Die Simpsons - Subversion zur Prime-Time - Michael Gruteser/Thomas Klein Andreas Rauscher (Hrsg.)
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Michael Gruteser/Thomas Klein Andreas Rauscher (Hrsg.) Die Simpsons – Subversion zur Prime-Time
Inhalt Vorwort 7 Michael Gruteser/Thomas Klein/Andreas Rauscher Die gelben Seiten von Springfield: Eine Einführung 9 Diedrich Diederichsen Die SIMPSONS der Gesellschaft 16 Thomas Klein Prügelviehzeug – zur Entwicklung des soziopathischen Anticharakters im Cartoon 24 Michael Gruteser Family Ties 48 Emanuel Ernst/Sven Werkmeister Little Shop of Homers – Skizzen zum SIMPSONS-Sellout 77 Andreas Rauscher Method Acting im Kwik-E-Mart – die Medientheorien der SIMPSONS 102 Christian Hißnauer Von Bier trinkenden Männern und Blut saugenden Hausfrauen Temporäre Brüche in den Geschlechterbildern bei den SIMPSONS 140 N. Devrim Tuncel/Andreas Rauscher Die Mythen des Springfield-Alltags SIMPSONS als Politsatire 152 Jörg C. Kachel Topographia Americana There‘s no Place like Home! 165 Andreas Rauscher The Hitchhiker’s Guide To Society – FUTURAMA 181
6 Episoden-Guide 197 Bibiliographie 221 Die Autoren 224
Vorwort „Fat bottomed girls you make the rockin´world ran gewöhnen, nicht unbedingt werbe- go ´round“ wirksam reflektiert zu werden. Das Recht Queen auf diese Reflexion haben sich die Autoren der SIMPSONS inzwischen mit einer gewis- Natürlich ist die Versuchung groß, ein gan- sen Narrenfreiheit erworben und der ame- zes Buch allein der Beziehung Homer rikanische Volkssport sueing scheint an Simpsons zu Queen resp. seinem Verständ- dieser Produktion vorüberzugehen. Viel- nis von Rockmusik zu widmen. Wie Pink leicht hat man sich inzwischen aber auch Floyd und Grand Funk Railroad, sind an ein Popularitätskonzept gewöhnt, in Queen eine jener Gruppen deren Platten dem any news good news sind. die Postpunk-Generation zu einem gewis- Das offene Format der SIMPSONS hat sen Zeitpunkt der Sozialisation von sich uns dazu inspiriert, einen gleichfalls offe- stoßen mußte (was Homer als Protagonist nen Reader zu gestalten, in dem wir das der PrePunk-Generation nicht wußte). Pe- Fernsehprodukt SIMPSONS unter verschie- ter Frampton als Headliner des Lollapaloo- denen sozialen, politischen und medialen za-Festivals? Der Spaß über den Ernst, mit Gesichtspunkten betrachten. Es erschien dem Popkultur verwaltet wird, trifft auf ein uns am sinnfälligsten an einem cultural popsozialisiertes Publikum, das im Gegen- studies betreibenden Gegenstand selbst teil gar nicht böse darüber ist, sondern sich cultural studies zu betreiben – D´Oh! freut als einzelne Pop-Typen überhaupt Doch zunächst wollen wir all jenen thematisiert zu werden. danken, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben: den Autoren Emanuel „Oh, wie schön das endlich mal jemand an Ernst, Christian Hißnauer, Jörg C. Kachel, uns denkt.“ Devrim Tuncel, Sven Werkmeister und Die Stärke der SIMPSONS besteht darin, ein ganz besonders Diedrich Diederichsen, bisher geschlossenes Format so offen wie dessen Simpsons der Gesellschaft zunächst möglich zu gestalten. Im vollen Bewußt- eine wertvolle theoretische Hilfe leistete, sein, daß man an einer kommerziell expo- um dann zu unserer großen Freude auch nierten Stelle – der Prime Time – produ- noch den Weg in den Reader zu finden; ziert, versuchte das Autorenkollektiv der Annette Schüren für ihr Interesse und ihre SIMPSONS gemeinsam mit ihrem Schöpfer Geduld; und den unzähligen Diskussions- Matt Groening, so weit wie möglich zu ge- partnern in unzähligen Videonächten. hen. Das bedeutet nicht zuletzt, das Ver- ständnis von Kommerz zu dehnen. Im Ver- Mainz im Juni 2001 lauf der Serie mußten sich real existierende Die Herausgeber Medienpersönlichkeiten und Produkte da-
Michael Gruteser/Thomas Klein/Andreas Rauscher Die gelben Seiten von Springfield: Eine Einführung „Ich kann eine Flutwelle nicht aufhalten, aber aber auch das war noch nicht genug. Den ich kann sehr wohl auf ihr surfen.“ Gipfel der Nutzbarkeit bildete bisher viel- Matt Groening1 leicht die Saison 2000/2001, da die Daily- Rotation als Double Feature in der Wiederho- „Im Zerfall in die Mikroprozesse wird die Welt lung und jeden Montag die deutsche Erst- gleichzeitig unitarisch, und auf ihnen müssen ausstrahlung zur Prime Time (21:15 Uhr) wir surfen. Wir können nicht mehr in die Tiefe platziert waren – bis zu 80 Minuten SIMP- dringen, sondern müssen uns auf der Oberflä- SONS pro Tag. 1998 entstand bei der Film- che dieses einheitlichen Prozesses bewegen, zeitschrift SCREENSHOT ein Schwerpunktthe- eine Welle in der Welle sein.“ ma zu den SIMPSONS, in der Jahresrückbli- 2 Jean Baudrillard ckausgabe der Zeitschrift SPEX stürzte ein kleiner Homer vom unteren Rand des Co- Das ZDF, so will es die Legende, soll Anfang vers. Die SIMPSONS begannen im deutsch- der 90er Jahre gedacht haben: „Da haben sprachigen Raum nun endlich der Hype zu wir den neuen ALF gekauft.“ Ein anderer werden, als der sie seit Beginn der 90er aus Sender freute sich einige Jahre später, dass den USA importiert wurden. Das Ressenti- es sich bei bejubeltem Produkt eben nicht ment gegen die Wiederholung aus der Zeit um den neuen ALF handelte, sondern um des dreifaltigen Fernsehens wurde im Ver- einen Dauerbrenner. Eine Zeichentrick- lauf der Rotationszeit der SIMPSONS zum Ju- serie, nach deutschem Verständnis also ein belruf. Selten ist eine Folge nach einmali- Kinderformat, das man, zehn Jahre nach gem Sehen in ihren verschachtelten, ver- dem allzu schüchternen Jubel des ZDF, so- steckten und sprunghaften Gags und An- gar in der Prime Time platzieren konnte. spielungen vollständig erschließbar oder Viele Menschen begannen jenes Pro- gar verbraucht. dukt für die eigene Ewigkeit auf vier Stun- Die SIMPSONS sind selbst als zu rezipie- den-Tapes zu archivieren und mit zuneh- rendes Produkt identifizierbar und somit mender Freude in eigengestalteten Wieder- zumindest doppelt codiert. Sie präsentie- holungen zu rezipieren. Manche hatten gar ren sich als Fiktion, als erfundene Ge- noch Aufnahmen aus der Anfangszeit beim schichte, reflektieren aber gleichzeitig die ZDF. Es entstand eine Art Schwarzmarkt der Methode der Erfindung, die sie darstellen. Wiederholung, ein Wort, das im Verlauf der Und sie erfinden eine Rezeption von Er- sisyphosschen Suche des Fernsehens nach fundenem, was die Banalität ihrer eigenen dem perfekten Programm tabuisiert worden Erfindung über sich selbst hinaushebt. In ist. Inzwischen war „der neue ALF“ beim Amerika ist vor kurzem ein philosophi- Sender Pro7 in die Daily-Rotation gegangen, scher Reader zu den SIMPSONS erschienen 1 Zitiert nach Strauß 1996, S. 23. 2 Baudrillard 1991, S. 87.
10 Gruteser/Klein/Rauscher und international finden an Universitäten immer wieder Seminare zu den SIMPSONS statt. Die interessierten wissenschaftli- chen Disziplinen sind breit gefächert, nur auf eine Physik der Simpsons werden wir wohl verzichten müssen. Was die SIMPSONS für die (unpopuläre) Wissenschaft interessant macht, ist, dass sie als Objekt der Kritik selbst kritisch sind, also selbst (populäre) Wissenschaft betrei- ben. Das versuchten auch schon Oscar Wilde oder Joris K. Huysmanns. Diese ar- beiteten jedoch mit einem geheimen Wis- sen, das eine breite Schicht von Nichtwis- senden nur anerkennungsvoll nickend zur Kenntnis nehmen konnte. Die SIMPSONS operieren hingegen mit öffentlichem Wissen, bzw. machen Wis- sen öffentlich. Das für konventionelle Sit- coms konstituierende Set des überschau- baren American Standard Home, ausgestat- tet mit Couch, Kühlschrank und Fernse- her, diente lediglich als Ausgangsbasis für einen schillernden Kosmos, in dem der ge- sellschaftliche Alltag unter den Bedingun- gen der Postmoderne verhandelt wurde. Die anfänglichen Routineplots um das ge- rade noch gerettete Weihnachtsfest, den von Bart Simpson geklauten Statuenkopf des Stadtgründers Jebediah, und Marges Versuchung durch den „schönen Jacques“ wichen einer reflektierten Erzählhaltung. Damit verließen die SIMPSONS auch das si- chere Terrain der handelsüblichen Sit- coms. Im Gegensatz zur hermetisch abge- riegelten kleinen Welt der gnadenlosen guten Laune zeichneten sie sich durch ei- nen gezielten Cartoon-Realismus aus. Matt Groening gab immer wieder als Devi- se aus, weniger cartoonesk zu zeichnen. Stattdessen standen jene detailgenau be- obachteten Widrigkeiten des Alltags im Mittelpunkt, deren markantes Synonym inzwischen seinen Weg ins „Oxford En- glish Dictionary“ gefunden hat. Dort fin- det man als Definition für Homer Simp- sons favorisierte Catchphrase „D´Oh!“:
Die gelben Seiten von Springfield 11 „Expressing frustration at the realization that things have turned out badly or not as planned, or that one has just said or done 3 something foolish.” Die Working Class er- oberte in Form einer Zeichentrickserie die Prime Time. Mit dem anarchischen Elan der frühen Warner-Cartoons überschrit- ten die SIMPSONS eine der letzten Grenzen der klassischen Zeichentrickserien und schufen ein realistisches Cartoon-Abbild der heutigen Gesellschaft. Das American Standard Home verwan- delte sich in ein Fenster zur Welt mit dem Fernseher an exponierter Stelle. Wenn das Außen in die Welt der Familie eindrang, bedeutete dies nicht mehr, dass einfach nur der verhasste Nachbar (im Fall der SIMPSONS der moralisch überambitionierte Ned Flanders) vor der Tür stand. Seit dem Besuch Michael Jacksons als Geburtstags- überraschung (Stark Raving Dad) für Lisa tummeln sich immer wieder Stars in Springfield, die in der Serie ihre Car- toon-Abbilder selbst synchronisieren. Die drei überlebenden Beatles, John Waters, Leonard Nimoy, Stephen Hawking, Jasper Johns und zahlreiche andere Celebrities geben sich seit einigen Jahren bei den SIMPSONS gegenseitig die Klinke in die Hand. Mit Hilfe des Zeichentrickformats konnten auch Präsidenten wie George Bush und Bill Clinton, die sich nicht an der Produktion der Serie beteiligen woll- ten, in die Welt der Simpsons einbezogen werden. Die Interaktion mit der cartooni- sierten Realität außerhalb Springfields be- schränkte sich nicht einfach auf einen amüsanten Insider-Gag. Die ständig erwei- terte, imaginäre und dennoch stets auf äu- ßere Realitäten und Fiktionen verweisende Landkarte der SIMPSONS umfasst eine edu- cation sentimentale in Sachen Gesell- schafts- und Medienkunde, ohne dabei be- lehrend zu wirken. Die Simpsons unter- 3 Oxford English Dictionary Online – www.oed.com
12 Gruteser/Klein/Rauscher nehmen Ausflüge nach Frankreich, Aus- tralien, New York, Florida und Japan. Au- ßerhalb Springfields erleben sie jedoch keine exotischen Abenteuer, sondern ent- decken in erster Linie weitere Mythen des Alltags. In Tokio müssen sie an einer ris- kanten Spielshow teilnehmen. Die be- gehrten Tickets für den Heimflug hängen als Gewinn über einem Vulkan, dessen brodelnde Lava sich im entscheidenden Moment dann doch als Orangensaft des Sponsors entpuppt. Bart Simpson droht in Australien die rituelle Bestrafung durch eine „Stiefelung“ und in Frankreich steht das Euro-„Itchy & Scratchy“-Land kurz vor dem Bankrott. Die SIMPSONS erklären parallel zur ent- sprechenden Referenz, was es damit auf sich hat und bereiten auch auf eine even- tuelle spätere Konfrontation vor, zum Bei- spiel mit einer ALF-Wiederholung aus den Abgründen der Fernseharchive. Dass ALF nur begrenzt witzig ist, kann man sich spätestens dann denken, wenn Bart Simpson feststellen muss, dass seine Seele für einen Packen alter ALF- Sammelbilder an den örtlichen Comi- chändler verkauft wurde. Neben diesem fragwürdigen Lohn eines unheimlichen Teufelspakts, ist ALF als Phantom seiner vergangenen fünfzehn Minuten Ruhm in der Serie omnipräsent. Diese ungewöhnli- che Form des intertextuellen coolen Wis- sens über uncoole (und coole) Dinge er- schließt sich auch Zuschauern, die nicht mit den Eskapaden des katzenverschlin- genden Gute Laune-Aliens vertraut sind. Im Unterschied zu den geschlossenen Räumen der klassischen Sitcoms erfolgt bei den SIMPSONS die Referenz auf die, das American Standard Home umgebende, Me- dienwelt nicht nur über die Nennung ei- nes Namens, einer Sendung oder eines Films. Der Zeichentrickrahmen über- schreitet die formalen Grenzen der studio- gebundenen Sitcom und bleibt trotzdem den Gesetzen des Simpsonschen Car-
Die gelben Seiten von Springfield 13 toon-Realismus verhaftet. In einem mu- sealen Alptraum über seine mangelhaften Qualitäten als Outsider-Artist wird Homer Simpson im wörtlichen Sinne von der Kunstgeschichte überwältigt: Eine anato- mische Zeichnung Leonardo Da Vincis at- tackiert ihn mit Kung Fu-Schlägen, Dalis Uhren schmelzen über seinem Kopf und Andy Warhol wirft mit Campbells Sup- pendosen nach ihm. Der Einschub funk- tioniert sowohl als surrealer Gag, wie auch als Ausflug in die Kunstgeschichte. Eine der zahlreichen gesellschaftlichen, kunst-, literatur-, medien- oder pophistorischen Anspielungen aus den SIMPSONS richtig zu erkennen, bietet einen attraktiven Bonus – ähnlich dem Gewinn eines Tortenstücks beim Trivial Pursuit-Spiel. Es ist jedoch nicht essentiell notwendig für das Ver- ständnis und den Genuss der Serie. Die SIMPSONS sprengen den selbstrefe- rentiellen Fernseh-Kosmos und offenba- ren Blicke in die nächsten und entlegens- ten Kultur-Monaden: Pop-Musik und -Art, Comics, Film, Politik ... Die Liste der Refe- renzen, das ist Prinzip, kann nicht vervoll- ständigt werden. Auf ihr finden sich sogar ironische Seitenhiebe auf die eigenen öko- nomischen Bedingungen – von den Mar- keting-Lizenzen und Sponsoren bis hin zur Sendezeit und FOX-Besitzer Rupert Murdoch. Dem ausgedehnten inhaltlichen Spek- trum an Themen und verhandelten Ge- genständen entspricht das umfangreiche Ensemble, über das Holm Friebe in der Wochenzeitung Jungle World anmerkte: ungefähr an die Inszenierungsformen Ro- „Mittlerweile über dreißig elaborierte Cha- bert Altmans, an dessen SHORT CUTS (USA raktere – mehr als in jeder realen Sitcom – 1993) sie nicht nur in den 22 Short Films interagieren in Springfield und sorgen für About Springfield (22 Kurzfilme über Spring- eine angemessene Repräsentanz auch der field) geschickt anknüpfen. Ähnlich wie kleinsten Minderheit, und seien dies jüdi- der US-amerikanische Regisseur mit euro- 4 sche Fernsehclowns.“ – Die Ensemblestra- päischem Einschlag, erklären sie den En- tegien der SIMPSONS erinnern nicht von semble-Film zum Arbeitsprinzip. Darüber 4 Friebe, Jungle World 5/2000.
14 Gruteser/Klein/Rauscher gelingt den SIMPSONS und Altman sowohl Arbeit des gesamten SIMPSONS-Ensembles, die Dokumentation, als auch die Dekon- sowohl auf der inhaltlichen und drama- struktion amerikanischer Mythen: von turgischen Ebene, als auch hinsichtlich Country-Pop als proletarischem Identifi- des Produktionsprozesses. kationsmodell (Colonel Homer/ NASHVILLE, Was bei einem real existierenden Re- USA 1975), über Sport als gesellschaftlich gisseur einen möglichen Bezugsrahmen gezähmte Form des Krieges (Homer at the darstellt – sein Stil, seine Themen, seine Bat/M*A*S*H, USA 1969) bis hin zur Show Perspektive – ist bei den SIMPSONS zusätz- als Generator nationaler Mythen (Lisa the lich und kontinuierlich durch das Fra- Iconoclast/BUFFALO BILL AND THE INDI- me-Setting der originären Fiktion präsent. ANS OR SITTING BULL´S HISTORY LES- Die Geschichte wird ihrer Autonomie ent- SON, USA 1976). Dieser Vorgang funktio- hoben, dafür erhält sie eine neue Konti- niert in beiden Fällen nicht über die Eta- nuität. Entgegen den kulturellen Mona- blierung eines Hauptcharakters, der die zu den, wie MICKEY MOUSE, ALF sowie des Ame- verhandelnden Issues alle in einer Person rican Standard Home ‘Sitcom’, sind die vereint, sondern über ein ganzes, vom En- SIMPSONS Popkultur with Attitude und hin- semble herausgebildetes Patchwork, das terlassen unter den Gegenwartsfiktionen auch widersprüchliche Positionen verbin- einen der lebendigsten Eindrücke. Nicht den und gegenüberstellen kann. zuletzt diese Tatsache hat uns dazu ver- Als serielles Produkt operieren die führt, einen Reader über die SIMPSONS zu- SIMPSONS als eine Art fiktionaler Autor, im sammenzustellen, in dem verschiedene Gegensatz dazu sind Altmans Filme ge- Autoren sich dem Objekt der allgemeinen schlossene Sinneinheiten. Die SIMPSONS Begierde von verschiedenen Seiten nä- hingegen liefern einen kontinuierlichen hern. Kommentar in Serie. Die 22 Short Films Mit den nicht nur von Bart und Lisa fa- About Springfield geben nicht nur einen ge- vorisierten „Itchy & Scratchy“-Kurzfil- zielten Einblick in den sozialen Alltag von men, die regelmäßig im Herzstück des dramaturgischen Randexistenzen, wie American Standard Home – dem Fernsehen dem mexikanischen Bumblebee-Man oder – zu sehen sind, liefert die Serie eine um- dem Trailer Park-Bewohner Cletus. Elegant fassende Geschichte des Zeichentrick- reiht sich in die von zehn SIMPSONS- films. Diesen selbstreflexiven Diskurs und Autoren verfasste Folge eine Persiflage auf den langen Weg des animierten Anticha- klassische Sitcom-Situationen ein, in de- rakters von Donald und Daffy Duck zu Ho- ren Verlauf ein ganzes Haus in Flammen mer und Bart Simpson zeichnet das Kapi- aufgeht. Wie beiläufig liefert eine der 22 in tel „Prügelviehzeug ...“ nach. Die hermeti- der Episode enthaltenen Geschichten ihre sche Welt der Kinder und die eigenen Fa- eigene Variante der berüchtigten Keller- milienbande der SIMPSONS, ihre Abgren- szene aus PULP FICTION (USA 1994) – siehe zung gegenüber klassischen Zeichentrick- Illustrationen – inklusive eines originellen familien wie den FLINTSTONES und die Un- Re-Writes des berühmten „Royal with terschiede zu den parallelen Welten der Cheese“-Dialogs, übertragen auf McDo- PEANUTS stehen im Mittelpunkt des Arti- nald´s und den serieneigenen Krus- kels „Family Ties“. ty-Burger. Nach dem Prinzip des Zusam- Eine Einführung in das komplexe Re- menspiels funktioniert nicht nur diese ferenzsystem der SIMPSONS, das gleichsam Collage aus der Sozialromantik des späten eine eigene postmoderne Medientheorie Altman und Kommentar zu den herausgebildet hat, bietet „Method Acting Pop-Mythen Tarantinos. Es bestimmt die im Kwik-E-Mart“. Nicht selten entstehen
Die gelben Seiten von Springfield 15 im Mikrokosmos der all american-Town lenreiter Groening und das Autorenkol- Springfield, deren Landkarte Jörg C. Ka- lektiv verstehen es seit über zehn Jahren chel in „Topographia Americana“ erkun- immer wieder, die Mechanismen und det, ganze Genrewelten. Diese lösen sich Strukturen des medialen Alltags aufzude- jedoch nie von den gesellschaftlichen Rea- cken. Ihre Subversion zur Prime Time voll- litäten. Die Mechanismen der repräsen- zieht sich im Bewusstsein, selbst ein lukra- tierten Fiktionen und Wirklichkeiten wer- tiver Bestandteil der Kulturindustrie zu den aufgedeckt. „Die Mythen des Spring- sein, wie Emanuel Ernst und Sven Werk- field Alltags“ nehmen konkret Bezug auf meister im „Little Shop of Homers“ aufzei- das politische Tagesgeschehen. Allein die gen. Durch die gezielte Unterwanderung Plots um den Emigranten und Super- des Mainstreams mit dessen eigenen Mit- markt-Besitzer Apu eröffnen einen umfas- teln operieren die SIMPSONS als globales senden Diskurs um die derzeitige Immigra- Pop-Phänomen. Sie erklären nicht nur auf tionspolitik in der westlichen Welt. Einen allgemein verständliche Weise, wie Hitch- weiteren wesentlichen politischen Dis- cocksche Suspense, politischer Populismus kurs, die „temporären Brüche in den Ge- und Outsider-Pop-Art funktionieren und schlechterbildern“ der Serie, analysiert weshalb man Autoritäten nicht trauen Christian Hißnauer in dem Artikel „Von darf, sie haben auch ein ausbaufähiges Bier trinkenden Männern und Blut sau- Modell entwickelt, in dem sich die conditi- genden Hausfrauen“. on postmoderne detailliert widerspiegelt. Der Hintergrund des durch ein „stän- Mit der auf den Strategien der SIMPSONS diges laterales Apropos“ verbundenen aufbauenden Science Fiction-Satire FUTUR- SIMPSONS-Patchworks heißt nicht l´art pour AMA zeigt sich erneut, worauf es den Auto- l´art, sondern „postmoderne Aufklärung“, ren ankommt – ein „Hitchhiker´s Guide to wie Diedrich Diederichsen in „Die Simp- Society“ als kontinuierlicher work-in-pro- sons der Gesellschaft“ die wesentliche gress zwischen Dekonstruktion und Do- Strategie der Serie präzise benennt. Wel- nuts.
Sie können auch lesen