DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM - Von John Nichols

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DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM - Von John Nichols
DONALD TRUMPS
BRANDGEFÄHRLICHES
PROGRAMM
Von John Nichols
Table of Contents

    Eine echte Bedrohung für die amerikanische Demokratie............................................................1

    Donald Trumps brandgefährliches Programm
    Von John Nichols.................................................................................................................................2

         Das konservativste Programm der modernen Geschichte.....................................................3

         „Die alte Südstaatenstrategie auf Speed“...................................................................................5

         Der Marsch der Republikaner nach rechts................................................................................6

         „Konservatismus ohne Gewissen“ – Weshalb Trumps Vorhaben
         kaum hinterfragt werden.............................................................................................................8

         Trumps Autoritarismus...............................................................................................................11

         Grundlage des Kriegshaushalts: Der Zweck heiligt die Mittel.................................................13

         Welche Einschnitte: Details in Trumps Haushaltskürzungen..................................................16

         Eisenhower: „Wir begrüßen jede ehrlich gemeinte Friedensinitiative“..................................18

         Politik für die Wenigen durch Demokratieabbau.....................................................................20

         Medienpolitik und der Angriff auf die Netzneutralität.............................................................21

         „Manipulierte Wahlen“ und Wahlrechtsentzug.........................................................................24

         Der Kampf gegen ein „Problem“, das gar nicht existiert..........................................................25

         Hört endlich auf, Trump zu unterschätzen!..............................................................................29

Veröffentlicht von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, Oktober 2017

Herausgeber: Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg
Adresse: 275 Madison Avenue, Suite 2114, New York, NY 10016
E-Mail: info.nyc@rosalux.org; Telefon: +1 (917) 409-1040

Gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine international tätige, progressive Non-Profit-Organisation für
politische Bildung. In Zusammenarbeit mit vielen Organisationen rund um den Globus arbeitet sie für
demokratische und soziale Partizipation, die Ermächtigung benachteiligter Gruppen, Alternativen zur
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und für friedliche Konfliktlösungen.

Das New Yorker Büro erfüllt zwei Hauptaufgaben: sich mit Themen der Vereinten Nationen zu befassen
und mit nordamerikanischen Linken in Hochschulen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der
Politik zusammenzuarbeiten.
                                         www.rosalux-nyc.org
Eine echte Bedrohung für die amerikanische Demokratie

Inmitten der surrealen und sich rasant überschlagenden Ereignisse ist es in Donald Trumps Amerika
mitunter schwer zu unterscheiden zwischen dem, was geradezu lächerlich, und jenem, was todernst
ist. Ist Trumps letzter Tweet bloß irgendein Hirngespinst, ein zynisches Ablenkungsmanöver oder
aber die nahe Zukunft der US-amerikanischen Politik? Wie kann man mit einer derartigen Quelle, die
tagtäglich für neue Empörung sorgt, einen klaren Kopf bewahren hinsichtlich der größten, von sei-
ner Regierung verursachten Gefahren? Eines jedenfalls sollte uns klar sein: Der Reality-TV-ähnlichen
(Selbst-)Darstellung zum Trotz dürfen wir nicht übersehen, dass die Gefahren – von Kürzungen im
Gesundheitswesen bis hin zu einem Krieg mit Nordkorea – überaus real sind.

Der Autor John Nichols, Washington-Korrespondent der Wochenzeitschrift „The Nation“, hat be-
reits mehrere Analysen für unser Büro verfasst, darunter die im letzten fehr erschienene Studie
“Der Anfang vom Ende? Demokraten, Republikaner und die Krise der US-Politik“ (Oktober 2016). Sein
im Titel der nun vorliegenden neuen Untersuchung angedeutetes Thema ist die brandgefährliche,
weil beunruhigend kohärente, Agenda Präsident Trumps, die Nichols mit Blick auf Militarismus, Aus-
teritätspolitik, soziale Spaltung, die Unterdrückung von Wählern und den rechten Autoritarismus
aufzeigt.

Während manche Beobachter erklären, Trump sei im Grunde „unideologisch“, verficht Nichols die
gegensätzliche These, der zufolge der Präsident in Wirklichkeit die starre Ideologie eines „Konser-
vatismus ohne Gewissen“ vertritt. Er beschreibt akribisch die einzelnen Schritte der Regierung zur
Umsetzung der Trump-Agenda und bringt damit Licht ins Dunkel der Ungewissheit, die die politische
Landschaft im vergangenen Jahr geprägt hat. Nichols geht ausführlich auf die wichtigsten politischen
Schritte und Ernennungen ein, die die amerikanische Politik seit Trumps Wahl geprägt haben – und
er zeigt einen Präsidenten, der sich zunehmend einer radikal rechten Basis mit einer äußerst klaren
(und erschreckenden) Vorstellung für die Zukunft Amerikas verpflichtet hat.

Nichols lässt keinen Zweifel daran, dass diejenigen, die Trump als einen „überparteilichen“ Poli-
tiker betrachten oder als Witzfigur abstempeln, einem Trugbild aufsitzen und die seit Generationen
größte Gefahr für die amerikanische Demokratie unterschätzen. Was zu tun ist, steht fest: Wir müs-
sen die vor uns liegenden autoritären Gefahren verstehen und eine Strategie entwickeln, die dem
Widerstand zum Sieg verhilft.

                                                             Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg
                                                             Leiter des Büros New York, Oktober 2017

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Donald Trumps brandgefährliches Programm
Von John Nichols

Als Donald Trump im Sommer 2017 ein halbes             ideologisch noch recht dünnhäutig war. Aber
Jahr im Amt war, stellten Meinungsforscher der         als Präsident ist er es nicht mehr. Der kluge po-
Quinnipiac University einer Gruppe von Ame-            litische Kommentator Doyle McManus schrieb
rikanern die Frage: „Welches Wort kommt Ih-            dazu in der „ Los Angeles Times“: „Einen Teil
nen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Donald         seines verrückten Genies macht die Tatsache
Trump denken?“ Die häufigste Antwort war „Idi-         aus, dass er gar nicht so unkonventionell ist,
ot“, gefolgt von „inkompetent“ und „Lügner“.           wie er tut.“
Auch „unqualifiziert“, „Clown“ und „Arschloch“
wurden genannt. Außerdem bezogen sich die              Trump hat sich eine klar umrissene und ideo-
Antworten auf Trumps Geschäftstätigkeit als            logisch starre politische Philosophie zu eigen
Immobilienmogul und TV-Prominenz, bevor er             gemacht, die er unter konventionellen und
Präsident war. Dabei fielen Worte wie „reich“,         unkonventionellen politischen Aspekten um-
„Business“ und „Verhandlungsführer“.                   zusetzen versucht. Fast die gesamte republi-
                                                       kanische Partei hat sich, auch wenn die Partei-
Von den 46 Zuschreibungen, die in den Ant-             führung darüber nörgelt, auf dieses Programm
worten der Befragten mindestens fünf Mal fie-          verpflichten lassen. Er setzt sich dafür mit ei-
len, bezog sich kein einziges auf Trumps Welt-         nem Haushalt ein, den man als zentrales Do-
anschauung, Parteizugehörigkeit oder Politik.          kument seiner Regierung betrachten kann und
Die Umfrage verdeutlicht, wie sehr Trump wei-          auch muss. Außerdem bemüht er sich um die
terhin als Star aus der Unterhaltungsbranche           Spaltung und Entmachtung der Opposition, um
und nicht als führender Politiker wahrgenom-           seine abstoßenden Vorhaben durchzubringen.
men wird. Bis heute gilt der US-Präsident auch
in der Meinung vieler Medien und folglich im           Trump lässt sich also zunehmend von ideolo-
gesellschaftlichen Diskurs als ungezogener Fle-        gischen Motiven leiten und wird dabei immer
gel und als gigantisches Es ohne jegliche Orien-       mehr zum Parteipolitiker. Seine Positionen
tierung, ohne Programm oder Vorstellung.               versucht er, pragmatisch durchzusetzen. Erst
                                                       wenn man Trump dahingehend durchschaut
Solcherlei Kritik an Trump ist weit verbreitet,        hat, lässt sich eine Opposition auf die Beine
führt als Erklärungsversuch aber in die Irre.          stellen, die dieser rechten Dampfwalze, die ja
Die weit verbreitete Tendenz, Trump als igno-          viel größer ist als Trump, effektiv etwas entge-
ranten Stümper abzutun, entspringt sicherlich          gensetzen kann.
der allzu berechtigten Furcht vor ihm wie auch
der Abscheu, die Viele vor ihm haben. Dennoch          Trumps Ideologie, der „Trumpismus“, ist eine
hat diese verengte Sichtweise mehr mit politi-         grobschlächtige Variante des althergebrachten
scher Projektion denn mit der Wirklichkeit zu          amerikanischen Konservatismus, der wiede-
tun, weil ihr keine gründliche Untersuchung            rum selbst eine grobschlächtige Variante des
dieses Mannes und seiner Mission vorausge-             Konservatismus ist, wie er im Rest der Welt
gangen ist. Es mag ja sein, dass der politische        vertreten wird. Trump und seine Unterstüt-
Neuling Trump in der Übergangsphase vom Re-            zer, die große Mehrheit der Republikaner im
ality-TV-Host zum Präsidentschaftskandidaten           Abgeordnetenhaus und im Senat darin einge-

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schlossen, sind Anhänger der Austeritätslehre,       und Flüchtlinge, zynische Angriffe auf die freie
die auch die traditionellen konservativen Un-        Presse als „dem Feind des Volkes“ und das sehr
ternehmer und die neoliberalen Modernisierer         ambitionierte Ziel, die demokratischen Rechte
vertreten. Aber das ist nicht alles.                 einzuschränken. Er hat mehrmals behauptet,
                                                     das Wahlrecht sei viel zu freizügig – und das
Sie kombinieren Strategien, mit deren Hilfe          in einer Republik, in der nur knapp die Hälfte
der Reichtum strukturell von unten nach oben         der erwachsenen Bevölkerung an Präsident-
verschoben werden soll, mit einem Programm,          schaftswahlen teilnimmt.
das den Kosmopolitismus, die Zivilgesellschaft
und die Funktionsfähigkeit der Demokratie            Als der populistische „Chefstratege“ Steve
untergräbt. Viel deutlicher als seine Vorgän-        Bannon im August entlassen wurde, war es
ger aus der Nachkriegszeit hat Trump jeden           im Weißen Haus mit der freihandelskritischen
Anschein fallen lassen, er wolle zwischen der        und isolationistischen Politik, die man im Wahl-
Binnennachfrage und den schrankenlosen For-          kampf nicht zuletzt um der Wechselwähler-
derungen, die die neuen Kalten Krieger des 21.       stimmen willen angekündigt hatte, auf einmal
Jahrhunderts stellen, irgendeine Balance her-        vorbei. Immer deutlicher wird, dass die Wirt-
stellen. Der Präsident setzt sich offensiv für       schaftspolitik der Trump-Regierung von Wall-
einen noch weiter aufgeblähten militärisch-in-       Street-Lobbys und nicht von Gewerkschaften
dustriellen Komplex ein, der zulasten einhei-        beeinflusst ist. Die Leiterin von Global Trade
mischer und lebenwichtiger Sozialprogramme           Watch in der Nichtregierungsorganisation
geht. Gleichzeitig nehmen Trump und sein Au-         Public Citizen, Lori Wallach, ist angesichts der
ßenminister, der ehemalige ExxonMobil-Chef           „Trumpschen Handelsheuchelei“, wie sie dazu
Rex Tillerson, zunehmend Abstand von Diplo-          sagt, sehr besorgt. Sie verweist auf die wach-
matie und internationalen Verbindlichkeiten.         sende Kluft zwischen der Rhetorik und der Po-
                                                     litik des Präsidenten:
Nichts kann oder sollte Trumps Agenda ver-
                                                       Man darf nicht vergessen, was er für alle hör-
schleiern. Es handelt sich um die Herrschaft           bar laut und deutlich gesagt hat: ‚Ich werde
der Reichen und Mächtigen, die im Interesse            Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland
der Reichen und Mächtigen regieren. Auch               verlagern, bluten lassen.‘ Und er drohte dem
wenn Trump als Milliardär und Populist Wahl-           in Indiana produzierenden Hersteller Carrier:
                                                       ‚Verlagert die Jobs bloß nicht von Indiana nach
kampf machte, hob er doch ein Regierungs-
                                                       Mexiko.‘ Und dann machte Carrier genau das mit
programm aus der Taufe, das ausschließlich             1200 bis 2000 Jobs. Und was ist dem Unterneh-
im Sinne der Milliardäre ist. Von seinem Popu-         men passiert? Keine Strafe, nichts dergleichen,
lismus übrig geblieben sind rassistische und           im Gegenteil: Unter der Trump-Administration
ausländerfeindliche Attacken auf Einwanderer           erhielt es 15 neue lukrative Regierungsaufträge.

Das konservativste Programm der modernen Geschichte

Vieles Trumpsche Programmpunkte waren be-            Nominierungswahlkampf die Kontrolle über
reits im Wahlprogramm der Republikaner von           die Partei an sich gerissen. Der evangelikale
2016 nachzulesen. Der Milliardär hatte nach          Christ, Politaktivist und Autor David Barton
seinem disruptiven und dann maßgeblichen             erklärte im Sommer 2016, bei dem Doku-

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ment handele es sich um „das konservativs-             die in der Vergangenheit eine gemeine Spal-
te Programm in der modernen Geschichte“.               tungspolitik betrieben haben, um Rassimus
Tatsächlich sind die Kabinettsnominierungen            und Fremdenfeindlichkeit anzuheizen (etwa
und die Ernennungen zu Schlüsselposten in              Politikberater Stephen Miller und der inzwi-
der Judikative und im Regulationsbereich be-           schen geschasste stellvertretende Präsiden-
merkenswert konkrete Belege dafür, dass sich           tenberater Sebastian Gorka).
diese Regierung nicht nur den Interessen von
Unternehmen verpflichtet und dem „social               Nun ist es weltweit in der modernen Ära ja kei-
conservatism“, das heißt dem religiös gepräg-          ne Seltenheit, dass Länder den Weg des Korpo-
ten Wertkonservatismus, verbunden fühlt,               ratismus und Militarismus einschlagen, statt
sondern dass sie bereit ist, mit aller Macht für       auf menschliche Grundbedürfnisse und Demo-
Spaltung und Demokratieabbau zu sorgen.                kratie zu setzen. Auch die USA haben in der Ver-
Gleichzeitig beweist der Haushalt des Präsi-           gangenheit immer wieder solch gefährliches
denten, dass die Regierung Sozialprogramme             Neuland betreten, etwa unter den Präsiden-
zu opfern bereit ist, um den militärisch-indust-       ten Ronald Reagan und George W. Bush, aber
riellen Komplex noch weiter zu vergrößern.             auch unter demokratischen Präsidenten, die zu
                                                       sehr auf Krieg aus waren und die Bedürfnisse
Obwohl Trump als Außenseiter kandidier-                im eigenen Land hintanstellten. In der Hinsicht
te und dabei häufig die Interessen von Ban-            spricht viel für das Argument, Präsident Lyndon
ken, internationalen Großunternehmen und               Johnsons hektischer Kriegseintritt in Vietnam
Wall-Street-Spekulanten anprangerte, stellt er         habe das New-Deal-artige Bündnis, das ihm
eine Regierung voller Investmentbanker und             1964 einen Kantersieg bescherte und aus dem
Bankbürokraten zusammen. Gary D. Cohn,                 er die „Great Society“ zimmern wollte, wieder
der ehemalige Präsident und Generaldirektor            platzen lassen.
von Goldman Sachs, wurde Trumps Chef-Wirt-
schaftsberater und leitet das National Econo-          So richtig es ist, die Ausübung eines Präsiden-
mic Council. Steven Mnuchin, der früher IT-            tenamtes immer in ihrem jeweils eigenen Kon-
Geschäftsführer bei Goldman Sachs sowie                text zu begreifen, so wichtig ist der Hinweis,
Hedgefonds-Manager war, ist jetzt Finanzmi-            dass das Trump-Interregnum etwas eigenes
nister. Jay Clayton, Ex-Wall-Street- und Banken,       darstellt. Denn dieser Präsident geht sehr viel
leitet heute die Securities and Exchange Com-          weiter als seine allerkonservativsten Vorgän-
mission, eine Behörde, die eigentlich die Wall         ger, um der rechten Stammwählerschaft der
Street und die Bankenbranche regulieren soll.          Republikaner Genüge zu tun. Er hofiert die
In anderen hohen Regierungsämtern befinden             extremsten und gefährlichsten Strömungen
sich Milliardäre (etwa Bildungsministerin Betsy        der gegenwärtigen konservativen Bewegung –
DeVos und Handelsminister Wilbur Ross) und             und ist noch viel eher als die republikanischen
Chefs von Großunternehmen (Außenminister               Präsidenten Richard Nixon und Ronald Reag-
Rex Tillerson von Exxon und Linda McMahon              an willens, ethnische und soziale Spaltungen
von WWE als Leiterin der Small Business Ad-            herbeizuführen und sie für politische Zwecke
ministration), außerdem Generäle, die sich als         auszuschlachten. Nixon versuchte dies in den
aggressive Krieger mit einer Vorliebe für gigan-       spätern 60er und frühen 70er Jahren mit der
tische Militärbudgets hervorgetan haben (Ver-          Rhetorik von der „südlichen Strategie“ und der
teidigungsminister James Mattis, der nationa-          „schweigenden Mehrheit“, während Reagan
le Sicherheitsberater H. R. McMaster und der           über die schreiende soziale Ungleichheit, die
Stabschef des Weißen Hauses John Kelly), und           sich aus seiner „Trickle-down“- und Deregulati-
schließlich autoritäre Demokratieverächter,            onspolitik ergab, einfach hinwegsah.

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„Die alte Südstaatenstrategie auf Speed“

Ins Schwarze traf die Überschrift in einem            Maße schwindet ihre Skepsis, da der Präsident
Artikel von Conor Lynch auf der Online-Nach-          Hardliner-Generäle auf Schlüsselposten hievt
richtenseite „Salon“: „Donald Trump verkör-           und massive Haushaltsaufstockungen für das
pert die alte Südstaatenstrategie auf Speed.          Pentagon vorgeschlagen hat.
Weshalb seine Kandidatur der Höhepunkt von
jahrzehntealter rechter Hetze ist.“ Trumps An-        Wirtschaftskonservative und Rüstungsunter-
griffe auf Diversität und Demokratie sind sehr        nehmen üben in den oberen Etagen der Repu-
viel bedrohlicher als alles, was Nixon oder Re-       blikanerpartei eine immense Macht aus. Wert-
agan in dieser Beziehung jemals im Programm           konservative wiederum sind ein einflussreiches
hatten. Denn der 37. und der 40. Präsident wa-        Wählersegment. An ihre autoritäre Neigungen
ren politische Karrieristen mit einem reichen         appelliert Trump immer wieder. Das gefährli-
Erfahrungsschatz aus ihren Wahlkämpfen und            che Gemisch, das er offeriert, besteht aus der
aus ihrer Regierungstätigkeit und mit einiger-        offen zur Schau getragenen Geringschätzung
maßen konventionellen Sichtweisen, was all-           von Journalismus und Wissenschaft („die ha-
zu riskante politische Grenzüberschreitungen          ben keine Ahnung“), Stimmungsmache gegen
anging – auch wenn beide doch moralisch ver-          Einwanderer, Verständnis für den Rassismus
sagten und Gesetze brachen, was letztendlich          der „Neo-Konföderation“, einer neu aufgeleg-
lange Schatten auf ihre Amtstätigkeit warf.           ten Rhetorik vom „Krieg gegen die Drogen“,
                                                      der Ablehnung jeglicher Strafrechtsreform,
Die Gefahr, die Trump darstellt, und seine            der Missachtung der Rechte von Frauen und
Macht speisen sich aus derselben Quelle –             LGBTQ-Menschen, einer strategisch angeleg-
auch wenn er dauernd in Skandale verwickelt           ten Wählerbeeinflussung und dem Vorgehen
ist und in dem Chaos, das er anrichtet, unter-        gegen anderslautende Meinungen, das bei der
zugehen scheint. Bei den etablierten Republi-         Sprache und Taktik der antikommunistischen
kanern war er anfangs zwar nicht beliebt, aber        Hexenjagd („Red Scare“) Anleihen macht.
er verwandelte sich in das Aushängeschild der
Partei. Dazu wurde er, indem er die großen            Im Unternehmerflügel der Republikaner gab
Flügel der modernen konservativen Bewegung            es immer viele Kräfte, die die grausamen und
zusammenführte. Seit den 1970er Jahren führ-          wirklich ungewöhnlichen Anliegen der Wert-
ten sie die Partei an, als loses und oft schwer       konservativen ablehnten oder zumindest zu
miteinander zu vereinbarende Strömungen.              beschwichtigen versuchten. Der Sprecher des
Auf den Trump-Zug aufgesprungen sind auch             Repräsentantenhauses, Paul Ryan, verlieh die-
außergewöhnlich zynische Kräfte aus der               ser Altherrenhaltung Ausdruck, als er einen
Wirtschaft sowie religiöse Fanatiker. Erstere         von Trumps ethischen Schnitzern mit dem Satz
verstehen die Regierung als Steinbruch, aus           „Er ist doch noch ganz neu“ entschuldigte. An-
dem sie sich selbst und ihre Geschäftspartner         ders als konservative Politkarrieristen, die die
bedienen. Letztere haben die Ausübung von             Kunst der Schönfärberei beherrschen – etwa
Macht, um anderen ihren Willen aufzuzwin-             indem sie einem grausamen Plan, der 24 Mil-
gen, zu ihrem politischen Prinzip erhoben. Das        lionen Amerikaner ohne Krankenversicherung
sehen die Militaristen ebenso. Zwar waren sie         lässt, die beruhigende Überschrift „American
Trump gegenüber anfangs skeptisch, und eini-          Health Care Act“ geben –, sagte Ryan, Trump
ge sind nach wie vor ungehalten über Trumps           sei „mit den Abläufen noch nicht lange genug
Unberechenbarkeit. Doch in zunehmendem                vertraut.“

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Anders gesagt: Nicht Trumps Worte und Taten            dem Online-Magazin „Politico“ einen Monat
sind aus der Sicht seiner erfahreneren Wegbe-          nach der Amtsübernahme, „und die konserva-
reiter das Problem, sondern die Art und Weise          tive Bewegung ist Trump.“
der Darbietung.
                                                       Heute verteidigen Konservative, die einst als
Seit Trump im Juni 2015 seine Kandidatur an-           „Never-Trump“-Republikaner galten, den Mann
kündigte, meckern republikanische Insider              und sein Programm. Man muss nur den Sena-
über seine Ecken und Kanten und seine Ell-             tor aus Utah Mike Lee fragen. Den gesamten
bogenmentalität. Aber nach und nach finden             Wahlkampf 2016 über maulte er über Trump.
sie sich damit ab, dass er nicht bloß einer aus        Im Juli 2017 sagte er Folgendes: „Wann immer
ihren Reihen, sondern ihr Anführer ist. „In            es einen republikanischen Präsidenten gibt,
vielerlei Hinsicht stellt Donald Trump jetzt die       verstehen wir diese Person auch als Chef der
konservative Bewegung dar“, sagte der repu-            republikanischen Partei. Das ist auch heute der
blikanische Meinungsforscher Jim McLaughlin            Fall, würde ich sagen.“

Der Marsch der Republikaner nach rechts

Wie passt das zusammen? Die Bindemittel                ziplinierter wurden. Die Republikaner im Kon-
sind wohl Parteisoldatentum und politischer            gress begannen mit der Totalverweigerung am
Zynismus. Aber es handelt sich dabei um                ersten Tag nach der Amtsübernahme durch
nichts Neues. Seit den 1960er Jahren rücken            den afroamerikanischen Präsidenten. Gleich-
die Republikaner nach rechts, wobei sie wirt-          zeitig begannen republikanische Gouverneu-
schafts- und gesellschaftspolitisch immer ext-         re und Parlamentarier mit der Strategie der
remere Positionen einnehmen. Die Moderate-             Wählerunterdrückung, die republikanischen
ren unter ihnen werden dabei bei Vorwahlen             Kandidaten Vorteile verschafft. Beispiele sind
besiegt oder an die Ränder gedrängt – oder             verschärfte Regelungen bei der Wählerregis-
in vielen Fällen gleich ganz ausgebootet. Üb-          trierung, Einschränkungen bei der Briefwahl
rig bleibt dann eine Partei mit einer ideologi-        und das sogenannte Gerrymandering. Damit
schen Extremhaltung. Seit 1992 erhielt nur ein         werden Grenzen von Wahlkreisbezirken mani-
einziger Republikanerkandidat, nämlich Geor-           puliert, um es republikanischen Amtsinhabern
ge W. Bush, mehr als die Hälfte der Stimmen.           gegenüber der Konkurrenz leichter zu machen.
Und auch er gewann im Jahre 2004 mit 50,7              Die Folgen wogen schwer: Im Jahr 2012 erhiel-
Prozent nur ganz knapp die Oberhand. Vier              ten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus
Jahre später sackte der Kandidat auf 45,7 Pro-         demokratische Kandidaten 1,4 Millionen Stim-
zent ab. Der Demokrat Barack Obama räumte              men mehr als republikanische. Und trotzdem
ab. Politikexperten sprachen schon von einer           wurden den Republikaner 234 Sitze und den
Verschiebung des politischen Koordinatensys-           Demokraten nur 201 zugeschrieben.
tems hin zur linken Mitte.
                                                       Das System auf diese Weise zu überlisten, wur-
Tatsächlich brachte Obamas erster politischer          de nach einer Reihe von Entscheidungen des
Erfolg die beiden Flügel der Republikaner zu-          konservativen Obersten Gerichts zu einer re-
sammen, die auf diese Weise und dadurch dis-           gelrechten Obsession der Republikaner. Zum

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einen wurden viel höhere Wahlkampfspenden                      nerie (einer Kombination aus harscher rechten
zugelassen, wodurch konservative Milliardäre                   Wahlkampfrhetorik und einer aggressiver Ein-
zu den wichtigsten Wahlkampfspendern wur-                      flussnahme auf die Wahlen selbst) die politische
den und ihren Einfluss auf die Partei erhöhten.                Macht erlangen und behaupten, von dieser Po-
Zum anderen demontierte das Gericht den                        sition der Stärke aus den Staat selbst in eine
Voting Rights Act und damit die Schutzmaß-                     politische Maschine umzufunktionieren. Diese
nahmen für Wähler aus ethnischen Minderhei-                    politische Maschine funktioniert wie jene in vie-
ten, die eher demokratisch wählen. Die Inter-                  len US-Großstädten zu Beginn des 20. Jahrhun-
essensgruppen, die sich auf die Republikaner                   derts, indem sie ihre Freunde belohnt und ihre
verlassen, um ihre Vorstellungen von Wirt-                     Feinde bestraft. Die ertragreichste Ernte fahren
schafts- und Sozialpolitik durchzusetzen, er-                  dabei jeweils die Wirtschaftseliten ein. Aber da-
zielten zwar nicht bei jedem Programmpunkt                     neben vergibt die Maschine auch Belohnungen
einen Konsens, waren sich aber darin einig,                    an bestimmte Segmente von Schlüsselwählern,
dass um jeden Preis gewonnen werden müsse.                     die man zum Machterhalt bei der Stange hal-
In einem Kommentar der Redaktion der „New                      ten muss – vor allem die Wertkonservativen. Sie
York Times“ hieß es im Frühjahr 2016 deshalb:                  waren begeistert, als der Präsident den reaktio-
                                                               nären Juristen Neil Gorsuch für das Oberste Ge-
  Die moderne politische Lehrmeinung besagt, dass              richt nominierte. Sein Leben lang hatte er sich
  die republikanischen Wahlsiegaussichten umso                 der rechten Sache und ihren politischen Vorstö-
  mehr steigen, je geringer die Anzahl der tatsächli-
                                                               ßen gewidmet.
  chen Wähler ist. Konservative wissen das seit Lan-
  gem. Darin liegt eine Erklärung für ihre verstärk-
  ten Anstrengungen, das Wählen zu erschweren                  Natürlich werden dabei diejenigen, die sich
  oder einer großen Anzahl von Menschen die                    dem politischen Projekt dieser Maschinerie
  politische Repräsentation gänzlich zu versagen.              verweigern, bestraft – etwa indem einzelne
                                                               Journalisten und ganz allgemein die freie Pres-
Das konservative Lager hatte sich schon neu                    se permanent angegriffen oder ethnische und
aufgestellt, bevor Donald Trump das politi-                    religiöse Minderheiten mit Stereotypen, die
sche Parkett betrat. Allerdings machte sich die                dann Programmatik annehmen, überzogen
Grand Old Party von Abraham Lincoln, Teddy                     werden. Dann erfolgen scharfe Kürzungen von
Roosevelt und Dwight Eisenhower durch einen                    grundlegenden sozialpolitischen Programmen
politischen Störenfried wie Donald Trump in                    und die Abschaffung von Vorhaben, die von
ganz besonderer Weise angreifbar. Er war es,                   der Armutsreduzierung bis zum Klimawandel
der Verschwörungstheorien wie die von den                      reichen. Der Präsident hat sogar den FBI-Di-
angeblich gestohlenen Wahlen oder vom ille-                    rektor entlassen, als der sich ihm in den Weg
galen Wählen, die das Brennan Center for Ju-                   stellte.
stice als „völlig ohne Grundlage“ bezeichnete,
übernommen und verbreitet hatte. Trump er-                     Führende Republikaner zucken bei Trumps un-
weckte darüber hinaus bewusst den Eindruck,                    gehobelten Aussagen, seinen Interessenskon-
er werde sich, einmal an der Regierung, mit al-                flikten, wenn er die Justiz behindert oder be-
ler verfügbaren Macht in den Einzelstaaten wie                 wusst moralische Grenzen überschreitet, nach
auf der Bundesebene schützend vor die Errun-                   wie vor zusammen. Allerdings freuen sie sich
genschaften der Republikaner stellen.                          über Trumps Bereitwilligkeit, das System zu ih-
                                                               ren Gunsten auszutricksen. Das wurde beson-
Trump vereinte Republikaner unterschied-                       ders deutlich, als er einen an Orwell erinnern-
licher Strömungen zu einem gemeinsamen                         den „Präsidentenausschuss für anständige
Zweck: mit Hilfe der modernen Wahlmaschi-                      Wahlen“ einrichten ließ. Den Vorsitz haben der

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voreingenommene Parteisoldat und Vizepräsi-            seiner Verbündeten – sich eingestehen wollen.
dent Mike Pence sowie der Secretary of State           Dem soll in dieser Studie auf den Grund ge-
von Kansas Kris Kobach inne, ein einwanderer-          gangen werden. Es geht um eine Analyse der
feindlicher Hetzer und Befürworter von schär-          abstoßendsten Aspekte seiner Vorhaben, dar-
fereren Gesetzen bei der Wählerregistrierung.          unter auch der drastischen Umschichtung des
Die American Civil Liberties Union bezeichnet          Staatshaushalts zugunsten von Militarismus,
ihn als „König der Wahlbeeinflussung“. Inner-          Korporatismus, Austerität und einer „rechten
halb weniger Wochen nach Trumps Amtsüber-              Sozialtechnik“, wie der ehemalige Sprecher
nahme initiierte Kobach einen „beispiellosen           des Repräsentantenhauses Newt Gingrich es
Angriff auf die Rechte von Wählern“, wie es in         nannte. Trumps autoritäre Vorhaben haben
der Zeitschrift „The Nation“ im Sommer 2017            ihre Wurzeln in einer Ideologie, die heute als
hieß. Die Zeitschrift führte Folgendes aus: „Wir       normaler Mainstream-Konservatismus gilt.
erleben den Anfang einer US-weiten Kampa-              Und trotzdem gehen sie darüber hinaus. Denn
gne zur Beschneidung von Wählerrechten, an-            die politischen Prioritäten sollen so ausge-
geführt vom Weißen Haus und durchgewinkt               richtet werden, dass die Opposition gegen die
von Kongress und Justizministerium.“ Die Zeit-         Haushaltspolitik bei Wahlen geschwächt und
schrift „Rolling Stone“ beobachtete Folgendes:         auf Dauer ihrer Schlagkraft beraubt wird.
„Die USA haben eine hässliche Geschichte von
rassistisch diskriminierenden Wählergesetzen.          Trumps irrationale und unberechenbare Äuße-
Wem Beweise nicht egal sind, der kann unmög-           rungen sind erschreckend. Noch erschrecken-
lich bestreiten, dass es sich hier um ein neues        der ist allerdings, wenn er Klarheit an den Tag
Kapitel handelt.“                                      legt – etwa bei seinen Vorhaben als Präsident.
                                                       Denn Trump und seine Verbündeten wissen ge-
Im Ganzen betrachtet sind Trumps Vorhaben              nau, wohin sie mit Amerika wollen. Und diese
gruselig. Sie sind darüber hinaus in ideologi-         Absicht verfolgen sie weitaus aggressiver und
scher Hinsicht viel kohärenter und politisch           erfolgreicher als bisher allgemein zugegeben
konkreter als seine Kritiker – darunter viele          wird.

„Konservatismus ohne Gewissen“ – Weshalb Trumps Vorhaben
kaum hinterfragt werden

Amerikanische Medien haben die ungute Nei-             nehmen deshalb eher den Mann im Weißen
gung, statt über Themen und Ideologien von             Haus als den Regierungsprozess ins Blickfeld.
Politikern über deren Persönlichkeit zu be-            Präsidenten werden weniger als Anführer
richten. Das Phänomen ist nicht neu. Denn              denn als Markenzeichen abgehandelt, wobei
zum einen ist das Präsidentenamt „imperial“            Ideen und Politik nur noch als Ausdruck dieses
geworden, um einen Begriff des Historikers             Markenzeichens gelten. Präsidenten werden
Arthur Schlesinger Jr. zu verwenden. Zum an-           nicht mehr nach ihren eigenen Verdiensten
deren gibt der Kongress seine von der US-Ver-          oder Fehlschlägen beurteilt.
fassung festgelegte Rolle als Institution von
Checks-and-Balances gegenüber dem Präsi-               Nun ist Donald Trump ein Produkt des Enter-
denten zunehmend auf. Die Fernsehsender                tainment-Zeitalters und ein Meister im Um-

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gang mit alten und neuen Medien wie Fern-               Trumps Zynismus löste bei rechten Radio-Talk-
sehen und Twitter. Von daher überrascht es              show-Moderatoren und konservativen Puris-
kaum, dass er seine Opposition bei den Repu-            ten noch mehr Zynismus aus. Denn sie dach-
blikanervorwahlen und bei der sich anschlie-            ten, bei dem zum dritten Mal verheirateten
ßenden allgemeinen Wahl ausschalten konnte.             Playboy aus Manhattan handele es sich um
                                                        einen liberalen Wolf im Schafspelz, der die
Diese Politik, die sich weitgehend auf die Person       Kontrolle über eine Partei übernehmen wolle,
beschränkt, machte Trumps Medienmanipu-                 die in Wirklichkeit auf dem Land, im US-Süden
lationen und seinen Griff nach der Macht erst           und -Westen auf starke Unterstützung zählt.
möglich. Dennoch: Die „politics of personality“         Sie malten sich sogar aus, er würde bei even-
reicht als Erklärung, weshalb Trump der Kandi-          tuell auftretenden Schwierigkeiten aus dem
dat der Republikaner und dann Präsident wur-            Wahlkampf wieder aussteigen. Dasselbe mei-
de, keinesfalls aus. Denn seine Kandidatur war          nen auch heute noch Manche, wenn Trump in
zu jeder Zeit ideologisch gefärbt. Er begann mit        Schwierigkeiten steckt: dass er das Weiße Haus
einer einwanderer- und islamfeindlichen The-            verlassen und in den Trump Tower zurückkeh-
mensetzung. Sie wurde auf dem rechten Flügel            ren würde. Tatsächlich aber gibt Trump nicht
der Republikanerpartei so beliebt, dass Main-           freiwillig auf. Er ist einer, der obenauf bleibt. Er
stream-Konservative selbst die bescheidensten           blieb immer obenauf, indem er sich selbst neu
Ansätze, die eine Einwanderungsreform auf               erfand – wenn es der jeweilige Umstand, das
den Weg hätten bringen können, wieder ad acta           jüngste Immobiliengeschäft oder der Vertrag
legten. Außerdem ließen sie Vorschläge fallen,          mit dem TV-Sender gerade erforderten.
die eine sinnvolle humane Antwort auf die syri-
sche Flüchtlingskrise gewesen wären.                    Wie schon als Kandidat stützt er sich, um die
                                                        Nase vorne zu behalten, auch als Präsident
Da Trump nie ein Parteifunktionär oder Bewe-            auf absolut loyale Anhänger. Sie stehen ihrem
gungskonservativer war, unterzog er sich aus            Mann weiterhin treu zu Diensten, selbst wenn
reinem Opportunismus der Nagelprobe der                 seine Heuchelei und Unmoral unübersehbar
Rechten – und bestand sie. Davor hatte er an            sind und seine Korruptheit keiner Bestäti-
demokratische Kandidaten und liberale Initia-           gung mehr bedarf. In der Mitte des politischen
tiven Wahlkampfgelder gespendet und war im              Spektrums wäre er mit seiner Show als über-
Vorwahlkampf von Senator Ted Cruz aus Texas             parteilicher „Problemlöser“ niemals angekom-
wegen seiner „New-York-Moral“ angegriffen               men. Einzig die Rechten ließen ihm von Beginn
worden. Jetzt war er auf einmal gegen das Recht         des Wahlkampfes an bis heute als Präsident
auf Abtreibung und verdammte Planned Parent-            ihre Loyalität zuteil werden – gedankenlos, un-
hood. Er befürwortete aggressive Polizeimaß-            beugsam und kontinuierlich. Deshalb bewegt
nahmen und verurteilte die Black-Lives-Mat-             sich Trump unwiderruflich nach rechts. Die
ter-Bewegung. Er rief zur Abschaffung der               Mitte respektiert ihn nicht, die Linke verachtet
US-weit geltenden Mindestlohnregelung auf,              ihn. Trump wurde zum beinharten Rechten. Er
bekundete seine Sympathien für die gewerk-              ist ein zynischer, aber überzeugter Konvertit,
schaftsfeindlichen „Right-to-Work“-Gesetze und          der die rechten Ziele in ihrem vollen Umfang
sprach der Klimawissenschaft die Legitimität            weitaus aggressiver verfolgt als die konserva-
ab. Den größten Eindruck machte er auf die              tiven Präsidenten alter Schule vor ihm.
Wertkonservativen mit seinem Versprechen, ei-
nen Richter zum Obersten Gericht zu bestellen,          Während für konservative Republikaner rech-
der ihnen und den Interessensgruppen von Un-            te Zielsetzungen eine notwendige Antwort
ternehmen am genehmsten war.                            auf wirtschaftliche und soziale Probleme sind,

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glaubt er daran, dass die konservative Bewe-            um eine alberne und wohl auch gefährliche
gung selbst eine notwendige Antwort auf seine           Täuschung.
eigenen politischen Probleme sind. Er ist auf
sie angewiesen, und dazu muss sie stark sein.           Trump steht eindeutig für ein rechtes Programm.
Genau deshalb (und weil er dazu neigt), hat sich        Er hält es aufrecht und zieht es ebenso entschie-
Trump mit antidemokratischen und autoritä-              den durch, wie er schon seine „Art-of-the-deal“-
ren rechten Kräften verbündet, die ihrerseits           Projekte als New Yorker Immobilienmogul durch-
ihre Machtpositionen mit Angriffen verteidi-            drückte. Wer diese neue Realität nicht erkennt,
gen – auf die Glaubwürdigkeit von Journalisten,         erkennt auch nicht die Wandlung Trumps vom
die sie bloßzustellen drohen, und auf die Wäh-          Geschäftsmann zum echten Politiker. Als Busi-
lerrechte von Bürgerinnen und Bürgern, die sie          nessman betrachtete er Politiker als Produkte,
möglicherweise nicht wählen werden.                     die man mit Hilfe von Wahlkampfspenden und
                                                        Lobbying kauft und wieder los wird. Als Politiker
Trump kandidierte für das Präsidentenamt mit            hat er begriffen, dass man im Zweiparteiensys-
einem Programm, das konservative Ideologen              tem der USA politische Verbündete sowie einen
und Medienvertreter als das „konservativste             Parteiapparat braucht, der Wahlkampagnen und
Programm einer großen Partei in der ameri-              Regierungsfunktionen erst möglich macht.
kanischen Geschichte“ einstuften. Zu seinem
Stellvertreter wählte er einen Ultra-Wertkon-           Viele Beobachter tun sich schwer mit der Ein-
servativen. Außerdem kamen ihm führende                 sicht, dass Trump sich weiterentwickelt hat – ja,
Republikaner – wie der Vorsitzende des Re-              dass er überhaupt dazu in der Lage ist. In vie-
publican National Committee Reince Priebus              lerlei Hinsicht ist er immer noch derselbe alte
(den Trump dann auch zum ersten Stabschef               narzistische und bombastische Selbstdarsteller,
im Weißen Haus machte) – mit ihrer Bereit-              der er als Geschäftsmann und Reality-TV-Star
schaft entgegen, ihren Wahlkampf mit seinem             etwa in „The Apprentice“ war. Aber sein Narzis-
abzustimmen.                                            mus und seine Großpurigkeit haben sich auf ein
                                                        politisches Projekt mit seinen eigenen Regeln
Ideologische Untertöne waren in den ersten              und Vorgaben verlagert. Er würde sie zwar ger-
Übergangswochen nach der Wahl Trumps                    ne schieben beiseite, akzeptiert sie aber doch
deutlich zu vernehmen. Das ist bis heute so.            als notwendiges Übel. Dieselbe Haltung hatte
Obwohl sie die eigentliche Präsidentschaft              er schon früher in der Immobilien- und Unter-
von Donald Trump ausmachen, sind sie kaum               haltungsbranche eingenommen. Nach diversen
Gegenstand der Berichterstattung. Im nicht              Metamorphosen in der Vergangenheit ist seine
abreißenden Strom von Twittermeldungen,                 jüngste Inkarnation die des Politikers. Wer dar-
hanebüchenen Äußerungen und Verstößen                   auf geachtet hat, weiß das.
gegen verfassungsrechtlich festgelegte Gren-
zen gegen die Geschäftemacherei des Prä-                Der konservative Kommentator Dennis Prager
sidenten kann man sich durchaus verlieren.              erläuterte im April 2017 in einer Kolumne unter
Aber wenn nur noch Trumps persönliche Ma-               der Überschrift „Es ist für Konservative an der
rotten im Mittelpunkt stehen, dann gerät die            Zeit, diesen Präsidenten zu feiern,“ Trump habe
wirkliche Politik des mächtigsten Mannes auf            „nicht nur viele unserer Erwartungen übertrof-
dem Planeten außer Sichtweite. Trump zieht              fen, sondern regiert in einer Art und Weise, die
oft Vorteile aus dem Trugschluss, er sei relativ        zum ersten Mal seit Präsident Reagan, wahr-
unparteiisch und ein unideologisches Es, das            scheinlich sogar seit Calvin Coolidge, wieder im
sich einfach selbstgefällig im Amt sonnen wür-          Einklang mit konservativen Prinzipien steht.“
de. Bei solch einer Sichtweise handelt es sich          Damit hat Prager recht.

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Trumps Autoritarismus

Hatte der Milliardär 2016 als Präsidentschafts-         Konservativen reiche „von einer grenzenlosen
kandidat anfänglich dem Establishment der               Boshaftigkeit gegenüber jedem, der ihnen zu
Republikaner-Partei gedroht, so ist er zu einem         widersprechen wagt, bis hin zu einer religiös-
strammen und kaum mehr wegzudenkenden                   frömmlerischen Politik, die ihre Gleichgültig-
Parteisoldaten geworden. Er gibt republikani-           keit kaschiert: gegenüber den Prinzipien der
schen Kandidaten bei wichtigen Sonderwahlen             Gründervätern – Freiheit und Gleichheit – und
Rückendeckung und verteidigt führende Repu-             gegenüber fundamentalen Grundsätzen wie
blikaner im Kongress, wenn sie Kompromisse              etwa der Gewaltenteilung.“
oder die Zusammenarbeit mit den Demokra-
ten ablehnen. Als Präsidentschaftskandidat              In seinem Buch und in Interviews warnte Dean
bediente sich Trump aus dem gesamten ideo-              parallel zum erstarkten autoritären Denken
logischen Spektrum, und das so ungebärdig,              und zu „proto-faschistischen Verhaltenswei-
dass es Konservative vor einem Kandidaten               sen“ in der konservativen Bewegung und in
Trump „graute“, wie Prager schrieb. Heute               der Partei davor, die USA seien gefährdet von
scheint er ein Vertreter einer konservativen            „gewissenlosen Konservativen, die diese Nati-
Orthodoxie zu sein, die die präsidiale Macht            on in Katastrophen ungekannten Ausmaßes zu
mit Ernennungen, Exekutivanordnungen und                stürzen in der Lage sind“. Er konnte es damals
sozialen Medien ausschöpft mit dem Ziel, die            nicht wissen, aber der ehemalige Nixon-Bera-
Giftmischung aus korporatistischem Überle-              ter hatte wohl ein Vorahnung von Trumps Be-
genheitsdenken,      Wirtschaftsnationalismus,          ziehung zur konservativen „Basis“, die für seine
Militarismus, religiös-rechtem Autoritarismus           Politik konstitutiv ist.
und ethnischer und sozialer Spaltung weiter
zu verabreichen. Trump steht den Worten des             Dean zitierte sozialwissenschaftliche For-
Kommentators Jeet Heer zufolge für „konser-             schungsberichte, denen zufolge es „in den
vative Grausamkeit“.                                    Bevölkerungschichten der USA, die extrem
                                                        autoritär geprägt sind, eine typische Haltung
Dieser Präsident hat etwas so Autoritäres an            gibt: Ihre Führungsfiguren werden, da sie kei-
sich, dass viele Beobachter befürchten, unter           ne Fehler machen, nicht hinterfragt. Die An-
seiner Führung könnten die USA in den Fa-               hänger stehen auf ewig zu ihnen. Sie verhalten
schismus abgleiten. Aber Trumps Autoritaris-            sich wie Lemminge.“ Genau davon geht Trump
mus beruht nicht nur auf seinem kranken Ego-            aus, und darauf setzt er. Allerdings befindet er
ismus. Gleichermaßen ist er so etwas wie das            sich deshalb auch in einer Zwangslage: Er ist so
außer Rand und Band geratene Abfeiern von               sehr auf gewissenlose Konservative angewie-
Eigennutz und Selbstbedienungsmentalität,               sen, dass auch er ständig wie ein Konservativer
was neuere Eigenschaften des modernen Kon-              ohne Gewissen agieren muss.
servatismus sind. Vor einem Jahrzehnt veröf-
fentlichte John Dean, der seit seiner Jugend ein        Dadurch ist er noch konservativer geworden,
Fan des konservativen Stars Barry Goldwater             als sich Konservative das von einem Präsiden-
und unter Nixon als Rechtsberater im Weißen             ten vorstellen können. Zustimmend hieß es
Haus beschäftigt war, ein Buch mit dem Titel            im „Investor’s Business Daily“ deshalb: „Bei
„Conservatives without Conscience“. Darin be-           den Vorwahlen und im Präsidentschaftswahl-
hauptet er, die neuere konservative Bewegung            kampf gab sich Donald Trump selten konserva-
hänge dem Autoritarismus an. Die Politik der            tiv. Aber seine Personalpolitik und seine ersten

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Amtsmaßnahmen waren so rechts, wie es nur                im Einklang mit einer Politik, die sowohl bei
geht.“                                                   wertkonservativen Haudegen wie auch bei
                                                         Wall-Street-Spendern immer besser ankommt.
Diese Wahrheit wird in den USA noch nicht
ganz begriffen, und wohl noch weniger im Aus-            Donald Trump hat ein Programm: Es ist rechts-
land, weil die Medien Trump weiterhin als Ab-            gerichtet, unternehmerfreundlich, illiberal und
straktion und nicht als Realpolitiker behan-             oft unmenschlich. Es geht darin sprichwörtlich
deln. Dieselben Journalisten, die schon in 2015          um die Reichtumsverteilung von unten – den-
und 2016 Trumps politische Laufbahn falsch               selben Wählern, die auf den „Anti-Establish-
einschätzten, meinen heute ernsthaft, er wer-            ment“-Kandidaten Trump setzten – nach oben
de das Land und die Welt doch noch mit einem             zu den reichen Eliten, die er im Wahlkampf
Schwenk nach links oder wenigstens in die Mit-           angriff, denen er aber jetzt zuarbeitet. Sein
te überraschen. Ihre Theorie besagt, Trump               Programm räumt dem Ausbau von Armee und
sei ein Hochstapler mit nur wenig Ideen und              nationalem Sicherheitsapparat Priorität ein,
noch weniger Prinzipien und ein politischer              auf Kosten der Bedürfnisse der Menschen. Es
Abzocker, immer auf der Suche nach günsti-               lehnt die Wissenschaft ab und befürwortet
gen Gelegenheiten, die Republikaner-Partei               stattdessen rechtsreligiöse Dogmen, die selbst
loszuwerden, der er sich erst vor ein paar Jah-          Ronald Reagan und George Bush zu extrem ge-
ren anschloss. Diese „Never-Trump“-Haltung               wesen wären.
ist bei den Konservativen und den liberalen
Bildungsbürgern nach wie vor so beliebt, dass            Als Trump sich auf den Wahlkampf vorberei-
beide die faktische Politik, die die Trump-Re-           tete, verfügte er vermutlich nicht über einen
gierung inzwischen betreibt, oft aus den Au-             Plan, so weit nach rechts zu rücken. Aber er
gen verlieren.                                           witterte rechts ein mögliches Geschäft, und
                                                         deshalb bewegte er sich dorthin. Dass sich
Eine Handvoll elitär-konservativer Kommenta-             dieser Tatbestand irgendwann in einem kriti-
toren, die wegen Trumps dummdreistem und                 schen Stadium der Trump-Ära vielleicht wie-
verantwortungslosem Stil beunruhigt sind, be-            der rückgängig machen ließe, ist immer wie-
haupten weiterhin, er gehöre nicht zu ihnen.             der widerlegt worden. In sein Kabinett holte er
Dazu zählt die Zeitschrift „The National Review“,        laut CNN „ein konservatives Dreamteam, das
die sich in der Ära Reagan und Bush als Sprach-          versprochen hat, die Hinterlassenschaften der
rohr der Mainstream-Konservativen profilierte            Obama-Regierung in der Gesundheits-, Bil-
und bei der Definition „konservativ“ dem Blatt-          dung-, Arbeits- und Umweltpolitik so schnell
gründer und -verleger William F. Buckley folgt.          wie möglich zu schleifen“. Sein Kabinett sei
Seit Langem wird darin argumentiert, Trump               nicht nur das konservativste seit der Reagan-
habe in den Reihen der Konservativen nichts              Zeit, merkte das ehemalige Mitglied im Reagan-
verloren. Während des Wahlkampfs hieß es in              Kabinett Bill Bennett im Fernsehsender Fox
einer Artikelüberschrift „Donald Trump’s Re-             News an, „sie ist das konservativste, Reagans
publican Party is Not Conservative“. Nach den            eingeschlossen.“
Wahlen stand dort „Donald Trump: Pragmatist
Not Conservative“ zu lesen. Aber in der Phase,           Natürlich lässt sich das Programm eines Prä-
in der Trump vom Kandidaten zum Präsidenten              sidenten nicht danach gründlich beurteilen,
wurde, hieß er die rechten Ideologen, die sich           welche Kabinettsmitglieder er hat – oder wel-
auf die höchsten Regierungsämter bewarben,               che Worte er benutzt. Wirklich analysieren
willkommen. Außerdem ist seine Regierungs-               kann man es nur anhand der spezifischen Pri-
tätigkeit als streng konservativ zu bezeichnen,          oritätensetzungen, die im Haushaltsplan der

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neuen Regierung aufgeführt sind. Darin zeigt             rität, Spaltung und Autoritarismus. Er ist Aus-
sich das wahre Gesicht von Trump. Sein Plan              druck des Konservatismus ohne Gewissen als
ist eine Kombination aus Militarismus, Auste-            seiner politischen Agenda.

Grundlage des Kriegshaushalts: Der Zweck heiligt die Mittel

Haushaltsentwürfe sind moralische Dokumen-               Unmoralisch, heuchlerisch und grausam. In
te, sagte der christliche Denker und Aktivist Jim        der Tat – all dies trifft auf Donald Trumps Etat-
Wallis einmal. „Jeder Etat ist eine moralische           pläne zu. Aber es geht darüber hinaus. Trumps
Rangliste, egal ob er von einer Person, Familie,         Etat drückt völlig unverblümt die finanzpoliti-
Schule, Stadt oder Nation festgelegt wurde“,             schen Fantasien aus, die die Austeritätsbefür-
meinte er, „denn sie sagt uns in Zahlen, welche          worter in den Vereinigten Staaten und weltweit
Bereiche, Themen, Dinge oder Menschen dem                seit Jahrzehnten hegen. In seiner ersten Rede
Urheber des Etats am wichtigsten und am we-              vor dem US-Kongress rief der Präsident zu
nigsten wichtig sind.“                                   Steuererleichterungen für reiche Amerikaner
                                                         und Unternehmen auf, zu milliardenschweren
Wallis hält sich seit Jahren in Washington auf.          Kürzungen von Sozialprogrammen (sowie von
Er leitet eine Runde von Religionswissenschaft-          diplomatischen und klimapolitischen Initiati-
lern und Aktivisten, die die Präsidenten beider          ven) und zum Transfer dieser Gelder an den
Parteien dazu anhalten, sich bei ihren Etatent-          militärisch-industriellen Komplex. Gleichzeitig
würfen auch um die Bedürfnisse der Armen zu              legte er nahe, die USA sollten irgendwie ein
kümmern. Über die Jahre hinweg musste er oft             funktionierendes und stark verankertes Ge-
Widerspruch erheben. Dabei blieb er aber im-             sellschaftssystem bleiben. Solcherlei finanz-
mer ausgewogen und fair. Er übertreibt nicht             politisches Geschwätz hatte George H.W. Bush
gerne, und wenn er schonungslos auspackt,                vor fast vier Jahrzehnten als „Wodoo-Volks-
dann hat es seinen Grund. Zu den Etatplänen              wirtschaftslehre“ verächtlich gemacht.
der Regierung Trump, der darin zum ersten Mal
seine Prioritäten deutlich machte, fand Wallis           Hinter Trumps Ansatz verbarg sich keine fiska-
denn auch deutliche Worte. Der Haushalt sei              lische Strategie, die zu einer Zukunft in Frieden
ein „kaltblütiger Stich ins Herz jener Menschen,         und Wohlstand führen könnte. Er schlug auch
die sich abrackern müssen, nur um sich und               keinen Etat im eigentlichen Sinne vor. Vielmehr
ihre Familien durchfüttern zu können“, erklärte          handelte es sich um ein politisches Programm,
er, „es ist zutiefst unmoralisch, im Namen des           das sich als finanzpolitische Rechnung ausgab.
Defizitabbaus die Reichen statt die Armen zu             Als solche sollte sie auch keinen Sinn ergeben.
beschützen.“ Wallis hatte in der Vergangenheit           Der eigentliche Zweck bestand in der Reizwir-
demokratische und republikanische Präsiden-              kung, die es auf seine rechte Basis ausüben
ten beraten. Aber an Trump ließ er kein gutes            sollte. Seit Jahrzehnten erzählt man ihr, Ronald
Haar. „Die Armen zu dämonisieren und Sozial-             Reagans einziger Fehler habe darin bestanden,
programme für Niedrigstlohnverdiener einzu-              nicht konservativ genug gewesen zu sein. Die-
stampfen, während die viel umfangreichere                ser faktenfreie Etatansatz wird bei den Rech-
Subventionierung der Reichen unangetastet                ten immer beliebter. Die „Konservativen ohne
bleibt – das ist heuchlerisch und grausam.“              Gewissen“ scheren sich nicht um Details, weil

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sie – um wieder John Dean zu zitieren – bei              ten also, die Limbaugh seit über einem Viertel-
ihrer Mission nicht von Tatsachen oder Zah-              jahrhundert predigt. Mulvaney ist ein gnaden-
len gestört werden wollen. Diese politischen             loser und oft auch unreflektierter Befürworter
Scharlatane verachten Fachkenntnisse und die             von Sparhaushalten, selbst in fetten Jahren.
praktischen Konsequenzen, die daraus gezo-               Wie besessen von Schulden- und Staatsdefi-
gen werden müssten. Laut Dean „haben sie für             zit machte er sich einen Namen als Abgeord-
niemanden und nichts etwas übrig, außer für              neter, der immer auf der Suche nach einem
sich selbst, ihren Stamm und ihr Ziel, ihre Welt-        neuen Vorwand ist, um die Regierung dicht zu
sicht anderen aufzudrücken.“                             machen. Die „New York Times“ merkte einmal
                                                         an, Mulvaney sei so kompromisslos gegen die
In anderen Worten: Trumps Haushalt war in                Anhebung der Schuldenobergrenze gewesen,
wirtschaftlicher Hinsicht inkohärent. Aber in-           dass seine Bündnispartner und er sich ganz
sofern er das gegenwärtige konservative Dog-             ohne Ironie „Shutdown-Gremium“ nannten.
ma neu formulierte, war er in ideologischer              Denn statt den üblichen Resolutionen zuzu-
Hinsicht präzise. Das Herzstück des Dogmas               stimmen, die in zurückliegenden Kongress-
bestand im unerschütterlichen Glauben an                 phasen ohne viel Aufhebens verabschiedet
den militärisch-industriellen Komplex. „Ich              worden waren, wollten sie jetzt die Regierung
schlage dem Kongress einen Etat vor, der die             dicht machen.
Armee wieder aufbaut, die Zwangsdeckelung
des Verteidigungsministeriums beseitigt und              Als Trump Mulvaney ins Kabinett holte, fanta-
für eine der größten Erhöhungen der Vertei-              sierten immer noch ein paar Romantiker, der
digungsausgaben in der amerikanischen Ge-                neue Präsident werde möglicherweise einige
schichte sorgt,“ sagte er Präsident freudig am           seiner Wahlkampfversprechen einer ausgaben-
Ende seiner Rede vor dem Kongress.                       freudigen Politik einhalten. Artikelüberschrif-
                                                         ten lauteten beispielsweise „Trump versprach
Mit der Beantwortung der wichtigen Frage, wie            Rettung von sozialen Ansprüchen. Sein Haus-
er für die Ausgabenerhöhung eigentlich be-               haltdirektor fordert Bruch mit Versprechen“.
zahlen wolle, gab sich der Präsident nicht ab            Tatsächlich war die Ernennung von Mulvaney
– außer, dass er beiläufig erwähnte, er habe             ein Triumph für den Steve-Bannon-Flügel im
„im Bundesbereich einen Einstellungsstopp                Weißen Haus. Denn er ist entschlossen zur „De-
für nicht-militärische und nicht-wesentliche             konstruktion des Verwaltungsstaates“ und zur
Arbeitskräfte verhängt.“ Den Erklärungsdruck             Herstellung einer beispiellosen Militärmacht,
wälzte er auf Michael „Mick“ Mulvaney ab, einen          die echte und imaginierte Kriege bestehen
reichen Politkarrieristen aus South Carolina.            kann. Was der Kandidat Trump selten war, zu
                                                         dem wurde er im Weißen Haus: ein Falke, der
Mulvaney wurde im Jahr 2006 Abgeordneter                 das Haushaltsdefizit anprangerte. Er regte sich
im Parlament des Bundestaates und 2008 Se-               darüber auf, dass „wir fast 20 Billionen Dollar
nator. Im Jahr 2010 wurde er ins Washingtoner            Schulden haben“, und lobte dabei Mulvaney als
Repräsentantenhaus gewählt. Seit Kurzem                  „vor Energie sprühende Führungspersönlich-
fungiert er in Trumps Kabinett als Direktor              keit mit festen Vorstellungen davon, wie unsere
des Amtes für Verwaltung und Haushaltswe-                Staatsfinanzen verantwortungsbewusst ver-
sen. Der berüchtigte rechte Talkshow-Modera-             waltet werden müssen und wie unser Land vor
tor Rush Limbaugh hatte ihn liebevoll als sein           dem Ertrinken in roten Zahlen bewahrt werden
„Rush baby“ bezeichnet – weil Mulvaney wie               kann.“ Solche Sätze werden immer verbreitet,
er ein glühender Verfechter von Militarismus,            wenn über die Masse der Bürgerinnen und Bür-
Korporatismus und sozialer Härte ist, von Wer-           ger Austeritätsmaßnahmen verhängt werden.

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