrankt. Die Zusatzbelastung, die auf ganze Land 108.300.000 Euro allein für Umbauarbei- die Lehrer zukommt, wenn sich alle Schulen zu inklu- ten an Schulen. Andere Schätzungen, beispielsweise siven Schulen entwickeln und durchgehend eine in- aus Berlin, gehen davon aus, dass 650.000 Euro be- klusive Beschulung durchgeführt wird, ohne die not- nötigt werden, allein um eine Schule rollstuhlgerecht wendigen personellen Ressourcen zur Verfügung zu auszubauen. Dies würde für Thüringen bedeuten, stellen, ist immens. dass 469.300.000 Euro benötigt werden, um die Thürin- ger Schulen für Kinder auszubauen, die einen Rollstuhl Derzeit müssen Sonderpädagogen neben ihrer Tä- benötigen. Die völlige Barrierefreiheit für alle Schulen tigkeit an einer Förderschule auch inklusiven Unter- wäre für den Freistaat Thüringen aber sehr teuer: Hier- richt an mehreren Schulen durchführen. Neben den für wären 1,3 Milliarden Euro nötig. langen Wegen zwischen unterschiedlichen Schulen bedeutet dies auch, dass der Lehrer sich immer wie- der auf andere Kinder in neuen Lernumfeldern ein- stellen muss. Betroffenen zufolge ist die Situation im 1.3.2 Forderungen der AfD-Fraktion inklusiven Unterricht besorgniserregend: Häufig leidet nicht nur das inkludierte Kind unter der Situation, son- dern auch alle anderen Kinder im gemeinsamen Un- terricht, deren Konzentration gestört und deren eige- D as pauschale Inklusionsmodell, das derzeit An- wendung findet und durch das entsprechende Schulgesetz deutlich verstärkt werden wird, ist ge- ner Entwicklungsprozess behindert wird. scheitert. Es bedeutet nicht nur eine Fehlsteuerung, die exorbitante Kosten für Kommunen und Landkreise Neben den personellen Schwierigkeiten einer Um- nach sich zieht. Vielmehr wird durch ein solches Ge- setzung des inklusiven Schulgesetzes stellen die ge- setz auch das Hauptziel von Schule infrage gestellt. planten Änderungen auch eine enorme Belastung 50 51
Sie können auch lesen