"Kurz muss weg" Corona-Proteste und Antiregierungs-demonstrationen in Österreich - Freilich Magazin
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DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER POLITISCHE STUDIE 8 „Kurz muss weg“ Corona-Proteste und Antiregierungs- demonstrationen in Österreich APRIL 2021
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 2 PROT E S T ! Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Lage 5 2.1 Corona-Protest: Szene in Bewegung 5 2.2 16. Jänner 2021, Demonstration Wien: Punktlandung mit Anlauf 8 2.3 31. Jänner 2021, Demonstration Wien: Der Kessel ergießt sich in die Stadt 8 2.4 16. Februar 2021, Demonstration Wien: Der Tag der Bewegung 9 2.5 6. März 2021, Demonstration Wien: Immer mehr Teilnehmer und kein „Sturm“ 10 2.6 20. März 2021, Demonstration Wien: Ordnung und Chaos 11 3. Problemfelder 13 3.1 Analyse: Die Polizei, der Staat 13 3.2 Medienkritik: Monologe im Pressehauptquartier 14 3.3 „Presse Service Wien“: linksextreme Überwachungskamera 15 3.4 Konflikte: Jugendkultur und linke Provokation 16 3.5 Gegenkraft: Demoverbote und Hetzartikel 17 4. Positionen 20 4.1 Hans-Jörg Jenewein: Der Freiheit eine Gasse 20 4.2 Corona-Proteste in Wien: drei Fragen an Herbert Kickl 22 4.3 Heimo Lepuschitz: Coronakratie 2021 – Freiheitskämpfer oder Covidioten 23 4.4 Andreas Unterberger: Wer auf einer Bewegung baut, baut auf einer Sanddüne 25 4.5 Werner Reichel: Die neue Normalität muss nicht links sein 27 4.6 Martin Lichtmesz: Bruchlinien in der Corona-Krise 29 4.7 Stefan Juritz: Corona-Protest rational 31 5. Anhang 33 5.1 Die Meinung der anderen 33 2
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 3 PROT E S T ! Das Magazin für Selbstdenker – jetzt abonnieren! „Haltungs- journalismus? Nicht mit mir.“ Fakten, Reportagen, alternative Meinungen und mehr jetzt zweimonatlich im FREILICH-Magazin. Bestellung unter freilich-magazin.at Freilich will ich ein Abo. Ich bestelle 6 Ausgaben als FREILICH POLITIK Interview: Der Philosoph Alain de Benoist über Rechtspopulismus und das Volk als Souverän. S. 10 N o 10 FREILICH GESELLSCHAFT WIRTSCHAFT Interview: Der Schriftsteller Thor Die große Umverteilung Kunkel über Berufsverbote, rechte Normal-Abo Sozial-Abo* Förder-Abo „Corona“ bringt Politik und die Lügenpresse. große Eingriffe in S. 10 N o 09 POLITIK die Gesellschaft. S. 46 Interview: Mission R Eund P O Rheiliger T A G E Terror. Irfan Peci klärt aufSind überkurz die weg Gefahren ÖSTERREICH DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER des Islamismus für WieEuropa. S. 10Der Kurz Bundeskanzler Europa Burschen alteinHerrlichkeit Ausgabe No 10 / 2020 WIRTSCHAFT R E P O R TAG E den Stillstand geschickt hat. S. 44Rolle spielen Welche politische freilich-magazin.at � Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 Burschenschaften wirklich? S. 54 für € 85,– / Jahr (DE € 94,–) für € 49,– / Jahr (DE € 58,–) für € 170,– / Jahr (DE € 192,–) Interview: Kommt die Krise, oder Unter Menschenjägern: SEPTEMBER 2020 kommt sie nicht?Die Erfolgsautor MaxWesI Sganz Antifa nimmt SENSCHAFT DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER 10 Der Vaterpersönlich. seiner Gänse ExtremistenS.gegen Otte über den Systemcrash. die Freiheit. Genialer S.S30 Biologe CHWERPUNKT und Kulturkritiker: $XVJDEH1R̤̤ freilich-magazin.at Ǭ³ '(b̤&+)̤ FREILICH POLITIK POLITIK Konrad Lorenz im Porträt. S. 78 JULI 2020 CORONA Interview: Medientheoretiker Norbert Das trojanische Pferd: DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER Bolz über Selbstzensur Die Virus-Krise mit Folgen: Wasdes dieMainstreams Grünen zur echten GefahrS C H W E R P U N K T Ausgabe No 8 / 2020 Erscheinungsweise zweimonatlich / 6 Ausgaben im Jahr. Das Abo verlängert sich bis auf Weiteres um den und gegen übles Geschwätz. S. 10 Wiemacht. für die Demokratie sich der Stillstand auf uns alle S. 44 www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 N o 05 auswirken wird. S. 40 APRIL 2020 REPORT K R I M I N A L I TÄT DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER Die endlose Geschichte Wie kriminell dürfen SCHW Ausländer E R P U N K sein? T angegebenen Zahlungszeitraum zum gültigen Bezugspreis, wenn es nicht vier Wochen vor Ablauf schriftlich Ausgabe No 7 / 2020 Warum die FPÖ-Historikerkommission Wie die Statistiken aus politischen www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 stets zum Scheitern Gründen ist. S. 58 werden. S. 104 verurteilt geschönt FEBRUAR 2020 DEUTSCHLAND gekündigt wird. * Für Schüler, Studenten, Wehrdiener ist ein Nachweis zu erbringen. SCHWERPUNKT DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER Wirtschaft gegen Nationalstaat: Ausgabe No 5 / 2019 Warum Rot-Grün das angelsächsische www.freilich-magazin.at � Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 Kapitalismusmodell umsetzen. S. 80 AUGUST 2019 WirWir SCHWERPUNKT Der kurze Sommer des Rechts- basteln populismus ist vorbei. Manche der Parteien brechen ein. Das schaff unsen Establishment macht zu. Doch politische Veränderung ist eine wichtiger denn je. dasKrise Unpopulär Alle auf die Knie! Denkmäler Vorname Nachname rechts Globalisierung, stürzen! Establishment und Kon- ²0 zerne sind die Revolution! Ein Die etablierten Nahversorgung, Medien Wie unsere heile Welt Land kriegt keine Luft mehr! Weltencrash verlieren das Vertrauen ihrerundaus den Fugen gerät Nulldefi Konsumenten. Kann eine zit. Arbeiter, und wir sie stets neu Angestellte undbauen müssen. neue Gegenöffentlichkeit Unternehmer. Wir Schöne Straße Hausnr./Stiege die Lücke füllen und aus der sind Wirtschaft. Sackgasse der politischen Korrektheit ausbrechen? neue Welt Wir sind World Press Photo 2020 – Das sind die besten Pressefotos des letzten Jahres S. 60 Fotoreportage – Alles im Fluss: vom Delta der Donau bis zur Schallaburg S. 66 PLZ Wohnort Land so frei! Reportage Lesbos – So explosiv ist die Lage auf der Flüchtlingsinsel S. 76 Fotoreportage: Syrien – Hilfe vor Ort. Wie Heimkehrer eine neue Heimat finden. S. 68 Telefon E-Mail „Game of Drones“ – Die Geschichte der Drohnen in Krieg und Frieden S. 64 Ich will FREILICH verschenken: ausfüllen Geschenk-Abo Lieferanschrift des Abo-Empfängers Rechnungsanschrift fotografieren Vorname Nachname absenden Straße Hausnr./Stiege E-Mail abo@freilich-magazin.at PLZ Wohnort Land Adresse Aboservice Datenschutzhinweis: Ich bin einverstanden, dass mir schriftlich, per E-Mail oder telefonisch weitere interessante Angebote Freilich Medien GmbH der Freilich Medien GmbH unterbreitet werden und dass die von mir angegebenen Daten für Beratung, Werbung und zum Zweck Mandellstraße 7 der Marktforschung durch den Verlag gespeichert und genutzt werden. Vertrauensgarantie: Eine Weitergabe meiner Daten 8010 Graz an andere Unternehmen erfolgt nicht. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Österreich Online freilich-magazin.at Datum Unterschrift
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 4 PROT E S T ! 1. Einleitung Demonstrationen sind wie die Spitze eines Eisberges. Sie ragen aus einer Oberfläche heraus, die noch glatt und fried- lich ist. Und dennoch muss man vermuten, dass da noch viel mehr lauert. So ist es auch mit den Corona-Demos in Österreich. In einem Land, das immer sehr gute Unterta- nen gehabt hat, gehen Menschen plötzlich auf die Straße und protestieren gegen Lockdown-Maßnahmen und die Regierung. Kein Wunder, dass nach der ersten Großdemonstra- tion die meisten anderen Protestveranstaltungen schnell verboten waren. Kein Wunder auch, dass sich das Wollen der Menschen in den Medienberichten nicht wiederfindet. Freilich, da geht es immer um die Redewendung von den „Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern“. Als ob das beschreiben würde, was da an Menschen auf der Stra- ße ging. Die Masse der Menschen, die sich auf die Straße begaben, waren normale Bürger, die auch nicht „Corona leugnen“, sondern die die Maßnahmen des Staates für über- zogen halten. Die Angst um die Freiheit, um die wirtschaft- liche Zukunft und um ihr Leben in diesem Staat haben, der sich ihnen entgegen stellt. Das FREILICH Magazin und die TAGESSTIMME haben die Proteste beobachtet, begleitet und auch ana- lysiert. Wir fassen hier die wesentlichen Geschichten zum Thema zusammen und bieten sie kompakt und aus unter- schiedlichen Perspektiven als Politische Studie zu den aktu- ellen Protesten als Lesestoff an. Aktuelle Berichte rund um die Protestbewegung finden Sie täglich online auf: tagesstimme.com. Redaktion FREILICH 31. März 2021
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 5 PROT E S T ! 2. Lage allen Gruppen der Bevölkerung stammten. Man profitier- te davon, dass sich bekannte Ex-Widerständler aus Zeiten der friedlichen Wende 1989 und einzelne politische Vertre- 2.1 Corona-Protest: Szene in Bewegung ter anschlossen. Teile der Alternative für Deutschland als größter Oppositionspartei stellten sich vollinhaltlich hinter VON JULIAN SCHERNTHANER die Proteste, sprachen teilweise auf den Kundgebungen. Die beiden großen Demos am 1. und 29. August in Ber- Erfolgreiche Protestbewegungen durchlaufen mehrere lin fanden aber zu Zeitpunkten statt, als Einschränkungen Stadien – im Hinblick sowohl auf Professionalisierung als des Lebens vergleichsweise zu marginal waren, um eine auch Erreichung ihrer Ziele. Dies ist zwingend nötig, um Massenbewegung zu schaffen. Das verfrühte Setzen auf jene Stärke einer gewaltfreien Opposition zu erreichen, bei eine „Konzentrationsphase“ kulminierte in chaotischen der das herrschende System gezwungen ist, sie als potenten Szenen vor dem Bundestag, die von regierungstreuen Me- politischen Akteur wahrzunehmen. dien zum „Sturm“ auf selbigen hochgeschrieben wurden. An jenem Punkt bleiben dem System nach der Theorie Durch mangelnde Eskalation der Maßnahmen war es leicht, des US-Politologen Gene Sharp (1928–2018) nur vier Mög- die Proteste niederzuschreiben. Erst, als im November der lichkeiten: Anpassung, Entgegenkommen, Zwang oder juristische Rahmen nachgeschärft wurde, kam es wieder Auflösung. Hier unterschied der Experte zwei Phasen: zu- zu großen Protesten. In der heißen Phase der verschärften erst die Dispersionsphase, in der das Potenzial des Protestes Maßnahmen war der deutsche Protest allerdings abgeebbt auszuloten ist und kleinere Aktionen und Angriffe gegen und hatte kaum Rückhalt im Volk. gewisse Symptome des Systems gesetzt werden – und die Anders in Österreich, wo die Proteste in die heiße Pha- Konzentrationsphase, in der auf das Endziel hingearbeitet se des Reduzierens von Grund- und Freiheitsrechten fielen. wird. Bei den „Farbrevolutionen“ in diversen Ländern wa- Als Resultat genießen die Demos ein viel größeres Ver- ren Platzbesetzungen der finale Akt, der das System zu einer ständnis beim Volk, einer Umfrage aus dem März zufolge dieser vier Reaktionen zwang. kann mehr als ein Drittel der Menschen sie nachvollziehen. Am Weg zur Mega-Demo? Protest und Gegenöffentlichkeit Optimisten sahen im widerständigen Zusammenschluss Gleichzeitig erlaubte die lange Vorlaufsphase eine breite Zehntausender Demonstranten, die trotz Verboten und Professionalisierung, die auch von der Gesamtheit der Ge- einer rigorosen Kesseltaktik letztendlich am „Tag der Frei- genöffentlichkeit mitgetragen wurde. Während in Deutsch- heit“ am 31. Jänner stundenlang durch Wien spazierten land hauptsächlich das „COMPACT“-Magazin die Protes- und eine gewisse Zeit lang die Macht des Volkes erkannten, te begleitete, fanden die Akteure in Österreich in diversen ein solches Fanal des Aufbruches. Da gewisse Schein-Lo- patriotischen Medien wie „Tagesstimme“, „Wochenblick“ ckerungen der Maßnahmen allerdings bereits beschlossene oder „Unzensuriert“ – und mit „ServusTV“ sogar bei einem Sache waren, ohne die generelle Lage zu entschärfen, kam reichweitenstarken Fernsehsender – breite Rezeption. Dass die Regierung diesem Impuls zuvor und schaffte ein Patt sich hierzulande Mediziner, Anwälte, Lehrer und auch zwischen den Mächtigen und den Protesten. Obwohl die Unternehmer aus fachlicher Warte äußern konnten, brach- Protestler neuerlich in eine „Dispersionsphase“ gezwungen te Vertrauen in diesen Widerstand. Die FPÖ solidarisierte wurden, wähnten sie sich bereits in einer „Konzentrations- sich erst zu jenem Zeitpunkt mit den Protesten, als der Un- phase“. Es sollte eine „Mega-Demo“ folgen, darauf eine mut über die Maßnahmen breit wurde – und nicht, wie die europaweite Demo, und zuletzt eine weltweite Demo. Dies AfD, „zu früh“. Damit ergeben sich für die Partei eher auch verkannte die Realität der bestehenden Pattsituation, wo- politische Mitnahmewerte abseits des allgemeinen Mobili- möglich auch infolge des zuvor bestehenden Momentums, sierungspotenzials der Proteste. das immer bedeutendere Akteure an sich binden konnte. Die Rezeption renommierter Kritiker ist somit auch Denn innerhalb knapp eines Jahres wuchs eine höchst eine andere: Sucharit Bhakdi wurde zwar hüben wie drü- heterogene Widerstandsbewegung gegen die Corona-Maß- ben „aus dem Nichts“ zum Bestsellerautor – während in nahmen heran. Den Anfang machten einigermaßen dilet- Deutschland der Hype längst wieder abebbte, beschäftigt tantische Demos noch im ersten Lockdown, die nur von we- sich die Öffentlichkeit in Österreich auch Monate danach nigen Hundert Menschen besucht wurden. Etwas stärker noch mit seiner Expertise. Während Konstantina Rösch war dieses Potenzial zu diesem Zeitpunkt im bundesdeut- als Ex-Spitalsärztin zu einer Galionsfigur des Widerstan- schen Raum: Die „Querdenken“-Demos zuerst in Stuttgart, des wurde, konnten Bodo Schiffmann oder Wolfgang Wo- später in Berlin zogen Zehntausende Menschen an, die aus darg trotz ursprünglich guter Verankerung im Mainstream
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 6 PROT E S T ! leichter als „Schwurbler“ abgekanzelt werden. Während in fallen. Es ist also eine gewisse Selbsthygiene der Protest- Österreich nicht einmal der ORF mehr an der Befragung bewegung erkennbar. von Gerold Beneder von den „Anwälten für Aufklärung – Aus dieser frühen Riege übrig geblieben sind vor al- Rechtsanwälte für Grundrechte“ als Gegenstimme inner- lem zwei Gesichter: zum einen Anwalt Roman Schiess- halb eines negativ geframten „Report“-Beitrages vorbeikam, ler, der im April 2020 eine Verfassungsklage gegen das finden die kritischen Rechtsmeinungen in Deutschland COVID-Maßnahmengesetz sowie mehrere Verord- kaum öffentlichen Widerhall, obwohl auch dort Klagen nungen einlegte und teilweise auch Recht bekam, zum immer wieder Maßnahmen zu Fall bringen. anderen der ehemalige Kärntner Landtagsabgeordnete In Österreich hingegen können Gegenöffentlichkeit Martin Rutter (zuerst Grüne, später Team Kärnten, und fundierte Experten brauchbare Kampagnen fahren, dann BZÖ). Dieser wurde infolge seiner federführen- wie dies mehr als 30.000 Stellungnahmen zur Novelle zum den Beteiligung bei der Organisation maßnahmenkri- COVID-Maßnahmengesetz und zum Epidemiegesetz im tischer Demos in ganz Österreich zu einer breiten Iden- März 2021 zeigten. Eine solche Aktion kann auch von her- tifikationsfigur. Er gilt inzwischen als so bedeutsam, kömmlichen Medien nicht mehr totgeschwiegen werden – dass die Polizei oft Bagatellen zum Anlass nimmt, um und auch die Handelnden sind gezwungen, Anpassungen ihn im Umfeld von Kundgebungen in Gewahrsam zu vorzunehmen, um nicht ihr Gesicht zu verlieren, auch wenn nehmen. diese im erwähnten Fall nur geringfügiger Natur waren und Für Identifikation beim Bürger sorgen auch Fälle gleichzeitige neue Verschärfungen mit sich brachten. und Schicksale, die dem „erwünschten“ Narrativ von der vermeintlichen Verwerflichkeit der Proteste beson- Menschen in der Protestbewegung ders deutlich entgegenstehen. So emotionalisierte die Die großen Gesichter des „Corona-Widerstandes“ in der Festnahme eines 82-Jährigen in Innsbruck ebenso wie Alpenrepublik kommen aus allen Lebenswegen. Auffällig der Umstand, dass ein Pfarrer im Zillertal nach einem ist, dass auch Unternehmer sich nicht scheuen, Gesicht zu impfkritischen Beitrag in einem Blog von den Kirchen- zeigen. Mit dem Wiener Alexander Ehrlich und dem Ti- oberen zurückgepfiffen wurde. roler Andreas Thurner erreichten zwei Selbstständige aus Bei prominenteren Kritikern reagieren die Be- der Reise- und Transportbranche eine regionale bzw. über- hörden mit beispielloser Repression: So wurde Rösch regionale Bekanntheit. Die Linzerin Edith Brötzner als ebenso wie ihrem steirischen Arztkollegen Peer Eifler Gründerin der Initiative „Österreich ist frei“ fand als Inha- die Approbation entzogen. Letzterer musste sogar eine berin einer Werbeagentur anfangs auch über die Bedenken Razzia in seiner Praxis und eine Sperre seiner Konten kleiner und mittelständischer Betriebe zu den Protesten. über sich ergehen lassen, nachdem er im großen Stil At- Aber auch in systemtragenden Berufen treten einige aus teste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt dem Schatten, etwa die Polizistin Birgit Pühringer oder der hatte. Auch Lehrer Rangger wurde vom Dienst sus- Lehrer Klemens Rangger, deren Geschichten Abertausen- pendiert, Polizistin Pühringer wurde medial durch den de Menschen aufrüttelten. Andere, wie Martin Kaser oder Schmutz gezogen. Romana Palmetshofer, die Anmelderin der Wien-Demo am Dieser mediale Schmutzkübel betrifft auch die Pro- 31. Jänner, fanden vor allem aufgrund ihrer Kinder dazu, teste in ihrer Gesamtheit, wie bei der schwer haltbaren sich zu engagieren. Teils mit Nachhall: Rangger brachte die Geschichte des „Sturmes auf das Versicherungsgebäu- Verfassungsklage gegen die Maßnahmen in Schulen ein; de“. Das Selfie einer im Sinne der „schwarzen Wahrheit“ Kaser wurde zu einem der Initiatoren des Volksbegehrens aktionistisch vorgehenden Gruppe vor dem „Mahnmal für den Rücktritt der Bundesregierung. gegen Krieg und Faschismus“ mündete in medialer Dif- Ebenso breit gestreut und aus der Mitte des Volkes sind famierung. Dennoch blieben die Betroffenen aktiv. unzählige Bürger, die erstmals auf regierungskritische De- mos gehen. Dort sind alle Alters- und Berufsgruppen ver- Repression und endlose Spaziergänge treten. Auffällig ist, dass sich neue Gesichter gerade aus Trotz der großen Demonstrationen ist die Repression diesem Potenzial speisen, während einige Akteure aus der eine Nagelprobe für die Protestbewegung. Solange eine ersten Avantgarde der Corona-Proteste dort keine Haus- Bewegung im Aufwind, ihr Kernthema anschlussfähig macht mehr genießen. Ein umstrittener Abtreibungsarzt ist, kann sie von Heterogenität profitieren. Wird sie war bei den ersten Protesten ebenso federführend wie eine aber irgendwann nur mehr zum Selbstzweck, droht die Aktivistin, die nach einigen Alleingängen und Aktionen Gefahr, dass sich die Demozüge „zu Tode spazieren“, mit fragwürdiger Optik auch bewegungsinterne Kritik auf wie dies im Fall der Dresdener PEGIDA-Proteste man- sich zog. Beide sind heute weitgehend aus der Geltung ge- gels klarer strategischer Ziele zu beobachten war. Diese
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 7 PROT E S T ! fanden ab 2014 fast jeden Montag statt, nach Jahren gingen aber zumeist nur mehr wenige Tausend Menschen auf die Straße – am Höhepunkt waren es fast 50.000. Entsprechend ist es nötig, dass die Proteste trotz aller personellen Professionalisierung und der Verbreiterung ihrer Teilnehmerriegen Aktualität und Ziel behalten. Zur Gefahr hierfür könnten die – von der Regierung an ihre Freiheitsversprechen gekoppelte – Impffrage sowie eine mögliche Verschärfung der Pandemielage werden. Beides könnte die Stimmung im Volk wieder zugunsten Julian Schernthaner härterer Regeln und der Regierung kippen lassen – oder die Der 1988 in Innsbruck Proteste weiter nähren. Sowohl der zivilgesellschaftliche geborene studierte Protest als auch jener auf der Straße ist darauf angewiesen, Sprachwissenschaftler lebt dass „Kurz muss weg“ nicht zur beliebigen Parole wird, son- mittlerweile im Innviertel dern als ein notwendiges Endziel in der „Konzentrations- und ist Redakteur der phase“ aufrechtbleibt. Die vorliegende Studie soll auch ein Onlinezeitung Leitfaden sein, um mithilfe einer Standortbestimmung „Die Tagesstimme“. die Möglichkeiten von Erfolg und Scheitern der Corona- Als Kenner alter Schriften Widerstandsbewegung nachzuzeichnen. und Kulturen schmökert er gern zu harten Klängen in seiner ausgiebigen Bibliothek und erkundet mit Leidenschaft jeden versteckten Winkel der österreichischen Heimat.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 8 PROT E S T ! 2.2 16. Jänner 2021, Demonstration Wien: Punktlandung mit Anlauf Die erste große Corona-Demo in Wien dürfte viele aufge- schreckt haben. Sie war viel größer als erwartet und eine mächtige, friedliche Manifestation – mit Störungen durch Politik und Linksextremisten. Die Plätze sind voll. Der Maria-Theresien-Platz zwi- schen Natur- und Kunsthistorischem Museum mehr als der Heldenplatz. Aber es ist erstaunlich voll. Damit hatten wohl alle nicht so ganz gerechnet. Weder die Veranstalter Alles ist voll: Am Maria-Theresien-Platz und am noch die Polizei. Letztere ist vertreten und versucht, die Heldenplatz sammeln sich die Demonstranten. Demonstration zu sichern. Es werden maßvolle Reden gehalten. Man kriegt davon als Besucher nicht so viel mit, ist eher damit beschäftigt, zu schauen, was da alles herumläuft. Klar, man sieht die Rän- Was das war, darüber ist man sich nicht ganz einig. Der der, hier jemanden mit einem verschwörungstheoretischen Protest gegen die Lockdown-Maßnahmen hat die Menschen Schild, dort eine QAnon-Fahne, Christen, junge Rechte. zusammengebracht. Es ist eine nicht linke Großdemonstra- In der Masse aber normale Menschen. Bevölkerung, die tion, die aber in sich sehr vielfältig ist. Die meisten finden sich nichts mehr mit dem Lockdown anfangen will, die Angst im Narrativ „Rechtsextremisten und Verschwörungsideolo- um den Job oder die Firma hat, die die Schnauze voll hat. gen“ nicht wieder, das ihnen sogleich übergestülpt wird. Aber Ein Zug mit vielen Tausend Menschen macht sich auf es ist ein widerständiges Gefühl, auch wenn nicht ganz klar den Weg um den Ring; die Polizei sagt durch, dass die Ab- ist, gegen was. Ja, den Lockdown. Aber was ist das … Corona stände einzuhalten und Masken zu tragen seien. Sie führt leugnet hier kaum einer. Aber vielen ist klar, dass sie sich ge- den Zug frontal, die Seitenstraßen sind gesperrt, damit die gen den Staat und seine gegebenen Maßnahmen stellen. Ein Demo nicht ausbricht. Da erklingt das erste Mal zwischen großes Gemeinschaftsgefühl ist da, so viele Tausend Men- den Häusern zwischen Kunsthistorischem Museum und schen waren seit einem Jahr nicht auf der Straße (wenn man Staatsoper der Ruf: „Kurz muss weg!“ Und irgendwie ent- die „BLM“-Demo mit 50.000 Menschen in Wien vergisst). deckt die Volksmasse dabei, dass sie eine Demonstration Sie wollen in 14 Tagen wiederkommen und weitermachen … ist, ein vieltausendköpfiges Wesen, das etwas sagen will. Dann wird es ganz anders aussehen. Beim Stadtpark angekommen heißt es haltmachen. Linksextremisten blockieren am anderen Ende des Stadt- parks die Straße. Die Polizei will verhindern, dass es zu 2.3 31. Jänner 2021, Demonstration Zusammenstößen kommt. Seltsam die Fronten: die jun- gen Anarchisten auf der Seite der türkisen Regierung für Wien: Der Kessel ergießt sich in die Lockdown und Maske. Die fröhliche Anarchie auf der Sei- Stadt te der Demonstranten. Die Linksextremen werden von der Polizei weggetragen, Gesinnungsgenossen am Straßenrand Mehrere Tausend Demonstranten versammeln sich in beschimpfen die Demo, die durchzieht. Von dort kom- Wien, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung men Schimpfwörter und Stinkefinger zurück, aber auch zu protestieren. Die Polizei kesselt den „Spaziergang“ nach fröhliche Zurufe von alternativen Menschen, die in der kurzer Zeit ein – und scheitert grandios. Stundenlang zie- Demonstration mitmarschieren. Alles in allem alles sehr hen die Proteste durch die Stadt. undogmatisch. Die bewegte Demonstration wird zu einem Am Anfang ist unklar, was passieren würde, denn so laufenden Happening. Alles sehr glücklich, sehr bewegt. etwas ist noch nie passiert. Vonseiten des Staates sind alle Sie rauscht über den Schwedenplatz und über den Ring Proteste verboten. Dass es zu Spaziergängen kommen wird, zurück in Richtung Ausgangspunkt. Verfällt vor dem Par- ist klar, aber nicht, in welcher Dimension. Und so sammelt lament noch einmal in ein beeindruckendes „Kurz muss es sich um 14 Uhr zwischen Kunst- und Naturhistorischem weg“. Verläuft sich immer mehr, schwindet. Die Menschen Museum, auch am Heldenplatz ist was los. Viele der Teil- fahren mit den Öffis am Weg heim, gehen zu ihren Autos nehmer tragen Österreich-Fahnen und rufen: „Kurz muss und Bussen. weg!“ Nach nur kurzer Zeit erklärt die Polizei die Demons-
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 9 PROT E S T ! tration im Bereich des Maria-Theresien-Platzes für been- det, weil sie „einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter angenommen“ habe. Aus den Medien kommt die Meldung, dass die Polizei gegen 400 Demonstranten vorge- he. Nur ist da in Wahrheit wohl schon die zehnfache Menge Menschen da. Die Polizei setzt erstmals ihre gängige Prak- tik ein: Sie kesselt den Bereich NHM–Heldentor–KHM– MuseumsQuartier. Die Demonstranten dagegen wollen ihren „Spaziergang“ zum Parlament fortsetzen, doch da ist die Sperre zu dicht. Offensichtlich will die Exekutive die Spontandemo abwickeln: Immer wieder holen Greiftrupps einzelne Demonstranten aus den Reihen, um ihre Perso- nalien aufzunehmen. Ein Schema, wonach da zugegriffen Politische Parolen: Die Demos richten sich gegen wird, gibt es nicht. An den Rändern wird auch permanent Kanzler Kurz als „Macher“ des Lockdowns. abgemahnt. Es gibt in der Folge mehrere Durchbruchsver- suche von Demonstranten in Richtung Parlament. Das Problem der Verhinderer ist aber, dass hier wesent- lich mehr Menschen unterwegs sind, als sie erwartet haben. Statt ein paar Hundert Menschen, die man kontrollieren und zerstreuen kann, sind es mehrere Tausend, die im Kes- sel landen. Gleichzeitig strömen noch mehr von außen zu. Diese Menschen kommen aber nicht mehr in den Kessel – und so beginnen außerhalb davon ebenfalls Tausende Men- schen zu demonstrieren. Der Polizei löst in Wien Chaos aus. Statt alles abzuwür- gen, ergießen sich die Demonstrationen in die Stadt. Meh- rere Züge unterschiedlicher Größe sind es, die kreuz und quer marschieren – bis tief in die Nacht. Die Polizei über- nimmt nur mehr eine passive Begleitung. Polizeieinsatz: Außer bei der ersten hat die Laut Bericht des „Wochenblick“ wächst der Demons- Exekutive bei allen Demos massiv eingegriffen. trationszug ab Nachmittag erneut an: Das Reporterteam vor Ort schätzt die Zahl auf 10.000 bis 20.000 Teilnehmer. „Die Polizei hat kapituliert und die Einschüchterungsver- suche aufgegeben. Sie sorgt nun nur mehr für den ordnungs- gemäßen Ablauf “, heißt es im „Wochenblick“-Liveticker. Ganz Wien wird überrascht von einer heftigen und gro- 2.4 16. Februar 2021, Demonstration ßen Manifestation: Aus den Reihen der Demonstranten Wien: Tag der Bewegung heißt es immer wieder „Kurz muss weg!“, „Die Regierung muss weg!“, „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ und „Wir sind das Volk!“. Die Corona-Maßnahmen der Regierung Wien ist wieder in Bewegung: Zum dritten Mal in 14-tägi- mobilisieren mehr Menschen, als man gedacht hatte. Diese ger Folge treffen sich Regierungsgegner zur Demonstration. Menschen lassen sich auch nicht vom Verbot daran hin- Und es wird nicht ruhiger. dern, an den Protesten teilzunehmen. Und seit der ersten Die Regierung fährt einen klaren Kurs: Sie untersagt die Demonstration ist klar, dass es Antiregierungsproteste Demonstrationen. Es ist aber genauso klar, dass sie trotz- sind: „Kurz muss weg“, lautet die Hauptparole, die, von dem stattfinden werden. Die Protestierer sammeln sich an Tausenden gerufen, über den Ring und durch die Straßen mehreren Orten und ziehen dann weiter. Heute ist der Res- der Bundeshauptstadt klingt. Mit der überraschend mäch- selpark vor der Karlskirche der Treffpunkt, wo Reden gehal- tigen ersten Demo ist ein Anfang gemacht: Die Protestler ten wurden. Die Palette der Teilnehmer bietet das Übliche, wollen ab jetzt alle 14 Tage zusammenkommen, um fried- von besorgten Bürgern bis zu Esoterikern. Neu ist jedoch lich gegen Regierung und Lockdownmaßnahmen anzutre- der Tiroler Schwerpunkt. Auf der Demonstration kommt ten. die Ansage: „Wir reisen aus Tirol aus, und wir reisen auch
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 10 PROT E S T ! wieder ein.“ Kurz darauf: „Wir laden unsere Wiener Freun- es ein friedlicher Tag in Wien, auch wenn das Katz-und- de ein, kommt nach Tirol!“ Bei der Kundgebung am Res- Maus-Spiel für die Polizei anstrengend sein muss und sie selpark sieht man sehr häufig „Kurz-muss-weg“-Aufkleber, immer wieder sinnlose Kleinkessel produziert. Linksextre- auch FREILICH-Aufkleber sind massenhaft verbreitet. me Provokationen fallen diesmal nicht auf. Am Ende spa- zieren mehrere kleinere Demogruppen durch die Stadt. Kundgebung im Resselpark Die Polizei ist da und präsent. Sie zieht durch die stehen- de Demonstration, stellt Identitäten fest und will Leute 2.5 6. März 2021, Demonstration Wien: demonstrativ für fehlende FFP2-Masken abstrafen. An- scheinend wird die Demo nach Absprache mit der Exeku- Immer mehr Teilnehmer und kein tive beendet und die Auflösung bekannt gegeben. Während „Sturm“ sich alles in Bewegung setzt, hört man vorn irgendwo eine Trommel. Der Zug kriegt eine Richtung, schlängelt sich an Nach der Abschlusskundgebung zur Demonstration am 6. spontanen Polizeisperren über den Rasen des Resselparkes März 2020 eskaliert bei den Corona-Protesten die Lage. Richtung Oper, setzt sich vor der Kärntner Straße auf den Mehrere Medien reden nun davon, dass ein Versicherungs- Ring, und da: Wieder das mächtige „Kurz muss weg!“. gebäude „gestürmt“ worden sei. Mit Fakten hat das aber nur wenig zu tun. Ausbruch zum Ring Eine weitgehend friedliche Corona-Demonstration mit Plötzlich sieht man, wie groß der Zug ist. Als die Polizei beim etwa 25.000 bis 30.000 Teilnehmern endet in Wien am 6. Kunsthistorischen Museum den Ring mit Doppelreihen März um etwa 18:40 Uhr mit einem Wachmann, der mit sperrt und die Demonstration auflaufen lässt, reicht diese zu- einem gebrochenen Bein am Boden liegt. Ort der Tragödie: rück bis eben zur Kärntner Straße, wir schätzen auf 8000 bis die Landesdirektion der Wiener Städtischen an der Oberen 10.000 Menschen. Von hinten zieht die Polizei nach – und Donaustraße. Linksextreme Beobachter sprechen anschlie- versucht wieder eine Totaleinkesselung. Laut Polizei sind ßend von einem „Sturm auf das Versicherungsgebäude“ und nur 2000 Personen auf den untersagten Corona-Demos, sie „faschistischen Gewalttätern“, wohl um das Ganze mit dem protzt mit 1590 Anzeigen. Dieser Schnitt ist extrem unwahr- „Kapitol-Sturm“ in den USA zu parallelisieren. Etablierte scheinlich und spricht eben dafür, dass es ein Mehrfaches an Medien übernehmen diese Erzählung schließlich unhinter- Demonstranten ist. Das Ergebnis der Polizeistrategie an die- fragt. sem Tag ist jedenfalls erneut ein komplettes Chaos für Wien. Flucht aus Polizeikessel Kessel und Demochaos in der Innenstadt Doch die Landesdirektion der Wiener Städtischen wurde Gegen 15:30 Uhr bricht die Demonstration neben der Al- nicht „gestürmt“. Tatsächlich versuchten Demonstranten, bertina in die Innenstadt aus, der Zug schlängelt sich durch der Polizei zu entkommen. Sie wollten durch Tor, Garage die Gassen, weicht immer wieder der Polizei aus, gelangt und Innenhof aus einem Polizeikessel hinaus, landeten aber an den Graben, zieht am Stephansdom vorbei in Richtung in einer Sackgasse. Was dann genau geschah und wie der Schwedenplatz, um mit ein paar Tausend Menschen wieder Wachmann verletzt wurde, ist noch ungeklärt. Laut Be- über den Ring in Richtung Oper zu gehen. Oder sie ist nur richt der Gratiszeitung „Heute“ hieß es am Samstagabend ein Zug von mehreren. Denn wenn man anderen Accounts aus Polizeikreisen, die Demonstranten hätten zwei Sicher- auf Twitter folgt, stellt man fest, dass es wieder mehrere heitsleute umgestoßen und dabei verletzt. Züge gibt, die da und dort auftauchen. Auch andere Be- obachter sprechen von „Sponti“-Demos, auf die die Polizei Eskalation vorprogrammiert nur mehr reaktiv reagiere. Bereits nach Ende der FPÖ-Kundgebung auf der Prater- Insgesamt erlebt Wien wieder eine mächtige Antiregie- wiese hatte die Polizei den Menschenmassen eine Rückkehr rungsdemonstration. Die Polizeistrategie, Verbote durch- in die Innenstadt verwehrt, wohl um weitere Demonstra- zusetzen und eine spontane Großdemonstration zu kesseln, tionen wie bei den vorangegangenen Protesten zu unter- endet einmal mehr auch angesichts der Masse der Teilneh- binden. Dies ergab die paradoxe Situation: Die Demonstra- mer im vollständigen Chaos. Die Demonstration wirkt tion sollte sich auflösen, konnte es aber nicht, weil sich die diesmal jünger, alternativer. In vielem auch lustiger, weil Polizei ihr entgegenstellte. Das endete in Konfrontationen, einige kreative Verkleidungen dabei sind. Alles zusammen Kesseln und auch unschönen polizeilichen Jagdszenen. Vie- ändert nichts an den Botschaften: „Friede, Freiheit, keine le Demoteilnehmer gerieten dadurch in Polizeikessel und Diktatur“, und vor allem „Kurz muss weg!“. Insgesamt ist mussten dort für lange Zeit verharren.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 11 PROT E S T ! Wie bei den vergangenen Corona-Protesten in Wien versuchte die Polizei auch diesmal, Kundgebungen im Ansatz zu ersticken. Die Menschen sammelten sich am Maria-Theresien-Platz zwischen Natur- und Kunsthisto- rischem. Der Kessel ist diesmal schon vorbereitet, der sich bildende Demonstrationszug wird wieder zur Auflösung aufgefordert. Allerdings scheitert die Auflösung erneut an den großen Menschenmassen, auch wenn die Exekutive diesmal wesentlich flexibler agiert als sonst und ihre „Ver- teidigung“ in Richtung Naschmarkt staffelt. Dazu kommen mobile Einheiten, die diesmal – wohl nach den intensiven Erfahrungen der Demo vor 14 Tagen – Demonstrationszü- ge durch die Innenstadt verhindern sollen. Dennoch kann sie wieder nicht die Formierung mehrerer großer Demons- Standkundgebung: Aus einer erlaubten Demo beim trationszüge zum Prater verhindern. Der größte Zug über Resselpark wurde flott ein Kessel am Ring. Ring und Schwarzenbergplatz dürfte aus 10.000–15.000 Menschen bestehen. Gescheiterte Polizeistrategie Schon zu Beginn und noch vor Ende der Demonstrationen fängt die Polizei mit weiß behelmten Greiftrupps an, bei weit auseinander gehenden Demonstranten Maskenabmah- nungen und Personalienfeststellungen vorzunehmen. Sie kommt auf eine Bilanz von 3000 Anzeigen. Mit Ende der Demo gestaltet sich das Verhalten zunehmend aggressiv, als ob man den Frust über die einsatztaktische Niederlage zu Mittag und den langen Tag abends endlich souverän ausle- ben könnte. Der Kessel am Ende ist auch nur möglich, weil es sich hier um eine Teilgruppe von rund 500 Demonstran- ten handelt. Nach Sperre aller Brücken kommt es schließ- lich auch zur Konfrontation mit flüchtenden Demonstran- Politischer Anschluss: Am Heldenplatz spricht ten in der Wiener Städtischen, die einen Ausweg aus dem Herbert Kickl bei der größten Demo am 6. März. Polizeikessel gesucht haben. Jenseits dieser Eskalation und der Konfrontationen von Linksextremisten mit Hooligans verläuft auch diese, die bisher größte Protestveranstaltung mit bis zu 30.000 Teilnehmern, friedlich. 2.6 20. März 2021, Demonstration Wien: Ordnung und Chaos Wieder ist ein Corona-Demo-Tag in Wien vorbei. Die Bi- lanz des 20. März ist durchwachsen. Das Besondere an den Antiregierungsdemonstratio- nen in Wien war bisher immer: Eine große Masse an Men- schen kann zusammen marschieren. Der Zug hatte – ent- gegen der medialen Darstellung – immer den Charakter Menschenmassen: Tausende Menschen ziehen eines Happenings, das die soziale Isolation des Lockdowns spontan über den Ring in den Prater. durchbricht. Das alles unter der Parole: „Kurz muss weg!“
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 12 PROT E S T ! Die Demonstrationen, die sich immer größeren Zulaufes erfreut haben, sind dabei immer mehr angewachsen: Zu- letzt waren bis zu 30.000 Menschen unterwegs durch die Bundeshauptstadt. Diesmal sind es deutlich weniger: Einige Tausend sind zum Protestieren gekommen. Dass es weniger sind, mag schon mit der Rückkehr des Winters und der eisigen Kälte zu tun haben, aber auch damit, dass die Treffpunkte erst zuletzt und diffus über die sozialen Medien bekannt ge- geben worden sind: Einer ist der Hauptbahnhof. Von dort zieht eine Demonstration über den Gürtel – bis sie gekes- selt und aufgelöst wird. Was dann folgt bzw. sich parallel entwickelt, sind viele kleine Demonstrationen. Und ganz viele Menschen allerorten, die auf der Suche nach einer De- Spaß gehört dazu: Corona hat die Grippe fast ausgerottet. Sorgen kann man sich machen … monstration sind. So wird am Nachmittag die Mariahilfer Straße mehrmals auf und ab bespielt. Die Kehrtwendungen werden jeweils durch die Polizei ausgelöst. Am Karlsplatz treffen sich derweil rund 500 Linksextreme, um für mehr Migration zu demonstrieren. Alle natürlich maskiert, die Mindestabstände aber fragwürdig. Sie würden auch dort eine Auflösung der Demo rechtfertigen, die Polizei bleibt allerdings sehr zurückhaltend. Die Corona-Demos sind da wohl fordernder und das Hauptprogramm: Die Exekutive zeigt sich immer besser vorbereitet. Der Maria-Theresien-Platz – bisher Hotspot und Ausgangspunkt der Demos – ist zur Absperrung vor- bereitet, viele Polizisten in Wartestellung. Gleichzeitig wird die Innenstadt aktiv abgesperrt – mit bemannten Git- tern, die verhindern sollen, dass eine Demo in den 1. Be- zirk eindringen kann. Die gleiche Strategie also wie beim Österreicher für Kickl: Große Transparente mit letzten Mal, das in einem Kessel für ein paar Hundert De- politischen Parolen prägen den Demozug. monstranten endete. Am Ring stehen auch stadtauswärts Gitter und Polizeikräfte parat, um eine allfällige Spontan- demonstration ohne Ausreißer zu führen. Nach dem Kessel am Gürtel Mitte des Nachmittags ziehen Spontandemonstrationen bis etwas über 18 Uhr weiter durch die Stadt, machmal etwas verloren und er- ratisch. Die Strategie der Polizei, so stark wie möglich zu stören (Abmahnungen, Anzeigen, Blockaden, Kessel), um die Proteste zu unterbinden, geht nicht auf, aber sie veran- staltet wieder ein kleines Chaos in Wien. Die Exekutive ist von den letzten Malen schon Schlimmeres gewohnt. Rund 1500 Berufsdemonstranten hat das Team Polizei diesmal im Einsatz gehabt. Bedingt durch die geringe Teilnahme an den Protesten und die bessere Koordination bei Team Blau geht das Match eher an sie … Gegen die Medien: Wer auf den Demonstrationen war, findet sich in der Berichterstattung nicht wieder.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 13 PROT E S T ! 3. Problemfelder Die Dame vom Dienst bestätigt zwar, dass „die Demons- tranten selbst keine homogene Gruppe“ seien, aber „die Or- ganisatoren dahinter politische Figuren aus dem rechten bis 3.1 Analyse: die Polizei, der Staat … rechtsextremen Sektor“. Die hielten „die Fäden im Hinter- grund in der Hand“. Das Drama steigert sich: „In den ver- gangenen Wochen spielte sich dabei Ähnliches ab, wie man es Die Polizei erfüllt nur ihre Pflicht, die ihnen von den poli- auch von rechtsextremen Parteien kennt. Es gibt Richtungs- tisch Verantwortlichen auferlegt wird. In Österreich regiert kämpfe und stets setzt sich der radikalere Ansatz durch, die die Sicherheitssimulation, bei der Antiregierungsproteste zur Besonnenheit Mahnenden hingegen spalten sich ab und wegdefiniert werden sollen. Oder radikalisiert. verschwinden bald in der Bedeutungslosigkeit. In der Fol- Wir alle leben in der gleichen Wirklichkeit. Sollte man ge nimmt die Polarisierung zu, und auch der Zulauf zu den meinen. Der österreichische Innenminister jedoch hat sei- radikalen Ansichten.“ Am 6. März sind 30.000 Menschen ne eigene. Die Landeszentrale einer Versicherung sei „ge- friedlich durch die Bundeshauptstadt gezogen – und keine stürmt“ worden, da ist er sich sicher. Eine neue Stufe der Es- Scheibe ging zu Bruch. kalation. Das ist natürlich eine emotionale Parallelisierung Die Menschenkenner vom Verfassungsschutz wissen aber zum „Sturm“ auf das amerikanische Kapitol. Dass die ein- um die seelischen Abgründe: „Ähnlich wie beim Sturm auf gekesselten Demonstranten durch einen Innenhof vor der das Kapitol werden auch so manche eher verwirrte Personen Polizei flüchten wollten, kann nicht sein. Und es ist gleich- von der Stimmung mitgerissen. Bei der Erstürmung der Wie- zeitig die nächste Großerzählung, die den Staat in Gefahr ner Städtischen soll etwa eine Person ein großes Kreuz wie sieht: Vor 14 Tagen gab es einen hochgekochten „Sturm auf Jesus auf dem Rücken getragen haben.“ Ein anderer hatte das Parlament“ (vielleicht war aber das Dixi-Klo, das dort eine Donald-Trump-Fahne. Ein weiterer sogar ein Taschen- stand, der Publikumsmagnet), nochmal 14 Tage davor hat messer. Zwei sollen die rechte Hand gehoben haben (was wir der „Presse Service Wien“ einen angekündigten „Putsch- bisher nirgends belegt gesehen haben). Und 30.000 gingen versuch“ aufgedeckt. Übrig geblieben ist davon: nichts. friedlich durch die Stadt. Schon gehört? „Kurz muss weg!“ Aber wir müssen dadurch nicht über 30.000 Demonstran- ten reden, die durch die Stadt ziehen und „Kurz muss weg!“ Kein „österreichisches Kapitol“ als zentrale Parole rufen. Fünf Millionen Euro hat der Einsatz der Polizei gekostet. Die beklagt wiederum, dass sie mit dem Lockdown und den Verfassungsschutz und Gewaltspirale Corona-Maßnahmen schon genug zu tun habe. Und trotz Der stets wohlinformierte, weil regierungsnahe „Kurier“ Auflösungsversuch zu Beginn der Demonstration, trotz stän- warnt in einem Beitrag mit dem dramatischen Titel „Coro- diger Blockaden, trotz Einsatzwagen mit Blaulicht durch die na-Demo: Warum sich die Gewaltspirale weiter dreht“. Das Demonstration und Polizeioffizieren, die mitmarschieren Drama ist diesmal aber ein Aufguss: „Bereits vor zwei Mo- und Einheiten kommandieren, und aggressiven Masken- naten [also im Jänner] hatte die Leiterin des Extremismusre- kontrollen mit 3000 „Straftätern“: 30.000 waren friedlich. ferates im Verfassungsschutz in einem Aufsehen erregenden Nur die 500 am Schluss, die heim wollten und das im De- Interview auf kurier.at vor einer drohenden Gewaltspirale mozug zur Innenstadt versuchten, die wurden eingekesselt. gewarnt.“ Selbst Terroranschläge habe die Spitzenbeamtin Also wollten sie durch ein Gebäude vor der Polizei flüchten … nicht ausschließen wollen: „Das passiert vielleicht nicht Nein, das ist kein „österreichisches Kapitol“. Niemand woll- heute oder morgen, aber vielleicht übermorgen.“ Sie sehe te in das Versicherungsgebäude einbrechen. Ein Wachmann ein „staatsgefährdendes Potenzial“ bei dieser Bewegung. wurde mit einem Beinbruch schwer verletzt. Das ist Fakt. Dafür müsse die Zahl der Sympathisanten allerdings eine Wie es dazu kam, ob bewusste Attacke oder Unfall, wissen Zahl gegen die 200.000 Personen erreichen. wir bisher nicht. Doch so oder so sagt der Vorfall nichts über Vielleicht sollte der Verfassungsschutz weniger im In- die regierungskritischen Corona-Proteste mit 30.000 Teil- ternet surfen. „Verfolgt man die internen Chats in diversen nehmern aus. Gruppen der Corona-Verharmloser, dann sieht man auch Bei Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) versteht man, dort, dass von Tag zu Tag die Radikalität zunimmt“, heißt dass er die Wirklichkeit verdreht. Das ist Teil seiner Sicher- es in der Analyse. „In einzelnen Videos wird sogar zum heitssimulation, die eine Art von türkiser Message Control Sturz der Regierung aufgerufen, manche der Filme werden ist. Der große Autoritäre spielt ein politisches Spiel, da ist aber rasch wieder gelöscht, weil Konsequenzen gefürchtet auch die Polizei nur ein Spielstein. Bei Professionellen muss werden.“ Videos löschen? Wer tut denn sowas, das geht man da andere Maßstäbe anlegen. Wir vermuten ja, dass die doch gar nicht … „Kurier“-Gesprächspartnerin die gleiche Leiterin des Extre-
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 14 PROT E S T ! mismusreferates im Verfassungsschutz ist, die dem seligen So findet sich auch in dieser Onlineveranstaltung eine BVT-Ausschuss ihre Gedanken während der richterlich an- sehr einhellige Ansammlung von Menschen aus der media- geordneten polizeilichen Hausdurchsuchung im BVT wie- len Zunft, die über ihre Erfahrungen mit der Demonstration dergegeben hat mit den Worten: „Ich hab gedacht: Jetzt ist vom 31. Jänner berichten. Die Auswahl bedingt das Urteil: der Tag X, wo immer geredet wird – wenn’s an der Macht „Besonders aggressiv“, so sei alles gewesen. Mag schon sein. sind, hängen’s als erstes die Staatspolizei auf, und dann Keiner der Anwesenden kommt aber auf die Idee, die Stim- kommt die Justiz dran.“ Paranoia mag ja zum Berufsbild mung der Demonstration mit der Lage vor Ort in Verbin- des Geheimdienstlers gehören. Man kann es aber auch ganz dung zu bringen: 18 untersagte Demos, dennoch Tausende schön übertreiben. Vielleicht ist das für Innenminister anste- Menschen da, Polizei vor Ort, die willkürlich abstraft, die ckend. Und schadet der Analyse … Demonstration auflöst, sie einkesselt und mit Fangtrupps Wir sollten trotzdem darauf achten, dass wir nicht in Menschen aus der Menge festnimmt. Diese Gesamtlage, die einem Polizeistaat aufwachen. Die Polizei sollte lieber mit erzeugte extreme Spannung löst keine kritische Diskussion den Demonstranten marschieren und sie vor linksextremen aus. Provokationen schützen. Vielleicht könnte sie dann auch bes- ser die mitreißende Fröhlichkeit der Antiregierungsproteste Keine Reflexion genießen. Dafür noch immer eine ganz besondere Erfahrung für jene Kollegen: Menschen, die den Glauben an etablierte Medien verloren haben und von der „Lügenpresse“ sprechen, was na- türlich als Beschimpfung empfunden wird. Die Gesinnungs- 3.2 Medienkritik: Monologe presse ist aber nicht bereit, zu reflektieren, dass es Menschen im Pressehauptquartier vor Ort gibt, die von bestimmten Journalisten eine bestimm- te Art des Berichtens erwarten, in der sie sich nicht wieder- finden, weswegen sie diese Journalisten als „Lügner“ bezeich- Wenn manche Journalisten diskutieren, sind sie kaum reflek- nen. Gleichzeitig ist das eine selbst erfüllende Prophezeiung. tierter als jener Durchschnitt der Bevölkerung, den sie ver- Die Verletzung ist gegenseitig, aber der etablierte Journalis- achten. Nach der Corona-Demo am 31. Jänner lud der Pres- mus ist nicht gewillt, darüber nachzudenken. seclub Concordia ohne Gegenstimme zum Selbstgespräch Man konzentriert sich auf das verachtete Publikum, das über ein aktuelles politisches Phänomen ein. – im Gegensatz zu den diskutierenden Journalisten – sehr Gesinnung? Eher einhellig, bewusst oder weniger be- vielfältig war. Bürger, Rechte, Alternative, auch einfache wusst. Alle verstehen sich gut. Kritik? Fehlanzeige. Concor- Menschen, dazu Randgruppen und Jugendszenen. Eine Plu- dia reagierte schnell auf die Wiener Corona-Demo vom 31. ralität, die in diesem Fall vom Mainstream überhaupt nicht Jänner und sammelte Journalisten in einem aufgezeichneten freudig erregt als Buntheit diskutiert wird, sondern eben ver- Livestream, den wir unten vollständig dokumentieren. dächtig ist, weil es eine den beobachtenden Berichterstattern Kann man so sehen, darf man sagen, muss man aber fremde Form von Vielfalt bleibt. Da sind Menschen dabei, nicht. Als Journalisten, die vor Ort waren, erlauben wir uns die im Stil „rechts“ ausschauen? Na sowas! Dürfen die das? ein paar Bemerkungen in Richtung dieser Kollegen, die we- nig reflektiert ihre Monologe im Pressehauptquartier halten: Linke Aktivisten als „Journalisten“ Zu Kamerateams, die in der Masse als Medien sozial auffäl- „GegenAngriffe“ lig sind und deswegen negative Reaktionen zeitigen, kom- Was auffällt, ist der militante Titel der Diskussion: „#Ge- men Gesinnungsethiker, die sowieso wissen, dass sie hier genAngriffe“. Was heißt das? Die anderen als Lügenbevöl- „dem Bösen“ begegnen. Doch auch dabei gibt es deutliche kerung beschimpfen? Gewalt gegen das Andere gutheißen? Abstufungen. Linke Journalisten sind nicht gleich linksex- Nein, angeblich geht es um „Schutz und Sicherheit für treme Aktivisten, auch wenn das im gemeinsamen Gefühl Journalist*innen“. Der irritierende Titel ist natürlich ein der Fremdheit manchmal verschwimmen mag. Da ist der Statement mit Kampfgeist. Freiheit ist hier aber nicht jene Aktivist, der davon schwurbelt, wie schrecklich alles werde Freiheit des Andersdenkenden, sondern gilt nur für gewis- und dass er nur mehr mit Helm und „ballistischer Brille“ se Journalisten. Es ist nicht bekannt, dass der Presseclub arbeiten könne. Man muss hier wohl eher von einem ziel- Concordia auch nur irgendwie das Wort ergriffen hätte, als gruppenorientierten Stalker reden, der sich nur für rechte Journalisten unserer Seite bei einer Recherche der realen Menschen und politisch Andersdenkende einer bestimm- Umstände im Camp Moria auf der griechischen Insel Les- ten Richtung interessiert – und damit Spenden für sich bos von Linksextremisten attackiert wurden … selbst sammelt.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 15 PROT E S T ! Das gleiche Problem hat der männliche Teil des links- 3.3 „Presse Service Wien“: radikalen „Presse Service Wien“. Er ist ein richtiges Fallbei- Linksextreme Überwachungskamera spiel, weil er bei beiden Großdemos „angegriffen“ wurde: Der Antifa-Fotograf legte sich bei der Demo am 16. Jänner mit Hooligans an (sie wollten nicht aus der Nähe fotogra- Droht ein Staatsstreich in Österreich? Haben linke Recher- fiert werden und hatten ihm das direkt mitgeteilt, er hat cheure einen Corona-Putsch aufgedeckt? „Presse Service das nicht respektiert), beziehungsweise wurde er nach einer Wien“ geistert durch die Medien und macht auf seriösen ähnlichen Situation am 31. Jänner – umringt von seinen Journalismus. Dass das kaum hinterfragt wird, ist beacht- „Bodyguards“ aus der autonom-linksextremen Szene – mit lich für eines der zentralen Projekte der autonom-antifa- Pfefferspray attackiert, direkt neben einer Polizeigruppe, schistischen Szene in Österreich. die den Täter nicht fassen konnte. Diese Aktivisten der ex- Oberfläche ist alles. Eine Homepage, ein Instagram und tremen Linken provozieren Andersdenkende auch gern mit ein Twitter. Dazu ein harmloser Name und die Projektbe- demonstrativem Fotografieren und proklamieren ihren Ak- schreibung „Netzwerk Freier Foto- & Videojournalist*in- tivismus für das ewige Antifa-Archiv dann als „Journalis- nen“ mit dem Subtext „Medienprojekt zur Dokumentation mus“ (abgesichert durch einen Presseausweis). Sie nehmen sozialer Bewegungen und (extrem) rechter Mobilisierungen es bewusst in Kauf, die Situation bei Demonstrationen zu in Zentral- und Osteuropa“. Schaut nach viel aus, ist aber eskalieren. Jede Kritik an ihrer Arbeit delegitimieren sie da- nicht so groß. Im Kern besteht die Seite ohne Impressum bei mit dem Wort „Pressefreiheit“. Keiner der Journalisten wohl aus zwei szenerelevanten Personen, diesen Rück- ist aber bereit, über den ideologischen Hintergrund und die schluss lassen allein schon deren Dauerpräsenz bei Demons- strukturelle Einbindung dieser linksextremen Aktivisten trationen zu, wo sie „dokumentieren“, und der Ort, wo die zu sprechen. Fotos auftauchen. Da ist die auf Twitter als „Antifa Prinzessin“ bekannte Einseitige Berichterstattung „Schwarze Katze“: sozialdemokratischer Hintergrund, bür- Gewaltig ist auch, wie unterschiedlich Journalisten reflektie- gerliche Existenz im Antifa-Referat der ÖH Wien, „inter- ren können, wenn sie wollen. Eine eskalierte Asyldemonstra- national kampferfahrene Genossin“ der autonomen Szene tion der autonomen Szene in Innsbruck wenige Tage zuvor in Wien, selbst erklärte „Informationsdrehscheibe“. Julia S. kriegt nicht einmal das Beiwort „linksextrem“, jede Verhaf- erfreut es, mit kleinbürgerlichem Aussehen und linksextre- tung wird hinterfragt, während Demonstrationen von über mem Herz überall dort mit der Kamera dabei zu sein, wo 15.000 Menschen als „rechtsextrem“ stigmatisiert werden. der politische Gegner oder die eigene Szene auftritt. „Und Die Polizei sei zu milde gewesen – siehe dazu die Beschrei- jeden Abend beim Einschlafen die leise, naive Hoffnung, bung ihres Vorgehens oben. Jenseits der paar Rechten, die dass die Welt über Nacht aus den Fugen gerät“, das ist keine dabei waren: Wie viele Teilnehmer der Antiregierungs- Putschdrohung eines Corona-Kritikers, sondern das Leit- demonstration haben sich, als sie die Nachberichterstattung motiv des Twitter-Accounts von „Prinzession Gnadenlos“ lasen, wohl einfach nur „Lügenpresse“ gedacht? Es geht bis (FREILICH). Auch bei der Corona-Demo am 31. Jänner hin zum postfaktischen Journalismus: „Corona-Demo in war sie mit ein bis zwei „Bodyguards“ – Männern aus der Wien: Sturm auf das Parlament. Aktivisten auf der Rampe autonomen Szene – unterwegs, um per Teleobjektiv rechte gestoppt: 850 Anzeigen.“ Dazu fällt einem wirklich nichts Menschen oder soziale Auffälligkeiten zu dokumentieren. mehr ein … Ebenfalls unterwegs war Lorenzo Vincentini, der feste Der Erosion des Glaubens vieler Menschen an die klassi- Mann beim Projekt. Er ist auch der „Journalist“, der in den schen Medien schreitet voran. Das liegt vielfach daran, dass Medien als „angegriffen“ erwähnt wird. Im Gegensatz zur Mainstreammedien einen ideologisierten Auftrag erfüllen: schüchternen Katze sucht er schon gern selbst Medien auf Sie stabilisieren Zustände, statt kritisch über sie zu berich- und lässt sich als „Journalist“ vorführen, der – auch von der ten. Die Asyl- und Migrationskrise 2015 ist ein dramatisches Polizei – bei der Arbeit behindert werde. Dabei ist es doch Beispiel für die Kluft zwischen Medien und Bevölkerung. Sie schön, wenn das Hobby zum Beruf wird: „Der 26-jährige setzt sich fort bei allen Problemthemen, die linksliberal bis Vincentini hat sich beruflich auf die extreme Rechte fokus- im weitesten Sinne „grün“ konnotiert sind. Die Monologe im siert. Bei diesem Thema kann der Journalist sein berufliches Pressehauptquartier sind vorprogrammiert, sie blenden auch Interesse mit seiner persönlichen Überzeugung verbinden: die neue Leidenschaft der Linken für Verschwörungstheo- ‚Solche Umtriebe müssen auf jeden Fall dokumentiert wer- rien vollständig aus. Das setzt sich bei den Corona-Protesten den‘, sagt der laut Eigendarstellung ‚überzeugte Antifa- als Antiregierungsdemonstrationen nur fort. Wie wenig re- schist‘. Vincentini: ‚Niemand soll später sagen, er oder sie flektiert so ein Presseclub doch sein kann … hätte es nicht gewusst.‘“ Und genau hier beginnt die Pro-
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