Die Rückeroberung der Stadt als Wohnort - Panorama AG
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26 Home statt Office TEC21 1–2/2022 Die Rückeroberung der Stadt als Wohnort Unsere Städte haben zu viele Bürohäuser und zu wenig Wohnraum – die logische Schlussfolgerung ist die Umwidmung leer stehender Geschäftsbauten zu urbanen Wohnungen. Doch dieser Prozess geht nur langsam voran. Text: Hella Schindel Der Laubengang ist ein gutes Instrument zur Verbesserung der Belichtung und zur Erschliessung von Wohnungen in tiefen Gebäuden (vgl. «Octavo II», Zürich Oerlikon, Fischer Architek- ten, S. 30).
TEC21 1–2/2022 Home statt Office 27 D ie Verwaltungsbauten der 1950er- bis der den Umnutzungsprozess im Moment noch begleitet, 1970er-Jahre beherbergten zumeist ganz teils aber auch mit wirtschaftlichem Kalkül. gewöhnliche Büros. Nun stehen viele von ihnen leer und werden zu blinden Flecken Lage: die Strasse als Erlebnisraum in den Innenstädten – wo es sich doch gut wohnen liesse. Durch den wirtschaftli- Bei den positiven Werten ist an erster Stelle ihre Veror- chen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg und dem tung in der Stadt zu nennen. Mit der ursprünglichen daraus resultierenden Neubau von Wohnüberbauungen Nutzung geht oft eine gute Anbindung an den öffentli- vor den Toren der Innenstadt verloren die Zentren als chen Verkehr einher. Solange der geforderte Rückgang Wohnort an Bedeutung. Der zunehmende private Auto- von Lärm- und Schmutzemissionen noch nicht spürbar verkehr gab dieser Entwicklung weiteren Vorschub. ist, sind bei langfristigen Überlegungen immerhin die Sinkendes Interesse am Wohnen in der Stadt führte zum Vorteile eines urbanen Umfelds von Bedeutung mit We- grossflächigen Abriss von Mietshäusern und beförder- gen, die zu Fuss oder per Velo zu bewältigen sind. Mit te den Neubau von Bürohochhäusern. Durch die Präsenz der Belebung eines Quartiers durch Anwohnende kommt der Bundesverwaltungen und damit zusammenhängen- eine Aufwertung in Gang, die als Motor für ganze Stadt- der Firmen sind diese in Bern besonders vorherrschend viertel funktioniert. Dabei ist es wichtig, dass das Woh- und machen die Stadt zu einem interessanten Beispiel nungsangebot nicht nur aus Studios für Wochenend- für einen erneuten Paradigmenwechsel. Schon früh heimfahrende besteht, sondern die Menschen wirklich wurde eine weitere Bautätigkeit politisch gebremst: Als an den Ort bindet. Zusammen mit der gezielten Förde- Ergänzung zum Nutzungszonenplan, der 1975 geschaf- rung einer neuen Zentrumsbildung durch die Ansied- fen wurde, und zur Bauordnung von 1979 stoppte der lung von Quartierstreffs, Freiräumen, Ausbildungsstät- Bauklassenplan 1987 eine weitere Verdrängung der ten und Gewerbe durch die Stadtplanung entsteht ein Wohnbauten. Auf dieser Rechtsgrundlage erhielt der Raum, den sich die Stadt aneignen kann. behutsamere Umgang mit dem gewachsenen Bestand eine neue Bedeutung.1 Dennoch prägen die Bauten heu- Rohbau: erhaltenswert bis cool te die Stadt Bern, und entsprechend macht sich die ak- tuelle reduzierte Nachfrage nach Büroarbeitsplätzen Ein weiterer guter Grund für die Erhaltung und Um- überproportional bemerkbar. Der Leerstand ist in nutzung der beschriebenen Gebäude ist die graue Ener- F oto: G e r r y A m s t u t z zwischen beträchtlich: Momentan sind 290 Arbeitsräu- gie, die in den grossen Mengen an darin verbautem me mit insgesamt 83 000 m2 ungenutzt. Im Vergleich zum Stahlbeton gebunden ist und im Sinn der Kreislaufwirt- Jahr 2000 hat sich der Leerstand mehr als verdoppelt. schaft an Wertschätzung gewinnt. Es ist abzuwägen, Die Schweizerische Post (vgl. «Schönburg, Bern», S. 28) ob der Teilrückbau und die Ausrüstung mit neuer Ge- und die SBB haben ihre Hauptsitze an den Stadtrand bäudetechnik im Vergleich zu einem Neubau nicht nur umgesiedelt, Bundesämter wurden an neuen Standorten wirtschaftlich, sondern auch ökologisch tragbar ist. gebündelt. Insgesamt bemisst sich die Bürofläche in der Einmal entkleidet, bieten die soliden Rohbauten Stadt Bern auf 2.2 Mio. m2 mit leicht steigender Tendenz Potenzial für einen veränderten Ausbau. Die gestalteri (Stand 2019), wobei die Preise im mittleren Segment in sche Stärke ehemaliger Bürobauten liegt in der klaren den letzten drei Jahren um 2.8 % gefallen sind. Der Leer- Struktur, auf die die neuen Grundrisse Bezug nehmen: stand bewegt sich hier bei rund 5 %.2 Hingegen stagniert Um die notwendigen Schächte und Erschliessungskerne er bei Wohnungen auf 0.5%.3 herum ist der Raum frei gestaltbar. Je kleiner die Im gesamtschweizerischen Vergleich stieg der Wohneinheiten allerdings sind, desto mehr Schächte Angebotspreis von Büroflächen in den vergangenen drei müssen für die jeweils zugehörigen Nebenräume ein- Jahren um 16.7 %, nicht aber in Bern: Hier fiel er im geplant werden, was den Aufwand in die Höhe treibt gleichen Zeitraum um 2.8 % und setzte damit ein Um- und oft zu einem Ungleichgewicht zugunsten grosser denken in Gang: Wenn sie ihre Fläche schon nicht mehr Einheiten führt. Durch die Fensterflächen und Raum- als einträglichen Gewerberaum vermarkten können, höhen entstehen Grundgerüste für unterschiedliche suchen ihre Besitzer heute anderweitig nach gewinn- Ausbaustandards. Diese Freiheit birgt Möglichkeiten bringenden Formaten. So wächst in der Bundesstadt ein einer guten Durchmischung innerhalb der Bewohner- Interesse an Nachnutzungen von Bürobauten, das als schaft, die mit Gemeinschaftsräumen noch gefördert zuverlässiger Auslöser für Aufwertungsprozesse urba- werden kann und auch Platz für zukünftige Formen des ner Immobilien wirkt. Ein bedenklicher Aspekt ist dabei, Zusammenlebens eröffnet. Den positiven Impulsen ste- dass sich Projektentwickler zum Handeln gedrängt füh- hen ganz konkrete Schwierigkeiten gegenüber, die der len, weil parallel die Unterschutzstellung vieler derar- Typus eines Bürogebäudes der 1960er-Jahre bei der tiger Bauten durch die Denkmalpflege Fahrt aufnimmt. Umwandlung für Wohnzwecke bereitet. Für Wohnungssuchende, die sich in urbaner Atmosphäre wohl fühlen und keine Scheu vor Lärm und Fassade: Identitätsträger oder Problem relativer Dichte haben, bieten die Häuser einige unbe- streitbare Vorteile – preisgünstige Mieten zählen aller- Aus heutiger Sicht verkörpert häufig schon allein die dings bisher selten dazu. Dies ist teils mit dem hohen Fassade einen Mangel. Neben den funktionalen Aspek- planerischen und baurechtlichen Aufwand zu erklären, ten sind energiewirtschaftliche Kriterien bedeutsam,
28 Home statt Office TEC21 1–2/2022 Schönburg, Bern Die Stadtbildkommission zählte den Haupt- sitz der Schweizerischen Post aufgrund der windmühlenartigen Grossform, der Einbet- tung in die Parkanlage und der städtebauli- chen Lage als Bindeglied zwischen Altstadt und Rosengartenquartier zu den heraus ragenden Bürobauten der 1970er-Jahre. Die Tragstruktur blieb unter Erneuerung der Fas- sade erhalten. Grosse Eingriffe in den Rohbau waren für zusätzliche Erschliessungen nötig. Die neue Gebäudetechnik verfügt über eine kontrollierte Wohnraumlüftung, intelligente Haussteuerung und ein Blockheizkraftwerk für den Wärmeverbund im Quartier. Im Ho- telflügel mit 188 Zimmern (im Foto rechts) ist der Mittelkorridor aufgrund der hohen Gebäu d etiefe überbreit; veränderte Raum- grössen zeigen sich im neuen Fassadenraster. Die gesamte Fassade erhielt eine Naturstein- verkleidung (Vert de Salvan aus dem Wallis). Zugunsten eines Anbaus mit Townhouses er- folgte der Abriss des eleganten Kantinenpa- villons. Der neue, flache Baukörper ist in Sichtbeton ausgeführt, dem der grünliche Naturstein als Sand beigemischt wurde. Zur Strasse ist ein Gewerbebereich vorgelagert (flacher Bauteil im Bild links). Durch Ein bindung von Hotel, Fitnessstudio und Super- markt wird der Standort neu belebt und funktioniert als Impulsgeber für die Quar- F oto s: Ro b L ew is , B e r n; zVg; Plän e: A R G E S ch ö nb ur g tiersentwicklung. • (hs) Oben rechts: Der erhöhte Platz definiert einen gemeinschaftlichen Erschliessungs bereich . Rechts: Nicht alle bestehenden Stützen liessen sich sinnvoll integrieren. Grundriss Regelgeschoss Grundriss Bestand, Regelgeschoss Mst. 1 : 1500. nach Umbau. Architektur Bestand (1970) Geschossfläche nach SIA Theo Hotz, Zürich 8 Obergeschosse, 48 350 m 2 Nutzung bis 2015 Volumen Umbau nach SIA 416 Hauptsitz der Schweizerischen Post 162 846 m³ Architektur Umnutzung (2016–2020) Volumen Neubau nach SIA 416 ARGE Schönburg Theo Hotz Partner 18 944 m³ und Marazzi + Paul Architekten Wohnungsmix Bauherrschaft 142 2.5- bis 4.5-Zimmer-Wohnungen; Swiss Prime Site Townhouses, Dachterrasse. Vogelperspektive auf das Gebäude Bausumme Miete für eine 3.5-Zimmer-Wohnung: vor dem Umbau. 120 Mio. Fr. 2000 bis 3000 Fr. inkl. NK.
TEC21 1–2/2022 Home statt Office 29 die sich aus der Materialwahl und Detaillierung ergeben. führung zur Versorgung der Sanitärbereiche und Tee- Zugunsten einer filigranen Erscheinung ist der Ener- küchen reichten bei den Bürohäusern wenige, zentral gieverbrauch von Vorhangfassaden oder von Pfosten- gelegene Schächte. Das stellt den Ausbau mit neuen Riegel-Konstruktionen und Glasflächen in den Jahren Küchen und Bädern vor eine Herausforderung, zumal des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht so sehr ins auf die abgehängten Decken zugunsten einer maxima- Gewicht gefallen. Es fehlte die Kenntnis, aber auch das len Raumhöhe wann immer möglich verzichtet wird. Bewusstsein für eine solide energetische Dämmung. Die Um neue Schächte zu integrieren, müssen entweder durch Kältebrücken entstandenen Schäden machen Ge- zusätzliche Bauteile dafür ergänzt, in bestehende Lift- bäude häufig schon für einen zeitlich begrenzten Auf- schächte und Treppenhäuser integriert oder radikal in enthalt wie für Büroarbeit ungeeignet und sind heute den Rohbau eingeschnitten werden, ohne damit die ein massgeblicher Grund für deren Leerstand. Dazu Statik zu gefährden. kommt die sommerliche Wärmelast: Obwohl sie bei Büronutzung durch die elektronischen Geräte und die Erschliessung: individuell statt zentral Mitarbeitenden noch störender ausfällt, stellt die Über- hitzung auch beim Wohnen eine spürbare Beeinträch- Ein damit verknüpfter Aspekt ist die Organisation der tigung dar. Zugänglichkeit. Für den Bürobau ist häufig ein zentra- Nicht selten prägt aber die gestalterische Qua- ler Eingang mit Verteiler auf den Etagen sinnvoll, an lität der Fassaden die Identität des Gebäudes und wird den Treppenhaus und Lifte angeschlossen sind. Für die von den Planenden und der Stadtbildkommission hoch individuelle Erschliessung von Wohnungen müssen geschätzt. Erstes Ziel ist es dann, diese zu erhalten und diese dann auch brandschutztechnisch von den Zugän- gleichzeitig einen vertretbaren energetischen Standard gen abgetrennt sein. Ergänzende Erschliessungskerne und Komfort zu erreichen. Durch nachträgliche Ein- ziehen massive Eingriffe nach sich, die sich im besten griffe zur verbesserten Dämmung droht die Komposi- Fall mit denen für das Einbringen neuer Schächte kom- tion einer Fassade oft aus dem Gleichgewicht zu geraten, binieren lassen. sodass der totale Ersatz aus wirtschaftlicher und auch Ein alternativer Ansatz ist die Weiternutzung gestalterischer Hinsicht angemessen ist. von vertikalen Achsen im Bestand, die um eine horizon- In ihrer Detaillierung liegt gegenüber dem Be- tale Verteilung zu den Wohnungseingängen ergänzt stand grosses Verbesserungspotenzial. Neben langle- werden. Die Verlagerung der Verteilung auf die Ebenen bigeren Abdichtungen garantieren auch die Beschich- erspart zwar Eingriffe in die bestehende Konstruktion, tung und Zusammensetzung der Festverglasung selbst bedarf aber zusätzlicher Fläche. Radikale Veränderun- eine erhebliche Reduktion des Energieverbrauchs. Form gen wie das Entfernen der Gebäudemitte zugunsten und Betrieb von integrierten Verschattungen und Öff- einer neuen Erschliessung und Versorgung über einen nungsflügeln erleichtern die Steuerung von Licht- und offenen Hof schlagen gleich mehrere Fliegen mit einer Luftverhältnissen in den Innenräumen, ergänzt durch Klappe. Der Hof ersetzt die dunkle und als Wohnraum neu eingeschnittene Balkone oder Loggien. Mit dem Ziel wenig attraktive Gebäudemitte, ermöglicht eine besse- einer möglichst geringen Technisierung kann immerhin re Tageslichtversorgung der umliegenden Räume und anstelle einer Klimaanlage eine unterstützende Kom- bietet die Möglichkeit, Laubengänge anzudocken. Da- fortlüftung ausreichen. gegen steht ein Verlust an vermietbarer Fläche und eine Verschlechterung der Ökobilanz, nicht zu vergessen der Statik: aussen eng getaktet, innen frei Kostenaufwand für den Eingriff in die Substanz. Ebenfalls typisch für die Bürobauten der 1960er-Jahre Recht: Normen und Visionen ist ein enger Fassadenraster von rund 120 cm, auf dem das Achsmass der üblichen Zellenbüros aufbaut und Zur Klärung der baurechtlichen Belange sind Abspra- sich nach aussen abbildet. Die daraus resultierende chen mit der Stadtplanung zu treffen, gerade wenn Ent- Fensterbreite ist für heutige Wohnraummasse nur noch wicklungsprogramme für das betreffende Quartier oder als ein Vielfaches einsetzbar und stellt damit auf einer die Gemeinde bestehen. Befindet sich das Objekt in einer zusätzlichen Ebene die Wirtschaftlichkeit bestehender Gewerbezone, ist das Wohnen nicht ohne Umzonung Fassadenkonstruktionen infrage. Von Vorteil ist dage- möglich. Befindet es sich hingegen in einer Dienstleis- gen die weitgehende Stützenfreiheit im Gebäudeinnern, tungszone, so ist eine teilweise Wohnnutzung gestattet, die eine offene Grundrissgestaltung erlaubt. Der Innen- allerdings gekoppelt an abgestufte Lärmschutzverord- ausbau erfolgte zumeist als Leichtbau und ist entspre- nungen. Umgestaltungen der äusseren Erscheinung des chend rückbaubar. Dabei sind die sonst so ungeliebten Gebäudes sind mit der Stadtbildkommission abzustim- abgehängten Decken endlich ein Gewinn: Sie lassen men. Und wie eingangs erwähnt, können auch Belange sich leicht demontieren und geben den Zugriff auf die des Denkmalschutzes im Spiel sein. Bezüglich des Vo- zu erneuernde horizontale Haustechnik frei. Die De- lumens muss gewährleistet sein, dass das Tragwerk montage fordert allerdings auch hier neue Ansätze, weil weitere 50 Jahre belastbar ist. Dabei fällt nach Angaben der darunter versteckte Platz für Schalldämmung und von Bauart Architekten die Gewährleistung gestiegener Leitungsführungen entfällt. Was gleich zum nächsten Sicherheitsanforderungen, besonders der Erdbebensi- Problempunkt überleitet: Für die vertikale Leitungs- cherheit, besonders ins Gewicht. Eingriffe in die Statik,
30 Home statt Office TEC21 1–2/2022 Octavo II, Zürich Neu-Oerlikon Am Standrand von Zürich ist die Nachfra- ge nach Wohnungen so hoch, dass auch noch intakte Büros umgenutzt werden: Das Haus ist keine 20 Jahre alt. Es ent- stand als Teil einer Überbauung für Büros in einer ehemals industriellen Umgebung, die sich inzwischen zu einer beliebten Wohngegend entwickelt hat. Das Tragwerk ist eine Stützen-Platten-Konstruktion mit zwei Erschliessungskernen an den flankie renden Türmen, die das Gebäude in drei Bereiche gliedern. Die Erschliessung des mittleren Teils ist unabhängig von den aussen liegenden Geschosswohnungen: Im Erdgeschoss liegen Atelierwohnungen mit individuellem Zugang von der Strasse, darüber Studios, die sich in den für grös sere Wohnungen hinderlichen Büroraster einfügen. Oben strecken sich Maisonette- wohnungen in ein aufgestocktes Attikage- schoss. Diese Ergänzung war baurechtlich möglich, weil ein Teil der ehemaligen F oto s: zVg (B e s t an d); G e r r y A m s t u t z; Plän e: F is ch e r A r chi t e k t e n , Zür ich; Po r t r ät : Pe t e r B r an d Büroräume zu Loggien umfunktioniert wurde und so die Ausnutzungsziffer neu verteilt werden konnte. Die Wohnungen sind über einen innen liegenden, verglas- ten Laubengang zugänglich, der die Woh- nungstiefen verkürzt und belichtet. • (hs) Architektur Bestand Bob Gysin + Partner, 2004 Nutzung bis 2017 Verwaltung Architektur Umnutzung nach Gesamt- leistungswettbewerb (1. Preis) Fischer Architekten 2018 –2020 Bauherrschaft Credit Suisse Grüner Kratzputz und die Öffnung der Fassaden signalisieren die veränderte Nutzung. Die Maisonettewohnungen erstrecken sich über die gesamte Gebäudetiefe. Investitionen 21 Mio. Fr. Nutzfläche 5 Obergeschosse, 8000 m² Volumen nach SIA 416 40 000 m³ Wohnungsmix 80 Wohnungen mit 1.5 bis 4.5 Zimmern Grundriss neu, Mst. 1 : 1000. Grundriss Bestand. Ansicht Bestand.
TEC21 1–2/2022 Home statt Office 31 die architektonisch für die Öffnung der Grundrisse und KOM MENTA R der vertikalen Verbünde wünschenswert wären, sind entsprechend begrenzt. Die Integration der Genehmi- Sinnvolle gung von Aufbauten und Anbauten in die Überbauungs- ordnung erfordert eine genaue Auseinandersetzung mit Innenentwicklung dem Bestand. In der Folge rufen erhöhte Geschossflä- chenzahlen, veränderte Erschliessungen und zusätzli- che Stockwerke die Anpassung der Brandschutzmass- nahmen (gemäss den Vorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF) auf den Plan. Mark Werren, Ein Vorteil der relativ jungen Gebäude ist, dass dipl. Architekt ETH SIA FSU; Partner im Architek- die Baupläne, manchmal auch Baubeschreibungen noch turbüro, Stadtplaner Stadt vorhanden und als Grundlage weiter zu benutzen sind. Bern seit 2011. Was natürlich die Augenscheinnahme der tatsächlichen mark.werren@bern.ch Bausubstanz nicht ersetzt: Der Zustand von Beton und Betonüberdeckungen bedarf gründlicher Prüfung. Das Die Stadt Bern hat weit mehr Arbeitsplät- Gleiche gilt für die bestehenden Dämmungen, die mit ze als Wohnende. Die resultierenden den heute geforderten Standards meistens nicht zu starken Pendlerströme belasten die Stadt. erreichen sind. Bei Bauten aus der betreffenden Zeit ist Um dieses ungünstige Verhältnis von Wohnen zu ausserdem von der Verwendung heute kritischer Ma- Arbeiten zu verbessern, ist sie bestrebt, möglichst terialien wie Asbest oder Mineralwolle auszugehen, viel neuen Wohnraum zu schaffen. Die Umnut- deren Fasern bei Demontage krebserzeugenden Staub zung von leer stehenden Büro- zu Wohngebäuden freisetzen. wird so zu einer willkommenen Stossrichtung der Siedlungsentwicklung nach innen. Sie ist Kosten: langfristiger Gewinn sowohl raumplanerisch als auch wohnpolitisch sinnvoll. Planungsrechtlich ist die Stadt Bern Der grösste Kostenfaktor entsteht durch den Abriss oder dafür gut aufgestellt: Die Bauordnung erlaubt in die Sanierung der Fassaden und den Neuaufbau von Dienstleistungszonen 50 % Wohnnutzung, unter Dachflächen. Dazu kommen die zusätzlichen Installa bestimmten Voraussetzungen gar 100 %. tionen. Damit die Arbeiten ohne Beeinträchtigung des Es ist also nicht in jedem Fall eine aufwendige gewachsenen Umfelds möglich sind, ist ein sorgfältiges Anpassung der baurechtlichen Grundordnung Studium des Bestands sowie eine detaillierte Baustel- notwendig. Die Erneuerung und Konzentration lenlogistik Voraussetzung. Für die Erstellung eines von Arbeitsplätzen privater Unternehmen und tragfähigen Sanierungskonzepts, das die Prüfung der öffentlicher Institutionen generiert zunehmend baurechtlichen Belange einschliesst, ist der finanzielle Leerstände und damit verfügbare Flächen. und zeitliche Aufwand der Planungsbeteiligten ver- Die ungebremste Nachfrage nach Wohnraum, gleichsweise hoch. Dennoch: Zusätzlich zum Gedanken auch nach unkonventionellen Wohntypen, macht der Kreislaufwirtschaft und der Wiederbelebung von die Umnutzung zu Wohnraum attraktiv. So Orten ist eine solche Nachnutzung nicht nur stadt sind 2020 in der Stadt Bern 234 Wohneinheiten soziologisch, sondern auch wirtschaftlich interessant, durch Umbau aus anderer Nutzung entstanden. denn eine erhöhte Dichte an Bewohnenden kurbelt die Sie machten mehr als ein Drittel der in diesem Geschäftstätigkeit an. Weiterhin ist zu bedenken, dass Jahr neu entstandenen Wohnungen aus. 2016 in den innerstädtischen Lagen ein Neubau in der Grösse und 2017 waren es erst rund 50 Wohneinheiten. des Bestands oftmals nicht mehr zulässig wäre, sodass Derzeit wird ein ehemals als Forschungs- und Investierende von der Pflege des erhaltenen Volumens, Verwaltungsgebäude genutztes Hochhaus an der das sie ausschöpfen können, profitieren. • Ostermundigenstrasse zu einem Wohngebäude umgebaut. Jüngst zu neuem Leben erweckt Hella Schindel, Redaktorin Architektur/Innenarchitektur wurde die Schönburg, der ehemalige Hauptsitz der Post (vgl. S. 28; Red.). Auch ältere Beispiele, wie etwa die 2010 abgeschlossene Umnutzung Anmerkungen eines grossen Bürokomplexes aus den 1960er- 1 Historisches Lexikon Schweiz, «Gemeinde Bern: Jahren an der Könizstrasse zu einem Pflege Wirtschaft und Gesellschaft», Autor: Bruno Fritzsche. zentrum und Alterswohnen, bestätigen das hls-dhs-dss.ch/de/articles/000209/2016-11-10/ Potenzial. 2 Wüest Partner, Studie zu Standortinformationen Bern. Ich unterstütze diese Entwicklung. Die Branche 3 Statistik Stadt Bern LWZ 9/21: Zählung der leer verfügt zunehmend über Erfahrung im Um- stehenden Wohnungen und Arbeitsräume in der Stadt gang mit der Weiterentwicklung bestehender Bern am 1. Juni 2021. Bausubstanz und -struktur und leistet damit einen sinnvollen Beitrag zur Stadt entwicklung.
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