DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...

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DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
DIE ZEITSCHRIFT FÜR AUSLANDSCHWEIZER

 APRIL 2009 / NR. 2

Braucht die Schweiz
Atomkraftwerke?

Schweizer Wirtschaft ist
in einer guten Verfassung

In Lausanne fährt die
erste Metro der Schweiz
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
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EDITORIAL                                                                                                                         I N H A LT                                                   3

                                         Braucht die Schweiz Atomkraftwerke – und wenn ja, wie viele?

                                         I
                                              n der schweiz sind derzeit fünf Atomkraftwerke in Betrieb: Beznau I und
                                              Beznau II im Kanton Aargau, Mühleberg im Kanton Bern sowie die zwei grösseren
                                              Anlagen im solothurnischen Gösgen und im aargauischen Leibstadt. Diese Atom-
                                         kraftwerke müssen ihren Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschriften zwischen 2020 und
                                         2045 einstellen. Deshalb läuft die Planung neuer Atomkraftwerke auf Hochtouren, drei
                                         Baugesuche sind eingereicht worden, und die hitzigen Diskussionen zwischen Gegnern
                                         und Befürwortern der Kernenergie haben bereits mit aller Heftigkeit begonnen.
                                              Zur Erinnerung: In zwei heftig umstrittenen Volksabstimmungen haben die Schwei-
                                                                                                                                                                          Eines der Pressebilder des Jahres 2008: Die letzte
                                         zerinnen und Schweizer bereits vor Jahren die Weichen in der Energiepolitik gestellt. Am                                         UBS-GV von Marcel Ospel.
                                         23. September 1990 lehnten Volk und Kantone die Volksinitiative «für den Ausstieg aus
                                         der Atomenergie» mit 52,9 Prozent Nein-Stimmen knapp ab. Gleichzeitig wurde die
                                                                                                                                                                          5
                                                                                                                                                                          Briefkasten
                                         Volksabstimmung über das Moratorium «Stopp dem Atomkraftwerkbau» mit 54,4 Pro-
                                         zent der Stimmen von Volk und Ständen angenommen. Am selben Tag stimmten Volk                                                    5
                                         und Kantone auch dem neuen Energieartikel in der Bundesverfassung mit 71,1 Prozent                                               Gelesen: Streik in Bellinzona
                                         der Stimmen zu.                                                                                                                  6
                                              Am 18. Mai 2003 wurden zwei energiepolitische Vorlagen von Volk und Ständen deut-                                           Gesehen: Swiss Press Photo 2008
                                         lich verworfen: die Volksinitiative «Moratorium plus – Für eine Verlängerung des Atom-                                           7
                                         kraftwerk-Baustopps und die Begrenzung des Atomrisikos» mit 58,4 Prozent Nein-Stim-                                              Energie: Gehen in der Schweiz
                                         men und die Volksinitiative «Strom ohne Atom – Für eine Energiewende und schrittweise                                            die Lichter aus?
                                         Stilllegung der Atomkraftwerke» mit 66,3 Prozent ablehnenden Stimmen. Damit hielt
                                                                                                                                                                          10
                                         sich das Volk die Option Atomenergie offen.
                                                                                                                                                                          Wirtschaftskrise: ein Gespräch mit dem
                                               Für den Bundesrat und die Energiewirtschaft ist der Fall klar: Sie halten den Bau von
                                                                                                                                                                          Basler Ökonomen Silvio Borner
                                         neuen Atomkraftwerken für absolut notwendig. Umweltpolitiker sind hingegen ganz an-
                                                                 derer Meinung und kritisieren die bundesrätlichen Vorschläge für
                                                                                                                                                                          12/13
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                                                                 Energieeffizienz und erneuerbare Energien als «mutlos». Sie set-
                                                                 zen ihre ganze Hoffnung auf eine grüne Zukunft mit staatlich ge-
                                                                 förderten erneuerbaren Energien und mit der Kohlendioxid-Steuer
                                                                                                                                                                          Regionalseiten
                                                                 auf fossilen Brenn- und Treibstoffen.
                                                                      Sicher ist, dass das Potential von alternativer Energie noch bei                                    14
                                                                 Weitem nicht ausgeschöpft ist und auch nach wie vor sehr viel                                            Aus dem Bundeshaus
                                                                 Strom eingespart werden könnte. Ob der Strombedarf der Zukunft                                           16
                                         Heinz Eckert            ohne Atomkraftwerke gedeckt werden kann und soll, ist auch eine                                          Lausanne hat die erste Metro der Schweiz
                                         Glaubensfrage. Während die Befürworter der Atomenergie sich nicht nur für die «sau-                                              18
                                         berste Energie» einsetzen und selbst das Problem der Endlagerung des Atommülls als                                               Erlebnis Schweiz
                                         gelöst betrachten, sehen die Gegner gerade im hoch radioaktiven Abfall ein Problem für
                                         die Menschheit schlechthin.
                                                                                                                                                                          20
                                                                                                                                                                          ASO-Informationen
                                               Die Frage, ob und wie viele Atomkraftwerke die Schweiz braucht, wird die Bevölke-
                                         rung emotional beschäftigen und teilen, solange sie im Sinne der Energieversorgung                                               23
                                         gestellt werden muss. Sicher ist, dass Strom gespart und alternative Energie in allen Be-                                        Echo
                                         reichen intensiv gefördert werden muss. Beim schier masslosen Energiekonsum wird die
                                         Politik aber kaum darum herumkommen, den Bau von neuen Atomkraftwerken zu be-                                                    Titelbild: Die Staumauer Cavagnoli staut den See
                                         willigen. Die Zeit seit dem Moratorium wurde in der Schweiz leider viel zu wenig genutzt,                                        Lago dei Cavagnöö bei Fusio im Kanton Tessin.
                                                                                                                                                                          Hinten befindet sich der Stausee Lago di Robiei.
                                         Alternativen zur Atomenergie auf breiter Basis zu fördern. HEINZ ECKERT, CHEFREDAK TOR                                           Foto: Keystone
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         IM P R E S S U M : «Schweizer Revue», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 36. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer
                                         und spanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtauflage von rund 408 000 Exemplaren. Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr.
                                         ■ R E DA K T I O N : Heinz Eckert (EC), Chefredaktor; Rolf Ribi (RR); René Lenzin (RL); Alain Wey (AW); Rahel Schweizer (RS), Auslandschweizerdienst EDA, CH-3003 Bern, verantwort-
                                         lich für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG ■ P O S T A D R E S S E : Herausgeber/Sitz der Redaktion/Inseraten-Administration: Auslandschweizer-Organisation,
                                         Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Tel. +4131356 6110, Fax +4131356 61 01, PC 30-6768-9. Internet: www.revue.ch ■ E - M A I L : revue@aso.ch ■ D RUC K: Zollikofer AG, CH-9001 St.Gallen.
                                         ■ A D R E S S Ä N D E RU N G: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nach Bern. ■ Alle bei einer Schweizer Vertretung immatriku-
                                         lierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnieren (CH: CHF 25.–/ Ausland: CHF 40.–). Abonnenten
                                         wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt.                                                                                                    Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 9.2.2009
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
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BRIEFKASTEN                                                                                                                 GELESEN                                                         5

                                                                                                                      Streik in Bellinzona – ein Kanton revoltiert
                                         Nicht nur Auslandschweizer            und Nonprofit-Organisationen                     Der einmonatige Streik im Industriewerk der Schweize-
                                         profitieren                            spenden. Das sind alles Gelder,                 rischen Bundesbahnen in Bellinzona gehörte zu den heraus-
                                            Ich lebe seit 18 Jahren auf der    die sonst der Staat oder die                    ragenden Ereignissen im schweizerischen Politjahr 2008. Am
                                         Osterinsel in Chile. Mit grossem      Allgemeinheit aufbringen müsste.                7. März traten die rund 400 Angestellten der «Officine» in ei-
                                         Interesse lese ich die «Schweizer       Ich glaube, kein Steuergesetz                 nen unbefristeten Ausstand, um gegen die aus ihrer Sicht
                                         Revue», um mit meinem Heimat-         könnte einen Ausgleich zwischen                 ungerechten und falschen Restrukturierungsbeschlüsse der
                                         land verbunden zu bleiben.            Arm und Reich erzielen, etwas                   SBB zu protestieren. Politiker aller Couleurs und praktisch
                                            Die «Schweizer Revue» in spa-      mehr Mitgefühl für die Armen                    die ganze Kantonsbevölkerung stellten sich in einer ein-
                                         nischer Sprache liegt bei mir auf     jedoch schon.                                   drücklichen Solidaritätsbewegung hinter die Streikenden
                                         dem Tisch und alle Besucher,              E. HAUSKNOST, MONTREAL, KANADA              und ihre ebenso leidenschaftliche wie klassenkämpferische
                                         sogar Kinder, blättern darin und                                                      Protestaktion. «Giù le mani dalle officine» – «Hände weg vom
                                         lesen mit grossem Interesse, was      Mehr als nur ein Newsletter                     Industriewerk» hallte als Leitspruch tausendfach durch die
                                         in dem berühmten Alpenland vor           Die «Schweizer Revue» ist                    ganze Südschweiz und auch in den Rest der Schweiz. Am
                                         sich geht.                            mehr als nur ein Newsletter. Sie                19. März zogen Tausende von Tessinern nach Bern, um ihren
                                            Die jährlichen Ausgaben gebe       ist eine Zeitschrift, extra gemacht             Protest in die Bundesstadt zu tragen. Auf den Tag genau ei-
                                         ich gebündelt der Schulbiblio-        für die 700 000 Auslandschwei-           nen Monat nach Streikbeginn beendeten die Bähnler den Aufstand,
                                         thek der Osterinsel weiter, wo        zer. Sie ist keine beliebige Tages-      nachdem die SBB ihre Restrukturierungspläne zurückgezogen hat-
                                         über 1000 Schüler davon profi-         oder Wochenzeitung. Die                  ten. Seither wird an einem runden Tisch über die Zukunft des
                                         tieren können.                        «Schweizer Revue» ist eine Zei-          Industriewerks diskutiert. Ziel ist es, die «Officine» zu erhalten
                                            Die «Schweizer Revue» wird         tung extra für mich; mit Informa-        und gleichzeitig ihre Wirtschaftlichkeit deutlich zu verbessern.
                                         nicht nur von den 10 Prozent          tionen, die mich als Ausland-                Der Radiojournalist und Hörspielautor Hanspeter Gschwend
                                         Schweizer Staatsangehörigen im        schweizer, als Vereinspräsident          hat eine lesenswerte Chronik über die bewegten und bewegenden
                                         Ausland gelesen, sondern auch         und als Mitglied des Ausland-            Tage des Streiks vorgelegt. Als Reporter hat Gschwend die Ereig-
                                         von deren Bekannten und Freun-        schweizerrates betreffen. Ich            nisse stets an vorderster Front begleitet. Daraus ergab sich ein rei-
                                         den im Gastland. Mit der Verla-       kann die Zeitschrift nutzen, um          cher Fundus an Tonaufnahmen und anderen Materialien, die er für
                                         gerung aufs Internet verlieren all    mich zielgerichtet und konzent-          sein Buchprojekt verwenden konnte. Darüber hinaus hat Gschwend
                                         die interessanten Informationen       riert mit anderen Schweizern             nach dem Streik Gespräche mit den wichtigsten Akteuren geführt
                                         ihren Wert, da sie von Bekannten      im Ausland auszutauschen.                und die Berichterstattung anderer Medien durchforstet.
                                         von Auslandschweizern nicht           Ich bin enttäuscht, dass die ver-            Entstanden ist ein Buch, das Fakten und Hintergründe darlegt.
                                         mehr gelesen werden können und        schiedenen Resolutionen in dem           Gschwend erhellt die historischen Wurzeln der Streikbewegung und
                                         somit verschwindet die Schweiz        Zusammenhang nicht mehr                  die unmittelbare Vorgeschichte des Ausstandes ebenso wie die
                                         immer mehr von der Bildfläche.         bewirken konnten.                        komplexen Beziehungen zwischen den Angestellten des Werks, der
                                            Es ist geradezu lächerlich,                  A. HAUENSTEIN, MERZENICH,      Streikleitung, der Gewerkschaften, den Politikern aller Ebenen, der
                                         wenn die Parlamentarier 500 000                              DEUTSCHL AND      Kirche und der Bevölkerung. Über 100 Bilder, fünf Kurzporträts
                                         Franken «sparen» und gleichzei-       Ohne Elektronik                          von Streikenden und eine tabellarische Chronologie runden das
                                         tig Milliarden für Unternehmen           Mit grossem Interesse lese ich        Buch ab, das auf Deutsch und Italienisch erschienen ist.
                                         gutschreiben, die ganze Staaten       die «Schweizer Revue», die mich              Gschwend schreibt aus der Warte des kritischen Sympathi-
                                         in den Ruin treiben.                  mit guten und vielseitigen Infor-        santen. Mit viel Empathie erforscht er die Motive, die Wut und die
                                              J. W. SCHMID, HANGA ROA, CHILE   mationen versorgt. Die Zeit-             Ängste der Streikenden und ihrer Angehörigen. Er zeigt aber auch
                                                                               schrift wird mir von der Elfen-          auf, wie die Streikleitung unter Gianni Frizzo die Stimmung immer
                                         Arm und Reich in der Schweiz          beinküste her zugestellt; sie ist        wieder bewusst und gezielt aufgeheizt hat, wenn sie dies für den
                                           Der Artikel «Arm und Reich          meine einzige Informationsquelle         Erfolg der Aktion als nötig erachtete. Das gilt insbesondere für den
                                         im Schweizerland» der Dezem-          aus der Schweiz.                         Beginn des Streiks. Als Nicolas Perrin, der Direktor von SBB Cargo,
                                         ber-Ausgabe ist sehr aufschluss-         Im Norden des Niger, wo ich           den Angestellten die Restrukturierungspläne erläutern wollte,
                                         reich, aber eigentlich nichts         mit Halbnomaden arbeite,                 wurde er unter Frizzos Regie niedergeschrien und musste die
                                         Neues. Es liegt in der Natur des      kommt die Elektronik noch nicht          «Officine» fluchtartig durch einen Hintereingang verlassen. Solch
                                         Kapitalismus, dass sich über          hin. Alle zehn Wochen fahre ich          beängstigende Momente beschreibt Hanspeter Gschwend genau so
                                         Jahre die Extreme polarisieren        nach Maradi, wo Post auf mich                                 treffend wie die zahlreichen Happenings, De-
                                         auf Kosten der Mitte. Ein Aspekt      wartet. Für viele Auslandschwei-                              monstrationen und Solidaritätsaktionen, die
                                         der Reichen und Superreichen          zer mag die elektronische Zustel-                             den Streik einen Monat lang begleitet haben.
                                         wurde hingegen nicht aufgegrif-       lung der Zeitschrift einfacher und                                                                                                     RENÉ LENZIN
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         fen. Im Allgemeinen klagt der         schneller sein, für mich ist sie un-
                                         Mittelstand darüber, dass die         möglich. Deshalb danke ich Ihnen
                                                                                                                                                                           Hanspeter Gschwend, STREIK IN BELLINZONA –
                                         Reichen nicht mehr Steuern be-        herzlich, wenn Sie mich auch in                                                             ein Kanton revoltiert. Verlag Huber, Frauenfeld 2008,
                                         zahlen, ohne zu berücksichtigen,      der Zukunft mit der Papierver-                                                              190 Seiten, CHF 36.-, Euro 23.90.
                                                                                                                                                                           Hanspeter Gschwend, SCIOPERO A BELLINZONA –
                                         was für Summen diese Super-           sion versorgen.       S. DÜRRENMATT,
                                                                                                                                                                           il Cantone si rivolta. Rezzonico Editore, Locarno 2008,
                                         reichen an Wohltätigkeit, Kunst,                   MARADI, REPUBLIK NIGER                                                         200 pagine.
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
6                    GESEHEN

                                         Swiss Press Photo 2008
                                         Die Jury hat dieses Jahr 1791 Bilder von 135 Fotografen gesichtet und bewertet.
                                         Sie wurde dabei von zwei Vertretern aus Deutschland und Frankreich unterstützt,
                                         die für die Fotografie in den Magazinen «Stern» und «Geo» zuständig sind. Der
                                         Wettbewerb ist eine Plattform für die Schweizer Pressefotografie. Die «Schweizer
                                         Revue» zeigt eine kleine Auswahl der prämierten Bilder.

                                         Alessandro Della Bella: Bankenkrise. Marcel Ospel, UBS-Chef, tritt nach heftiger   Didier Ruef: Bahnarbeiter im Streik. Der Restrukturierungsplan der SBB Cargo
                                         Kritik an der Generalversammlung im April zurück.                                  in Bellinzona sieht die Entlassung von 200 Arbeitern vor.

                                         Michael Buholzer: Der Kapitän der Schweizer Fussballnationalmannschaft             Stefan Wermuth: Roland Nef, Chef Schweizer Armee, tritt im Sommer zurück,
                                         Alexander Frei verletzt sich am Euro 08-Eröffnungsspiel gegen Tschechien.          nachdem ihm die Medien ein Strafverfahren wegen Nötigung vorwerfen.
S C HW EIZER REVU E April 2009 / Nr. 2
Fotos: Swiss Press Photo 08

                                         Charles Ellena: Eine Gegendemonstration stoppt den Marsch der SVP durch Bern       Peter Klaunzer: Die Ratslinke applaudiert nach Bekanntgabe der Nichtwahl von
                                         und bringt eine streng bewachte Ruhepause für Christoph und Silvia Blocher.        Christoph Blocher.
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
ENERGIE FÜR DIE SCHWEIZ                                                                                                                      7

                                         Gehen in der Schweiz die Lichter aus?                                                         weise Abschaltung der ältesten Atomkraft-
                                         Mahnende Worte von der Elektrizitätswirtschaft: Ohne neue                                     werke ab 2020 und die steigende Stromnach-
                                                                                                                                       frage.DazukommtdasAuslaufenlangfristiger
                                         Grosskraftwerke kann die Stromversorgung im Land gefährdet                                    Lieferverträge mit Frankreich ab 2018. Für
                                         sein. Braucht es wirklich neue Atom- oder Gaskraftwerke,                                      den Verband Schweizerischer Elektrizitäts-
                                         oder kann der «grüne» Strom die Energiezukunft sichern?                                       unternehmen (VSE) entsteht eine Strom-
                                                                                                                                       lücke von 13 bis 22 TWh (1 Terawattstunde
                                         Von Rolf Ribi                                                                                 entspricht 1 Milliarde Kilowattstunden) im
                                                                                                                                       Jahr 2022 und von 17 bis 31 TWh für 2035.
                                                                                                                                       Das Bundesamt kommt für die gleichen Re-
                                                                                                                                       ferenzjahre auf Lücken von 14 bis 17 respek-
                                                                                                                                       tive 12 bis 21 TWh.
                                                                                                                                         «Gehen in den Schweizer Stuben dereinst
                                                                                                                                       die Lichter aus?», fragen sich besorgte Bür-
                                                                                                                                       gerinnen und Bürger. Heinz Karrer, Chef
                                                                                                                                       beim Stromriesen Axpo, rechnet «im Ex-
                                                                                                                                       tremfall mit Versorgungsunterbrüchen» und
                                                                                                                                       mit einer höheren Abhängigkeit vom Ausland.
                                                                                                                                       «Stromabschaltungen von einzelnen Regi-
                                                                                                                                       onen wären katastrophal für das ganze Land»,
                                                                                                                                       warnt Giovanni Leonardi, Chef des grössten
                                                                                                                                       Stromkonzerns Alpiq. Eine «erhöhte Wahr-
                                                                                                                                       scheinlichkeit von Stromausfällen» sieht das
                                                                                                                                       wirtschaftsnahe Institut Avenir Suisse, «wenn
                                                                                                                                       es in den umliegenden Ländern auch an Pro-
                                                                                                                                       duktionskapazitäten mangelt».

                                                                                                                                       Kontroverse um die Stromlücke
                                         Das eingereichte Projekt in Beznau.                                                           «Schon der Ausdruck der Stromlücke ist
                                                                                                                                       schief», kommentierte die «Neue Zürcher
                                         «Die billigste und umweltfreundlichste         Flusskraftwerken und Speicherkraftwerken       Zeitung». Diese «mechanistische Sicht» ver-
                                         Energie ist jene, die nicht gebraucht wird.»   in den Bergen und 42 Prozent von den fünf      kenne, dass eine Verknappung des Stroman-
                                         Das Bonmot von Bundesrat Moritz Leuen-         Atomkraftwerken (die restlichen Prozente       gebots zu höheren Preisen führen und so die
                                         berger ist schon hundertmal in Reden von       kommen von der Abfallverwertung, Klein-        Nachfrage senken würde. Steigende Energie-
                                         Politikern und Managern zum Thema Ener-        kraftwerken und von erneuerbaren Ener-         preise hätten zudem den «willkommenen
                                         gie verwendet worden. Allerdings ohne nach-    gien). An der Steckdose sieht die Realität     Nebeneffekt, dass bis dahin unwirtschaft-
                                         haltige Wirkung: Im Zeitraum von 2000 bis      indes anders aus: Weil unser Land im inter-    liche Energieträger und Technologien markt-
                                         2006 (neuste Zahlen) ist der gesamte Ener-     nationalen Stromhandel aktiv ist, sauberen     fähig werden». Der Autor erinnert an den
                                         gieverbrauch in der Schweiz um 3,5 Prozent     Wasserstrom exportiert und nicht ökolo-        marktwirtschaftlichen Leitspruch «Scarcity
                                         angestiegen. Den grössten Zuwachs gab es       gischen Atom- und Kohlestrom importiert,       is the mother of invention».
                                         beim Stromverbrauch, nämlich um volle          verbleiben nur 34 Prozent Wasserenergie           Mit der angedrohten Stromlücke in der
                                         zehn Prozent. Seit dem Jahr 1990 ver-          gegenüber 60 Prozent Atom- und Kohle-          Elektrizitätswirtschaft gehen die grünen Kri-
                                         brauchten die Eidgenossen jedes Jahr ein bis   strom.                                         tiker hart ins Gericht. Die Schweizerische
                                         zwei Prozent mehr elektrische Energie. Die                                                    Energie-Stiftung (SES) spricht von einer
                                         Gründe sind schnell zur Hand: mehr Men-        Lücke in der Stromversorgung?                  «Panikmache», um die fünf bestehenden
                                         schen, mehr wirtschaftliches Wachstum,         «Die Versorgung der Schweiz mit fossilen       Atomkraftwerke möglichst lange am Netz zu
                                         mehr Wohlstand, aber auch Absurditäten         Energien, also mit Erdöl und Erdgas, sollte    halten. Denn jedes zusätzliche Betriebsjahr
                                         wie wartende Kaffeemaschinen, hungrige         bis zum Jahr 2020 gesichert sein», sagte       über die erlaubte Laufzeit hinaus führe zu
                                         Elektroheizungen und der Stand-by-Leer-        Walter Steinmann, Direktor des Bundes-         hohen Mehreinnahmen. Und so tönt es beim
                                         lauf vieler elektrischer Geräte.               amtes für Energie. Und das gelte bis zu je-    WWF Schweiz: «Es geht den Stromkonzer-
                                           Die gesamte Energieversorgung der            nem Zeitpunkt auch für die Versorgung mit      nen mehr um das lukrative Spitzenstrom-Ge-
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         Schweiz von 2006 zeigt dieses Bild: Vier       elektrischer Energie. Beim Blick in die Zu-    schäft mit dem Ausland als um die Sicherung
                                         Fünftel entfallen auf fossile Brenn- und       kunft orten wirtschaftsnahe Kreise und das     der schweizerischen Stromversorgung.»
                                         Treibstoffe für Heizwärme, industrielle Pro-   zuständige Bundesamt für die Zeit nach            Die Schweiz ist in der Tat eine Dreh-
                                         zesswärme und den Verkehr, ein Fünftel wird    2020 eine Lücke zwischen inländischer Pro-     scheibe des europäischen Stromhandels. Al-
Foto: Keystone

                                         vom Strom gedeckt. Rund 53 Prozent der in-     duktion und inländischer Nachfrage. Zwei       lein die zur Axpo-Gruppe gehörende Elekt-
                                         ländischen Stromerzeugung stammen von          Faktoren sind dafür massgebend: die schritt-   rizitäts-Gesellschaft Laufenburg (EGL)
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
8                    ENERGIE FÜR DIE SCHWEIZ

                                         verschob im Geschäftsjahr 2007 insgesamt        Vorhaben in unserem Land – Atomkraft-             heit getragen. «Der Kraftwerkbetreiber wird
                                         67 Milliarden kWh Strom – mehr als die          werke wie atomare Endlager – unterliegen          subventioniert, so dass die Kernenergie ge-
                                         Schweiz in einem Jahr verbraucht. Mit güns-     einem langen gesetzlichen Verfahren.              genüber anderen Energieformen bevorzugt
                                         tiger Energie aus Atomkraftwerken wird                                                            wird», attestiert die atomfreundliche Avenir
                                         Wasser in die hoch gelegenen Speicherseen       Sicherheit und Haftung                            Suisse.
                                         gepumpt und die so gewonnene Spitzenener-       Fragen zu den geplanten Atomkraftwerken
                                         gie zu teureren Preisen verkauft. «Der          gibt es manche – vor allem zur Sicherheit         Ungelöstes Abfallproblem
                                         Stromhandel ist zweifellos ein gutes Ge-        und zur Endlagerung der radioaktiven Ab-          Die Entsorgung radioaktiver Abfälle ist das
                                         schäft», sagte Axpo-Chef Heinz Karrer.          fälle.                                            Kardinalproblem der Atomenergie. Seit der

                                         Europas Strom aus Atom: Realität und Zukunft.                                                     Alternative Energieproduktion.

                                         Umstrittene Atomenergie                            Wenn es um die Sicherheit von Atomkraft-       zivilen Nutzung der Atomkraft haben sich
                                         Fünf Atomkraftwerke sind in der Schweiz         werken geht, streiten sich Gegner und Be-         weltweit 300 000 Tonnen hoch radioaktiven
                                         im Betrieb – die kleineren Anlagen von Bez-     fürworter besonders heftig. In der Schweiz        Materials angesammelt (davon 2000 Tonnen
                                         nau I und Beznau II im Kanton Aargau so-        gilt die gesetzliche Regel, dass das Risiko für   waffenfähiges Plutonium), und mehr als
                                         wie Mühleberg im Kanton Bern und die zwei       einen Schaden im Reaktorkern pro Betriebs-        10 000 Tonnen kommen jedes Jahr neu dazu.
                                         grösseren Werke im solothurnischen Gös-         jahr nicht höher sein darf als 1 zu 100 000.      Weltweit ist noch kein geologisches Tiefen-
                                         gen (970 Megawatt Leistung) und im aar-         Neue Anlagen der «dritten Generation» (wie        lager für hoch aktive Abfälle in Betrieb. Der
                                         gauischen Leibstadt (1030 MW). Die ge-          sie bei uns geplant sind) müssten sogar eine      grösste Teil des Atommülls strahlt in Was-
                                         setzliche Laufzeit dieser Werke endet           Kernschmelze, den grössten möglichen Un-          serbecken von «Zwischenlagern» nahe den
                                         zwischen 2020 und 2045. Nicht weniger als       fall, bewältigen können, erklärte Anton           Reaktoren. Die Lagerung hoch aktiver Ab-
                                         drei Gesuche für neue Atomkraftwerke sind       Treier von der Hauptabteilung des Bundes          fälle aus Atomkraftwerken muss auf einen
                                         im letzten Jahr auf dem Tisch von Energie-      für die Sicherheit von Kernanlagen. Aber es       Zeithorizont von einer Million Jahre ausge-
                                         minister Leuenberger gelandet: Der Strom-       könne «nicht vollständig garantiert werden,       legt sein, die Entsorgung schwach- und mit-
                                         riese Atel will Gösgen II bauen, die Strom-     dass es bei einem schweren Störfall zu keiner     telaktiver Abfälle auf 10 000 Jahre. «Für so
                                         konzerne Axpo und Bernische Kraftwerke          Freisetzung von Radioaktivität kommt».            lange Zeiträume eine endgültige Lösung fin-
                                         planen neue Atommeiler in Beznau und in            Die Kernschmelze des Reaktors mit gros-        den zu wollen, grenzt an Science-Fiction»,
                                         Mühleberg. Mit einem neuen Atomkraft-           sen Schäden für Mensch und Umwelt wäre            meint Jürg Buri von der Schweizerischen
                                         werk von 1600 MW Leistung könnten Bez-          der «Worst Case» beim Betrieb eines Atom-         Energie-Stiftung.
                                         nau I und Beznau II sowie Gösgen gleichzei-     kraftwerkes. Schweizer Betreiber solcher             Nach dem schweizerischen Kernenergie-
                                         tig ersetzt werden.                             Anlagen müssen eine Haftpflichtversiche-           gesetz müssen radioaktive Abfälle «grund-
                                            Die drei Projekte haben Gemeinsam-           rung mit einer Deckungssumme bis zu 1 Mil-        sätzlich» im Inland entsorgt werden. Die Su-
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         keiten: den Europäischen Druckwasserreak-       liarde Franken abschliessen. Für weiter           che nach geeigneten Lagerstätten dauert in
                                         tor EPR-3, relativ niedrige Kühltürme ohne      reichende Schäden tritt der Bund bis zu           unserem Land schon dreissig Jahre. Die Na-
                                         grosse Dampfschwaden, Kosten von 6 bis 7        1 Milliarde Franken als Versicherer auf (ge-      tionale Genossenschaft für die Lagerung ra-
                                         Milliarden Franken, geeignete Standorte und     plant ist eine Erhöhung auf 1,8 Milliarden        dioaktiver Abfälle (Nagra) hält den Bau eines
Bilder: Keystone

                                         Akzeptanz bei der Wohnbevölkerung (aus-         Franken). Die auf den Bund entfallenden           Endlagers für radioaktive Abfälle in rund 600
                                         genommen Mühleberg). Aber alle nuklearen        Kosten werden letztlich von der Allgemein-        Meter Tiefe im sogenannten Opalinusge-
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
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                                         stein für machbar. Gemäss der Regierung ist     Millionen Franken. Aber es gibt zwei gewich-   0,8 Prozent von der Erdwärme, aber nur 0,13
                                         damit der gesetzlich verlangte «Entsorgungs-    tige Nachteile – die Brennstoffkosten und      Prozent von der Sonnenenergie und ganze
                                         nachweis» für abgebrannte Brennelemente         die Umweltbelastung.                           0,004 Prozent von der Windenergie.
                                         und hoch aktive Abfälle erbracht. Ziel der         Die Brennstoffkosten machen 72 Prozent        Nun soll die «grüne Energie» auch bei uns
                                         Regierung ist ein Endlager für schwach- und     der Produktionskosten aus, was eine hohe       gefördert werden. Die Energiepolitik hat das
                                         mittelaktive Abfälle bis 2030 und für hoch      Abhängigkeit vom Erdgaspreis bedeutet. «Je     Ziel gesetzt, mit Sonnenenergie (Photovol-
                                         aktiven Müll bis 2040.                          unsicherer die Gaspreise sind, desto unsi-     taik) und Windenergie, Kleinwasserkraft-
                                                                                         cherer sind die Preise für Strom» (Avenir      werken, Erdwärme und Biomasse bis 2030
                                         Die Nagra im Kreuzfeuer                         Suisse). Und was ist mit der Versorgung der    immerhin zehn Prozent des heutigen Strom-
                                         Als die Nagra im vergangenen Herbst sechs       Schweiz mit Erdgas, das 12 Prozent des ge-     verbrauchs bereitzustellen. Wie in anderen
                                         mögliche Standorte für den Atommüll             samten Energieverbrauchs abdeckt? «Dank        Ländern wird der noch relativ teure Öko-
                                         nannte, reagierten alle betroffenen Kantone     geografisch breit abgestützter Beschaffung      strom künstlich verbilligt: Seit Anfang Jahr
                                         und Regionen mit empörtem Widerstand.           ist unsere Versorgung gut abgesichert», er-    zahlen alle Konsumenten 0,45 Rappen pro
                                         Vom Zürcher Weinland bis zum aargauischen       klärt Geschäftsleiter Ruedi Rohrbach von       Kilowattstunde in einen Fonds, aus dessen
                                         Bözberg und zum Jura-Südfuss gab es deut-       Swissgas. Das in unserem Land genutzte         Mitteln der grüne Strom bei seiner Einspei-
                                         lichen Widerspruch. Auch aus Süddeutsch-        Erdgas wird zu drei Vierteln in Westeuropa     sung in das Strommetz 20 bis 25 Jahre lang
                                         land und Vorarlberg kamen ablehnende Re-        gefördert, vor allem in Norwegen und den       verbilligt wird. Nur mit dieser staatlichen
                                         aktionen. Für eine Rahmenbewilligung für        Niederlanden. Mit russischen Produzenten       Hilfe können neue umweltfreundliche Pro-
                                         ein atomares Endlager ist das eidgenössische    gibt es keine Lieferverträge, dennoch liegt    jekte und Technologien eine Marktchance
                                         Parlament zuständig. Bei einem Referendum       der Anteil an russischem Erdgas an unseren     haben. Das Parlament mit seiner starken
                                         liegt das letzte Wort beim Schweizervolk –      Gasimporten bei 21 Prozent.                    Lobby aus der Elektrizitäts- und Atomwirt-
                                         kaum vor dem Jahr 2019.                            Gaskraftwerke belasten die Umwelt mit       schaft hat allerdings die Obergrenze dieser
                                            Auch wenn die Pläne der Nagra auf Wider-     dem Treibhausgas Kohlendioxid. Das Parla-      Subvention eng gesetzt. Die verfügbaren 250
                                         stand stossen, eine Anerkennung bleibt ih-      ment verlangte die vollständige Kompensa-      Millionen Franken waren schon in kurzer
                                         ren Fachleuten: Wenn Forscher im Ausland        tion dieser Emissionen, namentlich durch       Zeit mit Projektgesuchen erreicht. Jetzt
                                         nach Endlagern für den Atommüll suchen,         den Zukauf von sogenannten Emissionszer-       steht eine Erhöhung der Abgabe auf 0,6 Rap-
                                         besuchen sie zwei Felskavernen der Nagra        tifikaten. Mit dem Ertrag aus solchen Zerti-    pen pro Kilowattstunde auf der politischen
                                         am Grimselpass und nahe dem mittelalter-        fikaten werden kohlendioxidsparende Tech-       Traktandenliste.
                                         lichen Jura-Städtchen Saint-Ursanne. Ob         niken im Inland und Ausland finanziert. Die       «Es ist möglich, die ganze Schweiz im nächs-
                                         Granit oder Tongestein, beide Gesteins-         Kosten für den Kauf von CO2-Zertifikaten        ten Jahrzehnt mit erneuerbaren Energien
                                         schichten halten die Nagra-Fachleute für        sind im Ausland tiefer als im Inland. Bei      zu versorgen», erklärt der SP-Nationalrat
                                         ideale Tiefenlager mehrere Hundert Meter        einem Auslandanteil von 50 Prozent könnte      Rudolf Rechsteiner. Mit dem heutigen
                                         im Berg. «Die Geologie gibt uns die Sicher-     das geplante Gaskraftwerk in Chavalon im       System zur Förderung dieser Energien drohe
                                         heit für Jahrtausende.»                         Wallis gemäss dem Stromkonzern EOS ge-         die Schweiz aber den Anschluss zu verlieren.
                                            Die allfälligen Chancen für neue Atom-       baut werden.                                   Der Basler Politiker verlangt die unbe-
                                         kraftwerke in der Schweiz beurteilte Ener-        Aber auch gegen Gaskraftwerke gibt es        schränkte Einspeisung von subventioniertem
                                         gieminister Moritz Leuenberger so: «Eine        Widerstand. Linke und grüne Kreise setzen      Ökostrom in das Netz – wenn nötig mit
                                         Mehrheit der Stimmbürger für neue Kern-         vorrangig auf erneuerbare Energien, ein Gas-   einer eidgenössischen Volksinitiative.
                                         kraftwerke wird sich nur bilden, wenn           kraftwerk kommt für sie nur beim Verzicht
                                         wirklich alles Erdenkliche für die Energie-     auf Atomkraft in Frage. Bürgerliche Parteien   DOKUMENTATION
                                                                                                                                        Urs Meister: Strategien für die Schweizer Elektrizitäts-
                                         effizienz und für erneuerbare Energien un-       sind zumeist gegen fossile Kraftwerke, weil    versorgung im europäischen Kontext. Zürich 2008,
                                         ternommen worden ist.» Und: «Eine Volks-        sie die Atomenergie fördern wollen. Für den    Avenir Suisse (www.avenir-suisse.ch)
                                         abstimmung wird schwierig zu gewinnen sein,     WWF Schweiz haben Gaskraftwerke «in un-        Die Zukunft der Elektrizitätsversorgung in der Schweiz.
                                                                                                                                        Zürich 2009, The Energy Consulting Group
                                         solange die Problematik der Endlagerung der     serer Klimapolitik keinen Platz».              (www.the-ecgroup.com/publ.htm)
                                         radioaktiven Abfälle nicht gelöst ist.»                                                        Schweizerische Energie-Stiftung: Magazin Energie
                                                                                                                                        und Umwelt, Zürich 2007/08. Verschiedene Themen
                                                                                         Erneuerbare Energien                           zu erneuerbaren Energien und zur Atomenergie
                                         Gaskraftwerke als Lösung?                       Was leisten in unserem Land erneuerbare        (www.energiestiftung.ch)
                                                                                                                                        Dokumentationszentrum www.doku-zug.ch
                                         Könnte ein Gas-Grosskraftwerk, das Gastur-      Energien wie die Wasserkraft und die soge-
                                         binen und Dampfturbinen zur Stromerzeu-         nannt neuen erneuerbaren Energien von
                                         gung nutzt, an die Stelle von Atomkraftwer-     Sonne und Wind, Erdwärme und Biomasse?
                                         ken treten? Manches spricht für diese           Der ökologische Strom aus allen diesen
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                                         moderne Technologie: Ein hoher technischer      Quellen deckt 56 Prozent der gesamten
                                         Wirkungsgrad von etwa 55 Prozent, die           Stromproduktion, hauptsächlich dank der
                                         Kraftwerkgrösse von rund 400 MW, die Pro-       Wasserkraft. Auch beim Stromverbrauch ist
                                         duktion von Grundlastenergie rund um die        der Beitrag der neuen erneuerbaren Ener-
                                         Uhr, die kurze Realisierungszeit von nur drei   gien mit 5,7 Prozent noch sehr bescheiden –
                                         Jahren, die mässigen Baukosten von etwa 380     3,7 Prozent stammen von Holz und Biogas,
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER - Braucht die Schweiz Atomkraftwerke? Schweizer Wirtschaft ist in einer guten Verfassung In Lausanne fährt ...
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                                         «Die Schweizer Wirtschaft befindet sich in guter Form»
                                         Als die amerikanische Immobilienblase zerplatzte, kam es zur Finanzkrise,
                                         welche zur weltweiten Wirtschaftskrise führte. Wie schlimm ist die Krise
                                         wirklich? Und welches sind die Folgen für die Schweiz? Wir fragten den Basler
                                         Wirtschaftsprofessor Silvio Borner. Interview Heinz Eckert

                                         «SCHWEIZER REVUE»:                                                                                                 effiziente Instrumente, die man
                                         Sind Sie von der Krise                                                                                             damals noch nicht kannte, und
                                         überrascht worden?                                                                                                 die Währungen sind nicht mehr
                                           SILVIO BORNER: Ja. Ei-                                                                                           an den Goldstandard gebunden.
                                         gentlich schon. Obwohl uns                                                                                         Auch die Rahmenbedingungen
                                         Ökonomen bewusst war, dass es                                                                                      waren ganz anders als heute. Die
                                         spekulative Blasen gab, konnte                                                                                     Wirtschaft war noch nicht glo-
                                         das Platzen nicht vorausgesagt                                                                                     balisiert, und es ist unklar, wie
                                         werden. Auch das Ausmass war                                                                                       die damalige Krise überwunden
                                         überraschend. Sonst hätte ich                                                                                      werden konnte. War es wirklich
                                         mein bescheidenes Aktien-                                                                                          der New Deal von Roosevelt
                                         portefeuille im richtigen Zeit-                                                                                    oder vielleicht doch der Zweite
                                         punkt verkauft.                                                                                                    Weltkrieg, für den aufgerüstet
                                                                                                                                                            werden musste?
                                         Welche Blasen hat man im Auge
                                         gehabt?                                                                                                             Wird im Moment übertrieben?
                                           Zum Beispiel die Immobili-                                                                                        Viele grosse Schweizer
                                         enblase. Dass ihr Platzen aller-                                                                                    Unternehmen befinden sich
                                         dings zu einer weltweiten Krise                                                                                      doch in Topform.
                                         führen konnte, kam schon sehr                                                                                          Das stimmt schon. Die
                                         überraschend. Die Blasen in den         SILVIO BORNER                                                               Schweizer Wirtschaft ist in einer
                                         USA, England und Spanien wa-            Silvio Borner, geboren 1941, ist Professor für Nationalökonomie             sehr guten Form und wird die
                                         ren schon lange bekannt. Ich            an der Universität Basel und Leiter der Abteilung Wirtschaft und            Krise gut überstehen. Zudem:
                                         muss aber immer daran erinnern,         Politik am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ), Basel.              Wenn die EU für 2009 einen
                                         dass wir Anfang der Neunziger-          Seit mehr als 30 Jahren lehrt er in Basel Wirtschaft und Politik und        Rückgang des Bruttoinlandspro-
                                         jahre in der Schweiz auch 100           bezeichnet sich selber als einen der letzten Allrounder des Fachs.          dukts (BIP) um 1,9 Prozent prog-
                                         Milliarden im Immobilienbe-             Er ist ausserdem Mitglied im Leitungsausschuss von Avenir Suisse            nostiziert, so dürfen wir nicht
                                         reich abschreiben mussten. So           in Zürich, VR-Präsident der Patria-Genossenschaft in Basel, und             vergessen, dass wir während der
                                         gesehen ist das Ausmass der Im-         Präsident des Stiftungsrates Helvetia Patria Jeunesse.                      letzten Jahre immer Zuwachsra-
                                         mobilienkrise in den USA im                                                                                         ten von ein bis zwei Prozent ver-
                                         Verhältnis gar nicht so gross. Überrascht hat       kenkrise geworden, und das ist jetzt das           zeichnen konnten. Wir leiden momentan auf
                                         die rasche Ausbreitung und die Tiefe der            grösste Problem. Wenn es nur um fehlende           einem sehr hohen Niveau. Ich finde manch-
                                         Krise.                                              Liquidität gegangen wäre, hätten die Noten-        mal, man habe von Staates wegen fast zu viel
                                                                                             banken das Problem lösen können. Aber die          getan und fast panisch reagiert. Man sollte
                                         Gibt es Schuldige für die Krise?                    Banken waren eben in ihrer Substanz getrof-        nicht übertreiben.
                                           Wir Ökonomen sind keine Moralisten. Ich           fen, sie hatten kein Geld mehr und mussten
                                         möchte weder von übertriebener Gier noch            rekapitalisiert werden. In diesem Fall fehlen      Selbst der Präsident der Schweizerischen
                                         von Abzockern reden und auch nicht fest-            auch die privaten Investoren. Deshalb gin- Nationalbank hat gesagt, die Schweizer
                                         stellen, dass die Kontrollen versagt haben.         gen ein paar Banken ein, andere wurden vom         Wirtschaft werde die Krise sehr gut
                                         Das greift alles zu kurz. Es hat immer Finanz- Staat gerettet.                                         überstehen.
                                         krisen gegeben und es wird sie immer wieder                                                              Abgesehen davon, dass der Nationalbank-
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         geben. Es war einfach so, dass der ganze Fi- Wie tauglich sind die Vergleiche mit der Krise            präsident im Moment die Krise nicht mit ne-
                                         nanzmarkt mit den verschiedenen Anlage-             von 1929?                                          gativen Aussagen schüren darf, stimme ich
                                         produkten so gross und kompliziert gewor-             Vergleiche mit der ersten Weltwirtschafts-       dem zu. Wir haben nicht nur eine starke
                                         den war, dass den Verantwortlichen schlicht         krise sind nur sehr beschränkt möglich. Da- Wirtschaft, sondern auch keine Immobilien-
Foto: Keystone

                                         die Übersicht abhanden gekommen ist.                mals war ja alles ganz anders. Die Noten-          krise. Das Problem fokussiert sich bei uns ei-
                                         Schliesslich ist die Finanzkrise zu einer Ban-      banken verfügen heute über neue und                gentlich nur auf den Finanzsektor.
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                                         Wie meinen Sie das?                               spät. Leider. Und dann spielt halt eine grosse        Nein, sonst hätten auch die Postkutschen
                                            Rückblickend sind wir ja alle gescheiter.      Rolle, für was sie eingesetzt werden. Wenn          gerettet werden sollen. 1896 wurde die ame-
                                         Aber die Schweizer Banken hätten sich im-         sie in langfristige Infrastruktur investiert wer-   rikanische Börse gegründet. Von den Grün-
                                         mer auf ihr Kerngeschäft, die Vermögensver-       den, dann ist es gut. Für mächtige Interessen-      dungsfirmen besteht heute nur noch Gene-
                                         waltung, beschränken müssen. Das können           ten sind Konjunkturprogramme jedoch ein             ral Electric. Es werden immer wieder grosse
                                         sie gut und das gehört zur Swissness, die bei     gefundenes Fressen: Endlich können sie ihre         Unternehmen verschwinden, wie die Flug-
                                         den Grossbanken in den letzten Jahren ver-        bisher als unwirtschaftlich abgelehnten Lieb-       gesellschaften Pan American oder Trans
                                         loren gegangen ist. Der Finanzplatz Schweiz       lingsprojekte vom Staat finanzieren oder zu-         World Airlines. Nicht nur in den USA. Da-
                                         erträgt doch keine zwei Investmentbanken,         mindest subventionieren lassen. Wenn das            rin sah der österreichische Ökonom Joseph
                                         die zu den grössten der Welt gehören. Das         Geld in Sozial- oder Ökoromantik investiert         Schumpeter als Chance die «schöpferische
                                         ist grössenwahnsinnig. Ich möchte die Krise       wird, finde ich es nicht gut.                        Zerstörung». Aus der Basler Seidenband-
                                         nicht herunterspielen, aber auch nicht dra-                                                           industrie sind ja auch die heutigen Basler
                                         matisieren. Wenn die Schweizer Gross-             Was meinen Sie damit?                               Chemiemultis entstanden.
                                         banken schrumpfen, kann das für den Fi-             Wenn damit beispielsweise Basel zur So-
                                         nanzplatz Schweiz nur gut sein.                   larstadt umfunktioniert werden sollte.              Warum verdient denn die Finanzbranche eine
                                                                                                                                               Sonderbehandlung?
                                         Für Sie als Neoliberaler müssen die staatlichen   Die USA haben auch die Autoindustrie                   Der Zusammenbruch der Finanzbranche
                                         Eingriffe der jüngsten Zeit ja ein Gräuel sein.   vor dem Konkurs gerettet. Finden Sie diese          beinhaltet Systemrisiken; das heisst, die
                                           Auch ein Neoliberaler will nicht ohne Staat     Intervention denn gerechtfertigt?                   ganze Wirtschaft könnte Gefahr laufen zu-
                                         wirtschaften. Vor allem nicht im Bankge-            Das ist eben der Fluch. Die staatlichen In-       sammenzubrechen. Es gibt aber auch in der
                                         schäft. Nichts ist so stark reguliert wie der     terventionen im Finanzsektor haben auch             Finanzbranche strukturelle Fehlentwick-
                                         Finanzsektor. Das heisst, dass bei der Finanz-    den Appetit anderer Branchen geweckt, die           lungen, wie das Beispiel UBS zeigt. Es spricht
                                         krise auch der Staat versagt hat. Wir brau-       in Schwierigkeiten stecken. Wichtig ist je-         auch einiges dafür, dass überall redimensio-
                                         chen nicht mehr Regulierung, sondern eine         doch, dass der Strukturwandel nicht behin-          niert werden muss. So muss aufgepasst wer-
                                         bessere, effizientere Aufsicht der Banken.         dert wird. Der US-Autoindustrie geht es             den, dass die staatlichen Feuerlöschaktionen
                                         Wer nach mehr Regulierung ruft, darf nicht        schon lange schlecht. Ihre Produkte sind            die notwendige Strukturbereinigung mittel-
                                         vergessen, dass die Banken so kreativ sind,       nicht mehr zeitgemäss, von Innovation ist           fristig nicht unterbinden. So muss man sich
                                         dass sie immer wieder Mittel und Wege fin-         keine Spur zu entdecken. Ob sie nun für län-        im Nachhinein die Frage stellen, ob die UBS
                                         den, um auch neue Hindernisse und Vor-            gere Zeit über dem Berg ist, bleibt fraglich.       nicht sofort geordnet redimensioniert hätte
                                         schriften legal zu umgehen. Es ist wie im                                                             werden sollen, ob das Investmentgeschäft
                                         Doping: Die Kontrollen hinken dem medizi-         Mit den staatlichen Interventionen sollen vor       nicht besser verkauft worden wäre. Aber
                                         nischen Fortschritt immer hinterher.              allem auch Arbeitsplätze gerettet werden. Ist       mitten in der Krise war das ja nicht mehr
                                                                                           das kein Argument?                                  möglich.
                                         Wurde denn falsch reagiert, indem die UBS
                                         vom Staat 68 Milliarden Franken bekommen
                                         hat?
                                            Man kann sich wirklich fragen, ob die          DIE DREI KRISEN                    Programme zur Ankurbelung        häuft, die die Zukunft schwer
                                         Schweiz unbedingt zwei Grossbanken                   Prof. Dr. Silvio Borner: «Ab-   der Konjunktur berechtigen       belasten und im extremen
                                         braucht. Das Land braucht zum Überleben           gesehen von der Finanzkrise        zur Hoffung, dass in der         Fall zu neuen – diesmal staat-
                                         die UBS so wenig, wie sie die Swissair ge-        war der Konjunkturzyklus           zweiten Hälfte 2009 oder         lichen – Finanzkrisen führen
                                         braucht hat. «Was wir brauchen, ist ein inter-    2007/2008 ohnehin am obe-          spätestens im 2010 auch der      könnten.
                                         nationaler Flughafen. Alles andere ergibt sich    ren Wendepunkt angelangt.          untere Wendepunkt des Kon-          Zudem hat sich der Staat
                                         von selbst.» Das haben wir schon bei der          Doch jetzt droht das Zusam-        junkturzyklus durchschritten     grosser Teile der ehemals pri-
                                         Swissair-Krise gesagt und Recht bekommen.         mentreffen mit dem grössten        werden wird. Beide Annah-        vaten Finanzunternehmen
                                            Ich hätte die Entscheidung für die 68 Mil-     Desaster der Finanzmärkte in       men sind optimistisch, aber      bemächtigt und betreibt nun
                                         liarden nicht fällen wollen. Was mir zu den-      eine schwere Rezession aus-        nicht unrealistisch. Sind wir    politisch motivierte Investi-
                                         ken gibt, ist nicht der Umstand, dass der Staat   zuarten. Einige sprechen so-       dann alle Sorgen los? Leider     tionslenkung. Verstaatlichte
                                         der UBS minderwertige Papiere abgekauft           gar in Anlehnung an die            nicht, denn dann geht viel-      Banken haben in der Vergan-
                                         hat, sondern dass sie sich mit sechs Milliarden   1930er-Jahre von einer De-         leicht die Wachstumskrise        genheit viel Unheil produ-
                                         am Aktienkapital beteiligt hat. Das stösst pri-   pression. Ich bin der Ansicht,     erst recht wieder los. Dieses    ziert. Finanzhilfen und Kon-
                                         vate Anleger ab. Denn an einem Staatsbetrieb      dass die Finanzkrise dank der      Risiko besteht nicht trotz der   junkturspritzen behindern
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         wollen sich die wenigsten beteiligen.             gigantischen staatlichen           historisch einmaligen staat-     oder verhindern gar die drin-
                                                                                           Spritzen von Notenbanken           lichen Hilfsaktion, sondern      gend notwendigen Struktur-
                                         Was halten Sie von den staatlichen Program-       und Finanzministerien lang-        gerade deswegen. Der Grund:      anpassungen innerhalb
                                         men, die Konjunktur anzukurbeln?                  sam Boden findet. Die im            Der Staat hat sich vielleicht    und ausserhalb des Finanz-
                                           Ich frage mich, ob sie viel helfen. Bis sie     historischen Vergleich eben-       selber finanziell übernommen      sektors.»
                                         spruchreif werden, kommen sie meistens zu         falls enormen staatlichen          und Schuldenberge ange-
12           POLITIK

                                         Definitives Ja zum freien Personenverkehr                                                       Kommentar:
                                         Deutlicher als erwartet haben die Stimmberechtigten der Fort-                                  Glaubwürdige Schweiz
                                         führung der Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union                                   Wenn Schweizerinnen und Schweizer vor ei-
                                         zugestimmt. Gleichzeitig weiteten sie das Abkommen auf                                         ner Abstimmung Zweifel plagen, legen sie in
                                                                                                                                        der Regel ein Nein in die Urne. Nach der Ab-
                                         Bulgarien und Rumänien aus. Bei einer Stimmbeteiligung von                                     stimmung vom 8. Februar lässt sich daher sa-
                                         51 Prozent legten 60 Prozent ein Ja in die Urne. Von René Lenzin                               gen: Am bilateralen Weg in der Europapolitik
                                                                                                                                        gibt es keine Zweifel mehr. Sechs von zehn
                                         Das Thema Europa vermag die Stimmbe-           sieben Jahre abgeschlossen hatten. Als das      Stimmenden haben die Weiterführung des
                                         rechtigten nach wie vor zu mobilisieren.       Parlament die Weiterführung des Vertrags        freien Personenverkehrs sowie dessen Aus-
                                         Zum ersten Mal seit September 2005 über-       mit der Ausdehnung auf Bulgarien und Ru-        dehnung auf Bulgarien und Rumänien gut-
                                         schritt die Beteiligung an einer eidgenös-     mänien verknüpft hatte, ergriffen verschie-     geheissen. Das sind deutlich mehr, als vor
                                         sischen Volksabstimmung am 8. Februar wie-     dene Rechtsparteien erfolgreich das Refe-       gut drei Jahren die Erweiterung des Abkom-
                                         der die 50-Prozent-Marke. Beide Male ging      rendum. Mit dem Ja des Volkes ist nicht nur     mens auf die damaligen zehn neuen EU-
                                         es um den freien Personenverkehr: Damals       die Personenfreizügigkeit definitiv verankert,   Staaten befürwortet haben.
                                         hiess das Volk die Ausdehnung auf die zehn     sondern auch die sechs mit ihr verbundenen         Mit einem so klaren Ergebnis war nicht
                                         ost- und südeuropäischen Länder gut, die der   Abkommen der ersten bilateralen Verhand-        unbedingt zu rechnen. Denn die missliche
                                         EU frisch beigetreten waren. Nun befürwor-     lungsrunde. Sie regeln unter anderem den        Wirtschaftslage mit Aussicht auf eine länger
                                         tete es die Weiterführung des Abkommens        Land- und Luftverkehr, die Anerkennung          dauernde Rezession liess eine eher knappe
                                         sowie die Erweiterung auf Bulgarien und Ru-    von Diplomen und den Abbau von Handels-         Ausmarchung erwarten. Nichtsdestotrotz
                                         mänien. Die schrittweise Einführung der        hemmnissen.                                     hat die Bevölkerung zum fünften Mal jenen
                                         Personenfreizügigkeit mit den beiden                                                           Weg bekräftigt, den sie 1992 nach dem Nein
                                         jüngsten EU-Mitgliedern soll frühestens ab     Das fünfte Ja zum Bilateralismus                zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)
                                         1. April und mit einer siebenjährigen Über-    Der Bundesrat wertete das Votum als Sieg        eingeschlagen hatte.
                                         gangsfrist starten.                            für den Wirtschaftsstandort Schweiz und als        Die Verlierer dieses Abstimmungssonntags
                                            Die Zustimmung fiel höher aus, als Um-       Bekräftigung des bilateralen Weges. Tatsäch-    sind die Schweizerische Volkspartei und ihr
                                         fragen im Vorfeld hatten vermuten lassen.      lich hat das Volk zum fünften Mal Verträgen     Vordenker Christoph Blocher. Nach einem
                                         59,6 Prozent der Stimmenden sagten Ja, nur     zugestimmt, welche die Schweiz und Brüs-        wirren Zickzackkurs hat die Partei die Nein-
                                         gerade die vier Kantone Appenzell Innerrho-    sel abgeschlossen hatten. Im Mai 2000 pas-      parole beschlossen – wohl nicht zuletzt
                                         den, Glarus, Schwyz und Tessin lehnten die     sierte das erste bilaterale Verhandlungspaket   als Zugeständnis an die öffnungsskeptische
                                         Vorlage ab. Traditionell hoch war der Ja-      die Abstimmung mit 67,2 Prozent Ja; im Juni     Basis. Doch die anschliessende Kampagne,
                                         Stimmenanteil in der Westschweiz und in        2005 stimmten 54,6 Prozent dem Beitritt zu      die auf die Angst vor einem Kollaps des
                                         den städtischen Gebieten der Deutsch-          den Abkommen von Schengen und Dublin            Sozialstaats baute, hat nicht verfangen.
                                         schweiz. Diesmal zeigten sich aber auch die    zu; im Herbst des gleichen Jahres befürwor-     Blocher und seine Getreuen haben seinerzeit
                                         meisten ländlichen Kantone der Zentral-        teten 56 Prozent die Ausdehnung des freien      den Beitritt zum EWR knapp verhindern kön-
                                         und Ostschweiz öffnungsfreudiger als auch      Personenverkehrs auf die zehn neuen EU-         nen, und den EU-Beitritt haben sie für lange
                                         schon (siehe Karte).                           Staaten; und schliesslich sagten im Novem-      Zeit aus der politischen Agenda verbannt.
                                            Die Abstimmung war nötig geworden, weil     ber 2006 53,4 Prozent Ja zu Kohäsions-          Aber sie finden keine Mehrheit, wenn sie die
                                         die Schweiz und die EU das Abkommen über       beiträgen von einer Milliarde Franken für       schrittweise Annäherung an die Europäische
                                         den freien Personenverkehr vorerst nur auf     ebendiese Länder.                               Union über Abkommen in einzelnen Sach-
                                                                                                                                        fragen bremsen wollen.
                                         Ja-Stimmenanteil zum freien                                                                       Der Weg der bilateralen Verhandlungen
                                         Personenverkehr = 59,6%                                                                        mag zuweilen steinig und langwierig sein.
                                         Abgelehnt wurde die Vorlage                                                                    Aber er bleibt die einzige von der Bevölke-
                                         nur in den Kantonen Schwyz,                                                                    rung getragene Option in der Europapolitik.
                                         Glarus, Appenzell IR und Tessin.
                                                                                                                                        Schliesst der Bundesrat vernünftige Verträge
                                                                                                                                        ab, weiss er das Volk hinter sich. Manche Re-
                                                                                                                                        gierung in der EU wäre wohl froh, wenn sie
                                                                                                                                        ihre Integrationspolitik in der Bevölkerung
                                                                                                                                        ebenso tief verankert wüsste. Diese direkt-
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                                                                                                                                        demokratisch abgestützte Kontinuität macht
                                                                                                                                        die Schweiz zum zuverlässigen und glaub-
                                                                                                                                        würdigen Partner für die Union. Und sie gibt
                                                                                                                                        dem Bundesrat die Kraft, in künftigen Ver-
                                                                                                                                        handlungen mit dem nötigen Selbstver-
                                                                                                                                        trauen aufzutreten.                 RENÉ LENZIN
POLITIK                                                                                                                                           13

                                         Bern und Brüssel streiten über Unternehmenssteuern                                                steuerungen von europäischen Firmen in der
                                                                                                                                           Schweiz. Seit Langem stören sich viele EU-
                                         Nach dem weiteren Ja zum freien Personenverkehr verhan-                                           Länder an den kantonal unterschiedlichen
                                         deln die Schweiz und die Europäische Union über Strom-                                            und teilweise sehr tiefen Steuern für Brief-
                                         transit und Agrarfreihandel. Zudem will die EU kantonalen                                         kastenfirmen, also Unternehmen, die in der
                                                                                                                                           Schweiz bloss eine Adresse, aber keine An-
                                         Steuerprivilegien für ausländische Firmen an den Kragen.                                          gestellten haben. Zudem kritisiert die EU
                                         Von René Lenzin                                                                                   die Ungleichbehandlung von in- und auslän-
                                                                                                                                           dischen Holdinggesellschaften in der Schweiz.
                                         Am 8. Februar hat das Schweizervolk das Ab-         Daneben laufen Gespräche über weniger         Erste dürfen keine eigene Geschäftstätigkeit
                                         kommen mit der EU über den freien Perso-         gewichtige Dossiers, die sich meist aus der      ausüben, zweite hingegen schon. Das erlaubt
                                         nenverkehr definitiv bestätigt und auf die        Weiterentwicklung des EU-Rechts ergeben.         ihnen, ihre Erträge im EU-Raum zu generie-
                                         neuen EU-Mitglieder Bulgarien und Rumä-          Um allfällige Anpassungen der Schweizer          ren, aber in Schweizer Fiskalparadiesen zu
                                         nien ausgedehnt (siehe Seite 12). Damit ist      Gesetze an solch neue Bestimmungen ratio-        versteuern.
                                         zwar ein grosser Brocken aus dem Weg der         neller vornehmen zu können, steht seit län-        Ultimativ verlangt Brüssel die Beseitigung
                                         bilateralen Beziehungen geräumt, aber fer-       gerer Zeit ein Rahmenabkommen für bilate-        solcher Steuerprivilegien, weil diese gegen
                                         tig gebaut ist die Strasse längst nicht. Vor     rale Verhandlungen zur Diskussion. Dabei         das Freihandelsabkommen von 1972 versties-
                                         allem in zwei Bereichen führen Bern und          handelt es sich um einen institutionalisier-     sen. Ohne Zugeständnisse in dieser Frage,
                                         Brüssel derzeit Verhandlungen über weitere       ten Dialog, der über die bereits existierenden   hat die EU signalisiert, gebe es keine Fort-
                                         Abkommen:                                        Expertengruppen in bestimmten Fachbe-            schritte in anderen Dossiers. Die Schweiz
                                         ■ Als Land im Herzen Europas und als wich-       reichen hinaus ginge. Aussenministerin           stellt zwar einen Konnex mit dem Abkom-
                                         tiger Produzent von Elektrizität nimmt die       Micheline Calmy-Rey hat ein solches              men von 1972 in Abrede und will auch nicht
                                         Schweiz eine zentrale Position im liberali-      Abkommen nach der Abstimmung vom                 über ihr Steuersystem mitsamt kantonaler
                                         sierten europäischen Strommarkt ein. Beide       8. Februar wieder aufs Tapet gebracht, doch      Autonomie verhandeln. Der Bundesrat ist je-
                                         Seiten streben daher ein Abkommen über           die Reaktionen der Parteien fielen eher kühl      doch bereit, der EU mit eigenständigen Re-
                                         den Stromtransit an.                             aus. Viele Politiker fürchten, die EU habe es    formen entgegenzukommen. Im Dezember
                                         ■ Verhandelt wird ausserdem über mehr            auf ein Gefäss für den automatischen Nach-       hat er dazu Vorschläge lanciert: Abschaffung
                                         Freihandel im Agrar- und Lebensmittel-           vollzug ihres Rechts durch die Schweiz ab-       der Briefkastenfirmen, Verbot der Ge-
                                         bereich. Es geht um den Abbau von Schutz-        gesehen. Das würde unser Land letztlich zu       schäftstätigkeit von ausländischen Holdings.
                                         zöllen und Kontingenten sowie um die An-         einer Art B-Mitglied der EU machen.              Noch ist offen, welche Auswirkungen diese
                                         gleichung von Produktionsvorschriften. Das                                                        Massnahmen auf den Wirtschaftsstandort
                                         Dossier ist innenpolitisch umstritten: Die       Verhandlungen, ohne zu verhandeln                hätten und ob sie die Gemüter in der EU zu
                                         Befürworter versprechen sich tiefere Konsu-      Das schwierigste Dossier in den Beziehungen      beruhigen vermögen.
                                         mentenpreise, die Gegner fürchten um die         zwischen Bern und Brüssel ist eines, über das
                                         Existenz vieler Bauern.                          offiziell gar nicht verhandelt wird: die Be-

                                         Fingerabdruck im Pass? Am 17. Mai stimmt das Volk über bio-                                       Speicherung der biometrischen Daten zu
                                         metrische Pässe und Komplementärmedizin ab. Von René Lenzin                                       wenig streng sei.

                                         Ab Ende dieses Jahres sollen alle Pässe so ge-   auch dessen Weiterentwicklung zu überneh-        «Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer
                                         nannt biometrische Daten enthalten. Kon-         men. Weil die Europäische Union biome-           Zuständigkeiten für die Berücksichtigung
                                         kret geht es um einen Chip, auf dem ein          trische Pässe für obligatorisch erklärt hat,     der Komplementärmedizin.» Diesen Satz
                                         Gesichtsbild und Fingerabdrücke des Pass-        vollzieht auch die Schweiz diesen Schritt.       will die Mehrheit des Parlaments gegen den
                                         inhabers gespeichert sind. Bundesrat und         Ausgelöst haben diese Entwicklung jedoch         Willen des Bundesrats in die Verfassung
                                         Parlament haben beschlossen, die Produk-         nicht die europäischen Staaten, sondern die      schreiben. Ziel ist es, alternativen Heilme-
                                         tion der bisherigen Pässe einzustellen und       USA. Nach den Anschlägen vom 11. Septem-         thoden wie der anthroposophischen Medi-
                                         neu nur noch biometrische Reisedokumente         ber 2001 haben sie die Immigrationsbestim-       zin, der Homöopathie, der Neuraltherapie,
                                         auszustellen. Die bisherigen Pässe bleiben       mungen verschärft. Wer bisher ohne Visum         der Pflanzenheilkunde oder der traditio-
                                         allerdings bis zum Ablaufdatum gültig. Ge-       einreisen durfte, darf dies nur noch mit         nellen chinesischen Medizin mehr Gewicht
                                         gen diesen Beschluss wurde das Referendum        einem biometrischen Pass.                        zu geben. Schul- und Komplementärmedi-
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         ergriffen, so dass nun das Volk entscheiden        Im Ständerat war der Beschluss praktisch       zin sollen enger zusammenarbeiten. Die neue
                                         muss.                                            unbestritten: Er wurde mit 36 zu 2 Stim-         Bestimmung ist der Gegenvorschlag zu einer
                                            Formal handelt es sich beim Beschluss um      men angenommen. Mehr Widerstand gab              noch weiter gehenden Volksinitiative, die in-
                                         den Nachvollzug von europäischem Recht.          es im Nationalrat, der im Verhältnis von 94      zwischen zurückgezogen wurde. Der Natio-
                                         Mit dem Beitritt zum Abkommen von                zu 81 zustimmte. Die Gegner bemängeln,           nalrat hat die Vorlage mit 152 zu 6 Stimmen
                                         Schengen hat sich die Schweiz verpflichtet,       dass der Datenschutz bei der zentralen           angenommen, der Ständerat mit 41 zu 0.
14           AUS DEM BUNDESHAUS

                                         «Wenn einer eine Reise tut …                                                         Beachten Sie, dass in einigen Ländern ein Pass noch mindestens
                                                                                                                              zwei freie, gegenüberliegende Seiten aufweisen muss, wenn Sie ein
                                         …, so kann er was erzählen.» Leider sind nicht immer alle Erleb-                     Visum beantragen.
                                         nisse im Zusammenhang mit einer Ferien- oder Geschäftsreise                             Falls Sie einen neuen Schweizer Pass benötigen, beantragen Sie
                                         positiv. Eine gute Reisevorbereitung lohnt sich und kann in vielen                   ihn rechtzeitig (mindestens sechs Wochen vor Nutzung) bei der
                                         Fällen Verdruss oder gar das Schlimmste verhindern.                                  Vertretung, bei der Sie immatrikuliert sind: www.eda.admin.ch
                                                                                                                              (Vertretungen). Provisorische Pässe können zwar ausgestellt
                                         Folgende Tipps sollen Ihnen helfen, die schönsten Wochen des Jah-                    werden, sind jedoch maximal zwölf Monate gültig, umfassen nur
                                         res vorzubereiten und zu geniessen:                                                  16 Seiten und kosten 100 Franken. Es existieren keine proviso-
                                                                                                                              rischen Pässe mit biometrischen Daten.
                                         Beschaffung von Informationen                                                           Bewahren Sie Ihren Pass zu Hause wie auch unterwegs sorgfältig
                                         Informieren Sie sich rechtzeitig über Ihr Ferienland mittels Reise-                  auf und schützen Sie ihn vor Diebstahl und Verlust. Bei Passverlust
                                         führern, Internet, Medien, Reisehinweisen des EDA (siehe Kasten)                     können sich vor der Reise vom Pass erstellte Kopien als hilfreich er-
                                         etc. Die Broschüre «Wenn einer eine Reise tut…» vom Eidgenös-                        weisen. Sie ersetzen aber weder den Originalpass noch die Abklä-
                                         sischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA bietet                        rungen der schweizerischen Vertretungen, die eine gewisse Zeit in
                                         Ihnen eine Fülle an bewährten Ratschlägen: www.eda.admin.ch/                         Anspruch nehmen können, insbesondere über ein Wochenende.
                                         reisehinweise, Kapitel «Tipps vor der Reise». Diese Broschüre kön-                   Verlangen Sie bei Passverlust von der Polizei einen Polizeirapport.
                                         nen Sie auf Deutsch, Französisch und Italienisch auch beim Bundes-                   Dieser ist für die Ausstellung eines provisorischen Passes sowie für
                                         amt für Bauten und Logistik, Bundespublikationen, CH-3003 Bern,                      die Annullierung Ihres gestohlenen Passes notwendig.
                                         bestellen.
                                                                                                                              Versicherungen
                                          Unter dem Begriff Reisehinweise veröffentlicht das EDA seine Einschätzung           Arzt- und Spitalkosten sind in vielen Ländern mit der Schweiz
                                          der Sicherheitslage in über 150 Ländern im Internet.
                                                                                                                              vergleichbar oder noch höher. Auch ein kurzer Spitalaufenthalt
                                          Die Reisehinweise konzentrieren sich auf die Einschätzung der Sicherheitslage in    oder gar eine Repatriierung können sehr kostspielig sein.
                                          den Bereichen Politik und Kriminalität. Sie weisen auf mögliche Risiken hin und
                                          empfehlen Vorsichtsmassnahmen für unterwegs. Schätzt das EDA die Gefahren in
                                                                                                                                 Klären Sie mit Ihren Versicherungen vor der Reise ab:
                                          einem Land oder Landesteil als besonders gross ein, rät es von Reisen dorthin ab.   ■ Wie ist die Versicherungsdeckung im Ausland?
                                          Die Reisehinweise konzentrieren sich also auf einen ganz spezifischen Aspekt des     ■ Müssen Sie die Rechnungen im Ausland selber bezahlen und erhal-
                                          Reisens. Für andere Aspekte nennen sie die zuständigen Stellen, beispielsweise
                                          für Auskunft über die Einreisevorschriften und über die Verbreitung von Krank-      ten erst später durch die Versicherung eine Rückvergütung?
                                          heiten. Die Reisehinweise werden in den drei Amtssprachen Deutsch, Französisch      ■ Besteht eine Annullierungsversicherung?
                                          und Italienisch publiziert, laufend überprüft und bei Änderungen der Lage-
                                          Einschätzung angepasst: www.eda.admin.ch/reisehinweise                                 Gegebenenfalls ist eine zusätzliche Kranken- und/oder Reisever-
                                                                                     ESTHER LEUPP, EDA, REISEHINWEISE         sicherung zu empfehlen.

                                         Reisedokumente                                                                       Geld
                                         Informieren Sie sich frühzeitig über die Einreisebestimmungen bei                    Wenn Ihnen das Geld ausgeht oder gestohlen wird, können Ihnen
                                         der Vertretung (Botschaft oder Generalkonsulat) Ihres Ferienlandes                   Angehörige oder Freunde innert kurzer Zeit Geld über Agenturen wie
                                         (die schweizerischen Vertretungen können Ihnen diesbezüglich keine                   zum Beispiel Western Union (www.westernunion.com) überweisen.
                                         Auskunft geben):
                                         ■ Ist ein Reisepass notwendig oder reicht eine Identitätskarte?                      Der Artikel musste aus Platzgründen stark gekürzt werden. Den
                                         (für EU: http://europa.eu/abc/travel/doc/index_de.htm)                               vollständigen Artikel können Sie auf www.revue.ch lesen. Wir hoffen,
                                         ■ Reicht ein maschinenlesbarer Pass oder ist ein biometrischer Pass                  dass diese Ratschläge zu einem unvergesslichen Urlaub beitragen, und
                                         notwendig? Genügt ein provisorischer Pass (gewisse Länder, wie zum                   wünschen Ihnen schöne Ferienerlebnisse und eine problemlose Reise!
                                         Beispiel Katar, Kuwait, Bahrain, verlangen in einem provisorischen
                                         Pass ein Visum)? (Informationen für USA: http://bern.usembassy.                      Wenn dennoch etwas passiert …
                                         gov/niv_waiver_program.html, www.schweizerpass.admin.ch),                            Melden Sie sich bei Ihren Angehörigen, wenn Sie von einer Katastro-
                                         ■ Benötigen Sie ein Einreise-, Transit- oder Ausreisevisum?                          phe in Ihrem Ferienland hören. Sie machen sich bestimmt Sorgen um
                                         ■ Müssen Sie das Visum vor Abreise in Ihrem Wohnsitzland ein-                        Sie.
                                         holen oder erhalten Sie es am Flughafen bei der Einreise?                               Wenn Selbsthilfe nicht mehr genügt, können Sie sich an die
                                         ■ Gibt es andere Vorschriften vor der Einreise zu beachten?                          zuständige schweizerische Vertretung wenden: www.eda.admin.ch
                                         (zum Beispiel die seit dem 12.1.09 obligatorische Einreisebewilli-                   (Vertretungen). Die Bemühungen der Botschaft oder des General-
                                         gung für die USA: https://esta.cbp.dhs.gov)                                          konsulats bestehen in erster Linie darin, Ihnen wieder auf die
                                         ■ Benötigen Minderjährige, die allein oder in Begleitung nur eines                   eigenen Füsse zu helfen. Sie können zum Beispiel Kontakte zu
S C HWE IZER REVU E April 2009 / Nr. 2

                                         Elternteils reisen, eine besondere Reiseerlaubnis der Eltern, respek-                Ärzten oder Spitälern vermitteln, Heimschaffungen organisieren,
                                         tive des nicht mitreisenden Elternteils?                                             einen Rechtsanwalt unverbindlich vermitteln oder bei Passverlust
                                            Beachten Sie, dass trotz Schengen in der EU eine Ausweispflicht                    ein Reisedokument ausstellen. Für bestimmte Dienstleistungen
                                         besteht. Sie müssen sich jederzeit ausweisen können.                                 müssen die Vertretungen Gebühren erheben. Weitere Informa-
                                            Hat Ihr Pass noch genügend Seiten und ist er noch mindestens                      tionen finden Sie auf www.eda.admin.ch (Dienstleistungen – Hilfe
                                         sechs Monate über die Einreise in Ihr Ferienland hinaus gültig?                      im Ausland). Bitte erwarten Sie aber nichts Unmögliches, denn die
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