Die Sonderausgabe zum 40. Jubiläum - 40 Jahre Öko-Institut Sonderheft zum Jubiläum - Öko-Institut
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2 5. November 1977 Gründung des Öko-Instituts Die Umweltbewegung benötigt drin- Ein Blick gend unabhängige wissenschaftliche Beratung und fundierte Gutachten – das zeigen die Erfahrungen aus dem Wyhl-Prozess. In der Gründungs- zurück erklärung heißt es: „Wir wissen: Die Forschung von heute entscheidet mit über die künftigen Lebensbedingun- gen. Wir dürfen diese Forschung nicht Im Jahr 2017 feiert das Öko-Institut sein 40-jähriges Beste- länger nur Staat und Industrie über- hen. Auf den folgenden Seiten werfen wir einen Blick zurück lassen. Wir wollen deshalb selbst Al- auf diese Zeit. Stellen bahnbrechende Studien des Instituts ternativen für die Zukunft erforschen.“ vor, wichtige Meilensteine unserer Geschichte und zentrale Die 27 Gründungsmitglieder sind Veränderungen unserer Strukturen. Dabei lassen wir nicht unter anderem Rechtsanwälte der außer Acht, was in diesen 40 Jahren in Deutschland und der Anti-Atomkraftbewegung, Mitglieder Welt geschah, welche Entscheidungen, Ereignisse und leider verschiedener Umweltbewegungen, auch Katastrophen unsere Arbeit geprägt und begleitet ha- Volkswirte sowie Vertreterinnen und ben. Gleichzeitig lassen wir zahlreiche Wegbegleiterinnen Vertreter der evangelischen Kirche. und Wegbegleiter zu Wort kommen, sie kommentieren wich- tige Arbeiten und Projekte ebenso wie die Entwicklung des Instituts in seiner abwechslungsreichen Geschichte. In den vergangenen 40 Jahren hat das Öko-Institut viel er- » Aber das Öko-Institut ragt natürlich schon etwas he reicht, ist von einem Wissenschaftsrebellen zur anerkannten raus, allein von der Namensgebung. Es ist schon genial, Institution, zum wichtigen Ratgeber für Politik, Wirtschaft Öko-Institut zu sagen und nicht gleich etwas Kompli- und Gesellschaft geworden. Doch wir sind noch lange nicht ziertes. Man wusste gleich, wo es hingeht. « fertig. Erfahren Sie deshalb ab Seite 11, wie es für uns weiter- Joachim Wille, Journalist geht. Die 1960er und 1970er Jahre: Der Weg zur Gründung 22. April 1970 1970 Erster Earth Day Beginn der Proteste gegen das Etwa 20 Millionen Men- geplante AKW Wyhl schen demonstrieren Er gilt als Geburtsstunde der in den USA für mehr Anti-AKW-Bewegung in der BRD: Umweltschutz. der gewaltfreie und erfolgreiche Protest gegen das Kernkraftwerk im südbadischen Wyhl nahe Freiburg. Gleichzeitig sind die Proteste Ausgangspunkt für die Gründung des Öko-Instituts. 1960 Das erste Atomkraftwerk 1969 in Deutschland Gründung von Friends Im unterfränkischen of the Earth Großwelzheim geht das Die erste internationale Versuchsatomkraftwerk Umweltorganisation Kahl in Betrieb. wird in den Anfangsjah- ren des Öko-Instituts ein wichtiger Koopera- tionspartner. 1968 1970 Erste Anti-AKW-Proteste in 1969 Das erste Europäische Naturschutzjahr Deutschland National Environmental Der Europarat führt damit die erste europa- Ziel des Protestes ist der Bau Policy Act (NEPA) weite Umweltkampagne in seinen Mitglieds- des Reaktors Würgassen in Ein Meilenstein für die staaten durch. Der innereuropäische Umwelt- Hessen Oberweser. Die Aus- Umweltgesetzgebung diskurs beginnt. einandersetzung vor Gericht und Vorbild für weite- führt 1972 zum sogenannten re Länder: In den USA 1970 Würgassen-Urteil und damit wird ein „Gesetz über Bayern richtet Umweltministerium ein zu einer Kehrtwende in der nationale Umweltpolitik“ Es ist das erste Ministerium dieser Art in Kernkraft-Rechtsprechung. beschlossen. Europa.
3 1978 Erste Ausgabe der Öko-Mitteilungen In den ersten Jahren wird das Öko- Institut zum größten Teil von seinen » Die Konflikte um das Atomkraftwerk Wyhl waren der An- Mitgliedern getragen. Die erste stoß für die Gründung des Öko-Instituts, weil die Bürger Ausgabe der Mitgliederzeitschrift hat initiativen der Auffassung waren, dass die Gutachter, auf eine Auflage von 2.000 Exemplaren. die sich die staatliche Verwaltung verließ, voreingenom- Sie erscheint vierteljährlich und stellt men waren und vorgaben, eine objektive Wahrheit zu ver- Projektarbeiten vor. künden, aber in Wahrheit doch eine Perspektive hatten, die nicht der Problemlage entsprach. « Prof. Dr. Eckhard Rehbinder, emeritierter Professor 1978 für Umwelt- und Wirtschaftsrecht Prof. Dr. Günter Altner in Enquete-Kommission Der Mitgründer des Öko-Instituts wird auf Initiative der SPD für die Jahre 1979 bis 1982 in die Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie- Politik“ des Bundestags 1979 berufen. Buch „Der Gorleben-Report“ erscheint 1979 Mitgliederzahl steigt Bis Mitte 1979 treten dem Öko-Institut 1.500 Mitglieder bei. 28. März 1979 Atomunfall in Harrisburg (USA) Der schwere Atomunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island mit partieller Kernschmelze führt die USA an den Rand einer nuklearen 1972 Katastrophe. Erste UN-Umweltkonferenz (Stockholm) 1971 Neue Umweltgesetze in der BRD Das Fluglärmgesetz (1971) startet eine Reihe von neuen Umweltgesetzen für Deutschland. Es folgen das Abfallbeseitigungsgesetz (1972), das DDT- und das 1973-74 Blei-Benzin-Gesetz sowie 1972 Ölkrise das Bundesimmissions- Die Grenzen des Wachstums Ein Erdöl-Embargo der OPEC schutzgesetz (alle 1974). Die vom Club of Rome ver- und eine damit zusam- öffentlichte Umwelt-Studie menhängende massive von Dennis Meadows sowie Erhöhung der Rohölpreise zahlreicher weiterer Autorin- bringen die Weltwirtschaft nen und Autoren verdeutlicht ins Wanken. die Endlichkeit natürlicher Ressourcen. Sie gilt als Meilenstein für das moderne Umweltbewusstsein.
4 » Ich hätte nie gedacht, dass Bücher wie der Öko-Knigge so eine Wirkung haben können und über die Informationsver- » Mit der Energiewende-Studie wurden die mittlung hinaus einfach prägend für Grundlagen für eigentlich alles gelegt, was Grundsatzentscheidungen von Vielen später dann nach und nach erkämpft werden waren. « musste. « Prof. Dr. Rainer Grießhammer, Erika Romberg, Mitglied der Geschäftsführung des Politikerin und ehemaliges Öko-Instituts Vorstandsmitglied des Öko-Instituts 1980 1981 Energiewende-Studie Studien zu Schadstoffbelastungen Die bahnbrechende Analyse des Öko-In- Mit der Trinkwasserstudie ver- 1984 stituts zeigt, wie ein sofortiger Atomaus- deutlichen die Wissenschaftler des Der Öko-Knigge erscheint stieg und bis 2030 der Verzicht auf Erdöl Öko-Instituts: Sauberes Trinkwasser Der Ratgeber für umweltbewusstes ohne eine Gefährdung von Wirtschafts- wird in Deutschland zur Mangel- Verhalten von Rainer Grießhammer wachstum und Wohlstand umgesetzt ware. In der so genannten Mutter- bleibt weit über ein Jahr in der werden können. milchstudie berichten sie über die SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde Belastung von Muttermilch durch über 250.000-mal verkauft. Umweltgifte. 1980 Reaktorsicherheitsstudie 1984 Im Auftrag des Bundesforschungsminis- Start des Informationsdienstes teriums untersucht das Öko-Institut das 1982 Chemie und Umwelt (ICU) „Restrisiko“ von Leichtwasserreaktoren. Zahl der Mitglieder Der ICU wird vom Öko-Institut zu- des Öko-Instituts sammen mit dem BUND und dem steigt auf über BBU bis 1997 monatlich herausge- 1980 4.000 geben und berichtet über die Ge- Gründung des Öko-Instituts- fahren des Chemikalieneinsatzes Büros in Darmstadt sowie chemiepolitische Lösungen. Die 1980er Jahre: Ein Wissenschaftsrebell etabliert sich 1984 1980 Gift-Katastrophe in Bhopal Global 2000 (USA) In Folge eines katastrophalen Der wissenschaftliche Chemieunfalls im indischen Zukunftsbericht zeigt die Bhopal sterben bis zu 25.000 globalen Auswirkungen Menschen. von Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum. 1983 Die Grünen ziehen erstmals in den Bundestag ein 1981 Die Entdeckung des Waldsterbens Nach dem Spiegel-Titel „Der Wald stirbt“ beginnt in Deutsch- land eine breite öffentliche Debatte über das Waldsterben.
5 » Unser Telefon am Öko-Institut hat nach der Katastrophe von Tschernobyl permanent geläutet bis in die Nachtstunden hinein. Wir mussten dann Notdienste einrichten, um einigermaßen die Anrufe zu kanalisieren. Wir wollten die Leute ja informieren, aber es war damals eben sehr schwierig. « Stephan Kohler, bis Ende 2014 Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena) 1985 Zweite Energiewende-Studie 1987 Die Analyse zeigt, wie die Energie- Studie „Gentechnik und biologi- wende umgesetzt werden kann und 1986 sche Schädlingsbekämpfung“ Einrichtung des Bereichs Gen- Im Fokus der Analyse stehen die fordert eine Rekommunalisierung der technik am Öko-Institut Risiken der Gentechnik in der Energiewirtschaft. Landwirtschaft. 1985 1986 Öko-Institut beschließt Einführung Aufruf für Energiewende- 1987 Komitees Entwicklung der Produktlinien- einer Bereichsstruktur für die inter- Das Öko-Institut ruft nach Tscher- analyse ne Organisation nobyl dazu auf, lokale Energie- Mit dieser Methode können wende-Komitees zu gründen die ökologischen, sozialen und – eine Erfolgsgeschichte: Rund ökonomischen Wirkungen eines 400 solcher Komitees bilden sich, Produktes entlang seines gesam- arbeiten über Jahrzehnte weiter ten Lebenswegs analysiert werden. und bringen die Energiewende Ein Meilenstein bereits fünf Jahre erheblich voran. vor der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro, deren Abschlusserklärung den Abbau von nicht nachhaltigen Produktionsweisen fordert. 17. Dezember 1987 Schwerer Zwischenfall im AKW Biblis Ein offenstehendes Ventil und das 1985 Fehlverhalten der Bedienmann- Ozonloch über schaft lösen beinahe eine Kern- der Antarktis schmelze im Reaktor Biblis A aus. wird nachge- wiesen 26. April 1986 1987 Atomkatastrophe in Brundtland-Bericht erscheint Tschernobyl Wie ist eine umweltschonende Im ukrainischen AKW Entwicklung bei Deckung der Tschernobyl kommt es zur Grundbedürfnisse weltweit Kernschmelze, große Men- möglich? Dieser Frage widmet gen Radioaktivität werden sich die UN-Weltkommission über Europa verteilt. für Umwelt und Entwicklung (WCED). 24. März 1989 1986 Ölkatastrophe Exxon Valdez Gründung des Bundes- Ein vor Alaska auf Grund ge- umweltministeriums laufener Ölfrachter verursacht die bis dahin größte Ölpest der Geschichte.
6 » Ich habe manchmal gedacht, ich müsste noch mal weggehen. Aber es gibt einfach wenige Plät- ze, wo die Arbeit interessanter ist und wo schon 1990 auch die Einbettung, also die arbeitstägliche, 1995 AKW Greifswald: Studie des Runden Erste Beteiligung an einer freundschaftliche und freundliche Dimension, so Tischs führt zur Stilllegung gut ist. « Weltklimakonferenz Unter Beteiligung des Öko-Instituts prüft Seitdem berät das Öko-Institut die Kommission des zentralen Runden Dr. Felix Chr. Matthes, kontinuierlich die EU-Kommis- Tischs die Sicherheit des AKW Greifswald. Forschungskoordinator Energie- und sion und das Bundesumweltmi- Danach werden in der ehemaligen DDR Klimapolitik am Öko-Institut, verantwortlich nisterium in unterschiedlichen alle AKW stillgelegt und alle AKW-Bau- für die Gründung des Berliner Büros Verhandlungsbereichen. projekte gestoppt. Ab 1995 Verhandlungen zum Biosafety-Protokoll Zwischen 1995 und 2000 ist Dr. Beatrix Tappeser, Leiterin 1991 des Gentechnikbereichs des Eröffnung des Öko-Instituts, an den UN-Ver- Berliner Büros handlungen zu einer internatio- des Öko-Ins- nalen Kontrolle der Gentechnik tituts beteiligt. Das Öko-Institut lehnt die Agro-Gentechnik aus wis- 1990 senschaftlicher Sicht ab. Das Öko-Institut hat nun mehr als 5.000 Mitglieder 1992 Prof. Dr. Rainer Grießhammer wird Mitglied der Enquete-Kommission des Bundestags „Schutz des Men- schen und der Umwelt“. Die 1990er Jahre: Von Konflikten zur Kooperation 1994 Biosafety-Protokoll 1991 Die UN-Verhandlungen Bundesregierung beschließt über eine internationale Maßnahmen zur Förderung Kontrolle der Gentechnik regenerativer Energien beginnen. Erst Anfang Das Stromeinspeisegesetz tritt in 2000 wird jedoch das 1990 Kraft. Es sieht unter anderem eine Biosafety-Protokoll be- Gründung des Grünen Punk- schlossen. Abnahmegarantie für erneuer- tes und des Dualen Systems baren Strom sowie eine feste Deutschland Einspeisevergütung vor. Mit dem Mit dem Logo zeigen an diesem 1992 1000-Dächer-Programm wird zu- Wiederverwertungssystem UN-Umweltkonferenz in Rio de dem die Installation von Photovol- beteiligte Hersteller, dass ihre Janeiro taikanlagen gefördert. Verpackungen über gelbe Säcke Die Teilnehmer unterschreiben die oder Tonnen eingesammelt UN-Klimarahmenkonvention und und recycelt werden. Schnell verabschieden die wegweisende gerät das Recyclingsystem in 1990 Deklaration für eine Nachhaltige die Kritik. Seit seiner Einführung Erster Bericht des Entwicklung. begleitet das Öko-Institut den Weltklimarates Grünen Punkt immer wieder (IPCC) mit kritischen Studien, macht Das UN-Wissen- Änderungs- und Verbesserungs- schaftsgremium vorschläge. bestätigt den Klimawandel offiziell.
7 Ab Ende 1996 1997 1999 Der Castor-Konflikt Veröffentlichung der Studie Studie „Globalisierung in der Der Leiter des Bereichs HoechstNachhaltig Speisekammer“ Reaktorsicherheit am 1995 beginnt die intern und Öko-Institut, Michael Sailer, extern kontrovers diskutierte Zusammenarbeit mit dem 1999 kritisiert öffentlich die Studie zum Blockaden der Castor-Trans- Chemieunternehmen: Das Atomtransport-Skandal porte als kontraproduktiv. Öko-Institut entwickelt ein Das Öko-Institut und die Gesell- Der folgende Streit mit der Managementtool für eine schaft für Anlagen- und Reaktor Anti-Atombewegung reicht nachhaltige Konzernstrate- sicherheit (GRS) zeigen, dass das bis in das Institut hinein gie. Begleitpersonal und die allgemei- und hat Austritte von Mit- ne Bevölkerung von kontaminier- gliedern zur Folge. 1997 ten Atommülltransporten gefähr- Veröffentlichung der det werden können. Produktlinienanalyse „Waschen und Wasch- Ab 1998 1999 mittel“ im Auftrag des Wissenschaftliche Gründung der Stiftung Umweltbundesamtes Begleitung des Me- Zukunftserbe diationsverfahrens zum Ausbau 1999 des Flughafens Michael Sailer und Lothar Hahn Frankfurt / Main werden in die Reaktorsicherheits- kommission (RSK) berufen 1998 1999 Erste Website Christian Küppers wird Mitglied des Öko-Instituts der Strahlenschutzkommission geht online 1998 Liberalisierung des 1997 Strommarktes Weltklimagipfel beschließt In der Folge steigt die Zahl der 1995 Kyoto-Protokoll Ökostromanbieter und -kunden. Erste UN-Klimakonferenz In Japan einigt sich die Staa- in Berlin tengemeinschaft erstmals Deutschland kündigt an, auf eine Begrenzung der seine CO2-Emissionen bis Treibhausgasemissionen. 2005 um 25 Prozent zu Die Kyoto-Vereinbarung verringern (im Vergleich tritt aber erst 2005 in Kraft, zu 1990). nachdem sie schließlich auch von Russland ratifiziert wurde. » Im Grunde ist es ein gewisser Paradigmenwechsel ge- wesen und zwar war man vorher – so könnte man das vergleichen – mit Umweltpolitik in Nachsorge und da hat man den Schritt zur Vorsorge gemacht. Ganz so platt ist es natürlich nicht, aber man könnte es darauf verkürzen. Und so ein Paradigmenwechsel – das dauert immer. « Christiane Friedrich, ehemalige Geschäftsführerin des Öko-Instituts
8 2005 Start der Verbraucherplattform 2000 EcoTopTen Studie „Energiewende 2020“ Hier empfiehlt das Öko-Institut Das Öko-Institut zeigt gemeinsam mit besonders energieeffiziente und der Heinrich-Böll-Stiftung, wie der ökologische Massenprodukte. Atomausstieg gelingen kann. 2002 Michael Sailer wird 2005 Vorsitzender der Studie „Deutsche Abfallwirtschaft Reaktorsicherheits- ist Vorreiter beim Klimaschutz“ kommission (RSK) 2005 Abschluss des Projekts „Ernährungswende“ Das Öko-Institut zeigt die Wege zu einer nach- haltigen Ernährung. 2001 Studie „Umwelt und Tourismus“ 2003 Erste Studie des Studie „Grüne Öko-Instituts zum Gentechnik und weltweit stark ökologische Landwirtschaft“ wachsenden Das Öko-Institut zeigt damit: Wirtschaftssektor Der Einsatz von Gentechnik in Tourismus. der Landwirtschaft gefährdet den Anbau von Bioprodukten. Die 2000er Jahre: Öko-Institut goes international 2000 Atomausstieg Rot-grüne Bundesregierung lei- 2001 tet den Ausstieg in die Wege, der EU-Richtlinie zur Förderung 2002 im Atomgesetz verankert Ab 2000 Beratungen zum Treibhausgas- erneuerbarer Energien wird. Bis 2010 sollen 14 Prozent des Strom- Emissionshandel Hierbei berät auch das Öko- aufkommens der EU aus regenerativen Institut die Bundesregierung und Quellen stammen. die EU bei der Vorbereitung und später auch bei der weiteren Aus- gestaltung des Emissionshandels. 2000 Verabschiedung des Erneuerbare- Energien-Gesetzes » Beim Atomausstiegsgesetz waren wir an der Ausarbeitung betei- ligt. Dort, wo es insbesondere um viele Detailregelungen ging, die man klären und richtig formulieren musste. « Michael Sailer, Mitglied der Geschäftsführung des Öko-Instituts
9 2006 Erste Ausgabe der eco@work erscheint 2009 Die neue Mitgliederzeitschrift ersetzt Ausweitung des Blauen Engels die bisher veröffentlichten Öko- auf das Thema Klimaschutz Mitteilungen und erscheint auch als Hierfür entwickelt das Öko-Institut E-Paper. Vergabekriterien für 100 klimarele- vante Produktgruppen. » Ich finde gut, dass wir weit in die Zukunft blicken und Szenarien von hinten rechnen und schauen, was passieren muss, wenn wir dahin kommen wollen. Und dass wir am Institut neue Instrumente entwickelt haben, die hilfreich sind. « 2008 Dorothea Michaelsen-Friedlieb, Michael Sailer wird seit 1996 Vorstandsmitglied des 2006 Vorsitzender der Entsor- Öko-Instituts Studie „Soziale Auswirkungen der gungskommission (ESK) Produktion von Notebooks“ Die Analyse zeigt, dass Notebooks in China unter bedenklichen sozialen 2008 und ökologischen Bedingungen Pilotprojekt zur Ermitt- 2009 lung des CO2-Fußab- Start der Studienreihe produziert werden – und dass faire drucks, gemeinsames „Renewbility“ Notebooks nicht wesentlich teurer Memorandum mit dem Im Fokus des Projektes stehen sein müssen. Gleichzeitig beeinflusst Bundesumweltministe- Klimaschutzstrategien für den die Studie stark die Diskussion über rium und dem Umwelt- Verkehrssektor, es werden Stake- sozialverträgliche Produktion. bundesamt holder einbezogen. 2007 EU-Chemikalienverordnung REACH 2005 Mehr Transparenz und Sicherheit im Umgang EU-Ökodesign-Richtlinie mit Chemikalien sind das Ziel der Verordnung. tritt in Kraft Das Öko-Institut begleitet die Nachhaltig- Sie dient der umwelt- keitsbewertung von Chemikalien intensiv. und klimafreundlichen Produktgestaltung. 2005 Beginn des EU-Emissionshandels » Ich glaube, wir brauchen wieder größere Entwürfe. Wir brauchen Entwürfe zur Frage der Mobilität, wir brauchen Entwürfe, wie sich Städte entwickeln können und sollen, wir brauchen Entwürfe, wie wir mit unse- rem Konsum zurechtkommen. « Prof. Dr. Gerd Michelsen, Mitbegründer des Öko-Instituts
10 2015 2010 Models of Change Umweltpreis Die Studie zeigt, wie Transformationen der Deutschen und Systeminnovationen in Richtung Bundesstiftung Nachhaltigkeit erfolgreich sein können. Umwelt (DBU) Prof. Dr. Rainer 2015 Grießhammer erhält den höchstdotierten europäischen Das Öko-Institut fragt: Wo stehen wir bei 2016 Obsoleszenz-Studie Umweltpreis. der Umsetzung der Energiewende – des Öko-Instituts 35 Jahre nach Veröffentlichung der ersten Im Fokus steht die 2010 Energiewendestudie, 35 Jahre vor dem verkürzte Lebens- Öko-Institut goes Social Media klimaschutzbezogenen Zieljahr 2050? dauer von Elektro- und Elektronikge- räten. 2013 2011 Ergebnisse des Gründung von Ecornet 2016 Forschungsprojekts Im Ecological Research Network IMPACT sind acht außeruniversitäre, Analysiert wurden gemeinnützige Umwelt- und die Potenziale von Nachhaltigkeitsforschungsinsti- Das Eigenprojekt ent- Corporate Social wirft einen Fahrplan tute zusammengeschlossen. Responsibility (CSR) zum nachhaltigen in Unternehmen. Umgang mit Roh stoffen. Die 2010er Jahre bis heute: Die Zukunft hat begonnen 2016 Abschlussbericht der Endlagerkommission Michael Sailer war 2014 in die Kommission berufen worden. 2010 Kabinett Merkel kippt den 11. März 2011 Atomausstieg Atomkatastrophe von Fukushima 2015 Beschlossen wird In drei Reaktorblöcken kommt es UN-Klimagipfel in Paris eine Verlänge- nach einem Erdbeben und einem Die Mitgliedsstaaten einigen rung der Lauf- Tsunami zur Kernschmelze. Das sich auf einen neuen Weltkli- zeiten deutscher Öko-Institut informiert intensiv mavertrag. Atomkraftwerke. über Gefahren, Risiken und Hinter- gründe des Reaktorunfalls. 2015 UN-Mitgliedsstaaten beschließen Sustainable Development Goals (SDGs) Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung 2011 sollen bis 2030 umgesetzt werden. Kehrtwende: Bundesregierung beschließt Atomausstieg und Energiewende Bis 2022 sollen die deutschen AKW abgeschaltet werden. » Heute würde ich sagen, das Öko-Institut ist eine aner- kannte wissenschaftliche Einrichtung geworden. Das fin- de ich schön, Respekt. « Siegfried de Witt, Mitbegründer des Öko-Instituts
11 2017 » Also die Probleme sind so gewaltig, die Arbeit reicht dazu nicht aus. Es kommen immer wieder auch neue Fragen hinein oder Fragen, die man immer hatte, werden jetzt neu justiert und neu eingeschätzt. « Udo Simonis, emeritierter Professor für Umweltpolitik Unsere Zukunft Der Blick nach vorne Eine lange Geschichte liegt hinter uns. Vier spannende Jahr- auf die Notwendigkeit einer Suffizienzpolitik oder das unbe- zehnte. Unzählige herausragende Ereignisse. Mehrere tau- queme Endlagersuchverfahren und die damit verbundenen send spannende Projekte. Etliche inspirierende Begegnun- Entscheidungen bis zum Jahr 2031. gen. Wir sind stolz auf unsere Geschichte, auf das Erreichte, auf die Impulse, die wir für eine nachhaltige Entwicklung ge- Auch auf den kommenden Seiten wollen wir daher in die Zu- ben konnten. kunft blicken. Wir befassen uns mit den zentralen Ereignissen der kommenden Jahrzehnte, aber auch den Entwicklungen, Doch wir wären nicht das Öko-Institut, wenn wir an dieser die für unsere Arbeit relevant sein werden. Im Doppelge- Stelle nur zurückblicken würden. Es hat uns schon immer aus- spräch mit Michael Sailer, Sprecher der Geschäftsführung gezeichnet, dass wir nach vorne schauen. Bei der ersten Ener- des Öko-Instituts, und Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende giewende-Studie und der Entwicklung einer nachhaltigen Leiterin des Bereichs Ressourcen & Mobilität, erfahren Sie Konzernstrategie für die Hoechst AG ebenso wie bei der Erar- mehr über die Arbeitsweisen des Öko-Instituts – und ihre He- beitung von Handlungsempfehlungen für umweltgerechtere rausforderungen. Weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Großveranstaltungen. Der Blick nach vorne gehört selbstver- zeigen unter der Überschrift „Was wir uns wünschen“, welche ständlich zu unserer Arbeit, sei es bei der Formulierung von Ideen und Gedanken sie für eine nachhaltige Zukunft haben. Szenarien für die Entwicklung des Verkehrssektors, mit Blick
12 Die nächsten Jahrzehnte Bis 2017 sollen drei Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung genutzt werden. Ab 2020 rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) mit stark steigenden Ölpreisen. Bis 2021 führt die Europäische Kommission eine Überprüfung der Richtlinie zur 2020 Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS-Richtlinie) durch. Bis 2022 2030 soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden. Bis 2030 sollen die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) erfüllt sein, dazu gehören 2040 unter anderem die Abschaffung von Armut und Hunger sowie Geschlechtergerechtigkeit und bezahlbare, saubere Energie. 2050 Ab 2030 fordern die Bundesländer ein Verbot von Verbrennungsmotoren. Bis 2031 2060 soll das Endlagersuchverfahren abgeschlossen sein. Bis 2049 kann nach einer aktuellen Analyse des Öko-Instituts die Rohstoffwende in 2070 Deutschland umgesetzt sein. Bis 2050 wohnen und arbeiten zwei Drittel der Menschen in Städten – das erwartet die 2080 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bis 2050 könnte laut der Ellen-MacArthur-Stiftung in den Weltmeeren mehr Plastikmüll 2090 als Fisch schwimmen. Bis 2050 will Deutschland seine Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent 2100 (im Vergleich zu 1990) mindern. Bis 2050 soll der Anteil regenerativer Energien an der einheimischen Stromversorgung bei gut 80 Prozent liegen. Bis 2100 werden nach Schätzungen der Uno 11,2 Milliarden Menschen auf der Erde leben.
13 Wichtige Entwicklungen für unsere Zukunft Die Welt wird sich verändern in den manche werden uns überraschen, Drei Beispiele zeigen, wie sich unser nächsten Jahren, Jahrzehnten und manch erwartetes Ereignis wird aber Alltag in Zukunft weiter verändern Jahrhunderten. Manche Entwicklun- vielleicht auch nicht oder anders ein- kann. gen können wir schon heute absehen, treten als wir das heute denken. Digitalisierung Autonomes Fahren Erneuerbare Energien Sie hat schon heute unsere Welt auf Gerade noch von vielen als versponne- Wir können nicht genug von ihnen den Kopf gestellt: die Digitalisierung. ne Zukunftsphantasie verlacht, macht bekommen: Sonne und Wind. Kurz ge- Vor nicht allzu langer Zeit in kaum ei- sich das autonome Fahren auf den Weg, sagt: erneuerbaren Energien. Wir wün- nem Haushalt vorhanden, können wir eine greifbare Mobilitätsvision zu wer- schen uns eine Energieversorgung, die uns heute ein Leben ohne Computer den. Das autonome Fahren bietet eine vollständig auf ihnen basiert. Wie wird und Smartphone kaum noch vorstel- große Zahl von Optionen für ein nach- das gelingen? Welche Anforderungen len. Egal, ob es um die Archivierung der haltiges und komfortables Leben – sei stellt der Ausbau von Sonne, Wind & Co. Urlaubsbilder, die Kommunikation mit es mit Blick auf eine Zunahme von Car- an die Gestaltung des Energiemarktes unseren Freunden oder das Bezahlen sharing und den Rückbau von Parkplät- und das Agieren seiner Teilnehmer? Wie eines U-Bahn-Tickets geht. Diese Ent- zen in der Stadt oder auch in Hinsicht werden Energienutzung und -speiche- wicklung ist unter anderem eng mit ne- auf eine bessere Anbindung des ländli- rung koordiniert? Diese und weitere gativen Konsequenzen für Mensch und chen Raums sowie eine höhere Effizienz Fragen müssen beantwortet werden. Umwelt verbunden – so mit Blick auf des Verkehrs. Allerdings könnte autono- Nicht nur mit Blick auf Deutschland, den Abbau der erforderlichen Rohstoffe mes Fahren auch zu einer Zunahme des sondern auch in Hinsicht auf einen eu- und mangelhaftes Recycling. Informa- Verkehrs und der Emissionen führen. ropäischen Strommarkt. tions- und Kommunikationstechnolo- Werden wir in wenigen Jahren oder gien (IKT) müssen länger genutzt wer- Jahrzehnten tatsächlich nicht mehr Das Öko-Institut beschäftigt sich in unter- den, um diese Auswirkungen zu be- selbst lenken? Welcher regulatorische schiedlichen Projekten mit erneuerbaren grenzen. Aber auch Fragen der Daten- Rahmen ist notwendig, damit mögliche Energien. Ihre Potenziale bestmöglich sicherheit und soziale Aspekte spielen Potenziale des autonomen Fahrens für zu unterstützen ist ein zentrales Anliegen beim Thema Digitalisierung eine zen- mehr Nachhaltigkeit genutzt werden? der Wissenschaftlerinnen und Wissen- trale Rolle: Werden sich die Menschen schaftler aus allen Institutsbereichen. zunehmend voneinander entfremden Mit den Auswirkungen des autonomen oder werden wir uns mit Hilfe der digi- Fahrens auf die Zukunft der Mobilität be- talen Medien stärker miteinander ver- schäftigt sich der Bereich Ressourcen & netzen, lokal und international? Und Mobilität des Öko-Instituts. wie kann die Digitalisierung zur Einspa- rung von Energie, Rohstoffen und zu mehr Umweltschutz führen? Digitalisierung und Umwelt – ein wichti- ges Thema für das Öko-Institut, bei dem Strategien für eine nachhaltige IKT-Politik entwickelt werden.
14 Was wir uns wünschen Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Öko-Instituts blicken in die Zukunft. Ich habe mir vorgestellt, wie wun- In meinen Projekten merke ich oft, derbar es wäre, wenn auf unseren dass ich erst dann etwas bewirke, Straßen in naher Zukunft nur wenn ich mir die Zeit nehme, mit noch Elektroautos fahren würden. den Menschen zu reden, die von Was würden wir alles wieder hö- Entwicklungen betroffen sind und ren, wie würde sich wohl unsere etwas verändern wollen. Mehr Aufmerksamkeit verändern, wenn Zeit zu haben, mit ihnen in Kon- der andauernde Straßenlärm takt kommen, ist mir sehr wichtig. wegfällt…? Daniel Bleher, Kathrin Graulich, Senior Researcher Stellvertretende Leiterin des Bereichs (Ressourcen & Mobilität) Produkte & Stoffströme Ich wünsche mir, dass Deutsch- Für die Zukunft würde ich mir land im Ausland als Vorbild wirkt, Es muss nicht jedes Land die glei- wünschen, dass noch mehr Un- weitere Industrienationen aus der chen Fehler wiederholen. Gesetze, ternehmen Nachhaltigkeit nicht Kernenergie aussteigen und die Systemlösungen, gute Beispiele. nur als Kommunikationsaufgabe grenznahen Anlagen vom Netz Man kann voneinander lernen. wahrnehmen, sondern nachhalti- gehen. Und die Endlagerfrage Das ist zwar optimistisch gedacht, ges Wirtschaften als tiefgehende muss gelöst werden. Diese The- aber möglich. Gestaltungsaufgabe sehen. men bleiben aktuell. Dr. Izabela Kosińska, Carl-Otto Gensch, Christian Küppers, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Leiter des Bereichs Stellvertretender Leiter des Bereichs (Ressourcen & Mobilität) Produkte & Stoffströme Nukleartechnik & Anlagensicherheit
15 Ich bin auch persönlich neugierig, wie sich das Verfahren zur Aus- wahl eines Endlagerstandorts in Wenn in 20 Jahren keine Kohle Ich bin mir sicher, dass die Energie- der Praxis bewährt und wie sich mehr verbrannt werden soll und wende langfristig nur als europäi- die Beteiligungsprozesse kon- in 30 Jahren keine Pkw mit Diesel- sches Projekt funktionieren wird. kret gestalten. Wichtig ist, dass und Benzinmotoren mehr auf un- Wenn der Wind mal bei uns nicht das Thema weiterhin weit oben seren Straßen fahren sollen, dann weht, ist die Chance groß, dass die auf der politischen Agenda bleibt müssen wir uns heute mit dem Sonne in Spanien scheint oder in und zielorientiert daran gearbei- Übergang beschäftigen. Das The- Finnland Windenergie eingespeist tet wird, denn die derzeitige Zwi- ma zu umgehen oder auf über- wird. Gerade in der aktuellen Zeit schenlagerung der Abfälle bietet morgen zu verschieben, ist keine brauchen wir eine positive Vision keine langfristige Sicherheit. Lösung. für Europa. Beate Kallenbach-Herbert, Dirk Arne Heyen, Hauke Hermann, Leiterin des Bereichs Senior Researcher Senior Researcher Nukleartechnik & Anlagensicherheit (Umweltrecht & Governance) (Energie & Klimaschutz) Ziele sind zumindest auf dem Papier leicht zu definieren: Emis- sionen stark reduzieren, Lieferket- Wissen schaffen ist das eine. ten besser kontrollieren, bessere Wissen weitergeben das andere. Die gegenseitige Wertschätzung Luft in den Städten usw. Bei den Doch gehört beides unwiderruf- gehört für mich genauso zum Instrumenten hingegen liegt lich zusammen. Schließlich kann Thema Nachhaltigkeit wie die der Teufel im Detail. Mit welchen ich nur das bewahren, was ich wissenschaftliche Arbeit. Freund- gelingt es am besten, diese Ziele verstehe und wertschätze. Und lich und achtsam sein, sich recht- zu erreichen – und wie setzt man ich kann nur dann etwas verän- zeitig mitteilen, bei Problemen diese um? Das ist die Schraube, dern, wenn ich begriffen habe, offen miteinander reden. Das an der ich mit drehen möchte. warum ich etwas verändern sollte. gelingt uns sehr gut. Verena Graichen, Alexa Hännicke, Marianne Burchard-Huber, Senior Researcher Assistentin Mitarbeiterin im Institutssekretariat (Energie & Klimaschutz) (Öffentlichkeit & Kommunikation) (Geschäftsstelle Freiburg)
16 Wir fördern Nachhaltigkeit. Zeigen wissenschaftlich begründete und praktisch umsetzbare Lösungen. Das ist notwendig. Und das geht. Ein Gespräch mit Michael Sailer und Dr. Wiebke Zimmer Der Blick in die Zukunft gehört seit 40 ich mir sehr oft sicher, weil wir da viel Manchmal denke ich aber auch, dass Jahren zum Öko-Institut – sei es bei der Erfahrung haben. Aber wie es sich dann wir Fakten oder Ergebnisse nicht ausrei- Frage nach einer nachhaltigen Energie- im Detail entwickeln wird, das weiß ich chend hervorheben, so dass sie bei Po- versorgung oder eines sicheren Atom- auch nicht. Am Beispiel Fukushima: Es litikern und Öffentlichkeit auch wirklich müll-Endlagers. Doch wie arbeiten war völlig klar, dass irgendwann wie- ankommen. die Wissenschaftlerinnen und Wissen- der ein Unglück in einem Kernreaktor schaftler konkret für eine nachhaltige passieren wird und dass es in einem In- Zum Beispiel? Zukunft? Welche Herausforderungen dustrieland passieren wird, weil dort die müssen sie überwinden? Darüber ha- meisten stehen. Sailer: Wir hätten viel früher darüber ben wir mit Michael Sailer, Sprecher der sprechen müssen, welche großen wirt- Geschäftsführung des Öko-Instituts, Wie geht man mit so einer Unglücks schaftlichen Herausforderungen die und Dr. Wiebke Zimmer, stellvertreten- situation am besten um? Hinwendung zu erneuerbaren Energi- de Leiterin des Bereichs Ressourcen & en mit sich bringt. Beim Thema Emissi- Mobilität gesprochen. Sailer: Wir stellen uns nicht gerne hin onshandel hätten wir deutlicher sagen und sagen: Wir haben es doch gewusst. müssen, dass CO2-Zertifikate nur dann Michael Sailer, wie sicher sind Sie sich, Außerdem muss man auf die eigene sinnvoll sind, wenn sie teuer sind. wenn Sie Prognosen aufstellen? Glaubwürdigkeit aufpassen. Mir war schnell klar, dass die Aufräumarbeiten Wiebke Zimmer, wie ist es in Ihrem Michael Sailer: Das kommt darauf an, Jahrzehnte dauern würden. Aber hätte Fachgebiet, dem Verkehrssektor? Ha- ob wir über die Grundlinien oder De- ich das eine Woche nach dem Unglück ben Sie auch das Gefühl, dass Sie nicht tails sprechen. Bei den Grundlinien bin gesagt, hätte mir keiner geglaubt. genug auf Dinge hinweisen?
17 Wiebke Zimmer: Eigentlich nicht. So Sailer: Auch die Energiewende war das immer wieder in den Vordergrund weisen wir zum Beispiel schon sehr lan- schlussendlich nur so gut möglich, weil zu rücken? ge darauf hin, dass hier einfach nicht es entsprechende Bewegungen schon genug passiert. Wir zeigen immer wie- für Jahrzehnte in der Bevölkerung gab. Zimmer: Ich denke, wir müssen immer der, dass wir so ziemlich alle Nachhal- wieder zeigen, welche Ziele mit Nach- tigkeitsziele verfehlen werden, wenn Zimmer: Wir fragen uns im Bereich oft, haltigkeit verbunden sind – weniger wir so weitermachen wie bisher. wo man konkret ansetzen kann. Vor Emissionen, weniger Lärm, weniger Res- zwei Jahren hätte ich noch gesagt: sourcenverbrauch zum Beispiel – und Wenn Sie sehr ambitionierte Szena Man muss am großen Rad drehen. In- dann die richtigen Rahmenbedingun- rien entwickeln – für wie realistisch zwischen denke ich: Wenn man eine gen setzen. Das heißt auch: Die noch im- halten Sie deren Eintreten? sichtbare Akzeptanz in der Bevölkerung mer bestehende Lücke zwischen dem, will, muss man die Vision einer lebens- was die Menschen wichtig finden – zum Zimmer: Ich denke schon, dass es realis- werten Stadt erlebbar machen. Muss Beispiel den Klimaschutz – und dem, tisch ist, dass der Verkehr nachhaltiger den Menschen zeigen, dass es wirklich was sie dann auch bereit sind, dafür zu wird. Doch dafür muss sich das Mobili- ein Mehr an Lebensqualität bedeutet, tun, zu schließen. Zum Glück ist in vielen tätsverhalten grundsätzlich ändern und wenn weniger Autos unterwegs oder Sektoren in punkto Klimaschutz schon ob die Menschen ihre Einstellung zum geparkt sind und es dadurch mehr sehr viel passiert. Davon brauchen wir Auto ändern werden, lässt sich leider Raum für andere Dinge gibt. Dann traut mehr, getragen von ökonomischen An- nur schwer vorhersehen. Wir müssen sich die Politik vielleicht auch, Verände- reizen und auch Verboten. wegkommen vom autozentrierten Sys- rungen herbeizuführen. tem. Die Politik scheut sich aber, stren- ge Vorgaben für Pkw zu machen oder Was kann das Öko-Institut tun, damit die Pkw-Nutzung zu verteuern, weil sie diese Vision Realität wird? um Wählerstimmen fürchtet. In der In- dustrie bewegt sich inzwischen etwas, Zimmer: Das Spannende ist doch: Da, weil andere Länder vorangehen, aber wo wirklich etwas passiert, wo es heute der notwendige umfassende Struktur- schon tolle Vorzeigeprojekte gibt, sitzt wandel stößt immer noch auf Wider- immer jemand in der Verwaltung, der stand. aus eigenem Antrieb versucht, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. So zum Beispiel in Bremen, wo dadurch das Thema Carsharing einen enormen Schub bekommen hat. Sailer: Unsere Rolle ist es, genau solche Bewegungen zu stabilisieren. Wir sind uns dessen bestimmt oft gar nicht so bewusst, aber wir helfen diesen Men- schen dadurch, dass sie sagen können: Das ist alles wissenschaftlich erwiesen. Sailer: Verbote gelingen allerdings nur Das ist notwendig. Und das geht. in einem Klima, in dem sie auch politisch durchsetzbar sind. Zu diesem Klima hat Zimmer: Wichtig ist auch, dass wir in das Öko-Institut oft beigetragen. Man viele Bereiche gute Kontakte haben, in darf sich niemals dem Pessimismus hin- die Industrie und die Politik, aber auch geben zu sagen: Die Welt ist schrecklich in Verbände, Verwaltung und Zivilge- und war schon immer schrecklich und sellschaft. Dadurch übernehmen wir zu- ich kann nichts dagegen tun. sätzlich zu unserer wissenschaftlichen Kompetenz eine Vernetzungsrolle. Wie schafft man es, diesem Pessimis- Wie lässt sich dann etwas verändern? mus zu begegnen? Sailer: Ja, wir bringen Menschen aus un- Zimmer: Mir machen vor allem Dinge terschiedlichen Ecken zusammen, zum Sailer: Man muss ihn sich bewusst ma- auf lokaler Ebene Mut, die aus der Zi- Beispiel bei der Jahrestagung zum The- chen, darüber diskutieren. Aber vor al- vilgesellschaft kommen – so etwa der ma Ressourcen. Diese Plattformrolle ist lem auch die positiven Dinge hervorhe- Volksentscheid Fahrrad, der in Berlin in sehr zentral für uns. In dem Sinne, dass ben. Unsere 40-Jahres-Feier ist ein gutes Sachen Radverkehr wirklich was auf die sich Menschen bei uns miteinander un- Beispiel dafür. Wir blicken im Jubiläums- Beine gestellt hat und der Politik zeigt, terhalten können. Und das bekommen jahr zurück auf das Erreichte und sehen: dass man nicht alle Wähler verlieren wir schon seit 30, 35 Jahren sehr gut hin. Wir sind ein toller Laden. Ich glaube, das muss, wenn man die Privilegierung des macht sehr viel aus, auch für die Jünge- Pkw reduziert. Sie haben sich dem Thema Nachhal- ren, in einem Institut zu sein, das schon tigkeit verschrieben. Wie gelingt es, so viel im Sinne der Umwelt bewegt hat.
18 Grußwort Im Internetangebot des Öko-Instituts findet sich eine Studie dem Institut wollen wir Bürgern helfen, wissenschaftliche Un- des Sozialwissenschaftlers Jochen Roose zum 25-jährigen Ju- terstützung für ihre Verfahren zu gewinnen, indem wir Gut- biläum des Öko-Instituts. Ich kann den Text nur zur Lektüre achten liefern und Sachverständige vermitteln“, so heißt es in empfehlen. Aus heutiger Sicht, zum 40-jährigen Jubiläum, ist der Gründungserklärung des Öko-Instituts. das letzte Kapitel interessant, in dem Roose im Jahr 2002 „in die Glaskugel“ blickt und dort Szenarien zur Zukunft des Öko- Wissenschaftliche Gegenöffentlichkeit für mehr Umwelt- Instituts entwirft. Heute können wir das „Niedergangs-“ und schutz – das mag damals vielen blauäugig vorgekommen „Radikalisierungsszenario“ Gott sei Dank verwerfen. Der Wirk- sein. Aber es erwies sich als erfolgreicher Weg, übrigens auch lichkeit am nächsten kommt das „Normalisierungsszenario“ – außerhalb der Atomdebatte. und es ist nicht das schlechteste. In der Tat: Das Öko-Institut hat heute einen wichtigen Platz gefunden, es prägt die Um- Das Gelände des AKW Wyhl ist heute ein Naturschutzgebiet, weltdebatte mit und setzt sehr wichtige Impulse. der Ausstieg aus der Atomenergie ist beschlossen. Im März dieses Jahres hat die Bundesregierung einen Entwurf zur No- Dieser Erfolg war vor 40 Jahren nicht abzusehen. Das Öko-In- vellierung des Standortauswahl-Gesetzes für die Atommüll- stitut hat, wie übrigens auch das Bundesumweltministerium, Lagerung vorgelegt. Damit sind wir dem Ziel einen großen seine Wurzeln in der Debatte um die Atomkraft. Es ging aus Schritt näher gekommen, einen politischen Großkonflikt zu dem Widerstand gegen den Bau des Kernkraftwerks Wyhl im beenden, der unser Land für Jahrzehnte in Atem gehalten hat. Breisgau hervor. Der Widerstand gegen Wyhl war innerhalb Das Öko-Institut wird uns Politikerinnen und Politiker weiter der Anti-Atom-Bewegung ein besonderer, nicht nur wegen dabei kritisch begleiten, auch bei den anderen für unsere Zu- seines schlussendlichen Erfolges. Er war geprägt von einer kunft so wichtigen Umweltthemen, vom Klimaschutz bis zum klaren Strategie der Gewaltlosigkeit und einer außergewöhn- nachhaltigen Konsum. lichen Verankerung in der Bevölkerung vor Ort. Trotz erster Erfolge vor Gericht zeigte sich damals, dass es die Bürger Dr. Barbara Hendricks initiativen mit einer geschlossenen Abwehrfront aus Exper- Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und ten aus Verwaltung und Industrie aufnehmen mussten. „Mit Reaktorsicherheit
19 Das Öko-Institut in Zahlen An 3 Standorten ist das Öko-Institut 2017 vertreten. 169 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte arbeiten insgesamt am Öko-Institut. 118 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen für das Institut. 74 Männer und 95 Frauen sind für das Öko-Institut tätig. In Freiburg gibt es 63 , in Darmstadt 50 und in Berlin 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 382 Projekte wurden 2016 bearbeitet. 40 Studien und Veröffentlichungen wurden seit 2000 von der Stiftung Zukunftserbe finanziert. Knapp eine 1 /2 Million Euro wurden dafür seit 2000 aufgebracht. Die größte Mitgliederzahl wurde 1993 erreicht: 5.139 16,95 Millionen Euro Umsatz machte das Öko-Institut im Jahr 2016.
eco@work – Juni 2017 – ISSN 1863-2009 – Herausgeber: Öko-Institut e.V. Redaktion: Mandy Schoßig (mas), Christiane Weihe (cw), Prof. Dr. Rainer Grießhammer – Verantwortlich: Michael Sailer Druckauflage: 2.800; digitale Verbreitung: rund 7.000 Abonnenten – Im Internet verfüg- bar unter: www.oeko.de/epaper Gestaltung/Layout: Tobias Binnig, www.gestalter.de – Technische Umsetzung: Markus Werz – Gedruckt auf 100 Prozent Recyclingpapier Redaktionsanschrift: Schicklerstr. 5-7, 10179 Berlin, Tel.: 030/4050 85-0, Fax: 030/4050 85-388, redaktion@oeko.de, www.oeko.de Bankverbindung für Spenden: GLS Bank, BLZ 430 609 67, Konto-Nr. 792 200 990 0, IBAN: DE50 4306 0967 7922 0099 00, BIC: GENODEM1GLS Spenden sind steuerlich abzugsfähig. Bildnachweis: S.2 Kahl: © Sebastian Suchanek, Earth Day: CC-BY-SA 3.0, https:// en.wikipedia.org/wiki/Earth_Day, Wyhl: © AlMare CC-BY-SA 3.0; S.3 Altner: © Altner, Gorleben Report: © Fischer Verlag; S.4 Öko-Knigge: © Rowohlt, Waldsterben © Stepko- nicek – wikimedia.org, Grüne: © Grafiker o. Ang.; Bundesarchiv Plak 104-PM0353-029, Bhopal: © Julian Nitzsche, CC-BY-SA 3.0; S.5 Tschernobyl: © www.chernobylwel.com, BMU: © Wolkenkratzer, CC-BY-SA 3.0; S.6 Greifswald: © sonderdienste in der Wikipedia auf Deutsch, CC BY-SA 3.0 DE, Weltklimarat: © IPCC, UN Umweltkonferenz: © worldwatch, www.worldwatch.org; S.7 Kastor: © GuenterHH auf flickr.com (CC BY-ND 2.0); S.8 Ernäh- rungswende: © oekom verlag, Atomausstieg: © Sorodorin auf Wikipedia / CC BY-SA 3.0, Emissionshandel: © Markus Schweiß, (CC BY-SA 3.0); S.9 Emissionshandel: © „Lucy 44“ auf Wikipedia, (CC-BY-SA 3.0); S.11 © stockWERK - Fotolia.com; S.13 links: © everythingpos- sible - Fotolia.com, Mitte: © RioPatuca Images - Fotolia.com, rechts: © Massimo Cavallo - Fotolia.com; S.16/17 © Öko-Institut, Sebastian Pfütze; andere gemeinfrei oder © privat oder © Öko-Institut, Ilja C. Hendel
Sie können auch lesen