2021 Geschäftsbericht - Deutsche Diabetes Gesellschaft
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Liebe Leserinnen, liebe Leser, vor zehn Jahren haben wir erstmals einen umfassenden Ge- schäftsbericht veröffentlicht, der Mitgliedern und Interessier- ten nahebringt, was uns bewegt und welche Projekte unsere Arbeit prägen. Inzwischen ist viel passiert: Die DDG hat sich als Fachgesellschaft weiterentwickelt, neue Themenfelder er- schlossen und sich als Ansprechpartner für Politik, Öffentlich- keit und Mitglieder weiter etabliert. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Seit 2011 haben wir 1.000 Mitglieder hinzugewonnen. Inzwischen sind mehr als 600 Einrichtungen zertifiziert und mehr als 4.400 Kolleg*innen als Diabetologin/Diabetologe an- erkannt. Das macht uns stolz und bestätigt, dass unsere Arbeit wahrgenommen wird. Wir werfen mit diesem Bericht, der sich optisch in einem neuen Gewand zeigt, daher auch einen Blick zurück in die Vergangenheit. Was hat uns bewegt? Welche The- men haben die Diabetologie geprägt? Im Umschlag der Titel- seite können Sie alles noch einmal Revue passieren lassen. Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen der Bundes- elles zur Entstehung, Vorbeugung und Therapie von Diabetes tagswahlen. Der langjährige gesundheitspolitische Einsatz der mellitus und Adipositas informiert und ausgetauscht. DDG für mehr Diabetesprävention hat sich ausgezahlt: Die Auch im laufenden Jahr werden wir uns umfassend für Verankerung eines Kinderwerbeverbots für ungesunde die Interessen von Menschen mit Diabetes und deren Begleit- Lebensmittel sowie die Aufnahme der Nationalen Diabetes- erkrankungen einsetzen. 2022 fokussieren wir besonders Kin- strategie (NDS) auf die politische Agenda sind ein toller Erfolg. der mit Diabetes. Hierzu gehört unter anderem die wirksame Auf der Agenda für das laufende Jahr steht natürlich die Ausgestaltung des Verbotes für an Kinder gerichtete Werbung Konkretisierung der NDS, damit Diabetesprävention und die für ungesunde Produkte. Außerdem macht die DDG seit eini- Versorgung von Betroffenen endlich auf einem breiten Fun- gen Monaten mit einer Kampagne auf die Ketoazidosehäu- dament stehen. Weiterhin haben wir mit dem G-BA einen figkeit bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam und klärt sehr konstruktiven Prozess zur Etablierung eines DMP Adipo- Eltern und Erzieher*innen darüber auf, wie sie Diabetes bei sitas angestoßen, das als wichtiger Teil in die NDS Eingang Kindern besser erkennen können. Zudem fordert die DDG, finden soll. Darauf muss nun aufgebaut werden, damit Men- Schulgesundheitsfachkräfte an allen Grundschulen in schen mit Adipositas Zugang zu einer kontinuierlichen, struk- Deutschland zu etablieren. Diese Projekte verfolgen wir mit turierten und qualitätsgesicherten Behandlung erhalten. Die Nachdruck und sind dazu bereits in Gesprächen mit politisch DDG hat sich hierfür als Partner angeboten. Verantwortlichen. Neben dem politischen Ausnahmejahr prägte die weiter- Wir danken allen, die sich mit großem Engagement in hin anhaltende Corona-Pandemie unsere Aktivitäten. Der diese vielfältigen Aktivitäten der DDG einbringen. Diabetes Kongress zog in 2021 erstmals in den virtuellen Raum um – und das mit sehr großem Erfolg: Fast 5.400 Teilneh- Eine angenehme Lektüre wünschen Ihnen mende haben sich in mehr als 76 Symposien und Foren über aktuelle Forschungsansätze sowie Entwicklungen in der Prä- vention und Behandlung von Diabetes informiert. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl veranstaltete die DDG ihre erste hybride Pressekonferenz mit prominenter Unterstützung durch Dr. Eckart von Hirschhausen. Die Herbsttagung im November fand ebenfalls zum ersten Mal in hybrider Form statt: Etwa 2.800 Teilnehmende in Wiesbaden und weitere PROF. DR. ANDREAS NEU BARBARA BITZER 1.400 Interessierte haben sich vor Ort und online über Aktu- PRÄSIDENT GESCHÄFTSFÜHRERIN
Jahre DDG Geschäftsbericht Eyecatcher und Nachdenklichmacher – die Botschaft hinter der Botschaft Der Griff zum aktuellen Geschäftsbericht und was ist das? Jubelnde Fußballweltmeister, ein einsamer Eisbär, Flüchtlingsströme oder ein Impfzentrum? Wie passt das zur Stoff- wechselerkrankung Diabetes und zum Bericht über die Arbeit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)? Seit nunmehr zehn Jahren veröffentlicht die DDG umfangreiche und inhaltsstarke Geschäftsberichte. Und stets setzte die Fach- gesellschaft mit starken Titelbildern in Szene, was viele Menschen im betreffenden Jahr besonders bewegte. Wir schlugen den Link: Auch Diabetes ist gleichzeitig gesamtgesell- schaftliche Aufgabe, globale Herausforde- rung und Zeitzeuge rasanter technologischer Entwicklungen. Unser Ziel war und ist es, zum Nachdenken anzuregen und Diabetes, Betroffene sowie Behandelnde auf unge- wöhnliche Art sichtbar(er) zu machen.
2 Geschäftsbericht 2021 Inhalt Editorial 1 Bericht aus der Geschäftsstelle 4 DDG 2021 auf einen Blick 8 Die DDG Medienarbeit 10 Zwischen COVID-19-Pandemie und Bundestagswahlen 14 Entwicklungen, DDG 2021: Entwicklungen, Entscheidungen, Maßnahmen 16 Tendenzen, Gemeinsam die Prävention von Zeitgeschehen Diabetes voranbringen 20 Diabetes – eine weltweite Herausforderung 22 Klimaschutz und Diabetes 24 Dr. Eckart von Hirschhausen im Interview über Diabetesprävention und Klimaschutz COVID-19 und Diabetes 26
Deutsche Diabetes Gesellschaft 3 28 Versorgung, Forschung, Weiterbildung Das „DMPplus“ 30 Adipositas – mehr als ein Lebensstilproblem 32 Bessere Versorgung in greifbarer Nähe 33 Amputation? Nein danke! 34 Neues aus der Welt der Leitlinien 35 Neues aus der Diabetesforschung 36 Mit Diabetes im Krankenhaus 38 Diabetologische Weiterbildung im Wandel 40 42 Ausbildung, Beruf, Alltagsleben Neues aus der Diabeteswelt 44 Schulgesundheitsfachkräfte: Einsatz, Nutzen, Machbarkeit 46 Nichts ist unmöglich – mit Diabetes im Berufsleben 50 „Herr Lauterbach, übernehmen Sie!“ 52 66 Zahlen, Bilanz, Gesichter Bilanz 68 Einnahmen / Ausgaben 69 Ungesunde und fettige Snacks – künftig seltener in Kinderzimmern? 54 Erläuterungen zu den wesentlichen Veränderungen 70 Das DDG Jahr 2021 in Bildern 56 Bestätigungsvermerk des unabhängigen Ehrungen und Preise 2021 62 Abschlussprüfers 71 Personen hinter den Funktionen 72 Impressum 76
4 Geschäftsbericht 2021 Bericht aus der Geschäftsstelle Gemeinsam für die DDG im Einsatz: das Team der Geschäftsstelle und Präsident Prof. Dr. Andreas Neu.
Deutsche Diabetes Gesellschaft 5 Corona-Müdigkeit? Auf keinen Fall! Die DDG und das Team der Geschäftsstelle setzten auch im zweiten Pandemiejahr erfolgreich angestoßene Prozesse fort und stärkten das politische Engagement der Fachgesellschaft im Superwahljahr 2021. Beinahe gespenstisch leer waren die Büroräume und Flure in licht, warum die Ausgestaltung der Nationalen Diabetesstra- der DDG Geschäftsstelle in einigen Wochen des vergangenen tegie (NDS) mit konkreten und messbaren Maßnahmen nicht Jahres. Zum Schutz und gemäß der politischen Regelungen länger aufgeschoben werden darf. Erste Erfolge: Die neue waren immer nur wenige Kolleginnen zeitgleich in der Ge- Bundesregierung will Werbung für ungesunde Lebensmittel, schäftsstelle. Aus dem Homeoffice managte das Team die Pro- die sich an Kinder richtet, einschränken. Dennoch ist die jekte und Aufgaben und war für unsere Mitglieder und Gremien „Ampel“ deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblie- stets erreichbar. Es gelang uns so auch, das zweite Corona- ben. Gezielte Maßnahmen und eindeutiges Engagement für jahr voller Elan und Tatendrang erfolgreich zu gestalten. den diabetologischen Nachwuchs fehlen leider noch immer – und das, obwohl inzwischen mehr als 8,5 Millionen Menschen Ein Jahr geprägt von Wahlen in Deutschland an Diabetes erkrankt sind. Unser Auftrag ist 2021 stand ganz im Zeichen der Wahlen – der Wahlen zum damit klar: Das Thema Diabetes und die Expert*innen, die Deutschen Bundestag und der Neuwahl des DDG Präsidenten diese Erkrankung behandeln, müssen endlich deutlich sicht- und des neuen Vorstandes. Professor Dr. Monika Kellerer über- barer werden. Besonders in der Corona-Pandemie zeigte reicht die traditionelle „goldene Amtskette“ im Mai 2021 bei sich, Menschen mit Diabetes oder Adipositas haben ein der digitalen Mitgliederversammlung an Professor Dr. Andreas erhöhtes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. Vor die- Neu. Als Pädiater widmet er seine Präsidentschaft wesentlich sem Hintergrund steigerten wir im vergangenen Jahr noch der Aufklärung über Typ-1-Diabetes, der Früherkennung und einmal unsere erfolgreiche und intensive Medienarbeit: Mehr der Inklusion von Kindern mit chronischen Erkrankungen. als 60 Pressemitteilungen, neun Pressekonferenzen und zahl- Einen Meilenstein setzte die AG Pädiatrische Diabetologie, die reiche Interviews in TV und Print haben uns als Fachgesell- im Schulterschluss mit dem Bundesverband der Kinder- und schaft und unserem Auftrag so viel Medienresonanz beschert Jugendmediziner (BVKJ) eine große Aufklärungskampagne wie noch nie. startete, um über die vier typischen Anzeichen einer Ketoa- zidose bei Typ-1-Diabetes zu informieren. Mittlerweile hat die Diabetes und Klimaschutz. Ein Zukunftsthema. Kampagne mehr als 6.000 Pädiater*innen erreicht. 2021 wurde Viel Aufmerksamkeit haben wir auch für unsere erste hybride das Engagement sogar mit dem Springer Medizin Charity Pressekonferenz im September – wenige Tage vor der Bundes- Award ausgezeichnet. tagswahl – erhalten. Mit prominenter Unterstützung durch Im September dann die mit Spannung erwartete Wahl den Arzt und Moderator Dr. Eckart von Hirschhausen haben zum Deutschen Bundestag. Wir haben die Wahlkampfwochen wir eindringlich auf den Zusammenhang zwischen Klimawan- im Sommer intensiv genutzt und der Politik erneut verdeut- del und Gesundheitsschutz hingewiesen, denn Extremwetter-
6 Geschäftsbericht 2021 Der DDG Vorstand stellt wichtige Weichen. Endlich wieder Kongressleben live. Zur Diabetes Herbsttagung 2021 wurden mehr als 4.100 Teilnehmende begrüßt.
Deutsche Diabetes Gesellschaft 7 Unser Auftrag ist klar: Das Thema Diabetes und die Expert*innen, die diese Erkrankung behandeln, müssen endlich deutlich sichtbarer werden. lagen sind vor allem für Menschen mit chronischen Erkrankun- zu betreuen. Die DDG engagiert sich daher seit geraumer Zeit gen eine Gefahr. Unser Appell: Die Politik muss Verhältnisse für die Weiterbildung von medizinischem Fachpersonal. Im schaffen, die es allen Menschen ermöglichen, gesund zu vergangenen Jahr haben wir erstmals Weiterbildungsstipen- leben. Der Griff zu gesünderen und klimafreundlichen Nah- dien für die Qualifikation zur Diabetolog*in DDG/Diabetes- rungsmitteln, weniger Fleischkonsum und mehr Bewegung im berater*in DDG und Diabetesassistent*in DDG vergeben – mit Alltag können und müssen eine Kehrtwende erreichen – für großem Erfolg. Insgesamt wurden 90 Stipendien bewilligt. das Klima und die Gesundheit jedes Einzelnen. Entscheidend für diesen Erfolg war dabei auch, dass wir unser Kursangebot konsequent weiter digitalisiert haben, um Inte- Diabetologie nahbar machen – Leitlinien, Praxis- ressierten trotz der Einschränkungen durch die Corona- empfehlungen und digitale Projekte Pandemie weiterhin ein attraktives Weiterbildungsportfolio Für unsere starke Kommunikation sind auch unsere Leitlinien anbieten zu können. und Praxisempfehlungen entscheidend. Sie setzen sich mit neuen Forschungserkenntnissen auseinander, bewerten diese Kongressleben live und digital und definieren auf dieser Grundlage evidenzbasierte Behand- Digitale Wege haben wir auch bei unseren Kongressen ein- lungsempfehlungen. Im vergangenen Jahr wurde die Aktuali- geschlagen. Der Diabetes Kongress im Mai fand erstmals rein sierung der Leitlinien „Therapie des Typ-2-Diabetes“ und digital statt. Dafür wurde die DDG Geschäftsstelle zur zentra- „Diabetes in der Schwangerschaft“ erfolgreich abgeschlossen. len Schaltstelle. Die Kolleginnen betreuten Chaträume, lösten Zahlreiche Praxisempfehlungen rundeten auch 2021 unsere kleine und große technische Schwierigkeiten und unterstütz- wissenschaftliche Arbeit ab. Der Sammelband mit den Emp- ten die Referierenden – alles vom Schreibtisch aus. Die Reso- fehlungen war u. a. auf der Diabetes Herbsttagung wieder eine nanz war durchweg positiv. Mehr als 5.300 Teilnehmende durf- sehr gefragte Veröffentlichung, die in vielen Kongresstaschen ten wir digital begrüßen. Diesen Schwung haben wir für die den Weg in die Praxen und Kliniken fand. erste hybride Diabetes Herbsttagung im November 2021 auf- Mit dem DMPplus und der dazugehörigen elektroni- genommen, die in Wiesbaden stattfand. Mehr als 4.100 Be- schen Diabetesakte (eDA) beschreiten wir einen innovativen sucher*innen (Teilnehmerrekord!) nutzten die Tagung und neuen Weg. Dieses Zukunftsprojekt werden wir in diesem Jahr informierten sich vor Ort oder digital über neue praktische weiter vorantreiben, damit Patient*innen leitliniengerecht, Erkenntnisse bei der Versorgung von Menschen mit Diabetes. bedarfs- und ergebnisorientiert nach neuesten Standards 3.000 Teilnehmende vor Ort haben das persönliche Wieder- versorgt werden können und nicht zuletzt auch die Medizin sehen in Wiesbaden, die Gespräche am DDG Stand und die und vor allem die Patient*innen mit Diabetes von der digita- lebendige Tagungsatmosphäre sehr genossen. Nach fast zwei len Vernetzung profitieren. Jahren mit Zoom-Meetings und Webinaren hat allen der per- sönliche Austausch und das gemeinsame Lernen unglaublich DDG: Starker Partner für medizinische Fachkräfte viel Freude bereitet. Als Fachgesellschaft haben wir uns mit Ein multiprofessionelles und gut ausgebildetes Behandlungs- diesen Veranstaltungsformaten weiterentwickelt. Sie bieten team ist entscheidend, um Menschen mit Diabetes umfassend große Chancen, die wir auch künftig nutzen möchten.
2021 8 Geschäftsbericht 2021 DDG auf einen Blick Wie entwickelte sich die DDG im vergangenen Jahr? Wie viele Menschen erreicht die Fachgesellschaft? Welche Erfolge wurden erzielt? Wir schlüsseln es auf – mit Zahlen, Daten und Fakten. 4.174 5.371 Teilnehmende an der hybriden Teilnehmende am digitalen 9.281 Diabetes Herbsttagung 2021 Diabetes Kongress 2021 86 Mitglieder Stipendiat*innen Neue Mitglieder 2021: 364 Reisestipendien Kongresse 2021 Diabetes- Arbeitsgemein- assistent*innen Ausschüsse schaften 10 6 90 50 Kommis- sionen 9 20 43 37 15 Diabetes- Diabetolog*innen Regional- berater*innen gesellschaften Gewährte Weiterbildungsstipendien DDG 2021 Gremien 2021
Deutsche Diabetes Gesellschaft 9 61 1,6 Mrd. 16 Presse- meldungen Printkontakte 376.501 Stellungnahmen Page Visits 31 300.782 € 4.933 6 Projekte Projektförderungen Facebook- Ausgezeichnete DDG Abonnent*innen Wissenschaftler*innen 2.225 809 2.150 User*innen auf Facebook erreichte User Follower*innen 25.800 DDG App Twitter-Impressions pro Post auf Twitter pro Monat 4.174 119 401 Diabetolog*innen DDG Fachpsycholog*innen DDG Zertifizierte davon 2021: 141 davon 2021: 6 Diabeteszentren DDG davon 2021: 113 104 98 290 Zertifizierte Diabetes- Kliniken für Diabetes- Zertifizierte Fußbehandlungs- zentren Diabetologikum patient*innen geeignet einrichtungen davon 2021: 28 davon 2021: 29 davon 2021: 106 5.890 8.817 3.690 Diabetesberater*innen DDG Diabetesassistent*innen DDG Wundassistent*innen DDG davon 2021: 290 davon 2021: 214 davon 2021: 139 307 321 101 Diabetes-Pflegefachkräfte DDG Pflegende mit Fortbildung Trainer*innen für die 67 DPFK Langzeit Basisqualifikation Basisqualifikation 240 PFK Klinik Diabetes Pflege DDG Diabetes Pflege DDG davon 2021: 16 davon 2021: 77 davon 2021: 25
10 Geschäftsbericht 2021 Die DDG Medienarbeit Die anhaltende COVID-19-Pandemie und die Bundestagswahlen prägten das Jahr 2021. Mehr denn je fand sich die DDG in einem Spannungsfeld zwischen Aufklärung und politischer Positionierung wieder.
Deutsche Diabetes Gesellschaft 11 Immer mehr entwickelt sich die DDG bundesweit zu einem der die Medienreichweite bei insgesamt 1,55 Milliarden – so hoch gefragtesten Ansprechpartner für Journalist*innen, wenn es wie nie zuvor. Besonders online steigerte sich die Wahrneh- um Ursache, Folgen und Therapien des Diabetes mellitus geht. mung der Fachgesellschaft, was dem derzeitigen Trend bei Darüber hinaus war auch im zweiten Jahr der Corona-Pan- Berichterstattungen entspricht. demie der Zusammenhang zwischen einer COVID-19-Erkran- kung und dem Diabetes als möglicher Risikofaktor für schwere Bewährungsprobe erfolgreich absolviert: Online- Krankheitsverläufe immer wieder Gegenstand für Berichter- Pressekonferenzen stattungen. Nahezu täglich erreichen die Pressestelle Anfra- Mit insgesamt neun Pressekonferenzen war die DDG 2021 wie- gen. Das Superwahljahr war für die DDG aber auch ein guter der sehr präsent in den Terminkalendern der Journalist*innen Anlass, verstärkt auf die stille Diabetes-Pandemie und ihre vertreten. Wie auch im ersten Coronajahr konnte die DDG gesundheitspolitische Bedeutung aufmerksam zu machen durch das Online-Format deutlich mehr Medienvertreter*in- und klare Signale an die Politik und die neue Bundesregierung nen erreichen als in Präsenzveranstaltungen. Räumliche und zu senden. zeitliche Hindernisse werden aufgehoben. Ein weiterer Vorteil In Zeiten von Fake News und steigender Wissenschafts- der Digitalisierung von Presseveranstaltungen: Interessierte skepsis ist es besonders wichtig, sachlich korrekt zu informie- können sich das Video der Pressekonferenz nachträglich an- ren und aufzuklären. Seit Jahren setzt sich die DDG dafür ein, sehen, wovon viele tatsächlich auch Gebrauch machen. Diese Informationen zu Diabetes und seinen Folgeerkrankungen Möglichkeit macht die Inhalte der DDG nachhaltiger und aus der Wissenschaft für die Öffentlichkeit zu übersetzen und transportiert sie in die breitere Öffentlichkeit. die Politik für diese Themen zu sensibilisieren. 2021 mit der Bundestagswahl und diversen Landtagswahlen war daher Erstmals: Hybrid-Pressekonferenz in Berlin auch ein sehr politisches Jahr für die DDG. In Pressemitteilun- Als spannende Ergänzung zum Online-Format veranstaltete gen, auf Pressekonferenzen und in persönlichen Stellung- die DDG dieses Jahr ihre Herbst-Pressekonferenz in hybrider nahmen kommunizierten Vertreter*innen der DDG stetig ihre Form. Wenige Tage vor der Bundestagswahl versammelten sich politischen Forderungen wie die Notwendigkeit einer strikten im Haus der Bundespressekonferenz fünf Journalist*innen Umsetzung der Nationalen Diabetesstrategie. Ein besonderer persönlich, um sich über gesundheitspolitische Themen rund Fokus lag dabei auf gesundheitspolitischen Maßnahmen wie der Prävention des Diabetes und seinen Folgeerkrankungen, der Förderung von Diabetesforschung und Nachwuchspolitik 9 sowie einer verbesserten Diabetestherapie. Die DDG als wichtiger Ansprechpartner zum Thema Pressekonferenzen haben Diabetes wir 2021 online und Mehr als 60 Pressemeldungen zu gesundheitspolitischen For- teils in Präsenz veranstaltet. derungen, neuen Erkenntnissen aus den Bereichen Forschung, Diagnostik und Therapie, Folgeerkrankungen, Prävention und natürlich im Zusammenhang mit COVID-19 veröffentlichte die DDG im Jahr 2021. Mit einem erfreulichen Ergebnis: 2021 lag
12 Geschäftsbericht 2021 Prof. Dr. Sebastian Meyhöfer und Prof. Dr. Werner Kern setzen die Journalist*innen bei der Diabetes Herbsttagung ins Bild (links). Pressekonferenz live: Anne-Katrin Döbler und Prof. Dr. Andreas Neu bei der Diabetes Herbsttagung 2021 (rechts). um Diabetes zu informieren. Gleichzeitig verfolgten rund 60 DDG Medienpreise Medienvertreter*innen bundesweit das Geschehen am Bild- Im Rahmen der Diabetes Herbsttagung im November vergab schirm. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Eckart von die DDG zum achten Mal ihre renommierten Medienpreise für Hirschhausen, der sein Herzensthema Klima- und Gesund- herausragende journalistische Beiträge. Mit dem diesjährigen heitsschutz besonders einbrachte. Die DDG nutzte die Presse- Motto „Diabetes in Corona-Zeiten: Risiken und Versorgungs- konferenz außerdem dazu, um ihre politischen Botschaften lage für chronisch Kranke in der Pandemie“ wollte die Fach- rund um Prävention, Versorgung und Nachwuchs in der Dia- gesellschaft auf die Herausforderungen für Menschen mit betologie im Vorfeld der Bundestagswahl noch einmal zu ver- Diabetes im Zuge der Corona-Krise aufmerksam machen und deutlichen. Der persönliche Austausch vor Ort war ein schöner für deren Bedürfnisse sensibilisieren. Insgesamt sind wieder Erfolg, doch weiterhin bleibt klar: Digital erreicht die DDG mehr als 30 Einreichungen eingegangen, aus denen die Jury mehr Publikum. vier Sieger*innen auswählte. Jahrespressekonferenz Kategorie Fernsehen Den Auftakt der Medienaktivitäten bildet in jedem Jahr die „Sollten Diabetiker sich gegen COVID-19 impfen lassen?“ – So Jahrespressekonferenz der DDG – kombiniert mit dem parla- lautet der Titel des diesjährigen prämierten YouTube-Videos mentarischen Jahresempfang. Auch dieses Jahr musste der von Bastian Niemeier, der eine Frage in den Fokus rückt, die – Jahresempfang aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen, die Pressekonferenz wurde jedoch digital veranstaltet. Thematisch stand bei der Pressekonferenz am 2. März 2021 das Superwahl- jahr im Fokus. Es wurde auf die stille Diabetes-Pandemie auf- 462 merksam gemacht und noch einmal intensiv auf den hohen Bedarf einer politischen Umsetzung der Nationalen Diabetes- strategie gedrängt. Dabei nahmen die Referierenden das neue DMP Adipositas in den Blick, das betroffenen Menschen erst- mals Zugang zu präventiven Maßnahmen ermöglicht, und er- Mio. örterten, wie sich Diabetes- und Adipositasprävention in Deutschland konkret umsetzen lässt. Auch die Bedeutung der Leser*innen wurden mit Corona-Pandemie für Menschen mit Diabetes mellitus stand Printmedien erreicht. wieder im Mittelpunkt. Interessant war auch ein neuer Blick auf die Berufswahl bei Diabetes.
Deutsche Diabetes Gesellschaft 13 Gefragte Ansprechpartnerin für die Medien: DDG Geschäftsführerin Barbara Bitzer (links). Pressearbeit mit prominenter Unterstützung durch Dr. Eckart von Hirschhausen (rechts). 1,09Leser*innen wurden mit Mrd. Onlinemedien erreicht. gerade zu Beginn des Impfangebots – viele Menschen mit Am Beispiel eines jungen Mannes, der am Coronavirus er- Diabetes beschäftigt hat. Bastian Niemeier, der selbst an Dia- krankt war, berichtet der Beitrag davon, wie infolge der Infek- betes Typ 1 erkrankt ist, gibt in seinem Video in einem sehr tionskrankheit ein Typ-1-Diabetes entstehen kann. ratgeberorientierten Frage-Antwort-Schema Auskunft zu zahl- reichen Fragen, etwa ob Diabetespatient*innen eine erhöhte Kategorie Online Impfpriorität haben, welche Risiken bestehen und wie Men- Menschen mit Diabetes gehören zur Corona-Risikogruppe – schen mit Typ-1-Diabetes die Impfung vertragen haben. das ist seit Langem bekannt, doch viele Fragen sind damit noch ungeklärt, etwa ob das für alle Diabetesformen gilt, was Kategorie Print Studienerkenntnisse zu dem Thema sagen und worauf Be- Um „die Krise als Chance“ geht es im gleichnamigen Artikel troffene besonders achten sollten, um sich möglichst gut vor von Antje Harders, der in Focus-Gesundheit erschienen ist. einer Infektion zu schützen. Antworten auf diese Fragen gibt In ihrem Beitrag stellt die Autorin Menschen mit Diabetes in der Podcast „Klartext Corona: Worauf müssen Diabetes-Er- den Fokus, die – dank Digitalisierung und neuer Therapie- krankte besonders achten? Ein Update“ von Peter Glück, der optionen – gestärkt aus der Corona-Krise hervorgegangen in diesem Jahr in der Kategorie Online mit dem DDG Medien- sind. Am Beispiel zahlreicher Protagonist*innen zeigt die preis ausgezeichnet wird. Autorin auf, wie Menschen mit Diabetes ihrer Erkrankung gerade in der Corona-Pandemie begegnet sind. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/pressebereich/ medienpreis/medienpreise-2021 Kategorie Hörfunk Den Preis in der Kategorie Hörfunk erhält David Beck für seinen SWR-Beitrag „Kann das Coronavirus Diabetes Typ 1 auslösen?“.
14 Geschäftsbericht 2021 Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen Die DDG hat das zweite Coronajahr mit viel Elan und Tatendrang gemeistert. Im Wahljahr stellten wir entscheidende politische Weichen für eine zukunftsfeste Diabetologie und mehr Engagement für Präventionsfragen. Dafür haben wir uns in Politik und Gesellschaft sichtbar positioniert.
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Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen 17 DDG 2021: Entwicklungen, Entscheidungen, Maßnahmen Was hat die DDG im letzten Jahr bewegt und welche Pläne stehen für das Jahr 2022 auf der Agenda? Anfang April trafen sich DDG Präsident Professor Dr. Andreas Neu und Barbara Bitzer im Rahmen der DDG Klausurtagung auf Schloss Weitenburg im Neckartal, um zusammen mit Anne-Katrin Döbler, Leiterin von Thieme Communications, über die großen, aktuellen Themen der DDG zu sprechen. Im Interview beleuchten DDG Präsident und Geschäfts- Um Prävention, Patientenversorgung und Forschung im Inte- führerin unter anderem, welche Erwartungen sie an die neue resse der Menschen mit Diabetes voranzutreiben, braucht es Bundesregierung und aktuelle Legislaturperiode haben und konkrete politische Maßnahmen. Die DDG sieht hier vor allem wie die DDG die Diabetologie zukunftssicher aufstellen will. bei der Versorgung von Menschen mit Diabetes großen Hand- Das vollständige Interview finden Sie auf dem DDG YouTube- lungsbedarf. Kanal. „Ganz konkret müssen folgende „Wir wünschen uns mehr Punkte angegangen werden: politischen Mut und weniger der Ausbau und Erhalt von Stillstand. Zwar findet Diabetes Lehrstühlen, der Erhalt und die im Koalitionsvertrag im Rahmen Sicherung von diabetologischen des Nationalen Präventionsplans Fachabteilungen, eine ausrei- Erwähnung, aber konkrete chende Finanzierung und Nach- Maßnahmen für mehr Präven- besserung des DRG-Systems, tion oder eine Ausgestaltung ein besonderes Entgelt für der Nationalen Diabetesstrategie vulnerable Gruppen wie multi- vermissen wir weiterhin.“ morbide, ältere Patient*innen BARBARA BITZER und Kinder.“ PROF. DR. ANDREAS NEU
18 Geschäftsbericht 2021 Der Diabetesprävention kommt eine besondere Bedeutung zu: Laut aktuellem Koalitionsvertrag möchte die Bundesregierung mit einem Nationalen Präventionsplan gegen Krankheiten wie beispielsweise Diabetes gezielt vorgehen – doch wie genau, ist nicht bekannt. Die DDG vertritt einen klaren Standpunkt: Es gibt immer mehr Menschen mit Diabetes und gleichzeitig immer mehr Diabetolog*innen, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Wir laufen in ein Versorgungsdefizit. „Wir brauchen konkrete und Professor Neu erläutert im Interview, wie die DDG mehr Men- schen für das Fach Diabetologie begeistern möchte. verbindliche Maßnahmen, die alle Menschen im Alltag errei- chen. Dazu zählt ein umfassen- „Die Sicherung des Nachwuchses des Kinderwerbeverbot, aber ist der DDG ein wichtiges Anlie- auch fiskalische Instrumente, gen. Mit unserem Promotions- beispielsweise eine gesunde förderprogramm leisten wir Mehrwertsteuer.“ einen wichtigen Beitrag, um BARBARA BITZER mehr Medizinstudierende für eine Karriere in der Diabetologie zu begeistern. Wir brauchen deshalb ausreichend Ausbil- dungskapazitäten an allen Hochschulen und Lehrkranken- häusern.“ PROF. DR. ANDREAS NEU Andreas Neu, DDG Präsident
Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen 19 Auch die Digitalisierung ist ein Thema, das der DDG sehr am Herzen liegt. Unter anderem sollen digitale Lösungen auch die sektorenübergreifende Versorgung verbessern. Welche Kon- zepte für die Zukunft der Diabetologie relevant sind, erklärt Barbara Bitzer. „Diabetes ist eine sehr datenin- tensive Erkrankung und bietet sich daher als Blaupause für die Digitalisierung in der Medizin an. Gemeinsam mit Hausärzt*in- nen, niedergelassenen und kli- nisch tätigen Diabetolog*innen arbeiten wir an einem DMPplus mit dem Kernstück der elektro- nischen Diabetesakte (eDA). Die eDA wird eine leitliniengerechte Versorgung von Menschen mit Diabetes erleichtern, die Vernet- zung aller Akteur*innen verbes- sern und auf der Basis eines Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG angekoppelten Diabetesregisters Forschung ermöglichen.“ BARBARA BITZER Im Videointerview erfahren Sie außerdem, welche drei Ent- scheidungen Professor Dr. Neu und Barbara Bitzer als Erstes treffen würden, wären sie und nicht Professor Dr. Karl Lauter- bach Bundesgesundheitsminister*in. Sehen Sie hier das vollständige Interview: https://youtu.be/p7nPAiw4jzA
20 Geschäftsbericht 2021
Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen 21 Gemeinsam die Prävention von Diabetes voranbringen Ein Nationaler Präventionsplan soll der steigenden Prävalenz von Diabetes und anderen nichtübertragbaren Erkrankungen in Deutschland entgegenwirken. VON PROF. DR. KARL LAUTERBACH Das Zurückdrängen von Diabetes hat eine besondere bevöl- kungen verankert werden. Daher sieht der Koalitionsvertrag kerungsmedizinische Bedeutung. Nach Datenlage der Diabe- etwa im Bereich Ernährung vor, dass wissenschaftlich fun- tes-Surveillance am Robert Koch-Institut sind in Deutschland dierte und auf Zielgruppen abgestimmte Reduktionsziele für etwa sieben Millionen Menschen an Diabetes mellitus er- Zucker, Fett und Salz formuliert werden. Ein wegweisendes krankt. Jährlich erkranken mehr als eine halbe Million Men- Vorhaben ist auch, die an Kinder gerichtete Werbung für schen neu. Die Tendenz ist steigend. Das bedeutet, dass immer Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt bei mehr Menschen unter dieser ernst zu nehmenden Krankheit Sendungen und anderen Formaten für unter 14-Jährige zu leiden, die in vielen Fällen mit gravierenden Folgeerkrankun- verbieten. gen und erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden ist. Digitale Versorgung Diese Entwicklung gilt es zu stoppen. Daher werden wir Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat Menschen mit Diabe- den Kampf gegen Diabetes weiter verstärken. Wie im Koali- tes schwer getroffen. Zum einen, weil Diabetes das Risiko für tionsvertrag vorgesehen, soll ein Nationaler Präventionsplan einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 erhöhen geschaffen werden – mit konkreten Maßnahmen auch zu kann. Zum anderen nahmen viele Diabetespatienten aus Diabetes. Es geht uns vor allem darum, die lebensstilbezoge- Angst, sich mit COVID-19 zu infizieren, ihre regelmäßigen nen Ursachen von Diabetes und nichtübertragbaren Erkran- Untersuchungen nicht ausreichend wahr. Diesen Patientinnen kungen insgesamt zu bekämpfen. Denn eine Reihe weiterer und Patienten kann die Digitalisierung etwa durch Online- nichtübertragbarer Erkrankungen, wie Krebs, Herz-Kreislauf- Schulungen oder Videosprechstunden helfen. Mit Beginn der und chronische Atemwegserkrankungen, werden – ebenso Corona-Pandemie hat die Nutzung der Videosprechstunde in wie Diabetes – durch einen ungesunden Lebensstil mitver- der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung stark ursacht. Unser Ziel ist deshalb, sowohl die Gesundheitsförde- zugenommen und leistet so einen Beitrag zur Aufrechterhal- rung als auch die Prävention von nichtübertragbaren Erkran- tung der Versorgung und zum Infektionsschutz – auch im kungen in einer gemeinsamen Strategie zu bündeln. Ein Bereich der Diabetesversorgung. derart krankheitsübergreifender Ansatz kann wichtige Syner- Ich bin der Deutschen Diabetes Gesellschaft sehr dankbar, gien nutzen. Er kann zudem Ressourcen schonen, indem dass sie sich mit großer fachlicher Expertise dafür einsetzt, Mehrfachstrukturen vermieden werden. Diabetes einzudämmen und die Versorgung von Diabetes- Ernährung und Bewegung als die Grundpfeiler der Dia- patienten weiter zu verbessern. Bitte unterstützen Sie im betesprävention sollten ebenbürtig auch in der Prävention Interesse Ihrer Patientinnen und Patienten auch weiterhin aller anderen weit verbreiteten nichtübertragbaren Erkran- die Impfkampagne der Bundesregierung! PROF. DR. KARL LAUTERBACH Bundesminister für Gesundheit und Mitglied des Deutschen Bundestages
22 Geschäftsbericht 2021 Diabetes – eine weltweite Herausforderung 51 63 Nordamerika und Karibik + 24% 537 Erwachsene leben weltweit Mio. mit Diabetes. 32 49 Mittel- und Südamerika + 50% Die zehnte Ausgabe des Diabetes Atlas der International Dia- betes Federation (IDF) verdeutlicht das alarmierende Wachs- tum der Volkskrankheit Diabetes mellitus: 537 Millionen Men- schen weltweit haben Diabetes. Das entspricht mehr als einem von zehn Erwachsenen, wobei in einigen Ländern sogar einer von fünf Erwachsenen betroffen ist. Im Jahr 2030 werden es voraussichtlich 643, im Jahr 2045 784 Millionen Betroffene sein. Mehr als 90 Prozent aller Menschen mit Diabetes haben einen Typ-2-Diabetes. Die wachsende Anzahl an Menschen mit Typ-2-Diabetes wird durch ein komplexes Zusammen- spiel sozioökonomischer, demografischer, ökologischer und genetischer Faktoren gefördert. Zu den wichtigsten Faktoren zählen die Urbanisierung, eine alternde Bevölkerung, sin- kende körperliche Aktivität und zunehmendes Übergewicht Angaben in Millionen und Adipositas. Stand 2021 Prognose für das Jahr 2045
Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen 23 784 Mio. Menschen werden im Jahr 2045 voraussichtlich mit Diabetes leben. 61 69 Europa + 13% 90 152 73 136 Südostasien Mittlerer Osten und Nordafrika + 68% + 87% 206 260 Westlicher Pazifik + 27% 24 55 6,7 Afrika + 134% Mio. Menschen sind 2021 an Diabetes gestorben. Anzahl der von Diabetes Anzahl der an Diabetes 81% 68% betroffenen Menschen erkrankten Erwachsenen weltweit, die in „low weltweit, die in den zehn income”- und „middle Ländern mit der höchsten income”-Ländern leben. Diabetesrate leben. Quelle: 10. Ausgabe des IDF Diabetes Atlas. Die IDF sammelt diese Daten aus verschiedenen Quellen, deren Qualität sehr unterschiedlich und deren Vergleichbarkeit darum eingeschränkt ist.
24 Geschäftsbericht 2021 Klimaschutz und Diabetes Diabetesprävention und Klimaschutz sind zwei Seiten einer Medaille. Dr. Eckart von Hirschhausen spricht im Interview über die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Gesundheit.
Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen 25 Die Klimakrise hat enorme Auswir- Ebenen. Auf dem Cover meines Buches DR. ECKART VON HIRSCHHAUSEN kungen auf unsere Gesundheit. Muss habe ich zum Spaß einen Sticker: „3 ist Arzt, Wissenschaftsjournalist und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde unser Gesundheitssystem revolutio- Krisen zum Preis von 2!“. Was ich damit Menschen“. Er studierte Medizin und niert und an den Klimawandel sagen möchte: Klima, Corona und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London angepasst werden? Koalas hängen eng zusammen. Die und Heidelberg. Unbedingt. Und sehr rasch. Die Klimakrise ist auch eine Gesundheits- Klimakrise ist die größte Gesundheits- krise. Und ohne die Zerstörung von gefahr im 21. Jahrhundert. Wir müssen Lebensräumen, das Artensterben und nicht „das Klima“ retten – sondern den Wildtierhandel hätten wir auch mit meinem Team möchte ich das uns! Wenn wir jetzt nicht handeln, kein Corona. Naturschutz und Tier- Thema Klimaschutz als Gesundheits- steuern wir sehenden Auges in eine schutz sind eben auch Gesundheits- schutz in die Mitte der Gesellschaft medizinische Katastrophe. Beispiel schutz. Dieser Kerngedanke nennt sich bringen. Wir können noch etwas Hitze: In der ersten großen Hitzewelle international „one health“ oder auf ändern und es lohnt sich, um jedes 2018 hatten wir über 20.000 Hitzetote in Deutsch: Gesunde Erde – Gesunde Zehntelgrad zu kämpfen, das man Deutschland zu beklagen, da fragt man Menschen. Es geht erst allen besser, verhindern kann. Jede Tonne CO2, die sich: Warum ist das kein nationaler wenn es allen besser geht. Und: Wir wir nicht in die Atmosphäre über uns Notfall? Und warum gibt es nicht wie in müssen Gesundheit global denken. pusten, fällt uns weniger auf die Füße. Frankreich in jeder Kommune Hitze- Um „Tropenkrankheiten“ zu bekom- Wir müssen uns nur endlich von den schutzpläne? Gegen Viren kann man men, brauchen wir heute nicht mehr in alten Klimaerzählungen lösen: Wie viel impfen, gegen Hitze nicht. Besonders die Tropen zu reisen. Die Erreger reisen Klimaschutz können wir uns leisten – gefährdet sind Kinder, ältere oder von allein zu uns. Ein Virus fragt nicht oder der Wirtschaft zumuten? Wie viele vorerkrankte Menschen. Gerade auch nach einem Visum, um Ländergrenzen Jahrhundertereignisse braucht es noch, Menschen mit Diabetes, weil ihre zu überspringen. So wenig, wie ein um zu erkennen, dass dieses Jahrhun- Hitzeregulation durch die Gefäß- und CO2-Molekül in der Atmosphäre fragt, dert anders ist als alle zuvor? Das Nervenschädigungen beeinträchtigt aus welchem Land es kam. Die nächs- Teuerste, was wir jetzt tun können, ist ist. Zudem gibt es häufige Komorbidi- ten zehn Jahre entscheiden darüber, Nichtstun. täten mit Adipositas und Herz-Kreis- wie die nächsten 10.000 Jahre für lauf-Erkrankungen. Je älter wir werden, unsere Zivilisation werden. Wir erleben Was kann jeder Einzelne von uns tun, desto stärker trifft uns die Hitze. gerade historische Zeiten. Die Dring- damit die Klimakrise nicht zu einer Aber kaum ein Altenheim in Deutsch- lichkeit, alle unsere Intelligenz, unser Gesundheitskrise wird? land ist mit einer Klimaanlage, Ver- Geld und unsere Kreativität dieser Der Einzelne hat die größte Wirkung, schattung oder Dachbegrünung gegen Aufgabe zu widmen, ist noch längst wenn er kein Einzelner bleibt. Klar kann Hitze gewappnet. In unseren Kranken- nicht in allen Köpfen, Herzen und man weniger fliegen, sich vorwiegend häusern gibt es außer auf den Intensiv- Disziplinen angekommen. Dabei sind pflanzlich ernähren und schauen, wie stationen praktisch keine gekühlten die großen Hebel bekannt: erneuer- man weniger fossile Energie verheizt. Räume. Hier braucht es eine intelligen- bare Energien sofort weiter ausbauen, Doch die großen gesellschaftlichen tere Stadtplanung, denn in Städten ist Kohle in der Erde lassen, Konsum und Veränderungen, die notwendig sind, die Hitzebelastung besonders hoch – Flüge reduzieren, Häuser so bauen, müssen aus der Politik kommen: rasche sie werden im Sommer zu Hitzefallen. dass sie Energie gewinnen statt Energiewende, Verkehr und Landwirt- verlieren, und, und, und. schaft transformieren. Dafür braucht es Eine gesunde Lebensführung schützt Mehrheiten und das Thema muss nicht nur das Klima, sondern ist auch Im Pariser Klimaabkommen hat sich partei- und generationsübergreifend die beste Vorbeugung gegen viele die internationale Staatengemein- gespielt werden. Damit wir jeden nichtübertragbare Krankheiten – zum schaft darauf geeinigt, die Erderwär- Einzelnen mitnehmen, braucht es ein Beispiel Diabetes Typ 2. Wie können mung auf möglichst 1,5 Grad zu attraktives Ziel, ein Wozu, und das wir das Bewusstsein für diesen begrenzen. Wie optimistisch sind Sie, liefern wir: Gesundheit ist der Wert, Zusammenhang stärken und was dass das noch umsetzbar ist? hinter dem alle stehen. Wir haben alles muss die Politik tun? Wenn ich keine Hoffnung hätte, würde zu verlieren. Und deshalb ganz viel zu „There is no glory in prevention“ – mit ich mich ja nicht mit Haut und Haar gewinnen. Wir können es schöner dem Verhindern von Krankheiten ist diesem Thema widmen. Ich habe die haben als jetzt – und gesünder! scheinbar kein Blumentopf zu gewin- Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde nen. Dabei lohnt es sich auf so vielen Menschen“ gegründet. Gemeinsam Vielen Dank für das Gespräch!
26 Geschäftsbericht 2021 COVID-19 und Diabetes
Entwicklungen, Tendenzen, Zeitgeschehen 27 Seit Beginn der Pandemie werden mögliche Zusammenhänge zwischen dem Coronavirus und Diabetes mellitus – vor allem Typ-2-Diabetes – untersucht. Wie steht es um das Befinden und die Versorgung der Patient*innen? VON PROF. DR. WOLFGANG RATHMANN UND PROF. DR. ANDREAS FRITSCHE Der Einfluss von COVID-19 auf die Stoffwechsellage Psychologische Aspekte SARS-CoV-2 hat einen negativen Effekt auf den Insulin-Stoff- Die COVID-19-Pandemie stellt eine enorme psychische Belas- wechsel: Das Virus induziert proinflammatorische Zytokine und tung der Bevölkerung dar. Die Inzidenz von Angst- und Stress- Immunmediatoren und führt dadurch zur verringerten Insulin- störungen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes blieb jedoch sekretion und Insulinresistenz. Beobachtungen während der zwischen 2019 und Anfang 2021 konstant, depressive Störun- Corona-Pandemie haben zudem gezeigt, dass bei einem gen nahmen sogar leicht ab. Ein Grund dafür könnte sein, dass bestehenden Typ-2-Diabetes höheres Alter, kardiovaskuläre bei einem hohen Durchschnittsalter von 68 Jahren Menschen und renale Vorerkrankungen sowie Adipositas mit einem un- mit Typ-2-Diabetes kaum von den coronabedingten Stress- günstigen COVID-19-Verlauf assoziiert sind. Bei Übergewicht faktoren wie Hausunterricht der Kinder, Homeoffice und Angst sollte das Körpergewicht reduziert werden, um schweren vor dem Verlust des Arbeitsplatzes betroffen sind. Krankheitsverläufen sowie einer Hyperglykämie und Insulin- resistenz entgegenzuwirken. Darüber hinaus verursacht die Viruserkrankung – im Gegensatz zu anderen akuten Atem- PROF. DR. ANDREAS FRITSCHE wegsinfektionen – eine erhöhte Typ-2-Diabetesinzidenz. Be- Vizepräsident und Schatzmeister der DDG, Stellvertretender Leiter sonderer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Patho- des Instituts für Diabetesforschung physiologie und Behandlung von Diabetesformen nach und Metabolische Erkrankungen COVID-19. des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen, Lehrstuhl für Ernährungsmedizin und Prävention, Versorgungssituation während der Pandemie Innere Medizin IV, Universitätsklinik Während des ersten Lockdowns im März 2020 wurden in Tübingen Deutschland Besuchskontakte in Praxen verringert. Der Anteil der Menschen mit schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes PROF. DR. WOLFGANG RATHMAN, MSPH (HbA 1c-Wert über 7,0 Prozent) oder einem BMI über 30 kg/m2 stellvertretender Direktor des Instituts für Biometrie und Epidemiologie am unterschied sich jedoch von Juni bis November 2020 nicht von Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ), den Vorjahren 2018 bis 2019. Eine mögliche Erklärung wäre, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung dass die meisten Menschen mit Diabetes eine langjährige an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Routine im Selbstmanagement der Erkrankung haben. Tele- medizinische Angebote konnten darüber hinaus bestehende 95 Defizite in der Diabetesversorgung abfedern. Mehr Informationen auf www.deutsche-diabetes- gesellschaft.de Prozent der Menschen mit Diabetes haben einen Typ-2-Diabetes.
28 Geschäftsbericht 2021
29 Versorgung, Forschung, Weiterbildung 8,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Diabetes mellitus. Es ist seit jeher unser Anspruch, die Versorgungs- und Behandlungsstrukturen für diese Menschen zu verbessern, die Diabetesforschung voranzutreiben und die Weiterbildung praxisnah auszugestalten. Auch 2021 haben wir das zu unserem Leitmotto gemacht.
30 Geschäftsbericht 2021 Das „DMPplus“ Steigende Diabeteszahlen, sinkende Versorgungskapazitäten – wie das DMP Diabetes mithilfe neuer digitaler Optionen weiterentwickelt werden und zu einer besseren Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes beitragen kann. „Ziel der elektronischen Diabe- tesakte (eDA) der DDG ist es, VON PROF. DR. MONIKA KELLERER UND eine versorgungsnahe digitale DIPL.-MED. INGRID DÄNSCHEL Struktur zu schaffen, die helfen soll, Versorgung flächendeckend, Das Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes hat in den letzten zwei Jahrzehnten zu sehr erfreulichen Verbesse- transsektoral und interdiszipli- rungen in der strukturierten Versorgung von Menschen mit när zu gestalten. Eine direkte Diabetes geführt. Jedoch erfordern aktuelle und künftige Veränderungen in den Erkrankungszahlen und in den Versor- Kopplung an eine Registerstruk- gungskapazitäten dringend Nachjustierungen bzw. Ergän- tur wird es ermöglichen, zungen, damit die Erfolgsgeschichte DMP Diabetes weiterge- schrieben werden kann. Gerade auch im Zusammenhang mit unter anderem Patientenpfade der Corona-Pandemie sind das Thema Diabetes Typ 2 und die zu monitorieren und damit verbundenen Folgeerkrankungen wie unter einem Brennglas in den Fokus gerückt. Es werden in den kommenden Behandlungsstrategien Jahren nicht nur mehr, sondern im Zuge des demografischen zu evaluieren.“ Wandels auch immer ältere, multimorbide Patient*innen mit PROF. DR. DIRK MÜLLER-WIELAND, eingeschränkter Mobilität zu versorgen sein. Zugleich muss es VORSITZENDER DER KOMMISSION unser Anspruch sein, die Erkrankung nicht nur früher, vor dem DIGITALISIERUNG DER DDG Eintreten nephrologischer und kardiovaskulärer Folgeschäden,
Versorgung, Forschung, Weiterbildung 31 „Mit Einführung der Disease- Management-Programme (DMP) hat sich die Versorgung von Patient*innen mit Diabetes deutlich verbessert. Etwa 20 Jahre nach ihrer Einführung bedürfen die DMP allerdings eines Updates, welches neue Behandlungsansätze und digi- tale Versorgungsangebote zu diagnostizieren und sie fachübergreifend und strukturiert berücksichtigt. Das DMPplus zu behandeln. Dieser wachsenden Zahl von betreuungsin- tensiven Diabeteserkrankten steht insbesondere in struktur- Diabetes wird hier einen schwächeren Regionen künftig ein Schwund an Hausarzt- wichtigen Beitrag und Facharztpraxen und Diabetes-qualifizierten klinischen Einrichtungen gegenüber. leisten.“ WEIGELDT, BUNDESVORSITZENDER Die bestmögliche medizinische Betreuung DEUTSCHER HAUSÄRZTEVERBAND E.V. Ziel des „DMPplus“ ist zum einen der Aufbau einer Matrix, die den Behandelnden ein Instrument zur Verfügung stellt, das den Schweregrad der Erkrankung, individuelle Zielwerte und unter Einbezug der ICF der WHO das Behandlungspotenzial fondsantrag stellen, nachdem dieses bereits im ersten Ver- der Patient*innen strukturiert einschätzt. Zum anderen soll fahrensschritt zur Förderung der Konzeptentwicklung ausge- daraus eine definierte Schnittstellenbeschreibung für den wählt wurde. Viele Aspekte aus dem „DMPplus“ finden sich Übergang der Versorgungsebene mit dem konsequenten Ziel auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Dort ambulant vor stationär unter Einbindung digitaler transsekto- heißt es unter anderem, dass ein Aufbruch in eine moderne, raler Versorgungskonzepte ermöglicht werden. So sollen Pa- sektorenübergreifende Gesundheitspolitik erfolgen und die tient*innen auch in Zukunft unabhängig von ihrem Wohnort Digitalisierung vorangetrieben werden soll. Wir hoffen des- und ihrer Mobilität eine bestmögliche medizinische Betreuung halb sehr, dass die Entscheidungsträger im Gesundheitswe- erhalten können. Konkret ist zum Beispiel ein telemedizini- sen das Potenzial von „DMPplus“ in der Diabetesversorgung sches Facharztkonsil zum diabetischen Fuß geplant, welches erkennen und seine Realisierung unterstützen werden. die Früherkennung verbessern und Amputationsraten verrin- gern soll. Im Rahmen des „DMPplus“ soll mehr Verbindlichkeit bei der transsektoralen Versorgung geschaffen werden. Hierzu bedarf es einer unter allen Beteiligten konsentierten Schnitt- PROF. DR. MONIKA KELLERER stellendefinition, deren Umsetzung dann digital mittels der Past Präsidentin der DDG und Ärztliche Direktorin des Zentrums für elektronischen Diabetesakte (eDA) als Qualitätsmerkmal er- Innere Medizin I im Marienhospital fasst und analysiert werden kann. Hierzu hat die DDG bereits Stuttgart eine eDA als digitale Diabetes-Plattform, welche vollkommen interoperabel mit der elektronischen Patientenakte (ePA) ist, entwickelt. Die eDA ist nicht parallel zur ePA gedacht, sondern soll vielmehr in diese als „Diabetes-MIO“ integriert DIPL.-MED. INGRID DÄNSCHEL werden. Ehrenvorsitzende und Fortbildungs- beauftragte des Sächsischen Haus- Die DDG wird noch in diesem Jahr zusammen mit dem ärzteverbandes sowie Schriftführerin Deutschen Hausärzteverband, dem BVND und weiteren Kon- im Bundesvorstand des Deutschen sortialpartnern für das Projekt „DMPplus“ einen Innovations- Hausärzteverbandes e.V.
32 Geschäftsbericht 2021 Adipositas – mehr als ein Lebensstilproblem Im Jahr 2021 wurde Adipositas als Erkrankung anerkannt – ein wichtiger Schritt, damit Betroffene zukünftig adäquate Hilfe bekommen. VON PROF. DR. MATTHIAS BLÜHER Adipositas ist als chronische und fortschreitende Erkrankung Ein Blick in die Zukunft einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung des Typ- Am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) 2-Diabetes. Weltweit breitete sich Adipositas als „Pandemie in AdipositasErkrankungen Leipzig bieten wir Menschen mit Adi- Zeitlupe“ in den vergangenen Jahrzehnten aus und trägt zu positas seit über zehn Jahren modellhaft eine interdisziplinäre, verringerter Lebensqualität und Lebenserwartung der Betrof- leitlinien- und bedarfsgerechte Versorgung an, die von kon- fenen bei. In Deutschland wurde Adipositas lange Zeit nur als servativen bis zu chirurgischen Therapiestrategien reicht. Lebensstilproblem und Risikofaktor für andere Erkrankungen Allerdings können auch solche integrierten Versorgungs- angesehen, was dazu geführt hat, dass die Regelversorgung konzepte eine leitliniengerechte Adipositastherapie nicht voll- von Menschen mit Adipositas defizitär ist. ständig umsetzen, da wichtige Therapiebausteine, wie zum Beispiel eine Erstattung von medikamentösen Therapien zur 2021 Gewichtsreduktion, fehlen. Daneben muss die Aus- und Weiterbildung für „Adiposi- tasspezialist*innen“ vorangebracht werden, um Versorgungs- strukturen für die gesamte Breite der therapeutischen Optio- nen von der Verhaltenstherapie über medikamentöse und chirurgische Ansätze zu schaffen. Die DDG entwickelt dazu hat der Deutsche bereits ein Curriculum zur Qualifizierung von Berater*innen Bundestag Adipositas als für die Adipositastherapie. Erkrankung anerkannt. PROF. MATTHIAS BLÜHER Erst im vergangenen Jahr hat der Deutsche Bundestag Adipo- Vorstandsmitglied und Mediensprecher der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e.V. sitas als Erkrankung anerkannt und damit die formalen Voraus- (DAG), Helmholtz-Institut für Metabolismus-, setzungen für ein strukturiertes Behandlungsprogramm, ein Adipositas- und Gefäßforschung (HI-MAG), Disease-Management-Programm (DMP), für Menschen mit Helmholtz Zentrum München an der Universität Leipzig und dem Universitäts- Adipositas in Deutschland geschaffen. Das 2021 vom Gemein- klinikum Leipzig AöR samen Bundesausschuss auf den Weg gebrachte DMP Adipo- sitas hat das Potenzial, die Versorgungssituation von Men- schen mit Adipositas in Deutschland nachhaltig zu verbessern und langfristig die Lebensqualität, Krankheitslast und vorzei- tige Todesfälle zu verringern.
Versorgung, Forschung, Weiterbildung 33 Bessere Versorgung in greifbarer Nähe Die Therapie der Adipositas ist langwierig. Um dauerhaft Gewicht zu verlieren, braucht es eine wissenschaftlich fundierte und individuell angepasste Behandlung. EIN INTERVIEW MIT PROF. DR. JENS ABERLE Eine Krankheit wie Adipositas lässt Der Gemeinsame Bundesausschuss Und wie weit sind wir heute/wie ist sich häufig nicht allein durch mehr (G-BA) hat 2021 damit begonnen, ein der aktuelle Stand? Bewegung und weniger Essen Disease-Management-Programm Der Prozess steht noch relativ am bekämpfen, sondern es braucht (DMP) Adipositas zu entwickeln. Anfang. Das IQWiG recherchiert und vielfältige therapeutische Maßnah- Warum ist das so wichtig? Wie bewertet zunächst im Auftrag des men. Wie steht es aktuell um die würden Patient*innen ganz konkret G-BA die medizinischen Leitlinien zur Versorgung der Betroffenen? davon profitieren? Diagnostik, zur Abgrenzung der Obwohl Adipositas etwa 16 Millionen Mit dem geplanten strukturierten Schweregrade und zu den derzeitigen Erwachsene und 800.000 Kinder und Behandlungsprogramm (DMP Adiposi- Behandlungsempfehlungen der Jugendliche betrifft, sind die Versor- tas) rückt eine leitliniengerechte und Adipositas. Dieser Prozess soll bis gungsstrukturen in Deutschland bedarfsorientierte Regelversorgung August (Erwachsene) beziehungsweise defizitär. Während die Prävalenz von Menschen mit Adipositas in Oktober (Kinder und Jugendliche) 2022 zunimmt, geht die Anzahl der greifbare Nähe. Das DMP kann abgeschlossen sein. Bis Juli 2023 muss spezialisierten Adipositas-Behand- potenziell die schlechte Versorgungs- der G-BA dann entscheiden, welche lungszentren seit Jahren zurück. Die situation von Menschen mit Adipositas therapeutischen und unterstützenden Adipositas-Therapie ist keine Regel- nachhaltig verbessern. Doch es kommt, Maßnahmen im DMP verankert leistung der Krankenkassen, sondern wie so häufig, auf die Ausgestaltung werden. So sieht es der Beschluss des muss in der Regel individuell beantragt an. Die medizinischen Fachgesellschaf- Deutschen Bundestags vor. werden. Das erschwert eine leitlinien- ten bringen sich daher von Beginn an gerechte Behandlung, die – neben aktiv in den Prozess ein. Vielen Dank für das Gespräch! einem multimodalen Konzept aus Ernährung, Bewegung, Verhaltens- therapie – auch medikamentöse PROF. DR. JENS ABERLE und chirurgische Optionen umfassen Präsident der Deutschen Adipositas- Gesellschaft e.V. (DAG), Ambulanzzentrum kann. des UKE GmbH, Fachbereich Endokrinologie, Diabetologie, Adipositas und Lipide Ca. 16 Erwachsene in Deutschland Mio. sind von Adipositas betroffen.
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