Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit - Rheinland Westfalen Lippe
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Rheinland Westfalen Lippe Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit Ein Diskussions- papier der Diakonie Rheinland–Westfalen –Lippe e. V.
Impressum Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. Geschäftsbereich Kinder, Jugendliche, Frauen und Familie verantwortlich: Maria Loheide, Geschäftsbereichsleitung Telefon: +49 251 2709-300 Geschäftsstelle Münster Friesenring 32/34 48147 Münster Telefon: +49 251 2709-0 info@diakonie-rwl.de www.diakonie-rwl.de Gestaltung und Satz: luxgrafik, Münster 2008
Inhalt Inhalt Vorwort 3 1. R ahmenbedingungen der Ausbildungen für die Handlungsfelder der sozialpädagogischen und sozialen Arbeit 5 1.1 Ausbildungen an Berufskollegs und Hochschulen 5 1.2 Entwicklungstrends und Problemanzeigen 6 2. A llgemeine Rahmenbedingungen für die Handlungsfelder der sozialpädagogischen und sozialen Arbeit und grundlegend erforderliche Kompetenzen für die Mitarbeitenden 8 2.1 Allgemeine Rahmenbedingungen 8 2.2 Grundlegende Kompetenzen 9 3. Spezifische Rahmenbedingungen, Kompetenzen und Konsequenzen für die Handlungsfelder der sozialpädagogischen und sozialen Arbeit 12 3.1 Handlungsfeld „Menschen mit Behinderungen“ 12 3.2 Handlungsfeld „Tageseinrichtungen für Kinder“ 14 3.3 Handlungsfeld „Hilfen zur Erziehung“ 17 3.4 H andlungsfeld „Allgemeine Soziale Arbeit“ 20 3.4.1 S pezifische Rahmenbedingungen und Kompetenzen für das Handlungsfeld der Schwangerschaftskonfliktberatung 21 3.4.2 S pezifische Rahmenbedingungen und Kompetenzen für das Handlungsfeld der Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung 23 3.4.3 S pezifische Rahmenbedingungen, Kompetenzen und Konsequenzen für das Handlungsfeld der Wohnungslosenhilfe 24 3.4.4 S pezifische Rahmenbedingungen und Kompetenzen für das Handlungsfeld „Offene, teilgebundene und gebundene Ganztagsschule“ 26 3.4.5 S pezifische Rahmenbedingungen, Kompetenzen und Konsequenzen für das Handlungsfeld „Menschen mit Suchterkrankungen“ 27 4. Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit – Forderungen und Herausforderungen 29 Anhang 32 1
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit 2
Vorwort Vorwort Die Evangelische Kirche und ihre Diakonie Zum anderen übernimmt sie Verantwortung für engagieren sich für Menschen. Sie nehmen mit die Zukunft der jungen Generation. Mit einem ihren Angeboten für Kinder, Jugendliche und von Bildung, Erziehung, Betreuung und Integra- Erwachsene, Einzelne und Familien eine christ- tion geprägten Grundverständnis beteiligen sich liche, pädagogische und gesellschaftspolitische die Evangelische Kirche und ihre Diakonie am Verantwortung wahr. allgemeinen Bildungssystem und bieten Kin- dern, Jugendlichen und ihren Familien vielfältige In besonderer Weise engagieren sie sich für Möglichkeiten, Bezüge in die Welt und in die Menschen in leiblicher Not, in seelischer Be- Gesellschaft herzustellen. Gegründet auf ein drängnis und in sozial ungerechten Verhältnis- christliches Menschenbild, das die vorbehalt- sen. Sie versuchen die Ursachen dieser Nöte zu lose Anerkennung des Menschen herausstellt, beheben und verstehen sich als das handelnde tragen sie kritisch zu einer Zukunft in Solidarität Wort und die sprechende Tat der Christen in und Gerechtigkeit bei, in der alle Menschen ihre unserer Gesellschaft. Ihr Wirken gilt als substan- Würde erfahren können. tielles Kennzeichen von Gemeinde und richtet sich an Einzelne, an Gruppen, an Christen und Ausbildung, Qualifizierung und Fortbildung von Nichtchristen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die ge- nannten Aufgaben gehören zu den Fundamen- Im Kontext ihrer zweitausendjährigen Geschich- ten der Diakonie. Aus ihrer Werteorientierung te leistete besonders die neuzeitliche Diakonie heraus ergibt sich zum einen eine konsequente einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung Orientierung am Nutzer durch die Sicherung sozialberuflicher Tätigkeiten. Theodor Fliedner von Qualitäts- und Professionalitätsstandards, und seine Mutterhausdiakonie sowie Johann zum anderen besitzen auch Persönlichkeits- Hinrich Wichern mit der Gründung der Inneren entwicklung und -bildung der Helfenden eine Mission trugen entscheidend zur Entstehung so- grundlegende Bedeutung. Differenzierte Pro- zialer und pflegerischer Berufe bei. Sie verliehen fessionalisierung allein vermag allerdings die den Anfängen der Professionalisierung sozialer Spannungen zwischen veränderten Rahmen- Tätigkeiten zentrale Impulse. Da sie den engen bedingungen und erforderlichen Kompetenzen Zusammenhang von christlicher Berufung, Beruf nicht zu lösen. und Dienst am Nächsten vor Augen hatten, betonten sie vor allem die Zuwendung zu den Investitionen in eine Professionalisierung berufli- Benachteiligten, Schwachen und Armen und cher Bildung bedürfen neben den entsprechen- verliehen damit der neuzeitlichen Sozialanwalt- den Bildungs- und Forschungsbereichen ebenso schaft erste Konturen. angemessener struktureller Rahmenbedingun- gen in den Handlungsfeldern, um ihre Wirksam- Auch heute hat die Arbeit der Diakonie ge- keit für den Nutzer entfalten zu können. Fach- genüber den Zeiten Wicherns nichts an ihrer lichkeit und Bildungsstandards alleine reichen Aktualität verloren. Die Einrichtungen und nicht aus. Dienste der Diakonie leisten eine qualitativ hochwertige und innovative Arbeit in allen Die gegenwärtigen sozialstaatlichen, gesell- sozialen Tätigkeitsfeldern. Aus ihrem biblischen schaftlichen und verbandlichen Veränderungen Verständnis der Nächstenliebe und der Gerech- fordern besonders die kirchlichen Träger dazu tigkeit heraus verdienen die Benachteiligten heraus, die fachliche, organisationsbezogene ihre besondere Aufmerksamkeit. Die Diakonie und mitarbeiterorientierte Relevanz ihres religi- nimmt ihre Rolle gegenüber Politik und Gesell- ösen Selbstverständnisses in ihrer Organisati- schaft engagiert wahr, um Armut, Notlagen von onsentwicklung zu erweisen. Gleichzeitig wollen Familien, Kindern und Jugendlichen, Sucht, sie ihren bildungs- und werteorientierten, auf Orientierungslosigkeit und Ausgrenzung entge- Integration und Sozialanwaltschaft gerichteten genzuwirken. Zielen institutionellen Ausdruck verleihen. 3
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit In den nachfolgenden Ausführungen wollen wir sam mit diesen will sie in einen Diskussionspro- die Anforderungen der Praxis an die Ausbildung zess einsteigen, der das Ziel verfolgt, gute und berücksichtigen und bildungsnotwendige As- sinnvolle Gestaltungskriterien für die Ausbildun- pekte im Blick behalten, indem wir gen in der sozialen Arbeit zu entwickeln und umzusetzen. R ahmenbedingungen der Ausbildungen, R R allgemeine Rahmenbedingungen und grundle- Dies trägt mit dazu bei, mittel- und langfristig gende Kompetenzen sowie fachlich qualifizierte und persönlich geeignete R spezifische Rahmenbedingungen und Kompe- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen tenzen für die jeweiligen Handlungsfelder der und die hohe Qualität in dieser Arbeit aufrecht- sozialen Arbeit zuerhalten. in den Blick nehmen und zueinander in Bezie- Die folgenden Überlegungen können keine ab- hung setzen, um Gestaltungskriterien (Forde- schließende Betrachtung sein. Dies heißt, dass rungen) für die Zukunft der Ausbildungen im jetzt angeregte Veränderungen, deren Umset- Bereich des Sozialwesens zu benennen. zung in der Regel nicht kurzfristig, sondern eher mittel- bis langfristig möglich sind, immer wieder Die Aussagen dieses Diskussionspapiers basie- dahingehend überprüft werden müssen, ob sie ren auf den durch die Erfahrungen in der Praxis auch dann noch zielführend sind. geprägten Überlegungen, Prognosen und Kennt- nissen unserer Mitglieder. Das Papier dient zum einen einer aktuellen Standortbestimmung und Günther Barenhoff Vergewisserung zur Zukunft der Ausbildungen Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe in der sozialen Arbeit der Diakonie Rheinland, Westfalen und Lippe. Zum anderen möchte die Dr. Uwe Becker Diakonie ihre Überlegungen zu diesem Thema Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe den Verantwortlichen in der Landesregierung und der Politik sowie den anderen Akteuren in Renate Niehaus der Freien Wohlfahrtspflege mitteilen. Gemein- Diakonisches Werk der Lippischen Landeskirche 4
Rahmenbedingungen der Ausbildungen 1. Rahmenbedingungen der Ausbildungen für die Handlungs- felder der sozialen Arbeit 1.1 D erzeitige Ausbildungen an Berufskollegs und Hochschulen in Nordrhein Westfalen Die Ausbildungen für die Handlungsfelder der Zugangsvoraussetzung mindestens die Fach- sozialen Arbeit sind in NRW im Wesentlichen in oberschulreife. Berufskollegs und Hochschulen verortet. In der Fachschule für Sozialwesen werden in Die Rahmenbedingungen für Ausbildungen im dreijährigen beruflichen Weiterbildungen in spe- Bereich des Sozialwesens sind über Rechts- zialisierten Bildungsgängen (zum Beispiel Heil- und Verwaltungsvorschriften auf Landesebene erziehungspflege, Heilpädagogik) und in einem geregelt. mehr generalistisch geprägten Bildungsgang (Er- zieherin und Erzieher) Kenntnisse vermittelt, die Die Berufskollegs vermitteln Studierenden in auf der beruflichen Erstausbildung und Berufser- zwei-, drei- und vierjährigen Bildungsgängen fahrungen aufbauen. In diesen Bildungsgängen einen Berufsabschluss, eine berufliche Grund- kann die Fachhochschulreife erworben werden. bildung und eine berufliche Weiterbildung. In diesen Bildungsgängen werden neben der be- Die Fachhochschulen bereiten ihre Studierenden ruflichen Qualifizierung auch allgemein bildende in eher generalistisch angelegten Studiengängen Qualifizierungen vermittelt – Fachoberschulreife, auf Tätigkeiten im sozialpädagogischen, sozial- Fachhochschulreife oder die allgemeine Hoch- arbeiterischen, heilpädagogischen und elemen- schulreife. tarpädagogischen Bereich vor. Die derzeitigen sieben- beziehungsweise achtsemestrigen In den zweijährigen Bildungsgängen der Berufs- Diplomstudiengänge einschließlich Praktika und/ fachschule für Sozial- und Gesundheitswesen oder Praxissemester und/oder Berufsprakti- befähigen die Berufskollegs in zwei speziali- ka werden in voraussichtlich sechssemestrige sierten Erstausbildungen – Kinderpflege, Heil- Bachelor-Studiengänge umgewandelt, an die erziehungshilfe – und einer eher generalistisch sich gegebenenfalls ein Master-Studiengang orientierten Erstausbildung – Sozialhelfer – junge anschließen kann. Menschen, unter Anleitung Tätigkeiten in den Handlungsfeldern der sozialen Arbeit durch- Auf Europäischer Ebene sind zurzeit zwei Ent- zuführen. Zugang zu den Bildungsgängen der wicklungslinien zu verfolgen: Berufsfachschule haben die Schülerinnen und Schüler, die mindestens den Hauptschulab- 1. Anerkennungsrichtlinie schluss erworben haben. In diesen Bildungs- Die Europäische Union möchte die Berufsqua- gängen kann die Fachoberschulreife erworben lifikationen der Mitgliedsstaaten transparenter werden, die die Voraussetzung für den Zugang gestalten, um eine Vergleichbarkeit von Ab- in die nachfolgend genannten Bildungsgänge schlüssen herzustellen. und beruflichen Weiterbildungen ist. Daher hat der EU-Bildungsministerrat im Jahr In weiteren zweijährigen Bildungsgängen können 2005 einen Richtlinienvorschlag der EU-Kom- Schülerinnen und Schüler erweiterte berufliche mission angenommen. In dieser neuen Richtlinie Kenntnisse im Bereich des Sozialwesens sowie werden die früheren Einzelrichtlinien zur euro- die Fachhochschulreife erwerben. Hier ist die paweiten Anerkennung der Qualifikationen für 5
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit bestimmte Berufe zusammengefasst und die 2. Europäischer Qualifikations- und bisherigen verschiedenen Regelungen verein- Creditrahmen (European Qualifications heitlicht. Framework – EQF) Diese Richtlinie sieht ein fünfstufiges Modell zur Außerhalb des Systems der Anerkennungsricht- Anerkennung von Berufsqualifikationen vor. Die linien findet seit Mitte der 90er-Jahre ein Prozess Umsetzung der Richtlinie auf die einzelnen Qua- statt, der auf eine größere Transparenz von Qua- lifikationsniveaus der Mitgliedsstaaten ist zurzeit lifikationen in den europäischen Ländern abzielt. noch nicht bekannt. Es steht jedoch zu erwar- Auf europäischer Ebene ist es im Rahmen einer ten, dass Qualifikationen mit akademischem Zusammenarbeit der beruflichen und der hoch- Abschluss einem anderen Niveau zugeordnet schulischen Bildung Ziel, einen europäischen werden, als Qualifikationen mit einem Fach- Qualifikations- und Creditrahmen zu etablieren. schulabschluss. Dieser soll unter anderem dazu beitragen, Qualifikationen/Kompetenzen transparenter Bei der Einstufung gilt das Ziellandprinzip. Im zu machen und Durchlässigkeit zwischen den Zielland wird jeweils der Einzelfall geprüft, es verschiedenen Bildungsbereichen (Allgemein- gibt keinen Automatismus. Ist im Zielland das bildung, Berufsbildung, Hochschulbildung) zu Qualifikationsniveau nicht gegeben, so werden schaffen. Auch in informellen Lernprozessen Anpassungen verlangt. Das heißt, wenn eine erworbene Kompetenzen sollen in diesem Kon- deutsche Erzieherin in einem anderen Land der text berücksichtigt werden. Darüber hinaus soll Europäischen Gemeinschaft arbeiten will, wird der EQF Mobilität auf dem Arbeitsmarkt ermög- nach dem Ziellandprinzip geprüft, ob das Quali- lichen. fikationsniveau des Herkunftslandes dem Niveau des Ziellandes entspricht. Ist dies nicht der Fall, Auf nationaler Ebene sollen unter diesen Prä- kann es sein, dass sie sich in dem Zielland noch missen nationale Qualifikationsrahmen (NQR) weiterqualifizieren muss. Dies gilt entsprechend entwickelt werden. Auch in Deutschland hat die für alle anderen sozialen Berufe, die einem Qua- intensive Diskussion um einen nationalen Qualifi- lifikationsniveau zugeordnet werden. kationsrahmen begonnen. Diese Regelungen gelten nicht bei den wenigen Dieser Prozess sollte bei Diskussionen um die Berufen, die europaweit geregelt sind, wie zum Weiterentwicklung der beruflichen Bildung be- Beispiel Apotheker, Ärzte, Krankenschwestern rücksichtigt werden. und Hebammen. Hier erfolgt eine automatische Anerkennung. 1.2. Entwicklungstrends und Problemanzeigen R ie Nachfrage nach Ausbildung oder Studium D R usbildungen im Bereich des Sozialwesens A für den Bereich des Sozialwesens hat sich sind zurzeit additiv angelegt, was zu unnötig quantitativ und qualitativ verändert. Insbe- langen Ausbildungszeiten führt, in denen die sondere die evangelischen Fachschulen für Inhalte der hintereinander absolvierten Aus- Sozialwesen erleben eine verstärkte Nachfra- bildungs- und Studiengänge (zum Beispiel ge von Interessierten mit Fachhochschulreife Erzieherin und Erzieher, Sozialpädagogik) sich und Hochschulreife. Dies ist wahr-scheinlich teilweise duplizieren. In Zukunft werden aber im Wesentlichen auf die besondere Situation die Ausbildungswege in soziale Berufe durch auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen. Jun- den Rückgang der Schülerzahlen in Konkur- ge Menschen drängen zum einen auf höhere renz zu viel kürzeren und effizienten Bildungs- Qualifikationen um ihre Zugangschancen zu gängen stehen. verbessern, zum anderen nehmen sie längere Bildungswege in Kauf, um nicht beschäfti- R eränderte Rahmenbedingungen der Praxis V gungslos zu sein. erfordern ein differenzierteres Professionalisie- 6
Rahmenbedingungen der Ausbildungen rungsspektrum mit entsprechend abgestimm- ten Curricula. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Herausforderungen im Berufsfeld noch kompatibel mit den Kompetenzprofilen sind, die Berufskollegs und Hochschulen vermitteln. Die starke Nachfrage nach spezialisierter Fort- und Weiterbildung in allen Handlungsfeldern sozialer Arbeit kann als Indikator für einen hohen Veränderungsbedarf gewertet werden. Zu fragen ist, wie Berufskollegs und Hochschulen darauf mit einer permanenten Anpassung der Curricula reagieren können und wollen. Zu bedenken ist bei allen Reformbemühungen, dass den fachlichen Qualifika-tionsbedarfen in den Handlungsfeldern häufig fehlende finanzielle Mittel gegenüberstehen. Auch die Bereitschaft evangelischer Träger, weiterhin Berufskollegs und Hochschulen zu tragen, hängt nicht zuletzt von den ökonomischen Rahmenbedingungen ab. 7
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit 2. A llgemeine Rahmenbedingungen für die Handlungsfelder der sozialen Arbeit und grundlegend erforderliche Kompetenzen für die Mitarbeitenden 2.1 Allgemeine Rahmenbedingungen Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der lungsfelder von der Wohnungslosenhilfe bis hin Zukunft der sozialen Arbeit ist angesichts der zu den Tageseinrichtungen für Kinder müssen gravierenden Herausforderungen, die die derzei- hier praktisch und anwaltschaftlich gesellschaft- tigen gesellschaftlichen und strukturellen Ent- liche Verantwortung wahrnehmen. wicklungen mit sich bringen, notwendig. Darüber hinaus müssen die Handlungsfelder der Soziale Berufe und ihr professionelles Selbst- sozialen Arbeit auf weitere aktuelle und mittel- verständnis entstehen im Spannungsfeld von fristige Anforderungen reagieren, die die Arbeit praktischen Handlungserfordernissen, wissen- beeinflussen und prägen: schaftsbasierten Bildungsgängen sowie sozi- al- und bildungspolitischen Vorgaben. Dieser R raditionelle Hilfeformen und -organisationen T Kontext hat in den letzten Jahren erhebliche werden einem umfassenden Aktivierungs- Veränderungen erfahren, die sich nachhaltig auf anspruch unterworfen, indem das politische die Fachlichkeitsprofile, die Kompetenzerwartun- Motto „Fördern und Fordern“ zur Leitidee gen und die Arbeitsbedingungen auswirken. sozialstaatlichen Handelns wird. Auf unterschiedlichen Ebenen vollziehen sich R ür die Anbieter von Dienstleistungen erhöht F tiefgreifende Veränderungen: Der Sozialstaat sich der Druck, stärker ergebnis- und weniger verwandelt sich in einen Gewährleistungsstaat prozessorientiert zu arbeiten. Dies soll unter mit radikal veränderten sozialpolitischen Vorga- anderem durch eine wirkungsorientierte Steue- ben. Neue Steuerungsmodelle und personenbe- rung und eine damit verbundene Vielzahl an zogene Dienstleistungen lassen einen sozialwirt- Dokumentationssystemen erreicht werden, die schaftlich bestimmten Dritten Sektor entstehen, ihrerseits die Arbeit von Einrichtungen deutlich in dem Gesichtspunkte der Effizienz und Effekti- verändern. vität an politischer Bedeutung gewinnen. Zuneh- mender Kostendruck führt bei den Anbietern zu R ie demografische Entwicklung ist bereits in D Umstrukturierungen, um unternehmerisches und einigen Handlungsfeldern deutlich spürbar. Sie wirtschaftliches Handeln effektiver zu machen. wird mittel- und langfristig gravierende Aus- Zugleich verlangen neue Qualitätssicherungs- wirkungen haben und angemessene Verände- strategien eine gesteigerte Ergebnisorientierung, rungsprozesse erforderlich machen. in deren Kontext der Nutzer an Bedeutung ge- winnt und im Prozess sozialer Dienstleistungen R ie Anzahl von Kindern, Jugendlichen und D aufgewertet wird. Erwachsenen mit Migrationshintergrund in un- serer Gesellschaft steigt. Daher ist immer mehr Im Frühjahr 2001 erschien der erste nationale interkulturelle Kompetenz in Handlungsfeldern Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesre- der Sozialen Arbeit notwendig. gierung. Armut und Ausgrenzung sind weiterhin Schwerpunkt diakonischer Arbeit. Viele Hand- 8
Allgemeine Rahmenbedingungen und grundlegende Kompetenzen R ädchen und Jungen, Frauen und Männer M Auswahl- und Einstellungspraxis entscheidend sind in ihrem Aufwachsen und in ihren Be- mitbestimmen. Mitarbeitende werden sich, wältigungsstrategien unterschiedlich. Darauf stärker als bisher, immer wieder auch neu müssen die Anbieter sozialer Dienstleistungen orientieren, neue Handlungsfelder erschließen eingehen und Genderfragen in ihrer Arbeit müssen. angemessen berücksichtigen. R arüber hinaus veraltet Wissen schneller als D R ie Erbringung von Hilfeleistungen wird indi- D bisher, beziehungsweise muss immer wieder vidualisiert (Hilfeplanung, Case Management). in neue Zusammenhänge gestellt und erweitert Dies führt dazu, dass eine eher institutions- werden. und angebots-orientierte, auf umfassende Ver- sorgung angelegte Dienstleistung abgelöst wird R em Profil einer Einrichtung kommt zukünftig D von einer Unterstützung, die den individuellen eine immer bedeutendere Rolle zu. Die Einrich- Bedarf des Einzelnen und seines Umfeldes in tungen und Dienste der Diakonie werden sich den Blick nimmt. Stationäre Angebote wer- nicht nur an ihrer Qualität und Innovationsfä- den immer mehr durch ambulante Versorgung higkeit messen lassen müssen. Ein diakoni- abgelöst. Die Entwicklung von passgenauen sches Profil der Einrichtungen, in dem eine Unterstützungsleistungen in Kommunikation klare Werteorientierung, ein auf dem christli- mit den Betroffenen bestimmt zunehmend die chen Glauben basierendes Menschenbild die Unterstützungsgestaltung. Dazu muss in einem Arbeit prägt und gestaltet, ist unverzichtbar. stärkeren Maße vernetzt und multiprofessionell Einrichtungen der Diakonie brauchen daher gearbeitet werden, um trotz ausdifferenzierterer Mitarbeitende, die dieses Profil gestalten und Formen von Arbeit den Menschen weiterhin (be-)leben. eine ganzheitliche individuelle Beratung und Begleitung bieten zu können. Diese beschriebenen Herausforderungen bedür- fen in unterschiedlichen Handlungsfeldern ei- R ie rechtlichen Rahmenbedingungen legen D nerseits erweiterter und vertiefter professioneller einen umfassenden Beteili-gungs- und Mitwir- Fähigkeiten, zum Beispiel in der Verknüpfung von kungsanspruch der Zielgruppen fest. Fachlichkeit und Finanzen, Managementkompe- tenz, Vernetzungskompetenz, Genderkompetenz, R in eher personenorientierter Ansatz wird E Erziehung, Bildung, Beratung und Interkulturali- ergänzt durch eine Orientierung an Lebenswelt tät, andererseits bedürfen sie einer Neubestim- und Sozialraum. mung unabdingbarer elementarer Kompetenzen. R ie primäre Berufsausbildung wird zukünftig D Darüber hinaus müssen sich gerade die kirch- nicht mehr Garant für eine adäquate Einstel- lichen Wohlfahrtsverbände noch intensiver in lung sein. Vielmehr werden, neben den recht- den gesellschaftlichen und politischen Kontext lichen Rahmenbedingungen, die Bedarfe und einbringen und ihre anwaltschaftliche Rolle pro- die finanziellen Möglichkeiten der Träger die fessionell wahrnehmen und gestalten. 2.2 Grundlegende Kompetenzen Die Anforderungen der Arbeitswelt an die Wir gehen in unseren Überlegungen von folgen- Ausbildungen, die für die Handlungsfelder der der Grundannahme aus: Sozialen Arbeit qualifizieren, sind gestiegen. Ein Fachlichkeit entsteht durch ein Zusammenspiel hohes Maß an Fachlichkeit in allen Qualifikati- verschiedener Kompetenzen auf unterschied- onsniveaus – Helfer, Fachkraft, Hochschulab- lichen Qualifikationsniveaus, die im Laufe der solventinnen und Hochschulabsolventen – ist beruflichen Bildung und Tätigkeit entwickelt wer- grundlegende Voraussetzung für eine Soziale den. Kompetenzen lassen sich aus drei grundle- Arbeit, die den beschriebenen gesellschaftlichen genden Kompetenzbereichen – Haltung, Wissen, Herausforderungen begegnet. Können – ableiten. Professionalität ergibt sich 9
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit aus der engen Verzahnung von Wissen, Können R ildungs- und Reflexionskompetenz B und der Haltung einer Person zu ihrem Arbeits- Erkennen eigener Bildungsbedarfe; Reflexion feld und dessen Zielgruppen. professioneller Standards und der eigenen Tätigkeit; Rezeption fachwissenschaftlicher Haltung ist in diesem Zusammenhang als eine Diskurse Verknüpfung von innerer Nähe zum Arbeitsfeld mit einer Akzeptanz und Wertschätzung gegen- R eam- und Netzwerkkompetenz T über allen beteiligten Akteuren (andere Profes- Arbeiten in multidisziplinären Teams; Arbeiten sionelle und Zielgruppen) zu verstehen. Haltung in und Koordination von Netzwerken; Entwick- ist eine persönliche Grundvoraussetzung für die lung arbeitsteiliger Arbeitsabläufe und Partizi- Tätigkeit in den Handlungsfeldern der Sozialen pation an arbeitsteiligen Arbeitsabläufen Arbeit, die im Prozess von Aus-, Fort- und Wei- terbildung zu einer fachlichen Haltung weiterzu- R ertekompetenz W entwickeln ist. Glaubenswissen und Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben; Orientierung Die Verknüpfung von Wissen, Können und an einem christlichen Menschenbild; ethische Haltung geschieht in einem ständigen Rück- Grundsätze und Urteilsfindung in der diakoni- kopplungsprozess mit hohen reflexiven Anteilen. schen Arbeit Dieser Prozess ist auf allen Qualifikationsniveaus notwendig und Grundvoraussetzung für eine R ompetenz in Genderfragen K dem jeweiligen Qualifikationsniveau angemesse- Kritische Reflexion der eigenen Geschlechter- ne Professionalität. rolle; Kenntnis der unterschiedlichen Entwick- lungsbiographien von Jungen und Mädchen; Ausbildungsstätten – Berufskollegs und Hoch- Kenntnis der Ansätze der Genderpädagogik schulen – aber auch Träger von Fort- und Weiterbildung sollten bei der Vermittlung von R ührungs- und Leitungskompetenz F Kompetenzen die oben beschriebenen Dimensi- Entwicklung eines Führungs- und Leitungs- onen und Prozesse berücksichtigen und folgen- konzeptes; Kennen der unterschiedlichen de Kompetenzprofile generell in ihren Lehr- und Führungs- und Managementkonzepte; Per- Lernprozessen vermitteln: sonalmanagement; Personalführung; Perso- nalentwicklung; Organisationsentwicklung; R achliche Kompetenz F Sozialmarketing; betriebswirtschaftliche Auswahl und Anwendung professioneller Me- Kenntnisse thoden der sozialen Arbeit; Umsetzung recht- licher Grundlagen; Grundkenntnis des Berufs- R nleitungskompetenz A und Handlungsfeldes und seiner Traditionen; Fähigkeit zum Erklären von Prozessabläufen; systemisches Denken; schriftliche Ausdrucks- didaktische Fähigkeiten zur Erläuterung von fähigkeit in Dokumentationsprozessen Arbeitsschritten; Fähigkeit zu delegieren; Kri- tikfähigkeit R ersonale und soziale Kompetenz P Entwicklung von Haltung; Entwicklung von R ulturelle und interkulturelle Kompetenz K Ich-Stärke; Kommunikationsfähigkeit; Ein- Sprachkenntnisse; Spannungsfeld kulturel- schätzung der eigenen Grenzen; Fähigkeit zur le Identität und Interkulturalität; Kenntnisse Abgrenzung über die eigene Kultur und deren Geschichte; Kenntnisse des Christentums und anderer Re- R rganisationsbezogene Kompetenz O ligionen, insbesondere des Islam; Milieu- und Einschätzung eigener und fremder Ressour- Sprachverständnis cen; Zeitmanagement; Verständnis für das Managen von Organisationen und Projekten; R ompetenz im Konfliktmanagement K Verknüpfung von Fachlichkeit und Wirtschaft- Erkennen von Konflikten; Moderation von kon- lichkeit; Evaluationskompetenz struktiven Konfliktlösungen 10
Allgemeine Rahmenbedingungen und grundlegende Kompetenzen Die benannten Kompetenzen differenzieren sich Kompetenzen so ineinander über wie in den Be- in unterschiedlicher Weise in den Qualifikations- rufen, die in den Handlungsfeldern der sozialen niveaus. Nicht alle werden in jedem Qualifikati- und pädagogischen Arbeit benötigt werden. So onsniveau erworben und sind in gleicher Weise schwierig es auch ist, die zur Alltagsbewältigung in allen Qualifikationsniveaus erforderlich. notwendigen Fähigkeiten zu benennen oder gar aufzulisten oder zusammenzufassen, bestim- Angelernte und Helferinnen und Helfer be- men doch gerade diese in einem hohen Maße nötigen beispielsweise keine Führungs-, Lei- die Qualität der fachlichen Arbeit und können tungs- oder Anleitungskompetenz, während in als Grundvoraussetzung für diese betrachtet anderen Qualifikationsniveaus der Erwerb dieser werden. Kompetenzen in unterschiedlicher Ausprägung erforderlich ist. Die Qualifikationsniveaus haben Das Feld der sozialen Arbeit ist kein homoge- in der Regel durch Schulabschlüsse definierte nes Handlungsfeld. Die aufgezeigten allgemei- Eingangsvoraussetzungen. Diese sollten immer nen Rahmenbedingungen und grundlegenden wieder dahingehend überprüft werden, inwieweit Kompetenzen lassen sich jedoch für alle Hand- sie den Anforderungen an die Tätigkeiten noch lungsfelder in dieser Form beschreiben. Darüber entsprechen. hinaus werden für einige Handlungsfelder im Folgenden spezifische Rahmenbedingungen In wenigen Berufen gehen die eigene Lebens- aufgezeigt, die eine spezifische fachliche Quali- und Alltagsbewältigung und die vorab differen- fikation notwendig machen, dabei aber auf den ziert beschriebenen grundlegenden fachlichen bereits genannten Kompetenzen fußen. 11
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit 3. S pezifische Rahmenbedingungen, Kompetenzen und Konsequenzen für die Handlungsfelder der sozialen Arbeit 3.1 S pezifische Rahmenbedingungen, Kompetenzen und Konsequenzen für das Handlungsfeld „Unterstützung von Menschen mit Behinderungen“ R esetzliche und fachliche Rahmenbedin- G Noch hat die Heimpersonalverordnung nach gungen im Bereich der Unterstützung von Heimgesetz mit ihren Vorgaben zur fachlichen Menschen mit Behinderungen Eignung der Mitarbeiter und Heimleitung, insbesondere zur sogenannten Fachkraftquo- Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der tierung wesentliche Bedeutung im Bereich der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen stationären Hilfen. Sollten die Kostenträger der finden sich insbesondere im Sozialgesetzbuch Eingliederungshilfe jedoch von solchen Struktur- IX und Sozialgesetzbuch XII. Die beschriebenen vorgaben absehen wollen und etwa verstärkt auf Leistungen für Menschen mit Behinderungen sogenannte „Ergebnisqualitäten“ ausweichen, nach SGB IX zielen auf umfassende, selbstbe- könnte dies von erheblicher Auswirkung auf die stimmte Teilhabe am Leben der Gesellschaft. Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft und Das SGB XII regelt die Eingliederungshilfe als die deren Ausbildungsanforderungen sein. Auch ein zentrale leistungsrechtliche Säule der Arbeit in grundlegender Wechsel im Tarifsystem hin zu Behindertenhilfe und Psychiatrie. tätigkeitsbezogenen Bezahlungen wird weitrei- chende Auswirkungen auf Auswahl- und Einstel- Die allgemeinen Vorschriften des SGB XII fordern lungspraxis der Arbeitgeber haben. für Fachkräfte (Kapitel 1 § 6) persönliche Eignung und eine den Aufgaben entsprechende Ausbil- R ktuelle fachliche Entwicklungen und Her- A dung und Fortbildung, die „auch die Durchfüh- ausforderungen rung von Dienstleistungen, insbesondere von Beratung und Unterstützung“ umfasst. Hier ist In der Behindertenhilfe und Psychiatrie stehen auch die Basis zu finden (SGB XII § 75) für die die Bedürfnisse des einzelnen Menschen mit Be- Anforderungen, wie sie in Leistungsverträgen, hinderung, seine individuellen Unterstützungs- Leistungsvereinbarungen und entsprechenden bedarfe im Mittelpunkt der Leistungen. Diese Leistungstypen ihren konkreten Ausdruck finden. Individualisierung der Hilfeerbringung löst ein Diese Vereinbarungen zur Leistung, Vergütung eher institutions- und angebotsorientiertes und und Prüfung stellen den wesentlichen Rahmen auf umfassende Versorgung angelegtes Hilfe- für Anforderungsprofile an die Hilfeerbringung verständnis ab. Anforderungen und Tätigkeiten und damit auch an die Hilfeerbringer dar. werden allgemein mit dem Begriff Unterstützung zum Teil auch „Assistenz“ beschrieben. In Zukunft werden trägerübergreifende persön- liche Budgets nach SGB XII § 57 an Bedeutung Die Art der Unterstützungsleistung – beratend, zunehmen. Ihre Auswirkungen auf die organisier- assistierend, anleitend, fördernd, ergänzend te Hilfeerbringung in Einrichtungen/Diensten der oder ersetzend – ist ausgerichtet am jeweiligen Diakonie sind noch schwer einschätzbar. persönlichen Bedarf. 12
Spezifische Rahmenbdingungen, Kompetenzen und Konsequenzen Verlässlichkeit und Sicherheit zu gewährleisten, Damit ist an die Fachkräfte die Anforderung zur sind unabdingbare Voraussetzung, um Selbstbe- Spezialisierung im laufenden Arbeitsprozess stimmung und Teilhabe zu ermöglichen. gestellt. Die Vielfalt der individuellen Ausprägung der Unterstützungsbedarfe verlangt perma- Die Nutzerorientierung, das heißt die Entwick- nent eine Lern- und Spezialisierungsleistung im lung passgenauer Unterstützungsleistungen in Arbeitsprozess. Sie verlangt multiprofessionelle Kommunikation mit dem Betroffenen, bestimmt Fachkompetenz, die nur über Kommunikation zunehmend die Unterstützungsgestaltung. Ne- und Kooperation, in der Regel in einem Team, ben die Prinzipien der Normalisierung und Integ- zu realisieren ist. Dies setzt die Bereitschaft und ration ist die konsequente Individualisierung der Fähigkeit zur intensiven Kommunikation, zur Re- Hilfe getreten. Folge in der Struktur der Hilfen ist flexion des eigenen Handelns und zu kollegialen der Trend zur Ambulantisierung und damit auch Lern- und Anlernprozessen voraus. zur Sozialraumorientierung sowie die Tendenz zur „Entsäulung der Hilfen“ und zur vernetzten Zielorientiertes und systematisch nutzerorientier- Hilfeerbringung. Behindertenhilfe wird als ar- tes Unterstützungshandeln verlangt ein hohes beitsteilige Dienstleistung zu erbringen sein. Maß an Methodenkompetenz, an Sozialkom- petenzen insbesondere im Kommunikations- Neben diesen fachlichen – zum Teil auch deut- geschehen und im Organisieren und Anleiten lich finanzpolitisch akzentuierten Entwicklungs- arbeitsteiliger Betreuungsprozesse. Hier sind die linien – prägen demografische Entwicklungen Anforderungen deutlich gestiegen. die Veränderungen im Handlungsfeld. Die Zahl alter Menschen mit Behinderungen nimmt zu Die Ambulantisierung der Unterstützung verlangt und damit nehmen auch die Anforderungen an eine erhöhte Selbstständigkeit im Handeln und pflegerische Tätigkeiten zu. Ebenso wird, anders eine ausdifferenzierte Fachlichkeit bei stationä- als in der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, ren Wohn- und Alltagshilfen. die Zahl der Kinder mit Behinderungen (zunächst in den alten Bundesländern) weiter steigen. Die beobachtbaren Entwicklungen bei der Kli- Dieser Fallzahlanstieg ist noch für etliche Jahre entel fordern mehr pflegerische Kompetenz und zu erwarten. therapeutisch-medizinisches Wissen (bei den stationären und teilstationären Hilfefeldern). Das R nforderungen, spezifische Kompetenzen A heißt in der Konsequenz, dass für die Einrich- sowie erforderliche Ausbildungsstandards tungen der Behindertenhilfe die Ausbildung zur im Bereich der Unterstützung von Men- Heilerziehungspflegerin/zum Heilerziehungspfle- schen mit Behinderungen ger gegenüber der Ausbildung zur Erzieherin/ zum Erzieher an Attraktivität gewinnt. Zur unver- Die zentrale Aufgabe der Fachkräfte (in der zichtbaren Fähigkeit gehören auch die pointierte Regel dreijährig ausgebildete Heilerziehungspfle- schriftliche Hilfeplanung und Dokumentation. Die gerin/Heilerziehungspfleger und Erzieherin/Erzie- von den Fachkräften durchzuführende Anleitung her, Pflegekräfte zum Teil mit Zusatzausbildung, und Einbeziehung von Helferkräften und die Therapeuten und Heilpädagogen, zum Teil auch Beratung von Betroffenen und deren Umfeld Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Diplomheil- sind weitere neue Anforderungen. Ob dieses pädagogen) liegt im primären Hilfeprozess, der über multiprofessionelle Teambildung, durch weitgehend selbstständig und in Anleitungsfunk- Doppelqualifikationen einzelner Fachkräfte (zum tion auszufüllen ist. Beispiel im Bereich der Frühförderung), durch Arbeitsteilung mit der Leitungsebene oder durch Jeweils unterschiedliche Schwerpunktsetzungen aufbauende Fortbildungen einzulösen ist, hängt in der Praxis ergeben sich aus dem Adressaten- unter anderem von der Strukturierungsmöglich- bezug (Kinder, Jugendliche, Erwachsene und keit der Arbeitszusammenhänge ab. alte Menschen mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen), dem Arbeitsfeld Die Aufgabe von Führungs- und Leitungskräf- (zum Beispiel Frühförderung, Wohnen, Werk- ten (unter anderem Hochschulabsolventen der stätten, Schulen, Tagesstrukturierung, Beratung) Sozialarbeit, Sozial- oder Heilpädagogik) ist und dem strukturellen Aufbau (zentral/dezentral). die Steuerung der Hilfen als Dienstleistung: 13
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit Entwicklung von arbeitsteiligen Unterstützungs- 50 bis 70 Prozent bedeuten in der Umkehrung prozessen und von Leistungsprofilen, Bud- schon jetzt einen hohen Anteil an Helferkräften. getverwaltung, Personalplanung und -einsatz, Dieser wird insbesondere im Bereich der Wohn- Krisenmanagement, Außenwirkung, Vernetzung und Alltagshilfen weiter zunehmen. „Helferkräf- und Weiterbildungsplanung. Damit sind auch te“ meint, dass es neben den abschlussbezoge- rechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnis- nen Helferausbildungen (Heilerziehungshelferin se, Managementfähigkeiten, sowie die Fähigkeit und Heilerziehungshelfer, Sozialhelferin und zu persönlicher und schriftlicher Kommunikation Sozialhelfer) insbesondere angelernte Kräfte gefordert. Diese Kompetenzen sollten tätigkeits- geben wird. Sie sind gefordert, sich in Praxis bezogen und zielgerichtet aufbauend in Weiter- und Fortbildung permanent weiterzuentwickeln bildungen oder modularisierten Aufbaustudien und fortzubilden, sich in arbeitsteilige Unterstüt- zu erwerben und auszubauen sein. zungsprozesse einzugliedern und die fachlichen Kommunikationsprozesse mitzuvollziehen. Der Neben den Fachkräften werden im primären Praxisanleitung und dem „learning by doing“ Hilfebereich besonders die Helferkräfte ihre oder dem „Training on the job“ kommt dabei gewichtige Rolle behalten. Fachkraftquoten von eine wesentliche Bedeutung zu. 3.2 Spezifische Rahmenbedingungen und Kompetenzen für das Handlungsfeld „Tageseinrichtungen für Kinder“ R esetzliche Rahmenbedingungen im Be- G R ktuelle fachliche Entwicklungen und A reich der Tageseinrichtungen für Kinder Herausforderungen Zum 1. August 2008 tritt in Nordrhein-Westfalen Die Arbeit der Tageseinrichtungen für Kinder das „Gesetz zur frühen Bildung und Förderung ist derzeit durch gravierende Umbrüche und von Kindern (Kinderbildungsgesetz – KiBiz)“ als vielfältige Veränderungen geprägt. Neben den viertes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und oben genannten allgemeinen Rahmenbedingun- Jugendhilfegesetzes (SGBVIII) in Kraft. Das neue gen, die die Handlungsfelder des Sozialwesens Gesetz löst das seit 1992 bestehende „Gesetz beeinflussen, wirken sich insbesondere folgen- über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein- de Aspekte maßgeblich auf das Handlungsfeld Westfalen (GTK)“ ab. Kindertageseinrichtungen aus: Über das SGB VIII und das neue Kinderbildungs- R euere Erkenntnisse der Hirnforschung sowie N gesetz hinaus sind für die Arbeit in Kindertages- Ergebnisse der Pisastudie haben zu einer einrichtungen weitere Gesetze und Verordnun- Aufwertung der Bedeutung von Bildungspro- gen relevant. Dazu gehören insbesondere das zessen im frühen Kindesalter und im Ele- Tagesbetreuungsausbaugesetz (Bestandteil des mentarbereich geführt. Damit sind erweiterte SGB VIII) sowie die Richtlinien zur gemeinsamen Anforderungen an die pädagogische Arbeit in Erziehung von Kindern mit und ohne Behinde- Kindertageseinrichtungen auf der Grundlage rungen. Ergänzend zum Kinderbildungsgesetz eines umfassenden Bildungsverständnisses KiBiz regeln ab dem 1. August 2008 eine Verfah- und einer ganzheitlichen Sichtweise verbun- rensverordnung sowie Erlasse des zuständigen den. Fachministeriums in NRW einzelne Ausführungs- bestimmungen. Eine Personalvereinbarung und R er Bildungsauftrag der Kindertageseinrich- D die Bildungsvereinbarung NRW bestimmen die tung ist durch die Inkraftsetzung der Bildungs- pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrich- vereinbarung NRW präzisiert worden. Zur Um- tungen ebenfalls maßgeblich. setzung der Bildungsvereinbarung sollen die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen die Bildungsprozesse der Kinder beobachten, 14
Spezifische Rahmenbdingungen, Kompetenzen und Konsequenzen dokumentieren und unter Einbeziehung der R it der Einrichtung der Offenen Ganztags- M Eltern entsprechende Förderangebote für das grundschule hat sich die Landesregierung NRW einzelne Kind entwickeln. Die Zusammenarbeit zum Ziel gesetzt, die „Zusammenführung vor- mit der Grundschule soll intensiviert und der handener und ergänzender Ganztagsangebote Übergang von der Kindertageseinrichtung zur aus Kinder- und Jugendhilfe (Horte, Schulkin- Grundschule gestaltet werden. derhäuser, Schülertreffs) und Schule (Schule von acht bis eins, Dreizehn Plus) unter dem R Im Zuge der demografischen Entwicklung wer- Dach der Schule zu einem kohärenten Ganz- den allein in Westfalen und Lippe bis zum Jahr tagssystem“ umzusetzen. Perspektivisch soll 2010 wahrscheinlich 36.000 Plätze weniger es bis auf wenige Ausnahmen keine Parallel- für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren strukturen neben der Offenen Ganztagsgrund- benötigt. Im Rheinland gehen die Bevölke- schule geben. Diese Ent- wicklung führt rungsvorausschätzungen für die Altersgruppe zum Wegfall der Zielgruppe „Schulkinder“ aus der Drei- bis Sechsjährigen von einem Rück- den Kindertageseinrichtungen. gang um circa 60.000 Kinder bis zum Jahr 2010 aus. Dies wird sich gravierend auf das R eit dem Frühjahr 2007 wird jährlich in Verant- S Handlungsfeld Tageseinrichtungen für Kin- wortung der Schulämter in Kooperation mit der auswirken und führt bereits jetzt in man- den Kindertageseinrichtungen der Sprach- chen Regionen zu einem Platzüberhang an stand bei allen vierjährigen Kindern erfasst, um Kindergartenplätzen. den konkreten Sprachförderbedarf festzustel- len. Für Kinder, die eine Kindertageseinrich- R iese Entwicklung wird noch verschärft durch D tung besuchen, soll die Sprachförderung in der die Verlegung des Einschulungsalters. Kinder, Einrichtung durchgeführt werden. Durch diese die im Kalenderjahr sechs Jahre alt werden, Zielsetzung bekommt die Sprachförderung in sollen eingeschult werden. Ab dem Schuljahr der Kindertageseinrichtung eine neue erwei- 2007/2008 wird der Stichtag zur Einschulung terte Dimension, die erweiterte Kompetenzen schrittweise um jeweils einen Monat pro Jahr und Ressourcen der pädagogischen Fachkräf- vorgezogen. Damit wird perspektivisch ein te erfordert. Großteil eines Jahrgangs in den Kindertages- einrichtungen wegfallen. Diese Entwicklung R ie Landesregierung NRW verfolgt das Ziel, D wird nur zum Teil durch die Aufnahme dass sich 3.000 von circa 9.500 Kindertages- von unter dreijährigen Kindern aufgefangen einrichtungen zu Familienzentren entwickeln. werden können. Damit soll ein komplexes Angebot mit niedrig- schwelligem Zugang für Familien geschaffen RDas Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungs- werden. Inhaltliche Schwerpunkte sollen sein: angebot für Kinder unter drei Jahren soll dem Angebot von Plätzen für Kinder unter drei Bedarf entsprechend ausgebaut werden. Insbe- Jahren, Anbindung der Tagespflege an die sondere vor dem Hintergrund des Tagesbetreu- Kindertageseinrichtung (Vermittlung, Qualifizie- ungsausbaugesetzes (TAG) hat sich das Land rung, Begleitung), Beratung, Familienbildung NRW zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 die und intensive Sprachförderung. Hier entsteht Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jah- ein neues Anforderungsprofil für Träger und ren bedarfsgerecht auszuweiten. Der Ausbau Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kinderta- soll insbesondere unter den Gesichtspunkten geseinrichtungen. „Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und „Herstellung von Chancen- R ie Anzahl der Kinder mit Behinderungen D gleichheit und Bildungsgerechtigkeit“ in Kin- steigt in den Kindertageseinrichtungen nach- dertageseinrichtungen und durch Tagespflege weislich. Derzeit werden circa 4.400 Kinder in erfolgen. Bestehende und neue Angebotsfor- Einzelintegration, 800 Kinder in Schwerpunk- men sowie durch die demografische Entwick- teinrichtungen und 1.100 Kinder in additiven lung frei werdende Kindergartenplätze sollen für Einrichtungen integrativ betreut. Damit haben den Ausbau genutzt werden. Dementsprechend sich neue differenzierte Anforderungen an die sind neue Konzepte für die Arbeit in den Kin- pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- dertageseinrichtungen dringend erforderlich. ter in Kindertageseinrichtungen entwickelt. 15
Zur Zukunft der Ausbildungen für die sozialpädagogische und soziale Arbeit R it dem neuen Kinderbildungsgesetz (KiBiz) M R ewährleistung und Weiterentwicklung des G sind umfassende Veränderungen von Rah- Dreiklangs von Bildung, Erziehung und Betreu- menbedingungen für die pädagogische Arbeit ung als ganzheitlichem sozialpädagogischen in den Einrichtungen verbunden (zum Beispiel Ansatz, sowie individuelle, entwicklungsorien- Auflösen von gesetzlich geregelten Gruppen- tierte Förderung und Unterstützung der Kinder strukturen, Wegfall wesentlicher bisher lan- in allen Altersstufen, deseinheitlich geregelter Mindeststandards, Umstellung der bisherigen Finanzierung der R onzeptionelle Umsetzung eines umfassenden k tatsächlichen Ist-Kosten der genehmigten Bildungsverständnisses verbunden mit einem Gruppen auf eine Finanzierung durch Pau- ganzheitlichen Ansatz in enger Zusammen- schalen pro Kind). arbeit und Verzahnung mit Eltern und Grund- schulen, R urch die mit dem neuen Kinderbildungsge- D setz einhergehende Umstellung der Finanzie- R edarfsorientierte Öffnung der Kindertagesein- b rungssystematik für Kindertageseinrichtungen richtung für Kinder unter drei Jahren mit ent- werden voraussichtlich neue Anforderungen sprechenden, der Altersgruppe angemesse- an flexiblen Personaleinsatz und Personal- nen, fachlichen Kompetenzen und Konzepten, entwicklung verbunden sein. Diese Perspekti- ve führt dazu, dass Kirchengemeinden teilwei- R ntwicklung und Durchführung integrierter und E se die Trägerschaft für die Kindertageseinrich- individueller Sprachförderkonzepte für Kinder tungen in Trägerverbünde überführen. mit Sprachförderbedarf, R as Spannungsfeld zwischen Anforderungen D R ntwicklung vielfältiger multikultureller Ange- E und den dafür vorhandenen Ressourcen wird bote zur Unterstützung und Förderung von Be- immer größer. gegnung, Verständnis, religiöser und kultureller Offenheit, Akzeptanz und Integration. R nforderungen und spezifische Kompeten- A Aktuell und zukünftig werden in Kindertagesein- zen in Kindertageseinrichtungen richtungen pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt, die über ein „hohes päda- Diese Faktoren führen insbesondere zu folgen- gogisches Ethos, menschliche Integrität sowie den Anforderungen für pädagogische Mitarbei- gute soziale und persönliche Kompetenzen und terinnen und Mitarbeiter in Kindertageseinrich- Handlungsstrategien“ zur Gestaltung der päd- tungen: agogischen Arbeit verfügen (Anforderungen an die Qualifikation von Fachkräften der Fachrich- R eustrukturierung von Einrichtungen, dem N tung Sozialpädagogik aus der Perspektive der aktuellen und zukünftigen Bedarf der Familien KMK). vor Ort und den neuen gesetzlichen Rahmen- bedingungen entsprechend, Es werden Mitarbeitende benötigt, die über eine gute Kontakt- und Beziehungsfähigkeit verfügen R ntwicklung eines familienorientierten Ansat- E und in der Lage sind, mit systemischer Sichtwei- zes verbunden mit systemischer Sichtweise/ se gesellschaftliche und sozialpolitische Ge- Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtung samtzusammenhänge zu erfassen und entspre- zu einem Zentrum für Familien mit einem ho- chende zukunftsorientierte Handlungsschritte zu hen Maß an Beteiligung der Eltern, planen, umzusetzen und zu reflektieren. R ernetzung und Kooperation mit anderen V Diensten und Institutionen im Stadtteil und in R rognosen, Arbeitskräftebedarf, Qualifika- P der Kirchengemeinde, tionsniveaus R rweiterung des Angebotes für Kinder mit E Aufgrund der oben genannten Aspekte ist eine besonderem Förderbedarf und für Kinder mit grundlegende Reform und Erweiterung der Behinderungen, Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher dringend 16
Spezifische Rahmenbdingungen, Kompetenzen und Konsequenzen erforderlich. Vor allem Leitungs- und Gruppen- Inwieweit die Beibehaltung der derzeitigen Quali- leitungskräfte benötigen vielfältige und differen- fikationsniveaus von Ergänzungskräften perspek- zierte Kompetenzen, um den steigenden Anfor- tivisch sinnvoll ist, hängt weitestgehend von den derungen und veränderten Rahmenbedingungen zukünftigen Rahmenbedingungen der Einrich- angemessen begegnen zu können. Unseres tungen ab. Solange Leitungskräfte nicht grund- Erachtens bietet eine akademische Ausbildung sätzlich freigestellt sind, Vertretungen vorrangig die besten Voraussetzungen. einrichtungsintern wechselseitig gelöst werden müssen und trotz immens steigender Anforderun- Angesichts der wachsenden Anforderungen gen kaum Personal aufgestockt wird, entspricht sowie im Hinblick auf europäische Vergleichbar- die Beschäftigung von Ergänzungskräften mit keit halten wir eine zunehmende Qualifizierung der Qualifikation Kinderpflegerin/Kinderpfleger und Professionalisierung von pädagogischen (beziehungsweise sogar ungelernte Kraft) unseres Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kinderta- Erachtens nicht dem Bedarf. Ergänzungskräfte geseinrichtungen auf allen Niveaus mittel- und übernehmen aufgrund der bestehenden Rahmen- langfristig für unerlässlich. bedingungen im Praxisalltag sehr häufig Fach- krafttätigkeiten ohne von Fachkräften unterstützt Da der Elementarbereich die erste Stufe im oder angeleitet zu werden. Bildungssystem darstellt und dort die Grundla- gen für die folgenden Bildungsprozesse sowie Dies wird sowohl den handlungsfeldbezogenen, für die gesamte Entwicklung von Kindern gelegt als auch den bildungspolitischen Ansprüchen werden, sollte dieser Bereich mindestens eben- nicht gerecht. so hoch qualifiziert sein wie der Primarbereich und entsprechend auf akademisches Niveau Daher müsste zukünftig das niedrigste Qualifi- angehoben werden. Hier ist die Konzeption einer kationsniveau in der Kindertageseinrichtung das modular angelegten Ausbildung für das Hand- der heutigen Erzieherinnen und Erzieher sein. lungsfeld sinnvoll, die wissenschaftliche Kennt- Ergänzungskräfte sollten höchstens zusätzlich nisse mit einem hohen Anteil an Praxiserfahrung zu dem eigentlichen pädagogischen Personal und Praxisbezug verbindet. eingestellt werden können und dürfen auch in Vertretungssituationen Erzieherinnen und Erzie- her nicht ersetzen. 3.3 Spezifische Rahmenbedingungen und Kompetenzen für das Handlungsfeld „Hilfen zur Erziehung“ R esetzliche und fachliche Rahmenbedin- G erzieherischen Hilfen richtet sich nach dem er- gungen im Bereich der Erziehungshilfe zieherischen Bedarf im Einzelfall. Die im Gesetz aufgeführten Hilfearten sind keine abschließend Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die festgelegten Leistungsangebote. Weitere Inno- erzieherischen Hilfen finden sich im SGB VIII vationsmöglichkeiten sind mit dem Gesetzestext (Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG). Die bereits intendiert. Ausgehend von der individu- Förderung der Entwicklung junger Menschen ellen Problemlage der Kinder und Jugendlichen und ihre Integration in die Gesellschaft durch können weitere Hilfeformen entwickelt werden. allgemeine För-derangebote und Leistungen in unterschiedlichen Lebenssituationen bilden die In den erzieherischen Hilfen sind ausschließlich Grundlage des SGB VIII. Den Schwerpunkt des Fachkräfte mit oder ohne Zusatzausbildung ein- 2. Kapitels (§§ 27–41) bilden die Leistungen der zusetzen (§ 72). Die Anforderungen an einzelne Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für see- Aufgabenbereiche und an eine verantwortliche lisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Tätigkeit in der Jugendhilfe hat die Bundesar- die Hilfe für junge Volljährige. Die Auswahl der beitsgemeinschaft der Landesjugendämter als 17
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