DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM - Von John Nichols
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Table of Contents Eine echte Bedrohung für die amerikanische Demokratie............................................................1 Donald Trumps brandgefährliches Programm Von John Nichols.................................................................................................................................2 Das konservativste Programm der modernen Geschichte.....................................................3 „Die alte Südstaatenstrategie auf Speed“...................................................................................5 Der Marsch der Republikaner nach rechts................................................................................6 „Konservatismus ohne Gewissen“ – Weshalb Trumps Vorhaben kaum hinterfragt werden.............................................................................................................8 Trumps Autoritarismus...............................................................................................................11 Grundlage des Kriegshaushalts: Der Zweck heiligt die Mittel.................................................13 Welche Einschnitte: Details in Trumps Haushaltskürzungen..................................................16 Eisenhower: „Wir begrüßen jede ehrlich gemeinte Friedensinitiative“..................................18 Politik für die Wenigen durch Demokratieabbau.....................................................................20 Medienpolitik und der Angriff auf die Netzneutralität.............................................................21 „Manipulierte Wahlen“ und Wahlrechtsentzug.........................................................................24 Der Kampf gegen ein „Problem“, das gar nicht existiert..........................................................25 Hört endlich auf, Trump zu unterschätzen!..............................................................................29 Veröffentlicht von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, Oktober 2017 Herausgeber: Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg Adresse: 275 Madison Avenue, Suite 2114, New York, NY 10016 E-Mail: info.nyc@rosalux.org; Telefon: +1 (917) 409-1040 Gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine international tätige, progressive Non-Profit-Organisation für politische Bildung. In Zusammenarbeit mit vielen Organisationen rund um den Globus arbeitet sie für demokratische und soziale Partizipation, die Ermächtigung benachteiligter Gruppen, Alternativen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und für friedliche Konfliktlösungen. Das New Yorker Büro erfüllt zwei Hauptaufgaben: sich mit Themen der Vereinten Nationen zu befassen und mit nordamerikanischen Linken in Hochschulen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der Politik zusammenzuarbeiten. www.rosalux-nyc.org
Eine echte Bedrohung für die amerikanische Demokratie Inmitten der surrealen und sich rasant überschlagenden Ereignisse ist es in Donald Trumps Amerika mitunter schwer zu unterscheiden zwischen dem, was geradezu lächerlich, und jenem, was todernst ist. Ist Trumps letzter Tweet bloß irgendein Hirngespinst, ein zynisches Ablenkungsmanöver oder aber die nahe Zukunft der US-amerikanischen Politik? Wie kann man mit einer derartigen Quelle, die tagtäglich für neue Empörung sorgt, einen klaren Kopf bewahren hinsichtlich der größten, von sei- ner Regierung verursachten Gefahren? Eines jedenfalls sollte uns klar sein: Der Reality-TV-ähnlichen (Selbst-)Darstellung zum Trotz dürfen wir nicht übersehen, dass die Gefahren – von Kürzungen im Gesundheitswesen bis hin zu einem Krieg mit Nordkorea – überaus real sind. Der Autor John Nichols, Washington-Korrespondent der Wochenzeitschrift „The Nation“, hat be- reits mehrere Analysen für unser Büro verfasst, darunter die im letzten fehr erschienene Studie “Der Anfang vom Ende? Demokraten, Republikaner und die Krise der US-Politik“ (Oktober 2016). Sein im Titel der nun vorliegenden neuen Untersuchung angedeutetes Thema ist die brandgefährliche, weil beunruhigend kohärente, Agenda Präsident Trumps, die Nichols mit Blick auf Militarismus, Aus- teritätspolitik, soziale Spaltung, die Unterdrückung von Wählern und den rechten Autoritarismus aufzeigt. Während manche Beobachter erklären, Trump sei im Grunde „unideologisch“, verficht Nichols die gegensätzliche These, der zufolge der Präsident in Wirklichkeit die starre Ideologie eines „Konser- vatismus ohne Gewissen“ vertritt. Er beschreibt akribisch die einzelnen Schritte der Regierung zur Umsetzung der Trump-Agenda und bringt damit Licht ins Dunkel der Ungewissheit, die die politische Landschaft im vergangenen Jahr geprägt hat. Nichols geht ausführlich auf die wichtigsten politischen Schritte und Ernennungen ein, die die amerikanische Politik seit Trumps Wahl geprägt haben – und er zeigt einen Präsidenten, der sich zunehmend einer radikal rechten Basis mit einer äußerst klaren (und erschreckenden) Vorstellung für die Zukunft Amerikas verpflichtet hat. Nichols lässt keinen Zweifel daran, dass diejenigen, die Trump als einen „überparteilichen“ Poli- tiker betrachten oder als Witzfigur abstempeln, einem Trugbild aufsitzen und die seit Generationen größte Gefahr für die amerikanische Demokratie unterschätzen. Was zu tun ist, steht fest: Wir müs- sen die vor uns liegenden autoritären Gefahren verstehen und eine Strategie entwickeln, die dem Widerstand zum Sieg verhilft. Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg Leiter des Büros New York, Oktober 2017 1
Donald Trumps brandgefährliches Programm Von John Nichols Als Donald Trump im Sommer 2017 ein halbes ideologisch noch recht dünnhäutig war. Aber Jahr im Amt war, stellten Meinungsforscher der als Präsident ist er es nicht mehr. Der kluge po- Quinnipiac University einer Gruppe von Ame- litische Kommentator Doyle McManus schrieb rikanern die Frage: „Welches Wort kommt Ih- dazu in der „ Los Angeles Times“: „Einen Teil nen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Donald seines verrückten Genies macht die Tatsache Trump denken?“ Die häufigste Antwort war „Idi- aus, dass er gar nicht so unkonventionell ist, ot“, gefolgt von „inkompetent“ und „Lügner“. wie er tut.“ Auch „unqualifiziert“, „Clown“ und „Arschloch“ wurden genannt. Außerdem bezogen sich die Trump hat sich eine klar umrissene und ideo- Antworten auf Trumps Geschäftstätigkeit als logisch starre politische Philosophie zu eigen Immobilienmogul und TV-Prominenz, bevor er gemacht, die er unter konventionellen und Präsident war. Dabei fielen Worte wie „reich“, unkonventionellen politischen Aspekten um- „Business“ und „Verhandlungsführer“. zusetzen versucht. Fast die gesamte republi- kanische Partei hat sich, auch wenn die Partei- Von den 46 Zuschreibungen, die in den Ant- führung darüber nörgelt, auf dieses Programm worten der Befragten mindestens fünf Mal fie- verpflichten lassen. Er setzt sich dafür mit ei- len, bezog sich kein einziges auf Trumps Welt- nem Haushalt ein, den man als zentrales Do- anschauung, Parteizugehörigkeit oder Politik. kument seiner Regierung betrachten kann und Die Umfrage verdeutlicht, wie sehr Trump wei- auch muss. Außerdem bemüht er sich um die terhin als Star aus der Unterhaltungsbranche Spaltung und Entmachtung der Opposition, um und nicht als führender Politiker wahrgenom- seine abstoßenden Vorhaben durchzubringen. men wird. Bis heute gilt der US-Präsident auch in der Meinung vieler Medien und folglich im Trump lässt sich also zunehmend von ideolo- gesellschaftlichen Diskurs als ungezogener Fle- gischen Motiven leiten und wird dabei immer gel und als gigantisches Es ohne jegliche Orien- mehr zum Parteipolitiker. Seine Positionen tierung, ohne Programm oder Vorstellung. versucht er, pragmatisch durchzusetzen. Erst wenn man Trump dahingehend durchschaut Solcherlei Kritik an Trump ist weit verbreitet, hat, lässt sich eine Opposition auf die Beine führt als Erklärungsversuch aber in die Irre. stellen, die dieser rechten Dampfwalze, die ja Die weit verbreitete Tendenz, Trump als igno- viel größer ist als Trump, effektiv etwas entge- ranten Stümper abzutun, entspringt sicherlich gensetzen kann. der allzu berechtigten Furcht vor ihm wie auch der Abscheu, die Viele vor ihm haben. Dennoch Trumps Ideologie, der „Trumpismus“, ist eine hat diese verengte Sichtweise mehr mit politi- grobschlächtige Variante des althergebrachten scher Projektion denn mit der Wirklichkeit zu amerikanischen Konservatismus, der wiede- tun, weil ihr keine gründliche Untersuchung rum selbst eine grobschlächtige Variante des dieses Mannes und seiner Mission vorausge- Konservatismus ist, wie er im Rest der Welt gangen ist. Es mag ja sein, dass der politische vertreten wird. Trump und seine Unterstüt- Neuling Trump in der Übergangsphase vom Re- zer, die große Mehrheit der Republikaner im ality-TV-Host zum Präsidentschaftskandidaten Abgeordnetenhaus und im Senat darin einge- 2
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM schlossen, sind Anhänger der Austeritätslehre, und Flüchtlinge, zynische Angriffe auf die freie die auch die traditionellen konservativen Un- Presse als „dem Feind des Volkes“ und das sehr ternehmer und die neoliberalen Modernisierer ambitionierte Ziel, die demokratischen Rechte vertreten. Aber das ist nicht alles. einzuschränken. Er hat mehrmals behauptet, das Wahlrecht sei viel zu freizügig – und das Sie kombinieren Strategien, mit deren Hilfe in einer Republik, in der nur knapp die Hälfte der Reichtum strukturell von unten nach oben der erwachsenen Bevölkerung an Präsident- verschoben werden soll, mit einem Programm, schaftswahlen teilnimmt. das den Kosmopolitismus, die Zivilgesellschaft und die Funktionsfähigkeit der Demokratie Als der populistische „Chefstratege“ Steve untergräbt. Viel deutlicher als seine Vorgän- Bannon im August entlassen wurde, war es ger aus der Nachkriegszeit hat Trump jeden im Weißen Haus mit der freihandelskritischen Anschein fallen lassen, er wolle zwischen der und isolationistischen Politik, die man im Wahl- Binnennachfrage und den schrankenlosen For- kampf nicht zuletzt um der Wechselwähler- derungen, die die neuen Kalten Krieger des 21. stimmen willen angekündigt hatte, auf einmal Jahrhunderts stellen, irgendeine Balance her- vorbei. Immer deutlicher wird, dass die Wirt- stellen. Der Präsident setzt sich offensiv für schaftspolitik der Trump-Regierung von Wall- einen noch weiter aufgeblähten militärisch-in- Street-Lobbys und nicht von Gewerkschaften dustriellen Komplex ein, der zulasten einhei- beeinflusst ist. Die Leiterin von Global Trade mischer und lebenwichtiger Sozialprogramme Watch in der Nichtregierungsorganisation geht. Gleichzeitig nehmen Trump und sein Au- Public Citizen, Lori Wallach, ist angesichts der ßenminister, der ehemalige ExxonMobil-Chef „Trumpschen Handelsheuchelei“, wie sie dazu Rex Tillerson, zunehmend Abstand von Diplo- sagt, sehr besorgt. Sie verweist auf die wach- matie und internationalen Verbindlichkeiten. sende Kluft zwischen der Rhetorik und der Po- litik des Präsidenten: Nichts kann oder sollte Trumps Agenda ver- Man darf nicht vergessen, was er für alle hör- schleiern. Es handelt sich um die Herrschaft bar laut und deutlich gesagt hat: ‚Ich werde der Reichen und Mächtigen, die im Interesse Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland der Reichen und Mächtigen regieren. Auch verlagern, bluten lassen.‘ Und er drohte dem wenn Trump als Milliardär und Populist Wahl- in Indiana produzierenden Hersteller Carrier: ‚Verlagert die Jobs bloß nicht von Indiana nach kampf machte, hob er doch ein Regierungs- Mexiko.‘ Und dann machte Carrier genau das mit programm aus der Taufe, das ausschließlich 1200 bis 2000 Jobs. Und was ist dem Unterneh- im Sinne der Milliardäre ist. Von seinem Popu- men passiert? Keine Strafe, nichts dergleichen, lismus übrig geblieben sind rassistische und im Gegenteil: Unter der Trump-Administration ausländerfeindliche Attacken auf Einwanderer erhielt es 15 neue lukrative Regierungsaufträge. Das konservativste Programm der modernen Geschichte Vieles Trumpsche Programmpunkte waren be- Nominierungswahlkampf die Kontrolle über reits im Wahlprogramm der Republikaner von die Partei an sich gerissen. Der evangelikale 2016 nachzulesen. Der Milliardär hatte nach Christ, Politaktivist und Autor David Barton seinem disruptiven und dann maßgeblichen erklärte im Sommer 2016, bei dem Doku- 3
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM ment handele es sich um „das konservativs- die in der Vergangenheit eine gemeine Spal- te Programm in der modernen Geschichte“. tungspolitik betrieben haben, um Rassimus Tatsächlich sind die Kabinettsnominierungen und Fremdenfeindlichkeit anzuheizen (etwa und die Ernennungen zu Schlüsselposten in Politikberater Stephen Miller und der inzwi- der Judikative und im Regulationsbereich be- schen geschasste stellvertretende Präsiden- merkenswert konkrete Belege dafür, dass sich tenberater Sebastian Gorka). diese Regierung nicht nur den Interessen von Unternehmen verpflichtet und dem „social Nun ist es weltweit in der modernen Ära ja kei- conservatism“, das heißt dem religiös gepräg- ne Seltenheit, dass Länder den Weg des Korpo- ten Wertkonservatismus, verbunden fühlt, ratismus und Militarismus einschlagen, statt sondern dass sie bereit ist, mit aller Macht für auf menschliche Grundbedürfnisse und Demo- Spaltung und Demokratieabbau zu sorgen. kratie zu setzen. Auch die USA haben in der Ver- Gleichzeitig beweist der Haushalt des Präsi- gangenheit immer wieder solch gefährliches denten, dass die Regierung Sozialprogramme Neuland betreten, etwa unter den Präsiden- zu opfern bereit ist, um den militärisch-indust- ten Ronald Reagan und George W. Bush, aber riellen Komplex noch weiter zu vergrößern. auch unter demokratischen Präsidenten, die zu sehr auf Krieg aus waren und die Bedürfnisse Obwohl Trump als Außenseiter kandidier- im eigenen Land hintanstellten. In der Hinsicht te und dabei häufig die Interessen von Ban- spricht viel für das Argument, Präsident Lyndon ken, internationalen Großunternehmen und Johnsons hektischer Kriegseintritt in Vietnam Wall-Street-Spekulanten anprangerte, stellt er habe das New-Deal-artige Bündnis, das ihm eine Regierung voller Investmentbanker und 1964 einen Kantersieg bescherte und aus dem Bankbürokraten zusammen. Gary D. Cohn, er die „Great Society“ zimmern wollte, wieder der ehemalige Präsident und Generaldirektor platzen lassen. von Goldman Sachs, wurde Trumps Chef-Wirt- schaftsberater und leitet das National Econo- So richtig es ist, die Ausübung eines Präsiden- mic Council. Steven Mnuchin, der früher IT- tenamtes immer in ihrem jeweils eigenen Kon- Geschäftsführer bei Goldman Sachs sowie text zu begreifen, so wichtig ist der Hinweis, Hedgefonds-Manager war, ist jetzt Finanzmi- dass das Trump-Interregnum etwas eigenes nister. Jay Clayton, Ex-Wall-Street- und Banken, darstellt. Denn dieser Präsident geht sehr viel leitet heute die Securities and Exchange Com- weiter als seine allerkonservativsten Vorgän- mission, eine Behörde, die eigentlich die Wall ger, um der rechten Stammwählerschaft der Street und die Bankenbranche regulieren soll. Republikaner Genüge zu tun. Er hofiert die In anderen hohen Regierungsämtern befinden extremsten und gefährlichsten Strömungen sich Milliardäre (etwa Bildungsministerin Betsy der gegenwärtigen konservativen Bewegung – DeVos und Handelsminister Wilbur Ross) und und ist noch viel eher als die republikanischen Chefs von Großunternehmen (Außenminister Präsidenten Richard Nixon und Ronald Reag- Rex Tillerson von Exxon und Linda McMahon an willens, ethnische und soziale Spaltungen von WWE als Leiterin der Small Business Ad- herbeizuführen und sie für politische Zwecke ministration), außerdem Generäle, die sich als auszuschlachten. Nixon versuchte dies in den aggressive Krieger mit einer Vorliebe für gigan- spätern 60er und frühen 70er Jahren mit der tische Militärbudgets hervorgetan haben (Ver- Rhetorik von der „südlichen Strategie“ und der teidigungsminister James Mattis, der nationa- „schweigenden Mehrheit“, während Reagan le Sicherheitsberater H. R. McMaster und der über die schreiende soziale Ungleichheit, die Stabschef des Weißen Hauses John Kelly), und sich aus seiner „Trickle-down“- und Deregulati- schließlich autoritäre Demokratieverächter, onspolitik ergab, einfach hinwegsah. 4
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM „Die alte Südstaatenstrategie auf Speed“ Ins Schwarze traf die Überschrift in einem Maße schwindet ihre Skepsis, da der Präsident Artikel von Conor Lynch auf der Online-Nach- Hardliner-Generäle auf Schlüsselposten hievt richtenseite „Salon“: „Donald Trump verkör- und massive Haushaltsaufstockungen für das pert die alte Südstaatenstrategie auf Speed. Pentagon vorgeschlagen hat. Weshalb seine Kandidatur der Höhepunkt von jahrzehntealter rechter Hetze ist.“ Trumps An- Wirtschaftskonservative und Rüstungsunter- griffe auf Diversität und Demokratie sind sehr nehmen üben in den oberen Etagen der Repu- viel bedrohlicher als alles, was Nixon oder Re- blikanerpartei eine immense Macht aus. Wert- agan in dieser Beziehung jemals im Programm konservative wiederum sind ein einflussreiches hatten. Denn der 37. und der 40. Präsident wa- Wählersegment. An ihre autoritäre Neigungen ren politische Karrieristen mit einem reichen appelliert Trump immer wieder. Das gefährli- Erfahrungsschatz aus ihren Wahlkämpfen und che Gemisch, das er offeriert, besteht aus der aus ihrer Regierungstätigkeit und mit einiger- offen zur Schau getragenen Geringschätzung maßen konventionellen Sichtweisen, was all- von Journalismus und Wissenschaft („die ha- zu riskante politische Grenzüberschreitungen ben keine Ahnung“), Stimmungsmache gegen anging – auch wenn beide doch moralisch ver- Einwanderer, Verständnis für den Rassismus sagten und Gesetze brachen, was letztendlich der „Neo-Konföderation“, einer neu aufgeleg- lange Schatten auf ihre Amtstätigkeit warf. ten Rhetorik vom „Krieg gegen die Drogen“, der Ablehnung jeglicher Strafrechtsreform, Die Gefahr, die Trump darstellt, und seine der Missachtung der Rechte von Frauen und Macht speisen sich aus derselben Quelle – LGBTQ-Menschen, einer strategisch angeleg- auch wenn er dauernd in Skandale verwickelt ten Wählerbeeinflussung und dem Vorgehen ist und in dem Chaos, das er anrichtet, unter- gegen anderslautende Meinungen, das bei der zugehen scheint. Bei den etablierten Republi- Sprache und Taktik der antikommunistischen kanern war er anfangs zwar nicht beliebt, aber Hexenjagd („Red Scare“) Anleihen macht. er verwandelte sich in das Aushängeschild der Partei. Dazu wurde er, indem er die großen Im Unternehmerflügel der Republikaner gab Flügel der modernen konservativen Bewegung es immer viele Kräfte, die die grausamen und zusammenführte. Seit den 1970er Jahren führ- wirklich ungewöhnlichen Anliegen der Wert- ten sie die Partei an, als loses und oft schwer konservativen ablehnten oder zumindest zu miteinander zu vereinbarende Strömungen. beschwichtigen versuchten. Der Sprecher des Auf den Trump-Zug aufgesprungen sind auch Repräsentantenhauses, Paul Ryan, verlieh die- außergewöhnlich zynische Kräfte aus der ser Altherrenhaltung Ausdruck, als er einen Wirtschaft sowie religiöse Fanatiker. Erstere von Trumps ethischen Schnitzern mit dem Satz verstehen die Regierung als Steinbruch, aus „Er ist doch noch ganz neu“ entschuldigte. An- dem sie sich selbst und ihre Geschäftspartner ders als konservative Politkarrieristen, die die bedienen. Letztere haben die Ausübung von Kunst der Schönfärberei beherrschen – etwa Macht, um anderen ihren Willen aufzuzwin- indem sie einem grausamen Plan, der 24 Mil- gen, zu ihrem politischen Prinzip erhoben. Das lionen Amerikaner ohne Krankenversicherung sehen die Militaristen ebenso. Zwar waren sie lässt, die beruhigende Überschrift „American Trump gegenüber anfangs skeptisch, und eini- Health Care Act“ geben –, sagte Ryan, Trump ge sind nach wie vor ungehalten über Trumps sei „mit den Abläufen noch nicht lange genug Unberechenbarkeit. Doch in zunehmendem vertraut.“ 5
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM Anders gesagt: Nicht Trumps Worte und Taten dem Online-Magazin „Politico“ einen Monat sind aus der Sicht seiner erfahreneren Wegbe- nach der Amtsübernahme, „und die konserva- reiter das Problem, sondern die Art und Weise tive Bewegung ist Trump.“ der Darbietung. Heute verteidigen Konservative, die einst als Seit Trump im Juni 2015 seine Kandidatur an- „Never-Trump“-Republikaner galten, den Mann kündigte, meckern republikanische Insider und sein Programm. Man muss nur den Sena- über seine Ecken und Kanten und seine Ell- tor aus Utah Mike Lee fragen. Den gesamten bogenmentalität. Aber nach und nach finden Wahlkampf 2016 über maulte er über Trump. sie sich damit ab, dass er nicht bloß einer aus Im Juli 2017 sagte er Folgendes: „Wann immer ihren Reihen, sondern ihr Anführer ist. „In es einen republikanischen Präsidenten gibt, vielerlei Hinsicht stellt Donald Trump jetzt die verstehen wir diese Person auch als Chef der konservative Bewegung dar“, sagte der repu- republikanischen Partei. Das ist auch heute der blikanische Meinungsforscher Jim McLaughlin Fall, würde ich sagen.“ Der Marsch der Republikaner nach rechts Wie passt das zusammen? Die Bindemittel ziplinierter wurden. Die Republikaner im Kon- sind wohl Parteisoldatentum und politischer gress begannen mit der Totalverweigerung am Zynismus. Aber es handelt sich dabei um ersten Tag nach der Amtsübernahme durch nichts Neues. Seit den 1960er Jahren rücken den afroamerikanischen Präsidenten. Gleich- die Republikaner nach rechts, wobei sie wirt- zeitig begannen republikanische Gouverneu- schafts- und gesellschaftspolitisch immer ext- re und Parlamentarier mit der Strategie der remere Positionen einnehmen. Die Moderate- Wählerunterdrückung, die republikanischen ren unter ihnen werden dabei bei Vorwahlen Kandidaten Vorteile verschafft. Beispiele sind besiegt oder an die Ränder gedrängt – oder verschärfte Regelungen bei der Wählerregis- in vielen Fällen gleich ganz ausgebootet. Üb- trierung, Einschränkungen bei der Briefwahl rig bleibt dann eine Partei mit einer ideologi- und das sogenannte Gerrymandering. Damit schen Extremhaltung. Seit 1992 erhielt nur ein werden Grenzen von Wahlkreisbezirken mani- einziger Republikanerkandidat, nämlich Geor- puliert, um es republikanischen Amtsinhabern ge W. Bush, mehr als die Hälfte der Stimmen. gegenüber der Konkurrenz leichter zu machen. Und auch er gewann im Jahre 2004 mit 50,7 Die Folgen wogen schwer: Im Jahr 2012 erhiel- Prozent nur ganz knapp die Oberhand. Vier ten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Jahre später sackte der Kandidat auf 45,7 Pro- demokratische Kandidaten 1,4 Millionen Stim- zent ab. Der Demokrat Barack Obama räumte men mehr als republikanische. Und trotzdem ab. Politikexperten sprachen schon von einer wurden den Republikaner 234 Sitze und den Verschiebung des politischen Koordinatensys- Demokraten nur 201 zugeschrieben. tems hin zur linken Mitte. Das System auf diese Weise zu überlisten, wur- Tatsächlich brachte Obamas erster politischer de nach einer Reihe von Entscheidungen des Erfolg die beiden Flügel der Republikaner zu- konservativen Obersten Gerichts zu einer re- sammen, die auf diese Weise und dadurch dis- gelrechten Obsession der Republikaner. Zum 6
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM einen wurden viel höhere Wahlkampfspenden nerie (einer Kombination aus harscher rechten zugelassen, wodurch konservative Milliardäre Wahlkampfrhetorik und einer aggressiver Ein- zu den wichtigsten Wahlkampfspendern wur- flussnahme auf die Wahlen selbst) die politische den und ihren Einfluss auf die Partei erhöhten. Macht erlangen und behaupten, von dieser Po- Zum anderen demontierte das Gericht den sition der Stärke aus den Staat selbst in eine Voting Rights Act und damit die Schutzmaß- politische Maschine umzufunktionieren. Diese nahmen für Wähler aus ethnischen Minderhei- politische Maschine funktioniert wie jene in vie- ten, die eher demokratisch wählen. Die Inter- len US-Großstädten zu Beginn des 20. Jahrhun- essensgruppen, die sich auf die Republikaner derts, indem sie ihre Freunde belohnt und ihre verlassen, um ihre Vorstellungen von Wirt- Feinde bestraft. Die ertragreichste Ernte fahren schafts- und Sozialpolitik durchzusetzen, er- dabei jeweils die Wirtschaftseliten ein. Aber da- zielten zwar nicht bei jedem Programmpunkt neben vergibt die Maschine auch Belohnungen einen Konsens, waren sich aber darin einig, an bestimmte Segmente von Schlüsselwählern, dass um jeden Preis gewonnen werden müsse. die man zum Machterhalt bei der Stange hal- In einem Kommentar der Redaktion der „New ten muss – vor allem die Wertkonservativen. Sie York Times“ hieß es im Frühjahr 2016 deshalb: waren begeistert, als der Präsident den reaktio- nären Juristen Neil Gorsuch für das Oberste Ge- Die moderne politische Lehrmeinung besagt, dass richt nominierte. Sein Leben lang hatte er sich die republikanischen Wahlsiegaussichten umso der rechten Sache und ihren politischen Vorstö- mehr steigen, je geringer die Anzahl der tatsächli- ßen gewidmet. chen Wähler ist. Konservative wissen das seit Lan- gem. Darin liegt eine Erklärung für ihre verstärk- ten Anstrengungen, das Wählen zu erschweren Natürlich werden dabei diejenigen, die sich oder einer großen Anzahl von Menschen die dem politischen Projekt dieser Maschinerie politische Repräsentation gänzlich zu versagen. verweigern, bestraft – etwa indem einzelne Journalisten und ganz allgemein die freie Pres- Das konservative Lager hatte sich schon neu se permanent angegriffen oder ethnische und aufgestellt, bevor Donald Trump das politi- religiöse Minderheiten mit Stereotypen, die sche Parkett betrat. Allerdings machte sich die dann Programmatik annehmen, überzogen Grand Old Party von Abraham Lincoln, Teddy werden. Dann erfolgen scharfe Kürzungen von Roosevelt und Dwight Eisenhower durch einen grundlegenden sozialpolitischen Programmen politischen Störenfried wie Donald Trump in und die Abschaffung von Vorhaben, die von ganz besonderer Weise angreifbar. Er war es, der Armutsreduzierung bis zum Klimawandel der Verschwörungstheorien wie die von den reichen. Der Präsident hat sogar den FBI-Di- angeblich gestohlenen Wahlen oder vom ille- rektor entlassen, als der sich ihm in den Weg galen Wählen, die das Brennan Center for Ju- stellte. stice als „völlig ohne Grundlage“ bezeichnete, übernommen und verbreitet hatte. Trump er- Führende Republikaner zucken bei Trumps un- weckte darüber hinaus bewusst den Eindruck, gehobelten Aussagen, seinen Interessenskon- er werde sich, einmal an der Regierung, mit al- flikten, wenn er die Justiz behindert oder be- ler verfügbaren Macht in den Einzelstaaten wie wusst moralische Grenzen überschreitet, nach auf der Bundesebene schützend vor die Errun- wie vor zusammen. Allerdings freuen sie sich genschaften der Republikaner stellen. über Trumps Bereitwilligkeit, das System zu ih- ren Gunsten auszutricksen. Das wurde beson- Trump vereinte Republikaner unterschied- ders deutlich, als er einen an Orwell erinnern- licher Strömungen zu einem gemeinsamen den „Präsidentenausschuss für anständige Zweck: mit Hilfe der modernen Wahlmaschi- Wahlen“ einrichten ließ. Den Vorsitz haben der 7
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM voreingenommene Parteisoldat und Vizepräsi- seiner Verbündeten – sich eingestehen wollen. dent Mike Pence sowie der Secretary of State Dem soll in dieser Studie auf den Grund ge- von Kansas Kris Kobach inne, ein einwanderer- gangen werden. Es geht um eine Analyse der feindlicher Hetzer und Befürworter von schär- abstoßendsten Aspekte seiner Vorhaben, dar- fereren Gesetzen bei der Wählerregistrierung. unter auch der drastischen Umschichtung des Die American Civil Liberties Union bezeichnet Staatshaushalts zugunsten von Militarismus, ihn als „König der Wahlbeeinflussung“. Inner- Korporatismus, Austerität und einer „rechten halb weniger Wochen nach Trumps Amtsüber- Sozialtechnik“, wie der ehemalige Sprecher nahme initiierte Kobach einen „beispiellosen des Repräsentantenhauses Newt Gingrich es Angriff auf die Rechte von Wählern“, wie es in nannte. Trumps autoritäre Vorhaben haben der Zeitschrift „The Nation“ im Sommer 2017 ihre Wurzeln in einer Ideologie, die heute als hieß. Die Zeitschrift führte Folgendes aus: „Wir normaler Mainstream-Konservatismus gilt. erleben den Anfang einer US-weiten Kampa- Und trotzdem gehen sie darüber hinaus. Denn gne zur Beschneidung von Wählerrechten, an- die politischen Prioritäten sollen so ausge- geführt vom Weißen Haus und durchgewinkt richtet werden, dass die Opposition gegen die von Kongress und Justizministerium.“ Die Zeit- Haushaltspolitik bei Wahlen geschwächt und schrift „Rolling Stone“ beobachtete Folgendes: auf Dauer ihrer Schlagkraft beraubt wird. „Die USA haben eine hässliche Geschichte von rassistisch diskriminierenden Wählergesetzen. Trumps irrationale und unberechenbare Äuße- Wem Beweise nicht egal sind, der kann unmög- rungen sind erschreckend. Noch erschrecken- lich bestreiten, dass es sich hier um ein neues der ist allerdings, wenn er Klarheit an den Tag Kapitel handelt.“ legt – etwa bei seinen Vorhaben als Präsident. Denn Trump und seine Verbündeten wissen ge- Im Ganzen betrachtet sind Trumps Vorhaben nau, wohin sie mit Amerika wollen. Und diese gruselig. Sie sind darüber hinaus in ideologi- Absicht verfolgen sie weitaus aggressiver und scher Hinsicht viel kohärenter und politisch erfolgreicher als bisher allgemein zugegeben konkreter als seine Kritiker – darunter viele wird. „Konservatismus ohne Gewissen“ – Weshalb Trumps Vorhaben kaum hinterfragt werden Amerikanische Medien haben die ungute Nei- nehmen deshalb eher den Mann im Weißen gung, statt über Themen und Ideologien von Haus als den Regierungsprozess ins Blickfeld. Politikern über deren Persönlichkeit zu be- Präsidenten werden weniger als Anführer richten. Das Phänomen ist nicht neu. Denn denn als Markenzeichen abgehandelt, wobei zum einen ist das Präsidentenamt „imperial“ Ideen und Politik nur noch als Ausdruck dieses geworden, um einen Begriff des Historikers Markenzeichens gelten. Präsidenten werden Arthur Schlesinger Jr. zu verwenden. Zum an- nicht mehr nach ihren eigenen Verdiensten deren gibt der Kongress seine von der US-Ver- oder Fehlschlägen beurteilt. fassung festgelegte Rolle als Institution von Checks-and-Balances gegenüber dem Präsi- Nun ist Donald Trump ein Produkt des Enter- denten zunehmend auf. Die Fernsehsender tainment-Zeitalters und ein Meister im Um- 8
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM gang mit alten und neuen Medien wie Fern- Trumps Zynismus löste bei rechten Radio-Talk- sehen und Twitter. Von daher überrascht es show-Moderatoren und konservativen Puris- kaum, dass er seine Opposition bei den Repu- ten noch mehr Zynismus aus. Denn sie dach- blikanervorwahlen und bei der sich anschlie- ten, bei dem zum dritten Mal verheirateten ßenden allgemeinen Wahl ausschalten konnte. Playboy aus Manhattan handele es sich um einen liberalen Wolf im Schafspelz, der die Diese Politik, die sich weitgehend auf die Person Kontrolle über eine Partei übernehmen wolle, beschränkt, machte Trumps Medienmanipu- die in Wirklichkeit auf dem Land, im US-Süden lationen und seinen Griff nach der Macht erst und -Westen auf starke Unterstützung zählt. möglich. Dennoch: Die „politics of personality“ Sie malten sich sogar aus, er würde bei even- reicht als Erklärung, weshalb Trump der Kandi- tuell auftretenden Schwierigkeiten aus dem dat der Republikaner und dann Präsident wur- Wahlkampf wieder aussteigen. Dasselbe mei- de, keinesfalls aus. Denn seine Kandidatur war nen auch heute noch Manche, wenn Trump in zu jeder Zeit ideologisch gefärbt. Er begann mit Schwierigkeiten steckt: dass er das Weiße Haus einer einwanderer- und islamfeindlichen The- verlassen und in den Trump Tower zurückkeh- mensetzung. Sie wurde auf dem rechten Flügel ren würde. Tatsächlich aber gibt Trump nicht der Republikanerpartei so beliebt, dass Main- freiwillig auf. Er ist einer, der obenauf bleibt. Er stream-Konservative selbst die bescheidensten blieb immer obenauf, indem er sich selbst neu Ansätze, die eine Einwanderungsreform auf erfand – wenn es der jeweilige Umstand, das den Weg hätten bringen können, wieder ad acta jüngste Immobiliengeschäft oder der Vertrag legten. Außerdem ließen sie Vorschläge fallen, mit dem TV-Sender gerade erforderten. die eine sinnvolle humane Antwort auf die syri- sche Flüchtlingskrise gewesen wären. Wie schon als Kandidat stützt er sich, um die Nase vorne zu behalten, auch als Präsident Da Trump nie ein Parteifunktionär oder Bewe- auf absolut loyale Anhänger. Sie stehen ihrem gungskonservativer war, unterzog er sich aus Mann weiterhin treu zu Diensten, selbst wenn reinem Opportunismus der Nagelprobe der seine Heuchelei und Unmoral unübersehbar Rechten – und bestand sie. Davor hatte er an sind und seine Korruptheit keiner Bestäti- demokratische Kandidaten und liberale Initia- gung mehr bedarf. In der Mitte des politischen tiven Wahlkampfgelder gespendet und war im Spektrums wäre er mit seiner Show als über- Vorwahlkampf von Senator Ted Cruz aus Texas parteilicher „Problemlöser“ niemals angekom- wegen seiner „New-York-Moral“ angegriffen men. Einzig die Rechten ließen ihm von Beginn worden. Jetzt war er auf einmal gegen das Recht des Wahlkampfes an bis heute als Präsident auf Abtreibung und verdammte Planned Parent- ihre Loyalität zuteil werden – gedankenlos, un- hood. Er befürwortete aggressive Polizeimaß- beugsam und kontinuierlich. Deshalb bewegt nahmen und verurteilte die Black-Lives-Mat- sich Trump unwiderruflich nach rechts. Die ter-Bewegung. Er rief zur Abschaffung der Mitte respektiert ihn nicht, die Linke verachtet US-weit geltenden Mindestlohnregelung auf, ihn. Trump wurde zum beinharten Rechten. Er bekundete seine Sympathien für die gewerk- ist ein zynischer, aber überzeugter Konvertit, schaftsfeindlichen „Right-to-Work“-Gesetze und der die rechten Ziele in ihrem vollen Umfang sprach der Klimawissenschaft die Legitimität weitaus aggressiver verfolgt als die konserva- ab. Den größten Eindruck machte er auf die tiven Präsidenten alter Schule vor ihm. Wertkonservativen mit seinem Versprechen, ei- nen Richter zum Obersten Gericht zu bestellen, Während für konservative Republikaner rech- der ihnen und den Interessensgruppen von Un- te Zielsetzungen eine notwendige Antwort ternehmen am genehmsten war. auf wirtschaftliche und soziale Probleme sind, 9
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM glaubt er daran, dass die konservative Bewe- um eine alberne und wohl auch gefährliche gung selbst eine notwendige Antwort auf seine Täuschung. eigenen politischen Probleme sind. Er ist auf sie angewiesen, und dazu muss sie stark sein. Trump steht eindeutig für ein rechtes Programm. Genau deshalb (und weil er dazu neigt), hat sich Er hält es aufrecht und zieht es ebenso entschie- Trump mit antidemokratischen und autoritä- den durch, wie er schon seine „Art-of-the-deal“- ren rechten Kräften verbündet, die ihrerseits Projekte als New Yorker Immobilienmogul durch- ihre Machtpositionen mit Angriffen verteidi- drückte. Wer diese neue Realität nicht erkennt, gen – auf die Glaubwürdigkeit von Journalisten, erkennt auch nicht die Wandlung Trumps vom die sie bloßzustellen drohen, und auf die Wäh- Geschäftsmann zum echten Politiker. Als Busi- lerrechte von Bürgerinnen und Bürgern, die sie nessman betrachtete er Politiker als Produkte, möglicherweise nicht wählen werden. die man mit Hilfe von Wahlkampfspenden und Lobbying kauft und wieder los wird. Als Politiker Trump kandidierte für das Präsidentenamt mit hat er begriffen, dass man im Zweiparteiensys- einem Programm, das konservative Ideologen tem der USA politische Verbündete sowie einen und Medienvertreter als das „konservativste Parteiapparat braucht, der Wahlkampagnen und Programm einer großen Partei in der ameri- Regierungsfunktionen erst möglich macht. kanischen Geschichte“ einstuften. Zu seinem Stellvertreter wählte er einen Ultra-Wertkon- Viele Beobachter tun sich schwer mit der Ein- servativen. Außerdem kamen ihm führende sicht, dass Trump sich weiterentwickelt hat – ja, Republikaner – wie der Vorsitzende des Re- dass er überhaupt dazu in der Lage ist. In vie- publican National Committee Reince Priebus lerlei Hinsicht ist er immer noch derselbe alte (den Trump dann auch zum ersten Stabschef narzistische und bombastische Selbstdarsteller, im Weißen Haus machte) – mit ihrer Bereit- der er als Geschäftsmann und Reality-TV-Star schaft entgegen, ihren Wahlkampf mit seinem etwa in „The Apprentice“ war. Aber sein Narzis- abzustimmen. mus und seine Großpurigkeit haben sich auf ein politisches Projekt mit seinen eigenen Regeln Ideologische Untertöne waren in den ersten und Vorgaben verlagert. Er würde sie zwar ger- Übergangswochen nach der Wahl Trumps ne schieben beiseite, akzeptiert sie aber doch deutlich zu vernehmen. Das ist bis heute so. als notwendiges Übel. Dieselbe Haltung hatte Obwohl sie die eigentliche Präsidentschaft er schon früher in der Immobilien- und Unter- von Donald Trump ausmachen, sind sie kaum haltungsbranche eingenommen. Nach diversen Gegenstand der Berichterstattung. Im nicht Metamorphosen in der Vergangenheit ist seine abreißenden Strom von Twittermeldungen, jüngste Inkarnation die des Politikers. Wer dar- hanebüchenen Äußerungen und Verstößen auf geachtet hat, weiß das. gegen verfassungsrechtlich festgelegte Gren- zen gegen die Geschäftemacherei des Prä- Der konservative Kommentator Dennis Prager sidenten kann man sich durchaus verlieren. erläuterte im April 2017 in einer Kolumne unter Aber wenn nur noch Trumps persönliche Ma- der Überschrift „Es ist für Konservative an der rotten im Mittelpunkt stehen, dann gerät die Zeit, diesen Präsidenten zu feiern,“ Trump habe wirkliche Politik des mächtigsten Mannes auf „nicht nur viele unserer Erwartungen übertrof- dem Planeten außer Sichtweite. Trump zieht fen, sondern regiert in einer Art und Weise, die oft Vorteile aus dem Trugschluss, er sei relativ zum ersten Mal seit Präsident Reagan, wahr- unparteiisch und ein unideologisches Es, das scheinlich sogar seit Calvin Coolidge, wieder im sich einfach selbstgefällig im Amt sonnen wür- Einklang mit konservativen Prinzipien steht.“ de. Bei solch einer Sichtweise handelt es sich Damit hat Prager recht. 10
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM Trumps Autoritarismus Hatte der Milliardär 2016 als Präsidentschafts- Konservativen reiche „von einer grenzenlosen kandidat anfänglich dem Establishment der Boshaftigkeit gegenüber jedem, der ihnen zu Republikaner-Partei gedroht, so ist er zu einem widersprechen wagt, bis hin zu einer religiös- strammen und kaum mehr wegzudenkenden frömmlerischen Politik, die ihre Gleichgültig- Parteisoldaten geworden. Er gibt republikani- keit kaschiert: gegenüber den Prinzipien der schen Kandidaten bei wichtigen Sonderwahlen Gründervätern – Freiheit und Gleichheit – und Rückendeckung und verteidigt führende Repu- gegenüber fundamentalen Grundsätzen wie blikaner im Kongress, wenn sie Kompromisse etwa der Gewaltenteilung.“ oder die Zusammenarbeit mit den Demokra- ten ablehnen. Als Präsidentschaftskandidat In seinem Buch und in Interviews warnte Dean bediente sich Trump aus dem gesamten ideo- parallel zum erstarkten autoritären Denken logischen Spektrum, und das so ungebärdig, und zu „proto-faschistischen Verhaltenswei- dass es Konservative vor einem Kandidaten sen“ in der konservativen Bewegung und in Trump „graute“, wie Prager schrieb. Heute der Partei davor, die USA seien gefährdet von scheint er ein Vertreter einer konservativen „gewissenlosen Konservativen, die diese Nati- Orthodoxie zu sein, die die präsidiale Macht on in Katastrophen ungekannten Ausmaßes zu mit Ernennungen, Exekutivanordnungen und stürzen in der Lage sind“. Er konnte es damals sozialen Medien ausschöpft mit dem Ziel, die nicht wissen, aber der ehemalige Nixon-Bera- Giftmischung aus korporatistischem Überle- ter hatte wohl ein Vorahnung von Trumps Be- genheitsdenken, Wirtschaftsnationalismus, ziehung zur konservativen „Basis“, die für seine Militarismus, religiös-rechtem Autoritarismus Politik konstitutiv ist. und ethnischer und sozialer Spaltung weiter zu verabreichen. Trump steht den Worten des Dean zitierte sozialwissenschaftliche For- Kommentators Jeet Heer zufolge für „konser- schungsberichte, denen zufolge es „in den vative Grausamkeit“. Bevölkerungschichten der USA, die extrem autoritär geprägt sind, eine typische Haltung Dieser Präsident hat etwas so Autoritäres an gibt: Ihre Führungsfiguren werden, da sie kei- sich, dass viele Beobachter befürchten, unter ne Fehler machen, nicht hinterfragt. Die An- seiner Führung könnten die USA in den Fa- hänger stehen auf ewig zu ihnen. Sie verhalten schismus abgleiten. Aber Trumps Autoritaris- sich wie Lemminge.“ Genau davon geht Trump mus beruht nicht nur auf seinem kranken Ego- aus, und darauf setzt er. Allerdings befindet er ismus. Gleichermaßen ist er so etwas wie das sich deshalb auch in einer Zwangslage: Er ist so außer Rand und Band geratene Abfeiern von sehr auf gewissenlose Konservative angewie- Eigennutz und Selbstbedienungsmentalität, sen, dass auch er ständig wie ein Konservativer was neuere Eigenschaften des modernen Kon- ohne Gewissen agieren muss. servatismus sind. Vor einem Jahrzehnt veröf- fentlichte John Dean, der seit seiner Jugend ein Dadurch ist er noch konservativer geworden, Fan des konservativen Stars Barry Goldwater als sich Konservative das von einem Präsiden- und unter Nixon als Rechtsberater im Weißen ten vorstellen können. Zustimmend hieß es Haus beschäftigt war, ein Buch mit dem Titel im „Investor’s Business Daily“ deshalb: „Bei „Conservatives without Conscience“. Darin be- den Vorwahlen und im Präsidentschaftswahl- hauptet er, die neuere konservative Bewegung kampf gab sich Donald Trump selten konserva- hänge dem Autoritarismus an. Die Politik der tiv. Aber seine Personalpolitik und seine ersten 11
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM Amtsmaßnahmen waren so rechts, wie es nur im Einklang mit einer Politik, die sowohl bei geht.“ wertkonservativen Haudegen wie auch bei Wall-Street-Spendern immer besser ankommt. Diese Wahrheit wird in den USA noch nicht ganz begriffen, und wohl noch weniger im Aus- Donald Trump hat ein Programm: Es ist rechts- land, weil die Medien Trump weiterhin als Ab- gerichtet, unternehmerfreundlich, illiberal und straktion und nicht als Realpolitiker behan- oft unmenschlich. Es geht darin sprichwörtlich deln. Dieselben Journalisten, die schon in 2015 um die Reichtumsverteilung von unten – den- und 2016 Trumps politische Laufbahn falsch selben Wählern, die auf den „Anti-Establish- einschätzten, meinen heute ernsthaft, er wer- ment“-Kandidaten Trump setzten – nach oben de das Land und die Welt doch noch mit einem zu den reichen Eliten, die er im Wahlkampf Schwenk nach links oder wenigstens in die Mit- angriff, denen er aber jetzt zuarbeitet. Sein te überraschen. Ihre Theorie besagt, Trump Programm räumt dem Ausbau von Armee und sei ein Hochstapler mit nur wenig Ideen und nationalem Sicherheitsapparat Priorität ein, noch weniger Prinzipien und ein politischer auf Kosten der Bedürfnisse der Menschen. Es Abzocker, immer auf der Suche nach günsti- lehnt die Wissenschaft ab und befürwortet gen Gelegenheiten, die Republikaner-Partei stattdessen rechtsreligiöse Dogmen, die selbst loszuwerden, der er sich erst vor ein paar Jah- Ronald Reagan und George Bush zu extrem ge- ren anschloss. Diese „Never-Trump“-Haltung wesen wären. ist bei den Konservativen und den liberalen Bildungsbürgern nach wie vor so beliebt, dass Als Trump sich auf den Wahlkampf vorberei- beide die faktische Politik, die die Trump-Re- tete, verfügte er vermutlich nicht über einen gierung inzwischen betreibt, oft aus den Au- Plan, so weit nach rechts zu rücken. Aber er gen verlieren. witterte rechts ein mögliches Geschäft, und deshalb bewegte er sich dorthin. Dass sich Eine Handvoll elitär-konservativer Kommenta- dieser Tatbestand irgendwann in einem kriti- toren, die wegen Trumps dummdreistem und schen Stadium der Trump-Ära vielleicht wie- verantwortungslosem Stil beunruhigt sind, be- der rückgängig machen ließe, ist immer wie- haupten weiterhin, er gehöre nicht zu ihnen. der widerlegt worden. In sein Kabinett holte er Dazu zählt die Zeitschrift „The National Review“, laut CNN „ein konservatives Dreamteam, das die sich in der Ära Reagan und Bush als Sprach- versprochen hat, die Hinterlassenschaften der rohr der Mainstream-Konservativen profilierte Obama-Regierung in der Gesundheits-, Bil- und bei der Definition „konservativ“ dem Blatt- dung-, Arbeits- und Umweltpolitik so schnell gründer und -verleger William F. Buckley folgt. wie möglich zu schleifen“. Sein Kabinett sei Seit Langem wird darin argumentiert, Trump nicht nur das konservativste seit der Reagan- habe in den Reihen der Konservativen nichts Zeit, merkte das ehemalige Mitglied im Reagan- verloren. Während des Wahlkampfs hieß es in Kabinett Bill Bennett im Fernsehsender Fox einer Artikelüberschrift „Donald Trump’s Re- News an, „sie ist das konservativste, Reagans publican Party is Not Conservative“. Nach den eingeschlossen.“ Wahlen stand dort „Donald Trump: Pragmatist Not Conservative“ zu lesen. Aber in der Phase, Natürlich lässt sich das Programm eines Prä- in der Trump vom Kandidaten zum Präsidenten sidenten nicht danach gründlich beurteilen, wurde, hieß er die rechten Ideologen, die sich welche Kabinettsmitglieder er hat – oder wel- auf die höchsten Regierungsämter bewarben, che Worte er benutzt. Wirklich analysieren willkommen. Außerdem ist seine Regierungs- kann man es nur anhand der spezifischen Pri- tätigkeit als streng konservativ zu bezeichnen, oritätensetzungen, die im Haushaltsplan der 12
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM neuen Regierung aufgeführt sind. Darin zeigt rität, Spaltung und Autoritarismus. Er ist Aus- sich das wahre Gesicht von Trump. Sein Plan druck des Konservatismus ohne Gewissen als ist eine Kombination aus Militarismus, Auste- seiner politischen Agenda. Grundlage des Kriegshaushalts: Der Zweck heiligt die Mittel Haushaltsentwürfe sind moralische Dokumen- Unmoralisch, heuchlerisch und grausam. In te, sagte der christliche Denker und Aktivist Jim der Tat – all dies trifft auf Donald Trumps Etat- Wallis einmal. „Jeder Etat ist eine moralische pläne zu. Aber es geht darüber hinaus. Trumps Rangliste, egal ob er von einer Person, Familie, Etat drückt völlig unverblümt die finanzpoliti- Schule, Stadt oder Nation festgelegt wurde“, schen Fantasien aus, die die Austeritätsbefür- meinte er, „denn sie sagt uns in Zahlen, welche worter in den Vereinigten Staaten und weltweit Bereiche, Themen, Dinge oder Menschen dem seit Jahrzehnten hegen. In seiner ersten Rede Urheber des Etats am wichtigsten und am we- vor dem US-Kongress rief der Präsident zu nigsten wichtig sind.“ Steuererleichterungen für reiche Amerikaner und Unternehmen auf, zu milliardenschweren Wallis hält sich seit Jahren in Washington auf. Kürzungen von Sozialprogrammen (sowie von Er leitet eine Runde von Religionswissenschaft- diplomatischen und klimapolitischen Initiati- lern und Aktivisten, die die Präsidenten beider ven) und zum Transfer dieser Gelder an den Parteien dazu anhalten, sich bei ihren Etatent- militärisch-industriellen Komplex. Gleichzeitig würfen auch um die Bedürfnisse der Armen zu legte er nahe, die USA sollten irgendwie ein kümmern. Über die Jahre hinweg musste er oft funktionierendes und stark verankertes Ge- Widerspruch erheben. Dabei blieb er aber im- sellschaftssystem bleiben. Solcherlei finanz- mer ausgewogen und fair. Er übertreibt nicht politisches Geschwätz hatte George H.W. Bush gerne, und wenn er schonungslos auspackt, vor fast vier Jahrzehnten als „Wodoo-Volks- dann hat es seinen Grund. Zu den Etatplänen wirtschaftslehre“ verächtlich gemacht. der Regierung Trump, der darin zum ersten Mal seine Prioritäten deutlich machte, fand Wallis Hinter Trumps Ansatz verbarg sich keine fiska- denn auch deutliche Worte. Der Haushalt sei lische Strategie, die zu einer Zukunft in Frieden ein „kaltblütiger Stich ins Herz jener Menschen, und Wohlstand führen könnte. Er schlug auch die sich abrackern müssen, nur um sich und keinen Etat im eigentlichen Sinne vor. Vielmehr ihre Familien durchfüttern zu können“, erklärte handelte es sich um ein politisches Programm, er, „es ist zutiefst unmoralisch, im Namen des das sich als finanzpolitische Rechnung ausgab. Defizitabbaus die Reichen statt die Armen zu Als solche sollte sie auch keinen Sinn ergeben. beschützen.“ Wallis hatte in der Vergangenheit Der eigentliche Zweck bestand in der Reizwir- demokratische und republikanische Präsiden- kung, die es auf seine rechte Basis ausüben ten beraten. Aber an Trump ließ er kein gutes sollte. Seit Jahrzehnten erzählt man ihr, Ronald Haar. „Die Armen zu dämonisieren und Sozial- Reagans einziger Fehler habe darin bestanden, programme für Niedrigstlohnverdiener einzu- nicht konservativ genug gewesen zu sein. Die- stampfen, während die viel umfangreichere ser faktenfreie Etatansatz wird bei den Rech- Subventionierung der Reichen unangetastet ten immer beliebter. Die „Konservativen ohne bleibt – das ist heuchlerisch und grausam.“ Gewissen“ scheren sich nicht um Details, weil 13
JOHN NICHOLS DONALD TRUMPS BRANDGEFÄHRLICHES PROGRAMM sie – um wieder John Dean zu zitieren – bei ten also, die Limbaugh seit über einem Viertel- ihrer Mission nicht von Tatsachen oder Zah- jahrhundert predigt. Mulvaney ist ein gnaden- len gestört werden wollen. Diese politischen loser und oft auch unreflektierter Befürworter Scharlatane verachten Fachkenntnisse und die von Sparhaushalten, selbst in fetten Jahren. praktischen Konsequenzen, die daraus gezo- Wie besessen von Schulden- und Staatsdefi- gen werden müssten. Laut Dean „haben sie für zit machte er sich einen Namen als Abgeord- niemanden und nichts etwas übrig, außer für neter, der immer auf der Suche nach einem sich selbst, ihren Stamm und ihr Ziel, ihre Welt- neuen Vorwand ist, um die Regierung dicht zu sicht anderen aufzudrücken.“ machen. Die „New York Times“ merkte einmal an, Mulvaney sei so kompromisslos gegen die In anderen Worten: Trumps Haushalt war in Anhebung der Schuldenobergrenze gewesen, wirtschaftlicher Hinsicht inkohärent. Aber in- dass seine Bündnispartner und er sich ganz sofern er das gegenwärtige konservative Dog- ohne Ironie „Shutdown-Gremium“ nannten. ma neu formulierte, war er in ideologischer Denn statt den üblichen Resolutionen zuzu- Hinsicht präzise. Das Herzstück des Dogmas stimmen, die in zurückliegenden Kongress- bestand im unerschütterlichen Glauben an phasen ohne viel Aufhebens verabschiedet den militärisch-industriellen Komplex. „Ich worden waren, wollten sie jetzt die Regierung schlage dem Kongress einen Etat vor, der die dicht machen. Armee wieder aufbaut, die Zwangsdeckelung des Verteidigungsministeriums beseitigt und Als Trump Mulvaney ins Kabinett holte, fanta- für eine der größten Erhöhungen der Vertei- sierten immer noch ein paar Romantiker, der digungsausgaben in der amerikanischen Ge- neue Präsident werde möglicherweise einige schichte sorgt,“ sagte er Präsident freudig am seiner Wahlkampfversprechen einer ausgaben- Ende seiner Rede vor dem Kongress. freudigen Politik einhalten. Artikelüberschrif- ten lauteten beispielsweise „Trump versprach Mit der Beantwortung der wichtigen Frage, wie Rettung von sozialen Ansprüchen. Sein Haus- er für die Ausgabenerhöhung eigentlich be- haltdirektor fordert Bruch mit Versprechen“. zahlen wolle, gab sich der Präsident nicht ab Tatsächlich war die Ernennung von Mulvaney – außer, dass er beiläufig erwähnte, er habe ein Triumph für den Steve-Bannon-Flügel im „im Bundesbereich einen Einstellungsstopp Weißen Haus. Denn er ist entschlossen zur „De- für nicht-militärische und nicht-wesentliche konstruktion des Verwaltungsstaates“ und zur Arbeitskräfte verhängt.“ Den Erklärungsdruck Herstellung einer beispiellosen Militärmacht, wälzte er auf Michael „Mick“ Mulvaney ab, einen die echte und imaginierte Kriege bestehen reichen Politkarrieristen aus South Carolina. kann. Was der Kandidat Trump selten war, zu dem wurde er im Weißen Haus: ein Falke, der Mulvaney wurde im Jahr 2006 Abgeordneter das Haushaltsdefizit anprangerte. Er regte sich im Parlament des Bundestaates und 2008 Se- darüber auf, dass „wir fast 20 Billionen Dollar nator. Im Jahr 2010 wurde er ins Washingtoner Schulden haben“, und lobte dabei Mulvaney als Repräsentantenhaus gewählt. Seit Kurzem „vor Energie sprühende Führungspersönlich- fungiert er in Trumps Kabinett als Direktor keit mit festen Vorstellungen davon, wie unsere des Amtes für Verwaltung und Haushaltswe- Staatsfinanzen verantwortungsbewusst ver- sen. Der berüchtigte rechte Talkshow-Modera- waltet werden müssen und wie unser Land vor tor Rush Limbaugh hatte ihn liebevoll als sein dem Ertrinken in roten Zahlen bewahrt werden „Rush baby“ bezeichnet – weil Mulvaney wie kann.“ Solche Sätze werden immer verbreitet, er ein glühender Verfechter von Militarismus, wenn über die Masse der Bürgerinnen und Bür- Korporatismus und sozialer Härte ist, von Wer- ger Austeritätsmaßnahmen verhängt werden. 14
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