Dokumentation - Sonntagsblatt
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Evangelischer Pressedienst Dokumentation Landesdienst Bayern N. 1/2020 „Single sein – Kirche nimmt Singles in den Blick“ Experimentier-Werkstatt auf Initiative des forum frauen und des forum männer im Amt für Gemeindedienst in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern am 14.September 2019 ______________________________________________________________________________ Impressum: epd Landesdienst Bayern im Evangelischen Presseverband für Bayern e.V.(EPV), Birkerstraße 22, 80636 München, Chefredakteur: Achim Schmid, Herausgeber: Evangelischer Presseverband für Bayern e.V., Birkerstraße 22, 80636 München. Vorstand: Kirchenrat Dr. Roland Gertz, VR-Register 4259,Gerichtsstand München, UStIdNr. DE 129 52 23 18. Die Dokumentation ist für 5 Euro (inkl. MwSt.) erhältlich.
2 01/2020 epd-Dokumentation Vorwort Single sein – Kirche nimmt Singles in den Blick Dr. Andrea König | Günter Kusch Stellen Sie sich vor, Sie sind Anfang nerschaft leben. Ungeklärt bleibt dürfnisse, Anliegen und Angebote 30, Single, ziehen berufsbedingt dabei auch, ob das Alleinleben ein von und für Singles; Handreichun- in eine neue Stadt und überlegen, beabsichtigter Lebensstil oder eine gen, Anregungen und Materialien. sich auch mal Ihre Kirchengemein- Not- bzw. Übergangslösung ist. Fakt de anzuschauen. Früher haben Sie ist, dass Singles keine homogene forum frauen – begeistert Jugendarbeit gemacht, Gruppe sind, sondern Menschen mit forum männer aber diese Zeit ist vorbei. Was hat sehr unterschiedlichen Lebensent- Ihnen die neue Kirchengemeinde würfen. Als forum frauen und forum männer in Ihrer Lebenssituation zu bie- fragen wir uns, wie Kirche Singles ten? Viele würden antworten: Eine Das forum frauen und das forum als energetische, einfallsreiche und ganze Menge. Sie können überall männer im Amt für Gemeindedienst engagierte Menschen ansprechen mitmachen, z.B. im Kirchenvor- in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern und/oder (wieder-)gewinnen kann? stand oder im Chor oder auch beim fragen gemeinsam: Wer ist über- In Befragungen von Singles zeigte Gottesdienst. Aber wie viele Sing- haupt Single? Und wie lebt es sich sich: Anliegen, Themen und Proble- les in diesem Alter engagieren sich als Single in der Kirche? Ist unse- me von Singles sollen auch im Got- tatsächlich? Wie viele kommen zum re Kirche Single-freundlich? Kommt tesdienst und in Predigten vorkom- Kirchencafé dazu, wenn die Ande- Single sein als Thema in der Kirche men. Angebote dürfen nicht alleine ren die beste Kita diskutieren, über vor? Ist unsere Sprache inklusiv? auf Familien und verheiratete Paare die Herausforderungen der Pubertät Braucht es vielleicht ein spezielles ausgerichtet sein. Kasualien und fachsimpeln, sich über Kleinkinder- Angebot und wenn ja, wie könnte es Angebote dürfen keinen ausschlie- sprüche der Enkel amüsieren oder aussehen? ßenden Charakter haben. Es braucht sich um die Ausbildung ihrer Kinder mehr Gelegenheiten für Gastfreund- sorgen? Was hat Kirche einem Sing- 2016 startete im Vereinigten König- schaft und Begegnung sowie Räu- le, für den Familie kein Thema ist, reich Großbritanniens die Kampag- me, um Freundschaften und Aus- zu bieten? Wer fühlt sich überhaupt ne „Single-friendly church“. Anlass tausch zu ermöglichen. Gebete für zuständig, v.a. wenn es nicht um und Ausgangspunkt bildeten zwei Alleinstehende, Single-Reisen aber „junge Erwachsene“ geht, sondern Erhebungen: Eine Volkszählung, auch Outdoor-Aktivitäten wurden um Männer und Frauen in den bes- die 2011 durchgeführt worden war ebenfalls als attraktive Angebote ten Jahren? und die ergab, dass die Lebensform genannt. „Single“ immer mehr zunimmt, so- Laut Statistischem Bundesamt le- wie eine umfassende Befragung der Mit Blick auf den Prozess Profil und ben derzeit an die 18 Millionen Single-Kirchenmitglieder 2013, die Konzentration und die aktuelle Eh- Singles in Deutschland – Tendenz zeigte, dass Kirche diese Verände- renamtsstudie der ELKB kristallisie- steigend. Die Zahlen scheinen eine rung nicht wahrgenommen und zu ren sich weitere Anknüpfungspunk- eindeutige Sprache zu sprechen, wenig darauf reagiert hat. Die da- te auch hinsichtlich der Zukunft des doch werden die Zahlen auf der raufhin initiierte Kampagne „Auf Ehrenamts als gemeindepädago- Grundlage steuerlicher und sozial- dem Weg zu einer Single-freundli- gische Herausforderungen heraus: versicherungstechnischer Aspekte chen Kirche“ greift seither das The- Wo bietet Kirche Menschen, die sowie der Wohnverhältnisse erho- ma Single sein auf verschiedenen nicht verheiratet sind, keine Kinder ben. Wer jedoch alleine wohnt oder Ebenen und unter verschiedenen haben und nicht musikalisch sind, nicht verheiratet ist, ist nicht au- Gesichtspunkten von Kirche und Kontaktflächen und Engagementfel- tomatisch Single. Wird über Single Gemeindeleben auf. Theoretische der? Wie kann Kirche den Menschen, sein gesprochen, dann ist damit wie auch praktische Aspekte wer- die nicht in einer Paarbeziehung weit mehr gemeint als lediglich die den u.a. in folgenden Bereichen be- leben, oft beruflich stark einge- steigende Anzahl der Einzelperso- arbeitet: Single sein – Bedeutung, spannt sind oder waren und durch nenhaushalte. So bezeichnet der Zahlen und Fakten im kirchlichen ihre Lebensform privat auf soziale Begriff Singles meist Menschen, Raum; Akzeptanz in der Kirche; Netzwerke angewiesen sind, Zugang die ohne feste, dauerhafte Part- Single-freundliche Maßnahmen; Be- zu kirchlichem Ehrenamt eröffnen?
epd-Dokumentation 01/2020 3 Wir wollen als forum frauen und fo- kutiert. Die Veranstaltung richtete raler Zukunftsweg“ den Beschluss rum männer gemeinsam einen Dis- sich sowohl an Menschen, die selbst gefasst, diese wachsende Gruppe kurs anstoßen auf dem Hintergrund als Singles leben, als auch an Men- stärker in den Blick zu nehmen. Es der Frage: Ist ein differenzierter schen in der Kirche, die sich für das gibt Wochenendangebote für Sing- Blick auf das Thema „Single sein“ in Thema interessieren: Gemeindeglie- les, um sich austauschen zu können der Kirche notwendig? der, Haupt- und Ehrenamtliche in und es werden Netzwerke aufgebaut Kirchengemeinden und kirchlichen mit ansprechenden Aktionen. ExperimentierWerkstatt Einrichtungen, Mitarbeitende und Leitende in Kirche und Diakonie. Auf evangelischer Seite schreibt Bei einem ersten Fach- und Werk- das Netzwerk „Solo&Co“ Erfolgsge- statttag im September 2019 wurde An der Podiumsdiskussion zum schichte. Angefangen hat alles mit das Thema „Single sein in der Kir- Thema nahmen teil: einer Silvester-Feier: In den 1990er che“ erstmals innerhalb der ELKB Jahren arbeitete Astrid Eichler noch in den Fokus genommen. Die vor- • Thomas Prieto Peral, Referent für als evangelische Pfarrerin in der liegende Publikation dokumentiert kirchliche Planungsfragen der ELKB ostdeutschen Prignitz. Weil sie den die Ergebnisse und beinhaltet dar- Jahreswechsel nicht alleine feiern über hinaus weitere Informationen • Dr. Barbara Pühl, Referentin wollte, lud sie andere Singles ein, zum Thema. Mit dem Ziel, zunächst Stabsstelle für Chancengerechtig- um mit ihr zu feiern. Danach wur- eine grundlegende Diskussion anzu- keit der ELKB de sie regelmäßig als Referentin zu stoßen, war die Veranstaltung als Tagungen zum Thema Singles einge- ExperimentierWerkstatt konzipiert, • Dorothea Richter, Dekanin Kron- laden. 2006 veröffentlichte sie das so dass an dem Tag das Thema mit ach-Ludwigstadt, Synodale ELKB Buch „Es muss was Anderes geben“, unterschiedlichsten Personen im das Alleinstehenden eine Lebens- Rahmen von verschiedenen Forma- • Anna-Nicole Heinrich, Evangeli- perspektive eröffnet. Und plötzlich ten und Methoden diskutiert wer- sche Jugend in Bayern war die Idee da: Warum sich nicht den konnte. dauerhaft mit anderen zusammen- Der erste Teil der Veranstaltung bot • Dr. Hedwig Lamberty, Diözesan- tun? Aus der Idee entstand das zunächst einen informativen Fak- referentin Erzbistum Köln, Sing- Netzwerk „Solo&Co“, dem inzwi- tencheck. Stephan Baas, Soziologe le-Pastoral schen über 1.000 christliche Netz- und Gerontologe, gab Aufschluss werker*innen aus ganz Deutschland über aktuelle Zahlen, Entwicklun- • Thomas Müller, Netzwerk Solo&Co angehören. Astrid Eichler arbeitet gen wie auch zur Bedeutung des nicht mehr als Pfarrerin, sondern Begriffs Single, der Verschiedenes • Moderation: Riecke C. Harmsen, als Geschäftsführerin von „Solo&- bezeichnen kann. In drei Workshops Chefredakteurin Online Ev. Presse- Co“. Die Mitglieder profitieren von bot sich anschließend die Mög- verband Bayern einer großen Spanne an Angebo- lichkeit, das Thema „Single sein“ ten: Von unverbindlichen Gruppen mit Blick auf unterschiedliche Le- Exemplarische in sozialen Medien über themati- bensphasen – Jugend, mittleres sche Impulstage, Themenwochen- Erfolgsrezepte Alter, Alter – mit unterschiedlichen enden bis hin zum Zusammenleben Schwerpunktsetzungen zu betrach- Eine Vorreiterrolle im Blick auf Sing- in „gemeinschaftlichen Lebenszel- ten und in Gruppen zu diskutieren. les übernimmt das Erzbistum Köln. len“ – einer Art spirituellen WG. Mit Mit Hilfe der Single-Speed-Mee- Seit 2016 gibt es dort eine eigene diesem Angebot stößt der Verein in ting-Methode konnten schließlich Singlepastoral. Eigens konzipier- ein seelsorgerliches Vakuum. „Es die Eindrücke aus den Workshops te Single-Gottesdienste (z.B. 2019 gibt so viele pastorale Angebote, und anhand von vorgegebenen „Solo, aber nicht ohne“) gehören für Kinder, Jugendliche, Familien Fragen miteinander im jeweils bi- ebenso dazu wie Veranstaltungs- usw. – nur Singles sind außen vor“, lateralen und wechselnden Dialog angebote (z.B. Wanderungen und betont Eichler. Im Netzwerk „So- erörtert werden. Mit den daraus ge- Gesprächsnachmittage). Singles lo&Co“ gründet sich gerade eine wonnenen Eindrücken, Erkenntnis- fühlen sich laut Single-Pastoral-Re- „Fachstelle für Gemeinschaft“, die sen, Anliegen, Ideen und offenen ferentin Dr. Hedwig Lamberty in der sich in Kooperation mit einer schon Fragen wurden schließlich bei einer Kirche nicht wahrgenommen. Kirche bestehenden Initiative damit be- moderierten Podiumsdiskussion mit schenke in der Regel der Familie und schäftigt, welche Modelle der Ver- kirchenleitenden Vertreter*innen Ehepaaren die meiste Aufmerksam- bindlichkeit es auch für Singles ge- der ELKB, Jugendvertreter*innen keit. Viele Singles fühlen sich in der ben könnte. und Expert*innen aus bundesweiten Kirche nicht vertreten oder sogar ökumenischen Praxisfeldern konkre- ausgeschlossen. Das Erzbistum hat te Maßnahmen der Umsetzung dis- daher unter dem Stichwort „Pasto-
4 01/2020 epd-Dokumentation Einige Thesen • Singles sind eine wachsende Grup- haben Singles größere Netzwerke • Singles haben ein Geschlecht. pe unserer Gesellschaft. Die Zahl als Verheiratete. Sie haben ei- Trennungen auch nach vielen der Singles steigt und die Le- nen größeren Freundes- und Be- Ehejahren nehmen zu. Die Initi- bensphasen des Single seins wer- kanntenkreis und sind häufiger in ative zur Trennung geht häufiger den länger. Die Gründe dafür sind Bürgerinitiativen und Vereinen von Frauen aus. Männliche Singles vielfältig und durch gesellschaft- organisiert. Sie leisten Gemein- haben ein stärkeres Interesse da- liche Wandlungsprozesse bedingt. schaftsarbeit. Ihre Vorstellungen ran, ihre Situation wieder zu ver- Niemand kann auf das Single sein von Gemeinschaft weichen aber ändern. Geschlechtsspezifische distanziert blicken, denn jeder von denjenigen, die in der Ge- Rollenmuster führen nach wie Mensch hat oder wird in seinem meinde agieren, ab. vor dazu, dass Frauen und Män- Leben Phasen des Alleinseins • Singles sind verschieden. Die Sing- ner nach einer Trennung vor un- durchlaufen. les gibt es nicht. Menschen, die terschiedlichen Alltagsproblemen • Singles sind in der Kirche kaum alleine leben, erfahren ihre Le- stehen. Auch in den Bereichen im Blick. Singles werden in ih- benssituation ganz unterschied- Gesundheit, Berufsleben und ren speziellen Lebenssituationen lich. Sie können freiwillig oder Armutsrisiko lassen sich Unter- und mit ihren Bedürfnissen kaum unfreiwillig Single sein, zeitweilig schiede ausmachen. wahrgenommen. Die Angebote oder auf Dauer. Mit dem Lebensal- vieler Kirchengemeinden passen ter und der Lebenserfahrung kann nicht zur Lebenssituation. An- sich die Einstellung zum Single ders als gemeinhin angenommen, sein verändern. Zu dieser Ausgabe Die hier dokumentierten Beiträge mit der Veranstaltung ansatzweise auch Auszüge aus der Diskussion sind das Ergebnis der Experimen- verwirklicht. Die engagiert geführ- dokumentiert. Die Dokumentation tierWerkstatt zum Thema „Single ten Diskussionen und die Ideen und mag dem Ziel dienen, den Initialim- sein – Kirche nimmt Singles in den Anregungen der Teilnehmer*innen puls weiterzuführen und auch dazu Blick“, die auf Initiative des fo- zeigten auch, dass neue Impulse für ermutigen, das Thema „Single sein rum frauen und des forum männer die Praxis gewünscht und die Diskus- in der Kirche“ weiterzudenken. Das im Amt für Gemeindedienst in der sion differenziert auf verschiedenen forum frauen und das forum männer Evang.-Luth. Kirche in Bayern im Ebenen mit verschiedenen Blick- im Amt für Gemeindedienst in der September 2019 stattfand. Die Ver- winkeln praktisch und theoretisch Evang.-Luth. Kirche in Bayern ste- anstaltung sollte dazu anregen, das weitergeführt und vertieft werden hen als Ansprechpartner*innen zur Thema erstmals zu diskutieren und sollte. Aus diesem Grund werden Verfügung. verschiedenste Anliegen zu reflek- in dieser Ausgabe neben den Bei- tieren. Diese Zielvorstellung wurde trägen der Referate und Workshops Dr. Andrea König Günter Kusch forum frauen forum männer Amt für Gemeindedienst in der Evang.- Amt für Gemeindedienst in der Evang.- Luth. Kirche in Bayern Luth. Kirche in Bayern
epd-Dokumentation 01/2020 5 Programm Single sein – Kirche nimmt Singles in den Blick 9.00 Uhr Ankunft mit Stehkaffee 9.30 Uhr Begrüßung und Einführung mit Videointerviews 10.00 Uhr Vortrag: Faktencheck Singles: Zahlen, Typen, Lebensformen und Entwicklungen Stephan Baas, Soziologe und Gerontolo- ge, Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland 11.00 Uhr 3 Workshops zur Auswahl: Workshop 1: Single sein als junger Mensch – gibt es bei uns Platz dafür? Evangelische Jugend Bayern Workshop 2: Kirche nah bei den Menschen – auch für Singles? Eine sozialräumliche Annäherung an Lebenswelten von Singles im mittleren Alter Dorothea Eichhorn, Diakonie Fürth Workshop 3: Single sein im Alter Pfarrer Rudolf Koch, Fürth 12.30 Uhr Mittagessen 13.30 Uhr Speed-Meeting: Singles und Single sein in der Kirche – Diskussion und Austausch 15.00 Uhr Podiumsdiskussion: Singles und ihre Bedeutung für die Kirche – Singles im Blick? Es diskutieren die Fachexpert*innen und kirchlichen Vertreter*innen: Thomas Prieto Peral (Referent für kirchliche Planungsfragen ELKB), Dorothea Richter (Dekanin Kronach-Ludwigstadt, Synodale ELKB), Dr. Hedwig Lamberty (Diözesanreferentin Erzbistum Köln, Single-Pastoral), Dr. Barbara Pühl (Referat für Chancengerechtigkeit ELKB), Anna-Nicole Heinrich (Evangelische Jugend in Bayern), Thomas Müller (Solo&Co., Christliche Netzwerk-Community für Sing- les); Moderation: Rieke C. Harmsen (Chefredakteurin Online, Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.) 17.00 Uhr Abschluss
6 01/2020 epd-Dokumentation Vortrag Faktencheck: Singles Zahlen, Typen, Lebensformen und Entwicklungen Stefan Baas Jahrgang 1967, Diplom-Soziologe seit 1997. Die folgenden Darstellungen orientieren sich an Schwerpunkt Soziologie der Lebensformen bzw. einer Power Point Präsentation, die die Grundlage Familiensoziologie. Tätigkeit an verschiedenen des Vortrages bildete, sowie am Wortlaut: Universitäten und in verschiedenen Projekten im Bereich Lebensformen & lesbisches und schwules Gliederung nach drei Punkten: Leben. Seit dem Jahrtausendwechsel Hinwendung 1. Singles sind eine wachsende Gruppe zu gerontologischen Themen (u.a. an der Uni Hei- in der Gesellschaft delberg), Abschluss als Gerontologe 2011. Projekte im Bereich Lebensformen im Alter, Singles im 2. Singles sind verschieden höheren und mittleren Erwachsenenalter, Qualität in der Pflege und Leben im Alter im Quartier. Seit 3. Singles haben ein Geschlecht 2017 stellvertretender Studiengangsleiter an der Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland im dualen Studiengang „Soziale Arbeit Definitionen: mit dem Schwerpunkt Soziale Gerontologie“. Publikation u.a.: Stephan Baas / Marina Schmitt / • etymologisch: Gegenteil von „married“ Hans-Werner Wahl: Singles im mittleren und höhe- • kleinster gemeinsamer Nenner: Personen, die ren Erwachsenenalter. Sozialwissenschaftliche und auf Führung einer exklusiven und dauerhaf- psychologische Befunde, Stuttgart: Kohlhammer, ten Partnerschaft im gemeinsamen Haushalt 2008. verzichten Interview: https://www.tagesschau.de/inland/al- leinleben-single-interview100.html Probleme vorliegender Definitionen: • Haushaltsform oder Familienstand • Kriterium der festen Partnerschaft • Aspekt der Freiwilligkeit • Dauer des Lebens als Single • Alterseingrenzungen (z.B.: 18-45 Jahre) Versuch einer Definition: „Singles sind Männer und Frauen, die nach eigenen Angaben keine feste Partnerschaft führen“ (Baas, Schmitt & Wahl 2008) • Problematisch: wer definiert Partnerschaften? Was ist etwa bei der Trennung von Partner- schaft und Sexualität • Feste, exklusive oder dauerhafte Partnerschaf- ten nicht objektiv messbar • Trotzdem: Besser als gar keine Definition … Stefan Baas
epd-Dokumentation 01/2020 7 Wie viele Singles gibt es eigentlich? Die folgende Folie zeigt in der Abbildung die Fa- milien- und Lebensformen im Mikrozensus. Diese unterscheidet Haushalte nach den Kriterien mit und ohne Kinder und nach mit und ohne Partner. Das Konzept des Statistischen Bundesamtes er- hebt die Zahl der Einzelpersonenhaushalte. Dies ist jedoch nicht mit Singles gleichzusetzen: Die statistischen Erhebungen die auf den Folien abgebildet sind, zeigen, dass die Zahl der Einzel- personenhaushalte zugenommen hat. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Sing- les ist eine Abgrenzung vom Lebensformenkon- zept des Statistischen Bundesamtes erforderlich. Die nächste Folie zeigt: Alleinstehende nach Haushaltsform: Der Mikrozensus 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass 17,3 Millionen Menschen in Einzelpersonen- haushalten leben. Die Lebensformen sind insge- samt vielfältiger geworden. Die stärkste Verän- derung weisen nicht alleinstehende Personen, sondern nicht-eheliche Lebensgemeinschaften auf. Die aktuellste Studie zur Frage nach der Anzahl der Singles – bitte nicht wundern – bietet im Mo- ment Elitepartner und Parship. Die Erhebung, die wissenschaftlich durchgeführt wurde, kommt auf Alleinstehende leben allein, sind aber nicht un- eine Anzahl von fast 17 Millionen Singles im Alter bedingt Singles. Die statistischen Erhebungen von 18 bis 65 Jahren. Das ist sehr viel. Die Studie kommen in der Frage, wie viele Singles es gibt, wurde 2018 veröffentlicht. Allerdings hat auch zu folgenden Aussagen, die nach Einzelpersonen- diese Untersuchung ihre Probleme: Die vorgege- haushalten berechnet sind: benen Fragen könnten missverständlich aufge- fasst und zu verkehrten Angaben geführt haben:
8 01/2020 epd-Dokumentation Es lassen sich drei Gruppen differenzieren: Unter einem gewissen Alter macht es keinen Sinn nach Singles zu fragen, daher setzt die Folie bei einem Alter ab 25 Jahren an. Es zeigt sich ein Anstieg, im mittleren Bereich eher eine gleichbleibende Entwicklung und schließlich wieder am Ende des Lebensverlaufs ein Anstieg, der v.a. durch Witwen bedingt ist. Deutlich wird: Es gibt drei Lebensphasen, die sich zeitlich abgrenzen lassen und gesondert betrach- tet werden können. Bei den jüngeren Singles – etwa unter 30 Jahre – ist zu fragen, was deren Leben heute kennzeich- Die Anzahl der knapp 17 Millionen Singles ist net. Hier fallen v.a. drei Aspekte ins Gewicht: möglicherweise überschätzt. • hohes Auszugsalter • Anstieg des Heiratsalters • Anstieg des Alters bei Geburt des ersten Kindes Zum Auszugsalter: Im Durchschnitt ziehen jun- ge Männer mit 25 Jahren, junge Frauen mit 24 Jahren aus dem „Hotel Mama“ aus. Das zeigt die folgende Folie: Eine Aussage zur Anzahl der Singles in Deutsch- land lässt sich auf der Basis der Erhebungen nur grob treffen: Es kann davon ausgegangen werden, dass es wohl 16 bis 17 Millionen Singles gibt. Das ist eine durchaus hohe Anzahl. Single ist nicht gleich Single: Die Folie zeigt die Statistik der Alleinlebenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind nach Alter: auch dadurch bedingt, dass Frauen und Männer, wenn sie heiraten, ein unterschiedliches Hei- ratsalter aufweisen, d.h. Männer i.d.R. jüngere Frauen (Durchschnitt 3-4 Jahre jünger) heiraten. Junge Männer ziehen in Deutschland im Vergleich zu vor 20 Jahren etwas früher aus – entgegen dem europäischen Trend (v.a. Italien). Insgesamt ist das Auszugsalter mit 24/25 Jahren jedoch sehr hoch. Die sog. Erstheiratsziffer, die auf der nachfol- genden Folie abgebildet ist, zeigt, dass seltener, aber auch später geheiratet wird. Das statistische
epd-Dokumentation 01/2020 9 Durchschnittsheiratsalter liegt heute bei etwa 28 der Gerontologie – lässt sich auf Probleme, die Jahren für Frauen – bei Männern entsprechend mit den Geschlechterverhältnissen zu tun haben, drei bis vier Jahre später bei Anfang 30. Das zei- zurückführen. In der folgenden Darstellung wird gen auch die Graphiken: daher der Versuch unternommen, Singles in drei Gruppen einzuteilen: Die erste Gruppe ist die Gruppe der unter 30jährigen, die zweite Gruppe ist die Gruppe der Geschiedenen und Getrennten – und schließlich die höhere Altersgruppe, v.a. die verwitweten Frauen. Die folgenden Angaben geben Aufschluss: Die Zahl der Heiratenden hat abgenommen, Hei- rat hat sich im Lebensverlauf weiter nach hinten verschoben und es wird später und seltener ge- heiratet. Ferner kommen in Deutschland Kinder immer spä- ter zur Welt. Das zeigt folgende abgebildete Sta- tistik: Eheschließungen, Ehescheidungen und Le- benspartnerschaften verändern sich. Wie sich der nachfolgenden Folie entnehmen lässt, verändert sich auch die Ehedauer. Im mittleren Erwachsenenalter steigt die Schei- dungshäufigkeit. Etwa jede dritte Ehe wird ge- schieden: Zusammengefasst lässt sich festhalten: Jüngere Singles unter 30 Jahren benötigen heute einen sehr viel längeren Zeitraum, um auf ihren eigenen Beinen stehen zu können. Singles haben ein Geschlecht: Die gestiegene Zahl der Singles hat sehr viel mit dem Geschlechterverhältnis und den Problemen von Frauen und Männern zu tun. Vieles – auch in
10 01/2020 epd-Dokumentation Singles im höheren Erwachsenenalter sind vor Nicht nur die Zahl der Singles steigt, sondern allem verwitwete Frauen. Mit steigendem Alter auch die Phasen im Lebensverlauf, in denen je- steigt auch der Anteil von verwitweten Frauen in mand keinen Partner/keine Partnerin hat. Einpersonenhaushalten: Die gestiegene Zahl der Singles, bzw. der Anteile im Lebensverlauf, in denen jemand keinen Part- ner/keine Partnerin hat, hat sehr viel mit dem Geschlechterverhältnis zu tun. Die folgende Sta- tistik suggeriert aber fälschlicherweise, dass es im mittleren Alter mehr Single-Männer gibt: Dabei lässt sich eine neue Gruppe von Singles im höheren Erwachsenenalter ausmachen, die sich nach langjährigen Ehen trennt: Während Männer nach Scheidung und/oder Tren- nung meist in der Tat alleine leben, leben die Frauen alleinerziehend mit ihren Kindern in ei- nem Haushalt. Diese Frauen sind aber trotzdem Singles, werden aber also solche in der Statistik nicht erfasst, da diese die Zahlen nach Haushal- ten erhebt. Das heißt, dass es sich bei der Be- hauptung, es gäbe in der Altersgruppe der ca. 30- bis 50-Jährigen mehr männliche als weibliche Singles ein statistischer Unfug ist, der sich aller- dings hartnäckig hält. Der höhere Anteil allein- lebender männlicher Singles in der jüngeren und mittleren Altersgruppe resultiert aus dem fast vollständigen Fehlen von alleinerziehenden Vä- tern in dieser Altersgruppe. Jüngere Frauen und Frauen im mittleren Alter leben seltener alleine als gleichaltrige Männer. Umgekehrt verhält es sich im höheren Alter. Generell lässt sich sagen, dass es heute schwieri- ger geworden ist, einen Partner bzw. eine Partne- rin zu finden bzw. eine dauerhafte Partnerschaft aufzubauen und ggf. eine Familie zu gründen und ein gemeinsames Lebenskonzept zu entwickeln. Es bedarf mehrerer Absprachen und Kompromisse. Eine Reihe von Selbstverständlichkeiten, die etwa noch vor 30 Jahren da waren, wie Großeltern als Hilfe, sind heute eben nicht mehr da. Beziehun-
epd-Dokumentation 01/2020 11 gen sind mehr und mehr Verhandlungssache. Aus Hier lassen sich ganz klar Verhaltensstarren, v.a. diesem Grund kann es heute auch längere Zeit auf der Seite der Strukturen und auf Seite der dauern bis man eine Partnerschaft eingeht. Rat- Arbeitgeber feststellen. geber geben einen vielfältigen Einblick in die He- rausforderungen und spiegeln auch den Markt der Möglichkeiten, auf dem man sich mit seinen Fer- tigkeiten und Fähigkeiten einbringen und gleich- zeitig seine individuellen Ziele und Wünsche mit jemand Anderen abstimmen und verbinden muss, der diese ebenso teilt. Nach wie vor kann das Zitat des Soziologen Ulrich Beck Gültigkeit beanspruchen: Eine weitere Graphik zeigt die Folge davon: Zu- nehmende Kinderlosigkeit – etwa 20 Prozent der Frauen bleiben Zeit ihres Lebens kinderlos – Aka- demikerinnen sehr viel häufiger, hier schätzt man etwa ein Drittel: Familiensoziologische Untersuchungen zur Ar- beitszeitteilung von Frauen und Männern zeigen ganz klar, sobald zwei Kinder da sind, gibt es einen Rückfall – Rollback – in traditionelle Rol- lenbilder. Das führt nicht selten zu Trennungen und Scheidungen und ist eine Ursache dafür, dass viele alleinerziehende Frauen keinen Partner oder Partnerin mehr haben. Die Kinderlosigkeit ist regional unterschiedlich Klar ist, dass die Vereinbarkeit von Familie und stark ausgeprägt. Besonders hoch ist sie in den Beruf und auch der Pflege – die sog. Sandwich- Stadtstaaten. Die Unterschiede der Kinderlosig- position, d.h., dass ich mich nicht nur um die keit sind nach Bildungsstand besonders stark kleinen Kinder, sondern auch um die pflegebe- ausgeprägt: dürftigen Eltern kümmern muss und das in beide Richtungen, z.B. auch der Schwiegereltern usw. – nach wie vor v.a. eine Herausforderung für Frauen ist. Vor allem in den ersten Kinderjahren ist Kinder- erziehung nach wie vor Frauensache. Ich möchte keine Präferenz äußern, aber zumindest die The- se wagen, dass diese Aufteilung nicht immer so gewünscht ist. Für viele Frauen stellen fehlende Kinderbetreuung oder auch fehlende Möglichkei- ten der Teilzeitarbeit eine Ursache dar, warum Frauen der Erwerbsarbeit nicht mehr nachgehen.
12 01/2020 epd-Dokumentation Dies ist ggf. mitunter ein weiterer Indikator da- • Arbeitsteilung in der Familie für, dass dann eben keine Ehe eingegangen und • Kinderlosigkeit keine Familie gegründet wird, dass Personen viel- • Erosion des konventionellen Ernährermodells leicht Singles bleiben, weil sie die Priorität auf • unzureichende Kinderbetreuung, starke regio- den Beruf setzen und sich lieber für den Beruf nale Unterschiede entscheiden. • Mutterschaft führt zu höheren Kosten für Frauen als für Männer Zusammengefasst lässt sich nochmals festhalten, • Familiengründung wird von Frauen deutlich dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor stärker mit Nachteilen verbunden allem eine Herausforderung für Frauen ist. Ver- • Gender Pay Gap (vor allem bei Teilzeitbeschäf- schiedene Faktoren kristallisieren sich heraus: tigungen außerhalb der Karriereleitern Die Arbeitsteilung in der Familie geht stärker zu Zuverdienstberufe) Lasten von Frauen. Andererseits lässt sich eine • Polarisierung der Lebenslagen: Zunahme von klare Erosion des Ernährermodells feststellen – Familien- und Kinderarmut dieses wird zwar kritisch diskutiert, aber noch nicht so umgesetzt, dass beiden Parteien ent- Diese Faktoren ergeben eine Gemengelage, die sprochen wird. Das Zitat von Ulrich Beck muss Frauen davon abhalten kann, eine Partnerschaft ggf. dahingehend ergänzt werden, dass jüngere einzugehen. Insgesamt gilt nach wie vor: und auch ältere Männer im Familienalter durch- aus häufiger äußern, dass sie die Interessen ger- „Trotz der Unmöglichkeit, einzelne Gründe für ne viel stärker miteinander verbinden und teilen ein Leben als Single aus dem Ursachenbündel würden, aber vor dem Problem stehen, dass sie es zu isolieren, ist aber deutlich geworden, dass praktisch nicht umsetzen können – z.B. weil in die aus Beziehungen zwischen Männern und dem Arbeitsfeld, das ausgeübt wird, keine Teilzeit Frauen resultierenden Schwierigkeiten häufig möglich ist, v.a. in den hochqualifizierten Jobs. am Beginn eines Lebens als Singles stehen.“ Es stellt sich die Frage, warum dies eigentlich (Baas, Schmidt & Wahl 2008) nicht möglich ist. Dabei kann ich aus eigener Er- fahrung sprechen, z.B. im akademischen Betrieb Eine Frage, die sich aufdrängt: Sind Frauen dann der Universität als ich Teilzeit arbeiten wollte, die glücklicheren Singles? wurde ich gefragt, ob ich keine Frau hätte, die Trennungen werden häufiger von Frauen initiiert. sich um die Kinder kümmere. Diese Frage wurde Frauen haben eine größere Sensibilität für Bezie- mir ganz unverblümt gestellt. hungsschwierigkeiten. Es stellt sich die interes- sante Frage, ob diese Sensibilität anerzogen oder Unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten angeboren ist? Das würde jedoch an dieser Stelle sind weitere Herausforderungen, die sich viel- zu weit führen. Feststellen lässt sich aber, dass mehr auf Frauen auswirken. Dazu kommen starke Frauen tendenziell mit ihrem Leben als Single et- Stadt-Land- und Bundeslandunterschiede sowie was zufriedener sind. Männer betonen dagegen zum Teil enorme Kosten. viel mehr den Aspekt, dass sie unfreiwillig ver- lassen worden sind und eigentlich ganz schnell Ferner führt Mutterschaft nach wie vor zu höhe- wieder eine Partnerin suchen. In unserer Unter- ren Kosten für Frauen als für Männer. Familien- suchung von 2008 haben wir dies häufig in In- gründung wird dementsprechend für Frauen mit terviews gehört. Männer sind sehr viel schneller starken beruflichen Nachteilen verbunden. Hinzu als Frauen daran interessiert, wieder eine Part- kommen Gender Pay Gap, Gender Care Gap und nerschaft einzugehen. Frauen dagegen sind – bei weitere Faktoren, wie etwa, dass die 2-3-Kind-Fa- allen Problemen, die sie haben – erst einmal froh, milie ein Armutsrisiko darstellt. Die Herausforde- keinen Partner zu haben. Sie suchen nicht so ak- rungen, vor allem für Frauen, lassen sich in der tiv wie Männer einen neuen Partner oder eine Übersicht folgendermaßen zusammenfassend for- neue Partnerin. mulieren:
epd-Dokumentation 01/2020 13 Es lässt sich somit festhalten, dass die Gewinner – nach der Einschätzung unserer Untersuchung – „Weibliche Singles scheinen dann im weite- vor allem weibliche Singles sind. Eine wesentliche ren Verlauf auch besser als männliche Singles Ursache dafür ist, dass Frauen auch in Beziehun- mit ihrer Lebensform zurechtzukommen. Wäh- gen häufig für die Netzwerkarbeit zuständig sind. rend beispielsweise den weiblichen Singles mit Wenn sich dann Partnerschaften trennen, neh- Eheerfahrung ein Wandel von einer Eheorien- men Frauen häufiger als Männer einen größeren tierung hin zu einer Selbstorientierung zuge- Teil des Beziehungsgeflechtes mit. Männer blei- schrieben wird, zeigen sich männliche Sing- ben dann etwas einsamer zurück. les, unter ihnen besonders die Geschiedenen, schlechter auf ein Leben als Single vorbereitet. Frauen sind besser in der Lage, ihre sozialen Sie erleben ihre Lebensform eher als weibli- Netzwerke auch in einer Patchworkstruktur zu che Singles als erzwungene Freisetzung aus organisieren. Sie haben beispielsweise jemanden, zufriedenstellenden Bindungen, fühlen sich mit der/dem sie reisen, jemanden, mit dem sie eher unglücklich und sind besonders einsam.“ (Baas, Schmitt & Wahl 2008) mal einen Wein oder ein Bier trinken gehen und jemanden, mit dem sie auch mal in den Urlaub fahren. Fazit: Diese Patchwork-Struktur gelingt Zusammengefasst lässt sich festhalten: Frauen besser als Männer. • Singles sind nicht deswegen Singles, weil sie Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Frauen et- egoistisch sind oder nichts für die Gemein- was besser in der Lage sind, mit dem Single Da- schaft und Gesellschaft tun wollen - diese Art sein zurecht zu kommen als Männer. Im Überblick: der Argumentation lässt die gesellschaftlichen Ursachen für das Anwachsen der Anzahl von • Trennungen werden häufiger von Frauen initi- Singles unberücksichtigt iert • Frauen haben eine größere Sensibilität für • zugenommen haben in ihrer Zeitspanne vor Beziehungsschwierigkeiten allem die Phasen im Lebensverlauf, die als • Frauen sind mit dem Leben als Single eher Single verbracht werden zufriedener – Männer betonen vielmehr den Aspekt der Unfreiwilligkeit • drei von vier Personen heiraten im Verlauf • Gewinner: vor allem weibliche Singles haben ihres Lebens (Seifke-Krenke & Schneider 2012) soziale Netzwerke in Patchwork-Struktur (Kom- pensation der „Lücke“) • eine Vielzahl von Studien zeigt die hohe • Verlierer: Männern gelingt es weniger gut, Bedeutung von Partnerschaft, Familie und intensive Einzelfreundschaften zu schließen, Ehe, deren Wertigkeit vor allem bei Männern sind eher an partnerschaftlichen Bindungen eine große Rolle spielt (Hier stellt sich mir die interessiert Frage, ob das Zitat und die Einschätzung des • Gewinner sind Singles mit dezentralen Netz- Soziologen Ulrich Beck ggf. überdacht muss.) werken • Es lässt sich eine Gruppe von Singles ausma- „Unterschiedliche Rollenauffassungen, eine chen, die einen besonderen Unterstützungsbe- traditionelle Arbeitsteilung und Probleme in darf - auch mit Blick auf die Zukunft - hat und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen haben wird: zu einem Wandlungsdruck, der eher von Frauen - Alleinerziehende Singles ausgeht, da diese auch eher als ihre männli- - Älter werdende Singles mit kleiner werdenden chen Partner auf Beziehungsschwierigkeiten sozialen Netzwerken reagieren.“ (Baas, Schmitt & Wahl 2008)
14 01/2020 epd-Dokumentation Ausblick: • Wir müssen eine generationengerechte räumli- che Infrastruktur schaffen. Schließen möchte ich mit einem Blick auf das • Wir müssen bedarfsgerechte Wohnanlagen Konzept der Quartiersentwicklung: schaffen und nicht nur Wohnangebote für ältere Menschen. Wohnanlagen, in denen Men- schen mit verschiedenen Ansprüchen zusam- menleben und sich untereinander vernetzen. Es braucht entsprechende Dienstleistungen und Angebote für alle unterschiedlichen Be- darfslagen. Ganz wichtig ist dabei: Es braucht einen „Kümmerer“ oder „Kümmerin“, d.h. es braucht jemand, der oder die nicht ehrenamt- lich tätig ist, sondern hauptberuflich Bedarfe und Angebote zusammenbringt. Das wäre auch eine Anregung an Kirche, sich hierzu Gedanken zu machen, Konzepte zu entwickeln und sich einzubringen. Quartiersentwicklung ist ein In der Gerontologie - aber nicht nur dort - wird wichtiger Aspekt für die Zukunft. gerade sehr intensiv darüber diskutiert, wie sich Quartier mit Blick auf die Zukunft entwickeln müssen und was dort getan werden muss, da- Quellen: mit Menschen, die in einem Quartier gemeinsam wohnen, füreinander sorgen und Verantwortung • Folie 4: Baas, Schmitt & Wahl (2008): Singles im übernehmen – Stichwort: Sorgende Gemeinschaft mittleren und höheren Erwachsenenalter. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. Seite 27 (caring communities). Die Idee: Wie können Men- • Folie 5: Statistisches Bundesamt & Wissenschafts- schen, die in einem Dorf leben oder in einem klei- zentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.) (2018): nen Stadtteil, füreinander Sorge und Verantwor- Datenreport 2018 https://www.bpb.de/nachschla- tung übernehmen, v.a. dann, wenn Familie nicht gen/datenreport 2018/familie lebensformen und mehr in unmittelbarer Nähe wohnt. Die Quar- kinder/277870/lebensformen in der bevoelkerung tiersarbeit, die es in der sozialen Arbeit schon und kinder (abgerufen am 22.10.2018) • Folie 6: Statistisches Bundesamt & Wissenschafts- seit 40 Jahren gibt, wird diesbezüglich heute neu zentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.) (2018): wiederentdeckt. Datenreport 2018 https://www.bpb.de/nachschla- gen/datenreport 2018/familie lebensformen und Es stellt sich die zentrale Frage mit Blick auf die kinder/277874/formen des zusammenlebens (abgeru- Zukunft, was die Schritte hin zu einer besseren fen am 22.10.2018) Vernetzung der Menschen miteinander sein könn- • Folie 7: Statistisches Bundesamt (2019): Presse- mitteilung Nr. 272 vom 16. Juli 2019 ten. Folgende Überlegungen dazu: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilun- gen/2019/07/PD19_272_122.html ) bzw. • Wir müssen ein positives Umfeld schaffen, d.h. https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- wir müssen Vorurteile abbauen und Möglich- l?id=10339448 (abgerufen am 22.10.2018) keiten schaffen, damit Menschen, die zufällig • Folie 8: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- irgendwo beieinander wohnen, sich besser ken- l?id=10294916 (abgerufen am 22.10.2018) • Folie 9: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- nenlernen und es schaffen, die gegenseitigen l?id=10295126 (abgerufen am 22.10.2018) Befangenheiten abzubauen. • Folie 10: https://www.parship.de/presse/presse- meldungen/2018/deutschlands single studie single • Wir müssen eine tragende soziale Infrastruktur gesellschaft 168 millionen alleinstehende leben in schaffen – v.a. auch Beratungsangebote. deutschland //(abgerufen am 22.10.2019) • Folie 11: Baas, Schmitt & Wahl (2008): Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. Seite 36
epd-Dokumentation 01/2020 15 • Folie 13: Statisches Bundesamt 2019 ( https:// gen/datenreport 2018/familie lebensformen und www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft Umwelt/ kinder/277904/vereinbarkeit von familie und beruf ) Bevoelkerung/Haushalte Familien/_inhalt.html ) (abgerufen am 22.10.2018) (abgerufen am 22.10.2019) • Folie 34: Statistisches Bundesamt & Wissenschafts- • Folie 15: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- zentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.) (2018): l?id=10312358 (abgerufen am 22.10.2018) Datenreport 2018 https://www.bpb.de/nachschla- • Folie 16: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- gen/datenreport 2018/familie lebensformen und l?id=10220046 (abgerufen am 22.10.2018) kinder/277939/regionale unterschiede ) (abgerufen • Folie 17: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- am 22.10.2018) l?id=10244210 (abgerufen am 22.10.2018) • Folie 35: Statistisches Bundesamt & Wissenschafts- • Folie 19: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- zentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.) (2018): l?id=10237866 (abgerufen am 22.10.2018) Datenreport 2018 https://www.bpb.de/nachschla- • Folie 20: https://www.bib.bund.de/Permalink. gen/datenreport 2018/familie lebensformen und html?id=10238070 (abgerufen am 22.10.2018) kinder/277941/kinderlosigkeit und bildungsstand ) • Folie 22: https://www.bib.bund.de/Permalink. (abgerufen am 22.10.2018) html?id=10340844 (abgerufen am 22.10.2019 • Folie 37: Baas, Schmitt & Wahl (2008): Singles im • Folie 23: https://www.bib.bund.de/Permalink. mittleren und höheren Erwachsenenalter. Stuttgart: html?id=10340720 (abgerufen am 22.10.2018) Kohlhammer Verlag. Seite 49 • Folie 25: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- • Folie 38: Baas, Schmitt & Wahl (2008): Singles im l?id=10238130 (abgerufen am 22.10.2018) mittleren und höheren Erwachsenenalter. Stuttgart: • Folie 26: https://www.bib.bund.de/Permalink.htm- Kohlhammer Verlag. Seite 77 l?id=10262142 (abgerufen am 22.10.2018) • Folie 39: Baas, Schmitt & Wahl (2008): Singles im • Folie 30: Gerdenits & Santler (2018): Single sucht mittleren und höheren Erwachsenenalter. Stuttgart: Single. Mit Partnerbörsen zum Liebesglück. Berlin: Kohlhammer Verlag. Seite 77 Goldegg Verlag. Seite 73 • Folie 41: Seiffge Krenke & Schneider (2012): • Folie 31: Beck (1990): Freiheit oder Liebe. Vom Familie nein danke?! Familienglück zwischen neuen Ohne-, Mit- und Gegeneinander der Geschlecht Freiheiten und alten Pflichten. Göttingen: Vanden- innerhalb und außerhalb der Familie . In: Beck & hoeck & Ruprecht. Beck Gernsheim (Hrsg.): Das ganz normale Chaos der • Folie 42: eigene Abbildung nach Michell Auli & Kre- Liebe. Frankfurt: Suhrkamp Verlag. Seite 31 mer Preiß (2013): Quartiersentwicklung. KDA Ansatz • Folie 33: Statistisches Bundesamt & Wissenschafts- und kommunale Praxis. Köln: Kuratorium Deutsche zentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.) (2018): Altershilfe. Datenreport 2018 https://www.bpb.de/nachschla-
16 01/2020 epd-Dokumentation Workshop Single sein als junger Mensch. Gibt es dafür Platz bei uns? Marlene Altenmüller Doktorandin der Sozialpsychologie, wissenschaft- gen sehr ambivalent: Meistens eher nicht, doch liche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Sozialpsychologie berichten sie durchaus von Gefühlen der Einsam- an der Ludwig-Maximilians-Universität München; keit und fehlender Zuneigung, auch Sorgen über Psychologin (M.Sc.) Kunsthistorikerin (B.A.) mit die Zukunft beginnen sie zu äußern. Ein diskussi- Nebenfach Geographie, Vorsitzende des Landesju- onswürdiger Punkt ist der Druck, der direkt oder gendkonvents der Evang. Jugend in Bayern indirekt von Anderen in ihrem Umfeld ausgeübt zu werden scheint, z.B. durch Erwartungshaltung Erfahrungsbericht zum Workshop der Familie und Bekannten oder das Gefühl, sich für das Single-Sein rechtfertigen zu müssen. Zusammengenommen aus Ergebnissen von be- Doch es sind sich fast alle einig: Kirche und Evan- völkerungsrepräsentativen Umfragen wie dem gelische Jugend ist meistens eigentlich ein gu- Mikrozensus 2017 und großangelegten Jugend- ter Ort für junge Singles – man trifft dort auf studien (z.B. SINUS-Studie 2016, Shellstudie Gleichgesinnte, kann neue Kontakte knüpfen und 2015, Jugendsexualitätsstudie 2015) sowie den ist so angenommen, wie man ist - auch als Sing- anonymen Statements einiger junger Singles (17 le. Spezielle Wünsche an Kirche drängen nicht, bis 29 Jahre), die in der evangelischen Jugend in jedoch wurden Bedenken geäußert, dass Formate Bayern engagiert sind, zeigt sich, dass Vorstel- explizit für Singles schnell auch als befremdlich lungen und Wünsche junger Menschen bezüglich wahrgenommen werden könnten, eher wären un- Beziehungen und Lebensformen sehr heterogen verbindliche Angebote, die genereller sich an jun- sein können: Während ein junger Mensch noch ge, vielleicht alleinstehende Menschen richten, zuhause lebt und sich wenig Gedanken über Part- interessant. nerschaft macht, genießt ein anderer alle Frei- Ideen, die im Workshop diskutiert wurden, wa- heiten des Single-Seins und Alleine-Lebens oder ren z.B. Zielgruppenbotschafter*innen in den Ge- erlebt bereits Elternschaft in einer langjährigen, meinden, die speziell auf bestimmte Leute z.B. festen Beziehung. junge Singles zugehen; direktes Ansprechen sollte Auffällig ist, dass junge Menschen insgesamt verstärkt werden, Anschreiben über Brief ist ein eine große Offenheit gegenüber den verschie- Anfang, zieht aber nicht genug; Möglichkeiten densten Modellen für Leben und Beziehungen bieten, sich mit eigenen, jungen Interessen ein- zeigen. Auch wenn nach wie vor der Wunsch nach zubringen, nicht nur „Mitmachen“ bei bestehen- einer tiefen, vertrauensvollen Bindung – wie sie den Formaten; unverbindliche Angebote schaffen in einer klassischen Beziehung zu erwarten wäre zum Kontaktknüpfen wie z.B. eine Stadtführung – besteht, halten viele Jugendlichen und jungen für Neuzugezogene, etc. Erwachsenen dies auch in offeneren Formen der Partnerschaft für erreichbar – zumindest in der aktuellen Lebensphase. Die individuelle Freiheit und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sollte durch eine Partnerschaft nicht behindert werden und ist positiver Aspekt Nummer Eins, der am Single-Dasein genannt wird. Fragt man junge Menschen danach, ob das Sing- le-Sein sie belastet oder nervt, sind die Meinun- Marlene Altenmüller
epd-Dokumentation 01/2020 17 Workshop Kirche nah bei den Menschen – auch für Singles? Eine sozialräumliche Annäherung an Lebenswelten von Singles im mittleren Alter Dorothea Eichhorn Diplom Sozial-Pädagogin (FH) bei der Diakonie feld, Freizeitbereich) hinzugefügt, die der jewei- Fürth ligen Person wichtig sind. Bedeutende Punkte an Wegstrecken des Alltags und Besonderheiten Erfahrungsbericht zum Workshop werden eingezeichnet. Tatsächliche geografische Entfernungen spielen dabei genauso wenig eine Nach einer kurzen Einführung in die Grundsätze Rolle, wie künstlerisches Talent. Allein die Be- sozialraumorientierter Arbeit wurden die Teilneh- deutung für den*die Zeichner*in persönlich ist menden des Workshops eingeladen, sich dem The- leitendes Kriterium. Sowohl positive als auch ne- ma „Singles und Kirche“ mit ihrer eigenen subjek- gative Bedeutungen werden berücksichtigt. tiven Landkarte zu nähern. 2. Nachfragen und Details Bei dieser ursprünglich in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickelten Methode werden Nach der Fertigstellung des Bildes gehen die Teil- mit Hilfe selbst gezeichneter und gemalter Kar- nehmenden in Kleingruppen zu je vier bis fünf ten die subjektiv bedeutenden Lebensräume im Personen zusammen, stellen sich gegenseitig die Stadtteil oder in der Region sichtbar gemacht. Bilder vor und erklären Orte und Räume sowie Sie kann mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen deren Bedeutungen. Fragen aus der Kleingruppe und auch älteren Menschen durchgeführt werden. helfen bei der Konkretisierung. In bzw. nach die- Diese zeichnen oder malen ihren subjektiven Le- ser Runde werden ggf. weitere Details, Orte und bensraum, um darin bedeutsame Orte und Räume Räume im Bild eingetragen, die sich im Gespräch zu markieren und individuelle Bedeutungen und ergeben haben. Wahrnehmungen des direkten Umfeldes wie z. B. Spiel- und Aufenthaltsorte, Angsträume, Lieb- 3. Bewertung der Orte und Räume lingsplätze u. ä. deutlich zu machen. Dabei wer- In diesem dritten Schritt werden die fertigen den die Lebensräume einzelner Personen - auch subjektiven Landkarten aufgehängt und mitei- über den Stadtteil/Sozialraum hinaus - sichtbar, nander verglichen. Die Teilnehmenden tauschen ebenso können Netzwerke deutlich werden. sich unter folgenden Fragestellungen über ihre subjektiven Sichtweisen aus: Entwickelt wurde diese Forschungsform in einem • Vermisse ich etwas in meinem persönlichen Projekt zur sozialwissenschaftlichen/pädagogi- Sozialraum? schen Kindheitsforschung, Urheber sind I. Behn- • Stellen die Teilnehmenden unterschiedliche ken und J. Zinnecker (1997). Wahrnehmungen fest, die mit der Lebensform zusammenhängen könnten? Der Ablauf in drei Schritten: • Lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, die subjektive Landkarten von Singles kennzeich- 1. Stegreifzeichnung nen? Jede*r zeichnet zunächst das eigene Haus, die Wohnung, die Straße auf das Blatt. In einem abschließenden kurzen Resümee schil- Dann werden die Orte im persönlichen Umfeld dert jede*r Teilnehmer*in seinen*ihren Gesamt (Wohnumgebung, Arbeitsbereich, soziales Um- eindruck.
18 01/2020 epd-Dokumentation Zum Verlauf im Workshop lässt sich festhalten, schiede zwischen ländlichen und städtischen dass es insbesondere in den Kleingruppen zu ei- Räumen kommen hier genauso zum Tragen wie in nem regen Austausch kam. Deutlich wurde, dass die Frage der Angebotsvielfalt, die in städtischen Singles im mittleren Alter genauso wenig homo- Räumen teilweise auch als unübersichtlich und gen sind, wie die Zielgruppe insgesamt. überfordernd erlebt wird. In den subjektiven Landkarten nahmen berufliche Ehrenamtliches Engagement wurde einerseits als Bezüge großen Raum ein, sowohl vom subjektiven gute Möglichkeit einer kirchlichen Anbindung Erleben als auch von der zeitlichen Inanspruch- bewertet. Andererseits wollen Singles nicht als nahme her. Familiäre Beziehungen wurden als „mobile Einsatztruppe“ gesehen werden. sehr unterschiedlich bewertet. Da unterscheiden sich Singles wohl kaum von Paaren oder Familien. Einigkeit bestand in der Gruppe, was den zeitli- chen Rahmen von Angeboten angeht, der sich an Die subjektiven Landkarten von Alleinerziehen- den Möglichkeiten von Berufstätigen orientieren den und kinderlosen Singles unterscheiden sich sollte. Favorisiert werden Wochenendzeiten. erwartungsgemäß deutlich voneinander. Singles, die ihre Situation als Lebensform bejahen, haben Inhaltliche Wünsche umfassten die ganze Palette teilweise andere Schwerpunkte und Bedürfnisse von Freizeitaktivitäten, wie Bewegungs- und Kre- als Singles, die sich eine Partnerschaft wünschen. ativangebote über Filmabende, Literaturkreis und Dies schlägt sich insbesondere darin wieder, wel- Gesprächskreise zu politischen oder persönlichen che kirchlichen Angebote vermisst werden. Fragestellungen bis zu eigenen spirituellen Ange- boten, wie Pilgern und Gottesdienste. Als Gesamtfazit aus dem Workshop lässt sich sa- Auch Teilnehmende, die in einer Beziehung leben, gen, dass sowohl der Wunsch nach eigenen Ver- äußerten den Wunsch nach Angeboten, „wo man anstaltungen für Singles besteht als auch der gut alleine hingehen kann“. Wunsch nach Angeboten, in denen sich die un- terschiedlichen Lebensformen wiederfinden. Vor allem, wenn es um sehr persönliche Themen geht, reden Singles offenbar lieber unter sich, während politische und gesellschaftliche Fragestellungen gut in gemischten Gruppen zu diskutieren sind. Auch Bibelgespräche u. ä. scheinen von der Le- bensform unabhängig zu sein. In Bezug auf Freizeitaktivitäten scheiden sich die Geister. Während manche sich z. B. auf einer Wanderung unter Paaren nicht sehr wohl fühlen, Workshopleiterin Dorothea Eichhorn berichteten andere davon, dass eher das gemein- same Interesse als die Lebensform ausschlagge- bend sei. Auch die Frage, ob Singles offensiver persönlich eingeladen und angesprochen werden sollten, wurde kontrovers diskutiert. Manche wünschen sich, dass jemand einfach sagt „Komm doch auch!“ Andere würden sich dadurch eher ge- nötigt fühlen. Die Bereitschaft, für ein interessantes Angebot, Wege in Kauf zu nehmen, scheint ebenfalls sehr unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Die Unter- Arbeit mit subjektiven Landkarten
epd-Dokumentation 01/2020 19 Workshop Single sein im Alter Rudolf Koch Pfarrer, Referent für Altersfragen im Dekanat ten (Witwer/Witwen) – wird das genügend Fürth, Seelsorge für ältere Menschen. bedacht? • Aufgabe ist es, Begegnungsmöglichkeiten zu Erfahrungsbericht des Workshops schaffen • Umgang mit Doppelbotschaften: ich will per- 1 Sich kurz vorstellen. Warum im Workshop sönlich eingeladen werden – ich weiß nicht, „Single im Alter“? ob ich das will viel – (auch berufliche) Erfahrung ist präsent) • Ehrenamt ermöglichen: die potenziellen 2 „Single im Alter – welche Person konkret Ehrenamtlichen bringen Ideen oft selbst mit. taucht da bei Ihnen auf?“ Plattform für ihre Ideen ermöglichen. Personen greifbar, 58-82 Jahre; zwei Männer • Wach sein gegen Altersarmut sonst Frauen • Unterschiedliche Altersphasen bedenken und 3 Welche Formen von „Single im Alter“ differenzieren gibt es? • Kirche denkt gerne „diakonisch“. Das ist gut. Unterscheidung: junges – mittleres – Aber es deckt das Spektrum nicht ab. Ältere hohes Alter Menschen wollen keineswegs vor allem „diako- Zuordnung der Single-Formen nach diesen drei nisch“ gesehen werden Altersphasen • Beteiligungsstruktur! Neues Ehrenamt • Jüngere Ältere eher kirchen-distanziert Nie geheiratet - Geschieden - Verwitwet • Der Begriff „Single“ ist für viele nicht pas- Living apart together send. „Alleinstehende“? Durch „allein“ schon Alleinlebend mit Unterstützung negativ konnotiert. Andere Begrifflichkeit? Betreutes Wohnen/Wohnprojekte • Gesucht sind Formate, die (auch) Männer Pflegeheim ansprechen • Heikle Phase des Übergangs in die Rente ge- 4 Single sein persönlich – 3-Ecken-Gespräch stalten (aus Zeitgründen gestrichen!) Ideen/Projekte: In drei Gruppen die drei persönlichen Fragen Glaubenskurse 60+ | Speed-dating 60+ besprechen: Friedhofs-Café | Mittagstische • Tauscht ein positives Single-Bild aus ERNTE-RENTE-Gottesdienst • Wie einsam fühle ich mich? Was tue ich Herzenssprechstunde | ZWAR-Projekte dagegen? Quartiersarbeit (Caring Community) • Single im Alter: das will ich – das will ich Großeltern für andere nicht! Programm der Bildungswerke Sport, Gymnastik, Yoga | Ehrenamts-Börse 5 Kirche nimmt Singles im Alter in den Blick: Wahrnehmung – Thesen – Projekte Wahrnehmung/Thesen: • Kirche denkt stark familienbezogen • Im Gottesdienst sind Singles deutlich vertre-
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