Diversität nutzen - Chancengerechtigkeit fördern! - Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und ...
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Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern! Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und Einstellungsverfahren Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ www.hamburg.netzwerk-iq.de
Impressum Herausgeber: basis & woge e. V. migration.works Steindamm 11, 20099 Hamburg www.basisundwoge.de www.hamburg.netzwerk-iq.de Redaktion: Philipp Dorestal, Editha Masberg, Birte Weiß Redaktionelle Mitarbeit: Eliza-Maimouna Sarr Lektorat: Katerina Hibbe Hinweis zur geschlechtergerechten Schreibweise: Zur Berücksichtigung des 3. Geschlechts („Divers“) und aus Gründen der Barrierefreiheit verwenden wir den Gender-Stern (z. B. Arbeitnehmer*innen, ein*e Leser*in). Layout: AlsterWerk MedienService GmbH Stefan Reiter, Arwed Scibba Fotos: © Shutterstock Druck: Druckerei Weidmann Wenn Sie aus dieser Publikation zitieren wollen, dann bitte mit genauer Angabe des Herausgebers, des Titels und des Stands der Veröffentlichung. Bitte senden Sie zusätzlich ein Belegexemplar an den Herausgeber. Alle Rechte vorbehalten, September 2021. migration.works ist ein Projekt im IQ Netzwerk Hamburg. Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Programm wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit (BA). Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.
Inhaltsverzeichnis Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern! Ein Leitfaden für diversitäts- und diskriminierungssensible Stellenausschreibungen und Einstellungsverfahren Einleitung����������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 5 Vorbereitungsphase im Einstellungsverfahren������������������������������������������������������� 6 Stellenausschreibungen vielfaltssensibel gestalten��������������������������������������������� 11 Bewerbungsphase������������������������������������������������������������������������������������������������� 11 Stellenausschreibungen vielfaltssensibel platzieren�������������������������������������������� 17 Literaturtipps und Hinweise���������������������������������������������������������������������������������� 26 Förderprogramm IQ 3
Einleitung Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern! Die bundesdeutsche Gesellschaft ist vielfältig in Bezug auf Alter, Geschlecht, sexuel- le Orientierung, Behinderung oder Religion. Auch der Umstand, dass mittlerweile jede vierte Person in Deutschland einen so genannten Migrationshintergrund hat, verdeutlicht, wie divers Deutschland ist. Wenn die gesellschaftliche Vielfalt sich in der Belegschaft von Verwaltungen, Betrieben und Institutionen widerspiegelt, trägt es, so haben verschiedene Studien gezeigt, u. a. zu einer höheren Arbeitszufrieden- heit bei und beeinflusst das Unternehmensimage positiv.1 Viele Institutionen und Betriebe bemühen sich deshalb darum, ihre Belegschaft vielfältiger aufzustellen und somit die Gesellschaftsstruktur besser abzubilden. Ein wichtiger Schritt dahin sind Bemühungen, in Stellenausschreibungen gezielt Menschen anzusprechen und zu einer Bewerbung aufzufordern, die gesellschaftlich benachteiligt sind. Auch ist der Einstellungsprozess insgesamt darauf auszurichten, dass eine vielfältige Be- legschaft die Folge ist. Bei der Realisierung dieses Wunsches gibt es jedoch häufig Unsicherheiten. Wie können Menschen konkret angesprochen werden? Was ist zu- lässig in Stellenausschreibungen zu schreiben? Wie kann ein Bewerbungsgespräch diversitätssensibel gestaltet werden? Diese kurze Broschüre soll Ihnen dabei eine schnelle, aber nicht abschließende Orientierung bieten. Diskriminierungen und damit auch die Anforderungen an Diversitätssensibilität wandeln sich und müssen daher kontinuierlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Zudem ist es sinnvoll, die diversitätssensible Stellenbesetzung in einen ganzheitlichen Öffnungs- prozess der jeweiligen Institution oder des Unternehmens einzubinden. Die hier gegebenen Empfehlungen speisen sich aus unserer langjährigen Exper tise in der Schulung und Beratung von Arbeitsmarktakteur*innen wie Arbeitsver- waltung, öffentliche Verwaltung und Unternehmen. In den einzelnen Unterkapiteln finden Sie die Phasen des Einstellungsverfahrens aufgeschlüsselt mit konkreten Handlungsempfehlungen und Hinweisen. Am Schluss der Broschüre sind weiter- führende Literatur und eine Kontaktmöglichkeit angegeben, unter der begleitende und vertiefende Schulungsangebote angefragt werden können. Wir wünschen eine anregende Lektüre! 1 Vgl. z. B. Diversity Management Studie 2021. Wie Unternehmen den Einsatz und Erfolg von Diversity bewerten, März 2021, abrufbar unter https://www.total-e-quality.de/media/uploads/ pagegroupdiversitystudie2021.pdf (letzter Zugriff 15.06.2021). Förderprogramm IQ 5
Vorbereitungsphase im Einstellungsverfahren 1. Tipp: Identifizieren Sie Gruppen, die Sie fördern wollen Wenn Sie Ihr Bewerbungsverfahren Was sind wir bereit zu investieren, fi- vielfaltssensibel aufstellen wollen, fra- nanziell, hinsichtlich Ressourcen und gen Sie sich zuerst: Warum wollen wir auch im Hinblick auf Konfliktbereit- diverser werden? Was versprechen wir schaft? Es braucht Veränderungswillen uns davon? Welche Personengruppen und Veränderungen können manchmal sind im Unternehmen unterrepräsen- auch bedrohlich anmuten bzw. verlau- tiert und sollen angesprochen werden? fen nicht immer reibungslos. Welche Personengruppen sind aus fach- lichen Gründen wichtig? Sind alle mit im Die identifizierten Personengruppen Boot? Wer ist vielleicht dagegen? Wel- sollten Sie dann gezielt in Stellenanzei- che (rechtlichen) Grundlagen gibt es? gen ansprechen. 6 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
2. Tipp: Sorgen Sie für Transparenz und Beteiligung Ziel einer diversitätssensiblen Perspek- zung zu bekommen sowie (wenn von tivenvielfalt sollte sein, nicht nur verein- Betroffenen gewünscht) von vorhande- zelte Personen, die für Vielfalt stehen, nen Erfahrungen zu lernen. Betriebs- einzustellen. Diese werden nämlich u. U. und Vollversammlungen, in denen für das Gefühl haben, als Aushängeschild Vielfalt geworben und anstehende genutzt zu werden, am Arbeitsplatz lei- Schritte der vielfaltssensiblen Öffnung den und in der Regel nicht lange bleiben. kommuniziert und diskutiert werden, Vielmehr sollte es eine Haltungsände- sind ebenfalls hilfreich, um etwaigen rung in der Führung und Belegschaft ge- bestehenden Widerständen gegen Di- ben, die die Schritte hin zu mehr Vielfalt versität früh begegnen und Vorbehalte unterstützt. Deshalb ist es sinnvoll, im bestenfalls ausräumen zu können. Je Vorfeld möglichst viele Personen in die nach vorhandenen Kompetenzen kann neue Ausrichtung hin zu mehr Vielfalt es sinnvoll sein, diesen Prozess extern einzubinden und von diesen Unterstüt- begleiten zu lassen. Förderprogramm IQ 7
3. Tipp: Nutzen Sie vorhandene Kompetenzen und beziehen Sie Verbündete mit ein Personal wie Gleichstellungsbeauftrag- verschiedene rechtliche Grundlagen be- te, Betriebsrät*innen und Schwerbehin- rufen, die eine Vielfaltsorientierung er- dertenvertretungen sind qua Funktion möglichen und die Förderung bestimm- bei Öffnungsprozessen häufig Verbün- ter Gruppen im Einstellungsverfahren dete, weil sie einen Blick für Chancen- wie Frauen und Menschen mit Behinde- gerechtigkeit haben und wichtige Stake- rung erlauben. Neben Schwerbehinder- holder am Arbeitsplatz sind, mit denen ten- und Gleichstellungsgesetzgebung auch Schnittstellen identifiziert und bietet auch das Allgemeine Gleich- Rollen geklärt werden müssen. Bei der behandlungsgesetz einen rechtlichen Umstellung des Bewerbungs- und Ein- Rahmen zur gezielten Förderung gesell- stellungsverfahrens können Sie sich auf schaftlich marginalisierter Gruppen. 8 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
4. Tipp: Überprüfen Sie Ihre Auswahlkriterien Wenn es konkret wird und das Einstel- nicht, sich zu bewerben. Wägen Sie also lungsverfahren diversitätssensibel auf- genau ab, was notwendigerweise in der gesetzt wird, sollten Sie zunächst über- Stellenausschreibung als Anforderungs- legen: Gelten transparente und gleiche profil beschrieben wird. Auswahlkriterien für alle Bewerber*in- nen? Welche Anforderungskriterien sind Legen Sie Diversitätskompetenz als wirklich wichtig für die jeweilige Stelle? wichtiges Kriterium in der Stellen- Je höher Sie die Anforderungen ansetzen, ausschreibung fest, denn hier sind ge- desto mehr Bewerber*innen erfüllen sellschaftlich marginalisierte Gruppen diese Kriterien nicht. Eventuell trauen meist stark. Ausbuchstabiert heißt das, sich selbst qualifizierte Bewerber*innen dass z. B. Sprachenkenntnisse unter Di- versitätskompetenz fallen und Erfah- Die Diversitätskompetenz können Sie z. B. rungen mit Diskriminierung sowie die mit folgenden Fragen überprüfen: Welche Reflexion der eigenen Position (Stich- Erfahrungen und/oder Kompetenzen haben wort Ambiguitätstoleranz) Teil dieser Sie mit Diversität? Können Sie Beispiele nen- nen, wo Sie Ihre Diversitätskompetenz kon- Fähigkeiten sind. kret unter Beweis gestellt haben? Förderprogramm IQ 9
5. Tipp: Etablieren Sie ein Monitoring für die Vielfalt im Betrieb Gleichstellungdaten für ein größeres wie Citizens for Europe, dass es die Er- Unternehmen oder eine Verwaltung hebungen braucht, um auch auf Hürden zu erheben ist ein komplexes Verfah- aufmerksam zu werden. Bewerben sich ren, welches hohe Anforderungen an beispielsweise nur Menschen mit Mig- den Datenschutz stellt. Hier können rationshintergrund, die aber in Deutsch- Sie sich von kompetenten Projekten land sozialisiert wurden, kann das bspw. wie Citizens for Europe beraten lassen. Rückschlüsse auf institutionelle Bar- Grundlegendes findet sich auch in der rieren in Bezug auf Sprache und Mehr- Broschüre Gleichstellungsdaten der er- sprachigkeit ermöglichen. Ein Umgang wähnten Organisation.2 Es macht Sinn, mit dem Zweifel ist, die Mitarbeitenden über diese Informationen zu verfügen. zur freiwilligen Angabe der Daten ein- Denn eine Verständigung über den Ist- zuladen und dabei transparent zu ma- Zustand der Vielfalt in der jeweiligen chen, wofür diese genutzt und wie sie Verwaltung oder dem Unternehmen geschützt werden. Im besten Fall ist dies legt offen, welche Gruppen unterreprä- eine vertrauensstiftende Maßnahme, die sentiert bzw. überrepräsentiert sind, bereits vertretene heterogene Perspek- sofern es sich um eine größere Institu- tiven stärkt und ermutigt, beispielswei- tion handelt. Werden Gleichstellungs- se über Diskriminierungserfahrungen daten in regelmäßigen Abständen er- zu sprechen. hoben, so kann immer wieder überprüft werden, ob die ergriffenen Maßnahmen Wichtig ist auch, die jeweiligen Diver- gewirkt haben, um die Institution diver- sitätskategorien intersektional, d. h. in ser aufzustellen, oder ob nachgesteuert ihrer Überschneidung mit anderen Di- werden muss. Kennen Sie den gerade versitätskategorien, zu betrachten. Wie in Deutschland historisch begründeten viele der Frauen in Führungspositionen Zweifel, persönlichkeitsbezogene Daten sind in ihrer Gruppe homogen? Wie vie- zu erheben? Das ist nachvollziehbar und le sind zudem von Behinderungen be- dennoch argumentieren Expert*innen troffen, migriert o. ä.? 2 https://cloud.citizensforeurope.org/index.php/s/7gkZjZfSHDpZTRp 10 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Stellenausschreibungen vielfaltssensibel gestalten Das Anforderungsprofil für Stellen sollte vielfaltssensibel reflektiert werden. Das be- deutet, sich zu fragen, welche Kompetenzen für die Stelle notwendig sind und welche in Bezug auf Diversität in das Anforderungsprofil aufgenommen werden sollten. Ein Beispiel wäre etwa Mehrsprachigkeit. 1. Soll es eine Bevorzugung einer bestimmten Gruppe geben? Personengruppen zu bevorzugen kann Zweitens kann eine Bevorzugung ei- aus zwei Gründen geschehen. Einerseits ner bestimmten Gruppe erfolgen, um kann es fachliche Gründe geben, z. B. ei- unterrepräsentierte Gruppen in einer nen besonderen Zugang zu Zielgruppen Institution einzustellen, Teilhabe zu er- oder einen Vertrauensvorschuss durch möglichen und Chancengerechtigkeit zu die Zugehörigkeit zu einer gesellschaft- erhöhen. Beispielsweise könnte in ei- lich marginalisierten Gruppe. Eine Aus- ner Stellenausschreibung dann stehen: schreibung für eine Stelle in einem Frau- „Frauen sind in dieser Abteilung / in die- enhaus kann sich beispielsweise sehr sem Unternehmen unterrepräsentiert. wohl nur an Frauen richten und keine Aus diesem Grunde werden bei gleicher Männer adressieren, da ein Frauenhaus Qualifikation Frauen bevorzugt berück- einen besonderen Schutzraum für Frau- sichtigt.“ Wichtig ist die Einschränkung en darstellt, die von Gewalt durch Män- „bei gleicher Qualifikation“. Eine auto- ner betroffen, möglicherweise traumati- matische Bevorzugung von Gruppen ist siert sind und nicht von Männern betreut in der Regel nicht zulässig, wenn keine werden möchten. Es muss also eine aus durch die Stellenanforderung legitime der Stelle resultierende sachliche Anfor- sachliche Begründung gegeben wird. derung geben, die objektiv nachvollzieh- bar die Bevorzugung einer Gruppe im Bewerbungsprozess begründet. Förderprogramm IQ 11
2. (Wie) sollen bestimmte Zielgruppen zur Bewerbung aufgefordert werden? Auffordernden Charakter haben Formu- faltssensibles Arbeitsklima herrscht. lierungen wie „Wir freuen uns beson- Formulierungen wie „Wir bieten ein ders über Bewerbungen von“ und dieser kollegiales und diskriminierungssen- Satz kann dann konkretisiert werden sibles Arbeitsklima“ oder „Wir fördern mit: Frauen, Menschen mit Migrations- aktiv die Vielfalt und Gleichstellung aller hintergrund/People of Color/Schwarze Mitarbeitenden“ erhöhen die Chance, Menschen, Menschen mit Fluchthinter- dass der Pool von eingehenden Bewer- grund, genderdiverse Menschen, Men- bungen diverser wird. Durch den Ver- schen mit einer Behinderung, etc. weis darauf, was die Institution an Maß- nahmen zu Vielfalt anbietet, dass z. B. Wenn in der Stellenausschreibung ge- ein klares Bekenntnis zu Diversität und schlechterneutrale Formulierungen Antidiskriminierung im Leitbild veran- oder mit Genderstern bzw. Unterstrich kert ist, können sich Menschen mit Dis- oder Doppelpunkt versehene Schreib- kriminierungserfahrungen noch stärker weisen verwendet werden, können angesprochen fühlen. Auch der Verweis diese signalisieren, dass Sensibilität im auf zielgruppenspezifische Mentoring- Unternehmen in Bezug auf Geschlech- programme oder Netzwerke in der In- terdiversität vorhanden ist und Vielfalt stitution, die den Ankommensprozess gewertschätzt wird. Wenn diese Formu- erleichtern und den Austausch der Mit- lierungen genutzt werden, ist es sinn- arbeiter*innen mit ähnlichen Lebens- voll, Konzepte zu Geschlechtervielfalt im realitäten untereinander fördern, z. B. Unternehmen mit Leben zu füllen. für alleinerziehende Personen, kann die Attraktivität der Stelle für viele Bewer- Außerdem sollte in Stellenanzeigen ex- ber*innen erhöhen. plizit erwähnt werden, dass ein viel- 12 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
3. Welche Gruppen sollen zur Bewerbung aufgefordert werden? Eine inklusive Ansprache in der Stellen- Ein Formulierungsvorschlag für eine viel- ausschreibung ist wichtig, um gesell- faltssensible Ansprache möglichst vieler schaftlich marginalisierte Gruppen, die in gesellschaftlich marginalisierter Gruppen der Belegschaft unterrepräsentiert sind, könnte lauten: „Wir fördern aktiv die Viel- besonders zur Bewerbung zu ermutigen. falt und Gleichstellung aller Mitarbeitenden. Deswegen freuen wir uns besonders über Bewerbungen von Schwarzen Menschen, Da in einer Stellenausschreibung aus Personen of Colour, Menschen mit familiärer Platzgründen nicht für alle Diversitäts- Migrations- oder Fluchtgeschichte, trans*, dimensionen detaillierte Beispiele ge- inter* und queere Personen, Menschen mit Behinderungen sowie Frauen*.“ 3 geben werden können, sollte immer reflektiert werden, ob die Dimensionen Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle spreche ich an? Wer wird vielleicht gera- Orientierung, Religion, Alter und Behin- de nicht angesprochen/erreicht (durch derung berücksichtigt werden. Folgen- die Kanäle der Bewerbung, die formali- de Fragen sollten den Prozess der viel- sierte Sprache/nur Deutsch, für körper- faltssensiblen Öffnung begleiten: Wen lich eingeschränkte Menschen, etc.)? 3 Vgl. hierzu Tamás Jules Fütty, Marek Sancho Höhne, Eric Llaveria Caselles: Geschlechterdiversität in Beschäf- tigung und Beruf. Bedarfe und Umsetzungsmöglichkeiten von Antidiskriminierung für Arbeitgeber_innen, Berlin 2020, S. 60. Förderprogramm IQ 13
4. Sollten Bewerber*innen aufgefordert werden, ein Foto mitzuschicken? Des Weiteren sollte in der Stellenaus- ist, lassen sich keine Qualifikationen und schreibung vermerkt werden, dass Fähigkeiten ableiten. Außerdem haben Bewerbungen ohne Foto eingesendet verschiedene Studien zudem gezeigt, werden sollten. Während Bewerbun- dass insbesondere gesellschaftlich mar- gen mit Foto in Deutschland vielerorts ginalisierte Gruppen durch unbewusste noch Standard sind, ist dies in anderen Vorannahmen aussortiert werden, nur Ländern, beispielsweise Großbritannien weil sie etwa Schwarz sind, ein Kopftuch und den USA, nicht üblich. Vom Ausse- tragen oder geschlechterdivers sind.4 hen, welches auf dem Foto abgebildet 5. Welche Vorteile haben anonymisierte Bewerbungsverfahren? Aus diesem Grunde können im Kontext In anonymisierten Bewerbungsverfah- von diversitätssensiblen Einstellungs- ren sind im ersten Schritt vor der Aus- verfahren zudem anonymisierte Bewer- wahl der Kandidat*innen alle Angaben, bungsverfahren zum Einsatz kommen. die Rückschlüsse auf eine diskriminie- Denn nicht nur ein Foto, sondern auch rungssensible Kategorie erlauben, wie ein Name, der auf einen Migrationshin- z. B. Alter, Geschlecht oder ethnische tergrund, ein bestimmtes Geschlecht Herkunft nicht einsehbar, so dass die etc. hindeutet, kann dazu führen, dass Unterlagen der Bewerber*innen nur Kandidat*innen unabhängig von der nach der Qualifikation für die ge- Qualifikation aussortiert werden, weil suchte Stelle beurteilt werden. Erst bei Personalverantwortlichen wo- wenn mögliche Kandidat*innen in der möglich offene oder unbewusste Vor- nächsten Auswahlrunde zum Bewer- annahmen über Menschen mit vom bungsgespräch eingeladen werden, Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz werden der Kommission die anonymi- geschützten Merkmalen bestehen. sierten Daten offengelegt. Anonymisier- 4 Vgl. z. B. Doris Weichselbaumer: Discrimination against Female Migrants Wearing Headscarves, Forschungs- institut zur Zukunft der Arbeit. Discussion Paper No. 10217, Bonn 2016, abrufbar unter http://ftp.iza.org/ dp10217.pdf (letzter Zugriff 11.06.2021). 14 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
te Bewerbungsverfahren können, ins- sind möglich. Zur praktischen Ausge- besondere in großen Unternehmen oder staltung finden Sie Anregungen in den Verwaltungen, durch Eingabe-Masken am Ende diese Broschüre aufgelisteten vorbereitet werden, auch Online-Tools Literaturhinweisen. Förderprogramm IQ 15
Nachteilsausgleiche in Einstellungsverfahren: Positive Maßnahmen Grundsätzlich gilt, dass Nachteilsausglei- text heißt es dazu erläuternd, dass „[…] che für gesellschaftlich marginalisierte eine unterschiedliche Behandlung auch Gruppen in Einstellungsverfahren möglich zulässig [ist], wenn durch geeignete und sind. Das Allgemeine Gleichbehandlungs- angemessene Maßnahmen bestehende gesetz (AGG) hält fest, was eine Diskri- Nachteile wegen eines in § 1 genannten minierung im rechtlichen Sinne darstellt: Grundes verhindert oder ausgeglichen „Eine unmittelbare Benachteiligung liegt werden sollen.“ 5 Die geschützten Merk- vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 male oder Kategorien, die von Positiven genannten Grundes eine weniger günstige Maßnahmen abgedeckt sind, umfassen Behandlung erfährt, als eine andere Per- Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, son in einer vergleichbaren Situation er- ethnische Herkunft, Behinderung und fährt, erfahren hat oder erfahren würde.“ Religion. Positive Maßnahmen umfassen (§ 3, Abschnitt 1) Wichtig ist der Hinweis, ausdrücklich die gezielte Einstellung von dass schon eine „weniger günstige“ Be- Menschen mit den gerade aufgezählten handlung eine Diskriminierung im Sinne Merkmalen, sofern die für die ausgeschrie- des AGG darstellt. Darüber hinaus kann bene Stelle erforderlichen Qualifikationen eine Diskriminierung auch dann vorliegen, vorliegen und mit denen von anderen Be- wenn diese nicht intendiert, also gewollt werber*innen gleichwertig sind. ist. Zahlreiche Studien und auch die Be- ratungspraxis von Antidiskriminierungs- Die offensive Ansprache gesellschaftlich stellen zeigen, dass Benachteiligungen von marginalisierter Gruppen sollte jedoch von Menschen aufgrund des Migrationshinter- anderen vielfaltssensiblen Maßnahmen grundes, einer Behinderung, der sexuellen flankiert werden, um die gewünschten Ef- Orientierung, des Geschlechts, der Reli- fekte zu zeitigen. Beispielsweise sollte die gion oder des Alters weit verbreitet sind. Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung und Familienfreundlichkeit in Stellenanzeigen Die im AGG unter § 5 gefassten sogenann- erwähnt werden und im Betrieb verankert ten Positiven Maßnahmen bezwecken, sein. Da Frauen überproportional in Teil- die Nachteile, mit denen Gruppen auf- zeit beschäftigt sind, um beispielsweise grund von (zugeschriebenen) Merkmalen Kinderbetreuung zu gewährleisten, kön- konfrontiert sind, mithilfe von gezielten nen unbeabsichtigte Ausschlüsse die Folge Maßnahmen abzubauen, also einen Nach- sein, wenn Teilzeitarbeitsmodelle nicht teilsausgleich zu erzielen. Im Gesetzes- angeboten werden. 5 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) § 5. 16 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Stellenausschreibungen vielfaltssensibel platzieren 1. Tipp: Nutzen Sie vorhandene Netzwerke Wenn sie sich personell diverser aufstel- stellungsbeauftragte Anzeigen in ihren len wollen, lohnt es sich, über die kon- Netzwerken streuen. Interessenvertre- ventionellen Bewerbungskanäle und tungen von gesellschaftlich marginali- Plattformen hinaus zu überlegen, wo sierten Gruppen wie Migrant*innenver- Personengruppen, die Sie gezielt errei- bände oder LSBTIQ – (Lesben, Schwule, chen wollen, besonders gut auf Ihre Stel- Bisexuelle, Trans-, Inter* und queere lenanzeigen aufmerksam werden. Dies Menschen) Organisationen sowie von können etwa Jobmessen sein. Darüber Menschen mit Behinderungen können hinaus können Diversitäts- und Gleich- ebenfalls geeignete Partner*innen sein. 2. Tipp: Inserieren Sie auf speziellen Plattformen Unter Diversity-jobs.de oder Goodjobs.eu Fokus auf Vielfalt, sowohl was die the- können Arbeitgeber*innen inserieren matische Ausrichtung der Stellen als und Arbeitnehmer*innen suchen. Die- auch was die Anforderungsprofile an- se Plattformen haben einen expliziten betrifft. 3. Tipp: Inserieren Sie mehrsprachig Ein weiterer Weg, eine größere und Personen gesehen, die kein oder wenig womöglich diversere Bewerber*innen- Deutsch sprechen, diese können dann zahl zu erreichen ist, Stellenanzeigen aber eventuell andere Menschen, z. B. auf Englisch zu schalten. Diese Stellen- innerhalb ihrer Community, auf die die anzeigen werden dann womöglich von Stelle passen würde, darauf hinweisen. Förderprogramm IQ 17
Vielfalts- und diskriminierungssensible Strategien für das Bewerbungsgespräch 1. Tipp: Reflektieren Sie Ihren unconscious bias (unbewusste Vorannahmen) Es gibt zahlreiche Studien aus der so- Auswahlkriterien von Personaler*innen zialpsychologischen Forschung, die be- hat der Soziologe Albert Scherr mit legen, dass wir viele unbewusste Vor- Kolleg*innen belegen können, dass die annahmen (unconscious bias) haben, Eigenschaft der vermeintlichen „Pas- die unseren Blick auf andere Menschen sung“ von Bewerber*innen in eine Be- mitbestimmen.6 Diese Vorannahmen legschaft häufig die Entscheidung für sind durch gesellschaftliche Diskurse ein*e Kandidat*in bestimmt. Wenn geprägt und können dazu führen, dass z. B. die Belegschaft vorwiegend weiß, wir jemandem mit negativen Gefühlen männlich und über einen akademischen begegnen und dadurch dessen Quali- Hintergrund verfügt, werden Kandida- fikation nicht oder nicht angemessen ten eher gewählt, die dieser homogenen wahrnehmen und somit beispielsweise Belegschaft entsprechen, auch wenn der Auswahlprozess nicht objektiven fachlich womöglich ein*e andere*r Be- Kriterien gehorcht. Ein Beispiel, wie werber*in besser geeignet wäre. Es ist sich diese unbewusste Voreingenom- deshalb wichtig, sich dieser subjektiven menheit konkret auswirkt, ist das Kopf- Einflussfaktoren bewusst zu sein, diese tuch. Dieses ist sehr stark symbolisch kritisch zu reflektieren und mithilfe von aufgeladen. Selbst bevor eine Bewerbe- möglichst objektiven Kriterien, welche rin also den ersten Satz gesagt hat, kön- als Korrektiv dieser subjektiven Ein- nen diese negativen Grundannahmen flussfaktoren dienen können, das Ein- die Einschätzung dieser Person schon stellungsverfahren vielfaltssensibel zu negativ einfärben. In einer Studie über optimieren. 6 Vgl z. B. Stanley Damien et al (2011): Implicit race attitudes predict trustworthiness judgments and economic trust decisions. In: Psychological and cognitive sciences. PNAS May 10, vol. 108 no. 19, 7710-7715. 18 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
2. Tipp: Investieren Sie in diversitätssensible Fortbildungen für Personalverantwortliche Personen, die in der Auswahlkommis- nahmen, die den Bewerbungsprozess sion sitzen, sollten zu Diversitätsthemen negativ beeinflussen können, wird ge- fortgebildet werden. Denn deren Sensi- schärft und Tools zur vielfaltsorientier- bilität in Bezug auf unbewusste Voran- ten Gestaltung des Verfahrens optimiert. 3. Tipp: Legen Sie Standards im Einstellungsprozess fest In kleinen Betrieben kann es sein, dass identische Fragen gestellt und klare Kri- nur eine Person entscheidet. Ein Vier-Au- terien für die Bewertung der Antworten gen-Prinzip, d. h. das Durchführen und vorab festgehalten werden. Entscheiden mindestens zu zweit, sollte als Mindeststandard angestrebt werden, Fragen Sie sich bei der Evaluation von um homogenisierenden Effekten in Be- Kandidat*innen immer: Welche Bilder zug auf die Auswahl aufgrund von quali- von dieser Person habe ich? Woran mache fikationsfernen subjektiven Präferenzen ich dies fest? Hatte ich einen ersten Im- entgegenzuwirken. Auch in kleineren puls für Antipathie oder Sympathie und Settings sollte das Bewerbungsverfahren wodurch könnte dieser begründet sein? standardisiert sein, also Bewerber*innen 4. Tipp: Vermeiden Sie unzulässige Fragen und reflektieren Sie sensible Themen Es gibt Fragen, die eindeutig unzulässig Fragen, z. B. zu Aussehen, Migrationshin- sind, wie z. B. die nach der Familienpla- tergrund oder Geschlechtsidentität kön- nung oder Schwangerschaft und Reli- nen unangemessen sein. Es sollte reflek- gion, wenn sie (potenziell) diskriminie- tiert werden, was der Erkenntnisgewinn rende Wirkung haben. Aber auch andere in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit Förderprogramm IQ 19
ist und ob anderen Bewerber*innen ver- Bei Menschen mit Fluchterfahrung sind gleichbare Fragen gestellt werden. Fragen zur eventuellen Fluchtgeschich- te unangemessen, weil u. U. belastend, Es bietet sich zudem an, zu Beginn zumindest so lange sie nicht von den des Gespräches eine Runde zu machen, Bewerber*innen eingebracht werden in der sich alle mit Pronomen und Na- und es für das Berufsprofil relevant ist, men vorstellen und so geklärt wird, z. B. durch die möglicherweise durch die wie jede Person angesprochen werden Fluchterfahrung gewonnenen Kompe- möchte. tenzen und bewiesenen Fähigkeiten. 5. Tipp: Benennen Sie Diversitätskompetenz im Bewerbungsgespräch Wenn sich das Unternehmen auf den Wie die Antworten darauf bewertet wer- Prozess einer Vielfaltsentwicklung be- den, sollte vorher mit einem Kriterien- gibt, sollte es auf jeden Fall im Bewer- katalog festgelegt werden und die Per- bungsgespräch eine Frage zur Diversi- sonen, die dies erstellen, sollten selbst tätskompetenz geben. eine hohe Diversitätskompetenz besitzen bzw. hierzu fortgebildet worden sein. 6. Tipp: Besetzen Sie die Bewerbungskommission divers Die Kommission, die das Bewerbungs- ren wird die Gefahr der Reproduktion gespräch führt und über die Einstellung homogener, nichtdiverser Belegschaf- entscheidet, sollte möglichst divers auf- ten dadurch reduziert, dass vielfältige gestellt sein. Einerseits fühlen sich Be- Perspektiven an die Bewerber*innen- werber*innen mit Diskriminierungser- Auswahl angelegt werden. Die Kommis- fahrungen eher willkommen und sehen, sion sollte zu Diversitätsthemen fort- dass es ein Bewusstsein für Diversität gebildet sein und ein Bewusstsein für gibt, wenn sie selbst sich in diesem Gre- unconscious bias haben. mium repräsentiert sehen. Zum ande- 20 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Vor dem Bewerbungsgespräch: Das Einladungsschreiben 1. Tipp: Sprechen Sie die Kandidat*innen korrekt an Wenn die Kandidat*innen ausgewählt Unsicherheiten kann z. B. Hallo Vorname wurden, die zum Vorstellungsgespräch Nachname oder Guten Tag Vorname Nach- eingeladen werden sollen, können be- name verwendet werden. Bei Namen, die reits im Einladungsschreiben wichtige für in Deutschland sozialisierte Menschen Weichenstellungen gelegt werden, um nicht so geläufig sind, sollten Sie besonde- Ausgrenzungserfahrungen für die Bewer- re Sorgfalt beim Antwortschreiben an den ber*innen zu vermeiden. Wichtig ist des- Tag legen, wenn Sie den Namen schreiben halb die korrekte Anrede der Person. Sehr und auch auf Sonderzeichen achten. Denn geehrte Frau oder Herr ist beispielsweise falsch angesprochen zu werden kann eine nicht passend bei Personen, die sich als sich wiederholende verletzende Erfah- geschlechterdivers identifizieren und sich rung sein. Bei Unsicherheiten können Sie etwa weder als Mann noch als Frau ein- im Bewerbungsgespräch auch offen fra- ordnen. Häufig schreiben Kandidat*innen gen, wie z. B. ein Name korrekt ausgespro- in ihrem Bewerbungsschreiben selbst, wie chen wird oder wie eine Person angespro- sie angesprochen werden möchten. Bei chen werden möchte. 2. Tipp: Machen Sie den Ablauf des Gesprächs transparent Weiterhin können Sie im Einladungs- Bewerber*innen die gleichen Fragen be- schreiben schon kurz den ungefähren kommen. Insbesondere für Personen, Ablauf des Bewerbungsgespräches die mit deutschen Bewerbungsverfah- skizzieren, also dass es einem festen ren nicht so vertraut sind, z. B. aufgrund Schema folgt, mit Begrüßung, Fragen von Migrationserfahrungen, kann dies zur Motivation, Qualifikation und dass hilfreich sein. die Fragen standardisiert sind, d. h. alle Förderprogramm IQ 21
3. Tipp: Zeigen Sie sich ansprechbar für mögliche Barrieren Proaktiv formulierte Angebote wie, dass spezifische Bedarfe für das Vorstel- bei Fragen zum Bewerbungsgespräch lungsgespräch gibt, z. B. Assistenz be- vorab per Mail oder telefonisch wei- nötigt wird. Dies signalisiert Sensibilität tere Informationen eingeholt werden für mögliche Barrieren. Sorgen Sie dafür, können, kann bei Bewerber*innen Un- dass der Arbeitsort und die Arbeitsplät- sicherheiten und Ängste nehmen. Eine ze barrierefrei sind, also z. B. für Roll- Wegbeschreibung und Informationen stuhlfahrer*innen zugänglich sind. zur Barrierefreiheit des Veranstaltungs- ortes kann insbesondere für Menschen Achten Sie im Bewerbungsgespräch mit körperlichen Einschränkungen sehr zudem auf geschlechtersensible Spra- relevant sein. Deswegen fragen Sie nach, che, d. h. sprechen Sie nicht in der aus- ob es von Seiten der Bewerber*in noch schließlich männlichen Form. 22 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Das Bewerbungsgespräch 1. Tipp: Bereiten Sie einen Fragenkatalog mit Bewertungen vor Vor dem Bewerbungsgespräch sollte ein Stichworte für die inhaltlichen Punkte Fragenkatalog entworfen werden mit festgehalten werden, die in den Ant- den Fragen, die allen Kandidat*innen worten auftauchen sollten, um so eine gestellt werden. In einer Bewertungs- größtmögliche Vergleichbarkeit der schablone (mit Punktsystem) können Antworten zu gewährleisten. 2. Tipp: Klären Sie die Beteiligung und Mitsprache im Bewerbungsprozess Nichtsdestotrotz ist die Bewertung einer stellungsbeauftragte und Schwerbehin- Person und deren Qualifikation immer dertenvertretung bei der Entscheidungs- auch subjektiv eingefärbt, dies sollte findung? Auswahlverfahren können sich reflektiert und der Anteil der subjekti- je nach Größe und Art der Institution ven Faktoren so gering wie möglich ge- unterscheiden: Während in einem sehr halten werden. Darüber hinaus sollte kleinen Betrieb mitunter keine eigene im Vorfeld überlegt werden, wer in der Personalabteilung existiert und somit In- Bewerbungskommission sitzt, und wie haber*in und Personalverantwortliche in eine größtmögliche Pluralität an Per- eins fallen können, ist die Situation an- spektiven, insbesondere von den ge- ders in großen Unternehmen oder einer sellschaftlichen Gruppen, die ins Unter- städtischen Verwaltung, wo verschiede- nehmen geholt werden sollen, vertreten ne Personen in den Bewerbungsprozess sein kann. Wie wird entschieden, wenn involviert sind. In jedem Fall sollte eine beispielsweise zwei Kandidat*innen von größtmögliche Standardisierung des Be- unterschiedlichen Mitgliedern der Aus- werbungsverfahrens angestrebt werden, wahlkommission favorisiert werden? um den subjektiven Faktor von Entschei- Welches Mitspracherecht haben Gleich- dungen möglichst gering zu halten. Förderprogramm IQ 23
Vielfaltssensible Bewertung von Kandidat*innen im Bewerbungsverfahren 1. Tipp: Reflektieren Sie mögliche Gründe für Lücken im Lebenslauf Für Lücken im Lebenslauf kann es sehr niedrigerem sozioökonomischem Sta- unterschiedliche Gründe geben: Auf- tus stammen – sind weitere Gründe, die grund von Fluchterfahrungen kann Lücken im Lebenslauf erklären können. die Bildungsbiographie beispielsweise Kurzum, eine vielfaltssensible Bewer- unterbrochen worden sein. Auch Krank- ber*innenauswahl sollte die Vielzahl an heitsphasen können etwa durch Belas- möglichen Gründen für nichtlineare Le- tungen, die durch ein diskriminierendes bensläufe nicht als Ausschlusskriterium Umfeld ausgelöst wurden oder durch nehmen, sondern neben Zertifikaten eine chronische Erkrankung bedingt und Abschlüssen immer auch ergänzend sein. Familienversorgung oder ein lan- Fragen nach besonderen Kompetenzen, ges Studium aufgrund der Notwendig- die nicht aus dem Lebenslauf ersichtlich keit, den Lebensunterhalt zu verdienen sind, in das Bewerbungsgespräch inte – ein Umstand, der Menschen häufiger grieren. betrifft, die aus einem Elternhaus mit 24 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
2. Tipp: Beziehen Sie nonformale Kompetenzen in die Bewertung mit ein Menschen mit Diskriminierungserfah- positiv auf ihr Unternehmen aus, wenn rungen bringen häufig auch spezielle Sie abseits der Zertifikate im Gespräch Kompetenzen mit wie Resilienz, Refle- nachfragen, ob es Kompetenzen gibt, xionsvermögen, Diversitätskompetenz.7 die nicht auf den ersten Blick ersicht- Gleichzeitig kann es bei Menschen, die lich sind, weil Zertifikate fehlen. Sonst im Laufe ihres Lebens mit strukturellen schränken Sie Ihren Suchradius unnötig Hürden und/oder Ausgrenzung kon- ein.8 Integrieren Sie also gezielt in Ihren frontiert waren sein, dass Kompetenzen Fragenkatalog Aspekte, mit denen Sie in eher versteckt sind und nicht notwen- Erfahrung bringen können, ob die Kan- digerweise in der Bewerbung durch didat*in abseits von Studium oder Aus- formale Zertifikate abgebildet sind. Sie bildung Kompetenzen mitbringt, die für können den Pool der Kandidat*innen die Stelle relevant sein können. erweitern und dies wirkt sich auch 7 Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (Hrsg.): Dominic Frohn et al.: Out im Office? Sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, (Anti-)Diskriminierung und Diversity am Arbeitsplatz, Köln 2017, S. 61. 8 Vgl. Julia Gaiser/Emilia Roig: Die Dimension „soziale Herkunft“ in der Arbeitswelt aus einer intersektionalen Perspektive, Berlin 2021, S. 9. Förderprogramm IQ 25
Literaturtipps und Hinweise Untenstehend finden Sie Literatur, die sich mit unterschiedlichen Aspekten vielfaltssensibler Einstellungsverfahren befasst Gleichstellungscheck für kleine und mittlere Unternehmen des BMSFJ: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/155340/8187251d391f18eb26b85731050df54c/gleichstel- lungscheck-fuer-kleine-und-mittlere-unternehmen-kmu-gleichstellungscheck-data.pdf InQA-Check Vielfalt für Verwaltungen: https://www.inqa-check-vielfalt-verwaltung.de/check-vielfalt-verwaltung/daten/mittelstand/index.htm Eine Einführung in die Erhebung von Gleichstellungsdaten Citizens For Europe (Hrsg.) Wer nicht gezählt wird, zählt nicht. Antidiskriminierungs- und Gleich- stellungsdaten in der Einwanderungsgesellschaft – eine anwendungsorientierte Einführung. Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership, Berlin 2018. Abrufbar unter: https://cloud.citizensforeurope.org/index.php/s/7gkZjZfSHDpZTRp Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Fair in den Job, Berlin 2019. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Flyer/ fair_in_den_job.pdf?__blob=publicationFile&v=7 Julia Gaiser/Emilia Roig: Die Dimension „soziale Herkunft“ in der Arbeitswelt aus einer intersektionalen Perspektive, Berlin 2021. https://www.charta-der-vielfalt.de/fileadmin/user_upload/Studien_Publikationen_Charta/ Policy_Paper_CIJ_Die_Dimension_soziale_Herkunft_in_der_Arbeitswelt.pdf Zu anonymisierten Bewerbungsverfahren finden Sie in folgender Publikation weitere Anregungen: Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hg.): Leitfaden für Arbeitgeber. Anonymisierte Bewerbungsverfahren, Berlin 2014. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Anonym- Bewerbung/leitfaden_anonymisierte_bewerbungsverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=4 IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung (Hg.): KMU-Toolbox für Geschäftsführungen und Personalverantwortliche, München 2020 (3., aktualisierte Auflage). https://www.netzwerk-iq.de/foerderprogramm-iq/fachstellen/fachstelle-interkulturelle- kompetenzentwicklung/angebote/fuer-kmu/kmu-toolbox IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung (Hg.): Alles schon fair? Mit Recht zu einem inklusiven Arbeitsmarkt! Dossier zu 10 Jahren Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, München 2016. https://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Fachstelle_IKA/Publikationen/ FS_IKA_Dossier_AGG_web_2.pdf 26 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
Diese Broschüre wurde vom Projekt migration.works erstellt. Es ist Teil des bundes weiten Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“, welches sich den verbesserten Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund zum Arbeitsmarkt zum Ziel gesetzt hat. Unsere Schulungen sind für Institutionen wie z. B. Verwaltungen und Betriebe in der Regel kostenfrei. Kontaktieren Sie uns gerne für Schulungsanfragen oder Informa- tionen zu weiteren Broschüren, u. a. zu den Themen Einstellung von Geflüchteten in Betrieben oder religiöse Gebote im Arbeitskontext. Kontakt: Dr. Philipp Dorestal E-Mail: philipp.dorestal@basisundwoge.de Förderprogramm IQ 27
www.hamburg.netzwerk-iq.de www.basisundwoge.de/antidiskriminierung Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert. 28 Diversität nutzen – Chancengerechtigkeit fördern!
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