Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...

Die Seite wird erstellt Silas Renner
 
WEITER LESEN
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
Diversität nutzen –
                Chancengerechtigkeit fördern!
               Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible
                       Stellenausschreibungen und Einstellungsverfahren

Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“

                                                     www.hamburg.netzwerk-iq.de
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
Impressum

Herausgeber:
basis & woge e. V.
migration.works
Steindamm 11, 20099 Hamburg
www.basisundwoge.de
www.hamburg.netzwerk-iq.de
Redaktion: Philipp Dorestal, Editha Masberg, Birte Weiß
Redaktionelle Mitarbeit: Eliza-Maimouna Sarr
Lektorat: Katerina Hibbe
Hinweis zur geschlechtergerechten Schreibweise:
Zur Berücksichtigung des 3. Geschlechts („Divers“) und aus Gründen der
Barrierefreiheit verwenden wir den Gender-Stern (z. B. Arbeitnehmer*innen,
ein*e Leser*in).
Layout: AlsterWerk MedienService GmbH
Stefan Reiter, Arwed Scibba
Fotos: © Shutterstock
Druck: Druckerei Weidmann
Wenn Sie aus dieser Publikation zitieren wollen, dann bitte mit genauer
Angabe des Herausgebers, des Titels und des Stands der Veröffentlichung.
Bitte senden Sie zusätzlich ein Belegexemplar an den Herausgeber.
Alle Rechte vorbehalten, September 2021.

migration.works ist ein Projekt im IQ Netzwerk Hamburg. Das Förderpro­gramm
„Integration durch Qualifizierung (IQ)“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung
der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab.
Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
(BMAS) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA).
Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
Inhaltsverzeichnis

Diversität nutzen –
Chancengerechtigkeit fördern!
Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible
Stellenausschreibungen und Einstellungsverfahren

Einleitung����������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 5

Vorbereitungsphase im Einstellungsverfahren������������������������������������������������������� 6

Stellenausschreibungen vielfaltssensibel gestalten��������������������������������������������� 11

Bewerbungsphase������������������������������������������������������������������������������������������������� 11

Stellenausschreibungen vielfaltssensibel platzieren�������������������������������������������� 17

Literaturtipps und Hinweise���������������������������������������������������������������������������������� 26

                                                                                                 Förderprogramm IQ          3
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
4   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
Einleitung

Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Die bundesdeutsche Gesellschaft ist vielfältig in Bezug auf Alter, Geschlecht, sexuel-
le Orientierung, Behinderung oder Religion. Auch der Umstand, dass mittlerweile
jede vierte Person in Deutschland einen so genannten Migrationshintergrund hat,
verdeutlicht, wie divers Deutschland ist. Wenn die gesellschaftliche Vielfalt sich in
der Belegschaft von Verwaltungen, Betrieben und Institutionen widerspiegelt, trägt
es, so haben verschiedene Studien gezeigt, u. a. zu einer höheren Arbeitszufrieden-
heit bei und beeinflusst das Unternehmensimage positiv.1 Viele Institutionen und
Betriebe bemühen sich deshalb darum, ihre Belegschaft vielfältiger aufzustellen
und somit die Gesellschaftsstruktur besser abzubilden. Ein wichtiger Schritt dahin
sind Bemühungen, in Stellenausschreibungen gezielt Menschen anzusprechen und
zu einer Bewerbung aufzufordern, die gesellschaftlich benachteiligt sind. Auch ist
der Einstellungsprozess insgesamt darauf auszurichten, dass eine vielfältige Be-
legschaft die Folge ist. Bei der Realisierung dieses Wunsches gibt es jedoch häufig
Unsicherheiten. Wie können Menschen konkret angesprochen werden? Was ist zu-
lässig in Stellenausschreibungen zu schreiben? Wie kann ein Bewerbungsgespräch
diversitätssensibel gestaltet werden? Diese kurze Broschüre soll Ihnen dabei eine
schnelle, aber nicht abschließende Orientierung bieten. Diskriminierungen und
damit auch die Anforderungen an Diversitätssensibilität wandeln sich und müssen
daher kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Zudem ist es
sinnvoll, die diversitätssensible Stellenbesetzung in einen ganzheitlichen Öffnungs-
prozess der jeweiligen Institution oder des Unternehmens einzubinden.

Die hier gegebenen Empfehlungen speisen sich aus unserer langjährigen Exper­
tise in der Schulung und Beratung von Arbeitsmarktakteur*innen wie Arbeitsver-
waltung, öffentliche Verwaltung und Unternehmen. In den einzelnen Unterkapiteln
finden Sie die Phasen des Einstellungsverfahrens aufgeschlüsselt mit konkreten
Handlungsempfehlungen und Hinweisen. Am Schluss der Broschüre sind weiter-
führende Literatur und eine Kontaktmöglichkeit angegeben, unter der begleitende
und vertiefende Schulungsangebote angefragt werden können.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

1	Vgl. z. B. Diversity Management Studie 2021. Wie Unternehmen den Einsatz und Erfolg von
   Diversity bewerten, März 2021, abrufbar unter https://www.total-e-quality.de/media/uploads/
   pagegroupdiversitystudie2021.pdf (letzter Zugriff 15.06.2021).

                                                                                  Förderprogramm IQ   5
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
Vorbereitungsphase im Einstellungsverfahren

1. Tipp:
Identifizieren Sie Gruppen, die Sie fördern wollen
Wenn Sie Ihr Bewerbungsverfahren                        Was sind wir bereit zu investieren, fi-
vielfaltssensibel aufstellen wollen, fra-               nanziell, hinsichtlich Ressourcen und
gen Sie sich zuerst: Warum wollen wir                   auch im Hinblick auf Konfliktbereit-
diverser werden? Was versprechen wir                    schaft? Es braucht Veränderungswillen
uns davon? Welche Personengruppen                       und Veränderungen können manchmal
sind im Unternehmen unterrepräsen-                      auch bedrohlich anmuten bzw. verlau-
tiert und sollen angesprochen werden?                   fen nicht immer reibungslos.
Welche Personengruppen sind aus fach-
lichen Gründen wichtig? Sind alle mit im                Die identifizierten Personengruppen
Boot? Wer ist vielleicht dagegen? Wel-                  sollten Sie dann gezielt in Stellenanzei-
che (rechtlichen) Grundlagen gibt es?                   gen ansprechen.

6   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
2. Tipp:
Sorgen Sie für Transparenz und Beteiligung
Ziel einer diversitätssensiblen Perspek-       zung zu bekommen sowie (wenn von
tivenvielfalt sollte sein, nicht nur verein-   Betroffenen gewünscht) von vorhande-
zelte Personen, die für Vielfalt stehen,       nen Erfahrungen zu lernen. Betriebs-
einzustellen. Diese werden nämlich u. U.       und Vollversammlungen, in denen für
das Gefühl haben, als Aushängeschild           Vielfalt geworben und anstehende
genutzt zu werden, am Arbeitsplatz lei-        Schritte der vielfaltssensiblen Öffnung
den und in der Regel nicht lange bleiben.      kommuniziert und diskutiert werden,
Vielmehr sollte es eine Haltungsände-          sind ebenfalls hilfreich, um etwaigen
rung in der Führung und Belegschaft ge-        bestehenden Widerständen gegen Di-
ben, die die Schritte hin zu mehr Vielfalt     versität früh begegnen und Vorbehalte
unterstützt. Deshalb ist es sinnvoll, im       bestenfalls ausräumen zu können. Je
Vorfeld möglichst viele Personen in die        nach vorhandenen Kompetenzen kann
neue Ausrichtung hin zu mehr Vielfalt          es sinnvoll sein, diesen Prozess extern
einzubinden und von diesen Unterstüt-          begleiten zu lassen.

                                                                   Förderprogramm IQ   7
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
3. Tipp:
Nutzen Sie vorhandene Kompetenzen und
beziehen Sie Verbündete mit ein
Personal wie Gleichstellungsbeauftrag-                  verschiedene rechtliche Grundlagen be-
te, Betriebsrät*innen und Schwerbehin-                  rufen, die eine Vielfaltsorientierung er-
dertenvertretungen sind qua Funktion                    möglichen und die Förderung bestimm-
bei Öffnungsprozessen häufig Verbün-                    ter Gruppen im Einstellungsverfahren
dete, weil sie einen Blick für Chancen-                 wie Frauen und Menschen mit Behinde-
gerechtigkeit haben und wichtige Stake-                 rung erlauben. Neben Schwerbehinder-
holder am Arbeitsplatz sind, mit denen                  ten- und Gleichstellungsgesetzgebung
auch Schnittstellen identifiziert und                   bietet auch das Allgemeine Gleich-
Rollen geklärt werden müssen. Bei der                   behandlungsgesetz einen rechtlichen
Umstellung des Bewerbungs- und Ein-                     Rahmen zur gezielten Förderung gesell-
stellungsverfahrens können Sie sich auf                 schaftlich marginalisierter Gruppen.

8   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
4. Tipp:
Überprüfen Sie Ihre Auswahlkriterien
Wenn es konkret wird und das Einstel-           nicht, sich zu bewerben. Wägen Sie also
lungsverfahren diversitätssensibel auf-         genau ab, was notwendigerweise in der
gesetzt wird, sollten Sie zunächst über-        Stellenausschreibung als Anforderungs-
legen: Gelten transparente und gleiche          profil beschrieben wird.
Auswahlkriterien für alle Bewerber*in-
nen? Welche Anforderungskriterien sind          Legen Sie Diversitätskompetenz als
wirklich wichtig für die jeweilige Stelle?      wichtiges Kriterium in der Stellen-
Je höher Sie die Anforderungen ansetzen,        ausschreibung fest, denn hier sind ge-
desto mehr Bewerber*innen erfüllen              sellschaftlich marginalisierte Gruppen
diese Kriterien nicht. Eventuell trauen         meist stark. Ausbuchstabiert heißt das,
sich selbst qualifizierte Bewerber*innen        dass z. B. Sprachenkenntnisse unter Di-
                                                versitätskompetenz fallen und Erfah-
Die Diversitätskompetenz können Sie z. B.       rungen mit Diskriminierung sowie die
mit folgenden Fragen überprüfen: Welche         Reflexion der eigenen Position (Stich-
Erfahrungen und/oder Kompetenzen haben          wort Ambiguitätstoleranz) Teil dieser
Sie mit Diversität? Können Sie Beispiele nen-
nen, wo Sie Ihre Diversitätskompetenz kon-      Fähigkeiten sind.
kret unter Beweis gestellt haben?

                                                                    Förderprogramm IQ   9
Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
5. Tipp:
Etablieren Sie ein Monitoring für die
Vielfalt im Betrieb
Gleichstellungdaten für ein größeres                 wie Citizens for Europe, dass es die Er-
Unternehmen oder eine Verwaltung                     hebungen braucht, um auch auf Hürden
zu erheben ist ein komplexes Verfah-                 aufmerksam zu werden. Bewerben sich
ren, welches hohe Anforderungen an                   beispielsweise nur Menschen mit Mig-
den Datenschutz stellt. Hier können                  rationshintergrund, die aber in Deutsch-
Sie sich von kompetenten Projekten                   land sozialisiert wurden, kann das bspw.
wie Citizens for Europe beraten lassen.              Rückschlüsse auf institutionelle Bar-
Grundlegendes findet sich auch in der                rieren in Bezug auf Sprache und Mehr-
Broschüre Gleichstellungsdaten der er-               sprachigkeit ermöglichen. Ein Umgang
wähnten Organisation.2 Es macht Sinn,                mit dem Zweifel ist, die Mitarbeitenden
über diese Informationen zu verfügen.                zur freiwilligen Angabe der Daten ein-
Denn eine Verständigung über den Ist-                zuladen und dabei transparent zu ma-
Zustand der Vielfalt in der jeweiligen               chen, wofür diese genutzt und wie sie
Verwaltung oder dem Unternehmen                      geschützt werden. Im besten Fall ist dies
legt offen, welche Gruppen unterreprä-               eine vertrauensstiftende Maßnahme, die
sentiert bzw. überrepräsentiert sind,                bereits vertretene heterogene Perspek-
sofern es sich um eine größere Institu-              tiven stärkt und ermutigt, beispielswei-
tion handelt. Werden Gleichstellungs-                se über Diskriminierungserfahrungen
daten in regelmäßigen Abständen er-                  zu sprechen.
hoben, so kann immer wieder überprüft
werden, ob die ergriffenen Maßnahmen                 Wichtig ist auch, die jeweiligen Diver-
gewirkt haben, um die Institution diver-             sitätskategorien intersektional, d. h. in
ser aufzustellen, oder ob nachgesteuert              ihrer Überschneidung mit anderen Di-
werden muss. Kennen Sie den gerade                   versitätskategorien, zu betrachten. Wie
in Deutschland historisch begründeten                viele der Frauen in Führungspositionen
Zweifel, persönlichkeitsbezogene Daten               sind in ihrer Gruppe homogen? Wie vie-
zu erheben? Das ist nachvollziehbar und              le sind zudem von Behinderungen be-
dennoch argumentieren Expert*innen                   troffen, migriert o. ä.?

2	https://cloud.citizensforeurope.org/index.php/s/7gkZjZfSHDpZTRp

10   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Stellenausschreibungen vielfaltssensibel gestalten
Das Anforderungsprofil für Stellen sollte vielfaltssensibel reflektiert werden. Das be-
deutet, sich zu fragen, welche Kompetenzen für die Stelle notwendig sind und welche
in Bezug auf Diversität in das Anforderungsprofil aufgenommen werden sollten. Ein
Beispiel wäre etwa Mehrsprachigkeit.

1. Soll es eine Bevorzugung einer bestimmten
Gruppe geben?
Personengruppen zu bevorzugen kann           Zweitens kann eine Bevorzugung ei-
aus zwei Gründen geschehen. Einerseits       ner bestimmten Gruppe erfolgen, um
kann es fachliche Gründe geben, z. B. ei-    unterrepräsentierte Gruppen in einer
nen besonderen Zugang zu Zielgruppen         Institution einzustellen, Teilhabe zu er-
oder einen Vertrauensvorschuss durch         möglichen und Chancengerechtigkeit zu
die Zugehörigkeit zu einer gesellschaft-     erhöhen. Beispielsweise könnte in ei-
lich marginalisierten Gruppe. Eine Aus-      ner Stellenausschreibung dann stehen:
schreibung für eine Stelle in einem Frau-    „Frauen sind in dieser Abteilung / in die-
enhaus kann sich beispielsweise sehr         sem Unternehmen unterrepräsentiert.
wohl nur an Frauen richten und keine         Aus diesem Grunde werden bei gleicher
Männer adressieren, da ein Frauenhaus        Qualifikation Frauen bevorzugt berück-
einen besonderen Schutzraum für Frau-        sichtigt.“ Wichtig ist die Einschränkung
en darstellt, die von Gewalt durch Män-      „bei gleicher Qualifikation“. Eine auto-
ner betroffen, möglicherweise traumati-      matische Bevorzugung von Gruppen ist
siert sind und nicht von Männern betreut     in der Regel nicht zulässig, wenn keine
werden möchten. Es muss also eine aus        durch die Stellenanforderung legitime
der Stelle resultierende sachliche Anfor-    sachliche Begründung gegeben wird.
derung geben, die objektiv nachvollzieh-
bar die Bevorzugung einer Gruppe im
Bewerbungsprozess begründet.

                                                                  Förderprogramm IQ   11
2. (Wie) sollen bestimmte Zielgruppen zur
Bewerbung aufgefordert werden?
Auffordernden Charakter haben Formu-                faltssensibles Arbeitsklima herrscht.
lierungen wie „Wir freuen uns beson-                Formulierungen wie „Wir bieten ein
ders über Bewerbungen von“ und dieser               kollegiales und diskriminierungssen-
Satz kann dann konkretisiert werden                 sibles Arbeitsklima“ oder „Wir fördern
mit: Frauen, Menschen mit Migrations-               aktiv die Vielfalt und Gleichstellung aller
hintergrund/People of Color/Schwarze                Mitarbeitenden“ erhöhen die Chance,
Menschen, Menschen mit Fluchthinter-                dass der Pool von eingehenden Bewer-
grund, genderdiverse Menschen, Men-                 bungen diverser wird. Durch den Ver-
schen mit einer Behinderung, etc.                   weis darauf, was die Institution an Maß-
                                                    nahmen zu Vielfalt anbietet, dass z. B.
Wenn in der Stellenausschreibung ge-                ein klares Bekenntnis zu Diversität und
schlechterneutrale      Formulierungen              Antidiskriminierung im Leitbild veran-
oder mit Genderstern bzw. Unterstrich               kert ist, können sich Menschen mit Dis-
oder Doppelpunkt versehene Schreib-                 kriminierungserfahrungen noch stärker
weisen verwendet werden, können                     angesprochen fühlen. Auch der Verweis
diese signalisieren, dass Sensibilität im           auf zielgruppenspezifische Mentoring-
Unternehmen in Bezug auf Geschlech-                 programme oder Netzwerke in der In-
terdiversität vorhanden ist und Vielfalt            stitution, die den Ankommensprozess
gewertschätzt wird. Wenn diese Formu-               erleichtern und den Austausch der Mit-
lierungen genutzt werden, ist es sinn-              arbeiter*innen mit ähnlichen Lebens-
voll, Konzepte zu Geschlechtervielfalt im           realitäten untereinander fördern, z. B.
Unternehmen mit Leben zu füllen.                    für alleinerziehende Personen, kann die
                                                    Attraktivität der Stelle für viele Bewer-
Außerdem sollte in Stellenanzeigen ex-              ber*innen erhöhen.
plizit erwähnt werden, dass ein viel-

12   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
3. Welche Gruppen sollen zur Bewerbung
aufgefordert werden?
Eine inklusive Ansprache in der Stellen-
                                                             Ein Formulierungsvorschlag für eine viel-
ausschreibung ist wichtig, um gesell-
                                                             faltssensible Ansprache möglichst vieler
schaftlich marginalisierte Gruppen, die in                   gesellschaftlich marginalisierter Gruppen
der Belegschaft unterrepräsentiert sind,                     könnte lauten: „Wir fördern aktiv die Viel-
besonders zur Bewerbung zu ermutigen.                        falt und Gleichstellung aller Mitarbeitenden.
                                                             Deswegen freuen wir uns besonders über
                                                             Bewerbungen von Schwarzen Menschen,
Da in einer Stellenausschreibung aus                         Personen of Colour, Menschen mit familiärer
Platzgründen nicht für alle Diversitäts-                     Migrations- oder Fluchtgeschichte, trans*,
dimensionen detaillierte Beispiele ge-                       inter* und queere Personen, Menschen mit
                                                             Behinderungen sowie Frauen*.“ 3
geben werden können, sollte immer
reflektiert werden, ob die Dimensionen
Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle                  spreche ich an? Wer wird vielleicht gera-
Orientierung, Religion, Alter und Behin-                  de nicht angesprochen/erreicht (durch
derung berücksichtigt werden. Folgen-                     die Kanäle der Bewerbung, die formali-
de Fragen sollten den Prozess der viel-                   sierte Sprache/nur Deutsch, für körper-
faltssensiblen Öffnung begleiten: Wen                     lich eingeschränkte Menschen, etc.)?

3	Vgl. hierzu Tamás Jules Fütty, Marek Sancho Höhne, Eric Llaveria Caselles: Geschlechterdiversität in Beschäf-
   tigung und Beruf. Bedarfe und Umsetzungsmöglichkeiten von Antidiskriminierung für Arbeitgeber_innen,
   Berlin 2020, S. 60.

                                                                                     Förderprogramm IQ        13
4. Sollten Bewerber*innen aufgefordert werden,
ein Foto mitzuschicken?
Des Weiteren sollte in der Stellenaus-                   ist, lassen sich keine Qualifikationen und
schreibung vermerkt werden, dass                         Fähigkeiten ableiten. Außerdem haben
Bewerbungen ohne Foto eingesendet                        verschiedene Studien zudem gezeigt,
werden sollten. Während Bewerbun-                        dass insbesondere gesellschaftlich mar-
gen mit Foto in Deutschland vielerorts                   ginalisierte Gruppen durch unbewusste
noch Standard sind, ist dies in anderen                  Vorannahmen aussortiert werden, nur
Ländern, beispielsweise Großbritannien                   weil sie etwa Schwarz sind, ein Kopftuch
und den USA, nicht üblich. Vom Ausse-                    tragen oder geschlechterdivers sind.4
hen, welches auf dem Foto abgebildet

5. Welche Vorteile haben anonymisierte
Bewerbungsverfahren?
Aus diesem Grunde können im Kontext                      In anonymisierten Bewerbungsverfah-
von diversitätssensiblen Einstellungs-                   ren sind im ersten Schritt vor der Aus-
verfahren zudem anonymisierte Bewer-                     wahl der Kandidat*innen alle Angaben,
bungsverfahren zum Einsatz kommen.                       die Rückschlüsse auf eine diskriminie-
Denn nicht nur ein Foto, sondern auch                    rungssensible Kategorie erlauben, wie
ein Name, der auf einen Migrationshin-                   z. B. Alter, Geschlecht oder ethnische
tergrund, ein bestimmtes Geschlecht                      Herkunft nicht einsehbar, so dass die
etc. hindeutet, kann dazu führen, dass                   Unterlagen der Bewerber*innen nur
Kandidat*innen unabhängig von der                        nach der Qualifikation für die ge-
Qualifikation aussortiert werden, weil                   suchte Stelle beurteilt werden. Erst
bei Personalverantwortlichen wo-                         wenn mögliche Kandidat*innen in der
möglich offene oder unbewusste Vor-                      nächsten Auswahlrunde zum Bewer-
annahmen über Menschen mit vom                           bungsgespräch eingeladen werden,
Allge­meinen Gleichbehandlungsgesetz                     werden der Kommission die anonymi-
geschützten Merkmalen bestehen.                          sierten Daten offengelegt. Anonymisier-

4	Vgl. z. B. Doris Weichselbaumer: Discrimination against Female Migrants Wearing Headscarves, Forschungs-
   institut zur Zukunft der Arbeit. Discussion Paper No. 10217, Bonn 2016, abrufbar unter http://ftp.iza.org/
   dp10217.pdf (letzter Zugriff 11.06.2021).

14   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
te Bewerbungs­verfahren können, ins-    sind möglich. Zur praktischen Ausge-
besondere in großen Unternehmen oder    staltung finden Sie Anregungen in den
Verwaltungen, durch Eingabe-Masken      am Ende diese Broschüre aufgelisteten
vorbereitet werden, auch Online-Tools   Literaturhinweisen.

                                                          Förderprogramm IQ   15
Nachteilsausgleiche in Einstellungsverfahren:
Positive Maßnahmen
Grundsätzlich gilt, dass Nachteilsausglei-          text heißt es dazu erläuternd, dass „[…]
che für gesellschaftlich marginalisierte            eine unterschiedliche Behandlung auch
Gruppen in Einstellungsverfahren möglich            zulässig [ist], wenn durch geeignete und
sind. Das Allgemeine Gleichbehandlungs-             angemessene Maßnahmen bestehende
gesetz (AGG) hält fest, was eine Diskri-            Nachteile wegen eines in § 1 genannten
minierung im rechtlichen Sinne darstellt:           Grundes verhindert oder ausgeglichen
„Eine unmittelbare Benachteiligung liegt            werden sollen.“ 5 Die geschützten Merk-
vor, wenn eine Person wegen eines in § 1            male oder Kategorien, die von Positiven
genannten Grundes eine weniger günstige             Maßnahmen abgedeckt sind, umfassen
Behandlung erfährt, als eine andere Per-            Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter,
son in einer vergleichbaren Situation er-           ethnische Herkunft, Behinderung und
fährt, erfahren hat oder erfahren würde.“           Religion. Positive Maßnahmen umfassen
(§ 3, Abschnitt 1) Wichtig ist der Hinweis,         ausdrücklich die gezielte Einstellung von
dass schon eine „weniger günstige“ Be-              Menschen mit den gerade aufgezählten
handlung eine Diskriminierung im Sinne              Merkmalen, sofern die für die ausgeschrie-
des AGG darstellt. Darüber hinaus kann              bene Stelle erforderlichen Qualifikationen
eine Diskriminierung auch dann vorliegen,           vorliegen und mit denen von anderen Be-
wenn diese nicht intendiert, also gewollt           werber*innen gleichwertig sind.
ist. Zahlreiche Studien und auch die Be-
ratungspraxis von Antidiskriminierungs-             Die offensive Ansprache gesellschaftlich
stellen zeigen, dass Benachteiligungen von          marginalisierter Gruppen sollte jedoch von
Menschen aufgrund des Migrationshinter-             anderen vielfaltssensiblen Maßnahmen
grundes, einer Behinderung, der sexuellen           flankiert werden, um die gewünschten Ef-
Orientierung, des Geschlechts, der Reli-            fekte zu zeitigen. Beispielsweise sollte die
gion oder des Alters weit verbreitet sind.          Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung und
                                                    Familienfreundlichkeit in Stellenanzeigen
Die im AGG unter § 5 gefassten sogenann-            erwähnt werden und im Betrieb verankert
ten Positiven Maßnahmen bezwecken,                  sein. Da Frauen überproportional in Teil-
die Nachteile, mit denen Gruppen auf-               zeit beschäftigt sind, um beispielsweise
grund von (zugeschriebenen) Merkmalen               Kinderbetreuung zu gewährleisten, kön-
konfrontiert sind, mithilfe von gezielten           nen unbeabsichtigte Ausschlüsse die Folge
Maßnahmen abzubauen, also einen Nach-               sein, wenn Teilzeitarbeitsmodelle nicht
teilsausgleich zu erzielen. Im Gesetzes-            angeboten werden.
5	Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) § 5.

16   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Stellenausschreibungen vielfaltssensibel platzieren

1. Tipp:
Nutzen Sie vorhandene Netzwerke
Wenn sie sich personell diverser aufstel-   stellungsbeauftragte Anzeigen in ihren
len wollen, lohnt es sich, über die kon-    Netzwerken streuen. Interessenvertre-
ventionellen Bewerbungskanäle und           tungen von gesellschaftlich marginali-
Plattformen hinaus zu überlegen, wo         sierten Gruppen wie Migrant*innenver-
Personengruppen, die Sie gezielt errei-     bände oder LSBTIQ – (Lesben, Schwule,
chen wollen, besonders gut auf Ihre Stel-   Bisexuelle, Trans-, Inter* und queere
lenanzeigen aufmerksam werden. Dies         Menschen) Organisationen sowie von
können etwa Jobmessen sein. Darüber         Menschen mit Behinderungen können
hinaus können Diversitäts- und Gleich-      ebenfalls geeignete Partner*innen sein.

2. Tipp:
Inserieren Sie auf speziellen Plattformen
Unter Diversity-jobs.de oder Goodjobs.eu    Fokus auf Vielfalt, sowohl was die the-
können Arbeitgeber*innen inserieren         matische Ausrichtung der Stellen als
und Arbeitnehmer*innen suchen. Die-         auch was die Anforderungsprofile an-
se Plattformen haben einen expliziten       betrifft.

3. Tipp:
Inserieren Sie mehrsprachig
Ein weiterer Weg, eine größere und          Personen gesehen, die kein oder wenig
womöglich diversere Bewerber*innen-         Deutsch sprechen, diese können dann
zahl zu erreichen ist, Stellenanzeigen      aber eventuell andere Menschen, z. B.
auf Englisch zu schalten. Diese Stellen-    innerhalb ihrer Community, auf die die
anzeigen werden dann womöglich von          Stelle passen würde, darauf hinweisen.

                                                               Förderprogramm IQ   17
Vielfalts- und diskriminierungssensible Strategien
für das Bewerbungsgespräch

1. Tipp:
Reflektieren Sie Ihren unconscious bias
(unbewusste Vorannahmen)
Es gibt zahlreiche Studien aus der so-                    Auswahlkriterien von Personaler*innen
zialpsychologischen Forschung, die be-                    hat der Soziologe Albert Scherr mit
legen, dass wir viele unbewusste Vor-                     Kolleg*innen belegen können, dass die
annahmen (unconscious bias) haben,                        Eigenschaft der vermeintlichen „Pas-
die unseren Blick auf andere Menschen                     sung“ von Bewerber*innen in eine Be-
mitbestimmen.6 Diese Vorannahmen                          legschaft häufig die Entscheidung für
sind durch gesellschaftliche Diskurse                     ein*e Kandidat*in bestimmt. Wenn
geprägt und können dazu führen, dass                      z. B. die Belegschaft vorwiegend weiß,
wir jemandem mit negativen Gefühlen                       männlich und über einen akademischen
begegnen und dadurch dessen Quali-                        Hintergrund verfügt, werden Kandida-
fikation nicht oder nicht angemessen                      ten eher gewählt, die dieser homogenen
wahrnehmen und somit beispielsweise                       Belegschaft entsprechen, auch wenn
der Auswahlprozess nicht objektiven                       fachlich womöglich ein*e andere*r Be-
Kriterien gehorcht. Ein Beispiel, wie                     werber*in besser geeignet wäre. Es ist
sich diese unbewusste Voreingenom-                        deshalb wichtig, sich dieser subjektiven
menheit konkret auswirkt, ist das Kopf-                   Einflussfaktoren bewusst zu sein, diese
tuch. Dieses ist sehr stark symbolisch                    kritisch zu reflektieren und mithilfe von
aufgeladen. Selbst bevor eine Bewerbe-                    möglichst objektiven Kriterien, welche
rin also den ersten Satz gesagt hat, kön-                 als Korrektiv dieser subjektiven Ein-
nen diese negativen Grundannahmen                         flussfaktoren dienen können, das Ein-
die Einschätzung dieser Person schon                      stellungsverfahren vielfaltssensibel zu
negativ einfärben. In einer Studie über                   optimieren.

6	Vgl z. B. Stanley Damien et al (2011): Implicit race attitudes predict trustworthiness judgments and economic
   trust decisions. In: Psychological and cognitive sciences. PNAS May 10, vol. 108 no. 19, 7710-7715.

18   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
2. Tipp:
Investieren Sie in diversitätssensible
Fortbildungen für Personalverantwortliche
Personen, die in der Auswahlkommis-         nahmen, die den Bewerbungsprozess
sion sitzen, sollten zu Diversitätsthemen   negativ beeinflussen können, wird ge-
fortgebildet werden. Denn deren Sensi-      schärft und Tools zur vielfaltsorientier-
bilität in Bezug auf unbewusste Voran-      ten Gestaltung des Verfahrens optimiert.

3. Tipp:
Legen Sie Standards im Einstellungsprozess fest
In kleinen Betrieben kann es sein, dass     identische Fragen gestellt und klare Kri-
nur eine Person entscheidet. Ein Vier-Au-   terien für die Bewertung der Antworten
gen-Prinzip, d. h. das Durchführen und      vorab festgehalten werden.
Entscheiden mindestens zu zweit, sollte
als Mindeststandard angestrebt werden,      Fragen Sie sich bei der Evaluation von
um homogenisierenden Effekten in Be-        Kandidat*innen immer: Welche Bilder
zug auf die Auswahl aufgrund von quali-     von dieser Person habe ich? Woran mache
fikationsfernen subjektiven Präferenzen     ich dies fest? Hatte ich einen ersten Im-
entgegenzuwirken. Auch in kleineren         puls für Antipathie oder Sympathie und
Settings sollte das Bewerbungsverfahren     wodurch könnte dieser begründet sein?
standardisiert sein, also Bewerber*innen

4. Tipp:
Vermeiden Sie unzulässige Fragen
und reflektieren Sie sensible Themen
Es gibt Fragen, die eindeutig unzulässig    Fragen, z. B. zu Aussehen, Migrationshin-
sind, wie z. B. die nach der Familienpla-   tergrund oder Geschlechtsidentität kön-
nung oder Schwangerschaft und Reli-         nen unangemessen sein. Es sollte reflek-
gion, wenn sie (potenziell) diskriminie-    tiert werden, was der Erkenntnisgewinn
rende Wirkung haben. Aber auch andere       in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit
                                                                Förderprogramm IQ   19
ist und ob anderen Bewerber*innen ver-              Bei Menschen mit Fluchterfahrung sind
gleichbare Fragen gestellt werden.                  Fragen zur eventuellen Fluchtgeschich-
                                                    te unangemessen, weil u. U. belastend,
Es bietet sich zudem an, zu Beginn                  zumindest so lange sie nicht von den
des Gespräches eine Runde zu machen,                Bewerber*innen eingebracht werden
in der sich alle mit Pronomen und Na-               und es für das Berufsprofil relevant ist,
men vorstellen und so geklärt wird,                 z. B. durch die möglicherweise durch die
wie jede Person angesprochen werden                 Fluchterfahrung gewonnenen Kompe-
möchte.                                             tenzen und bewiesenen Fähigkeiten.

5. Tipp:
Benennen Sie Diversitätskompetenz
im Bewerbungsgespräch
Wenn sich das Unternehmen auf den                   Wie die Antworten darauf bewertet wer-
Prozess einer Vielfaltsentwicklung be-              den, sollte vorher mit einem Kriterien-
gibt, sollte es auf jeden Fall im Bewer-            katalog festgelegt werden und die Per-
bungsgespräch eine Frage zur Diversi-               sonen, die dies erstellen, sollten selbst
tätskompetenz geben.                                eine hohe Diversitätskompetenz besitzen
                                                    bzw. hierzu fortgebildet worden sein.

6. Tipp:
Besetzen Sie die Bewerbungskommission divers
Die Kommission, die das Bewerbungs-                 ren wird die Gefahr der Reproduktion
gespräch führt und über die Einstellung             homogener, nichtdiverser Belegschaf-
entscheidet, sollte möglichst divers auf-           ten dadurch reduziert, dass vielfältige
gestellt sein. Einerseits fühlen sich Be-           Perspektiven an die Bewerber*innen-
werber*innen mit Diskriminierungser-                Auswahl angelegt werden. Die Kommis-
fahrungen eher willkommen und sehen,                sion sollte zu Diversitätsthemen fort-
dass es ein Bewusstsein für Diversität              gebildet sein und ein Bewusstsein für
gibt, wenn sie selbst sich in diesem Gre-           unconscious bias haben.
mium repräsentiert sehen. Zum ande-

20   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Vor dem Bewerbungsgespräch:
Das Einladungsschreiben

1. Tipp:
Sprechen Sie die Kandidat*innen korrekt an
Wenn die Kandidat*innen ausgewählt           Unsicherheiten kann z. B. Hallo Vorname
wurden, die zum Vorstellungsgespräch         Nachname oder Guten Tag Vorname Nach-
eingeladen werden sollen, können be-         name verwendet werden. Bei Namen, die
reits im Einladungsschreiben wichtige        für in Deutschland sozialisierte Menschen
Weichenstellungen gelegt werden, um          nicht so geläufig sind, sollten Sie besonde-
Ausgrenzungserfahrungen für die Bewer-       re Sorgfalt beim Antwortschreiben an den
ber*innen zu vermeiden. Wichtig ist des-     Tag legen, wenn Sie den Namen schreiben
halb die korrekte Anrede der Person. Sehr    und auch auf Sonderzeichen achten. Denn
geehrte Frau oder Herr ist beispielsweise    falsch angesprochen zu werden kann eine
nicht passend bei Personen, die sich als     sich wiederholende verletzende Erfah-
geschlechterdivers identifizieren und sich   rung sein. Bei Unsicherheiten können Sie
etwa weder als Mann noch als Frau ein-       im Bewerbungsgespräch auch offen fra-
ordnen. Häufig schreiben Kandidat*innen      gen, wie z. B. ein Name korrekt ausgespro-
in ihrem Bewerbungsschreiben selbst, wie     chen wird oder wie eine Person angespro-
sie angesprochen werden möchten. Bei         chen werden möchte.

2. Tipp:
Machen Sie den Ablauf des Gesprächs transparent
Weiterhin können Sie im Einladungs-          Bewerber*innen die gleichen Fragen be-
schreiben schon kurz den ungefähren          kommen. Insbesondere für Personen,
Ablauf des Bewerbungsgespräches              die mit deutschen Bewerbungsverfah-
skizzieren, also dass es einem festen        ren nicht so vertraut sind, z. B. aufgrund
Schema folgt, mit Begrüßung, Fragen          von Migrationserfahrungen, kann dies
zur Motivation, Qualifikation und dass       hilfreich sein.
die Fragen standardisiert sind, d. h. alle

                                                                   Förderprogramm IQ   21
3. Tipp:
Zeigen Sie sich ansprechbar für mögliche Barrieren
Proaktiv formulierte Angebote wie, dass             spezifische Bedarfe für das Vorstel-
bei Fragen zum Bewerbungsgespräch                   lungsgespräch gibt, z. B. Assistenz be-
vorab per Mail oder telefonisch wei-                nötigt wird. Dies signalisiert Sensibilität
tere Informationen eingeholt werden                 für mögliche Barrieren. Sorgen Sie dafür,
können, kann bei Bewerber*innen Un-                 dass der Arbeitsort und die Arbeitsplät-
sicherheiten und Ängste nehmen. Eine                ze barrierefrei sind, also z. B. für Roll-
Wegbeschreibung und Informationen                   stuhlfahrer*innen zugänglich sind.
zur Barrierefreiheit des Veranstaltungs-
ortes kann insbesondere für Menschen                Achten Sie im Bewerbungsgespräch
mit körperlichen Einschränkungen sehr               zudem auf geschlechtersensible Spra-
relevant sein. Deswegen fragen Sie nach,            che, d. h. sprechen Sie nicht in der aus-
ob es von Seiten der Bewerber*in noch               schließlich männlichen Form.

22   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Das Bewerbungsgespräch

1. Tipp:
Bereiten Sie einen Fragenkatalog
mit Bewertungen vor
Vor dem Bewerbungsgespräch sollte ein      Stichworte für die inhaltlichen Punkte
Fragenkatalog entworfen werden mit         festgehalten werden, die in den Ant-
den Fragen, die allen Kandidat*innen       worten auftauchen sollten, um so eine
gestellt werden. In einer Bewertungs-      größtmögliche Vergleichbarkeit der
schablone (mit Punktsystem) können         Antworten zu gewährleisten.

2. Tipp:
Klären Sie die Beteiligung und
Mitsprache im Bewerbungsprozess
Nichtsdestotrotz ist die Bewertung einer   stellungsbeauftragte und Schwerbehin-
Person und deren Qualifikation immer       dertenvertretung bei der Entscheidungs-
auch subjektiv eingefärbt, dies sollte     findung? Auswahlverfahren können sich
reflektiert und der Anteil der subjekti-   je nach Größe und Art der Institution
ven Faktoren so gering wie möglich ge-     unterscheiden: Während in einem sehr
halten werden. Darüber hinaus sollte       kleinen Betrieb mitunter keine eigene
im Vorfeld überlegt werden, wer in der     Personalabteilung existiert und somit In-
Bewerbungskommission sitzt, und wie        haber*in und Personalverantwortliche in
eine größtmögliche Pluralität an Per-      eins fallen können, ist die Situation an-
spektiven, insbesondere von den ge-        ders in großen Unternehmen oder einer
sellschaftlichen Gruppen, die ins Unter-   städtischen Verwaltung, wo verschiede-
nehmen geholt werden sollen, vertreten     ne Personen in den Bewerbungsprozess
sein kann. Wie wird entschieden, wenn      involviert sind. In jedem Fall sollte eine
beispielsweise zwei Kandidat*innen von     größtmögliche Standardisierung des Be-
unterschiedlichen Mitgliedern der Aus-     werbungsverfahrens angestrebt werden,
wahlkommission favorisiert werden?         um den subjektiven Faktor von Entschei-
Welches Mitspracherecht haben Gleich-      dungen möglichst gering zu halten.

                                                                Förderprogramm IQ   23
Vielfaltssensible Bewertung von Kandidat*innen
im Bewerbungsverfahren

1. Tipp:
Reflektieren Sie mögliche Gründe
für Lücken im Lebenslauf
Für Lücken im Lebenslauf kann es sehr               niedrigerem sozioökonomischem Sta-
unterschiedliche Gründe geben: Auf-                 tus stammen – sind weitere Gründe, die
grund von Fluchterfahrungen kann                    Lücken im Lebenslauf erklären können.
die Bildungsbiographie beispielsweise               Kurzum, eine vielfaltssensible Bewer-
unterbrochen worden sein. Auch Krank-               ber*innenauswahl sollte die Vielzahl an
heitsphasen können etwa durch Belas-                möglichen Gründen für nichtlineare Le-
tungen, die durch ein diskriminierendes             bensläufe nicht als Ausschlusskriterium
Umfeld ausgelöst wurden oder durch                  nehmen, sondern neben Zertifikaten
eine chronische Erkrankung bedingt                  und Abschlüssen immer auch ergänzend
sein. Familienversorgung oder ein lan-              Fragen nach besonderen Kompetenzen,
ges Studium aufgrund der Notwendig-                 die nicht aus dem Lebenslauf ersichtlich
keit, den Lebensunterhalt zu verdienen              sind, in das Bewerbungsgespräch inte­
– ein Umstand, der Menschen häufiger                grieren.
betrifft, die aus einem Elternhaus mit

24   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
2. Tipp:
Beziehen Sie nonformale Kompetenzen
in die Bewertung mit ein
Menschen mit Diskriminierungserfah-                       positiv auf ihr Unternehmen aus, wenn
rungen bringen häufig auch spezielle                      Sie abseits der Zertifikate im Gespräch
Kompetenzen mit wie Resilienz, Refle-                     nachfragen, ob es Kompetenzen gibt,
xionsvermögen, Diversitätskompetenz.7                     die nicht auf den ersten Blick ersicht-
Gleichzeitig kann es bei Menschen, die                    lich sind, weil Zertifikate fehlen. Sonst
im Laufe ihres Lebens mit strukturellen                   schränken Sie Ihren Suchradius unnötig
Hürden und/oder Ausgrenzung kon-                          ein.8 Integrieren Sie also gezielt in Ihren
frontiert waren sein, dass Kompetenzen                    Fragenkatalog Aspekte, mit denen Sie in
eher versteckt sind und nicht notwen-                     Erfahrung bringen können, ob die Kan-
digerweise in der Bewerbung durch                         didat*in abseits von Studium oder Aus-
formale Zertifikate abgebildet sind. Sie                  bildung Kompetenzen mitbringt, die für
können den Pool der Kandidat*innen                        die Stelle relevant sein können.
erweitern und dies wirkt sich auch

7	Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (Hrsg.): Dominic Frohn et al.: Out im Office?
   Sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz,
   Köln 2017, S. 61.

8	Vgl. Julia Gaiser/Emilia Roig: Die Dimension „soziale Herkunft“ in der Arbeitswelt aus einer intersektionalen
   Perspektive, Berlin 2021, S. 9.

                                                                                      Förderprogramm IQ       25
Literaturtipps und Hinweise
Untenstehend finden Sie Literatur, die sich mit unterschiedlichen Aspekten
vielfaltssensibler Einstellungsverfahren befasst

Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen des BMSFJ:
https://www.bmfsfj.de/resource/blob/155340/8187251d391f18eb26b85731050df54c/gleichstel-
lungscheck-fuer-kleine-und-mittlere-unternehmen-kmu-gleichstellungscheck-data.pdf

InQA-Check Vielfalt für Verwaltungen:
https://www.inqa-check-vielfalt-verwaltung.de/check-vielfalt-verwaltung/daten/mittelstand/index.htm

Eine Einführung in die Erhebung von Gleichstellungsdaten
Citizens For Europe (Hrsg.) Wer nicht gezählt wird, zählt nicht. Antidiskriminierungs- und Gleich-
stellungsdaten in der Einwanderungsgesellschaft – eine anwendungsorientierte Einführung.
Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership, Berlin 2018. Abrufbar unter:
https://cloud.citizensforeurope.org/index.php/s/7gkZjZfSHDpZTRp

Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Fair in den Job, Berlin 2019.
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Flyer/
fair_in_den_job.pdf?__blob=publicationFile&v=7

Julia Gaiser/Emilia Roig: Die Dimension „soziale Herkunft“ in der Arbeitswelt aus einer
intersektiona­len Perspektive, Berlin 2021.
https://www.charta-der-vielfalt.de/fileadmin/user_upload/Studien_Publikationen_Charta/
Policy_Paper_CIJ_Die_Dimension_soziale_Herkunft_in_der_Arbeitswelt.pdf

Zu anonymisierten Bewerbungsverfahren finden Sie in folgender Publikation
weitere Anregungen:

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hg.): Leitfaden für Arbeitgeber.
Anonymisierte Bewerbungsverfahren, Berlin 2014.
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Anonym-
Bewerbung/leitfaden_anonymisierte_bewerbungsverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=4

IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung (Hg.):
KMU-Toolbox für Geschäftsführungen und Personalverantwortliche, München 2020
(3., aktualisierte Auflage).
https://www.netzwerk-iq.de/foerderprogramm-iq/fachstellen/fachstelle-interkulturelle-
kompetenzentwicklung/angebote/fuer-kmu/kmu-toolbox

IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung (Hg.):
Alles schon fair? Mit Recht zu einem inklusiven Arbeitsmarkt!
Dossier zu 10 Jahren Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, München 2016.
https://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Fachstelle_IKA/Publikationen/
FS_IKA_Dossier_AGG_web_2.pdf

26   Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Diese Broschüre wurde vom Projekt migration.works erstellt. Es ist Teil des bundes­
weiten Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“, welches sich den
verbesserten Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund zum Arbeitsmarkt
zum Ziel gesetzt hat.

Unsere Schulungen sind für Institutionen wie z. B. Verwaltungen und Betriebe in der
Regel kostenfrei. Kontaktieren Sie uns gerne für Schulungsanfragen oder Informa-
tionen zu weiteren Broschüren, u. a. zu den Themen Einstellung von Geflüchteten
in Betrieben oder religiöse Gebote im Arbeitskontext.

Kontakt:
Dr. Philipp Dorestal
E-Mail: philipp.dorestal@basisundwoge.de

                                                               Förderprogramm IQ   27
www.hamburg.netzwerk-iq.de
     www.basisundwoge.de/antidiskriminierung
 Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“

Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.

28    Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Sie können auch lesen