"Kurz muss weg" Corona-Proteste und Antiregierungs-demonstrationen in Österreich - Freilich Magazin

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"Kurz muss weg" Corona-Proteste und Antiregierungs-demonstrationen in Österreich - Freilich Magazin
DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER

POLITISCHE STUDIE 8

„Kurz muss weg“
Corona-Proteste und Antiregierungs-
demonstrationen in Österreich

APRIL 2021
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                  2                                     PROT E S T !

Inhaltsverzeichnis

1.                      Einleitung                                                                               4

2.                      Lage			                                                                                  5
                        2.1 Corona-Protest: Szene in Bewegung                                                   5
                        2.2 16. Jänner 2021, Demonstration Wien: Punktlandung mit Anlauf                        8
                        2.3 31. Jänner 2021, Demonstration Wien: Der Kessel ergießt sich in die Stadt           8
                        2.4 16. Februar 2021, Demonstration Wien: Der Tag der Bewegung                          9
                        2.5 6. März 2021, Demonstration Wien: Immer mehr Teilnehmer und kein „Sturm“           10
                        2.6 20. März 2021, Demonstration Wien: Ordnung und Chaos                               11
3.                      Problemfelder                                                                         13
                        3.1 Analyse: Die Polizei, der Staat                                                    13
                        3.2 Medienkritik: Monologe im Pressehauptquartier                                      14
                        3.3 „Presse Service Wien“: linksextreme Überwachungskamera                             15
                        3.4 Konflikte: Jugendkultur und linke Provokation                                      16
                        3.5 Gegenkraft: Demoverbote und Hetzartikel                                            17
4.                      Positionen                                                                            20
                        4.1 Hans-Jörg Jenewein: Der Freiheit eine Gasse                                        20
                        4.2 Corona-Proteste in Wien: drei Fragen an Herbert Kickl                              22
                        4.3 Heimo Lepuschitz: Coronakratie 2021 – Freiheitskämpfer oder Covidioten             23
                        4.4 Andreas Unterberger: Wer auf einer Bewegung baut, baut auf einer Sanddüne          25
                        4.5 Werner Reichel: Die neue Normalität muss nicht links sein                          27
                        4.6 Martin Lichtmesz: Bruchlinien in der Corona-Krise                                  29
                        4.7 Stefan Juritz: Corona-Protest rational                                             31

5.                      Anhang		                                                                              33
                        5.1 Die Meinung der anderen                                                            33

                                                                                                        2
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                                                                                                                                                                                                                                       3                                                                                           PROT E S T !

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Das Magazin für
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Selbstdenker – jetzt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    abonnieren!

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                                                                                                                                                                                                                                                                        journalismus?
                                                                                                                                                                                                                                                                         Nicht mit mir.“
                                                                                                                                                                                                                                                                                           Fakten, Reportagen, alternative Meinungen und mehr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      jetzt zweimonatlich im FREILICH-Magazin.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Bestellung unter freilich-magazin.at

                                                                                                                                                                                                                                                                        Freilich will ich ein Abo. Ich bestelle 6 Ausgaben als
                                                                              FREILICH

                                                                                         POLITIK
                                                                                         Interview: Der Philosoph Alain de
                                                                                         Benoist über Rechtspopulismus und
                                                                                         das Volk als Souverän. S. 10
                                                                              N o 10
                                                            FREILICH

                                                                       GESELLSCHAFT
                                                                                 WIRTSCHAFT
                                                                     Interview: Der Schriftsteller Thor
                                                                                        Die große Umverteilung
                                                                     Kunkel über Berufsverbote,     rechte

                                                                                                                                                                                                                                                                              Normal-Abo                                 Sozial-Abo*                              Förder-Abo
                                                                                        „Corona“ bringt
                                                                     Politik und die Lügenpresse.         große Eingriffe in
                                                                                                      S. 10
                                                            N o 09

                                                POLITIK
                                                                                        die Gesellschaft. S. 46
                                                Interview: Mission   R Eund
                                                                         P O Rheiliger
                                                                               T A G E Terror.
                                                Irfan Peci klärt aufSind
                                                                       überkurz
                                                                              die weg
                                                                                  Gefahren
                                                                                        ÖSTERREICH
                                                                                                                                                                                                     DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
                                                des Islamismus für   WieEuropa.    S. 10Der Kurz
                                                                           Bundeskanzler         Europa
                                                                                             Burschen  alteinHerrlichkeit
                                                                                                                                                                                                                                             Ausgabe No 10 / 2020
                               WIRTSCHAFT
                                                R E P O R TAG E
                                                                     den Stillstand geschickt   hat. S. 44Rolle spielen
                                                                                        Welche politische                                                                                                           freilich-magazin.at � Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
                                                                                        Burschenschaften wirklich? S. 54

                                                                                                                                                                                                                                                                              für € 85,– / Jahr (DE € 94,–)              für € 49,– / Jahr (DE € 58,–)		          für € 170,– / Jahr (DE € 192,–)
                               Interview: Kommt    die  Krise, oder
                                                Unter Menschenjägern:                                                                                                                                                    SEPTEMBER 2020
                               kommt sie nicht?Die
                                                 Erfolgsautor   MaxWesI Sganz
                                                     Antifa nimmt
                                                                           SENSCHAFT
                                                                                                                                                                        DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
                                                                10 Der     Vaterpersönlich.
                                                                                  seiner Gänse
                                                ExtremistenS.gegen
                               Otte über den Systemcrash.              die Freiheit.
                                                                     Genialer          S.S30
                                                                                 Biologe
                                                                                          CHWERPUNKT
                                                                                          und Kulturkritiker:
                                                                                                                                                                                                               $XVJDEH1R̤̤
                                                                                                                                                                                        freilich-magazin.at Ǭ³ '(b̤&+)̤
FREILICH

            POLITIK
                               POLITIK                               Konrad Lorenz im Porträt. S. 78                                                                                                             JULI 2020
                                                CORONA
            Interview: Medientheoretiker  Norbert
                               Das trojanische Pferd:                                                                                        DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
            Bolz über Selbstzensur              Die Virus-Krise mit Folgen:
                               Wasdes
                                    dieMainstreams
                                        Grünen zur echten GefahrS C H W E R P U N K T                                                                                                Ausgabe No 8 / 2020

                                                                                                                                                                                                                                                                        Erscheinungsweise zweimonatlich / 6 Ausgaben im Jahr. Das Abo verlängert sich bis auf Weiteres um den
            und gegen übles Geschwätz.  S. 10 Wiemacht.
                               für die Demokratie
                                                      sich der Stillstand auf uns alle
                                                             S. 44                                                                                     www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
N o 05

                                                auswirken wird. S. 40                                                                                                          APRIL 2020
            REPORT              K R I M I N A L I TÄT
                                                                                                                    DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
            Die endlose Geschichte
                                Wie kriminell dürfen
                                                   SCHW Ausländer
                                                          E R P U N K sein?
                                                                      T

                                                                                                                                                                                                                                                                        angegebenen Zahlungszeitraum zum gültigen Bezugspreis, wenn es nicht vier Wochen vor Ablauf schriftlich
                                                                                                                                                            Ausgabe No 7 / 2020
            Warum die FPÖ-Historikerkommission
                                Wie die Statistiken aus politischen                                                          www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
            stets zum Scheitern Gründen    ist. S. 58 werden. S. 104
                                verurteilt geschönt
                                                                                                                                             FEBRUAR 2020
            DEUTSCHLAND

                                                                                                                                                                                                                                                                        gekündigt wird. * Für Schüler, Studenten, Wehrdiener ist ein Nachweis zu erbringen.
                                SCHWERPUNKT
                                                                                               DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
            Wirtschaft gegen Nationalstaat:
                                                                                                                                Ausgabe No 5 / 2019
            Warum Rot-Grün das angelsächsische                                                      www.freilich-magazin.at � Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
            Kapitalismusmodell umsetzen. S. 80                                                                         AUGUST 2019

                                   WirWir
            SCHWERPUNKT

                                                                                            Der kurze Sommer des Rechts-

                                      basteln
                                                                                            populismus ist vorbei. Manche
                                                                                            der Parteien brechen ein. Das

                                   schaff
                                      unsen
                                                                                            Establishment macht zu. Doch
                                                                                            politische Veränderung ist

                                          eine                                              wichtiger denn je.

                                   dasKrise Unpopulär        Alle auf die Knie! Denkmäler
                                                                                                                                                                                                                                                                        Vorname			                                                 Nachname

                                            rechts
                              Globalisierung,                stürzen! Establishment und Kon-

                                        ²0
                                                             zerne sind die Revolution! Ein
              Die etablierten Nahversorgung,
                              Medien          Wie unsere heile  Welt
                                                             Land  kriegt keine Luft mehr!
                              Weltencrash
              verlieren das Vertrauen ihrerundaus den Fugen gerät
                              Nulldefi
              Konsumenten. Kann eine   zit. Arbeiter,
                                              und wir sie stets neu
                              Angestellte undbauen müssen.
              neue Gegenöffentlichkeit
                              Unternehmer. Wir                            Schöne                                                                                                                                                                                        Straße				                                                                     Hausnr./Stiege
              die Lücke füllen und aus der
                              sind Wirtschaft.
              Sackgasse der politischen
              Korrektheit ausbrechen?                                     neue Welt
              Wir sind
                                                                                         World Press Photo 2020 – Das sind die besten Pressefotos des letzten Jahres S. 60

                                                                       Fotoreportage – Alles im Fluss: vom Delta der Donau bis zur Schallaburg S. 66                                                                                                                    PLZ                  Wohnort				                                                             Land
              so frei!                              Reportage Lesbos – So explosiv ist die Lage auf der Flüchtlingsinsel S. 76

                               Fotoreportage: Syrien – Hilfe vor Ort. Wie Heimkehrer eine neue Heimat finden. S. 68
                                                                                                                                                                                                                                                                        Telefon				E-Mail
            „Game of Drones“ – Die Geschichte der Drohnen in Krieg und Frieden S. 64

                                                                                                                                                                                                                                                                        Ich will FREILICH verschenken:

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           E-Mail                                                      abo@freilich-magazin.at                                                                                                                                                                          PLZ                  Wohnort				                                                             Land

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                                                                       Freilich Medien GmbH                                                                                                                                                                             der Freilich Medien GmbH unterbreitet werden und dass die von mir angegebenen Daten für Beratung, Werbung und zum Zweck
                                                                       Mandellstraße 7                                                                                                                                                                                  der Marktforschung durch den Verlag gespeichert und genutzt werden. Vertrauensgarantie: Eine Weitergabe meiner Daten
                                                                       8010 Graz                                                                                                                                                                                        an andere Unternehmen erfolgt nicht. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen.
                                                                       Österreich
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FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E               4   PROT E S T !

1. Einleitung
Demonstrationen sind wie die Spitze eines Eisberges. Sie
ragen aus einer Oberfläche heraus, die noch glatt und fried-
lich ist. Und dennoch muss man vermuten, dass da noch
viel mehr lauert. So ist es auch mit den Corona-Demos in
Österreich. In einem Land, das immer sehr gute Unterta-
nen gehabt hat, gehen Menschen plötzlich auf die Straße
und protestieren gegen Lockdown-Maßnahmen und die
Regierung.
    Kein Wunder, dass nach der ersten Großdemonstra-
tion die meisten anderen Protestveranstaltungen schnell
verboten waren. Kein Wunder auch, dass sich das Wollen
der Menschen in den Medienberichten nicht wiederfindet.
Freilich, da geht es immer um die Redewendung von den
„Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern“. Als ob
das beschreiben würde, was da an Menschen auf der Stra-
ße ging. Die Masse der Menschen, die sich auf die Straße
begaben, waren normale Bürger, die auch nicht „Corona
leugnen“, sondern die die Maßnahmen des Staates für über-
zogen halten. Die Angst um die Freiheit, um die wirtschaft-
liche Zukunft und um ihr Leben in diesem Staat haben, der
sich ihnen entgegen stellt.
    Das FREILICH Magazin und die TAGESSTIMME
haben die Proteste beobachtet, begleitet und auch ana-
lysiert. Wir fassen hier die wesentlichen Geschichten zum
Thema zusammen und bieten sie kompakt und aus unter-
schiedlichen Perspektiven als Politische Studie zu den aktu-
ellen Protesten als Lesestoff an.
    Aktuelle Berichte rund um die Protestbewegung finden
Sie täglich online auf: tagesstimme.com.

Redaktion FREILICH
31. März 2021
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                5                                                       PROT E S T !

2. Lage                                                             allen Gruppen der Bevölkerung stammten. Man profitier-
                                                                    te davon, dass sich bekannte Ex-Widerständler aus Zeiten
                                                                    der friedlichen Wende 1989 und einzelne politische Vertre-
2.1 Corona-Protest: Szene in Bewegung                               ter anschlossen. Teile der Alternative für Deutschland als
                                                                    größter Oppositionspartei stellten sich vollinhaltlich hinter
VON JULIAN SCHERNTHANER                                             die Proteste, sprachen teilweise auf den Kundgebungen.
                                                                        Die beiden großen Demos am 1. und 29. August in Ber-
Erfolgreiche Protestbewegungen durchlaufen mehrere                  lin fanden aber zu Zeitpunkten statt, als Einschränkungen
Stadien – im Hinblick sowohl auf Professionalisierung als           des Lebens vergleichsweise zu marginal waren, um eine
auch Erreichung ihrer Ziele. Dies ist zwingend nötig, um            Massenbewegung zu schaffen. Das verfrühte Setzen auf
jene Stärke einer gewaltfreien Opposition zu erreichen, bei         eine „Konzentrationsphase“ kulminierte in chaotischen
der das herrschende System gezwungen ist, sie als potenten          Szenen vor dem Bundestag, die von regierungstreuen Me-
politischen Akteur wahrzunehmen.                                    dien zum „Sturm“ auf selbigen hochgeschrieben wurden.
    An jenem Punkt bleiben dem System nach der Theorie              Durch mangelnde Eskalation der Maßnahmen war es leicht,
des US-Politologen Gene Sharp (1928–2018) nur vier Mög-             die Proteste niederzuschreiben. Erst, als im November der
lichkeiten: Anpassung, Entgegenkommen, Zwang oder                   juristische Rahmen nachgeschärft wurde, kam es wieder
Auflösung. Hier unterschied der Experte zwei Phasen: zu-            zu großen Protesten. In der heißen Phase der verschärften
erst die Dispersionsphase, in der das Potenzial des Protestes       Maßnahmen war der deutsche Protest allerdings abgeebbt
auszuloten ist und kleinere Aktionen und Angriffe gegen             und hatte kaum Rückhalt im Volk.
gewisse Symptome des Systems gesetzt werden – und die                   Anders in Österreich, wo die Proteste in die heiße Pha-
Konzentrationsphase, in der auf das Endziel hingearbeitet           se des Reduzierens von Grund- und Freiheitsrechten fielen.
wird. Bei den „Farbrevolutionen“ in diversen Ländern wa-            Als Resultat genießen die Demos ein viel größeres Ver-
ren Platzbesetzungen der finale Akt, der das System zu einer        ständnis beim Volk, einer Umfrage aus dem März zufolge
dieser vier Reaktionen zwang.                                       kann mehr als ein Drittel der Menschen sie nachvollziehen.

Am Weg zur Mega-Demo?                                               Protest und Gegenöffentlichkeit
Optimisten sahen im widerständigen Zusammenschluss                  Gleichzeitig erlaubte die lange Vorlaufsphase eine breite
Zehntausender Demonstranten, die trotz Verboten und                 Professionalisierung, die auch von der Gesamtheit der Ge-
einer rigorosen Kesseltaktik letztendlich am „Tag der Frei-         genöffentlichkeit mitgetragen wurde. Während in Deutsch-
heit“ am 31. Jänner stundenlang durch Wien spazierten               land hauptsächlich das „COMPACT“-Magazin die Protes-
und eine gewisse Zeit lang die Macht des Volkes erkannten,          te begleitete, fanden die Akteure in Österreich in diversen
ein solches Fanal des Aufbruches. Da gewisse Schein-Lo-             patriotischen Medien wie „Tagesstimme“, „Wochenblick“
ckerungen der Maßnahmen allerdings bereits beschlossene             oder „Unzensuriert“ – und mit „ServusTV“ sogar bei einem
Sache waren, ohne die generelle Lage zu entschärfen, kam            reichweitenstarken Fernsehsender – breite Rezeption. Dass
die Regierung diesem Impuls zuvor und schaffte ein Patt             sich hierzulande Mediziner, Anwälte, Lehrer und auch
zwischen den Mächtigen und den Protesten. Obwohl die                Unternehmer aus fachlicher Warte äußern konnten, brach-
Protestler neuerlich in eine „Dispersionsphase“ gezwungen           te Vertrauen in diesen Widerstand. Die FPÖ solidarisierte
wurden, wähnten sie sich bereits in einer „Konzentrations-          sich erst zu jenem Zeitpunkt mit den Protesten, als der Un-
phase“. Es sollte eine „Mega-Demo“ folgen, darauf eine              mut über die Maßnahmen breit wurde – und nicht, wie die
europaweite Demo, und zuletzt eine weltweite Demo. Dies             AfD, „zu früh“. Damit ergeben sich für die Partei eher auch
verkannte die Realität der bestehenden Pattsituation, wo-           politische Mitnahmewerte abseits des allgemeinen Mobili-
möglich auch infolge des zuvor bestehenden Momentums,               sierungspotenzials der Proteste.
das immer bedeutendere Akteure an sich binden konnte.                   Die Rezeption renommierter Kritiker ist somit auch
    Denn innerhalb knapp eines Jahres wuchs eine höchst             eine andere: Sucharit Bhakdi wurde zwar hüben wie drü-
heterogene Widerstandsbewegung gegen die Corona-Maß-                ben „aus dem Nichts“ zum Bestsellerautor – während in
nahmen heran. Den Anfang machten einigermaßen dilet-                Deutschland der Hype längst wieder abebbte, beschäftigt
tantische Demos noch im ersten Lockdown, die nur von we-            sich die Öffentlichkeit in Österreich auch Monate danach
nigen Hundert Menschen besucht wurden. Etwas stärker                noch mit seiner Expertise. Während Konstantina Rösch
war dieses Potenzial zu diesem Zeitpunkt im bundesdeut-             als Ex-Spitalsärztin zu einer Galionsfigur des Widerstan-
schen Raum: Die „Querdenken“-Demos zuerst in Stuttgart,             des wurde, konnten Bodo Schiffmann oder Wolfgang Wo-
später in Berlin zogen Zehntausende Menschen an, die aus            darg trotz ursprünglich guter Verankerung im Mainstream
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                6                                                         PROT E S T !

leichter als „Schwurbler“ abgekanzelt werden. Während in            fallen. Es ist also eine gewisse Selbsthygiene der Protest-
Österreich nicht einmal der ORF mehr an der Befragung               bewegung erkennbar.
von Gerold Beneder von den „Anwälten für Aufklärung –                    Aus dieser frühen Riege übrig geblieben sind vor al-
Rechtsanwälte für Grundrechte“ als Gegenstimme inner-               lem zwei Gesichter: zum einen Anwalt Roman Schiess-
halb eines negativ geframten „Report“-Beitrages vorbeikam,          ler, der im April 2020 eine Verfassungsklage gegen das
finden die kritischen Rechtsmeinungen in Deutschland                COVID-Maßnahmengesetz sowie mehrere Verord-
kaum öffentlichen Widerhall, obwohl auch dort Klagen                nungen einlegte und teilweise auch Recht bekam, zum
immer wieder Maßnahmen zu Fall bringen.                             anderen der ehemalige Kärntner Landtagsabgeordnete
    In Österreich hingegen können Gegenöffentlichkeit               Martin Rutter (zuerst Grüne, später Team Kärnten,
und fundierte Experten brauchbare Kampagnen fahren,                 dann BZÖ). Dieser wurde infolge seiner federführen-
wie dies mehr als 30.000 Stellungnahmen zur Novelle zum             den Beteiligung bei der Organisation maßnahmenkri-
COVID-Maßnahmengesetz und zum Epidemiegesetz im                     tischer Demos in ganz Österreich zu einer breiten Iden-
März 2021 zeigten. Eine solche Aktion kann auch von her-            tifikationsfigur. Er gilt inzwischen als so bedeutsam,
kömmlichen Medien nicht mehr totgeschwiegen werden –                dass die Polizei oft Bagatellen zum Anlass nimmt, um
und auch die Handelnden sind gezwungen, Anpassungen                 ihn im Umfeld von Kundgebungen in Gewahrsam zu
vorzunehmen, um nicht ihr Gesicht zu verlieren, auch wenn           nehmen.
diese im erwähnten Fall nur geringfügiger Natur waren und                Für Identifikation beim Bürger sorgen auch Fälle
gleichzeitige neue Verschärfungen mit sich brachten.                und Schicksale, die dem „erwünschten“ Narrativ von
                                                                    der vermeintlichen Verwerflichkeit der Proteste beson-
Menschen in der Protestbewegung                                     ders deutlich entgegenstehen. So emotionalisierte die
Die großen Gesichter des „Corona-Widerstandes“ in der               Festnahme eines 82-Jährigen in Innsbruck ebenso wie
Alpenrepublik kommen aus allen Lebenswegen. Auffällig               der Umstand, dass ein Pfarrer im Zillertal nach einem
ist, dass auch Unternehmer sich nicht scheuen, Gesicht zu           impfkritischen Beitrag in einem Blog von den Kirchen-
zeigen. Mit dem Wiener Alexander Ehrlich und dem Ti-                oberen zurückgepfiffen wurde.
roler Andreas Thurner erreichten zwei Selbstständige aus                 Bei prominenteren Kritikern reagieren die Be-
der Reise- und Transportbranche eine regionale bzw. über-           hörden mit beispielloser Repression: So wurde Rösch
regionale Bekanntheit. Die Linzerin Edith Brötzner als              ebenso wie ihrem steirischen Arztkollegen Peer Eifler
Gründerin der Initiative „Österreich ist frei“ fand als Inha-       die Approbation entzogen. Letzterer musste sogar eine
berin einer Werbeagentur anfangs auch über die Bedenken             Razzia in seiner Praxis und eine Sperre seiner Konten
kleiner und mittelständischer Betriebe zu den Protesten.            über sich ergehen lassen, nachdem er im großen Stil At-
Aber auch in systemtragenden Berufen treten einige aus              teste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt
dem Schatten, etwa die Polizistin Birgit Pühringer oder der         hatte. Auch Lehrer Rangger wurde vom Dienst sus-
Lehrer Klemens Rangger, deren Geschichten Abertausen-               pendiert, Polizistin Pühringer wurde medial durch den
de Menschen aufrüttelten. Andere, wie Martin Kaser oder             Schmutz gezogen.
Romana Palmetshofer, die Anmelderin der Wien-Demo am                     Dieser mediale Schmutzkübel betrifft auch die Pro-
31. Jänner, fanden vor allem aufgrund ihrer Kinder dazu,            teste in ihrer Gesamtheit, wie bei der schwer haltbaren
sich zu engagieren. Teils mit Nachhall: Rangger brachte die         Geschichte des „Sturmes auf das Versicherungsgebäu-
Verfassungsklage gegen die Maßnahmen in Schulen ein;                de“. Das Selfie einer im Sinne der „schwarzen Wahrheit“
Kaser wurde zu einem der Initiatoren des Volksbegehrens             aktionistisch vorgehenden Gruppe vor dem „Mahnmal
für den Rücktritt der Bundesregierung.                              gegen Krieg und Faschismus“ mündete in medialer Dif-
     Ebenso breit gestreut und aus der Mitte des Volkes sind        famierung. Dennoch blieben die Betroffenen aktiv.
unzählige Bürger, die erstmals auf regierungskritische De-
mos gehen. Dort sind alle Alters- und Berufsgruppen ver-            Repression und endlose Spaziergänge
treten. Auffällig ist, dass sich neue Gesichter gerade aus          Trotz der großen Demonstrationen ist die Repression
diesem Potenzial speisen, während einige Akteure aus der            eine Nagelprobe für die Protestbewegung. Solange eine
ersten Avantgarde der Corona-Proteste dort keine Haus-              Bewegung im Aufwind, ihr Kernthema anschlussfähig
macht mehr genießen. Ein umstrittener Abtreibungsarzt               ist, kann sie von Heterogenität profitieren. Wird sie
war bei den ersten Protesten ebenso federführend wie eine           aber irgendwann nur mehr zum Selbstzweck, droht die
Aktivistin, die nach einigen Alleingängen und Aktionen              Gefahr, dass sich die Demozüge „zu Tode spazieren“,
mit fragwürdiger Optik auch bewegungsinterne Kritik auf             wie dies im Fall der Dresdener PEGIDA-Proteste man-
sich zog. Beide sind heute weitgehend aus der Geltung ge-           gels klarer strategischer Ziele zu beobachten war. Diese
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fanden ab 2014 fast jeden Montag statt, nach Jahren gingen
aber zumeist nur mehr wenige Tausend Menschen auf die
Straße – am Höhepunkt waren es fast 50.000.
   Entsprechend ist es nötig, dass die Proteste trotz aller
personellen Professionalisierung und der Verbreiterung
ihrer Teilnehmerriegen Aktualität und Ziel behalten. Zur
Gefahr hierfür könnten die – von der Regierung an ihre
Freiheitsversprechen gekoppelte – Impffrage sowie eine
mögliche Verschärfung der Pandemielage werden.
   Beides könnte die Stimmung im Volk wieder zugunsten             Julian Schernthaner
härterer Regeln und der Regierung kippen lassen – oder die
                                                                    Der 1988 in Innsbruck
Proteste weiter nähren. Sowohl der zivilgesellschaftliche
                                                                       geborene studierte
Protest als auch jener auf der Straße ist darauf angewiesen,       Sprachwissenschaftler lebt
dass „Kurz muss weg“ nicht zur beliebigen Parole wird, son-        mittlerweile im Innviertel
dern als ein notwendiges Endziel in der „Konzentrations-             und ist Redakteur der
phase“ aufrechtbleibt. Die vorliegende Studie soll auch ein              Onlinezeitung
Leitfaden sein, um mithilfe einer Standortbestimmung                  „Die Tagesstimme“.
die Möglichkeiten von Erfolg und Scheitern der Corona-             Als Kenner alter Schriften
Widerstandsbewegung nachzuzeichnen.                                und Kulturen schmökert
                                                                       er gern zu harten
                                                                       Klängen in seiner
                                                                    ausgiebigen Bibliothek
                                                                       und erkundet mit
                                                                       Leidenschaft jeden
                                                                    versteckten Winkel der
                                                                   österreichischen Heimat.
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2.2 16. Jänner 2021, Demonstration
    Wien: Punktlandung mit Anlauf

Die erste große Corona-Demo in Wien dürfte viele aufge-
schreckt haben. Sie war viel größer als erwartet und eine
mächtige, friedliche Manifestation – mit Störungen durch
Politik und Linksextremisten.
     Die Plätze sind voll. Der Maria-Theresien-Platz zwi-
schen Natur- und Kunsthistorischem Museum mehr als
der Heldenplatz. Aber es ist erstaunlich voll. Damit hatten
wohl alle nicht so ganz gerechnet. Weder die Veranstalter                 Alles ist voll: Am Maria-Theresien-Platz und am
noch die Polizei. Letztere ist vertreten und versucht, die                Heldenplatz sammeln sich die Demonstranten.
Demonstration zu sichern.
     Es werden maßvolle Reden gehalten. Man kriegt davon
als Besucher nicht so viel mit, ist eher damit beschäftigt, zu
schauen, was da alles herumläuft. Klar, man sieht die Rän-                Was das war, darüber ist man sich nicht ganz einig. Der
der, hier jemanden mit einem verschwörungstheoretischen              Protest gegen die Lockdown-Maßnahmen hat die Menschen
Schild, dort eine QAnon-Fahne, Christen, junge Rechte.               zusammengebracht. Es ist eine nicht linke Großdemonstra-
In der Masse aber normale Menschen. Bevölkerung, die                 tion, die aber in sich sehr vielfältig ist. Die meisten finden sich
nichts mehr mit dem Lockdown anfangen will, die Angst                im Narrativ „Rechtsextremisten und Verschwörungsideolo-
um den Job oder die Firma hat, die die Schnauze voll hat.            gen“ nicht wieder, das ihnen sogleich übergestülpt wird. Aber
     Ein Zug mit vielen Tausend Menschen macht sich auf              es ist ein widerständiges Gefühl, auch wenn nicht ganz klar
den Weg um den Ring; die Polizei sagt durch, dass die Ab-            ist, gegen was. Ja, den Lockdown. Aber was ist das … Corona
stände einzuhalten und Masken zu tragen seien. Sie führt             leugnet hier kaum einer. Aber vielen ist klar, dass sie sich ge-
den Zug frontal, die Seitenstraßen sind gesperrt, damit die          gen den Staat und seine gegebenen Maßnahmen stellen. Ein
Demo nicht ausbricht. Da erklingt das erste Mal zwischen             großes Gemeinschaftsgefühl ist da, so viele Tausend Men-
den Häusern zwischen Kunsthistorischem Museum und                    schen waren seit einem Jahr nicht auf der Straße (wenn man
Staatsoper der Ruf: „Kurz muss weg!“ Und irgendwie ent-              die „BLM“-Demo mit 50.000 Menschen in Wien vergisst).
deckt die Volksmasse dabei, dass sie eine Demonstration              Sie wollen in 14 Tagen wiederkommen und weitermachen …
ist, ein vieltausendköpfiges Wesen, das etwas sagen will.            Dann wird es ganz anders aussehen.
     Beim Stadtpark angekommen heißt es haltmachen.
Linksextremisten blockieren am anderen Ende des Stadt-
parks die Straße. Die Polizei will verhindern, dass es zu            2.3 31. Jänner 2021, Demonstration
Zusammenstößen kommt. Seltsam die Fronten: die jun-
gen Anarchisten auf der Seite der türkisen Regierung für                 Wien: Der Kessel ergießt sich in die
Lockdown und Maske. Die fröhliche Anarchie auf der Sei-                  Stadt
te der Demonstranten. Die Linksextremen werden von der
Polizei weggetragen, Gesinnungsgenossen am Straßenrand               Mehrere Tausend Demonstranten versammeln sich in
beschimpfen die Demo, die durchzieht. Von dort kom-                  Wien, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung
men Schimpfwörter und Stinkefinger zurück, aber auch                 zu protestieren. Die Polizei kesselt den „Spaziergang“ nach
fröhliche Zurufe von alternativen Menschen, die in der               kurzer Zeit ein – und scheitert grandios. Stundenlang zie-
Demonstration mitmarschieren. Alles in allem alles sehr              hen die Proteste durch die Stadt.
undogmatisch. Die bewegte Demonstration wird zu einem                    Am Anfang ist unklar, was passieren würde, denn so
laufenden Happening. Alles sehr glücklich, sehr bewegt.              etwas ist noch nie passiert. Vonseiten des Staates sind alle
Sie rauscht über den Schwedenplatz und über den Ring                 Proteste verboten. Dass es zu Spaziergängen kommen wird,
zurück in Richtung Ausgangspunkt. Verfällt vor dem Par-              ist klar, aber nicht, in welcher Dimension. Und so sammelt
lament noch einmal in ein beeindruckendes „Kurz muss                 es sich um 14 Uhr zwischen Kunst- und Naturhistorischem
weg“. Verläuft sich immer mehr, schwindet. Die Menschen              Museum, auch am Heldenplatz ist was los. Viele der Teil-
fahren mit den Öffis am Weg heim, gehen zu ihren Autos               nehmer tragen Österreich-Fahnen und rufen: „Kurz muss
und Bussen.                                                          weg!“ Nach nur kurzer Zeit erklärt die Polizei die Demons-
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tration im Bereich des Maria-Theresien-Platzes für been-
det, weil sie „einen die öffentliche Ordnung bedrohenden
Charakter angenommen“ habe. Aus den Medien kommt die
Meldung, dass die Polizei gegen 400 Demonstranten vorge-
he. Nur ist da in Wahrheit wohl schon die zehnfache Menge
Menschen da. Die Polizei setzt erstmals ihre gängige Prak-
tik ein: Sie kesselt den Bereich NHM–Heldentor–KHM–
MuseumsQuartier. Die Demonstranten dagegen wollen
ihren „Spaziergang“ zum Parlament fortsetzen, doch da ist
die Sperre zu dicht. Offensichtlich will die Exekutive die
Spontandemo abwickeln: Immer wieder holen Greiftrupps
einzelne Demonstranten aus den Reihen, um ihre Perso-
nalien aufzunehmen. Ein Schema, wonach da zugegriffen                  Politische Parolen: Die Demos richten sich gegen
wird, gibt es nicht. An den Rändern wird auch permanent                Kanzler Kurz als „Macher“ des Lockdowns.
abgemahnt. Es gibt in der Folge mehrere Durchbruchsver-
suche von Demonstranten in Richtung Parlament.
    Das Problem der Verhinderer ist aber, dass hier wesent-
lich mehr Menschen unterwegs sind, als sie erwartet haben.
Statt ein paar Hundert Menschen, die man kontrollieren
und zerstreuen kann, sind es mehrere Tausend, die im Kes-
sel landen. Gleichzeitig strömen noch mehr von außen zu.
Diese Menschen kommen aber nicht mehr in den Kessel –
und so beginnen außerhalb davon ebenfalls Tausende Men-
schen zu demonstrieren.
    Der Polizei löst in Wien Chaos aus. Statt alles abzuwür-
gen, ergießen sich die Demonstrationen in die Stadt. Meh-
rere Züge unterschiedlicher Größe sind es, die kreuz und
quer marschieren – bis tief in die Nacht. Die Polizei über-
nimmt nur mehr eine passive Begleitung.                                Polizeieinsatz: Außer bei der ersten hat die
    Laut Bericht des „Wochenblick“ wächst der Demons-                  Exekutive bei allen Demos massiv eingegriffen.
trationszug ab Nachmittag erneut an: Das Reporterteam
vor Ort schätzt die Zahl auf 10.000 bis 20.000 Teilnehmer.
„Die Polizei hat kapituliert und die Einschüchterungsver-
suche aufgegeben. Sie sorgt nun nur mehr für den ordnungs-
gemäßen Ablauf “, heißt es im „Wochenblick“-Liveticker.
    Ganz Wien wird überrascht von einer heftigen und gro-          2.4 16. Februar 2021, Demonstration
ßen Manifestation: Aus den Reihen der Demonstranten                    Wien: Tag der Bewegung
heißt es immer wieder „Kurz muss weg!“, „Die Regierung
muss weg!“, „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ und „Wir
sind das Volk!“. Die Corona-Maßnahmen der Regierung                Wien ist wieder in Bewegung: Zum dritten Mal in 14-tägi-
mobilisieren mehr Menschen, als man gedacht hatte. Diese           ger Folge treffen sich Regierungsgegner zur Demonstration.
Menschen lassen sich auch nicht vom Verbot daran hin-              Und es wird nicht ruhiger.
dern, an den Protesten teilzunehmen. Und seit der ersten               Die Regierung fährt einen klaren Kurs: Sie untersagt die
Demonstration ist klar, dass es Antiregierungsproteste             Demonstrationen. Es ist aber genauso klar, dass sie trotz-
sind: „Kurz muss weg“, lautet die Hauptparole, die, von            dem stattfinden werden. Die Protestierer sammeln sich an
Tausenden gerufen, über den Ring und durch die Straßen             mehreren Orten und ziehen dann weiter. Heute ist der Res-
der Bundeshauptstadt klingt. Mit der überraschend mäch-            selpark vor der Karlskirche der Treffpunkt, wo Reden gehal-
tigen ersten Demo ist ein Anfang gemacht: Die Protestler           ten wurden. Die Palette der Teilnehmer bietet das Übliche,
wollen ab jetzt alle 14 Tage zusammenkommen, um fried-             von besorgten Bürgern bis zu Esoterikern. Neu ist jedoch
lich gegen Regierung und Lockdownmaßnahmen anzutre-                der Tiroler Schwerpunkt. Auf der Demonstration kommt
ten.                                                               die Ansage: „Wir reisen aus Tirol aus, und wir reisen auch
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wieder ein.“ Kurz darauf: „Wir laden unsere Wiener Freun-              es ein friedlicher Tag in Wien, auch wenn das Katz-und-
de ein, kommt nach Tirol!“ Bei der Kundgebung am Res-                  Maus-Spiel für die Polizei anstrengend sein muss und sie
selpark sieht man sehr häufig „Kurz-muss-weg“-Aufkleber,               immer wieder sinnlose Kleinkessel produziert. Linksextre-
auch FREILICH-Aufkleber sind massenhaft verbreitet.                    me Provokationen fallen diesmal nicht auf. Am Ende spa-
                                                                       zieren mehrere kleinere Demogruppen durch die Stadt.
Kundgebung im Resselpark
Die Polizei ist da und präsent. Sie zieht durch die stehen-
de Demonstration, stellt Identitäten fest und will Leute               2.5 6. März 2021, Demonstration Wien:
demonstrativ für fehlende FFP2-Masken abstrafen. An-
scheinend wird die Demo nach Absprache mit der Exeku-                      Immer mehr Teilnehmer und kein
tive beendet und die Auflösung bekannt gegeben. Während                    „Sturm“
sich alles in Bewegung setzt, hört man vorn irgendwo eine
Trommel. Der Zug kriegt eine Richtung, schlängelt sich an              Nach der Abschlusskundgebung zur Demonstration am 6.
spontanen Polizeisperren über den Rasen des Resselparkes               März 2020 eskaliert bei den Corona-Protesten die Lage.
Richtung Oper, setzt sich vor der Kärntner Straße auf den              Mehrere Medien reden nun davon, dass ein Versicherungs-
Ring, und da: Wieder das mächtige „Kurz muss weg!“.                    gebäude „gestürmt“ worden sei. Mit Fakten hat das aber nur
                                                                       wenig zu tun.
Ausbruch zum Ring                                                          Eine weitgehend friedliche Corona-Demonstration mit
Plötzlich sieht man, wie groß der Zug ist. Als die Polizei beim        etwa 25.000 bis 30.000 Teilnehmern endet in Wien am 6.
Kunsthistorischen Museum den Ring mit Doppelreihen                     März um etwa 18:40 Uhr mit einem Wachmann, der mit
sperrt und die Demonstration auflaufen lässt, reicht diese zu-         einem gebrochenen Bein am Boden liegt. Ort der Tragödie:
rück bis eben zur Kärntner Straße, wir schätzen auf 8000 bis           die Landesdirektion der Wiener Städtischen an der Oberen
10.000 Menschen. Von hinten zieht die Polizei nach – und               Donaustraße. Linksextreme Beobachter sprechen anschlie-
versucht wieder eine Totaleinkesselung. Laut Polizei sind              ßend von einem „Sturm auf das Versicherungsgebäude“ und
nur 2000 Personen auf den untersagten Corona-Demos, sie                „faschistischen Gewalttätern“, wohl um das Ganze mit dem
protzt mit 1590 Anzeigen. Dieser Schnitt ist extrem unwahr-            „Kapitol-Sturm“ in den USA zu parallelisieren. Etablierte
scheinlich und spricht eben dafür, dass es ein Mehrfaches an           Medien übernehmen diese Erzählung schließlich unhinter-
Demonstranten ist. Das Ergebnis der Polizeistrategie an die-           fragt.
sem Tag ist jedenfalls erneut ein komplettes Chaos für Wien.
                                                                       Flucht aus Polizeikessel
Kessel und Demochaos in der Innenstadt                                 Doch die Landesdirektion der Wiener Städtischen wurde
Gegen 15:30 Uhr bricht die Demonstration neben der Al-                 nicht „gestürmt“. Tatsächlich versuchten Demonstranten,
bertina in die Innenstadt aus, der Zug schlängelt sich durch           der Polizei zu entkommen. Sie wollten durch Tor, Garage
die Gassen, weicht immer wieder der Polizei aus, gelangt               und Innenhof aus einem Polizeikessel hinaus, landeten aber
an den Graben, zieht am Stephansdom vorbei in Richtung                 in einer Sackgasse. Was dann genau geschah und wie der
Schwedenplatz, um mit ein paar Tausend Menschen wieder                 Wachmann verletzt wurde, ist noch ungeklärt. Laut Be-
über den Ring in Richtung Oper zu gehen. Oder sie ist nur              richt der Gratiszeitung „Heute“ hieß es am Samstagabend
ein Zug von mehreren. Denn wenn man anderen Accounts                   aus Polizeikreisen, die Demonstranten hätten zwei Sicher-
auf Twitter folgt, stellt man fest, dass es wieder mehrere             heitsleute umgestoßen und dabei verletzt.
Züge gibt, die da und dort auftauchen. Auch andere Be-
obachter sprechen von „Sponti“-Demos, auf die die Polizei              Eskalation vorprogrammiert
nur mehr reaktiv reagiere.                                             Bereits nach Ende der FPÖ-Kundgebung auf der Prater-
    Insgesamt erlebt Wien wieder eine mächtige Antiregie-              wiese hatte die Polizei den Menschenmassen eine Rückkehr
rungsdemonstration. Die Polizeistrategie, Verbote durch-               in die Innenstadt verwehrt, wohl um weitere Demonstra-
zusetzen und eine spontane Großdemonstration zu kesseln,               tionen wie bei den vorangegangenen Protesten zu unter-
endet einmal mehr auch angesichts der Masse der Teilneh-               binden. Dies ergab die paradoxe Situation: Die Demonstra-
mer im vollständigen Chaos. Die Demonstration wirkt                    tion sollte sich auflösen, konnte es aber nicht, weil sich die
diesmal jünger, alternativer. In vielem auch lustiger, weil            Polizei ihr entgegenstellte. Das endete in Konfrontationen,
einige kreative Verkleidungen dabei sind. Alles zusammen               Kesseln und auch unschönen polizeilichen Jagdszenen. Vie-
ändert nichts an den Botschaften: „Friede, Freiheit, keine             le Demoteilnehmer gerieten dadurch in Polizeikessel und
Diktatur“, und vor allem „Kurz muss weg!“. Insgesamt ist               mussten dort für lange Zeit verharren.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E               11                                                    PROT E S T !

    Wie bei den vergangenen Corona-Protesten in Wien
versuchte die Polizei auch diesmal, Kundgebungen im
Ansatz zu ersticken. Die Menschen sammelten sich am
Maria-Theresien-Platz zwischen Natur- und Kunsthisto-
rischem. Der Kessel ist diesmal schon vorbereitet, der sich
bildende Demonstrationszug wird wieder zur Auflösung
aufgefordert. Allerdings scheitert die Auflösung erneut an
den großen Menschenmassen, auch wenn die Exekutive
diesmal wesentlich flexibler agiert als sonst und ihre „Ver-
teidigung“ in Richtung Naschmarkt staffelt. Dazu kommen
mobile Einheiten, die diesmal – wohl nach den intensiven
Erfahrungen der Demo vor 14 Tagen – Demonstrationszü-
ge durch die Innenstadt verhindern sollen. Dennoch kann
sie wieder nicht die Formierung mehrerer großer Demons-
                                                                    Standkundgebung: Aus einer erlaubten Demo beim
trationszüge zum Prater verhindern. Der größte Zug über             Resselpark wurde flott ein Kessel am Ring.
Ring und Schwarzenbergplatz dürfte aus 10.000–15.000
Menschen bestehen.

Gescheiterte Polizeistrategie
Schon zu Beginn und noch vor Ende der Demonstrationen
fängt die Polizei mit weiß behelmten Greiftrupps an, bei
weit auseinander gehenden Demonstranten Maskenabmah-
nungen und Personalienfeststellungen vorzunehmen. Sie
kommt auf eine Bilanz von 3000 Anzeigen. Mit Ende der
Demo gestaltet sich das Verhalten zunehmend aggressiv, als
ob man den Frust über die einsatztaktische Niederlage zu
Mittag und den langen Tag abends endlich souverän ausle-
ben könnte. Der Kessel am Ende ist auch nur möglich, weil
es sich hier um eine Teilgruppe von rund 500 Demonstran-
ten handelt. Nach Sperre aller Brücken kommt es schließ-
lich auch zur Konfrontation mit flüchtenden Demonstran-             Politischer Anschluss: Am Heldenplatz spricht
ten in der Wiener Städtischen, die einen Ausweg aus dem             Herbert Kickl bei der größten Demo am 6. März.
Polizeikessel gesucht haben. Jenseits dieser Eskalation und
der Konfrontationen von Linksextremisten mit Hooligans
verläuft auch diese, die bisher größte Protestveranstaltung
mit bis zu 30.000 Teilnehmern, friedlich.

2.6 20. März 2021, Demonstration
    Wien: Ordnung und Chaos

Wieder ist ein Corona-Demo-Tag in Wien vorbei. Die Bi-
lanz des 20. März ist durchwachsen.
   Das Besondere an den Antiregierungsdemonstratio-
nen in Wien war bisher immer: Eine große Masse an Men-
schen kann zusammen marschieren. Der Zug hatte – ent-
gegen der medialen Darstellung – immer den Charakter                Menschenmassen: Tausende Menschen ziehen
eines Happenings, das die soziale Isolation des Lockdowns           spontan über den Ring in den Prater.
durchbricht. Das alles unter der Parole: „Kurz muss weg!“
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E     12                                                      PROT E S T !

                                                          Die Demonstrationen, die sich immer größeren Zulaufes
                                                          erfreut haben, sind dabei immer mehr angewachsen: Zu-
                                                          letzt waren bis zu 30.000 Menschen unterwegs durch die
                                                          Bundeshauptstadt.
                                                              Diesmal sind es deutlich weniger: Einige Tausend sind
                                                          zum Protestieren gekommen. Dass es weniger sind, mag
                                                          schon mit der Rückkehr des Winters und der eisigen Kälte
                                                          zu tun haben, aber auch damit, dass die Treffpunkte erst
                                                          zuletzt und diffus über die sozialen Medien bekannt ge-
                                                          geben worden sind: Einer ist der Hauptbahnhof. Von dort
                                                          zieht eine Demonstration über den Gürtel – bis sie gekes-
                                                          selt und aufgelöst wird. Was dann folgt bzw. sich parallel
                                                          entwickelt, sind viele kleine Demonstrationen. Und ganz
                                                          viele Menschen allerorten, die auf der Suche nach einer De-
Spaß gehört dazu: Corona hat die Grippe fast
ausgerottet. Sorgen kann man sich machen …
                                                          monstration sind. So wird am Nachmittag die Mariahilfer
                                                          Straße mehrmals auf und ab bespielt. Die Kehrtwendungen
                                                          werden jeweils durch die Polizei ausgelöst. Am Karlsplatz
                                                          treffen sich derweil rund 500 Linksextreme, um für mehr
                                                          Migration zu demonstrieren. Alle natürlich maskiert, die
                                                          Mindestabstände aber fragwürdig. Sie würden auch dort
                                                          eine Auflösung der Demo rechtfertigen, die Polizei bleibt
                                                          allerdings sehr zurückhaltend.
                                                              Die Corona-Demos sind da wohl fordernder und das
                                                          Hauptprogramm: Die Exekutive zeigt sich immer besser
                                                          vorbereitet. Der Maria-Theresien-Platz – bisher Hotspot
                                                          und Ausgangspunkt der Demos – ist zur Absperrung vor-
                                                          bereitet, viele Polizisten in Wartestellung. Gleichzeitig
                                                          wird die Innenstadt aktiv abgesperrt – mit bemannten Git-
                                                          tern, die verhindern sollen, dass eine Demo in den 1. Be-
                                                          zirk eindringen kann. Die gleiche Strategie also wie beim
Österreicher für Kickl: Große Transparente mit            letzten Mal, das in einem Kessel für ein paar Hundert De-
politischen Parolen prägen den Demozug.                   monstranten endete. Am Ring stehen auch stadtauswärts
                                                          Gitter und Polizeikräfte parat, um eine allfällige Spontan-
                                                          demonstration ohne Ausreißer zu führen.
                                                              Nach dem Kessel am Gürtel Mitte des Nachmittags
                                                          ziehen Spontandemonstrationen bis etwas über 18 Uhr
                                                          weiter durch die Stadt, machmal etwas verloren und er-
                                                          ratisch. Die Strategie der Polizei, so stark wie möglich zu
                                                          stören (Abmahnungen, Anzeigen, Blockaden, Kessel), um
                                                          die Proteste zu unterbinden, geht nicht auf, aber sie veran-
                                                          staltet wieder ein kleines Chaos in Wien. Die Exekutive ist
                                                          von den letzten Malen schon Schlimmeres gewohnt. Rund
                                                          1500 Berufsdemonstranten hat das Team Polizei diesmal
                                                          im Einsatz gehabt. Bedingt durch die geringe Teilnahme
                                                          an den Protesten und die bessere Koordination bei Team
                                                          Blau geht das Match eher an sie …

Gegen die Medien: Wer auf den Demonstrationen war,
findet sich in der Berichterstattung nicht wieder.
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3. Problemfelder                                                          Die Dame vom Dienst bestätigt zwar, dass „die Demons-
                                                                      tranten selbst keine homogene Gruppe“ seien, aber „die Or-
                                                                      ganisatoren dahinter politische Figuren aus dem rechten bis
3.1 Analyse: die Polizei, der Staat …                                 rechtsextremen Sektor“. Die hielten „die Fäden im Hinter-
                                                                      grund in der Hand“. Das Drama steigert sich: „In den ver-
                                                                      gangenen Wochen spielte sich dabei Ähnliches ab, wie man es
Die Polizei erfüllt nur ihre Pflicht, die ihnen von den poli-         auch von rechtsextremen Parteien kennt. Es gibt Richtungs-
tisch Verantwortlichen auferlegt wird. In Österreich regiert          kämpfe und stets setzt sich der radikalere Ansatz durch, die
die Sicherheitssimulation, bei der Antiregierungsproteste             zur Besonnenheit Mahnenden hingegen spalten sich ab und
wegdefiniert werden sollen. Oder radikalisiert.                       verschwinden bald in der Bedeutungslosigkeit. In der Fol-
    Wir alle leben in der gleichen Wirklichkeit. Sollte man           ge nimmt die Polarisierung zu, und auch der Zulauf zu den
meinen. Der österreichische Innenminister jedoch hat sei-             radikalen Ansichten.“ Am 6. März sind 30.000 Menschen
ne eigene. Die Landeszentrale einer Versicherung sei „ge-             friedlich durch die Bundeshauptstadt gezogen – und keine
stürmt“ worden, da ist er sich sicher. Eine neue Stufe der Es-        Scheibe ging zu Bruch.
kalation. Das ist natürlich eine emotionale Parallelisierung              Die Menschenkenner vom Verfassungsschutz wissen aber
zum „Sturm“ auf das amerikanische Kapitol. Dass die ein-              um die seelischen Abgründe: „Ähnlich wie beim Sturm auf
gekesselten Demonstranten durch einen Innenhof vor der                das Kapitol werden auch so manche eher verwirrte Personen
Polizei flüchten wollten, kann nicht sein. Und es ist gleich-         von der Stimmung mitgerissen. Bei der Erstürmung der Wie-
zeitig die nächste Großerzählung, die den Staat in Gefahr             ner Städtischen soll etwa eine Person ein großes Kreuz wie
sieht: Vor 14 Tagen gab es einen hochgekochten „Sturm auf             Jesus auf dem Rücken getragen haben.“ Ein anderer hatte
das Parlament“ (vielleicht war aber das Dixi-Klo, das dort            eine Donald-Trump-Fahne. Ein weiterer sogar ein Taschen-
stand, der Publikumsmagnet), nochmal 14 Tage davor hat                messer. Zwei sollen die rechte Hand gehoben haben (was wir
der „Presse Service Wien“ einen angekündigten „Putsch-                bisher nirgends belegt gesehen haben). Und 30.000 gingen
versuch“ aufgedeckt. Übrig geblieben ist davon: nichts.               friedlich durch die Stadt. Schon gehört? „Kurz muss weg!“
Aber wir müssen dadurch nicht über 30.000 Demonstran-
ten reden, die durch die Stadt ziehen und „Kurz muss weg!“            Kein „österreichisches Kapitol“
als zentrale Parole rufen.                                            Fünf Millionen Euro hat der Einsatz der Polizei gekostet.
                                                                      Die beklagt wiederum, dass sie mit dem Lockdown und den
Verfassungsschutz und Gewaltspirale                                   Corona-Maßnahmen schon genug zu tun habe. Und trotz
Der stets wohlinformierte, weil regierungsnahe „Kurier“               Auflösungsversuch zu Beginn der Demonstration, trotz stän-
warnt in einem Beitrag mit dem dramatischen Titel „Coro-              diger Blockaden, trotz Einsatzwagen mit Blaulicht durch die
na-Demo: Warum sich die Gewaltspirale weiter dreht“. Das              Demonstration und Polizeioffizieren, die mitmarschieren
Drama ist diesmal aber ein Aufguss: „Bereits vor zwei Mo-             und Einheiten kommandieren, und aggressiven Masken-
naten [also im Jänner] hatte die Leiterin des Extremismusre-          kontrollen mit 3000 „Straftätern“: 30.000 waren friedlich.
ferates im Verfassungsschutz in einem Aufsehen erregenden             Nur die 500 am Schluss, die heim wollten und das im De-
Interview auf kurier.at vor einer drohenden Gewaltspirale             mozug zur Innenstadt versuchten, die wurden eingekesselt.
gewarnt.“ Selbst Terroranschläge habe die Spitzenbeamtin              Also wollten sie durch ein Gebäude vor der Polizei flüchten …
nicht ausschließen wollen: „Das passiert vielleicht nicht             Nein, das ist kein „österreichisches Kapitol“. Niemand woll-
heute oder morgen, aber vielleicht übermorgen.“ Sie sehe              te in das Versicherungsgebäude einbrechen. Ein Wachmann
ein „staatsgefährdendes Potenzial“ bei dieser Bewegung.               wurde mit einem Beinbruch schwer verletzt. Das ist Fakt.
Dafür müsse die Zahl der Sympathisanten allerdings eine               Wie es dazu kam, ob bewusste Attacke oder Unfall, wissen
Zahl gegen die 200.000 Personen erreichen.                            wir bisher nicht. Doch so oder so sagt der Vorfall nichts über
    Vielleicht sollte der Verfassungsschutz weniger im In-            die regierungskritischen Corona-Proteste mit 30.000 Teil-
ternet surfen. „Verfolgt man die internen Chats in diversen           nehmern aus.
Gruppen der Corona-Verharmloser, dann sieht man auch                       Bei Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) versteht man,
dort, dass von Tag zu Tag die Radikalität zunimmt“, heißt             dass er die Wirklichkeit verdreht. Das ist Teil seiner Sicher-
es in der Analyse. „In einzelnen Videos wird sogar zum                heitssimulation, die eine Art von türkiser Message Control
Sturz der Regierung aufgerufen, manche der Filme werden               ist. Der große Autoritäre spielt ein politisches Spiel, da ist
aber rasch wieder gelöscht, weil Konsequenzen gefürchtet              auch die Polizei nur ein Spielstein. Bei Professionellen muss
werden.“ Videos löschen? Wer tut denn sowas, das geht                 man da andere Maßstäbe anlegen. Wir vermuten ja, dass die
doch gar nicht …                                                      „Kurier“-Gesprächspartnerin die gleiche Leiterin des Extre-
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mismusreferates im Verfassungsschutz ist, die dem seligen                 So findet sich auch in dieser Onlineveranstaltung eine
BVT-Ausschuss ihre Gedanken während der richterlich an-               sehr einhellige Ansammlung von Menschen aus der media-
geordneten polizeilichen Hausdurchsuchung im BVT wie-                 len Zunft, die über ihre Erfahrungen mit der Demonstration
dergegeben hat mit den Worten: „Ich hab gedacht: Jetzt ist            vom 31. Jänner berichten. Die Auswahl bedingt das Urteil:
der Tag X, wo immer geredet wird – wenn’s an der Macht                „Besonders aggressiv“, so sei alles gewesen. Mag schon sein.
sind, hängen’s als erstes die Staatspolizei auf, und dann             Keiner der Anwesenden kommt aber auf die Idee, die Stim-
kommt die Justiz dran.“ Paranoia mag ja zum Berufsbild                mung der Demonstration mit der Lage vor Ort in Verbin-
des Geheimdienstlers gehören. Man kann es aber auch ganz              dung zu bringen: 18 untersagte Demos, dennoch Tausende
schön übertreiben. Vielleicht ist das für Innenminister anste-        Menschen da, Polizei vor Ort, die willkürlich abstraft, die
ckend. Und schadet der Analyse …                                      Demonstration auflöst, sie einkesselt und mit Fangtrupps
    Wir sollten trotzdem darauf achten, dass wir nicht in             Menschen aus der Menge festnimmt. Diese Gesamtlage, die
einem Polizeistaat aufwachen. Die Polizei sollte lieber mit           erzeugte extreme Spannung löst keine kritische Diskussion
den Demonstranten marschieren und sie vor linksextremen               aus.
Provokationen schützen. Vielleicht könnte sie dann auch bes-
ser die mitreißende Fröhlichkeit der Antiregierungsproteste           Keine Reflexion
genießen.                                                             Dafür noch immer eine ganz besondere Erfahrung für jene
                                                                      Kollegen: Menschen, die den Glauben an etablierte Medien
                                                                      verloren haben und von der „Lügenpresse“ sprechen, was na-
                                                                      türlich als Beschimpfung empfunden wird. Die Gesinnungs-
3.2 Medienkritik: Monologe                                            presse ist aber nicht bereit, zu reflektieren, dass es Menschen
    im Pressehauptquartier                                            vor Ort gibt, die von bestimmten Journalisten eine bestimm-
                                                                      te Art des Berichtens erwarten, in der sie sich nicht wieder-
                                                                      finden, weswegen sie diese Journalisten als „Lügner“ bezeich-
Wenn manche Journalisten diskutieren, sind sie kaum reflek-           nen. Gleichzeitig ist das eine selbst erfüllende Prophezeiung.
tierter als jener Durchschnitt der Bevölkerung, den sie ver-          Die Verletzung ist gegenseitig, aber der etablierte Journalis-
achten. Nach der Corona-Demo am 31. Jänner lud der Pres-              mus ist nicht gewillt, darüber nachzudenken.
seclub Concordia ohne Gegenstimme zum Selbstgespräch                      Man konzentriert sich auf das verachtete Publikum, das
über ein aktuelles politisches Phänomen ein.                          – im Gegensatz zu den diskutierenden Journalisten – sehr
    Gesinnung? Eher einhellig, bewusst oder weniger be-               vielfältig war. Bürger, Rechte, Alternative, auch einfache
wusst. Alle verstehen sich gut. Kritik? Fehlanzeige. Concor-          Menschen, dazu Randgruppen und Jugendszenen. Eine Plu-
dia reagierte schnell auf die Wiener Corona-Demo vom 31.              ralität, die in diesem Fall vom Mainstream überhaupt nicht
Jänner und sammelte Journalisten in einem aufgezeichneten             freudig erregt als Buntheit diskutiert wird, sondern eben ver-
Livestream, den wir unten vollständig dokumentieren.                  dächtig ist, weil es eine den beobachtenden Berichterstattern
    Kann man so sehen, darf man sagen, muss man aber                  fremde Form von Vielfalt bleibt. Da sind Menschen dabei,
nicht. Als Journalisten, die vor Ort waren, erlauben wir uns          die im Stil „rechts“ ausschauen? Na sowas! Dürfen die das?
ein paar Bemerkungen in Richtung dieser Kollegen, die we-
nig reflektiert ihre Monologe im Pressehauptquartier halten:          Linke Aktivisten als „Journalisten“
                                                                      Zu Kamerateams, die in der Masse als Medien sozial auffäl-
„GegenAngriffe“                                                       lig sind und deswegen negative Reaktionen zeitigen, kom-
Was auffällt, ist der militante Titel der Diskussion: „#Ge-           men Gesinnungsethiker, die sowieso wissen, dass sie hier
genAngriffe“. Was heißt das? Die anderen als Lügenbevöl-              „dem Bösen“ begegnen. Doch auch dabei gibt es deutliche
kerung beschimpfen? Gewalt gegen das Andere gutheißen?                Abstufungen. Linke Journalisten sind nicht gleich linksex-
Nein, angeblich geht es um „Schutz und Sicherheit für                 treme Aktivisten, auch wenn das im gemeinsamen Gefühl
Journalist*innen“. Der irritierende Titel ist natürlich ein           der Fremdheit manchmal verschwimmen mag. Da ist der
Statement mit Kampfgeist. Freiheit ist hier aber nicht jene           Aktivist, der davon schwurbelt, wie schrecklich alles werde
Freiheit des Andersdenkenden, sondern gilt nur für gewis-             und dass er nur mehr mit Helm und „ballistischer Brille“
se Journalisten. Es ist nicht bekannt, dass der Presseclub            arbeiten könne. Man muss hier wohl eher von einem ziel-
Concordia auch nur irgendwie das Wort ergriffen hätte, als            gruppenorientierten Stalker reden, der sich nur für rechte
Journalisten unserer Seite bei einer Recherche der realen             Menschen und politisch Andersdenkende einer bestimm-
Umstände im Camp Moria auf der griechischen Insel Les-                ten Richtung interessiert – und damit Spenden für sich
bos von Linksextremisten attackiert wurden …                          selbst sammelt.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                 15                                                       PROT E S T !

     Das gleiche Problem hat der männliche Teil des links-            3.3 „Presse Service Wien“:
radikalen „Presse Service Wien“. Er ist ein richtiges Fallbei-            Linksextreme Überwachungskamera
spiel, weil er bei beiden Großdemos „angegriffen“ wurde:
Der Antifa-Fotograf legte sich bei der Demo am 16. Jänner
mit Hooligans an (sie wollten nicht aus der Nähe fotogra-             Droht ein Staatsstreich in Österreich? Haben linke Recher-
fiert werden und hatten ihm das direkt mitgeteilt, er hat             cheure einen Corona-Putsch aufgedeckt? „Presse Service
das nicht respektiert), beziehungsweise wurde er nach einer           Wien“ geistert durch die Medien und macht auf seriösen
ähnlichen Situation am 31. Jänner – umringt von seinen                Journalismus. Dass das kaum hinterfragt wird, ist beacht-
„Bodyguards“ aus der autonom-linksextremen Szene – mit                lich für eines der zentralen Projekte der autonom-antifa-
Pfefferspray attackiert, direkt neben einer Polizeigruppe,            schistischen Szene in Österreich.
die den Täter nicht fassen konnte. Diese Aktivisten der ex-               Oberfläche ist alles. Eine Homepage, ein Instagram und
tremen Linken provozieren Andersdenkende auch gern mit                ein Twitter. Dazu ein harmloser Name und die Projektbe-
demonstrativem Fotografieren und proklamieren ihren Ak-               schreibung „Netzwerk Freier Foto- & Videojournalist*in-
tivismus für das ewige Antifa-Archiv dann als „Journalis-             nen“ mit dem Subtext „Medienprojekt zur Dokumentation
mus“ (abgesichert durch einen Presseausweis). Sie nehmen              sozialer Bewegungen und (extrem) rechter Mobilisierungen
es bewusst in Kauf, die Situation bei Demonstrationen zu              in Zentral- und Osteuropa“. Schaut nach viel aus, ist aber
eskalieren. Jede Kritik an ihrer Arbeit delegitimieren sie da-        nicht so groß. Im Kern besteht die Seite ohne Impressum
bei mit dem Wort „Pressefreiheit“. Keiner der Journalisten            wohl aus zwei szenerelevanten Personen, diesen Rück-
ist aber bereit, über den ideologischen Hintergrund und die           schluss lassen allein schon deren Dauerpräsenz bei Demons-
strukturelle Einbindung dieser linksextremen Aktivisten               trationen zu, wo sie „dokumentieren“, und der Ort, wo die
zu sprechen.                                                          Fotos auftauchen.
                                                                          Da ist die auf Twitter als „Antifa Prinzessin“ bekannte
Einseitige Berichterstattung                                          „Schwarze Katze“: sozialdemokratischer Hintergrund, bür-
Gewaltig ist auch, wie unterschiedlich Journalisten reflektie-        gerliche Existenz im Antifa-Referat der ÖH Wien, „inter-
ren können, wenn sie wollen. Eine eskalierte Asyldemonstra-           national kampferfahrene Genossin“ der autonomen Szene
tion der autonomen Szene in Innsbruck wenige Tage zuvor               in Wien, selbst erklärte „Informationsdrehscheibe“. Julia S.
kriegt nicht einmal das Beiwort „linksextrem“, jede Verhaf-           erfreut es, mit kleinbürgerlichem Aussehen und linksextre-
tung wird hinterfragt, während Demonstrationen von über               mem Herz überall dort mit der Kamera dabei zu sein, wo
15.000 Menschen als „rechtsextrem“ stigmatisiert werden.              der politische Gegner oder die eigene Szene auftritt. „Und
Die Polizei sei zu milde gewesen – siehe dazu die Beschrei-           jeden Abend beim Einschlafen die leise, naive Hoffnung,
bung ihres Vorgehens oben. Jenseits der paar Rechten, die             dass die Welt über Nacht aus den Fugen gerät“, das ist keine
dabei waren: Wie viele Teilnehmer der Antiregierungs-                 Putschdrohung eines Corona-Kritikers, sondern das Leit-
demonstration haben sich, als sie die Nachberichterstattung           motiv des Twitter-Accounts von „Prinzession Gnadenlos“
lasen, wohl einfach nur „Lügenpresse“ gedacht? Es geht bis            (FREILICH). Auch bei der Corona-Demo am 31. Jänner
hin zum postfaktischen Journalismus: „Corona-Demo in                  war sie mit ein bis zwei „Bodyguards“ – Männern aus der
Wien: Sturm auf das Parlament. Aktivisten auf der Rampe               autonomen Szene – unterwegs, um per Teleobjektiv rechte
gestoppt: 850 Anzeigen.“ Dazu fällt einem wirklich nichts             Menschen oder soziale Auffälligkeiten zu dokumentieren.
mehr ein …                                                                Ebenfalls unterwegs war Lorenzo Vincentini, der feste
    Der Erosion des Glaubens vieler Menschen an die klassi-           Mann beim Projekt. Er ist auch der „Journalist“, der in den
schen Medien schreitet voran. Das liegt vielfach daran, dass          Medien als „angegriffen“ erwähnt wird. Im Gegensatz zur
Mainstreammedien einen ideologisierten Auftrag erfüllen:              schüchternen Katze sucht er schon gern selbst Medien auf
Sie stabilisieren Zustände, statt kritisch über sie zu berich-        und lässt sich als „Journalist“ vorführen, der – auch von der
ten. Die Asyl- und Migrationskrise 2015 ist ein dramatisches          Polizei – bei der Arbeit behindert werde. Dabei ist es doch
Beispiel für die Kluft zwischen Medien und Bevölkerung. Sie           schön, wenn das Hobby zum Beruf wird: „Der 26-jährige
setzt sich fort bei allen Problemthemen, die linksliberal bis         Vincentini hat sich beruflich auf die extreme Rechte fokus-
im weitesten Sinne „grün“ konnotiert sind. Die Monologe im            siert. Bei diesem Thema kann der Journalist sein berufliches
Pressehauptquartier sind vorprogrammiert, sie blenden auch            Interesse mit seiner persönlichen Überzeugung verbinden:
die neue Leidenschaft der Linken für Verschwörungstheo-               ‚Solche Umtriebe müssen auf jeden Fall dokumentiert wer-
rien vollständig aus. Das setzt sich bei den Corona-Protesten         den‘, sagt der laut Eigendarstellung ‚überzeugte Antifa-
als Antiregierungsdemonstrationen nur fort. Wie wenig re-             schist‘. Vincentini: ‚Niemand soll später sagen, er oder sie
flektiert so ein Presseclub doch sein kann …                          hätte es nicht gewusst.‘“ Und genau hier beginnt die Pro-
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