Stimme derSans-Papiers - Sans-Papiers Basel

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Stimme der Sans-Papiers
Basel, Mai 2021 / Ausgabe Nr. 53
Die Zeitung der Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel und der Sans-Papiers-Kollektive Basel

                                                                                                                     Foto: Claude Giger

Aus dem Schatten treten!
20 Jahre nach der Besetzung der Antoniuskirche in Basel trafen sich fünf ehemalige Beteiligte zum
Rückblick: Komi Aimé aus Togo, die Töchter der Familie Estrada aus Ecuador Andrea, Liliana, Cristina
– damals Kinder – und der Aktivist Hannes Reiser. Komi arrangierte das Treffen, Hannes zeichnete das
Gespräch auf, das hier in drei Teilen durch die Jubiläumsschrift führen wird.

Komi: Während meiner Zeit als Sans-               Andrea: Unsere Eltern haben uns von     schen Schweiz. Bald kam aber eine ganz
Papiers lebte ich sehr prekär. Ich hatte      diesen Sitzungen erzählt. Sie haben ihnen   andere Realität zum Vorschein. Alle wuss-
ein paar Freund*innen in Baselland, wo        wieder Hoffnung gegeben. Sie lernten hier   ten, dass die Wirtschaft diese Menschen
ich manchmal essen und duschen konnte,        auch den Argentinier Enrique kennen,        braucht, vor allem seit der Abschaffung
aber mehr nicht. Ich fand Gelegenheits-       der 30 Jahre lang als Sans-Papiers in der   des Saisonnierstatuts. Es gab wohl mehr
jobs, oft gefährliche. Sonst hatte ich kein   Schweiz gelebt hatte und erst seit kurzem   als 100‘000 Menschen, die ohne Bewilli-
Geld. Du stehst auf am Morgen und weisst      Papiere hatte. Er half beim Planen und      gung hier lebten. Es war bekannt, dass die
nicht wohin. Du weisst nicht, wie der Tag     Übersetzen.                                 Politik diesen Menschen eine Aufenthalts-
aussehen wird und ob du ihn überhaupt             Komi: Wir verfolgten schon damals       bewilligung und damit normale Rechte
überleben wirst. Eine Bekannte von mir        mit viel Interesse und Hoffnung die         verweigert.
rief mich eines Tages an und sagte, sie       Kirchenbesetzung der Sans-Papiers in            Komi: Ja, mit jeder Sitzung tauchten
habe von einer Gruppierung gehört, die        Fribourg, meine Informationsquelle war      mehr Leute auf, die Probleme mit ihrem
eine Aktion zusammen mit Sans-Papiers         die Télévision Suisse Romande. Aber ich     Aufenthalt hatten. Die Diskussionen wa-
plane. Da solle ich doch einmal hinge-        wagte nie zu glauben, dass in der deut-     ren sehr angeregt, dauerten oft mehrere
hen. Die Sitzung war im Haus von Longo        schen Schweiz etwas Ähnliches stattfin-     Stunden und wir spürten eine Euphorie
maï, im Wohnzimmer. Es war voll von           den könnte.                                 und wurden nicht müde. Oft diskutier-
Menschen, auch Jaqueline, eure Mutter             Hannes: Viele sagten uns damals,        ten wir bis um 2 Uhr nachts. Ich vergesse
war da.                                       Sans-Papiers gäbe es nur in der französi-   nie, wie wir jeweils zusammen Spaghetti
Bolognese kochten und den Abend mit              Hannes: Das ganze linke und fort-          Teenie-Zeit, in der man seine Identität bil-
einem gemeinsamen Essen abschlossen.         schrittliche Basel von der SP über Bas-        det. Da hat man andere Prioritäten.
Am Schluss begleiteten uns die Basler*in-    ta bis zu den autonomen Gruppen war                Komi: Zu Beginn waren wir 15 bis 20
nen nach Hause.                              vertreten. Solche Bündnisse gibt es zum        Sans-Papiers in der Kirche. Aus Kosovo,
    Hannes: Auch die Unterstützer*innen      Glück in Basel immer wieder, wenn wich-        aus Chile und Bolivien, aus Syrien, aus der
kamen zahlreich. Yvonne Schepperle vom       tige Fragen auf dem Spiel stehen. Wir hat-     Türkei und aus Kurdistan. Später kamen
Sozialdienst der Josefskirche, Anni Lanz     ten die Pfarreileitung kurz vorgewarnt.        weitere dazu. Es gab verschiedene Wellen,
vom Solinetz, Regi Wyss, Pierre-Alain        Irgendwie hatten sie eine Vorahnung und        denn es wurde langsam bekannt, was wir
Niklaus, Francisco Gmür, der als Pfarrer     hatten den Bischof in Solothurn schon          machten. Einige sind aber bald wieder ge-
lange in Südamerika gelebt hatte, und vie-   informiert, dass bald etwas „passieren“        gangen, weil sie keine schnellen Resulta-
le mehr. Wir waren bereit, unser Schicksal   würde.                                         te sahen. Auch viele Einheimische lebten
mit dem Schicksal unserer Sans-Papiers-          Komi: Später erzählte mir Pfarrer          mit uns zusammen zu unserem Schutz.
Freund*innen zu verknüpfen. Wir wuss-        Bernaditsch, die Polizei habe sofort an-       Es gab auch viele Ältere, die tagsüber aus
ten, dass wir privilegiert sind. Gerade      gerufen und gefragt, ob sie Verstärkung        Solidarität bei uns blieben. Vor Weihnach-
deshalb wollten wir unseren „Heimvor-        brauchten. Er antwortete, nein, das sind       ten zogen wir dann auf Einladung und
teil“ und die Kenntnisse über die poli-      Menschen, die in das Haus Gottes wollen,       Vermittlung von Pfarrer Schneider in die
tischen Abläufe in dieser Stadt unseren      das immer offen ist. Viele Afrikaner*in-       Oekolampadkirche.
Freund*innen zur Verfügung stellen.          nen, die vorher mit dabei waren, hielten           Am Anfang hatten wir immer wieder
    Liliana: Nach einer dieser Sitzungen     sich aber von diesem Moment an eher im         Angst und dachten, es gäbe bald eine Räu-
kamen unsere Eltern zurück und riefen        Hintergrund. Ich verstehe das, viele von       mung. Das legte sich dann zum Glück.
uns zusammen. Sie sagten uns, wir müss-      ihnen sind sehr, sehr vorsichtig.              Auch sonst war es nie langweilig. Jeden
ten jetzt stark sein und zusammenhalten,         Andrea: Wir sind mit guten Gefühlen        Tag gab es eine Versammlung oder einen
bald würde es eine Aktion geben, aber        in die Kirche eingezogen. Uns als Fami-        kulturellen Anlass, ein Banquet Républi-
was wollten sie noch nicht sagen.            lie wurde ein eigenes Zimmer zugwiesen.        cain mit prominenter Unterstützung. Ein-
    Komi: Uns war bald klar: wir müssen      Wir fühlten uns hier gut aufgehoben, alles     mal gab es eine afrikanische Party, einmal
aus dem Schatten treten, uns nicht mehr      war sehr familiär. Die Anlage war wie          eine Latino-Disco. Beide Anlässe waren
einfach verstecken, sondern aktiv werden.    eine Insel in der Stadt mit einem gros-        sehr ausgelassen und dauerten bis früh
Die Aktionen in Frankreich, in der Suisse    sen Innenhof mit Bäumen. Da fühlten wir        in den Morgen.
Romande und inzwischen auch in Bern          uns geschützt. Es gab eine Frau von der            Andrea: Ich erinnere mich noch gut,
dienten uns als Ansporn und als Vorbild.     Kirchgemeinde, die war sehr streng und         wie die Unterstützer*innen im Foyer der
    Hannes: Wir gingen auf die Suche         mahnte uns, nichts zu beschädigen. Aber        Antoniuskirche einen Filmabend organi-
nach einer Kirche. Wir wussten, dass es      sonst waren alle sehr freundlich mit uns.      sierten. Wir hatten ein starkes Zusammen-
keine reformierte Kirche sein darf. In           Komi: Ich erinnere mich, dass am An-       gehörigkeitsgefühl. Das Schöne war, dass
den 80er-Jahren, als türkische und kur-      fang auch empörte Menschen aus dem             alle Sans-Papiers in der Kirche wie eine
dische Flüchtlinge in die Leonhardskirche    Kannenfeldquartier vorbeikamen, um zu          grosse Familie waren, so ein ähnliches
geflohen waren, hatte der reformierte Kir-   schauen, was da los ist. Wir luden deshalb     Gefühl wie in einem Schullager. Wir ha-
chenrat ohne zu zögern die Polizei geholt,   zu einem Informationsnachmittag ein. Es        ben unsere Wohnung nicht sehr vermisst.
welche die Flüchtlinge in der Kirche ver-    kamen so viele, dass wir dafür extra in        Jetzt waren wir hier zu Hause.
haftete und ausschaffte. So etwas vergisst   den Kirchgemeindesaal gehen mussten.               Liliana: Eines Tages brachte uns eine
du nie. Also suchten wir eine katholische    Wir Sans-Papiers erzählten einfach von         Frau Spielsachen. Ich war erstaunt, dass
Kirche, die gross genug war. Inzwischen      unserem Leben, von unserem Schicksal.          fremde Menschen so gutherzig sein kön-
waren wir ja schon sehr zahlreich.           Die meisten waren erstaunt, dass wir           nen und etwas mit anderen teilen, die
    Cristina: Dann ging es los, an einem     auch Baseldeutsch sprachen, dass wir           sie gar nicht kennen. Dieses kleine Er-
Sonntagnachmittag, soviel ich mich           Menschen waren wie sie, mit unseren            lebnis hat mich für mein ganzes Leben
erinnern kann.                               Geschichten und unseren Problemen. Was         geprägt: alle Menschen haben eine gute
    Komi: Ja, das war ein Sonntag, der       wir alles durchmachen, bewegte sie und         Seite. Auch in den Versammlungen, die re-
21. Oktober 2001.                            am Schluss kamen ein paar zu uns und           gelmässig stattfanden und denen wir von
    Cristina: Die ganze Familie ging in      boten uns ihre Hilfe an.                       weitem zuhörten, habe ich das gespürt.
den Kannenfeldpark. Wir hatten alle un-          Liliana: Wir mussten jeden Tag in die          Cristina: Ja, wir hatten von klein auf
sere wichtigsten Sachen dabei, wie wenn      Schule. Am Anfang war mir schon etwas          gelernt, misstrauisch zu sein und haben
wir ins Ferienlager gehen würden. Dort       unwohl, mit all diesen unbekannten Men-        zum Glück durch diese Solidarität wieder
warteten schon viele andere Menschen         schen in der Kirche zu leben. Aber das hat     Vertrauen gefasst.
aus Basel mit oder ohne Bewilligung.         sich dann gelegt. In der Schule versuchte
Wir machten einen grossen Umzug, die         ich lange, das alles vor den anderen zu                                Teil 2 siehe Seite 6
Unterstützer*innen umringten uns Sans-       verheimlichen. Ich wollte nicht eine spe-
Papiers zu unserem Schutz. So zogen wir      zielle Person sein. Aber als dann später die
in die Antoniuskirche und wurden dort        Berichte in den Medien kamen, informier-
vom Diakon in die Gemeindesäle einge-        te ich die Klasse. Es fiel mir nicht leicht
wiesen.                                      und war mir unangenehm. Das war meine

                                                                  2
Editorial

                                                                                                             Vor bald 20 Jahren, am 21. Oktober
                                                                                                             2001, haben in Basel Sans-Papiers
                                                                                                             gemeinsam mit Aktivist*innen mit
                                                                                                             Papieren die Kirche St. Anton in Basel
                                                                                                             besetzt. Auch in anderen Schweizer
                                                                                                             Städten haben Sans-Papiers mit politi-
                                                                                                             scher Öffentlichkeit darauf aufmerksam
                                                                                                             gemacht, dass nicht alle Menschen,
                                                                                                             die hier leben, eine Bewilligung dafür
                                                                                                             haben. Und dass sich dies ändern muss,
                                                                                                             indem alle Bewilligungen erhalten!

                                                                                                             Aus der Bewegung entstanden damals
                                                                                                             viele neue Beziehungen und Netz-
                                                                                                             werke in Basel und in der Folge auch
                                                                                                             die Anlaufstelle für Sans-Papiers, die
                                                                                                             Stimme der Sans-Papiers und die Union
                                                                                                             der ArbeiterInnen ohne geregelten Auf-
                                                                                                             enthalt. In dieser Ausgabe der Stimme
                                                                                                             zum 20-jährigen Jubiläum der Kirchen-
                                                                                                             besetzung blicken Aktive von damals
                                                                                                             zurück auf die bewegte Zeit.

                                                                                                             Aus den Texten spricht die Kraft der
                                                                                                             damaligen Zeit, und viele regen zum
                                                                                                             Nachdenken an. Nehmen wir beides
                                                                                                             mit für die Zukunft: das Wissen um die
                                                                                                             Dynamik, die aus der politischen Aktion
                                                                                                             entstehen kann, und die Erfahrung aus
                                                                                                             den letzten 20 Jahren Sans-Papiers-Be-
                                                                                                             wegung. Denn es gibt noch viel zu tun!
                                                                                  Foto: Peter Armbruster,
Weithin sichtbar: das Transparent an der Kirche St. Anton          aus der Basler Zeitung vom 5.11.2001                             Fabrice Mangold

20 JAHRE SANS-PAPIERS-BEWEGUNG IN BASEL

Ein persönliches Fazit
2001 habe ich mir an einer der ersten grossen Sans-Papiers-Demonstrationen in Fribourg das T-Shirt mit
der Aufschrift „La lutte des Sans-Papiers ça rend beau“ gekauft. 20 Jahre sind eine lange Zeit – wie die
exponentielle Zunahme meiner grauen Haare zeigt. Angefragt für diesen Artikel, habe ich mich entschie-
den, den Schwerpunkt auf die Frage zu legen: Weshalb ist es nicht gelungen, kollektive Regularisierun-
gen von Sans-Papiers zu erreichen, wie sie an der Demo damals so lautstark gefordert worden sind?

Im Oktober 2001 besetzte eine Gruppe                    Punkten deckungsgleich. Sie spielten                    Hat sich der Einsatz gelohnt? Ich erin-
von Sans-Papiers und Unterstützer*innen                 mit viel grösserem Einsatz – ihre müh-              nere mich an emotionale gemeinsame Fei-
die Kirche St. Anton in Basel. Aus der                  sam aufgebaute, prekäre Existenz konnte             ern, wenn wieder einmal eine Bewilligung
Perspektive der Unterstützer*innen war                  bei einer Legalisierung stabilisiert, oder          erstritten worden war. Dann denke ich,
die Besetzung ein Aufbruch, weg von der                 aber durch eine repressive Reaktion sei-            dass sich der Einsatz gelohnt hat. Wenn
zermürbenden und vielfach erfolglosen                   tens der Behörden erst recht erschüttert            ich mich zurückerinnere, wie oft ich insbe-
Einzelfallarbeit, hin zu einer Öffnung, die             werden. Der Herbst 2001 war daher nicht             sondere in den Jahren 2002 und 2003 ins
eine neue, menschenfreundliche Migra-                   nur der Beginn einer sozialen Bewegung,             Bässlergut gefahren bin, um Sans-Papiers in
tions- und Asylpolitik erhoffen liess. Die              die Schwung und neue Hoffnung gebracht              Ausschaffungshaft zu besuchen, werde ich
Perspektive der Sans-Papiers, die damals                hat, sondern glich auch einem Tanz auf              nachdenklich. Wenn ich überlege, wie viel
teilnahmen, war sicher nicht in allen                   dem Vulkan.                                         Einzelfallarbeit, meist in einem Mix aus juris-

                                                                              3
tischen Eingaben, politischer Arbeit und      – Anrufen der Härtefallkommission –           droht wird wegen Bezugs von Sozialhilfe.
öffentlichen Protesten wir immer wie-         Korrektur der Entscheide des Migrations-      Es braucht endlich einen grundlegenden
der leisten mussten, um eigentlich klare      amts durch die Härtefallkommission.           Mentalitätswechsel in diesem Departe-
„Fälle“ durchzubringen, komme ich erst        Nach Monaten des zermürbenden War-            ment, ein neues Selbstbewusstsein als
recht ins Grübeln. Waren wir nicht auch       tens dann endlich die Überstellung der        offener Stadtkanton. Damit ein solcher
mit dem Ziel angetreten, nicht mehr so        Gesuche an den Bund.                          Wandel eingeleitet werden kann, braucht
arbeiten zu müssen, sondern echte struk-          Wie ist es möglich, dass nach 20 Jah-     es neues Personal auf Führungsebene.
turelle Verbesserungen zu erreichen? Wie      ren Kampf die Erteilung von Bewilligun-       Der letzte Regierungsrat, den die SP im
konnte es nur sein, dass auch nach Jahren     gen – anders als im Stadtkanton Genf          damaligen Polizeidepartement gestellt
immer noch jedes Gesuch einer Zitter-         – immer noch so unglaublich zäh vonstat-      hat, war Karl Schnyder. Die Erfahrung
partie glich?                                 ten geht? Ein schwieriges Problem ist die     war schmerzlich, er entpuppte sich als
    Hier kommt mir zuerst einmal ein          Abhängigkeit von Bundesgesetzen. Viele        Hardliner bei der Niederschlagung der
Name in den Sinn: Michel Girard, Leiter       Grossrätinnen und Grossräte reichten im       AJZ-Bewegung in den 80er Jahren. 1982
Bevölkerungsdienste und Migration des         Laufe der Jahre Vorstösse für eine Verbes-    trat er aus der SP aus, blieb aber Regie-
Kantons Basel-Stadt. Seit 20 Jahren unser     serung der Situation der Sans-Papiers ein.    rungsratsmitglied in der neuen Partei
Gegenüber. Immer freundlich und kor-          Praktisch alle blieben letztlich folgenlos,   DSP. 40 Jahre ist das nun her. Allerdings
rekt im Umgang, unbekehrbar hingegen          da das Migrationsamt seine Handlungsle-       gäbe es auch ein historisches Vorbild, wie
in seiner Überzeugung, dass Sans-Papiers      gitimation direkt von Bundesbern ableitet     linke Politiker*innen das Amt verstehen
nicht regularisiert werden dürfen, weil       und nicht vom Grossen Rat. Wie sieht es       könnten: Fritz Brechbühl, der während
dies einer Belohnung eines Gesetzes-          mit ausserparlamentarischen Mitteln aus?      des zweiten Weltkriegs eine vergleichs-
bruchs gleichkomme. Sprachlos liess           Der Druck von der Strasse war 2001 sicher     weise liberale kantonale Flüchtlingspoli-
mich auch seine ernst gemeinte Aussage        hoch, die Sympathiebekundungen aus der        tik durchsetzte.
anlässlich eines Gesprächs über Gesuche       Bevölkerung auch in den Folgejahren               Ich schliesse mit einem Zitat aus dem
von langjährig anwesenden Sans-Papiers:       beflügelnd. Dennoch reichte er nicht aus,     Vorwort von „Die Fremdmacher – Wider-
Sie hätten den Ausgang ihrer Härtefall-       die über Jahrzehnte entstandene Mentali-      stand gegen die Schweizerische Asyl- und
gesuche selbstverständlich wie üblich im      tät der Migrationsabwehr im zuständigen       Migrationspolitik“ (Anni Lanz, Manfred
Herkunftsland abzuwarten und nicht in         Migrationsamt wenigstens ein bisschen         Züfle 2006). Das Buch wurde anlässlich
Basel…                                        zu kehren. Auch regelmässige Gespräche        des 20-Jahre-Jubiläums von „Solidarité
    Mit äusserster Anstrengung gelang         auf höchster Ebene (Regierungsrat) und        sans frontières“ geschrieben, passt aber
es uns, dass der Regierungsrat 2006 die       das Anrufen der Gerichte brachte ausser       genauso zum Jubiläum der Kirchenbe-
Einrichtung einer Härtefallkommission         schönen Worten nicht viel.                    setzung und der Anlaufstelle: „Unsere
unter Einbezug von Vetreter*innen von             Mein Fazit: Die Linke muss das JSD        Geschichte ist also keine Geschichte zum
Asyl- und Migrationsorganisationen be-        (Justiz- und Sicherheitsdepartement)          Jubeln. Dass sich immer noch und trotz
schloss. Anni Lanz vertrat die Anlaufstelle   neben andern Departementen endlich            alledem Menschen für die Rechte von
viele Jahre in diesem Gremium, abgelöst       auch als Schlüsseldepartement begreifen.      ImmigrantInnen und Flüchtlingen
wurde sie durch Claudia Studer von der        Das JSD greift tief in das Leben unzähli-     engagieren, ist allerdings ein Grund zum
IGA. Seither ist folgender Ablauf üblich:     ger Menschen in Basel ein, nicht nur der      Hoffen und einer zum Nachdenken.“
Einreichung von Härtefallgesuchen –           Sans-Papiers. Auch Menschen mit einer
routinemässige Ablehnung der meisten          B- oder sogar C-Bewilligung leiden, z.B.                            Pierre-Alain Niklaus
dieser Gesuche durch das Migrationsamt        wenn ihnen ein Bewilligungsentzug ange-

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HÄRTEFALLPRAXIS

Mehr Mut zu unbürokratischen Lösungen
Schon zu Justizministerin Elisabeth Kopps Zeiten – so mein Einstieg in Grosi-Manier – gab es Härte-
fallkriterien für abgewiesene Asylsuchende. Die damaligen Direktoren, Peter Arbenz und später Jean-
Daniel Gerber, führten immer wieder Legalisierungsaktionen für alte pendente Dossiers durch, die
letzte fand als HUMAK (humanitäre Aktion) im Jahr 2000 statt.

Sans-Papiers gab es zwar schon viel län-        staat und wurde einem Arbeitsverbot               Erkrankungen. Die Absicht der rechten
ger, seit dem Ausländergesetz der Zwi-          unterstellt. Nur mit diesen Wegweisun-            Politiker*innen, die Abgewiesenen mit
schenkriegszeit. Aber in die Öffentlichkeit     gen bleibe die Schweizer Asylpolitik              den die Menschenwürde verletzenden
und ins Bewusstsein traten sie erst in den      glaubwürdig, so die endlose Litanei der           Massnahmen zur Ausreise zu bewegen,
neunziger Jahren. Ihre Kirchenbesetzun-         Ausschaffer*innen. Die Sans-Papiers               erfüllte sich nämlich nicht. Mehrere hun-
gen, verbunden mit ihren öffentlichen           ohne Asylverfahren behielten immerhin             dert von ihnen leben schon seit mehreren
Auftritten in den ersten Nullerjahren           das Image der fleissigen Bienen, die für          Jahren so in der Schweiz und es werden
verliehen ihnen die notwendige Anerken-         Gottes Lohn für unser Wohl sorgten. Poli-         anzahlmässig, entgegen den Prognosen
nung. Fast ein halbes Jahr lang waren sie       tisch liess sich nur für die letzteren etwas      des SEM, stetig mehr, es sei denn, es käme
nach der ersten Besetzung in den Schlag-        herausholen, umso mehr, als sich allmäh-          zu einer vernünftigen Härtefallpraxis auf
zeilen der Westschweizer Medien. Danach         lich herausstellte, dass diese mehrheitlich       Bundes- und kantonaler Ebene. Daran
kam es zu zahlreichen Legalisierungen,          Frauen waren.                                     arbeiten die Solinetze. Eine gute Zusam-
mehrheitlich betrafen sie abgewiesene               Die abgewiesenen Asylsuchenden mit            menarbeit von Anlaufstellen und Solinet-
Asylsuchende.                                   ihrem Arbeitsverbot waren seit 2005 auf           zen ist unabdingbar, um das gegenseitige
    In verschiedenen Städten, so auch in        Nothilfe angewiesen, eine in der Bun-             Ausspielen von Papierlosen mit und ohne
Basel, schuf die Sans-Papiers-Bewegung          desverfassung verankerte, kurzfristige            Arbeitsverbot zu vermeiden.
Anlaufstellen für Sans-Papiers. Dann            Überbrückungshilfe, die vor dem Hun-                  Die Regularisierungsaktionen mit ver-
gelang es rechten Politiker*innen, das          ger- und Kältetod bewahren sollte. Ein            einfachten Kriterien erforderten in der
positive Image der Sans-Papiers zu be-          paar Abgewiesene haben mit dem Basler             SVP-Blütezeit mehr Mut als heute, wo
schädigen, indem sie sie kriminalisierten       Kirchenasyl von 2016 auf ihre unhaltbare          Migration in weit geringerem Masse ein
und aufspalteten: Wer sich ohne Bewilli-        Situation aufmerksam gemacht.                     Reizwort für die Unzufriedenen ist. Dass
gung hier aufhielt, machte sich strafbar.           Die Minimalhilfe schützt längerfris-          sich die Führung der Migrationsbehörden
Wer trotz Wegweisungsentscheid nicht            tig nicht vor dem «sozialen Tod», d.h. vor        mit einer unbürokratischen Lösung heute
ausreiste, «beleidigte» die Behörde (war        der völligen Ausgrenzung und damit ver-           so schwer tut, ist beschämend.
unkooperativ), missachtete den Rechts-          bunden vor physischen und psychischen
                                                                                                                                  Anni Lanz

Ich kenne jemanden, der auch Sans-Papiers war. Irgendwie konnte er sich legalisieren.
Nach einem Jahr (mit 32) hat er eine Lehre angefangen und fertig gemacht, danach
einen Lehrmeisterkurs. 15 Jahre lang hat er in seiner Branche in der Privatwirtschaft
gearbeitet. Nun arbeitet er seit zwei Jahren beim Kanton.
    Dort hat er seinem Schweizer Kollegen folgende Frage gestellt: „Du, Verben oder
die Tätigkeitswörter konjugiert man in jedem Tempus, aber warum schreibt man bei
den Modalverben das zweite Verb immer in der Infinitivform?“
    Kollege:“ Jein, theoretisch scho aba praktisch ... einersiits isch es so, aba anderersiits
isch es nöt so, wobii .... obwohl, es isch Aasichtssach, ich ha welle sage: Hochdütsch
isch nöt mini Muettersprooch.“
                                                                           Hogir aus der Türkei

                                                    Mir, die ich in jener Zeit um meinen verstorbenen Mann trauerte und nach einem
                                                neuen Lebensinhalt suchte, verhalf die Begegnung mit den Sans-Papiers zu einem
                                                grossen Geschenk: ein Mitglied der Gruppe gewann mein Vertrauen, ich konnte in
                                                Kontakt zu seiner zu Hause zurückgeblieben Familie treten, ich konnte sie in die
                                                Schweiz holen helfen, ich konnte ihr die Annäherung zu unserem Land erleichtern
                                                und ich konnte ihr schliesslich zu unserem Bürgerrecht verhelfen. Heute bin ich ein
                                                selbstverständlicher Teil dieser Familie und habe damit ein im Alter wichtiges Gefühl
                                                der Geborgenheit erworben.
                                                                                                                                 Daisy Reck

                                                                       5
AUS DEM SCHATTEN TRETEN – TEIL 2

Wirtschaftliche Not und politische Verfolgung
Fünf der ehemaligen Beteiligten am Kirchenasyl – Komi Aimé aus Togo, die Töchter der Familie Estrada
aus Ecuador und der Aktivist Hannes Reiser – erzählen, wie und warum sie in die Schweiz kamen.

Eine der ersten nationalen Demonstrationen der Sans-Papiers-Bewegung, Bern 2001

    Juliana: Es ist eine lange Geschichte,              Cristina: Dieses Bild habe ich heute     unser Zuhause. Wir wussten nicht einmal,
wie wir nach Basel gekommen sind. Wir               noch vor Augen, wie wir mit der Gross-       wo die Schweiz ist.
sind in einem Dorf am Rande der Haupt-              mutter am Gitter des Flughafens standen          Andrea: Ich hatte keine Ahnung,
stadt Quito in Ecuador aufgewachsen.                und dem startenden Flugzeug nachschau-       wie die Schweiz aussieht, wir hatten
    Andrea: Ich kann mich noch gut er-              ten.                                         nie Bilder gesehen. Ich stellte mir so ein
innern, wie alles anfing. Meine Mami hat                Juliana: Wir lebten dann bei den         futuristisches Land vor mit Autos, die auf
mich eines Morgens zum Kindergarten                 Grosseltern. Die Grossmutter musste in       verschiedenen Ebenen in Wolkenkratzer-
gebracht. Sie war ganz anders als sonst.            Quito Schuhe verkaufen, der Grossvater       schluchten aneinander vorbeifliegen.
Sie hat mich ganz fest an sich gedrückt             war Taxifahrer und somit auch den gan-           Juliana: Wir flogen mit der Grossmut-
und hatte Tränen in den Augen. Am Tag               zen Tag weg. Wir wohnten in einer Art        ter von Quito bis Amsterdam und von dort
darauf war sie nicht mehr da, einfach weg.          Kinderwohnung mit Küche, Bad und mit         nach Mulhouse. Ein rotes Auto wartete
Sie kam dann ein oder zwei Mal wieder               Aufenthaltsraum neben dem Haus der           auf uns und brachte uns nach Basel. Der
zurück. In der folgenden Zeit hat unser             Grosseltern.                                 Fahrer schwitzte sehr, er hatte Angst. Wir
Vater für uns geschaut. Unser kleiner Bru-              Andrea: Ich hatte immer die Emp-         kamen in Basel an, in unserer Wohnung
der Julio war erst drei Monate alt. Eine            findung, mich um meine Geschwister           an der Brombacherstrasse. Unsere Freude
Tante von uns hatte ihn übernommen und              kümmern zu müssen. Ich habe ihnen            war riesengross: endlich war die Familie
gehütet.                                            viel beigebracht, z.B. wie man die Schuhe    wieder zusammen.
    Cristina: Wir dachten damals, wir               bindet. Das ist ein wichtiger Moment im          Komi: Ich bin in Lomé, der Haupt-
wären die Einzigen mit diesem Schicksal             Leben, wenn man lernt, die Schuhe selber     stadt von Togo aufgewachsen als eines
(lacht) wie immer, wir sind immer die               zu binden, fast wie lesen und schreiben.     von neun Geschwistern. Mein Vater war
Einzigen, die mit dem speziellen Schick-            Der kleine Julio war noch immer bei der      Beamter, meine Mutter hatte ein klei-
sal.                                                Tante, bis er mit zwei oder drei Jahren      nes Geschäft für Lebensmittel. Nach der
    Andrea: Dank unserer Mutter ging                auch zu uns kam.                             Schule absolvierte ich ein Studium der
es uns dann wirtschaftlich gut. Aber                    Juliana: Eines Tages mussten wir in      Informatik und Programmanalyse und
das Mami hat uns schon sehr gefehlt,                die Stadt fahren, um Passfotos zu machen.    beteiligte mich später an der Erarbeitung
ihre Liebe und Wärme. Immerhin hatten               Wir merkten, dass da etwas in Vorberei-      elektronischer Listen für die Wahlen.
wir unseren Vater. Später ging er dann              tung war und freuten uns riesig. Wir woll-   Eines Tages gab es Druck von Seiten der
auch. Ich war sieben Jahre alt, als er uns          ten so schnell wie möglich zu unseren        Regierung. Sie wollte, dass wir unsere
erklärte, dass auch er jetzt weg müsse. Für         Eltern. Das Land, wo wir leben, ist nicht    Arbeit zu ihren Gunsten zurechtbiegen.
uns ist eine Welt zusammengebrochen.                wichtig. Da, wo wir zusammen sind, ist       Ich weigerte mich, da mitzumachen.

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Nach einer solchen Verweigerung bist           lernte ich bei der Arbeit viele Menschen     Tag. Wir Kinder waren schon damals sehr
du plötzlich auf der anderen Seite. Ich        aus Italien, Spanien und Portugal kennen,    selbstständig.
wurde mehrere Male bedroht. Alle Tü-           die weit weg von ihrer Familie arbeiten          Cristina: Wir unternahmen auch in
ren waren mir von nun an verschlossen.         mussten. Sie wurden meine Freunde. Als       der Freizeit fast alles gemeinsam. Einmal
Ich hatte Angst um mein Leben. So etwas        dann Schwarzenbach seine Überfrem-           sind wir in die Stadt gefahren mit dem
kann man sich hier gar nicht vorstellen.       dungsinitiative startete, fühlte ich mich    Tram. Wir hatten ein Kurzstreckenbillett
Meine zwei älteren Schwestern halfen           persönlich angegriffen. 2001 war ich zum     gelöst, fuhren aber noch etwas weiter und
mir schliesslich, die Flucht vorzuberei-       ersten Mal in meinem Leben auf einem         kamen in eine Kontrolle. Da wir keine
ten. Über Italien schaffte ich es mühsam       anderen Kontinent, in Südamerika. Ich        Ausweispapiere dabei hatten, riefen die
in die Schweiz und stellte hier ein Asyl-      war sehr beeindruckt, unsere eingebil-       Kontrolleure die Polizei. Diese rief mei-
gesuch. Dieses wurde abgelehnt. Da ich         deten, reichen Nationen von „unten“ her      nen Vater an. Er bekam eine Vorladung
kein Geld hatte, um einen guten Anwalt         zu betrachten. Der Kulturschock bei der      auf den Spiegelhof. Dann kam das ganze
zu bezahlen, schrieb ich meinen Rekurs         Rückkehr gab mir einen starken Schub,        Verfahren gegen meine Eltern ins Rol-
selbst. Dieser wurde ebenfalls abgelehnt.      mich zu engagieren.                          len, Arbeiten ohne Bewilligung, illegale
So wurde ich zum Sans-Papiers.                     Liliana: Unser Vater Julio hatte auf     Einreise und all das. Es gab kein Pardon,
    Hannes: Ich bin in Deutschland ge-         dem Bau als Maurer und Bauschreiner          kein Auge-Zudrücken. Am Schluss hiess
boren. Später zog meine Familie in die         angefangen. In der Schweiz hat er sein       es, wir müssten die Schweiz sofort ver-
Schweiz. Einen grossen Teil meiner Kind-       Talent als Steinmetz entdeckt. Er war        lassen. Es ging den Behörden ums Prinzip.
heit verbrachte ich in einem Dorf im           bald vor allem für Renovationsarbeiten an    Damit drohte unserer Familie, dass alles,
Aargau. Später zog unsere Familie in die       historischen Gebäuden, wie zum Bespiel       was hier aufgebaut worden war, zerstört
Stadt. Kaum hatte ich mich umgewöhnt,          dem Münster, sehr gesucht. Meine Mutter      würde.
ging es wieder weiter. Ich hatte nie richtig   putzte. Beide arbeiteten den ganzen Tag.
Zeit, Wurzeln zu fassen. Nach der Schule       Mama kochte im Voraus für den ganzen                              Teil 3 siehe Seite 12

    Das Wichtigste für mich war zu erfahren, dass ich nicht alleine bin. Es gab so
viele Leute in der gleichen, illegalen Situation. Zusammen konnten wir überlegen,
wie wir vorgehen wollten, und fanden dabei viel Unterstützung. Ich erlebte diese
grosse Solidarität auch ganz persönlich. Eine sehr nette Frau kaufte für mich Medika-
mente. Denn obwohl ich einen Leistenbruch hatte, arbeitete ich jahrelang bei einem
Bauern und durfte keinen Arzt aufsuchen. So oft ich konnte, kam ich nach Basel in
die Antoniuskirche und an die Demonstrationen. Ich fühlte mich gut in dieser freund-
schaftlichen Atmosphäre.
                                                                         Krasimir Penev

                                                   Ich verbrachte zwei Nächte mit einer Familie, die sich im Kirchenasyl befand. Ich
                                               schlief bei den vier kleinen Kindern, las ihnen vor und wir hatten Spass. Aber ich war
                                               auch nervös, weil wir damit rechnen mussten, dass die Polizei am frühen Morgen
                                               eine Kontrolle machen könnte. Die Polizei kam nicht und die Familie erhielt später
                                               die Aufenthaltsbewilligung.
                                                                                                                         Sabine Trigo

    Den Heiligabendgottesdienst bereitete ich mit den Sans-Papiers vor. Sie spielten
die Weihnachtsgeschichte. Jaqueline und Julio Estrada stellten Maria und Joseph dar,
die in der fremden Stadt lange um eine Herberge suchen mussten. Ihre vier Kinder
waren Hirten und Engel. Die drei Könige waren geboren in Chile, Afrika, Iran. So
gewann die alte Weihnachtsgeschichte ganz neue Aktualität. Für die Kirchgemeinde,
alle Sans-Papiers und die Sympathisant*innen wurde es zu einer sehr eindrücklichen
mutmachenden Feier.
                                                        Pfarrer Fritz Christian Schneider

                                                                   7
SANS-PAPIERS ORGANISIEREN SICH

Die Union der Arbeiter*innen ohne geregelten
Aufenthalt
Im Nachgang zur Kirchenbesetzung und der Neuausrichtung der Bewegung der Sans-Papiers beschlos-
sen Aktivist*innen zusammen mit der Interprofessionellen Gewerkschaft der ArbeiterInnen (IGA) die
Menschen ohne geregelten Aufenthalt bei der gewerkschaftlichen Organisation zu unterstützen.

Marsch der Sans-Papiers durch Basel, 2009

Ab dem Jahr 2003 begann die Initiativ-       Venezuela wurde eine Ausschaffungsver-       Politik und Kirchen mit dem Ziel, eine
gruppe mit Aimé, Martha, Claudia, Pi-        sicherung ins Leben gerufen. An              breite Unterstützung für eine Normali-
erre-Alain, Hans-Georg und weiteren              jeder Sitzung zahlten die Anwesen-       sierung der Lebensumstände der Sans-
Aktiven Schritt für Schritt Sans-Papiers     den fünf Franken ein. Auch der Erlös von     Papiers zu erreichen. Parallel dazu lud die
aufzusuchen und für einen Beitritt in        Standaktionen floss in die Versicherung.     Union zu öffentlichen Hearings ein. Mit
die Gruppe zu bewegen. Die Gruppe            Das Reglement besagte, dass bei einer        der Neustrukturierung der Anlaufstelle
fand einen Namen und entwarf ein Logo        unfreiwilligen Rückkehr ins Heimatland       gingen diese Erfahrungen in die Organi-
sowie einen Ausweis mit Foto und Namen,      aus der Versicherung tausend Franken         sation der Kollektive nach Sprachen ein.
der Notfall-Telefonnummer und den die        ausbezahlt werden. Später wurde die          Die Union konzentrierte sich fortan auf
Union unterstützenden Organisationen.        Versicherung ergänzt für Notfälle wie        die französisch sprechenden Menschen
                                             Erwerbslosigkeit. So konnten kleinere Bei-   aus Afrika.
                                             träge an die Mieten oder für den Lebens-
                                             unterhalt ausgerichtet werden. Über die                          Hans-Georg Heimann
                                             Ausrichtung und das Reglement entschied
                                             die Vollversammlung der Mitglieder.
                                                 Highlights in jedem Jahr waren die
                                             Kurzferien im Sommer – meistens in Sa-
                                             lecina, Engadin – und das grosse Jahre-
                                             sendfest. Zweimal wurde ein Marsch der
                                             Sans-Papiers quer durch Basel organisiert.
                                                 2007 verfasste die IGA die Sektorana-
                                             lyse ‹Externe Haushaltsarbeit und Sans-
                                             Papiers-ArbeiterInnen›. Darin konnte der
   Ein PatInnen-Netzwerk wurde auf-          immense Beitrag der Hausangestellten,
gebaut, damit alle Mitglieder jemanden       meist Sans-Papiers, am Wohlergehen
zur Seite haben für die Alltagsgestaltung.   der meist wohlbetuchteren Schichten in
An den monatlichen Sitzungen der Union       der Region nachgewiesen und in Fran-
wurde in den verschiedensten Sprachen        ken beziffert werden. Mit dieser Analyse
gesprochen. Nach einer dramatischen Ver-     machte die IGA eine Vernehmlassung bei
haftung und Ausschaffung einer Frau aus      verschiedensten Personen aus Wirtschaft,

                                                                 8
KAMPF UM REGULARISIERUNG

Der Fall Estrada
Die im Kirchenasyl engagierte Familie Estrada – die Eltern und ihre vier Kinder – war der erste Sans-
Papiers-Fall für den Anwalt Guido Ehrler. Erfahrung mit migrationsrechtlichen Verfahren hat er bis
dann vor allem im Rahmen von Asylgesuchen gesammelt.

Warst du beim Kirchenasyl im Herbst                Militärdepartement (PMD), damals unter        gelehnt. Der Entscheid des PMD sei keine
2001 dabei?                                        Jörg Schild, als chancenlos abgelehnt.        Verfügung und somit nicht rekursfähig,
                                                   Die Familie sollte umgehend ausge-            hiess es. Es sei eine sogenannt formlose
    (Guido Ehrler lacht.) Nach eurer Inter-        schafft werden. Auch mein Gesuch an die       Wegweisung. Diese Argumentation kann-
viewanfrage habe ich mir überlegt, wa-             Behörden wurde abgelehnt, obwohl              te ich schon von anderen Personen ohne
rum ich nicht dabei war. Bis mir in den            Schild nach der Kirchenbesetzung ver-         Aufenthaltsbewilligungen, z.B. versteck-
Sinn kam, dass in dieser Zeit meine Toch-          sprochen hatte, Härtefallgesuche anonym       ten Kindern.
ter geboren wurde und ich deshalb eine             zu prüfen. Der Fall der Familie Estrada
dreimonatige Auszeit genommen hatte.               war auch darunter – und positiv beurteilt     Ist das überhaupt legal?
                                                   worden.
Wie bist du auf den Fall der Familie Estra-                                                          Damals gab es entsprechende Bestim-
da aufmerksam geworden?                            Mit welcher Begründung wurde dein Ge-         mungen. Die Schweiz musste diese Praxis
                                                   such abgelehnt?                               erst nach dem Anschluss ans Schengener
   Schon während meines Studiums habe                                                            Abkommen revidieren, das in jedem Fall
ich mich im Rahmen von Praktika mit                    Wer sich illegal in der Schweiz auf-      eine rekursfähige Abweisung erfordert.
migrationsrechtlichen Fällen beschäftigt.          halte und verbotenerweise arbeite, kön-       Nach dem ersten Entscheid des Verwal-
Deshalb trat ein engagierter Freund von            ne keinen Härtefall geltend machen. Der       tungsgerichtes reichte ich nochmals ein
mir mit der Geschichte dieser Familie an           Termin für die Ausschaffung stand bereits     Gesuch um eine Härtefallbewilligung
mich heran.                                        fest, der Flug war gebucht. Ich rekurrierte   ein, das aber wieder abgelehnt wurde.
                                                   gegen den Entscheid und verlangte gleich-     Dagegen reichte ich einen Rekurs ein.
Was ist geschehen?                                 zeitig dessen Aufschub. Meinen Rekurs
                                                   begründete ich vor allem mit den bestens      Wurde deinem Rekurs zumindest die auf-
   Nachdem die Töchter wegen eines                 integrierten Kindern, wie dies Lehrper-       schiebende Wirkung zugestanden?
geringfügigen Gesetzesverstosses von               sonen und Mitschüler*innen bestätig-
der Polizei aufgegriffen worden waren,             ten. Die Kinder waren beliebt, lernten            Gemäss einer informellen Zusicherung
ersuchte die Familie um eine Aufenthalts-          sehr gut Deutsch, und ihre Leistungen         des Migrationsamtes erfolgt bei berech-
bewilligung aus humanitären Gründen.               waren beeindruckend. Trotzdem wurde           tigten Härtefallgesuchen keine Ausschaf-
Das Gesuch wurde vom Polizei- und                  mein Rekurs vom Verwaltungsgericht ab-        fung. Nach Gesetz kann der Aufenthalt

Rückgabe des Schlüssels der Antoniuskirche beim Umzug ins Oekolampad

                                                                       9
in solchen Verfahren jedoch nur gewährt      unter anderem eine Petition mit mehreren      natürlich immer noch. Und wie gesagt,
werden, wenn die Personen über eine          Tausend Unterschriften ein, worauf sich       die formlose Wegweisung wurde dank
Adresse und ein Einkommen verfügen           Erziehungsdirektor Christoph Eymann für       Schengen abgeschafft. Nur: Die Einspra-
und die Zulassungsvoraussetzungen            die Familie einsetzte. Der Regierungsrat      chefrist gegen die nun nötige Verfügung
offensichtlich bestehen. Sans-Papiers        stimmte schliesslich knapp für den Ver-       beträgt gerade einmal fünf Tage!
erfüllen zwar meistens die ersten bei-       bleib der Familie.
den Bedingungen, aber in beiden Fällen                                                     Wie ist es bei der Arbeitssituation?
illegal. Das heisst, eine Strafverfolgung    Das PMD dürfte dich geliebt haben …
aufgrund von illegalem Wohnen und                                                             2005 wurde das Bundesgesetz zur Be-
Arbeiten ist trotz Härtefallbewilligung         (Guido lacht.) Schild zeigte mich bei      kämpfung der Schwarzarbeit eingeführt.
möglich. Dieser Widerspruch besteht in       der Anwaltskammer an. Es seien Blan-          Das trifft insbesondere Männer, die zuvor
etwas abgeschwächter Form bis heute und      ko-Vollmachten in der Antoniuskirche          häufig auf dem Bau Stellen fanden. Wegen
wird von vielen Rechtsvertreter*innen        verteilt und so illegal Werbung für mich      der vielen Kontrollen finden Sans-Papiers
beanstandet.                                 gemacht worden – ein folgenloser Ein-         heute in diesem Bereich kaum mehr Ar-
                                             schüchterungsversuch.                         beit. Das gilt nicht für Privathaushalte,
Warum konnte die Familie Estrada                                                           wo vor allem Frauen tätig sind.
schliesslich doch hier bleiben?              Hat sich die Situation der Sans-Papiers
                                             inzwischen verbessert?                        Bestehen Hoffnungen, dass die Regulari-
    Die Stiftung Basler Münsterbauhüt-                                                     sierung von Sans-Papiers einfacher wird?
te ersuchte um eine Arbeitsbewilligung            Nicht wesentlich. Die Widersprüche
für Julio Estrada. Der gelernte Schreiner    sind geblieben und es gibt keine neuen            Leider nein. Bisher wurden alle Anträ-
hatte sich als ausgezeichneter Steinmetz     Rechtsgrundlagen. Die einzige Besserung:      ge zur Verbesserung abgewiesen und auch
einen Namen gemacht. Dieses Gesuch           Die Kriterien für eine Härtefallbewilli-      die Kriterien nicht gelockert. Die letzte
wurde ebenfalls abgelehnt, wie auch mein     gung sind nun publiziert. Insbesondere        Regularisierungswelle hatten wir Ende
Rekurs, um den mich die Stiftung gebeten     für Familien mit eingeschulten Kindern        der Achtzigerjahre, als viele Geflüchtete
hatte. Gleichzeitig wies das Appellations-   ist ein Härtefallgesuch nun einfacher. Das    aus Sri Lanka Aufenthaltsbewilligungen
gericht auch den zweiten Rekurs ab: es       Krankenkassenobligatorium gilt auch für       erhielten. Wir müssen uns also auch in
liege kein Härtefall vor. Dann protestier-   Sans-Papiers. Damit ist deren gesund-         Zukunft weiter dafür einsetzen.
ten Lehrpersonen und Schüler*innen           heitliche Versorgung etwas besser. Die
des Gymnasiums Leonhard und reichten         Angst, entdeckt zu werden, besteht aber                       Interview: Anne-Lise Hilty

   2001, an der ersten Sitzung des Kollektivs wurde einstimmig beschlossen, dass Sans-
Papiers ohne Masken und mit Namen vor die Öffentlichkeit treten werden. Diesen Mut
bewundere ich noch heute. Damals hatte ich deswegen schlaflose Nächte. Es folgten
Pressekonferenzen, Interviews mit Fotos und die Besetzung der Antoniuskirche. Das
Medienecho war gross. Wir handelten als Kollektiv, mit und ohne Papiere. Die Politik
wurde gezwungen, Stellung zu nehmen. Ich erinnere mich an Aufbruchstimmung
und an viele Zeichen der Solidarität. Unvergesslich, wie wir aus den umliegenden
Brockenhäusern Matratzen, Bettzeug, Geschirr und Pfannen in die Kirchenräume
schleppten und grossartige Festessen auf den Elektroplatten kochten.
                                                                     Margrith von Felten

                                                 Vor dem Kirchenasyl kannte ich Sans-Papiers nur aus der politischen Diskussion
                                             um illegalen Aufenthalt und Schwarzarbeit in der Öffentlichkeit und im Grossen Rat.
                                             Die Distanz und Arroganz von uns Schweizerinnen und Schweizern den Menschen
                                             gegenüber, die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, empörte mich damals und
                                             tut es auch heute noch.
                                                 Beim Kochen und gemeinsamen Essen in der Antoniuskirche lernte ich einige
                                             dieser Menschen aus Südamerika und Afrika näher kennen. Ihre Geschichten, ihre
                                             Sorgen und Ängste berührten mich tief.
                                                 Dass die Familie Estrada dank breiter Unterstützung der Bevölkerung schliesslich
                                             doch noch hier bleiben durfte, hat mich sehr glücklich gemacht. Von damals habe ich
                                             mitgenommen, dass sich gemeinsam kämpfen auch lohnen kann!
                                                                                                                         Doris Gysin

                                                                10
Drei Zitate aus Papier Sans!Papiers, der Zeitung aus
dem Kirchenasyl vor 20 Jahren
   «Wir wohnen ja alle bloss vorläufig auf dieser Erde. Früher oder später werden
wir ausgewiesen in den Tod. Deshalb sollten wir den Leuten, die bei uns wohnen, das
Leben wenigstens so weit erleichtern, dass wir sie aufnehmen in unsere staatliche
Gemeinschaft.»
                                                       Hansjörg Schneider, Schriftsteller

                                                «Sans-Papiers: Das Leben hängt am Papier. Wer es nicht hat, der existiert nicht. Zum
                                             Arbeiten braucht es kein Papier. Denjenigen, die keins haben, sagen wir Papierlose.
                                                Aber es sind Menschen. Wir missbrauchen sie. Und wenn wir sie nicht mehr miss-
                                             brauchen, dann schicken wir sie weg. Denn sie haben ja keine Papiere.
                                                Zum Glück haben wir Schweizer Papiere. Einen schönen Pass. Das unterscheidet
                                             uns von Papierlosen. Nichts weniger, nichts mehr. Ein kleiner Unterschied nur, aber
                                             einer, an dem das Leben hängt. Ein menschenwürdiges. Wie wenig kostet es uns, den
                                             Papierlosen ein Papier zu geben. Es sind Menschen wie wir, vergessen wir ihre Nöte
                                             und Schicksale nicht!»
                                                                                                       René Regenass, Schriftsteller

   «Ständig auf der Flucht! Leben im Versteck! Heimatlos! Familien auseinander-
gerissen! Niemand kann sich in diese Menschen, welche ein solches Schicksal durch-
leben müssen, hineinfühlen, der es nicht selber erfahren hat. Für solche Taten der
Verzweiflung in der Not, für solches Leid und Trauer sollten nur noch Gesetze von
Herzen der Liebe gelten.»
                           Sabine Rasser, Schauspielerin, Schriftstellerin, Yogalehrerin

                               Zeitung aus dem Kirchenasyl vor 20 Jahren

                                                                    11
AUS DEM SCHATTEN TRETEN – TEIL 3

20 Jahre danach
Das Kirchenasyl vor 20 Jahren hat das Leben der Beteiligten geprägt. Komi Aimé aus Togo, die Töchter
der Familie Estrada und der Aktivist Hannes Reiser erzählen, wie es danach weiterging und was aus
ihnen geworden ist.

    Hannes: Wir hatten dann später die               wir waren froh, dass es vorbei war. End-             Liliana: Meine Maturarbeit ging der
Möglichkeit, Härtefallgesuche einzu-                 lich konnten wir wieder durchatmen,              Frage nach: Warum ist meine Mutter aus-
reichen. Zahlreiche Basler*innen enga-               hatten Zeit und Ruhe. Wir gingen weiter          gewandert? Woher kam sie, was waren
gierten sich für die Eingabe der Dossiers.           in die Schule, bereiteten uns auf die Ma-        ihre Träume, woher hatte sie diese un-
Schliesslich kamen auf diesem Weg 61                 tura vor und begannen Pläne für unser            glaubliche Kraft? Dann kam ich auf die
Gesuche zusammen. Diese wurden im                    Leben zu schmieden. Ich fühle mich in der        Frage, wer bin ich, was hat mich geprägt,
März 2022 eingereicht. Leider bekamen                Schweiz mega integriert. Manchmal wun-           was ist jetzt mein Weg, in welcher Welt?
über diese Dossiers nur 18 Personen eine             dere ich mich, wenn Leute, die ich neu           Heute lebe ich in Basel, habe eine Aus-
Aufenthaltsbewilligung. Den anderen                  kennenlerne, statt zu fragen, wer ich bin        bildung als Apothekerin gemacht und
wurde eine Ausreisefrist gesetzt. Für uns            oder was ich mache, sofort wissen wollen,        arbeite bei Novartis in einer Abteilung,
war klar, der Kampf geht weiter. Wir und             woher ich so gut Deutsch kann oder ob            die auf Medikamentenanalysen spezia-
die Betroffenen wollten nicht aufgeben.              meine Eltern bei Novartis arbeiten. Meine        lisiert ist. Bei der Kirchenbesetzung war
    Andrea: Wir waren sehr enttäuscht.               Maturarbeit hatte das Thema «Zurück zu           ich 11 Jahre alt.
Aber zum Glück ging es dann doch wieder              den Wurzeln“. Es war eine Arbeit vor al-             Hannes: Ich bin jetzt im Pensionsalter
weiter. Mit dem Pfarrer Fritz Schneider,             lem über Ecuador, meine Wurzeln. Diese           und geniesse das stressfreie Leben. Ich
Heidi Mück und Michael Rössler bildete               Überlegungen waren mir wichtig. Heute            mache noch einige Freiwilligenarbeit,
sich das Komitee „Familie Estrada“.                  bin ich in einer Agentur für Kommunika-          auch in der Begleitung und Unterstützung
    Hannes: Es beteiligten sich einige               tion und Marketing in Zürich angestellt.         von Menschen, die neu hier in Basel an-
Persönlichkeiten aus verschiedenen poli-             In diesem Bereich habe ich auch meinen           kommen.
tischen Lagern Basels. Schliesslich kam              Master gemacht. Mein Herz klopft, wenn               Komi: Wir sind trotz verschiedener
es zu einer Sondersitzung des Regierungs-            ich mich an die Zeit von damals erinnere.        Wurzeln eine Familie geworden. Ich
rates, der damals eine bürgerliche Mehr-                 Andrea: Das Erlebte prägte auch mei-         habe mich später zum Sigrist und Dia-
heit hatte. Zur Überraschung aller gab es            ne Maturaarbeit. Ich machte eine Studie          kon weitergebildet. Neben dieser Arbeit
einen positiven Entscheid. Eure Familie              über die Geschichte der Migrationspolitik        in Pratteln bin ich seit zehn Jahren bei der
konnte bleiben. Dies war ein wunderschö-             in der Schweiz, über die Entwicklung der         Aids-Hilfe Basel in der Präventionsgruppe
ner Moment. Wir umarmten uns alle auf                Migrationsgesetze und über den Hinter-           tätig. Ich bin auch Sekretär der Union,
dem Marktplatz.                                      grund des „Drei-Kreise-Modells“, das             einer selbst organisierten Gewerkschaft
    Komi: Bei mir ging es dann noch län-             noch heute die Migrationspolitik prägt           der Sans-Papiers. In Pratteln nehme ich
ger, bis ich dank der Arbeit der Anlauf-             und schlussendlich den Hintergrund da-           teilweise auch die Aufgaben eines Pfarrers
stelle eine humanitäre Bewilligung vom               für bildet, dass es Sans-Papiers gibt. Dies      wahr. Einmal in der Woche kommen die
Kanton Basel-Landschaft bekam. Ich blieb             hat mich später auf das Soziologie-Stu-          Roma aus Rumänien zu uns, um ihre To-
aber über die Jahre mit allen Engagierten            dium gebracht und zu meinem heutigen             ilette zu machen, um zu duschen und um
in Kontakt und verhielt mich die ganze               Beruf. Ich lebe in Bern und arbeite nun          ein bisschen zu verschnaufen. Es wird ja
Zeit sehr vorsichtig. So habe ich diese              seit sechs Jahren im internen Consulting         viel über diese Menschen diskutiert. Ich
schwierige Zeit überlebt.                            und Coaching bei der Schweizer Post.             werde auch in der Kirchgemeinde darauf
    Cristina: Mit dem positiven Entscheid            Nach dem Studium in Soziologie und               angesprochen und antworte dann, auch
begann für uns eine sehr schöne Zeit. Das            Wirtschaft spezialisierte mich auf Unter-        ich hätte erfahren, wie es ist, nicht zu
Kämpfen hatte uns schon sehr zugesetzt,              nehmensentwicklung. Bei der Besetzung            wissen, wo man übernachtet. Wir sind
aber auch zusammengeschweisst. Aber                  der Antoniuskirche war ich 12 Jahre alt.         alle eine Menschenfamilie.

              Zeitung der Anlaufstelle für Sans-Papiers                                                                  Trägerorganisationen
                                           Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel                                            Basels starke Alternative! (BastA!)
                                 Gewerkschaftshaus, Rebgasse 1, 4058 Basel                                                Basler Gewerkschaftsbund (BGB)
                                basel@sans-papiers.ch / www.sans-papiers.ch            Comité européen pour la défense des réfugiés et immigrés (C.E.D.R.I)
                                     Tel. 061 681 56 10 / Fax. 061 683 04 22                                  Demokratische Juristinnen und Juristen Basel
                                                                                                                     Europäisches BürgerInnenforum (EBF)
              IBAN: CH10 0900 0000 4032 7601 1 / Postkonto: 40-327601-1                                                Frauen für den Frieden Region Basel
                                                                                                                     Gewerkschaftsbund Baselland (GBBL)
                        Offene Sprechstunde ohne Anmeldung: Di 14-18 Uhr                           Interprofessionelle Gewerkschaft der ArbeiterInnen (IGA)
                                                                                                                              Solidaritätsnetz Region Basel
                   Redaktion: Anne-Lise Hilty, Fabrice Mangold, Hannes Reiser,                                              Unia Aargau-Nordwestschweiz
                       Komi Aimé Ofounou, Martin Flückiger, Ute Sengebusch                                                              VPOD Region Basel
                                                  Gestaltung: Niklas Eggmann
                                                        Druck: Rumzeis, Basel
                                                                                 12
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