DIE PSYCHOLOGIE VON SCRUM: WELCHE MECHANISMEN MACHEN SCRUM SO ERFOLGREICH? - Susanne Bohn
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fachartikel die autoren DIE PSYCHOLOGIE VON SCRUM: WELCHE MECHANISMEN MACHEN SCRUM SO Horst Kostal (Horst.Kostal@methodpark.de) ERFOLGREICH? ist Method Park Consultant zu Fragestellungen rund um das Thema Management in Groß- und Multiprojekten. Er befasst sich vor allem mit der Der Erfolg von Scrum geht nicht zuletzt auf eine Vielzahl darin eingebauter psychologischer agilen Softwareentwicklung und berät bei Prob- Mechanismen zurück. Der Artikel öffnet den Blick für die Hintergründe und Wirkungen dieser lemen, die durch demotivierte Teams entstehen. Mechanismen und hilft so zu verstehen, warum Scrum funktioniert. Dieses Wissen schützt davor, bei einer Anpassung von Scrum an den falschen Stellen anzusetzen. Die Möglichkeiten der jene Aspekte, die die Sinne für die Vermei- Feinjustierung dung eventueller Schieflagen schärfen. Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Vorgehens- modell zur Steuerung Ihres Projekts, das Feste Sprints und ihr Nutzen nicht nur Lösungen für eine transparente Scrum lebt von kurzen, möglichst unge- Planung und ein lückenloses Controlling störten Sprints mit fester Länge und fixen Otmar Seckinger liefert, sondern darüber hinaus Mechanis- Meetings. Hinter diesem scheinbar einfa- (Otmar.Seckinger@methodpark.de) men, die sich positiv auf die Leistungs- chen Prinzip versteckt sich eine ganze Reihe leitet bei Method Park das Business Development fähigkeit, die Motivation und die verschiedener positiver Mechanismen. zum Thema Agilität. Er berät zu Fragen der Stimmung des Projektteams auswirken. Zunächst bieten die fixen Termine eine Prozessverbesserung und agilem Projektmanage- Wenn dieses Vorgehensmodell dazu noch Entlastung der kognitiven Ressourcen. ment. Sein besonderes Interesse gilt den nicht- Flexibilität und eine Anpassbarkeit an die Durch den festen Rhythmus entfällt nicht technischen Erfolgsfaktoren von Verbesserungs- internen Abläufe verspricht, dann klingt nur der Planungs- und Organisationsauf- projekten. dies zu schön um wahr zu sein, nicht wahr? wand für die Meetings: Die Meeting-Ter- Ein solches Vorgehensmodell gibt es in mine werden automatisiert abgespeichert der Tat: Es heißt Scrum. Scrum hat sich in und belasten das Arbeitsgedächtnis der der Praxis in den letzten Jahren durchge- Mitarbeiter nicht weiter. Das Arbeits- das Sprintende in Kombination mit dem setzt und in zahlreichen Einsatzgebieten gedächtnis ist der Teil des Gehirns, der für selbst gewählten Umfang. Es gibt bestens bewährt – nicht zuletzt aufgrund die vorübergehende Speicherung von Menschen, die Aufgaben bewusst bis zur der vielfältigen Möglichkeiten, es an die Informationen zuständig ist und insbeson- letzten Minute aufschieben. Diese so Bedürfnisse eines Projekts und an die des dere auch beim Problemlösen und dem genannten „aktiven Prokrastinierer“ genie- Umfeldes individuell anzupassen. Erwerb neuen Wissens wirksam ist. Durch ßen nach [Chu05] den Druck und arbeiten Dafür enthält Scrum zahlreiche Stell- den identischen Ablauf innerhalb der dabei effizienter. Durch die regelmäßigen schrauben, mit denen sich die positiven Meetings verstärkt Scrum diese Entlastung, Deadlines kann dieser Mechanismus wir- psychologischen Effekte, die Scrum auf die wodurch mehr Kapazitäten für die ken und die Ergebnisse werden zum beteiligten Personen ausübt, optimal einstel- Projektherausforderungen zur Verfügung Sprintende fertig. Dadurch entstehen keine len lassen. Aber Vorsicht: Bei unsachgemä- stehen. größeren Verzögerungen, die anderenfalls ßen Änderungen können sie auch genau das Dem gleichen Zweck dient auch die für andere Projektbeteiligte zu einem Gegenteil bewirken. Die Möglichkeiten zur Abschottung der Sprints. Jede Störung von Problem werden könnten bzw. einen zu Anpassung eines Mechanismus sollten nur außen erhöht die Anzahl der parallelen großen Aufgabenstau auslösen. unter genauer Kenntnis der Sachlage wahr- Tasks. Auch dies belastet wiederum die Als letzter der zahlreichen Mechanismen genommen werden. Ansonsten kann statt kognitiven Ressourcen der Mitarbeiter, sei hier die Auswirkung auf die Motivation Motivation Frust entstehen, statt hoher wodurch sie die einzelnen Aufgaben genannt. Dem Modell (siehe Abbildung 1) Produktivität Chaos und aus ausgeglichenen, schlechter erledigen bzw. zumindest die kann man die Wirkkette der Arbeits- gut organisierten Mitarbeitern wird ein aus- Wahrscheinlichkeit für Fehler steigt. Wie charakteristika – Eigenschaften, die eine gebranntes Team. Wer also die Stell- bei einem Prozessor mit zahlreichen Task- Arbeitsumgebung aufweisen kann – und schrauben von Scrum nutzen will, muss nicht Wechseln erhöht sich dadurch die so die daraus entstehenden Folgen entneh- nur die Methode an sich kennen, sondern genannte Blindleistung, also die überflüssi- men. So hat die Kenntnis des eigenen auch die psychologischen Effekte, die Scrum ge Zusatzarbeit. Wie [Sin07] zeigt, sinkt Arbeitsstandes eine positive Wirkung auf beinhaltet. Und er muss wissen, wie sie wir- durch zu viele parallele Aufgaben die zahlreiche Aspekte, wie etwa die intrinsi- ken und was sie anrichten können. Produktivität. sche Motivation oder die Arbeitszu- Der Artikel gibt keine Einführung in Ein dritter Effekt der kurzen Sprints sind friedenheit. Durch die Sprints, wie auch Scrum, sondern konzentriert sich auf eben die festen und häufigen Deadlines durch durch den Burndown Chart, erhält man 62 63
fachartikel Abb. 1: Modell der Arbeitscharakteristika (adaptiert aus [Stu11]). Das Modell stammt ursprünglich von Hackman und Oldham und ist hier vereinfacht dargestellt. eine sehr hoch-frequente (und oftmals posi- Spiel, die regelmäßige Erfolgserlebnisse Backlogs verlagert und die tägliche Arbeit tive) Rückmeldung, die wiederum zu genau herbeiführen können. nur auf das nächste Stück fokussiert. dieser Kenntnis führt. Doch auch aus anderen Gründen ist es vorteilhaft, die Arbeit in kleine Teile zu zer- Commitment fördern Wie man einen Elefanten legen. Wenn man vor einer großen Ein zentraler – und zu Recht auch oft dis- verspeist Herausforderung steht, entwickeln sich kutierter – Aspekt ist das Thema Ebenso wie bei der Antwort auf die unter Umständen negative Emotionen: Der Commitment. Jeff Sutherland bezeichnet es Scherzfrage mit dem Elefanten fällt es leich- Mitarbeiter fühlt sich überfordert und als einen der Grundwerte von Scrum (vgl. ter, ein komplexes Projekt Stück für Stück fürchtet, dadurch die Kontrolle zu verlie- [Sut10]). Commitment bezieht sich im umzusetzen oder – in Scrum ausgedrückt –, ren. Dies wirkt lähmend. Bricht man die Wesentlichen auf die Bereitschaft eines dieses iterativ in Storys und Tasks zu zerle- Arbeit in jeweils überschaubare Teile her- Mitarbeiters, Verantwortung für ein Sprint- gen. Auch darin verbirgt sich wiederum ein unter, lässt sich das Problem lösen. Beppo, ziel zu übernehmen. Die Psychologie be- Nutzen für die Motivation, sofern die Straßenkehrer aus „Momo“ von Michael Größe sich an den Erfahrungen und Ende, hat es mit seiner Arbeit ähnlich Fähigkeiten des Teams orientiert. gehalten: Solange er sich nur auf den nächs- Berechtigtes positives Feedback ver- ten Besenstrich konzentrierte, war er glück- schafft Glücksgefühle. Da positive Impulse lich und zufrieden (siehe Abbildung 2). – ungeachtet ihrer Größe – jedoch schnell Unglücklich wurde er erst, als er an die ihre Wirkung verlieren (vgl. [Dun11]), Arbeit dachte, die noch nicht getan war. müssen diese regelmäßig erfolgen. Hier Scrum löst dieses Problem, indem es die kommen die in kurzen Abständen wieder- Gesamtbetrachtung auf die Ebene des kehrend stattfindenden Lieferungen ins Release Burndowns und des Product OBJEKTspektrum ist eine Fachpublikation des Verlags: SIGS DATACOM GmbH · Lindlaustraße 2c · 53842 Troisdorf Tel.: 0 22 41 / 23 41-100 · Fax: 0 22 41 / 23 41-199 E-mail: info@sigs-datacom.de www.objektspektrum.de Abb. 2: Es ist wichtig, www.sigs.de/publications/aboservice.htm sich auf den nächsten Schritt zu konzen- trieren. 6 / 2 01 3
fachartikel trachtet das Konstrukt in der Regel als trotz einer offensichtlichen Notwendigkeit einmal auf den bereits erwähnten Straßen- organisationales Commitment, also die und vorhandener Ressourcen eine Aufgabe kehrer Beppo verwiesen. psychologische Bindung eines Mitarbeiters nicht erledigt wird, weil sich niemand dafür Wie [Bau02] unter dem Begriff Selbst- an sein Unternehmen. Dabei stellt das so zuständig fühlt. Dem wird durch die Rolle erschöpfung beschreibt, hat jeder Mensch genannte affektive Commitment – also die des Scrum Masters in entscheidender Weise zur Kontrolle seiner bewussten und unbe- emotionale Bindung – die zentrale Rechnung getragen: Er kümmert sich nicht wussten Verhaltensweisen nur ein begrenz- Komponente dar. Die Forschung zeigt nur um Vorbereitungen und die Organi- tes Energiebudget zur Verfügung. Jede wil- dabei nach [Mey02] sowohl einen Zusam- sation, sondern kann zudem Hindernisse – lentliche Entscheidung belastet dieses menhang zu freiwilligem Arbeitsengage- die so genannten Impediments – beseitigen. Budget. So ist insbesondere auch die ment als auch zu einem geringeren Nicht „jemand” oder „man”, sondern der Entscheidung, etwas nicht zu tun, sich zum Stresserleben und einem erhöhten subjekti- Scrum-Master ist klar für die Prozess- Beispiel von einer unangenehmen Aufgabe ven Wohlbefinden. Kein Wunder also, dass einhaltung und Entwicklung verantwort- abzulenken, zwar eine unbewusste Ent- viele Manager sich ein emotionales lich. scheidung, die allerdings gleichwohl Commitment ihrer Mitarbeiter wünschen. Um Konflikte mit der Außenwelt des Energie kosten kann. Ist das Energiebudget Übertragen auf den Projektkontext wird Projekts zu verhindern, die sich wiederum aufgebraucht, wird man anfälliger für jedoch schnell klar, dass sich dieses negativ auf die Stimmung im Team auswir- leichtfertige Entscheidungen. Das gilt ins- Commitment nicht einfordern lässt. Damit ken können, muss ein guter Scrum Master besondere für Entscheidungen, die eine das Commitment von innen heraus ent- auch betriebswirtschaftliche Aspekte im kurzfristige Belohnung versprechen. Eine steht, muss man stattdessen die umgeben- Blick behalten. Seine Aufgabe ist es, geeig- Entscheidung für jemand anderen zu tref- den Faktoren anpassen. Die Entstehung nete Lösungen für Begehrlichkeiten von fen, fällt dagegen viel leichter. Durch die von Commitment kann das Management außen zu suchen und zu finden, wie etwa Trennung der Rollen entscheidet der gezielt fördern, insbesondere durch ausrei- die Einplanung von Support-Tätigkeiten Product Owner (PO) im Rahmen der chend Freiräume auf Seiten des Teams. und die Fehlersuche in der Sprintplanung. Priorisierung für das Team die Reihenfolge Scrum bietet hier zahlreiche eingebaute der Aufgaben. Das entlastet die Team- Mechanismen. Die Anforderungsvielfalt Entlastung durch mitglieder, weil sich so die Anzahl ihrer durch wechselnde Aufgaben im Team zählt Entscheidungsteilung Entscheidungen reduziert (siehe auch hierzu ebenso wie die Beteiligung an Die meisten Vorhaben umfassen eine Fülle [Kah12] und Kasten 1). Planung und Prozessverbesserungen. Die von Anforderungen, die festlegen, wann Der PO übernimmt die Pflege der Storys gemeinsame Entscheidung über den das Vorhaben im Sinne der Stakeholder im Product Backlog. In den so genannten Umfang des Sprintziels steigert die erlebte umgesetzt ist. Um eine Überforderung zu Backlog Groomings fordert das Team Verantwortlichkeit, die ein wichtiger vermeiden, sollte das Team nicht ständig Ergänzungen und äußert Wünsche, um die Faktor zur Entstehung von Commitment auf die (lange) Liste der noch zu erledigen- Storys für die Sprintplanung besser ab- ist. Durch den Fokus auf einen kontinuier- den Arbeit blicken müssen. Hier sei noch schätzen zu können. Die Beteiligung des lichen Wissensaustausch und -aufbau för- dert Scrum zudem die wahrgenommene Kompetenz, die sich wiederum positiv auf das Commitment auswirkt (für eine detail- lierte Betrachtungen vgl. [Stu11].) Daniel Kahnemann beschreibt in [Kah12] zwei kognitive Systeme des Menschen: Klare Rollenaufteilung ■ System 1 arbeitet automatisch, schnell, ohne willentliche Steuerung. gibt Sicherheit ■ System 2 lenkt die Aufmerksamkeit auf die anstrengenden mentalen Aktivitäten. Durch die Einführung des Scrum Masters wurde eine Rolle geschaffen, die es dem Alle Arten kognitiver Aktivität und Selbstkontrolle belasten das System 2. Wenn man – Team erlaubt, sich auf die eigentliche beispielsweise durch anspruchsvolle Aufgaben – kognitiv ausgelastet ist, dann wird eher Aufgabe – die Entwicklung des Produkts – System 1 aktiv, was jedoch auch mit egoistischen und schlechteren Entscheidungen bzw. zu konzentrieren. Ist das nicht uneinge- einer erhöhten Ablenkung einhergeht. Je mehr Entscheidungen man trifft, desto stärker schränkt möglich, führt dies unweigerlich wird auch das kognitive System belastet, was wiederum zu einer Selbsterschöpfung füh- zu parallelen Belastungen, ohne dass dies ren kann. einen Nutzen für die Produktentwicklung Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel einer Diät. Einer leckeren Torte am Morgen zu hat. Im Rahmen der Iterationsplanung widerstehen, fällt normalerweise nicht schwer. Am Abend nach zahlreichen identifiziert und plant das Team seine Tasks Entscheidungen ist das Selbst erschöpft und man wird der Verlockung deutlich eher und passt diese selbst in den nachfolgenden nachgeben. Sprint ein. Eine mangelhafte oder fehlende Dieses Problem lässt sich reduzieren, indem die Entscheidung von der Ausführung Abschottung bedeutet meist Nebentätig- getrennt wird. So fällt es leichter, für jemand anderen eine unangenehme Entscheidung keiten und dadurch zusätzliche Belastung. zu treffen, als für einen selbst. Wenn also beispielsweise der Partner darüber entscheidet, Überlastung demotiviert und die Qualität ob es heute eine Torte gibt oder nicht, belastet dies einen selbst weniger. der Arbeit sinkt unausweichlich. Das Phänomen der Verantwortungs- diffusion beschreibt nach [Wiki-a], dass Kasten 1: Die zwei Systeme des menschlichen Gehirns. 64 65
fachartikel Teams hierbei ist ausschlaggebend für die Akzeptanz und auch für die motivierte Eine gute Teamleitung ist – unabhängig vom Vorgehensmodell – ein sehr wichtiger Umsetzung, da die Kontrollwahrnehmung Erfolgsfaktor. Es liegt nicht im Scope von Scrum, einen guten disziplinarischen der Teammitglieder steigt. Die Inhalte sind Vorgesetzen zu ersetzen. Aber es enthält auch für diese Ebene zahlreiche Mechanismen, klar formuliert. Dadurch wird von den die es den Führungskräften einfacher machen, sofern sie es schaffen, die Eigenständigkeit Teammitgliedern keine Mehrarbeit oder des Projekts zu akzeptieren: Re-Work erwartet. Planungen können exakter durchgeführt werden und die ■ Zeitmanagement: Scrum bietet eine vorgegebene Zeitstruktur, jeder ist nur einem Blindleistung wird verringert. Projekt zugeordnet und die Planung erfolgt auf Basis der eigenen Aufwands- Das gleiche Ziel verfolgt die selbstverant- abschätzungen. Die Teamleitung muss lediglich darauf achten, dass das Projekt nicht wortliche Aufwandschätzung innerhalb der durch Querschläger belastet wird und dass die Schätzungen realistisch sind. Jedoch Sprintplanung. Auch diese kann einen positi- Achtung: Wird die Regel „zu jeder Zeit nur ein Projekt“ verletzt, funktionieren auch ven Effekt auf die Kontrollüberzeugung und diese Mechanismen nicht mehr. damit die erwartete Selbst-Wirksamkeit aller ■ Rückmeldung und Zielvereinbarung: In Form von Retrospektiven, Stand Up- Beteiligten haben. Die Selbst-Wirksamkeit Meetings und Burndown Charts erhält ein Mitarbeiter konstant Feedback und damit nach Bandura ist „eine Überzeugung darü- im Normalfall auch einige Erfolgserlebnisse. Dies ersetzt zwar längerfristige ber, wie kompetent die betreffende Person in Entwicklungs- und Zielvereinbarungsgespräche nicht, sorgt aber zumindest im der Lage sein wird, eine Verhaltensweise in Alltag dafür, dass ein Mitarbeiter seine eigene Leistung ein- und wertschätzen kann. einer bestimmten Situation erfolgreich aus- ■ Wissensmanagement: Durch den intensiven Austausch, die Transparenz und auch zuführen“ (vgl. [Fri04]). Eine positive die Übernahme verschiedener Aufgaben im Team lernen die Teammitglieder schnel- Erwartung wiederum steht in Zusammen- ler. Der Ausfall eines Mitarbeiters ist somit leichter zu kompensieren. Scrum berück- hang mit größerer Ausdauer und mehr sichtigt nicht, wie sich die Teams austauschen und wie ein Unternehmen neues Leistung. (siehe Abbildung 3). Würde man Wissen erwirbt. auf diese Form der Aufwandschätzung ver- ■ Konfliktmanagement: Scrum baut darauf auf, Konflikte sehr schnell sichtbar zu zichten, könnten die Teammitglieder das machen. Dadurch sind sie in der Regel leichter lösbar. Der Scrum Master nimmt oft Gefühl bekommen, sie hätten keinen Einfluss gezielt die Rolle eines Konfliktmanagers ein. Bei länger andauernden Konflikten, auf den Projektverlauf. Entsprechend werden insbesondere solchen, deren Ursachen nicht im Team liegen (z. B. einem als ungerecht sie sich verhalten. empfundenen Belohnungssystem), muss der Teamleiter als Eskalationsinstanz zur Trotz dieser sehr wichtigen Einbindun- Verfügung stehen. gen ist darauf zu achten, dass das Team nicht überfordert wird, wenn zum Beispiel Kasten 2: Teammanagement. die Backlog Groomings zu viel Zeit in Anspruch nehmen oder dem Team alle Verantwortung für die Inhalte aufgebürdet Ein Team ist mehr als die Mitarbeiter sind explizit aufgefordert, wird. Die Entscheidung muss letztlich in Summe seiner Mitglieder beim Daily Stand-Up Probleme zu berich- der Verantwortung des PO verbleiben, Eines der grundlegenden menschlichen ten. Dabei können andere Mitarbeiter ihre wenn das Team entlastet werden soll. Motive ist das Anschlussmotiv, also der Hilfe anbieten, ohne dass man selbst direkt Wunsch nach Kontakt und Zugehörigkeit danach fragen muss. So verrennt sich der zu anderen Menschen und Gruppen. Damit einzelne nicht unnötig in ein Thema. verbunden sind auch stets die Angst vor Daraus entsteht eine Kultur, Probleme Zurückweisung (vgl. [Hec06]) sowie der gemeinsam zu lösen, wodurch die wahrge- Wunsch, als kompetent wahrgenommen zu nommene Problemlösekompetenz gestei- werden. Scrum trägt diesem Motiv auf ver- gert wird. Indem viele Schultern das schiedene Art und Weise besondere Problem tragen, sinkt die Last für den Rechnung. Bindet man alle Mitarbeiter in Einzelnen. Weitere Aspekte, die das das Backlog Grooming ein, lässt sich das Teammanagement betreffen, werden in Gesamtbild leichter vermitteln. Für jeden Kasten 2 beschrieben. ist klar erkennbar, dass gemeinsam an die- sem Ziel gearbeitet werden muss. Sowohl Schäden durch durch die fehlende Hierarchie bzw. die Belastungen verhindern explizite Rolle des Teams als auch durch In vielen Projekten führen der Wunsch Mechanismen wie die Daily Stand-Ups nach Anerkennung und ungeschriebene oder den Einfluss auf den Prozess, insbe- Verhaltensregeln dazu, dass deutlich mehr sondere in den Retrospektiven, wird jeder Überstunden gemacht werden, als langfris- immer wieder aufs Neue als Teil der tig sinnvoll ist. Früher oder später wird die- Gruppe bestätigt. Jeder Mitarbeiter se Belastung Folgen für die Gesundheit der betrachtet dadurch nicht nur seine eigenen Mitarbeiter haben (siehe Kasten 3 und Abb. 3: Indirekte Wirkung der Aufwand- Ergebnisse, sondern kann auch am Fort- Abbildung 4). Dem arbeitet Scrum durch schätzung auf Ausdauer und Leistung. schritt des Gesamtprojekts teilhaben. das Ziel einer nachhaltigen Auslastung des 6 / 2 01 3
fachartikel Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept nach Rohmert und Rutenfranz (vgl. [Uli11]) wird unter anderem als Modell verwendet, um die Auswirkungen von Arbeit auf die ein- zelne Person einordnen zu können. Dabei wird insbesondere zwischen der von außen einwirkenden Belastung und der daraus resultierenden Beanspruchung unterschieden. In Softwareprojekten treten oftmals diverse Formen von Belastungen auf. Das können – neben der Arbeit selbst – beispielsweise Zeitdruck, Lärm in Großraumbüros, Über- oder Unterforderungen und nicht-ergonomische Arbeitsplätze sein. Besonders belastend ist die Notwendigkeit, Emotionen zu regulieren (vgl. [Wiki-b]), was vor allem bei häufigem Kundenkontakt eine Rolle spielt. Eine Belastung wird zur Beanspruchung, wenn diese zu einer Reaktion führt. Der Begriff ist zunächst wertfrei, da die Reaktion bzw. die dadurch entstehende Veränderung nicht zwangsweise negativ sein muss. Besonders relevant sind jedoch die durch eine Abb. 4: Schematischer Zusammenhang Fehlbeanspruchung hervorgerufenen Folgen, insbesondere dann, wenn es nicht nur um zwischen Belastung, Beanspruchung und Ressourcen. akute, sondern um chronische Folgen geht. Diese können sich sowohl in physischen Problemen äußern (Rückenschmerzen, Sehnenscheidenentzündung etc.), als auch psychi- sche Probleme (beispielsweise Müdigkeit oder Depressionen) hervorrufen. Ob eine Belastung zu einer Beanspruchung führt, hängt auch von den Eigenschaften und Möglichkeiten einer Person ab. Das heißt, wenn man z. B. die verfügbaren Ressourcen einer Person erhöht – etwa durch flexible Arbeitszeitregelungen oder eigene Geldbudgets –, sinkt dadurch die Gefahr einer Fehlbeanspruchung. Kasten 3: Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Einzelnen entgegen. Das Management tut langfristig gut daran, auf die Einhaltung Literatur & Links des Ziels zu achten. Begünstigt wird dies auch dadurch, dass sich jeder Mitarbeiter [Bau02] R.F. Baumeister, Ego depletion and self-control failure: An energy model of the self's exe- die Aufgaben bis zu einem gewissen Grad selbst aussuchen und diese an seine eigene cutive function, Self and Identity, Psychology Press 2002 Belastbarkeit anpassen kann. [Chu05] C. Chu, A. Hsin, J.N. Choi, Rethinking procrastination: Positive effects of "active" pro- crastination behavior on attitudes and performance, in: The Journal of Social Psychology 145(3), Fazit 2005 Es lohnt sich, hinter die Kulissen zu bli- [Dun11] E.W. Dunn, D.T. Gilbert, T.D. Wilson, If money doesn't make you happy, then you pro- cken. Wer Verantwortung in Führungsposi- tionen übernimmt, gewinnt vor allem dann bably aren't spending it right, in: Journal of Consumer Psychology 21.2.2011 viele Erkenntnisse, wenn er sich mit den [Fri04] H.S. Friedman, M.W. Schustack, H. Rindermann, Persönlichkeitspsychologie und diffe- psychologischen Aspekten der Arbeit rentielle Psychologie, Pearson Studium 2004 beschäftigt, denn der Grad der Moti- [Hec06] J. und H. Heckhausen, Motivation und Handeln, Springer 2006 vierung von Teams entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Projekte. [Kah12] D. Kahneman, Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler Verlag 2012 Gerade der psychologische Nutzen von [Mey02] J.P. Meyer et al., Affective, Continuance and Normative Commitment to the Scrum ist durch die verschiedenen Effekte Organization: A Meta-analysis of Antecedents, Correlates, and Consequences, in: Journal of sehr hoch. Die möglichen Stellschrauben Vocational Behavior 61(1), 2002 erzeugen große Vorteile, wenn an ihnen [Sin07] A. Sinan, E. Brynjolfsson, M. Van Alstyne, Information, technology and information fundiert gedreht wird. Schaden entsteht worker productivity: Task level evidence, 2007, siehe: http://ssrn.com/abstract=942310 jedoch, wenn zu hektisch oder in die fal- sche Richtung justiert wird. Ist man sich [Stu11] A. Sturm, I. Opterbeck, J. Gurt, Organisationspsychologie, Vs Verlag für Sozialwissen- der psychologischen Komponenten be- schaften 2011 wusst und versteht ihre Mechanismen, ist [Sut10] J. Sutherland, Scrum Handbook, Scrum Training Institute Press 2010, siehe: man für zukünftige Herausforderungen viel http://jeffsutherland.com/scrumhandbook.pdf besser gewappnet. Schnittstellen zwischen Projekten, Abhängigkeiten in Lieferketten [Uli11] E. Ulich, Arbeitspsychologie, Schäffer-Poeschel Verlag 2011 zwischen Produkten sowie die Nutzung [Wiki-a] Wikipedia, Verantwortungsdiffusion, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortungsdiffusion internationaler Setups lassen sich meistern [Wiki-b] Wikipedia, Emotionsregulierung, siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Emotionsregulation und die Kommunikation in den Manage- mentebenen lässt sich optimieren. ■ 66 67
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