Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.

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Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.
Steinkohle 2013
Partner der
Energiewende

                  Gesamtverband Steinkohle e.V.
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Gesamtverband Steinkohle e.V.

Steinkohle
Jahresbericht
2013
Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.
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Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.
Ein Wort zuvor
                                Im Jahr 2012 erlebten wir      „Partner der Energiewende“ ist deshalb der Titel des neuen
                                eine Zäsur in der langen       GVSt-Jahresberichtes und das Motto des Steinkohlentages
                                und an Traditionen reichen     2013. Wir unterstreichen damit, dass wir die Ziele der
                                Geschichte des deutschen       Energiewende unterstützen und uns an der Umsetzung
                                Steinkohlenbergbaus. Nach-     der erforderlichen Maßnahmen beteiligen werden. Dazu
                                dem zur Mitte des Jahres       zählt die verlässliche Förderung von Steinkohle bis zum
                                mit der Schließung des letz-   verabredeten Endtermin. Dabei wird die RAG weiterhin den
                                ten Bergwerks im Saarland      Auslauf geordnet und sozialverträglich gestalten und die
                                die Steinkohlenförderung       zukünftige Nutzung der vorhandenen Infrastruktur über das
                                dort eingestellt wurde,        Jahr 2018 hinaus vorantreiben.
                                endete im Dezember 2012
nach 150 Jahren auch der Bergbau am Niederrhein. Damit         Ein treuer Begleiter des Steinkohlenbergbaus waren und
erfolgt die Steinkohlenförderung seit Beginn des Jahres        werden auch in Zukunft die Gremien der knappschaftlichen
2013 nur noch aus den drei Bergwerken in Bottrop, Marl         Sozialversicherung und der Berufsgenossenschaft sein.
und Ibbenbüren. Aufgrund der 2007 getroffenen Vereinba-        Der vorliegende Jahresbericht widmet dieser Partnerschaft
rungen ist die Einstellung des subventionierten Steinkoh-      deshalb ein eigenes Kapitel. Außerdem blickt er in einem
lenbergbaus in Deutschland bis zum Ende des Jahres 2018        Gastbeitrag auf die Ende 2012 abgeschlossene Geschichte
politisch vorgegeben. Als ausgesprochen hilfreich hat sich     des Steinkohlenbergbaus am Niederrhein zurück. Darüber
darüber hinaus der im Frühjahr 2012 abgeschlossene Ta-         hinaus gibt der Jahresbericht des Gesamtverbandes Stein-
rifvertrag zur Beendigung des deutschen Steinkohlenberg-       kohle einen für die Energiewende hierzulande wichtigen
baus erwiesen. Er ermöglicht es uns, jüngeren Mitarbeitern     Überblick über die Entwicklungen auf dem Gebiet der
eine Perspektive anzubieten, wie sie ihr Arbeitsleben nach     Umwelt- und Klimapolitik und auf den internationalen
dem Bergbauende fortsetzen können.                             Energie- und Rohstoffmärkten.

Auf der Grundlage des vom Bund und dem Land Nordrhein-         Bis Ende 2018 bleibt die Steinkohlenförderung das wich-
Westfalen gewährten Finanzrahmens kann der Auslaufpro-         tigste Geschäft der RAG. Wir werden aber auch über 2018
zess geordnet und sozialverträglich gestaltet werden.          hinaus der Politik, unseren Kunden und den in den dann
                                                               ehemaligen Bergbauregionen lebenden Menschen gegen-
Die RAG wird nach dem Jahr 2018 für die Bearbeitung der        über ein verlässlicher Partner bleiben.
Ewigkeitsaufgaben zur Verfügung stehen, mit der Ent-
wicklung von Bergbauflächen den Strukturwandel weiter          Herne, im Oktober 2013
begleiten und Chancen aus der bisherigen bergbaulichen
Infrastruktur für Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Ener-
gien nutzen. Daneben wird das Unternehmen im Handel mit
Steinkohle und ihren Nebenprodukten weiterhin tätig sein.

Ab 2019 wird die Versorgung unseres Landes mit Stein-
kohle vollständig durch Importe erfolgen. Gemeinsam
mit der Braunkohle und mit Erdgas kann Steinkohle die          Bernd Tönjes
notwendige Brücke in das politisch und im gesellschaftli-      Vorsitzender des Vorstands
chen Konsens angestrebte Zeitalter der Stromerzeugung          Gesamtverband Steinkohle e.V.
auf überwiegend regenerativer Basis darstellen.

                                                                                                                            5
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Inhaltsverzeichnis

         Ein Wort zuvor                                                                                   5
         Inhaltsverzeichnis                                                                               6
         Partner der Energiewende                                                                         8

    Kapitel 1
    Standortbestimmung                                                                                   10

         Gesamtwirtschaftliche Situation                                                                 11
         Energiewirtschaftliche Rahmendaten                                                              11
         Deutscher Steinkohlenmarkt und Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus                           14
         Ist das Bergrecht reformbedürftig?                                                              20
         Unternehmensentwicklung und Herausforderungen der RAG                                           21
         Energiewende – Probleme und Anforderungen aus Sicht der Industrie                               22
         Marktdesign für eine ausreichende Versorgung mit Kraftwerksleistung und Finanzierungslösungen
         für die erneuerbaren Energieträger                                                              24
         Die Energiewende im internationalen Kontext                                                     27

    Kapitel 2
    Soziale Sicherung und Selbstverwaltung                                                               28

         Soziale Sicherung im Bergbau                                                                    29
         Strukturwandel und Sozialversicherung                                                           30
         Soziale Selbstverwaltung in der Sozialversicherung                                              33
         Sozialpartner in der sozialen Selbstverwaltung                                                  33
         Sozialversicherungswahlen in Deutschland                                                        34
         Reform des Sozialwahlverfahrens                                                                 35

    Kapitel 3
    Beendigung des Steinkohlenbergbaus am linken Niederrhein                                             36

         150 Jahre Steinkohlenbergbau – Der Aufbruch                                                     37
         Anpassungsmaßnahmen                                                                             38
         Ein Blick in die Zukunft                                                                        39

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Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.
Kapitel 4
Steinkohle und Umwelt                                        40

     Klimavorsorgevereinbarung                               41
     Neuregelung des Spitzenausgleichs ab dem Jahr 2013      42
     Energiemanagementsystem                                 43
     Europäischer Emissionshandel                            43
     Kraftwerksemissionen                                    45
     Nachbergbauzeit                                         45
     Verantwortung übernehmen                                47

Kapitel 5
Europäische und internationale Energie- und Rohstoffmärkte   48

     Weltbevölkerungswachstum                                49
     Weckruf des Club of Rome                                49
     Weltreserven fossiler Energierohstoffe                  50
     Energierohstoffmärkte                                   50
     Die BRICS-Staaten                                       52
     Europäische Energie- und Rohstoffpolitik                52
     Steinkohlenweltmarkt                                    53
     „Better Coal“-Initiative                                56
     El Cerrejón – Verantwortlicher Bergbau in Kolumbien     58

Anhang                                                       60

     Statistik                                               62
     Verzeichnis der Grafiken und Tabellen                   65
     Organisation                                            66
     Impressum                                               67
     Kennzahlen zum Steinkohlenbergbau in Deutschland 2012   69

                                                                  7
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nicht als Blaupause für die Welt akzeptiert wird. An der
    Partner der Energiewende                                          Umfrage beteiligt hatten sich 23 Länderkomitees, vor allem
                                                                      aus Europa.
    Deutschland steht mit der Energiewende vor einer sehr
    großen, selbst auferlegten Herausforderung. Die gesetzten         Auf der Ebene der Vereinten Nationen und hier vor allem
    Ziele und der Zeitrahmen für einen nachhaltigen Umbau der         bei der UNCTAD, der Konferenz für Handel und Entwicklung,
    Energieversorgung in Richtung erneuerbarer Energien und           hat die deutsche Energiewende keinen Modellcharakter.
    mehr Energieeffizienz gelten allgemein als ambitioniert,          Dort wurde eine Vielzahl von Maßnahmen entwickelt, die
    die Wege zur Erreichung dieser Ziele sind umstritten und          eventuell auch von Entwicklungsländern noch bezahlbar
    Fortschritte sind in einigen Bereichen bislang nur in geringem    sein könnten. Trotz allem sind sie auf die Unterstützung der
    Tempo erreicht worden. So nahm am 5. Juni 2013 „Die Welt“         OECD-Länder angewiesen. Eine der erfolgversprechendsten
    mit dem Titel „Wunschtraum Energiewende“ Bezug auf eine           Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ist der
    Studie des Beratungsunternehmens McKinsey & Company,              Kampf gegen die zunehmende Entwaldung. Die OECD-Länder
    Düsseldorf, die der Umsetzung der Energiewende ein                sehen sich zu den erforderlichen Unterstützungsleistungen
    schlechtes Zeugnis ausstellt. Dem Monitoring der Energie-         aber nicht in der Lage.
    wende wird inzwischen hohe Aufmerksamkeit gewidmet.
    Neben dem Energie-Index von McKinsey wurde vom                    In Deutschland bewegen sich die jährlichen indirekten Sub-
    Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Berlin, der     ventionen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in
    Energiewende-Navigator entwickelt und die Bundesregie-            einer Größenordnung, die weltweit für ein solches waldba-
    rung führt selbst ein Monitoring durch.                           siertes UN-Klimaprogramm aufgebracht werden müssten.
                                                                      Deutschland sucht mit der Energiewende hingegen einen
    McKinsey kritisierte aber nicht nur die Umsetzung der Ener-       sehr teuren eigenständigen Lösungsweg. Teuer ist er vor
    giewende, sondern stellte ihren Modellcharakter infrage.          allem deshalb geworden, weil ökonomische Effizienz bei den
    Der Verweis auf die Vorreiterrolle Deutschlands hielte dem        Fördermaßnahmen nicht im Vordergrund steht. Da das EEG
    internationalen Vergleich nicht stand. McKinsey listete           nicht die kostengünstigsten Maßnahmen bevorzugt, ist der
    zwanzig Fallbeispiele aus aller Welt auf, die ihrerseits für      Beitrag der Photovoltaik stark angewachsen und verursachte
    Deutschland Modellcharakter haben könnten. Eine Umfrage           so statt einer gewünschten und anfänglich auch realisierten
    des Weltenergierates unter internationalen Experten aus           Kostensenkung wieder einen Anstieg der Durchschnittsver-
    dem Energiebereich aus dem globalen World Energy Council          gütung. Dieser Effekt dürfte sich durch die Offshore-Wind-
    Netzwerk zeigte, dass die aktuelle deutsche Energiepolitik        energie künftig noch verstärken.

                                                                      Längst ist aus der öffentlichen Diskussion um die Energie-
      Umfrage des Weltenergierates zur                                wende eine Kostendiskussion geworden. Die deutsche
      deutschen Energiewende                                          Industrie sieht sich im internationalen Vergleich mit sehr
      Kann die aktuelle deutsche Energiepolitik eine                  hohen Energiekosten konfrontiert. Ausnahmeregelungen
      Blaupause für die Welt sein?                                    für energieintensive Unternehmen sind deshalb sehr gut
                                                                      begründbar, werfen aber Verteilungsfragen wegen der
                                                                      Erhöhung der Belastungen der sonstigen Verbraucher auf.

                                         Ja                           Diese Verteilungsfragen lösen aber nicht das Kernproblem
                                                                      der im internationalen Vergleich hohen Energiekosten in
                                        24 %                          Deutschland.

                                                                      Auf dem Steinkohlentag 2009 wies Christof Rühl, Cheföko-
                        Nein                                          nom der BP p.l.c., London, darauf hin, dass sich die globalen
                                                                      Energiemärkte grundlegend umorientieren würden, weil
                          76 %                                        durch Hydraulic Fracturing (Fracking) die Vereinigten Staaten
                                                                      von Amerika (USA) in zuvor kaum vorstellbarem Maße
                                                                      günstige Energiereserven heben könnten. Mittlerweile ist
      Quelle/Grafik: Weltenergierat, „Energie für Deutschland 2013“
                                                                      dies Realität geworden, mit der Folge, dass die USA auf dem

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Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.
Weg zur Energieautarkie sind und der Gaspreis dort nur noch       aus aktueller Sicht kostengünstig und mit verfügbarer
rund ein Viertel des europäischen Gaspreises beträgt.             Technik nur durch flexible konventionelle Kraftwerke und
                                                                  Stromspeicher geleistet werden. Zwar wird immer wieder –
Welche Konsequenzen dies für die Rolle der USA als bishe-         von Greenpeace bis zum Umweltbundesamt – behauptet,
riger „Weltpolizist“ zur Sicherung der Energiemärkte haben        Kohlekraftwerke seien nicht geeignet, Systemdienstleistun-
könnte, wird in Europa nicht hinterfragt.                         gen zu erbringen, doch zeigt die Realität ein völlig anderes
                                                                  Bild. Die Laständerungsgeschwindigkeit moderner Gas- und
Während in den USA diskutiert wurde, ob durch Fracking            Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerke ist nur unwesentlich größer
mehr Methan – ein hoch wirksames Klimagas – freigesetzt           als die von Kohlekraftwerken. Kohlekraftwerke können dafür
würde, und mittlerweile auch technische Verbesserungen            aber deutlich stärker ihre Kraftwerksleistung in den Teillast-
angestoßen wurden, spielt hierzulande die Auswirkung des          betrieb zurückfahren, als dies GuD-Kraftwerken möglich ist.
Einsatzes von Fluiden auf das Trinkwasser in der Diskussion
eine wesentliche Rolle. Ein Gesetzesvorhaben zum Fracking         Tatsächlich werden in einer Reihe von Studien, die von
scheiterte im Deutschen Bundestag zunächst und wird erst          Umweltorganisationen finanziert wurden, Gasturbinen als
in der neuen Legislaturperiode zu erwarten sein. Mit der          Flexibilisierungsmöglichkeit vorgeschlagen. Diese sind zwar
Verhinderung der CO2-Abspaltung und -Lagerung wurde hier-         in der Tat sehr flexibel, haben aber einen deutlich niedrigeren
zulande bereits eine andere Option für eine klimaverträgliche     Wirkungsgrad als GuD- und Kohlekraftwerke. Kohlekraft-
Stromerzeugung vertan.                                            werke können deshalb durchaus einen kostengünstigen Bei-
                                                                  trag zur Absicherung einer wachsenden Stromerzeugung aus
Auch wenn die weitere Stromerzeugung aus Photovoltaik             erneuerbaren Energieträgern leisten. Hierzu muss aber ein
gedeckelt wurde, gilt doch unverändert das Ausbauziel             ideologiefreier Weg eingeschlagen werden, der das Neben-
der deutschen Bundesregierung, im Jahre 2050 80 % der             einander von Kohle und erneuerbaren Energieträgern zulässt.
Stromerzeugung auf regenerativer Basis zu gewährleisten.          Schließlich ist auch die kohlebasierte Kraft-Wärme-Kopplung
Bereits jetzt ist erkennbar, dass ein wachsender Anteil           nicht nur eine besonders effiziente Form der Energienutzung,
erneuerbarer Energieträger das Stromerzeugungssystem vor          sie kann auch als Flexibilisierungsoption dienen.
außerordentliche Herausforderungen stellt. Die Zahl kriti-
scher Netzzustände hat sich deutlich erhöht, und es müssen        Der Beitrag der deutschen Steinkohle wird hierbei aufgrund
deshalb möglichst bald Weichenstellungen erfolgen, die            des Auslaufbeschlusses zum Ende des Jahre 2018 nur noch
ein ausreichendes Maß an gesicherter Kraftwerksleistung           begrenzt sein. Die Importkohle ist bereits zunehmend an ihre
möglich machen. Die Notwendigkeit eines neuen „Markt-             Stelle getreten und wird sie dann vollständig ersetzen. Nach
designs“ wird aktuell parteiübergreifend diskutiert, was          dem Auslauf des Saarrevieres – siehe hierzu den ausführli-
einerseits eine Chance ist, andererseits aber auch die Gefahr     chen Gastbeitrag im letzten Jahresbericht – wird in diesem
einer nicht praxisorientierten Überregulierung mit sich bringt.   Jahresbericht auf die Schließung des Bergwerkes West und
Ganz gleich, ob nun eine „strategische Reserve“ oder ein          damit das Ende des Bergbaus am Niederrhein eingegangen.
„Kapazitätsmarkt“ das Modell der Wahl wäre, entscheidend          Der Anpassungsprozess ist weiterhin voll im Plan, und dies
sind effiziente Umsetzung und Handhabbarkeit der Lösung.          gilt insbesondere für den sozialverträglichen Abbau der
Dies ist am Ende sogar wichtiger, als die Wahl des Instru-        Belegschaft. Der hierfür geschaffene Tarifvertrag hat sich als
mentes selbst.                                                    tragfähiges Instrument erwiesen.

Die deutsche Energiewende hat auch Auswirkungen auf die           Das Ende der Fördertätigkeit des deutschen Steinkohlenberg-
Energiewirtschaften unserer Nachbarländer und kann nicht          baus bringt auch neue Perspektiven. Neben Biomassepro-
isoliert betrachtet werden. Entscheidungen über ein neues         jekten und der Errichtung von Windrädern auf ehemaligen
Marktdesign haben im Kontext des europäischen Binnen-             Bergbauflächen, insbesondere windhöffigen Halden, bieten
marktes zu erfolgen.                                              untertägige Pumpspeicher eine einzigartige technische
                                                                  Option. Diese Option wird durch Unterstützung mehrerer
Zwar wird für die Zukunft eine Vielzahl von Maßnahmen             Wissenschaftler aus dem Ruhrgebiet weiter voran gebracht
diskutiert, die unsere Netze intelligenter und flexibler          und zur Reife geführt. Wir wollen unseren Beitrag zur Ener-
machen könnten (smart grid), doch werden Lösungen zur             giewende leisten und bauen auf entsprechende Rahmenbe-
Beherrschung kritischer Netzzustände benötigt. Dies kann          dingungen.

                                                                                                                                    9
Partner der Energiewende - Steinkohle 2013 - Gesamtverband Steinkohle e.V.
Kapitel 1
                            Standortbestimmung

                             Bergwerk
                             Ibbenbüren

                    uste
      Bergwerk Aug
          Victoria, Marl

                      er-
     Bergwerk Prosp
         Haniel, Bo p
                   tt ro

10
Standortbestimmung

Gesamtwirtschaftliche Situation                                   Zugleich gilt: Gerade Deutschland war nicht nur lange ein
Nach einem verhaltenen Wirtschaftswachstum in Deutsch-            Industrieland, sondern muss es weiterhin auch bleiben und
land mit real nur 0,7 % im Jahr 2012 und einer Stagnation         braucht deshalb tragbare Energiekosten. Die Industrie und
im Frühjahr 2013 wird auch für das Gesamtjahr 2013 nur            die industrienahen Dienstleistungen bilden nach wie vor
eine niedrige Wachstumsrate erwartet. Es ist aber immer-          den produktiven Kern der deutschen Volkswirtschaft, sie
hin Wachstum, denn große Teile des Euroraums sind der-            sind der Wertschöpfungsmotor unserer sozialen Markt-
zeit durch Depression und Rekordarbeitslosigkeit gekenn-          wirtschaft. Gegen den internationalen Wachstumstrend
zeichnet. Einige Prognosen sagen für 2014 eine spürbare           des Dienstleistungssektors, wie Handel, Finanzsektor,
konjunkturelle Erholung voraus, sofern sich die Krise in          IT-Dienste etc., ist hierzulande der Anteil der Industrie an
der Eurozone nicht noch verschärft und die Weltwirtschaft         der Bruttowertschöpfung noch gestiegen. Dieser sta-
wieder Fahrt aufnimmt. Von gesamtwirtschaftlich großer            bile industrielle Sektor als Basis einer leistungsfähigen
Bedeutung für Deutschland und auch für die EU sind die            „Realwirtschaft“ ist mit ein Grund dafür, dass Deutschland
politischen Weichenstellungen, die nach der Bundestags-           besser durch die Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten
wahl am 22. September 2013 schon eingeleitet sind oder            Jahre gekommen ist als viele andere Nationen nicht nur in
noch vorgenommen werden.                                          Europa. Viele ehemalige Industrieländer – allen voran die
                                                                  USA – bemühen sich inzwischen um eine „Reindustriali-
Die neue Bundesregierung steht vor bedeutenden Aufga-             sierung“ ihrer Volkswirtschaften. Auch der wirtschaftliche
ben. Einen beträchtlichen Reformbedarf gibt es speziell           Aufstieg Chinas und anderer Schwellenländer ist nicht
im Energiebereich, der weiterhin unter den Vorzeichen der         ohne deren anhaltend starke industrielle Entwicklung zu
Energiewende steht. Ein Punkt ist hier besonders hervor-          erklären. Dabei spielt eine preisgünstige und sichere Ver-
zuheben: Die zuletzt verhaltene Wirtschaftsentwicklung            sorgung der Industrie mit Energie und Rohstoffen – nicht
hat nicht nur zu einem Rückgang der ohnehin moderaten             zuletzt mit Kohle – eine wichtige Rolle.
Inflationsrate geführt, sondern zeitweise auch die in den
letzten Jahren stark gestiegenen Marktpreise für Energie          Energiewirtschaftliche Rahmendaten
gedrückt. Nicht gesunken, sondern sogar deutlich gestie-          Die energiewirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist
gen ist in Deutschland unterdessen der Anteil der staatli-        seit der Verabschiedung des nationalen Energiekonzepts
chen Belastungen an den Energiepreisen. Der Staatsanteil          im Jahr 2010 und der energiepolitischen Beschlüsse nach
an der Stromrechnung überschritt 2013 erstmals die Marke          den Ereignissen von Fukushima im Jahr 2011 geprägt von
von 50 %. Dazu hat insbesondere der starke Anstieg der            den politischen Zielvorgaben der Energiewende. Neben
EEG-Umlage zur Finanzierung der Einspeisung von Strom             dem stufenweisen Kernenergieausstieg bis zum Jahr 2022
aus erneuerbaren Energien mit einem Aufkommen von                 sind dies mittel- und langfristige Etappenziele zur Reduk-
mittlerweile über 20 Mrd. € beigetragen, ausschließlich           tion der Treibhausgasemissionen sowie des Energie- und
finanziert von den Stromverbrauchern. Dies hat zu einer in-       Stromverbrauchs bei gleichzeitigem Ausbau des Anteils der
tensiven Debatte über eine sogenannte Strompreisbremse            erneuerbaren Energien. Dazu soll die Energieversorgung
im EEG geführt, über die bis zur Bundestagswahl jedoch            grundlegend umgebaut werden.
keine Verständigung erreicht werden konnte.
                                                                  Trotz der politisch beschlossenen Energiewende wandeln
Die Energie- und Strompreise und dabei vor allem die              sich die energiewirtschaftlichen Grundstrukturen aber nur
spezifischen staatlichen Belastungen sind nicht nur von           allmählich – beeinflusst von vielen Faktoren jenseits des
allgemeinem Verbraucherinteresse, sondern auch ein wich-          Handlungsrahmens der Politik. So ging zwar im Jahr 2012
tiger Standortfaktor für die Industrie. Dies gilt nicht nur für   in Deutschland der Ausbau der erneuerbaren Energien
die besonders energieintensiven Industriezweige, zu denen         mit einem Zuwachs von 8 % weiter kräftig voran. Doch
auch der Kohlenbergbau zählt, sondern durch die indust-           es gab beim Primärenergieverbrauch (PEV) und den CO2-
riellen Wertschöpfungsketten und -verflechtungen für das          Emissionen in diesem Jahr keinen Rückgang, sondern eine
gesamte produzierende Gewerbe. Eine Umfrage des Insti-            leichte Zunahme. Gleichzeitig stagnierte im Jahr 2012
tuts der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, im Frühjahr 2013        die gesamtwirtschaftliche Energieproduktivität, die im
hat gezeigt, dass neun von zehn Industrieunternehmen in           Jahr zuvor noch sprunghaft gestiegen war. Der PEV stieg
Deutschland steigende Energiekosten nicht nur befürchten,         im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um knapp 1 % auf
sondern als klare Standortverschlechterung bewerten.              466 Mio. t SKE.

                                                                                                                                 11
Kapitel 1

       Das Energiekonzept der Bundesregierung: Zielsetzungen im Zeithorizont
      Reduzierung um

         Treibhausgasemissionen gegen-             Senkung Primärenergiever-                Verringerung Stromver-
         über 1990                                 brauch gegenüber 2008                    brauch gegenüber 2008
             2020   2030    2040    2050                      2020      2050                         2020    2050

                                                                                                     -10 %
                                                           -20 %                                             -25 %
            -40 %
                    -55 %                                            -50 %
                            -70 %
                                    -80 %

      Erhöhung auf

        Anteil Erneuerbarer am Brutto-            Anteil Stromerzeugung Erneuer-
        endenergieverbrauch                       barer am Bruttostromverbrauch
                                                                         80 %
                                    60 %                           65 %
                            45 %                             50 %
                    30 %                             35 %
             18 %

             2020   2030    2040    2050               2020      2030     2040   2050

     Ein wesentlicher Grund dafür waren die kühleren Tempera-           dominiert nach wie vor das Mineralöl mit einem Anteil
     turen mit entsprechend gestiegenem Wärmebedarf, was zu             von 33 % am PEV. Dann folgt die Kohle mit 24 % – dabei
     einem Zuwachs des Heizöl- und Erdgasverbrauchs führte.             Steinkohle und Braunkohle je 12 % – vor dem Erdgas mit
     Nach ersten Schätzungen nahmen die energiebedingten                22 %. Somit entfielen im Jahr 2012 noch fast 80 % des PEV
     CO2-Emissionen im Jahr 2012 noch etwas mehr zu, nämlich            auf fossile Energieträger. Der Anteil der Erneuerbaren an
     um 1,9 %, weil in der Stromerzeugung zur Flankierung               der Deckung des PEV liegt bislang bei 12 %. Das Langfrist-
     des Kernenergieausstiegs mehr preisgünstige Braunkohle             ziel der Energiewende, die Erneuerbaren zur Hauptsäule
     und Steinkohle als im Vorjahr zum Einsatz kam. Seit 1990           unserer Energieversorgung zu machen, liegt also noch in
     betrug der bis 2012 erreichte Rückgang der CO2-Emissionen          weiter Ferne.
     gleichwohl gut 22 %, bei allen Treibhausgasen sogar 27 %,
     womit Deutschland seine internationalen Klimaschutzver-            Beträchtlich größer ist der Anteil der erneuerbaren Ener-
     pflichtungen gemäß dem Kyoto-Abkommen deutlich über-               gien allerdings schon jetzt in der Stromerzeugung. Im Jahr
     erfüllt hat. Im Energiemix der deutschen Volkswirtschaft           2012 lag er bei 22 % und festigte damit den zweiten Rang

12
Standortbestimmung

Primärenergieverbrauch in Deutschland 2012

   Mio. t SKE                                                                Insgesamt: 465,6 Mio. t SKE
                                                                             Steinkohle gesamt: 12,3 %
     180           154
     160
     140                                                                          Importanteile
     120
                             101
     100
                  32,4 %
      80                                  57            56      54
      60                    20,0 %                                           37
      40                                 9,9 %                                             7
      20                                            12,0 %    11,6 %       7,9 %         1,4 %
       0         0,6 %      1,7 %       2,4 %
                Mineralöl   Erdgas    Steinkohle Braunkohle Erneuerbare Kernenergie Sonstige
                                                                                        (inkl. Stromaustauschsaldo)
Quelle: AGEB, 3/2013

                                                             nach der Kohle mit 45 % (Braunkohle 26 %, Steinkohle
Kraftwerkskapazitäten und                                    19 %), aber klar vor der Kernenergie (16 %), dem Erdgas
Stromerzeugung in Deutschland 2012                           (11 %) und allen sonstigen wie zum Beispiel Grubengas
                                                             oder nicht-regenerative Abfälle. Betrachtet man Braunkohle
                                                             und Steinkohle separat, werden die regenerativen Energien
  Kapazität                  Erzeugung                       im Jahr 2013 oder spätestens 2014 sogar den Spitzen-
                                                             rang in der Stromerzeugung erreichen. Was den Anteil
                               5%          Photovoltaik      an den Stromerzeugungskapazitäten betrifft, erreichten
    18 %                       8%          Windkraft         die erneuerbaren Energien im Jahr 2012 schon mehr als
                               5%          Öl                40 %. Die große Diskrepanz zwischen Kapazitäten und
                                                             tatsächlicher Erzeugung auf regenerativer Basis zeigt indes
                               12 %        Erdgas            eindrucksvoll, wie schwankend das Angebot von Strom aus
    18 %
                                                             erneuerbaren Energien ist. Noch immer kann wegen feh-
                                                             lender Speicher und unzureichender Netzinfrastruktur nur
    10 %                       19 %        Steinkohle
                                                             ein kleiner Teil ihrer Leistung als gesichert angenommen
                                                             werden. Die Energiewende wird deshalb noch lange Zeit
    14 %                                   Biomasse u.
                               10 %        Wasser            auf konventionelle Ausgleichs- und Reservekapazitäten,
                                                             nicht zuletzt auch aus Steinkohlenkraftwerken, angewiesen
                                                             sein.
    15 %
                               25 %        Braunkohle
     6%                                                      Bei der Primärenergiegewinnung in Deutschland lagen
                                                             die erneuerbaren Energien in ihrer Summe im Jahr 2012
    12 %                                                     mit einem Anteil von 36 % nur knapp hinter der Braun-
                               16 %        Kernenergie       kohle (38 %) und bereits sehr deutlich vor der heimischen
     7%                                                      Steinkohle, der inländischen Öl- und Gasgewinnung und
   178 GW                    583 TWh                         allen übrigen inländischen Energiequellen. Auch hier
    (netto)                   (netto)                        werden sie 2013 oder spätestens 2014 auf den ersten Rang
                                                             vorstoßen. Zu beachten bleibt, dass trotz der Zuwächse
                                     Quelle: BDEW, 2013      bei den quasi-heimischen erneuerbaren Energien auch im
                                                             Jahr 2012 fast 70 % des PEV durch Energieimporte gedeckt

                                                                                                                           13
Kapitel 1

                                                                           Ausbau ihres Anteils und nachhaltiger Verbesserung ihrer
       Primärenergiegewinnung                                              Kostennachteile nur teilweise ausgleichen können, zumal
       in Deutschland 2012                                                 in Zukunft möglicherweise auch ein Teil der Erneuerbaren
                                                                           wie Biomasse oder Biosprit importiert werden muss.
       Insgesamt: 149 Mio. t SKE (32 % des PEV)
       Angaben in Mio. t SKE                                               Deutscher Steinkohlenmarkt und Lage des
                                                                           deutschen Steinkohlenbergbaus
       Solar- u. Geothermie                                                Der deutsche Steinkohlenmarkt hat nach einer Schrump-
       Biogener Abfall
       Photovoltaik                                                        fungsphase in den Vorjahren – im Jahr 2012 und voraus-
       Wasserkraft                                                         sichtlich auch 2013 – wieder Zuwächse zu verzeichnen.
       Windkraft                                                           Das gilt zwar nicht oder nur zeitweise für den Kokskoh-
       Biokraftstoffe                                          Braun-      len- und Koksverbrauch der Stahlindustrie, der sich im
                             2,6 3,61,6                        kohle
                                3,5                                        Jahr 2012 durch die konjunkturelle Schwächephase um
                        4,1 5,7                                            über 4 % verminderte. Im Wärmemarkt, in dem Anthrazit-
                                                                           kohle lediglich Nischenfunktionen für spezielle gewerbliche
                                                        57,2               Verwendungen und einen kleinen Rest an Hausbrandbedarf
         Bio-
         masse                                                             erfüllt, bleibt das Volumen gering. Aber in der Stromerzeu-
                       33,0                                                gung einschließlich Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), in der in
                                                                           Deutschland rund 70 % des Steinkohlenverbrauchs erfolgt,
                                                                           kommt seit 2012 verstärkt Kraftwerkskohle zum Einsatz,
                                                                           denn sie bietet bei günstigen Brennstoff- und niedrigen
                               9,5
                                     3,8            11,1                   CO2-Preisen in letzter Zeit deutliche Kostenvorteile gegen-
                                           13,3                            über dem Erdgas. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass
         Übrige Energie-                             Steinkohle            US-Kohle, die in ihrem Heimatmarkt Anteile an das unkon-
         quellen                           Erdgas
         Mineralöl

       Erneuerbare Energien:                                                 Verbrauchsstruktur des deutschen
       36 % der heimischen Primärenergiegewinnung                            Steinkohlenmarktes 2012
                                                    Quelle: AGEB, 3/2013     Gesamtabsatz an Steinkohlen 2012:
                                                                             57 Mio. t SKE
     werden mussten, für die Bezugskosten von fast 100 Mrd. €                davon Absatz aus heimischer Förderung:
     aufzuwenden waren. Gut ein Fünftel aller Energieeinfuhren               11,4 Mio. t SKE (= 20 %)
     stammen aus Russland, das heute Deutschlands führender
     Lieferant nicht nur von Erdgas, sondern auch von Mineralöl                                                  Kraftwerke:
     und Steinkohle ist.                                                                                         40,1 Mio. t SKE

                                                                             Stahlindustrie:
     Eine hohe Importabhängigkeit wird auch in Zukunft                       15,4 Mio. t SKE
     fortbestehen und ein Thema der deutschen Energiepolitik
     bleiben. Denn neben dem Ausstieg aus der Kernkraft-
     nutzung bis 2022 und dem Auslaufen der heimischen
     Steinkohlenförderung bis Ende 2018 gehen bis ca. 2025                                     27 %
                                                                                                                   70 %
     die konventionellen inländischen Öl- und Gasvorkommen
     zur Neige. Manche politischen Kräfte wünschen sich
     sogar zusätzlich einen Ausstieg auch aus der Braunkohle.                                  3%
     Steinkohle, Mineralöl und Erdgas müssen jedenfalls ab der                Wärmemarkt:
     nächsten Dekade zu 100 % importiert werden. Die erneu-                   1,5 Mio. t SKE
     erbaren Energien werden all dies selbst bei erfolgreicher
     Absenkung des Energieverbrauchs, weiterem planmäßigen

14
Standortbestimmung

ventionelle Erdgas verloren hat, ein Absatzventil auf dem
europäischen Markt gesucht und hier die Preise gedrückt              Entwicklung der Marktanteile importierter
hat. Abzuwarten ist, ob das auf europäischer Ebene pro-              und heimischer Steinkohle in Deutschland
pagierte „Backloading“ beim CO2-Emissionsrechtehandel,
nämlich die einmalige temporäre Verknappung und spätere
                                                                                                           Importkohle
Rückführung von Emissionsrechten zwecks Preisstabilisie-             Mio. t SKE                            Heimische Steinkohle
rung, nennenswerte Auswirkungen auf die Preisdifferenz                             70         69
zwischen Kohle und Gas haben wird.                                      70 -                             62         59         57
                                                                        60 -      23 %
Die Einfuhren aus den USA nahmen daher unter den
                                                                        50 -                 46 %
Steinkohlenimporten nach Deutschland 2012 wieder einen
                                                                        40 -                            58 %
vorderen Platz ein, neben den Lieferungen aus Russland                                                                        81 %
                                                                                                                  77 %
bzw. den GUS-Ländern sowie Kolumbien. Vom weltgrößten                   30 -      77 %
Exporteur Australien wurde nur ein kleiner Anteil, fast                 20 -                 54 %
ausschließlich Kokskohle, bezogen. Aus EU-Ländern, vor                                                  42 %
                                                                        10 -                                      23 %
allem Polen, stammt ein noch kleinerer Teil der Einfuhren.                                                                    19 %
                                                                         0-
Insgesamt entfallen auf die Steinkohlenimporte mittler-                           1995       2000       2005       2010       2012
weile mehr als vier Fünftel des Aufkommens. Nur noch
19 % kamen im Jahr 2012 aus heimischer Produktion, 2013
wird der Anteil noch geringer sein.                                Steinkohlenmarkt abwärts gerichtet. Denn dieser wird im
                                                                   Zuge der Energiewende sehr wahrscheinlich nachhaltig
Auch wenn die Steinkohlenimporte durch den Rückgang der            schrumpfen, weil die Stromerzeugung aus Steinkohle bei
heimischen Förderung immer größere Anteile übernehmen,             weiterem Ausbau der Stromeinspeisung aus erneuerbaren
sind ihre längerfristigen Perspektiven auf dem deutschen           Energien und gegebenenfalls von Erdgasstrom immer mehr

  Herkunft deutscher Steinkohlenimporte 2012
  Kraftwerkskohle                                                   Kokskohle
  Insgesamt: 34,7 Mio. t SKE                                        Insgesamt: 9,3 Mio. t SKE
                                                                                             Kanada
               Sonstige*                                                                                       Russland
                                              Russland
                                                                      Sonstige*                    9%
                           22 %                                                                            11 %

                                       23 %                                         17 %
  Australien
                5%
  Südafrika     4%
                                                                                                               32 %
                                         19 %                                            31 %
                     20 %                                                                                                  USA

                                  7%             Kolumbien
               USA                                                       Australien
                                  EU

                                       * inkl. nicht zuordbare Mengen der genannten Länder
                                                                                    Quellen: Statistik der Kohlenwirtschaft e.V. / GVSt

                                                                                                                                          15
Kapitel 1

                                                                   Ähnliche Schätzungen hatte auch die im November 2012
      Anlegbarer CO2-Preis für Wettbewerbs-                        veröffentlichte Studie „Bedeutung der thermischen
      gleichheit von Steinkohle und Erdgas 2012                    Kraftwerke für die Energiewende“ des Prognos-Instituts,
                                                                   Basel/Berlin, gemacht, das unter anderem auch an den
                                                                   Energieszenarien der Bundesregierung mitwirkte. Dieser
                                        CO2-Kosten/MWh
                                                                   Studie zufolge ist die Energiewende nur mit einer Flankie-
        €/MWh                           Brennstoffkosten/MWh
                                                                   rung durch Kohle- und Gaskraftwerke zu schaffen. Prognos
          100 -                                                    hat für den Zeitraum bis 2050 die notwendige gesicherte
           90 -                                                    Leistung aus thermischen Kraftwerken errechnet. Diese
           80 -                                                    Kapazität, die 2010 bei 72 GW lag, darf bis 2020 um nicht
                     70            22
           70 -                                                    mehr als knapp 20 % und bis 2050 um nicht mehr als rund
                                                      55 €/t CO2   40 % gesenkt werden, wenn die Stromversorgungssicher-
           60 -
                     57                                            heit auf der Erzeugungsseite aufrechterhalten werden soll.
           50 -                                                    Berücksichtigt worden sind dabei fundierte Abschätzungen
           40 -                                                    zur gesicherten Leistung aus erneuerbaren Energien, aus
                                   65
           30 -                                                    inländischen Speichern, aus dem Lastmanagement der
           20 -                                                    Nachfrageseite, aus den Interkonnektoren zum Ausland
                     30                   5 €/t CO2                bzw. den Stromimporten sowie eine Sicherheitsreserve
           10 -
                                                                   von 10 % der Jahreshöchstlast. Ohne einen Zubau neuer
            0-                                                     thermischer Kapazitäten droht laut Prognos schon bis 2020
                  Steinkohle Erdgas       aktueller anlegbarer
                                          CO2-Preis CO2-Preis      eine Versorgungslücke, die sich in der Folgezeit ausweiten
                                          (Juni 2013)              würde.
       Darstellung nach ET, 2013
                                                                   Hinreichende thermische Kapazitäten werden, so Prognos,
                                                                   nicht nur zum Ausgleich der Versorgungslücken, sondern
     zurückgedrängt wird. Dies ging bereits aus den Energie-       auch zur Erfüllung der Regelleistungen und anderer techni-
     szenarien hervor, die 2010/2011 dem Energiekonzept der        scher Systemdienstleistungen gebraucht. Aus wirtschaft-
     Bundesregierung zugrunde gelegt worden sind.                  lichen Gründen erscheint indes für den größten Teil der
                                                                   thermischen Kapazitäten keine Neubau-, sondern eine
     Inwieweit in der Stromerzeugung tatsächlich ein Brenn-        „Retrofit-Strategie“ vorteilhaft, das heißt eine Ertüchtigung
     stoffwechsel von Kohle zu Gas erfolgt, hängt rein wirt-       und Lebenszeitverlängerung bestehender Kraftwerke, also
     schaftlich von der weiteren Entwicklung der Preis- und Kos-   überwiegend der Kohlekraftwerke. Technische Gründe
     tenrelationen ab. Gegenüber der gegenwärtigen Situation       stehen dem nicht entgegen, auch wenn zum Beispiel das
     müsste hierzulande der Gaspreis sehr weit fallen und/oder     Umweltbundesamt (UBA), Dessau, dieses Jahr etwas
     der CO2-Preis sehr stark steigen, damit sich ein „fuel        anderes behauptet hat. Modernisierte Braun- und Steinkoh-
     switch“ lohnen würde. Möglich bleibt, dass ein Brennstoff-    lenkraftwerke sind heute so flexibel regelbar, dass sie eine
     wechsel durch regulatorische Vorgaben erzwungen wird.         geringe Mindestlast und hohe Laständerungsgeschwindig-
                                                                   keiten bereitstellen können. Nach Angaben der RWE AG,
     Die aktuellen Kraftwerksszenarien, die für den Netzent-       Essen, können beispielsweise Steinkohlenkraftwerke
     wicklungsplan 2014 (NEP 2014) der Übertragungsnetzbe-         heute auf einen viel tieferen Mindestlastpunkt (20 bis
     treiber aufgestellt und von der Bundesnetzagentur bestätigt   25 %) als Gaskraftwerke (60 %) gesteuert werden, die
     worden sind, sehen zunächst noch stabile, spätestens ab       durchschnittliche Laständerungsgeschwindigkeit ist mit
     der übernächsten Dekade aber deutlich rückläufige inländi-    3 % der Nennlast pro Minute fast genauso hoch.
     sche Steinkohlenkapazitäten voraus. Im Jahr 2034 würden
     diese demnach auf gut 70 % der heutigen Kapazität redu-       Allerdings werden unter den aktuellen Marktbedingungen
     ziert. Dabei wird im Leitszenario des NEP 2014 im Einklang    die ökonomischen Anreize für den Betrieb oder gar Zubau
     mit dem bisherigen Planungsstand der Stromerzeuger            von Kohlekraftwerken immer schwächer. Die Expansion der
     angenommen, dass in den nächsten Jahren keine neuen           erneuerbaren Energien führt bei weiterem Einspeisevorrang
     Steinkohlenkraftwerke mehr gebaut werden.                     unweigerlich zu relativ geringen Marktpreisen für Strom,

16
Standortbestimmung

Gesicherte Kraftwerksleistung und Deckungslücke bis 2050

   GW
                                                                                                    Deckungslücke*
   100
                                                                                                    Speicher
    90                                                                                              Erneuerbare
                                                                                                    Öl
    80
                                                                                                    Erdgas
    70                                                                                              Steinkohle
    60                                                                                              Braunkohle
                                                                                                    Kernkraft
    50

    40                                                                                          * Fehlende gesicherte
                                                                                                  Leistung bezogen
    30                                                                                            auf voraussichtliche
                                                                                                  Jahreshöchstlast zzgl.
    20                                                                                            10 % Sicherheits-
                                                                                                  reserve
    10

      0
                 2011   2015        2020       2025       2030        2040      2050
                                                                                                      Quelle: Prognos, 2012

Öffentliche Hilfen für den deutschen Steinkohlenbergbau
(Absatz- und Stilllegungshilfen)
in Mrd. €
          4,25
                                Planansätze (vor erlösabhängiger Kürzung)

                        2,38        2,19      2,02
                                                          1,96
                                              0,25*                   1,79
                        0,64*      0,46*
                                                          0,43*       0,35*            1,05
                        1,74        1,73       1,77        1,53       1,44
                                                                                                    * erlösabhängige
                                                                                                      Kürzung
          2000          2008       2009        2010       2011        2012             2018

 Bis 2008 gemäß Zusagen aus den kohlepolitischen Vereinbarungen 2003 (ohne Berücksichtigung der zeitlichen Zahlungs-
 verschiebungen); ab 2009 Planansätze gemäß Rahmenvereinbarung 2007; ab 2019 keine Absatzhilfen mehr.

                                                                                                                              17
Kapitel 1

       Subventionsvolumen in Deutschland 2011
       Subventionen 2011 insgesamt –
       Finanzhilfen und Steuererleichterungen (ohne EEG-Differenzkosten): 166,7 Mrd. €
                                                                          Sektorspezifische Hilfen
                                                                          66,5 Mrd. € davon:
                                                                                   - Verkehr
          Transfers an (halb-)
          staatliche Dienstleister
          und Organisationen ohne                                  23,5
          Erwerbszweck                                                                    - Wohnungswirtschaft
                                                                              7,5
                                           74,7
                                                                                               - Land-/Forstwirtschaft
                                                                              11,2
                                                                                    2,3        - Bergbau insgesamt*

                                                                      22,0                                        davon Steinkohlen-
                                                                                     - sonstige                   bergbau: 1,5 Mrd. €
                                                        25,5                           sektorspezifische          nach erlösabh. Kürzung
                                                                                       Subventionen               (= 0,9 % aller Subven-
                                                                                                                  tionen)
                                         Branchenübergreifende Subventionen
       * inkl. Wismut- und LMBV-Hilfen                                                                                      Quelle: IfW, 3/2013

     insbesondere in der Mittel- und Spitzenlast, und gleichzei-
     tig zu einer immer geringeren Auslastung der bestehenden               Anpassung im
     Steinkohlenkraftwerke. Nicht auszuschließen ist, dass                  deutschen Steinkohlenbergbau
     auch sie von dem in Deutschland inzwischen befürchteten
     „Kraftwerkssterben“ betroffen sein werden, sofern nicht
     eine gezielte energiepolitische Gegensteuerung erfolgt. Die
     bisher zur Aufrechterhaltung von Reservekapazitäten für
                                                                            78,1
     die Energiewende verabschiedeten „Wintergesetze“ und
     die neue Reservekraftwerksverordnung sind als Notmaß-
     nahmen für eine Übergangszeit konzipiert und geben keine
     dauerhafte Perspektive.

     Sicher ist: Der verbleibende Steinkohlenbedarf wird nach
                                                                            47,3
     2018 ausschließlich durch Importsteinkohle gedeckt
     werden müssen. Heimische Steinkohle steht dann nicht                                      Belegschaft
     mehr zur Verfügung. Die kohlepolitischen Vereinbarungen                                       (in Tausend)
     des Jahres 2007, der 2010 erfolgte EU-Ratsbeschluss
     über staatliche Beihilfen zur Erleichterung der Stilllegung
     nicht wettbewerbsfähiger Steinkohlenbergwerke und die
     2011 erfolgte Streichung der Revisionsklausel aus dem                                                                                 17,6
     Steinkohlefinanzierungsgesetz bestimmen das Auslaufen                            Steinkohlenförderung                                 11,1
                                                                                      (in Mio. t SKE)
     des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Ende des
     Jahres 2018. Bis dahin sollen planmäßig eine geordnete
     Rückführung der Produktionskapazitäten und eine sozialver-               1997         2000               2005              2010 2012
     trägliche Anpassung des Personals erfolgen. Die plafon-

18
Standortbestimmung

  Steinkohlenbergwerke in Deutschland 2013

                                                                                                  Bergwerke
                                                                                              1 Prosper-Haniel
                                                                                              2 Auguste Victoria
                                      Osnabrück                                               3 Ibbenbüren
                                  3
                               Ibbenbüren

                                      Ruhrrevier                          Lipp
                                                                 2            e
                                                                 Marl
                                  Kamp-       Dinslaken                                       Hamm
                                  Lintfort                        Recklinghausen
                                                       1        Herne
                                                      Bottrop               Dortmund
                                             Duisburg
                                                        Essen                           r
                                                                                    Ruh
                                                e i n
                                             Rh

                  Saarrevier
                     Ensdorf                                                                  Stilllegungen 2012
                                                                                              Saarrevier: 30.06.
                              Saar-                                                           BW West: 31.12.
                         Saar brücken

dierten öffentlichen Finanzhilfen setzen sich zusammen aus      ende 2012 das Bergwerk West und damit der Steinkohlen-
Hilfen für den Absatz der heimischen Steinkohle – diese         bergbau am Niederrhein stillgelegt (siehe dazu Gastbeitrag,
machen inzwischen nur noch rund die Hälfte der Mittel           Seite 36). Die verbliebene Produktion konzentriert sich jetzt
aus – sowie für die Deckung der Stilllegungsaufwendungen        im Ruhrrevier auf die Bergwerke Prosper-Haniel, Bottrop,
und der Altlasten des stillgelegten Steinkohlenbergbaus.        und Auguste Victoria, Marl, sowie auf das Bergwerk Ibben-
Sie werden schrittweise zurückgeführt. Ihr Volumen ist          büren im nördlichen Münsterland.
bereits bis 2012 im Vergleich zum Jahr 2000 weit mehr
als halbiert worden. Am gesamten Subventionsvolumen             Damit der Anpassungsprozess mit seinem fixierten Finan-
in Deutschland in Höhe von 167 Mrd. € (Datenstand               zierungs- und Kostenrahmen auch in den Jahren bis 2018
2011, ohne Differenzkosten des EEG) liegt der Anteil der        geordnet und sozialverträglich durchgeführt werden kann,
Steinkohlehilfen längst unter 1 %, wie sich aus einer im        ist es erforderlich, dass die politisch bislang gewährte Pla-
Frühjahr 2013 vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW)      nungssicherheit beibehalten bleibt und nicht zum Beispiel
publizierten neuen Erhebung ergibt.                             durch unvorhergesehene Stromkostenerhöhungen oder
                                                                bergrechtliche Eingriffe aufgehoben wird. Dies ist etwa bei
Der Anpassungsprozess im deutschen Steinkohlenbergbau           aktuellen Diskussionen zur Reform des Bergrechts zu be-
hat dazu geführt, dass es mittlerweile nur noch drei aktive     denken, die auch den Steinkohlenbergbau berühren (siehe
Bergwerke gibt. Nach der Schließung des Bergwerks Saar          Kasten „Ist das Bergrecht reformbedürftig?“, Seite 20).
und damit des Saarreviers Mitte 2012 wurde zum Jahres-

                                                                                                                                19
Kapitel 1

                                                                 und zu unausgewogen mit breiter Mehrheit abgelehnt
        Ist das Bergrecht                                        worden. Ein weiterer Anknüpfungspunkt in Bezug auf
                                                                 Forderungen nach einer Änderung des Bergrechts war
        reformbedürftig?                                         das Fracking. Erwogen wurde etwa die Einführung einer
                                                                 obligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
        Das Bergrecht ist in Deutschland für das Aufsuchen und   bei Fracking-Vorhaben insbesondere auf Verordnungs-
        Gewinnen von energetischen Rohstoffen seit jeher von     ebene per Änderung der UVP-Verordnung-Bergbau. Die
        grundlegender Bedeutung. Das gilt weiterhin auch für     Bestrebungen wurden Anfang Juni 2013 zumindest bis
        den untertägigen Abbau von Steinkohle. Das geltende      zur Bundestagswahl im Herbst 2013 auch wegen des
        Bergrecht berücksichtigt sowohl den Aspekt, dass der     parteiübergreifenden Widerstandes aus mehreren Bun-
        Bergbau Auswirkungen auf Umwelt, Beschäftigte und        desländern aufgegeben. Zudem machte eine Umwelt-
        Bevölkerung haben kann, als auch die Tatsache, dass      organisation in Bezug auf ein Braunkohlentagebauvor-
        der Abbau standortgebundener Rohstoffvorkommen           haben mittels Verfassungsbeschwerde die Verletzung
        wie der heimischen Kohle zur Wirtschaftsleistung         des Grundrechts auf Eigentum aus Artikel 14 I GG durch
        („Bodenschatz“) sowie einer sicheren Energie- und        die Vorschriften über die bergrechtliche Grundabtretung
        Rohstoffversorgung beiträgt.                             geltend. Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin
                                                                 Anfang Juni 2013 in einer mündlichen Verhandlung
        Dass sich das Bergrecht für Nichtjuristen bisweilen      unter anderem in Bezug auf die bergrechtliche Grund-
        „altmodisch“ liest, liegt vor allem daran, dass es aus   abtretung die Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit
        einer langen Rechtstradition heraus entwickelt wurde     von § 77 und § 79 Bundesberggesetz erörtert.
        und dabei auch die historische Rechtsprechung zu be-
        rücksichtigen hatte. Doch das deutsche Bergrecht hat     Trotz der vielfältigen Initiativen zur Änderung des Berg-
        sich in seiner bisherigen Struktur bewährt. Es erfüllt   rechts ist festzuhalten, dass die bisherigen Bundesre-
        alle aktuellen Anforderungen, die am Industriestandort   gierungen sowie eine große Mehrheit im Deutschen
        Deutschland an ein modernes und umweltgerechtes          Bundestag und im Bundesrat die Auffassung teilen,
        Gesetzeswerk zu stellen sind. Es gewährleistet auch in   dass die Interessen der Umwelt und der vom Abbau
        Zukunft einen fairen Ausgleich zwischen den Interes-     von Bodenschätzen betroffenen Menschen bereits
        sen der Bergbaubetreibenden und den vom Bergbau          heute umfassend durch das Bergrecht geschützt sind.
        Betroffenen. Gleichwohl wurden im Berichtszeitraum       Eine stärkere Einbeziehung von Umweltaspekten oder
        immer wieder Forderungen laut, das Bergrecht grund-      eine Stärkung der Rechte der vom Bergbau Betroffenen
        legend zu novellieren. Und zwar nicht selten mit dem     im Bundesberggesetz ist nicht erforderlich, denn die
        Ziel, den Abbau von fossilen Rohstoffen in Deutschland   unvermeidbaren Einwirkungen sind im Bundesbergge-
        zu erschweren oder gar zu verhindern. Dabei wurden       setz weder schrankenlos noch ausgleichslos. So gelten
        die Forderungen in unterschiedlichsten Zusammenhän-      für den Bergbau über § 48 Abs. 2 Bundesberggesetz
        gen und auf verschiedenen Ebenen erhoben.                materiell alle Umweltschutzgesetze. Die Vorschriften
                                                                 des geltenden Bundesberggesetzes sind durch die
        Ein Anknüpfungspunkt war die Verbesserung der            Sachgesetzlichkeiten des Bergbaus begründet und
        Verankerung des Umweltschutzes im Bergrecht. Im          haben sich in einer jahrzehntelangen Praxis bewährt.
        Deutschen Bundestag wurde eine Reihe von diesbezüg-      Es stellt auf Grundlage strenger Zulassungsvorausset-
        lichen Anträgen zur Änderung des Bergrechts gestellt     zungen sicher, dass der Abbau keine unverhältnismäßi-
        und auch ein Gesetzentwurf zur Vereinheitlichung         gen Schäden verursacht und einem Bergbauvorhaben
        der bergrechtlichen Förderabgabe eingebracht. Diese      keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen
        Vorschläge sind vom Plenum jedoch Anfang 2013 ent-       stehen. Es besteht somit kein grundlegender Reformbe-
        sprechend den Beschlussempfehlungen des Ausschus-        darf des Bergrechts.
        ses für Wirtschaft und Technologie als zu weitgehend

20
Standortbestimmung

Unternehmensentwicklung und
Herausforderungen der RAG                                        Entwicklung der Unfallzahlen
Der den deutschen Steinkohlenbergbau tragende RAG-
Konzern steht bei dem dargestellten Szenario vor Heraus-         Unfälle
                                                                 (Gesamtzahl je 1 Mio. Arbeitsstunden)
forderungen, die für ein Unternehmen außergewöhnlich,
ja sogar einmalig sind. Produktion und Kapazitäten des               35
Kerngeschäfts sind bis auf Null zurückzufahren, aber die             30
Liefersicherheit des Produkts Steinkohle wie auch die
                                                                     25                  Unter Tage
Unfallsicherheit der Produktionsabläufe muss bis zum                                                      Gewerbliche
letzten Tag gewährleistet werden. Umsätze und Beihilfen                                                   Wirtschaft
                                                                     20                                   insgesamt
gehen stetig zurück, gleichzeitig müssen die Kosten stabil
bleiben. Personal ist in großer Zahl abzubauen, aber die              15
Sozialverträglichkeit muss bestehen bleiben, das heißt auch          10           Steinkohlen-
betriebsbedingte Kündigungen von Bergleuten, die kein An-                         bergbau
passungsgeld beziehen können, sind zu vermeiden. Hierbei              5           insgesamt1
zeigt sich heute der Erfolg des im letzten Jahr abgeschlos-           0
senen Tarifvertrages zur Gestaltung sozialverträglicher Per-              2002   2004    2006      2008   2010     2012
sonalmaßnahmen anlässlich der Beendigung des deutschen
Steinkohlenbergbaus. Die Zahl dieser Beschäftigten ohne          1
                                                                     nur unter Bergaufsicht stehende Unternehmensteile
interne Zukunftsperspektive für die Nachbergbauzeit konnte       Quellen: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung / RAG AG
vom Inkrafttreten des Tarifvertrages am 1. April 2012 bis
zum 30. August 2013 um 753 auf 888 gesenkt werden. Die
Instrumente des Tarifvertrages haben sich also als hilfreich   Die genannten Herausforderungen lassen sich nur mit
und tragfähig erwiesen, auch wenn Medienberichte über          enormer Flexibilität und Kreativität der Mitarbeiter sowie
vereinzelte Klagen dieses Bild scheinbar trüben.               auf der Grundlage des großen Erfahrungsschatzes des
                                                               Steinkohlenbergbaus mit Anpassungs- und Umstruktu-
                                                               rierungsprozessen meistern – ein Erfahrungsschatz, der
  Fachrichtungen der Auszubildenden im                         auch international viel Beachtung findet. Darüber hinaus
  Steinkohlenbergbau 2013                                      wird die RAG Aktiengesellschaft (RAG) auch nach 2018
                                                               für die Folgen des von ihr betriebenen Steinkohlenberg-
  Auszubildende insgesamt: 728                                 baus zuständig sein, das heißt für die Bewältigung der
                                                               Altlasten (Flächensanierung, Sicherung alter Schächte
                                                               und des oberflächennahen Bergbaus, Abwicklung von
    Elektro-                                 Maschinen-        Bergschäden an Objekten, Deckung von Pensions- und
    technik                                     technik        Sozialverpflichtungen) und die operative Durchführung der
                                                               Ewigkeitsaufgaben (Grubenwasserhaltung, Grundwasser-
                                                               reinigung, Poldermaßnahmen). Parallel dazu hat die RAG
                                                               zusammen mit der RAG-Stiftung eine Verantwortung dafür,
                  48 %                44 %
                                                               das historisch-kulturelle Erbe des Steinkohlenbergbaus in
                                                               Nordrhein-Westfalen und im Saarland zu bewahren. Für
                                                               all das muss und wird das Unternehmen RAG mit einem
                                                               auf Nachbergbauaktivitäten ausgerichteten bergbaulichen
                                                               Geschäftsfeld dauerhaft fortbestehen.

                            4 %4 %                             Zugleich wird von der RAG erwartet, dass sie den Struktur-
                                                               wandel in den Bergbauregionen aktiv und zukunftsorientiert
                Kaufmännische     Sonstige                     vorantreibt. Letzteres kann aus den gewachsenen Unter-
                Berufe                                         nehmenspotenzialen heraus sinnvoll nur dadurch gesche-
                                                               hen, dass Know-how und Infrastruktur des Steinkohlen-

                                                                                                                               21
Kapitel 1

     bergbaus zum Teil neuartig genutzt und die jenseits des        werden soll. Es ist klar, dass auch der zweite Bericht ledig-
     heimischen Steinkohlenbergbaus entstandenen Beteili-           lich Anhaltspunkte, aber noch keinen klaren Befund liefern
     gungsbereiche der RAG in zukunftsträchtige Geschäftsfel-       kann, ob sich das „Generationenprojekt Energiewende“
     der hinein fortentwickelt werden. Die RAG Mining Solu-         (Bundesumweltminister Peter Altmaier) auf Kurs befindet
     tions GmbH vermarktet gebrauchtes Bergbau-Equipment            oder ob Kurskorrekturen oder gar ein Kurswechsel erfor-
     aus Deutschland in aller Welt und entwickelt sich dank         derlich erscheinen. Der erste Monitoring-Bericht dieser
     des auf den schwierigen Abbaubedingungen hierzulande           Art war im Dezember 2012 vorgelegt und als „Eröffnungs-
     aufbauenden hervorragenden Ingenieurwissens zu einem           bilanz der Energiewende“ präsentiert worden. Erläutert
     international gefragten Consulting-Unternehmen der Berg-       wurden darin neben einer Beschreibung der seit der
     baubranche. Die Zukunft der RAG Verkauf GmbH soll nach         Verabschiedung des Energiekonzepts schon angestoßenen
     dem Ende der heimischen Produktion ganz im Handel mit          zahlreichen neuen energiepolitischen Maßnahmen – von
     importierter Kohle und Rohstoffen sowie Logistikdiensten       der Atomgesetzänderung über die Novelle des Energiewirt-
     liegen. Und die RAG Montan Immobilien GmbH, die schon          schaftsgesetzes (EnWG) und die Energieeinsparverordnung
     seit mehr als 30 Jahren erfolgreich ehemalige Bergbauflä-      bis zu diversen neuen Weichenstellungen zum Netzausbau
     chen aufbereitet und entwickelt, engagiert sich zunehmend      – insgesamt 49 Indikatoren aus zehn Themenfeldern.
     bei der Nutzung ehemaliger bergbaulicher Infrastruktur für
     erneuerbare Energien.                                          Die begleitend zu dem Monitoring-Prozess eingesetzte
                                                                    unabhängige Expertenkommission nahm den ersten Bericht
     Letzteres stellt ein wachsendes Handlungsfeld der RAG dar,     zum Anlass, um eine ganze Reihe von grundsätzlichen
     die damit zugleich ihren originären Beitrag zur Energie-       Defiziten der Energiewendepolitik anzuprangern. So
     wende leistet, der künftig weiter gesteigert wird. So bieten   bemängelte sie eine unzureichende Koordination mit der
     etwa Windkraftanlagen auf Halden und die Nutzung von           europäischen Energiepolitik, Inkonsistenzen und Konflikte
     Sonnenenergie, Biomasse oder Erdwärme an anderen               im Zielsystem, die zu starke Fokussierung der Energie-
     geeigneten ehemaligen Bergbaustandorten gute Chancen,          wende auf den Umbau der Stromerzeugung und das Fehlen
     zum Ausbau der erneuerbaren Energien beizutragen und           einer hinreichenden Energieeffizienzstrategie insbesondere
     neue Geschäftsfelder für das Unternehmen zu erschließen.       im Wärme- und Verkehrssektor. Kritisiert wurden außerdem
     Unter Umständen aussichtsreich erscheint auch die              die Vernachlässigung von anderen Umweltdimensionen
     Kombination mit Technologien zur Energiespeicherung            als den Treibhausgasemissionen – wie zum Beispiel der
     durch Pumpspeicherkraftwerke. In kleinerem Maßstab über        Flächeninanspruchnahme – oder die zu geringe Beachtung
     Tage, wie das bei den Projekten Sundern bei Hamm und           von Aspekten der Versorgungssicherheit, denn es gibt
     Luisenthal bei Völklingen geprüft wurde – hier fehlen jedoch   weder Indikatoren für die gesicherte Leistung an Strom-
     bisher investitionsbereite Partner – oder in größerem Maß-     erzeugungskapazitäten noch zum Diversifikationsgrad der
     stab unter Tage durch mehr als 1 000 m tiefe Schächte und      Energieimporte.
     Kavernen, was in einer gemeinsamen Machbarkeitsstudie
     der technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen von       Darüber hinaus entzündete sich eine heftige öffentliche De-
     der RAG mit Wissenschaftlern untersucht wird. So ließe         batte über die Kosten- und Preiseffekte der Energiewende.
     sich mit „altindustriellen“ Errungenschaften eine Brücke in    Im März 2013 hat der Bundesverband der Deutschen
     die Zukunft schlagen, und die Steinkohle könnte nicht nur      Industrie e.V. (BDI), Berlin, als Ergebnis der „Kompetenzini-
     auf der Nutzungsseite, sondern auch auf der Gewinnungs-        tiative Energie der deutschen Industrie“ Sofortmaßnahmen
     seite ein konstruktiver Partner der Energiewende sein.         zur Kostenbegrenzung gefordert und darüber hinaus einige
                                                                    strukturelle Maßnahmen empfohlen, um die Energie-
     Energiewende – Probleme und                                    wende „auf Kurs [zu] bringen“. Dazu gehören eine bessere
     Anforderungen aus Sicht der Industrie                          Koordination der Prozesse, die Einbeziehung Europas, eine
     Für den Dezember 2013 wird von der Bundesregierung der         schrittweise Anpassung des Strommarktdesigns, der intelli-
     zweite Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ erwartet,      gente Ausbau der Netze, die wirtschaftliche Steigerung der
     mit dem der Stand beziehungsweise Fortschritt der natio-       Energieeffizienz und das zielgerichtete Vorantreiben von
     nalen Energiewende erfasst werden und im Hinblick auf          Forschung und Entwicklung unter anderem in der Spei-
     das energiepolitische Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit,      chertechnologie. In diesem Kontext werden zum Beispiel
     Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit bewertet       auch Vorhaben für Pumpspeicherkraftwerke unter Tage auf

22
Standortbestimmung

  Erwartete Förderung der EEG-Stromerzeugung nach Energiequellen 2013
  Von den Verbrauchern im EEG-System zu tragende mittlere Differenzkosten je erzeugter kWh
  (ausgezahlte Vergütungen abzgl. vermiedener Netzentgelte und Vermarktungserlöse)

   ct/kWh
                                                                                                                     24,6
    25

    20                                                                                                 18,2

    15                                                                                   13,8
              12,1                                                          12,6

    10
                                                             4,9
     5                                        3,0
                              2,0

     0
            alle EEG- Deponie-, Klär-      Wasser-         Wind          Biomasse/      Wind       Geothermie Photovoltaik
            Anlagen u. Grubengase           kraft         onshore          -gase       offshore

                                                                                                   Quelle: nach Angaben BDEW 2013

stillgelegten Bergwerken, deren Infrastruktur so industriell            Energiebinnenmarkt Rechnung zu tragen. Dabei bleiben den
neu genutzt würde, begrüßt.                                             Mitgliedstaaten aber große Gestaltungsspielräume, die
                                                                        hierzulande für die Energiewende zu nutzen sind.
Dass es im Zuge der Energiewende große Handlungsnot-
wendigkeiten gibt und diese von der Industrie weitgehend                Aus Gründen der Versorgungssicherheit ist es in jedem Fall
zutreffend adressiert worden sind, hat die Politik einge-               auf der Erzeugungsstufe erforderlich, dass künftig neben
räumt. Im Frühjahr 2013 kamen Bund und Länder bei ihren                 den reinen Stromlieferungen („Energy only“-Markt) auch
Energiegesprächen überein, dass nach der Bundestagswahl                 Leistung zur Vorhaltung von konventionellen Ausgleichs-
„eine grundlegende Reform aller energiewirtschaftlich                   und Reservekapazitäten (Leistungs- oder Kapazitätsmarkt)
relevanten Regelungen“ anzustreben sei. Dies gelte vor                  entgolten wird. Damit es auch in Zukunft genügend
allem für die Förderung der erneuerbaren Energien, für                  gesicherte Leistung gibt, müssen wirksame Anreize für
die Entwicklung eines neuen tragfähigen Strommarktde-                   einen hinreichenden Bestand und Bau moderner thermi-
signs, für den Ausbau der Netze und der Speicher, für die               scher Kraftwerke sowie Speicher geschaffen werden.
Erhöhung der Energieeffizienz sowie für die Ausgestaltung               Versorgungssicherheit durch derartige strategische
des CO2-Emissionshandels. Was dessen Weiterentwicklung                  Ausgleichs- und Reservekapazitäten muss ein lohnenswer-
betrifft, ist allerdings klar, dass darüber nicht auf natio-            tes ökonomisches Gut werden, zugleich bedarf es einer
naler, sondern nur auf europäischer Ebene entschieden                   entsprechenden Bilanzkreisverantwortung unter ange-
werden kann. Auch andere Klimaschutzinstrumente sind                    messener Berücksichtigung auch von Transaktionskosten
nur im Rahmen einer internationalen Abstimmung und nicht                und Verbrauchsschwankungen. Dazu sind verschiedene
auf dem Weg nationaler Alleingänge sinnvoll.                            Modelle in der Diskussion (siehe Kasten „Marktdesign für
                                                                        eine ausreichende Versorgung mit Kraftwerksleistung und
Ebenso ist beim künftigen Strommarktdesign den europäi-                 Finanzierungslösungen für die erneuerbaren Energieträger“,
schen Rahmenbedingungen beziehungsweise der Kon-                        Seite 24 ff.). In der kommenden Legislaturperiode müssen
vergenz mit dem bis 2014 zu vollendenden Europäischen                   dazu adäquate Entscheidungen fallen.

                                                                                                                                     23
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