Bulletin 3 - Nuklearforum Schweiz

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Bulletin 3                                          März 2011

Medienrummel um
Mühleberg-Abstimmung
Seite 4

Keine Laufzeitbeschränkung
in Spanien
Seite 13

Niederländische Minderheits-
regierung bekennt sich
zur Kernenergie
Seite 14

Kanada: ACR-1000
besteht Vorabklärungen
Seite 21

                               Erste Konsultativabstimmungen
                               zur Kernenergie
                               Seiten 10 + 11
Inhaltsverzeichnis
                                         2

                                             Editorial                                     3    Sicherheit und Strahlenschutz                 26
                                                                                                Spanische Sicherheitsbehörde
                                             Forum                                     4–9      für Laufzeitverlängerung von Cofrentes        26
                                             Grabenkämpfe gehen weiter – Medienspiegel
                                             zur Mühleberg-Abstimmung                    4      Wissenschaft und Forschung              26–28
                                                                                                Abschiedsvorlesung von
                                             Nachrichten                              10–34     Prof. Wolfgang Kröger                      26
                                                                                                Der schwachen Kernkraft auf der Spur       27
                                             Politik                                    10–16   Wissenstransfer zwischen Japan und Polen   28
                                             Entscheid mit Signalwirkung                        Argentinien und Brasilien bauen
                                             im Kanton Bern                                10   Forschungsreaktoren                        28
                                             Kanton Nidwalden gegen Tiefenlager-
                                             standort Wellenberg                           11   Fusion                                        29
                                             Kanton Waadt: Grosser Rat für Ersatz-              Plasma-Ausbrüche erfolgreich geschwächt       29
                                             kernkraftwerke und Sachplanverfahren          12
                                             Regierungsrat des Kantons Neuenburg                Atomwirtschaft                             30–32
                                             gegen neue Kernkraftwerke                     12   Polens PGE: Ausschreibungen lanciert          30
                                             Weg frei für längere Laufzeiten in Spanien    13   Baltisches Kernkraftwerk:
                                             Niederlande: neues Kernkraftwerk                   Vertrag für Stromexport                       30
                                             bis 2015?                                     14   Dominion: Serviceaufträge für Areva           30
                                             Finnland: Brennstoffsteuer geplant            15   GEH und Lockheed Martin spannen
                                             USA: Repräsentantenhaus von Minnesota              zusammen                                      31
                                             hebt Moratorium auf                           16   Indien: EIL arbeitet für Nuklearprojekte
                                                                                                der NPCIL                                     31
                                             Stellungnahmen / Meinungsumfragen         16–17    Vietnam: erster Schritt für
                                             USA: grosse Mehrheit unterstützt                   Machbarkeitsstudie                            32
                                             die Kernenergie                              16
                                                                                                Energiewirtschaft                          32–34
                                             Internationale Zusammenarbeit                17    Unternehmensergebnis der
                                             Französisch-saudische Vereinbarung           17    Axpo Holding 2009/10                          32
                                                                                                Alpiq: Jahresergebnis 2010                    33
                                             Versorgung                                17–20    BKW: «gutes» operatives Ergebnis 2010         33
                                             Cameco: Lieferabkommen für
                                             finnisches Uran                              17    nuklearforum.ch/mehr                          34
                                             Japanische Itochu sichert sich
                                             usbekisches Uran                             18    Interview                                  35–36
                                             Peninsula versorgt Energieproduzenten              Der Tschernobyl-Unfall als historisch
                                             mit amerikanischem Uran                      18    einmaliges Ereignis                           35
                                             Namibia: Uranmine aus Umweltsicht
                                             genehmigt                                    19    Kolumne                                    37–38
                                             Zeitplananpassung für ACP                    19
                                             Keine Einwände gegen Eagle-Rock-                   Arnolds Wirtschaftsblick                      37
                                             Bewilligung in USA                           20    Steckdose statt Zapfsäule                     37

                                             Wiederaufarbeitung / Entsorgung              20    Hoppla!                                       39
                                             Babcock gewinnt Entsorgungsauftrag                 Ein Fingerhut polarisiert                     39
                                             in Grossbritannien                           20
                                                                                                nuklearforum.ch/mehr                          40
                                             Reaktoren / Kernkraftwerke                21–26
                                             Kanada: Auslegungsprüfung für
                                             ACR-1000 abgeschlossen                       21
                                             AP1000: Reaktorschutzgebäude für
                                             sicher befunden                              21
Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                             USA: Neuzertifizierung des GEH-ABWR
                                             zugelassen                                   22
                                             Türkei: vertiefte Abklärungen vor Ort        23
                                             USA: Nachrüstarbeiten in San Onofre
                                             abgeschlossen                                24
                                             Neuer modularer Untergrund-Reaktor           24
                                             Mexiko: Abschluss von Modernisierungs-
                                             arbeiten in Laguna Verde                     25
Editorial
                                                                                               3

Chantal Balet

Präsidentin der Fédération romande
pour l’énergie (FRE)

Wer seinen Hund töten will,
sagt, er habe Tollwut

Zwischen Trugbildern und Realität ist es       Weitere Denkanstösse
nicht immer einfach, den Kurs der Vernunft
zu halten. Dabei geht es um durchaus ver-      Für 2050 wird eine Weltbevölkerung von
nünftige Lösungen: den Ersatz der 40% unse-    gegen 9 Milliarden erwartet. Mit anderen
res Stroms, die in der Schweiz heute aus       Worten: Es ist mit 3 Milliarden zusätzlichen
Kernenergie produziert werden, wenn unse-      Energiekonsumenten zu rechnen. Strom ist
re Kraftwerke einst erneuert werden müs-       überall und ersetzt nach und nach die fos-
sen. Aber wie ein französisches Sprichwort     silen Energieträger. Die Welt wird mit gros-
sagt: Wer seinen Hund töten will, sagt, er     ser Geschwindigkeit elektrifiziert. Deshalb
habe Tollwut. Und genau dies tun die funda-    stehen unsere Gesellschaften vor der Her-
mentalistischen Kernkraftgegner. Aber in-      ausforderung, diese stark ansteigende Strom-
dem sie nur die Mängel der Kernkraft sehen,    nachfrage zu befriedigen und gleichzeitig
verlieren sie ihre ganze Glaubwürdigkeit.      dem Wirtschaftswachstum und dem Umwelt-
Alle Wissenschafter und Ingenieure, die in     schutz Rechnung zu tragen.
der Kernenergie tätig sind, als unfähig oder
gar als Lügner zu bezeichnen, ist vor allem    Heute ist die Energieversorgungssicherheit
ein Armutszeugnis für die Argumente der        eng mit dem Wirtschaftswachstum ver-
Gegner. Sicher, wie jede Energiequelle hat     knüpft. Die Zeit für günstiges Erdöl ist end-
auch die Kernenergie ihre Nachteile, das be-   gültig abgelaufen. Die erneuerbaren Ener-
streitet niemand. Aber die Vorteile – Zuver-   gien werden zwar ausgebaut, reichen aber
lässigkeit, Sicherheit, genügend Rohstoff,     heute nicht, um genügend Energie zu wirt-
Kosten usw. – überwiegen so stark, dass es     schaftsverträglichen Preisen zu produzieren.
unvernünftig wäre, darauf zu verzichten. 40    Deshalb sind die Versorgungsautonomie und
Jahre gute und zuverlässige Dienste unserer    die Beherrschung des Energiepreises – ganz
Kraftwerke sollten dafür Beweis genug sein.    besonders für die Schweiz – wichtige strate-
                                               gische Fragen.
Aber wir müssen auch die Bevölkerung
davon überzeugen, den Trugbildern abzu-
schwören. Dafür müssen wir Zahlen und Tat-
sachen vorlegen und uns an der täglichen
                                                                                                   Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

Debatte beteiligen. Wenn sich alle – Produ-
zenten, Verteiler und Konsumenten – dafür
einsetzen, können wir ein Vertrauensvotum
erhalten.
Forum
                                         4

                                             Grabenkämpfe gehen weiter – Medienspiegel zur
                                             Mühleberg-Abstimmung

                                             Im Vorfeld der Mühleberg-Abstimmung vom 13. Februar 2011 redeten viele von einem
                                             Stimmungstest für die nationale Abstimmung zu den Rahmenbewilligungsgesuchen
                                             für neue Kernkraftwerke (KKW). Wenn dem wirklich so ist, kann sich die Schweiz
                                             auf eine hitzige Debatte einstellen. Die Kernenergie ist bekanntermassen für viele
                                             Menschen ein sehr emotionales Thema. Diese Emotionen lassen sich für einen Abstim-
                                             mungskampf gezielt schüren und lenken, was einzelne Akteure eindrücklich bewie-
                                             sen haben. Dementsprechend hoch gingen die Wogen im Kanton Bern und darüber
                                             hinaus. Wie ein Blick auf die Medienberichterstattung in den gut zwei Monaten vor
                                             dem Urnengang zeigt, hatten sachliche Argumente oft einen schweren Stand. Es wur-
                                             de viel polarisiert und polemisiert und nicht selten rückten Nebenschauplätze und
                                             machtpolitische Spiele in den Vordergrund.

                                             Der eigentliche «Kampf um Mühleberg» ging        Zeitung» sowie dem «Bund» und tags darauf
                                             so richtig los, nachdem die Stadt Bern Ende      auch «Le Matin Dimanche» die 40-seitige Bro-
                                             November 2010 in einer Volksabstimmung           schüre «Neue Energie für die Schweiz» bei.
                                             den Atomausstieg bis 2039 beschlossen hat-       Das Heft – herausgegeben vom Verein Klar-
                                             te. Schon im Vorfeld dieser Abstimmung           textEnergie und grösstenteils vom Kanton
                                             zeichnete sich deutlich ab, dass die Schweiz     Basel-Stadt finanziert – pries die Vorzüge
                                             in den folgenden Wochen nicht nur zuschau-       von Wind, Holz, Photovoltaik und Biomasse
                                             en würde. Am 13. November lag dem «Tages-        für den Ersatz der Kernenergie. In Bern
                                             Anzeiger», der «Basler Zeitung», der «Berner     waren, gelinde gesagt, nicht alle von dieser
                                                                                              «Einmischung» begeistert. In Basel berief
                                                                                              man sich auf das kantonale Atomschutz-
                                                                                              gesetz, das zu solchen Massnahmen gegen
                                                                                              die Nutzung der Kernenergie verpflichte.

                                                                                              Nach der Abstimmung ist vor
                                                                                              der Abstimmung

                                                                                              «Aus dem städtischen Resultat auf die kanto-
                                                                                              nale Abstimmung im Februar 2011 zu schlie-
                                                                                              ssen, wäre unseriös.» So wurde Berns Stadt-
                                                                                              präsident Alexander Tschäppät am Tag nach
                                                                                              der Ausstiegs-Abstimmung unter anderem
                                                                                              von der «Aargauer Zeitung» zitiert (Bulletin
                                                                                              12/2010). «Bund»-Redaktor Simon Thönen sah
                                                                                              das anders: «Der gestrige Ausstiegsentscheid
                                                                                              der Stadt hat in dieser Auseinandersetzung
Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                                                              vor allem deshalb Gewicht, weil die Stadt
                                                                                              Bern die bedeutendste Nachbargemeinde des
                                                                                              AKW-Standorts Mühleberg ist», schrieb er in
                                                                                              seinem Kommentar vom 29. November. Die
                                                                                              «städtische Anti-AKW-Haltung» sei nun glaub-
                                                                                              würdig und die Kantonsbevölkerung solle
                                               Unlautere Einmischung? Das Magazin             sich überlegen, «ob sie der eigenen Hauptstadt
                                               «Neue Energie für die Schweiz».                gegen deren Willen für weitere Jahrzehnte ein
                                                                     Foto: cR Kommunikation   AKW vor die Stadttore setzen» wolle. Thönen,
                                                                                              so legte die «Weltwoche» anfangs Februar 2011
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                                                                                                                         5

dar, war in den 1980-ern als Anti-AKW-Akti-
vist in leitender Funktion aktiv. Diese Haltung
drückte in den meisten seiner Artikel zur
Mühleberg-Thematik durch. Am selben Tag
wie Thönens Kommentar erschien in der
«Schweizer Illustrierten» eine Reportage aus
den drei KKW-Standortgemeinden Mühleberg
BE, Döttingen AG und Däniken SO mit dem
Titel «Ein Kernkraftwerk? Ja, gern!». Der Autor
des Artikels war «zu Besuch bei drei Gemein-
depräsidenten, die miteinander um die neuen
Kernkraftwerke rangeln.»

Im Berner Grossen Rat – dem Kantonsparla-
ment – wurden während des Abstimmungs-
kampfs verschiedene Einmischungsvorwürfe
laut. Während die Linke der Mühleberg-
Betreiberin BKW FMB Energie AG im Hin-
blick auf den 13. Februar am liebsten einen
Maulkorb verpasst hätte, kritisierte die bür-
gerliche Seite die anti-nuklearen Äusserun-
gen des Berner Regierungsrates, allen voran         Eckte mit ihren Aussagen vor allem bei bürgerlichen
der Energiedirektorin Barbara Egger (SP).           Grossräten an: Regierungsrätin und Energiedirektorin
Mit einer eigenen Kostenschätzung für ein           Barbara Egger-Jenzer, SP.
neues KKW goss der Regierungsrat, wohl-                                                       Foto: Staatskanzlei Bern

gemerkt selbst BKW-Mehrheitsaktionär und
mit Barbara Egger im Verwaltungsrat ver-
treten, zusätzliches Öl ins Feuer (Bulletin
1/2011). Diese Kostenschätzung war die Ant-       auf die Welt kämen als Buben. Anfangs De-
wort auf eine Interpellation von EVP-Gross-       zember berichtete die Wissenschaftssendung
rat Josef Jenni. Die «Berner Zeitung» bezeich-    «Einstein» des Schweizer Fernsehens (SF) da-
nete die Interpellation Mitte Dezember 2010       rüber und liess unter anderem einen der Ver-
als «Steilvorlage [an den Regierungsrat], um      fasser zu Wort kommen. Das Bundesamt für
aufzuzeigen, welche finanziellen Risiken          Gesundheit wollte keine Stellung nehmen,
sich der Kanton Bern mit dem Bau eines            da die Studie noch nicht von der Wissen-
neuen AKW aufhalsen würde.» Gleichzeitig          schaft geprüft und anerkannt sei. Eine noch
wies der BZ-Redaktor auf die fragwürdigen         fragwürdigere Studie tauchte in der letzten
Quellen und Experten für die Kostenschät-         Woche vor der Abstimmung in Form einer
zung der Regierung hin. Diese und andere          Masterarbeit an der Universität Bern auf. Mit
wenig konstruktive und zermürbende Que-           Unterstützung des Immobilienberatungs-
relen zwischen Regierungsrat und Grossem          unternehmens seines Professors hatte ein
Rat sowie innerhalb der grossen Kammer            Student herausgefunden, dass die Nähe zu
                                                                                                                             Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

sollten vor allem die Berner Tageszeitungen       einem KKW die Immobilienpreise negativ
aber auch andere Medien bis in die letzte         beeinflusst. Dieser Einfluss sei bei einem
Woche vor der Abstimmung beschäftigen.            leistungsstärkeren Werk wie Leibstadt grös-
                                                  ser als bei einem kleineren wie Mühleberg,
Fragwürdige Wissenschaft und                      was die «Berner Zeitung» am 10. Dezember
Möchtegern-Ständeräte                             als «politisch brisant» bezeichnete. Die Erklä-
                                                  rung dafür lieferte im gleichen Artikel der
Im Dezember wurde eine «Studie» umherge-          betreuende Professor: «Offenbar hat die Be-
reicht, die bewiesen haben wollte, dass im        völkerung mehr Respekt vor einem grossen
Umfeld von KKW deutlich weniger Mädchen           AKW als vor einem kleinen.»                  ➜
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                                                           Am 13. Februar stimmte Bern nicht nur über     Gruppe Neue Energie Bern zusammenge-
                                                           Mühleberg ab, es war auch noch ein Stände-     schlossen hätten. Ihr Motto: Würde die
                                                           ratssitz zu vergeben. Da war es nichts als     Schweiz die Solarbranche gleich stark för-
                                                           logisch, dass die Kandidatinnen und Kandi-     dern wie Deutschland, könnte man Mühle-
                                                           daten auch an ihrer Haltung zur Kernenergie    berg allemal ersetzen. Im gleichen Artikel
                                                           gemessen wurden. Am 13. Dezember titelte       musste BKW-Sprecher Antonio Sommavilla
                                                           beispielsweise die «Berner Zeitung»: «Berni-   die «Informationszeitung» zur Energieversor-
                                                           sche EVP schickt AKW-Gegner Marc Jost ins      gung der BKW rechtfertigen. Gleichentags
                                                           Rennen». Dass ein EVP-Vertreter gegen neue     äusserte sich auch der schon erwähnte
                                                           KKW ist, überrascht wenig, und auch seine      Simon Thönen im «Bund» zur KKW-Thema-
                                                           Konkurrenz hielt sich in dieser Frage ans      tik. Unter dem Titel «Der Lösungsmix der
                                                           jeweilige Parteiprogramm. Die zeitliche Ver-   AKW-Gegner» liess er Gegner und Befürwor-
                                                           knüpfung der Mühlebergfrage mit der            ter zu Wort kommen. Der Artikel endete mit
                                                           Ständeratsersatzwahl ermöglichte aber den      dem Fazit einer Studie der Beratungsfirmen
                                                           Kandidierenden den einen oder anderen zu-      Infras und TNC Consulting: «Es gibt Möglich-
                                                           sätzlichen Wahlkampfauftritt an Podiums-       keiten für eine Stromversorgung ohne AKW,
                                                           diskussionen.                                  doch sie sind in der Energiepolitik bisher
                                                                                                          nicht eingeplant.» Dazu fehle der politische
                                                           Befürworter in der Defensive                   Wille.

                                                           Kurz vor Weihnachten einigten sich die         Am 10. Januar beschrieb die «Berner Zei-
                                                           Stromversorger    und      KKW-Projektanten    tung», wie sowohl Gegner als auch Befür-
                                                           Alpiq, Axpo und BKW und beschlossen, eine      worter der Kernenergie die Ängste der
                                                           gemeinsame Planungsgesellschaft für alle       Stimmbürger schürten – die einen mit
                                                           drei Projekte zu gründen (Bulletin 1/2011).    Tschernobyl-Horrorszenarien, die anderen
                                                           Während die Unternehmen von einem «Mei-        mit der drohenden Stromlücke. In der glei-
                                                           lenstein» sprachen, tat die Gegnerschaft die   chen Ausgabe erfuhr die Leserschaft, dass an
                                                           Meldung geschlossen als «AKW-Propaganda»       den Weltcup-Skirennen in Adelboden Flyer
                                                           ab.                                            mit dem Slogan «Aus YB zu Bern, nein zum
                                                                                                          AKW Mühleberg» verteilt wurden. Beim Ber-
                                                           «Der Bund» vermeldete am 6. Januar 2011,       ner Fussballklub Young Boys (YB) wusste
                                                           dass sich rund 50 Unternehmer, die sich        man nichts von dieser Anlehnung an die
                                                           nach eigenen Angaben für erneuerbare Ener-     eigene Kampagne. Den lautesten Vorwurf
                                                           gien und Energieeffizienz engagieren, zur      der unlauteren Propaganda musste sich
Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                              Keine Überraschungen von den Ständeratskandidaten: Christa Markwalder (FDP) und Adrian Amstutz
                                              (SVP) sind für neue KKW, Ursula Wyss (SP) und Marc Jost (EVP) dagegen.
                                                                                                                Fotos: Parlamentsdienste Bern /Staatskanzlei Bern
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                                                                                                              7

indes am gleichen Tag erneut die BKW an-
hören. Grund dafür war die Mitteilung der
BKW, dass sie aufgrund des zunehmenden
Widerstands und schleppender Verfahren
ihre Windenergie-Ausbauziele für die
Schweiz drastisch nach unten korrigieren
müsse. Darüber berichteten neben der
«Tagesschau» des SF auch die «Berner Zei-
tung», die «Handelszeitung» und verschie-
denste Blogs. Zwei Tage später lieferte «Der
Bund» einen Bericht aus der Standortgemein-
de Mühleberg («Keine Angst vor einem neu-
en AKW») und einen Artikel über die Nach-
bargemeinden von Mühleberg («Auch um-
liegende Gemeinden wollen profitieren»).
Wie als Gegengewicht dazu betitelte Simon
Thönen seinen Bericht aus der Stadtberner
Politik mit «Die wichtigste Nachbargemeinde
ist antinuklear».

Skandale und Scharmützel
                                                  Eines von vielen: Anti-Mühleberg-
Am 16. Januar kam der grosse «Zwischen-           Plakat des Komitees «Nein zum neuen
lager-Skandal» auf. Die «Sonntagszeitung»         AKW Mühleberg».
berichtete über Pläne der BKW, neben einem             Foto: Komitee «Nein zum neuen AKW Mühleberg»

neuen KKW ein Zwischenlager für radio-
aktive Abfälle zu bauen. So weit so gut –
schliesslich sind Zwischenlager an KKW-
Standorten durchaus üblich. Dass sich die       über die Reaktionen verschiedener, vor al-
BKW diese Option auch offenhalten will,         lem bürgerlicher Grossräte. In der gleichen
war in den Unterlagen zum Rahmenbewilli-        Ausgabe kommentierte Sarah Nowotny, de-
gungsgesuch schon länger öffentlich einseh-     ren Tonalität bei Berichten zum Thema
bar. So hatte die Zeitschrift «Beobachter»      Kernenergie der ihres Kollegen Thönen je-
Ende Dezember darüber berichtet. Der an-        weils in nichts nachstand, die Stellungnah-
gebliche «Skandal» bestand darin, dass das      me Eggers als «Keine Manipulation in letzter
Zwischenlager in den Abstimmungsunter-          Minute». Den Maulkorb, den bürgerliche
lagen nicht erwähnt wurde – am Folgetag         Grossräte ihrer Energiedirektorin gerne ver-
weit verbreitet von «Blick» über «20 Minuten»   passt hätten, erhielten indes Greenpeace
bis «Berner Zeitung» und «Tages-Anzeiger».      und Alpiq vom Bundesamt für Kommunika-
Ein grosser Aufschrei ging einen knappen        tion (Bakom). Laut «Beobachter» vom 18. Ja-
Monat vor der Abstimmung durch die linken       nuar hielt das Bakom die TV-Spots beider
und grünen Reihen des Kantonsparlaments.        Organisationen für politische Werbung und
                                                                                                                  Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

Einzelne Politiker drohten gar mit einer        verbot deswegen ihre Ausstrahlung im Fern-
Stimmrechtsbeschwerde.                          sehen. Dank zahlreicher Websites musste
                                                die Öffentlichkeit trotzdem nicht auf die
Es dauerte nur zwei Tage, bis die bürgerli-     Filme verzichten.
chen Grossräte ihrerseits einen Grund zum
Aufbegehren geliefert erhielten, und zwar       Im letzten Monat vor dem 13. Februar wurde
in Form von klar anti-nuklearen Äusserun-       nicht nur fast täglich über Scharmützel zwi-
gen von Regierungsrätin Barbara Egger.          schen Gross- und Regierungsräten berichtet,
«Mühleberg: Harsche Kritik an der Regie-        es häuften sich auch Meldungen über Komi-
rung» betitelte «Der Bund» seinen Bericht       tees verschiedenster Couleur, die sich für
FORUM

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                                              Stein des Anstosses: Inserat der Mühleberg-Befürworter mit alt Bundesrat Moritz Leuenberger.
                                                                                                                               Foto: Komitee «Ja zu Mühleberg»

                                                            oder gegen die Kernenergie einsetzten. Ne-       Medienecho blieb indes relativ gering:
                                                            ben jeder Lokalpartei, die Stellung bezog,       «Mühleberg I: BKW verschleierte Über-
                                                            gab es Touristiker aus dem Berner Oberland,      flutungsgefahr» titelte Simon Thönen im
                                                            die Atomstrom zwar nicht «sexy» fänden,          «Bund».
                                                            aber «keine valable Alternative» sähen («Ber-
                                                            ner Zeitung», 15. Januar 2011), oder Bauern,     Am 26. Januar durften in der SF-Sendung
                                                            die um ihre Einnahmen aus erneuerbaren           «Rundschau» Nationalrat und Kernenergie-
                                                            Energien fürchteten und deshalb gegen KKW        befürworter Christian Wasserfallen und Jürg
                                                            weibelten («Schweizer Bauer», 19. Januar         Buri, Geschäftsführer der Schweizerischen
                                                            2011). Ärztinnen und Ärzte sowie Unterneh-       Energiestiftung, die Klingen kreuzen. Tags
                                                            mer äusserten sich hüben wie drüben.             darauf rechnete die «Weltwoche» unter dem
                                                                                                             Titel «Grünes Horrorszenario» vor, was Buri
                                                            PR-Gags und Wikileaks-Methoden                   in der Sendung nicht ausführen konnte: dass
                                                                                                             es «600 Riesenwindräder» mit einer Mast-
                                                            Der ganz grosse Coup in Sachen Publicity         höhe von 98 m und einem Rotordurchmesser
                                                            gelang am 23. Januar der Solarfirma Mega-        von 82 m bräuchte, um auf das KKW Mühle-
                                                            sol. Sie bot der BKW an, für die 13 Milliar-     berg verzichten zu können. Der 31. Januar
                                                            den Franken, die ein neues KKW laut Mega-        war der Tag der Leitartikel für die Berner
                                                            sol kosten könnte, Solarpanels auf Hundert-      Tageszeitungen. Während sich Michael Hug,
                                                            tausenden von Hausdächern zu installieren.       Chefredaktor der «Berner Zeitung», auf den
                                                            So brauche es kein neues KKW in Mühle-           Standpunkt «Ein Nein zu Mühleberg bringt
Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                            berg. Diese Offerte wurde von der «Sonn-         ausser Symbolik nichts» stellte, war die
                                                            tagszeitung» und etlichen anderen Print- und     «Bund»-Redaktion uneins, sodass beide
                                                            Online-Medien aufgegriffen. Zwei Tage spä-       Standpunkte vertreten wurden.
                                                            ter langte auch die Gruppe Fokus Anti-Atom
                                                            ziemlich tief in die Trickkiste und veröffent-   Vorwürfe in der Schlussphase
                                                            lichte BKW-internen Mailverkehr. Dieser
                                                            deckte angeblich auf, dass die BKW den           Am 1. Februar regten sich verschiedene
                                                            Aarberger     Gemeindebehörden       bewusst     Akteure über ein Plakat der Befürworter mit
                                                            Sicherheitsmängel verschwiegen habe. Das         einem Bild von Moritz Leuenberger und
FORUM

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einem pro-nuklearen Zitat aus seiner Zeit als   vom 10. Februar hielten Stadt und EWB sich
Energieminister auf. Der Betroffene selbst      zurück und wollten nach der Abstimmung
zeigte sich «not amused», gab jedoch an, auf    auf die Vorwürfe zurückkommen.
rechtliche Schritte zu verzichten. Davide
Scruzzi kommentierte den Sachverhalt in der     Diese Aufzählung von Artikeln und Meldun-
«NZZ» folgendermassen: «Vielleicht ist aber     gen ist mitnichten vollständig. Neben zahl-
Moritz Leuenberger ohnehin bald froh um         reichen weiteren Medienberichten waren
eine kleine AKW-freundliche Zitatsammlung       auch unzählige Leserbriefe von Befürwor-
– falls ‹sein› Unternehmen Implenia dereinst    tern wie Gegnern erschienen. Wenn diese
um Bauaufträge für neue AKW buhlt.»             Meinungsäusserungen und das Berner Ab-
                                                stimmungsresultat wirklich als Stimmungs-
Die letzte Woche vor der Abstimmung blieb       barometer für das nationale Referendum zu
– was die Medien anbelangt – relativ ruhig.     den hängigen Rahmenbewilligungsgesuchen
Einzig der Vorwurf von Greenpeace, die Be-      taugen, bedeutet das vor allem eines: Die
fürworter würden mittels Plakaten und Inse-     Gegner der Kernenergie mögen – heute –
raten Falschinformationen über den CO2-         zahlenmässig knapp in der Unterzahl sein.
Ausstoss des unter anderem mit Erdgas be-       Doch sie verstehen es sehr gut, sich in Szene
feuerten neuen Stadtberner Heizkraftwerks       zu setzen und ihren Stimmen Gehör zu ver-
Forsthaus verbreiten, sorgte nochmals für       schaffen. (M. Re.)
eine Schlagzeile. Laut der «Berner Zeitung»

                                                                                                            Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011
Nachrichten
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                                                                Entscheid mit Signalwirkung                    BKW erfreut
                                                                im Kanton Bern
                                                                                                               Die BKW FMB Energie AG (BKW) – die Be-
                                                                                                               treiberin des Kernkraftwerks Mühleberg –
                                                                Am 13. Februar 2011 waren die Stimmbe-         nahm das Abstimmungsresultat mit Befriedi-
                                                                rechtigten des Kantons Bern aufgerufen,        gung zur Kenntnis. «Diese Zustimmung
                                                                sich in einer Konsultativabstimmung zur        stärkt sowohl den Standort Mühleberg als
                                                                positiven Stellungnahme des Kantons            auch die BKW, die auf einen technologisch
                                                                zum Ersatz des Kernkraftwerks Mühle-           diversifizierten, nahezu CO2-freien Produk-
Politik

                                                                berg zu äussern. 51,2% der Stimmenden          tionspark und einen hohen Versorgungs-
                                                                sprachen sich für ein Ersatzkernkraft-         standard setzt. Sie trägt der Tatsache Rech-
                                                                werk aus. Die Stimmbeteiligung betrug          nung, dass der Standort Mühleberg eine
                                                                51,7%.                                         wichtige Rolle für die Stromversorgung des
                                                                                                               Grossraums Bern, der Nordwest- und der
                                                                Mit der Zustimmung der Stimmberechtigten       Westschweiz spielt», erklärte das Unterneh-
                                                                wird der rot-grüne Regierungsrat nun den       men.
                                                                Bundesbehörden mitteilen, der Berner Sou-
                                                                verän sei für den Ersatz des Kernkraftwerks    Uvek: Abstimmungswillen wird
                                                                Mühleberg.                                     mitberücksichtigt

                                                                Das Berner Kantonsparlament – der Grosse       Die Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW
                                                                Rat – hatte sich im Sommer 2010 dafür aus-     planen als Ersatz für bisherige Anlagen zwei
                                                                gesprochen, dass sich die Berner Regierung     neue Kernkraftwerke (Bulletin 1/2011). Für
                                                                in der Vernehmlassung der Bundesbehörde        die beiden Anlagen stehen die drei Standorte
                                                                positiv zum Ersatzkernkraftwerk Mühleberg      Beznau (AG), Mühleberg (BE) und Niederamt
                                                                äussert. Daraufhin beantragte der Regie-       (SO) zur Diskussion. Ab Mitte Jahr erfolgt die
                                                                rungsrat, die Stellungnahme dem Referen-       öffentliche Auflage aller Unterlagen zu den
                                                                dum zu unterstellen, was der Grosse Rat bil-   drei Rahmenbewilligungsgesuchen für Er-
                                                                ligte (Bulletin 7/2010).                       satzkernkraftwerke. Der Bundesrat wird un-
                                                                                                               ter Würdigung aller Stellungnahmen, Ein-
                                                                                                               sprachen und Einwendungen voraussichtlich
                                                                                                               Mitte 2012 über die Rahmenbewilligungsge-
                                                                                                               suche entscheiden und dem Parlament eine
                                                                                                               entsprechende      Botschaft    unterbreiten,
                                                                                                               schreibt das Eidgenössische Departement für
                                                                                                               Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunika-
                                                                                                               tion (Uvek) in einer Stellungnahme. Dabei
                                                                                                               würden selbstverständlich auch die in Volks-
                                                                                                               abstimmungen gemachten Meinungsäusse-
                                                                                                               rungen der Bevölkerung aus betroffenen
                                                                                                               Kantonen mitberücksichtigt. Der Entscheid
                                                                                                               des Parlaments unterliegt schliesslich dem
     Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                                                                               fakultativen Referendum. Eine allfällige
                                                                                                               Referendumsabstimmung zu den Rahmen-
                                                                                                               bewilligungsgesuchen für Ersatzkernkraft-
                                                                                                               werke kann laut Uvek voraussichtlich Ende
                                                   Die Stimmberechtigten des Kantons Bern haben die            2013/Anfang 2014 stattfinden. (M. A. nach
                                                   kantonale Stellungnahme, die ein Ersatzkernkraftwerk        Staatskanzlei des Kantons Bern, Abstim-
                                                   am Standort Mühleberg befürwortet, in der Volks-            mungsresultate, und BKW, Medienmittei-
                                                   abstimmung vom 13. Februar 2011 gutgeheissen.               lung, sowie Uvek, Stellungnahme zum Ab-
                                                                                                  Foto: BKW    stimmungsresultat im Kanton Bern, 13. Feb-
                                                                                                               ruar 2011)
NACHRICHTEN

                                                                                                        11

Kanton Nidwalden                               Sicherheitsaspekt bilde dabei ein zentrales
gegen Tiefenlagerstandort                      Kriterium, so das Eidgenössische Depar-
Wellenberg                                     tement für Umwelt, Verkehr, Energie und
                                               Kommunikation (Uvek) in einer Stellung-
                                               nahme.
Das Stimmvolk des Kantons Nidwalden
hat sich am 13. Februar 2011 klar gegen        In Etappe 2 werden die Standortgebiete si-
ein mögliches Tiefenlager für schwach-         cherheitstechnisch weiter und vertieft unter-
und mittelaktive Abfälle am Standort           sucht. Am Ende der Etappe 2 findet eine Ein-

                                                                                                                                      Politik
Wellenberg ausgesprochen. Es hiess eine        engung auf mindestens zwei Standorte pro
entsprechende Stellungnahme des Regie-         Abfallkategorie (schwach- und mittelaktive
rungsrats an den Bundesrat gut.                sowie hochaktive Abfälle) statt.

Die Stellungnahme des Nidwaldner Regie-        Volksabstimmung voraussichtlich 2020
rungsrats verlangt, dass der Wellenberg aus
der Liste der möglichen Tiefenlager-Stand-     In Etappe 3 erfolgt die definitive Standort-
orte für schwach- und mittelaktive Abfälle     wahl und das Rahmenbewilligungsverfah-
zu streichen ist. Mit 79,74% Ja-Stimmen bei    ren wird eingeleitet. Der Bundesrat wird
einer Stimmbeteiligung von 50,76% haben        dann über die Rahmenbewilligungsgesuche
die Stimmberechtigten diese Vernehmlas-        entscheiden und dem Parlament eine ent-
sungsantwort unterstützt. Der Regierungsrat    sprechende Botschaft unterbreiten. Dabei
hatte sie dem Bundesrat bereits am 30. No-     würden selbstverständlich auch die in
vember 2010 unter dem Vorbehalt der            Volksabstimmungen gemachten Meinungs-
Zustimmung der Stimmbürgerinnen und            äusserungen der Bevölkerung aus betroffe-
Stimmbürger eingereicht. Gemäss Kantons-       nen Kantonen mitberücksichtigt, erklärte das
verfassung ist die Verabschiedung von Ver-     Uvek. Der Entscheid des Parlaments unter-
nehmlassungen des Regierungsrates zuhan-       liegt dem fakultativen Referendum. Eine all-
den des Bundes der obligatorischen Volks-      fällige Referendumsabstimmung zu den Rah-
abstimmung unterstellt, soweit sie sich auf    menbewilligungsgesuchen für geologische
«Atomanlagen, insbesondere Lagerstätten        Tiefenlager könnte voraussichtlich um das
für radioaktive Abfälle und sie vorbereiten-   Jahr 2020 stattfinden. Ziel sei es, im Jahr
de Handlungen auf dem Gebiet des Kan-          2030 ein Lager für schwach- und mittelaktive
tons» beziehen. Laut der Nidwaldner Regie-     Abfälle und 2040 ein Lager für hochaktive
rung hat sich die Bevölkerung nun bereits      Abfälle in Betrieb zu nehmen.
viermal gegen Vorbereitungshandlungen für
ein geologisches Tiefenlager im Wellenberg     Im September 2010 hatte sich das Nidwald-
ausgesprochen.                                 ner Stimmvolk deutlich gegen den schritt-
                                               weisen Ausstieg aus der Kernenergie ausge-
Erster Meilenstein im Herbst 2011              sprochen (Bulletin 10/2010). (M. A. nach
                                               Staatskanzlei des Kantons Nidwalden, Medi-
Der Bundesrat wird voraussichtlich noch die-   enmitteilung, und Uvek, Stellungnahme zum
sen Herbst entscheiden, für welche der vor-    Abstimmungsresultat im Kanton Nidwalden,
                                                                                                             Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

geschlagenen sechs Standorte Bözberg (AG),     13. Februar 2011)
Jura-Südfuss (SO/AG), Nördlich Lägeren (AG
und ZH), Südranden (SH), Wellenberg (NW)
und Zürich Nord-Ost/Zürcher Weinland (ZH
und TG) die Evaluation fortgesetzt wird und
welche ausscheiden (Bulletin 6/2010). Der
NACHRICHTEN

                                              12

                                                            Kanton Waadt: Grosser Rat                       Regierungsrat des Kantons
                                                            für Ersatzkernkraftwerke und                    Neuenburg gegen neue
                                                            Sachplanverfahren                               Kernkraftwerke

                                                            Der Grosse Rat – das Kantonsparlament           In einem Bericht zuhanden des Grossen
                                                            – des Kantons Waadt empfiehlt seinem            Rats – dem Kantonsparlament – zu den
                                                            Stimmvolk, an der Konsultativabstim-            Rahmenbewilligungen für Ersatzkern-
                                                            mung vom 15. Mai 2011 die positiven Stel-       kraftwerke spricht sich die Regierung
Politik

                                                            lungnahmen zu den Rahmenbewilli-                des Kantons Neuenburg gegen Neubauten
                                                            gungsgesuchen für Ersatzkernkraftwerke          aus. Jedoch ist sie mit dem Verfahren des
                                                            und zum Sachplanverfahren Tiefenlager           Bundes zum Sachplanverfahren Tiefen-
                                                            Etappe 1 zu unterstützen.                       lager Etappe 1 und dessen Resultaten ein-
                                                                                                            verstanden.
                                                            An den Schlussabstimmungen vom 22. Feb-
                                                            ruar 2011 sprach sich der Grosse Rat des        Die Regierung des Kantons Neuenburg will
                                                            Kantons Waadt für die Ersatzkernkraftwerke      auf erneuerbare Energien und Gaskraft-
                                                            an den Standorten Beznau, Mühleberg und         werke setzen und empfiehlt dem Kantons-
                                                            Niederamt aus und hiess auch das Sachplan-      parlament in einem Bericht, Ersatzkernkraft-
                                                            verfahren für Tiefenlager gut. Damit schloss    werke abzulehnen. Sie schlägt weiter vor,
                                                            sich der Grosse Rat der Mehrheit des Regie-     dem Verfahren des Bundes zum Sachplan
                                                            rungsrats doch noch an. In der ersten Lesung    geologische Tiefenlager zuzustimmen. Der
                                                            eine Woche früher hatte der Grosse Rat die      Sicherheit sei oberste Priorität zu geben. Der
                                                            Ersatzkernkraftwerke Niederamt und Mühle-       Bericht der Regierung ist die Grundlage ei-
                                                            berg sehr knapp angenommen, Beznau und          nes Dekrets, das als Vernehmlassungsant-
                                                            das Sachplanverfahren ebenso knapp abge-        wort zu den Rahmenbewilligungsgesuchen
                                                            lehnt.                                          für Ersatzkernkraftwerke und zum Sachplan-
                                                                                                            verfahren geologische Tiefenlager dient. Wie
                                                            Das Ersatzkernkraftwerk Beznau wurde mit        es die Neuenburger Verfassung vorschreibe,
                                                            70 Ja-Stimmen zu 49 Nein-Stimmen und 24         entscheide der Grosse Rat über die Haltung
                                                            Enthaltungen angenommen, dasjenige von          des Kantons, hält die Neuenburger Regie-
                                                            Mühleberg mit 71 Ja-Stimmen zu 41 Nein-         rung in einer Medienmitteilung vom 14. Feb-
                                                            Stimmen bei 31 Enthaltungen und dasjenige       ruar 2011 fest. Das Dekret untersteht dem
                                                            von Niederamt mit 70 Ja-Stimmen zu 54           fakultativen Referendum.
                                                            Nein-Stimmen bei 20 Enthaltungen. Die po-
                                                            sitive Stellungnahme für die erste Etappe das   Für drei bis vier Gaskraftwerke anstelle
                                                            Sachplanverfahrens für Tiefenlager hiess der    von Kernkraftwerken
                                                            Grosse Rat mit 72 Ja-Stimmen zu 33 Nein-
                                                            Stimmen bei 36 Enthaltungen gut.                Laut dem Regierungsrat wird anlässlich der
                                                                                                            nächsten Revision des kantonalen Energiege-
                                                            Im Kanton Waadt unterliegen sämtliche Fra-      setzes Artikel 1 dahingehend ergänzt, dass
                                                            gen zum Thema Kernenergie laut Verfassung       eines der Ziele des Gesetzes die Verringe-
     Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                            dem obligatorischen Referendum. Die Ab-         rung des Energieverbrauchs hin zu einer
                                                            stimmung, die konsultativen Charakter hat,      2000-Watt-Gesellschaft darstellt. Dieses
                                                            wird am 15. Mai 2011 stattfinden. (M. A. nach   langfristige Ziel sei in der Vernehmlassung
                                                            Grossem Rat des Kantons Waadt, Sitzungs-        der Gesetzesrevision stark unterstützt wor-
                                                            protokoll, 22. Februar 2011)                    den. Der Regierungsrat sei sich allerdings
                                                                                                            dessen bewusst, dass bis 2020 eine Versor-
                                                                                                            gungslücke entstehen könnte. Um dieser
                                                                                                            zu begegnen, schlägt er entsprechend dem
                                                                                                            Szenario 1, Variante C «fossil-zentral» der
NACHRICHTEN

                                                                                                                         13

Energieperspektiven 2035 des Bundes den
Bau von drei bis vier Gaskraftwerken vor
(Bulletin 3/2007). Eines davon könnte in der
Region Entre-deux-Lacs zu stehen kommen.
(M. A. nach Staatskanzlei des Kantons Neuen-
burg, Medienmitteilung, 14. Februar, und
Bericht, 8. Februar 2011)

                                                                                                                                                       Politik
Weg frei für längere Laufzeiten
in Spanien

Das spanische Abgeordnetenhaus hat am
15. Februar 2011 den Gesetzentwurf für
eine nachhaltige Wirtschaft definitiv gut-         Bei der Beratung des Gesetzentwurfs für eine nachhal-
geheissen. Der Artikel, der eine Laufzeit-         tige Wirtschaft hat das spanische Abgeordnetenhaus –
beschränkung für spanische Kernkraft-              wie der Senat zuvor – einen Artikel, der die Betriebszeit
werke auf 40 Jahre verlangte, wurde – wie          der spanischen Kernkraftwerke auf maximal 40 Jahre
vom Senat vorgeschlagen – gestrichen.              begrenzen wollte, gestrichen.
Nun kann das Gesetz in Kraft treten.                                                   Foto: Congreso de los Diputados

Nach dem Senat hiess auch das Abgeordne-
tenhaus das Gesetz für eine nachhaltige
Wirtschaft gut. Es soll als Grundlage für ein    Erfreute Nuklearindustrie
nachhaltigeres Entwicklungs- und Wachs-
tumsmodell der Wirtschaft dienen. Der            Das Foro de la Industria Nuclear Española
Senat hatte während seiner Beratung einen        und das Foratom, die Dachorganisation der
Artikel, der die Betriebszeit der spanischen     europäischen Atomforen, zeigten sich erfreut.
Kernkraftwerke auf maximal 40 Jahre be-          In einer Stellungnahme betonte das Foro
grenzen wollte, aus dem Gesetzesvorschlag        Nuclear, es sei nun entscheidend, eine umfas-
entfernt. Die Streichung war von der sozialis-   sende Energievereinbarung mit dem Konsens
tischen Arbeiterpartei, der rechts-konservati-   aller politischen Kräfte zu erreichen, die sich
ven Volkspartei, vom katalanischen bürger-       auf die drei Pfeiler Sicherheit, Wettbewerbs-
lich-liberalen Parteienbündnis und den bas-      fähigkeit und Nachhaltigkeit stütze. Santiago
kisch-bürgerlichen Nationalisten unterstützt     San Antonio, Generaldirektor des Foratom,
worden. Das Abgeordnetenhaus schloss sich        meinte: «Wir begrüssen den Entscheid der
mit 334 Ja-Stimmen zu 10 Nein-Stimmen und        spanischen Regierung, der ähnliche Entwick-
ohne Enthaltung der Streichung an. Das           lungen quer durch Europa widerspiegelt. In
Gesetz tritt in Kraft, sobald es im Amtsblatt    der Tat hat eine zunehmende Anzahl euro-
veröffentlicht worden ist.                       päischer Länder beschlossen, entweder die
                                                                                                                              Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                 Betriebszeit ihrer Kernkraftwerke zu ver-
Dass Kernkraftwerke in Spanien höchstens         längern oder neue zu bauen. Dies zeigt klar
40 Jahre in Betrieb bleiben dürfen, hatte Mi-    auf, dass die Kernenergie als effektives und
nisterpräsident José Luis Rodriguez Zapatero     bedeutendes Mittel betrachtet wird, zu den
in einem Gesetz festschreiben wollen, als er     CO2-armen Wirtschaftszielen Europas beizu-
entschied, die Betriebsbewilligung des Kern-     tragen.» (M. A. nach spanischer Regierung
kraftwerks Santa María de Garoña nicht über      und Congreso de los Diputados, Medien-
das Jahr 2013 hinaus zu verlängern (Bulletin     mitteilungen, 15. Februar, sowie Foro de la
7/2009). Zuvor kannte Spanien keine Lauf-        Industria Nuclear Española und Foratom,
zeitbeschränkungen.                              Medienmitteilungen, 16. Februar 2011)
NACHRICHTEN

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                                                                 Niederlande: neues Kernkraft-                         Bedingungen für Neubau
                                                                 werk bis 2015?
                                                                                                                       Im Schreiben an das Parlament zählt die Re-
                                                                                                                       gierung die Auflagen auf, denen ein neues
                                                                 Der Bau eines neuen Kernkraftwerks in                 Kernkraftwerk in den Niederlanden genügen
                                                                 den Niederlanden könnte um das Jahr                   muss. Dies sind unter anderem:
                                                                 2015 beginnen, schreibt der stellvertre-
                                                                 tende Ministerpräsident und Minister für              • Die Auslegung muss der modernsten Tech-
                                                                 Wirtschaft, Landwirtschaft und Innova-                  nologie entsprechen (dritte Reaktorgenera-
Politik

                                                                 tion, Maxime Verhagen, in einem Brief                   tion).
                                                                 vom 11. Februar 2011 an das Parlament,                • Die Anforderungen an die Sicherheit sind
                                                                 den das Kabinett genehmigt hatte. Vor-                  sehr streng. Dazu gehört, dass die Wahr-
                                                                 aussetzung seien strenge Sicherheits- und               scheinlichkeit eines Unfalls mit Kern-
                                                                 Unterhaltsauflagen.                                     schmelze weniger als einmal in einer Mil-
                                                                                                                         lion Jahre beträgt.
                                                                 Die Kernenergie sei zuverlässig, kostengüns-          • Betreiber neuer Kraftwerke finanzieren
                                                                 tig und helfe bei der Bekämpfung des Klima-             mit einem Fonds die Forschung im Bereich
                                                                 wandels. Deshalb hält sie die Regierung für             radioaktive Abfälle und Endlagerung.
                                                                 eine logische Wahl im Übergang zu erneuer-            • Betreiber tragen die Kosten für Bau, Abfall-
                                                                 baren Energien, steht in einer Medienmittei-            entsorgung, Stilllegung und Haftung.
                                                                 lung des Wirtschaftsministeriums.                     • Damit ein neues Kernkraftwerk den Be-
                                                                                                                         trieb aufnehmen kann, müssen alle ent-
                                                                 Verhagen sagte vor dem Parlament, er rechne             sprechenden Konventionen und Gesetze
                                                                 bis zum Ende kommenden Jahres mit Bauge-                eingehalten werden.
                                                                 suchen für ein oder zwei neue Kernkraft-
                                                                 werkseinheiten. Deshalb werde er umgehend             Koalitionsvertrag: Kernenergie
                                                                 anfangen, in seinem Ministerium Know-how              ausbauen
                                                                 für den Genehmigungsprozess aufzubauen,
                                                                 «denn ich will die Genehmigung noch in der            Seit Mitte Oktober 2010 regiert eine Minder-
                                                                 laufenden Legislaturperiode erteilen.» Das            heitskoalition aus der rechtsliberalen Volks-
                                                                 wäre bis 2015.                                        partei für Freiheit und Demokratie (VVD)
                                                                                                                       und dem Christdemokratischen Appell (CDA)
                                                                                                                       unter Premierminister Mark Rutte die Nie-
                                                                                                                       derlande. Am 30. September 2010 hatte sie
                                                                                                                       sich auf eine Regierungsvereinbarung mit
                                                                                                                       dem Titel «Freiheit und Verantwortung» ge-
                                                                                                                       einigt. Laut dem Koalitionsvertrag müssen
                                                                                                                       die Niederlande in Bezug auf die Energiever-
                                                                                                                       sorgung ihre Abhängigkeit von anderen Län-
                                                                                                                       dern, hohen Preisen und umweltschädlichen
                                                                                                                       Energieträgern verringern. Die Energiever-
                                                                                                                       sorgungssicherheit müsse erhöht werden
     Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                                                                                       und die Renditemöglichkeiten auf dem Ener-
                                                                                                                       giemarkt würden stärker ins Blickfeld ge-
                                                                                                                       rückt. In Bezug auf nachhaltige Energiever-
                                                                                                                       sorgung seien die auf europäischer Ebene
                                                                                                                       angestrebten Ziele massgeblich: eine Redu-
                                                    Nach dem Willen der niederländischen Regierung soll                zierung der CO2-Emissionen um 20% und die
                                                    am bestehenden Standort Borssele bald ein neues                    Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Ener-
                                                    Kernkraftwerk gebaut werden.                                       gien auf 14% bis 2020. Um die angestrebte
                                                                                 Foto: Minister-president@flickr.com   CO2-Reduktion zu erreichen und die Abhän-
                                                                                                                       gigkeit bei der Energieversorgung zu verrin-
NACHRICHTEN

                                                                                                        15

gern, muss die Nutzung der Kernkraft aus-       Die Autoren stellen in ihrem Bericht zwei
gebaut werden, heisst es weiter. Geneh-         Steuermodelle vor, die beide den Gewinn
migungsanträge für den Bau neuer                der Kernkraftwerksbetreiber aus dem
Kernkraftwerke, die den Anforderungen ge-       Verkauf von CO2-Emissionszertifikaten in
nügen, würden bewilligt. Unterirdische CO2-     Betracht ziehen. Laut Ministerium würden
Speicherung sei möglich, sofern strenge         solche sogenannte Marktlagengewinne je
Sicherheitsanforderungen eingehalten wür-       nach gewähltem Modell zu 43 – 45% be-
den und es hinreichenden Rückhalt in der        steuert.
örtlichen Bevölkerung gebe. Diese Frage

                                                                                                                                      Politik
werde allerdings erst aktuell, wenn die         Steuereinnahmen in Millionenhöhe
Genehmigung für ein neues Kernkraftwerk
erteilt worden sei.                             Im Minimalsteuermodell würde die Brenn-
                                                stoffsteuer 44,5% des Marktpreises für CO2-
Zwei Bauvorhaben am Standort Borssele           Emissionsrechte betragen. Der angewendete
                                                Referenzpreis entspricht dem mittleren Preis
Die niederländischen Versorgungsunterneh-       des Jahres 2010 von EUR 15 (CHF 19) je Ton-
men Delta NV und Energy Resources Hol-          ne CO2, aber die Steuer würde mindestens
ding (ERH) beabsichtigen – unabhängig von-      EUR 2 (CHF 2,6) je MWh betragen. Damit
einander – am bestehenden Standort Borsse-      würde die Steuer zumindest EUR 67 Mio.
le in der Provinz Zeeland im Südwesten der      (CHF 87 Mio.) im Jahr einbringen. Steigt der
Niederlande ein neues Kernkraftwerk zu          Emissionszertifikatspreis auf EUR 30 je Ton-
bauen (Bulletins 7/2009 und 10/2010). Sie       ne, so würde die Steuer auf EUR 6,7 (CHF
haben beide mit dem Einreichen einer soge-      8,7) pro MWh anwachsen und jährlich EUR
nannten Startnotiz das Bewilligungsverfah-      223 Mio. (CHF 290 Mio.) generieren.
ren eingeleitet. (M. A. nach Ministerium für
Wirtschaft, Landwirtschaft und Innovation,      Im flexiblen Steuermodell würde die Brenn-
Medienmitteilung, 11. Februar 2011, und         stoffsteuer EUR 1,7 (CHF 2,2) je MWh plus
Koalitionsvertrag zwischen CDA und VVD,         30% des Marktlagengewinns betragen. Ein
30. September 2010)                             Emissionszertifikatspreis von EUR 15 je Ton-
                                                ne CO2 würde EUR 57 Mio. (CHF 74 Mio.)
                                                einbringen. Bei einem Preis von EUR 30 je
                                                Tonne ergäben sich Steuereinnahmen von
Finnland: Brennstoffsteuer                      jährlich EUR 207 Mio. (CHF 270 Mio.). Sollte
geplant                                         bei diesem Modell der Emissionshandels-
                                                preis unter EUR 9,3 (CHF 12) pro Tonne CO2
                                                fallen, so würde sich eine «negative» Steuer
Die finnische Regierung denkt über die          ergeben, die an «positive» Steuereinnahmen
Einführung einer Brennstoffsteuer auf           späterer Jahre angerechnet werden könnte.
Uran nach. Die Steuer könnte jährlich
Millionen einbringen, meldete das Minis-        Finnische Industrie nicht gefährden
try of Employment and the Economy
(MEE).                                          Laut Bericht wäre selbst eine «moderate»
                                                                                                             Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                Brennstoffsteuer unter den gegenwärtigen
Am 4. Februar 2011 unterbreiteten Pasi          Umständen nicht angemessen, da sie die
Holm, CEO des Pellervo Economic Research        Rentabilität von Neuinvestitionen in Kern-
Institute PTT, und Markku Ollikainen, Pro-      energieprojekte gefährden würde. Das
fessor für Umwelt- und Ressourcenwirtschaft     Ministerium betonte, dass die Einführung
der Universität Helsinki, Wirtschaftsminister   einer Brennstoffsteuer die internationale
Mauri Pekkarinen eine von der Regierung in      Wettbewerbsfähigkeit der finnischen Indus-
Auftrag gegebene Studie zur Einführung          trie nicht gefährden dürfe. Der aufgrund der
einer Brennstoffsteuer.                         Steuer resultierende Anstieg der Energie-
NACHRICHTEN

                                                                  16

                                                                                kosten könnte durch eine Senkung der Steu-       USA: grosse Mehrheit unterstützt
                                                                                er auf die Stromwirtschaft ausgeglichen          die Kernenergie
                                                                                werden.

                                                                                Die finnische Energy Industries Association      Die öffentliche Unterstützung der Kern-
                                                                                (Energiateollisuus ry) bezeichnete die Ein-      energie bleibt in den USA hoch. Für eine
                                                                                führung einer solchen Steuer als «kurzsich-      breite Mehrheit spielt die Kernenergie
                                                                                tig» und im Widerspruch mit den energie-         weiterhin eine wichtige Rolle bei der
                                                                                und klimapolitischen Zielen Finnlands. Die       Stromversorgung. Dies zeigt die neueste
Politik

                                                                                geplante Brennstoffsteuer sei nicht im Ein-      telefonische Meinungsumfrage, welche
                                                                                klang mit der Energiesteuer-Richtlinie der       die Bisconti Research Inc. /GfK Roper im
                                                                                Europäischen Union, wonach die Strom-            Auftrag des Nuclear Energy Institute (NEI)
                                                                                erzeugung nach Verbrauch und nicht nach          Mitte Februar 2011 durchgeführt hat.
Stellungnahmen / Meinungsumfragen

                                                                                Produktion besteuert werden sollte. (M. A.
                                                                                nach MEE, Medienmitteilung, 4. Februar,          In der jährlich zweimal durchgeführten NEI-
                                                                                und World Nuclear News, 7. Februar 2011)         Meinungsumfrage werden jeweils 1000 er-
                                                                                                                                 wachsene Einwohner der USA zu Energie-
                                                                                                                                 und Stromversorgungsthemen befragt. Laut
                                                                                                                                 NEI liegt die Fehlermarge bei ±3%.
                                                                                USA: Repräsentantenhaus von
                                                                                Minnesota hebt Moratorium auf                    71% der Mitte Februar 2011 Befragten befür-
                                                                                                                                 worteten die Kernenergie als eine der Mög-
                                                                                                                                 lichkeiten in den USA Strom zu erzeugen,
                                                                                Zwei Wochen nachdem der Senat des ame-           während 29% diese ablehnten. Im März 2010
                                                                                rikanischen Bundesstaates Minnesota die          sprachen sich sogar 74% für die Nutzung der
                                                                                Aufhebung eines Moratoriums zum Bau              Kernenergie aus.
                                                                                neuer Kernkraftwerke gutgeheissen hat-
                                                                                te, sprach sich das Repräsentantenhaus           Die Umfrage zeigte auch eine klare Unter-
                                                                                ebenfalls dafür aus.                             stützung für die Vergabe von Darlehensga-
                                                                                                                                 rantien: 79% waren der Meinung, dass «die
                                                                                Das Repräsentantenhaus von Minnesota             Regierung Darlehensgarantien für Solar,
                                                                                nahm in dritter Lesung mit 81 zu 50 Stimmen      Wind- und fortgeschrittene Nuklearanlagen
                                                                                die Gesetzesvorlage SF4 an. Sie sieht die Auf-   sowie andere CO2-arme Energietechnologien
                                                                                hebung des Moratoriums zum Bau neuer             anbieten soll als Investitionsanreiz und um
                                                                                Kernkraftwerke vor, das seit 1994 in Kraft       die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu ge-
                                                                                ist. Das Repräsentantenhaus fügte zudem          währleisten». 19% waren damit nicht einver-
                                                                                eine Bestimmung hinzu, welche die Aufar-         standen.
                                                                                beitung ausgedienter Brennelemente verbie-
                                                                                tet. Eine Mehrheit der Abgeordneten lehnte       Auf die Frage, wie wichtig die Kernenergie
                                                                                es hingegen ab, den Bau neuer Kernkraft-         für die Deckung des zukünftigen Strom-
                                                                                werke in Minnesota von der Inbetriebnahme        bedarf sein werde, sagten 84% der Befragten
                                                                                eines nationalen Lagers für hochaktive Ab-       «wichtig» verglichen mit 11%, sie als «nicht
                         Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                                                fälle abhängig zu machen.                        wichtig» bewerteten. 66% teilten die Mei-
                                                                                                                                 nung, dass «wir in Zukunft unbedingt mehr
                                                                                Nachdem der Senat bereits Anfang Februar         Kernkraftwerke bauen sollen», während 30%
                                                                                2011 seine Beratungen zur Gesetzesvorlage        gegenteiliger Meinung waren.
                                                                                abgeschlossen hatte, kommt es jetzt zum
                                                                                Differenzbereinigungsverfahren. (M. A. nach      «Die wachsende Unterstützung für die Kern-
                                                                                State of Minnesota, Journal of the House,        energie der letzten Jahre kann wahrschein-
                                                                                17. Februar 2011)                                lich auf eine grössere Sensibilisierung der
                                                                                                                                 Öffentlichkeit für die wichtigsten Vorteile
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                                                                                                          17

dieser Technologie zurückgeführt werden»,        ministeriums eine Arbeitsgruppe des Kacare

                                                                                                                                        Internationale Zusammenarbeit
meinte Ann Bisconti, Präsidentin der Bis-        nach Frankreich reisen, um einen Vorge-
conti Research /GfK Roper. Zum zweiten Mal       hensplan mit dem Commissariat à l’énergie
in Folge habe der amerikanische Präsident        atomique et aux énergies alternatives (CEA)
zudem die Bedeutung der Kernenergie in           auszuarbeiten. (M. A. nach Ministère de
seiner Rede zur Nation hervorgehoben (Bul-       l’économie, des finances et de l’industrie,
letins 2 /2010 und 2 /2011).                     Medienmitteilung, 23. Februar 2011)

Die öffentliche Wahrnehmung der Sicherheit
von Kernkraftwerken habe sich in den letz-
ten Jahrzehnten verändert, so Bisconti. Die      Cameco: Lieferabkommen
aktuelle Umfrage habe gezeigt, dass für 67%      für finnisches Uran
der Befragten die Kernkraftwerke als sicher
gelten, verglichen mit 35% im Jahr 1984.
(M. A. nach NEI, Medienmitteilung, 23. Feb-      Die kanadische Cameco hat am 8. Februar
ruar 2011)                                       2011 zwei Vereinbarungen mit der finni-
                                                 schen Talvivaara Mining Company zum
                                                 Erwerb von Uran unterzeichnet. Das Uran
                                                 wird in der Nickelmine bei Sotkamo im
Französisch-saudische                            Osten des Landes als Nebenprodukt ge-
Vereinbarung                                     wonnen.

                                                                                                                                        Versorgung
                                                 Die Talvivaara Mining geht davon aus, dass
Frankreich und Saudi-Arabien haben am            die Nickelmine bei Sotkamo rund 770’000
22. Februar 2011 in Riad ein Abkommen            Pfund U3O8 oder 350 t U im Jahr liefern wird,
zur friedlichen Nutzung der Kernenergie          sobald sie ihre volle Produktionskapazität
abgeschlossen.                                   erreicht hat. Um das Uran aus dem geförder-
                                                 ten Gestein zu extrahieren, wird eine neue
Im Vorfeld des ausserordentlichen Minister-      Anlage erstellt, die rund EUR 45 Mio. (CHF
treffens am International Energy Forum (IEF)     44 Mio.) kosten wird. Die Cameco ist bereits
haben der französische Ministre chargé de        Brennstofflieferant für finnische Energiever-
l’Industrie, de l’Energie et de l’Economie       sorger und wird weiterhin technische Unter-
numerique, Eric Besson, und der ehemalige        stützung in Auslegung, Bau, Inbetriebnahme
Wirtschaftsminister Saudi-Arabiens und           und Betrieb der Uranextraktionsanlage leis-
jetzige Präsident der King Abdullah City for     ten. Die Bauarbeiten sollen laut Talvivaara
Atomic and Renewable Energy (Kacare),            Mining in den kommenden Monaten begin-
Hashim Abdullah Yamani, ein bilaterales          nen und 2012 abgeschlossen sein.
Kooperationsabkommen zur Entwicklung
der friedlichen Nutzung der Kernenergie un-      Mit dem ersten Abkommen wird die Cameco
terzeichnet. Die Kacare ist eine im April 2010   für die Deckung der Baukosten im Voraus
gegründete staatliche Institution mit dem        Investitionen in der Höhe von maximal USD
Ziel, die Entwicklung alternative Energien       60 Mio. (CHF 58 Mio.) aufbringen. Diese
                                                                                                               Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

voranzutreiben.                                  werden mit künftigen Uranlieferungen ver-
                                                 rechnet. Sobald die USD 60 Mio. aufge-
Die Vereinbarung stellt die Grundlage für        braucht sind, wird die Cameco das Uran von
eine globale industrielle und institutionelle    der Talvivaara erwerben. Diese Vereinba-
Partnerschaft dar. Sie soll zur Diversifi-       rung läuft bis zum 31. Dezember 2027. Das
zierung des Energiemix von Saudi-Arabien         zweite Abkommen deckt die Zahlungsmoda-
beitragen. Das Land erwartet eine Verdrei-       litäten ab. Der Kaufpreis wird aus einer For-
fachung des Strombedarfs bis 2032. Im April      mel berechnet, die den Marktpreis zum Zeit-
2011 wird laut des französischen Wirtschafts-    punkt der Lieferung zugrunde legt.         ➜
NACHRICHTEN

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                                                              Die Abkommen bedürfen noch der Ratifizie-      entwickeln sowie Investitionen und Handel
                                                              rung der Euratom-Versorgungsagentur und        zu fördern. Bereits im August 2008 hatten
                                                              der Zustimmung der Europäischen Kommis-        beide Länder ein Abkommen geschlossen,
                                                              sion. Im April 2010 hatte die Talvivaara dem   dass die Förderung und den Schutz japani-
                                                              Ministry of Employment and the Economy         scher Investitionen in Usbekistan zum Ziel
                                                              (MEE) ein Gesuch zum Abbau von Uran als        hat (Bulletin 9/2008).
                                                              Nebenprodukt eingereicht. Das Umweltver-
                                                              träglichkeitsverfahren und die Vorbereitun-    In Usbekistan befinden sich laut der Kern-
Versorgung

                                                              gen zur Umweltzulassung seien am Laufen,       energieagentur NEA der OECD die zwölft-
                                                              meldete die Talvivaara. (M. A. nach Cameco,    grössten Uranvorkommen der Welt (Bulletin
                                                              Medienmitteilung, 7. Februar, und Talvivaara   8/2010). Die Uranproduktion des Landes
                                                              Mining Company, Medienmitteilung, 8. Feb-      steht weltweit an siebter Stelle mit rund 5%.
                                                              ruar 2011)                                     (M. A. nach Ministry of Economy, Trade and
                                                                                                             Industry (Meti), Medienmitteilung, 7. Februar,
                                                                                                             und Itochu, Medienmitteilung, 8. Februar
                                                                                                             2011)
                                                              Japanische Itochu sichert
                                                              sich usbekisches Uran
                                                                                                             Peninsula versorgt
                                                              Die japanische Itochu Corporation hat          Energieproduzenten mit
                                                              mit dem usbekischen Staatsunternehmen          amerikanischem Uran
                                                              Navoi Mining and Metallurgical Combinat
                                                              (NMMC) einen langfristigen Vertrag über
                                                              Uranlieferungen geschlossen.                   Die australische Peninsula Energy Ltd.
                                                                                                             hat am 15. Februar 2011 mit «einem der
                                                              Die Itochu und die NMMC unterzeichneten        grössten Energieproduzenten der USA»
                                                              den Uranliefervertrag, der über zehn Jahre     einen Vertrag für die Uranversorgung un-
                                                              läuft, im Beisein des japanischen Ministers    terzeichnet. Der Rohstoff dafür soll im
                                                              für Wirtschaft, Handel und Industrie, Banri    Nordosten des amerikanischen Bundes-
                                                              Kaieda, des usbekischen Ersten Stellvertre-    staats Wyoming gewonnen werden.
                                                              tenden Ministerpräsidenten und Finanzmi-
                                                              nisters, Rustam Azimow, und der Ministerin     Mit wem die Peninsula das Uranlieferabkom-
                                                              für Aussenwirtschaftsbeziehungen, Investi-     men abgeschlossen hat, wurde nicht veröf-
                                                              tionen und Handel Usbekistans, Galina          fentlicht. Die Peninsula wird während sie-
                                                              Saidowa.                                       ben Jahren insgesamt 1,15 Mio. Pfund U3O8
                                                                                                             (442 t U) zu einem gleitenden Fixpreis lie-
                                                              Die Itochu erwartet eine verstärkte Nachfra-   fern. Gewonnen werden soll das Uran aus
                                                              ge nach Uran aufgrund der Notwendigkeit,       den Vorkommen des Lance Project im Nord-
                                                              die Treibhausgasemissionen zu verringern       osten von Wyoming rund 50 km von der
                                                              und wegen des weltweiten Ausbaus der           Stadt Gillette.
                                                              nuklearen Stromerzeugung. Der Vertrag soll
       Bulletin Nuklearforum Schweiz 3 / 2011

                                                              eine stabile Versorgung Japans mit Uran        Anfang Februar 2011 hatte die Peninsula be-
                                                              ermöglichen, schreibt die Itochu.              kannt gegeben, dass das Uranvorkommen
                                                                                                             des Lance Project dank neuer Probebohrun-
                                                              Memorandum zwischen Japan                      gen auf rund 33 Mio. Pfund U3O8 (12’700 t U)
                                                              und Usbekistan                                 geschätzt wird. Etwa ein Zehntel davon be-
                                                                                                             ruht auf Messungen, rund ein Fünftel gilt als
                                                              Zudem unterzeichneten Japan und Usbe-          identifiziert und die restlichen 8700 t U gehen
                                                              kistan eine Absichtserklärung, um gemein-      auf Schätzungen zurück. Nach Angaben der
                                                              sam die Rohstoffvorkommen Usbekistans zu       Peninsula entsprechen diese Angaben dem
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