Die Kapitalmärkte vor der US-Präsidentschaftswahl - Kapitalmarkttrends August 2020
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August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl Mit dem Parteitag der Demokraten in der vergangenen Woche ten aus und Trump konnte dennoch in das Weiße Haus zie- hat die heiße Phase des US-Wahlkampfs begonnen. In dieser hen. Trump und seine Wahlkampfqualitäten sind nicht zu un- Woche folgt die Versammlung der Republikaner. Der bisherige terschätzen. Insbesondere die gemeinsamen TV-Termine (29. Wahlkampf war reich an Wendungen, sodass auch die End- September, 15. und 22. Oktober) versprechen Spannung, weil phase Spannung verspricht. Zu dieser Spannung gehört auch, Biden in der Vergangenheit in solchen Momenten oft Schwä- dass sich zwei politische Lager relativ unversöhnlich gegen- chen gezeigt hat. Trotz der eigentlich desaströsen Ausgangs- überstehen. In vielen Bereichen (Außen-, Handels-, Steuer-, lage für Trump gehen wir von einem knappen Rennen aus Gesundheitspolitik) liegen die Ansichten weit auseinander. Die und erwarten nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 55 % ei- Wahl am 03. November ist daher politisch richtungsentschei- nen Wahlsieg von Biden. dend für die kommenden vier Jahre. Hingegen sollte sich an den großen, längerfristigen Kapitalmarkttrends durch die Abb. 1 Wahlumfragen und Wahlwahrscheinlichkeiten Wahl nicht allzu viel verändern: Geld- und Fiskalpolitik bleiben mit klarem Vorteil für Biden (Differenz in Prozentpunk- expansiv, die Zinsen bleiben niedrig und Aktien bleiben man- ten) gels Alternativen interessant. 14 30 Auch die Pandemie strahlt auf den Wahlkampf aus. Und zwar 25 nicht nur was deren organisatorischen Ablauf betrifft (Wahl- 12 20 veranstaltungen, Briefwahlbeteiligung), sondern auch über die 10 15 wirtschaftliche Entwicklung. Mit dem Ausbruch von Corona fiel die US-Wirtschaft in eine historisch einmalige Rezession. 10 8 Die Historie lehrt, ein US-Präsident kann sich im Wahljahr noch 5 nicht mal eine „normale“ Rezession leisten, denn er wird dann 6 0 üblicherweise abgewählt. Dass Trump unserer Einschätzung 4 -5 nach dennoch eine realistische Chance auf seine Wiederwahl hat, ist ebenfalls eine Besonderheit dieser Wahl. -10 2 -15 Nichtsdestotrotz verschlechterten sich bereits kurz vor dem 0 -20 Ausbruch von Corona in den USA die Wahlaussichten für Jul 19 Sep 19 Nov 19 Jan 20 Mrz 20 Mai 20 Jul 20 Trump. Überraschend deutlich gewann Joe Biden am 3. März Wahlumfragen (RCP; l.S.) die parteiinternen Vorwahlen in mehreren Bundesstaaten. Sein Wahlwahrscheinlickeiten (Predict It; r.S.) letzter verbliebener Konkurrent Bernie Sanders schied dann Anfang April aussichtslos aus. Mit Biden bekam Trump den Zusammengefasste Wahlumfragen: Vorsprung Biden (Differenz Stimmenanteile von ihm gefürchtetsten Gegner. Für den eigentlichen Schub Biden vs. Trump in Prozentpunkten); Wahlwahrscheinlichkeit: Differenz Sieg der für die Demokraten bzw. für Biden sorgte allerdings Trump Demokraten vs. Sieg der Republikaner bei der Präsidentschaftswahl selbst. Sein Umgang mit dem Tod des Afroamerikaners Quellen: Real Clear Politics, Predict It, DekaBank George Floyd und den anschließenden Protesten gegen Poli- zeigewalt sowie die zunehmende Kritik an seinem Umgang mit der Pandemie verschlechterte seine Umfragewerte massiv Das Wahlprogramm von Joe Biden und die an Wahlbörsen gehandelte Wahrscheinlichkeit eines Biden präferiert steuerlich eine halbe Rolle rückwärts. Unter Siegs der Demokraten erreichte bisherige Höchstwerte Trump wurde der Steuersatz für Unternehmen von 35 % auf (Abb. 1). 21 % gesenkt und Biden möchte ihn wieder auf 28 % anhe- ben. Zudem soll der Mindeststeuersatz der Unternehmen für Zudem kippten in diesem Zeitraum auch die an der Wahlbörse ausländische Einkünfte von 10,5 % auf 21 % verdoppelt wer- Predict It gehandelten Wahrscheinlichkeiten für den Ausgang den. Bei den privaten Haushalten will Biden die ebenfalls der Senatswahlen. Hier steht ca. ein Drittel der 100 Plätze zur durch Trump gesenkten Einkommensteuersätze für Bezieher Wahl und bis in das Frühjahr hinein sah es danach aus, dass hoher Einkommen wieder deutlich anheben. Bislang werden die Republikaner ihre knappe Mehrheit behaupten könnten. Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 12,4 % für Bezieher Inzwischen gilt es als wahrscheinlicher, dass die Demokraten hoher Einkommen gedeckelt. Das steuerpflichtige Maximalein- auch diese Kongresskammer gewinnen werden. Daher hat das kommen soll von derzeit 137.000 US-Dollar unter Biden auf Szenario einer „blauen Welle“, also demokratischer Präsident 400.000 US-Dollar angehoben werden. und eine demokratische Mehrheit in beiden Kongresskam- mern, die höchste Wahrscheinlichkeit. Aber sicher können sich Die Mehreinnahmen dieser und weiterer Maßnahmen würden die Demokraten nicht sein. Auch 2016 sah es sogar am Vor- sich über einen Zeitraum von 10 Jahren je nach Berechnung abend der Wahl nach einem relativ klaren Sieg der Demokra- im Bereich von 3,5 bis 4 Billionen USD addieren. Allerdings las- sen sich die wirtschaftlichen Folgen noch nicht abschließend 2
August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl berechnen, weil Biden noch nicht die Verwendung dieser Gel- Auswirkungen auf die Aktienmärkte der vorgestellt hat. Sicherlich dürfte einiges hiervon in das Ge- Das Szenario einer „roten Welle“, einer Mehrheit für Trump sundheitssystem fließen. Weite Teile der Partei sind sich dar- sowie die Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus über einig, dass die Anzahl der Personen mit einer Gesund- wäre für die Aktienmärkte sicherlich das „Traumszenario“ von heitsversicherung weiter steigen soll. Auch in Infrastruktur- mindestens zwei weiteren Jahren marktfreundlicher Politik mit maßnahmen könnte ein Teil der Mehreinnahmen fließen. Die tiefen Steuern, weiterer Deregulierung, Druck auf die Noten- Auswirkungen von Corona auf die Staatsfinanzen waren aller- bank sehr dovish zu agieren inkl. einer entsprechenden Neu- dings verheerend, sodass nicht auszuschließen ist, dass ein Teil besetzung des Fed-Chair. Aber dieses Szenario ist unwahr- der staatlichen Mehreinahmen in die Verringerung der Staats- scheinlich (wir veranschlagen es gegenwärtig mit 5 Prozent). verschuldung fließt bzw. fließen muss. Für die Aktienmärkte wäre ein unstrittiger Wahlsieg von Biden Zu beachten ist, dass Wirtschaftspolitik in den USA dem Kon- in Kombination mit einer knappen Senatsmehrheit für die Re- gress obliegt, zumindest wenn der staatliche Haushalt hiervon publikaner (also eine „blau-rote“ Welle) vermutlich das zweit- betroffen ist. Daher dürfte sich an den Steuersätzen nicht viel beste Szenario. Biden würde versuchen die Spaltung der Na- ändern, sollte Biden keine demokratischen Mehrheiten in den tion zu reduzieren. Einerseits ist das wenig marktrelevant. An- beiden Kongresskammern haben. Selbst in diesem Fall könnte dererseits würden Unternehmen diese Konstellation deswegen er wohl nicht alle Pläne umsetzen, denn für manche wäre so- positiv aufnehmen, weil Biden ohne Mehrheit im Senat wenig gar eine Supermehrheit von 60 % notwendig. Gestaltungsmöglichkeiten hat. Zwar könnte und dürfte er, ähnlich wie Trump in den letzten 1,5 Jahren, versuchen einige Selbst im Falle einer „blauen Welle“ könnte Biden mangels Maßnahmen mit Executive Orders zu verfügen. Diese sind ein Supermehrheit (betragsmäßig) nur ca. die Hälfte seiner Pläne machtvolles Instrument – solange dafür kein Budget benötigt durchsetzen. Noch dazu strahlt auch hier Corona aus. Denn wird. Denn sobald er damit Geld ausgeben möchte, braucht er die vermutlich auch Anfang 2021 noch schwierige Wirt- die Zustimmung vom Kongress. schaftslage dürfte dazu beitragen, dass die Steuerpläne erst später in der Legislaturperiode aufgenommen werden. Bis da- Somit könnte (abseits von Eventrisiken, Krisen) mindestens hin könnten sich aufgrund der Zwischenwahlen 2022 die zwei Jahre lang wirtschaftspolitisch – bis auf Änderungen im Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern erneut verändern. Gesundheitswesen – kaum etwas passieren, tiefe Steuern, ge- Makroökonomisch bedeutete die Steuerpolitik Bidens damit ringe Regulierung und vermutlich auch Niedrigzinsen dürften eine moderate Verringerung des bisherigen fiskalischen Impul- die Aktienmärkte weiter unterstützen. Im Gegensatz zu einer ses für die Konjunktur, was allerdings gesamtwirtschaftlich Trump-Präsidentschaft aber ohne regelmäßige verbale Eskala- verkraftbar wäre, vorausgesetzt, die Pandemie kann in den tionen gegen Europa, China, den Iran und andere. Das heißt Griff bekommen werden. allerdings nicht, dass Biden die Entwicklungen der vier Trump- Jahre direkt umkehren würde. Vor allem würde der Ton um- Vier weitere Trump-Jahre gänglicher, diplomatischer. Das Motto „America First“ dürfte Steuerlich hat Trump in seiner ersten Amtszeit alles umgesetzt, aber auch bei Biden – in diesem Szenario eines geteilten Kon- was er sich vorgenommen hatte. Sein Augenmerk für die gresses – stärker gelten als in der Obama-Ära. An der kriti- nächste Amtszeit dürfte neben weiterer Deregulierung daher schen Haltung gegenüber China dürfte Biden festhalten, beide auf die Bereiche Handels- und Außenpolitik gerichtet sein. Länder dürften sich wirtschaftlich und vor allem technisch wei- Während ein Präsident Biden vermutlich daran gelegen wäre, ter entflechten. Tempo und Ton dürften aber auch hier unter das transatlantische Verhältnis wieder zu verbessern, dürfte Biden anders ausfallen als unter Trump. Die Deglobalisierung, unter Trump die Kritik an die EU bzw. die NATO-Partner nicht die unter Trump eingesetzt hat, und die gegenwärtig insbe- abnehmen. Aber auch hier dürfte eine demokratische Regie- sondere systemrelevante und Hochtechnologiebereiche be- rung Biden keinen wirklichen Richtungswechsel bedeuten. Das trifft, würde auch unter Biden weitergehen. Große, dienstleis- Bewusstsein für die neue Rivalität zweier Gesellschaftssysteme tungsorientierte Volkswirtschaften wie die USA können hier- zwischen den USA und in China ist mittlerweile im politischen mit auf den ersten Blick besser umgehen als kleinere export- System der USA, wie auch in der Bevölkerung verankert, wie orientierte wie etwa Deutschland. übrigens auch in China. Weniger wahrscheinlich als unter Bi- den wären dagegen wohl Infrastrukturmaßnahmen in einer Ein Wahlsieg von Trump mit einem weiter geteilten Kongress zweiten Amtszeit Trump. Nicht nur weil hierfür die Gelder dürfte für die Aktienmärkte das drittbeste Szenario sein, aller- wohl fehlen würden, sondern weil die Demokraten mit sehr dings fast genauso gesehen werden wie das zuvor skizzierte. hoher Wahrscheinlichkeit die Mehrheit mindestens in einer Hier ist etwas mehr Deregulierung zu erwarten, aber dafür Kongresskammer (Repräsentantenhaus) erreichen werden und weiter die aggressivere Rhetorik, die immer wieder zu Verunsi- daher eine politische Einigung unverändert unwahrscheinlich cherung an den Märkten führen kann – wenngleich die bliebe. Märkte sich inzwischen recht gut an diesen Ton gewöhnt ha- ben. 3
August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl Wirklich spannend wird es in den folgenden zwei Fällen: Sollte hatte er wiederholt vor Wahlbetrug durch die Demokraten ge- es zu einer blauen Welle kommen, bei der die Demokraten warnt. Seine Kampagne dürfte dazu führen, dass seine Wähler den Präsidenten sowie die Mehrheit im Kongress stellen, weniger stark die Briefwahl nutzen. Ob alle im Gegenzug di- könnte das die Aktienmärkte anfangs verunsichern. Erst wenn rekt vor Ort abstimmen wird eine der zentralen Fragen sein. klar ist, wie Biden Kabinett und Leiter von Behörden besetzt Der Chef der US-Post, Louis DeJoy, ist Großspender und Anhä- (-> Regulierung), wie stark Einkommens- und Unternehmens- nger von Trump. Er kündigte an bei der Post Kapazitäten ab- steuern erhöht werden sollen und wofür das Geld verwendet zubauen. Nach massiven Protesten der Demokraten versprach wird, könnte es ggf. zu einer Erleichterung kommen. Schul- er die Maßnahmen erst nach der Wahl umzusetzen. Grund- denabbau (sinkende Zinsen -> noch höhere Bewertung für Ak- sätzlich könnte die Post vermutlich auch ein extrem hohes tien) oder intelligente Infrastrukturprogrammen (höheres Po- Aufkommen an Briefwahlunterlagen zustellen. Allerdings gibt tenzialwachstum, nicht nur Straßen und Brücken in dünn be- es ein Problem mit Fristen auf Ebene der Bundesstaaten, die siedelten Regionen) wären konstruktivere Verwendungszwe- nicht zur Auslieferungsgeschwindigkeit der Post passen. Daher cke. In diesem Fall wäre an den Aktienmärkten nach der Wahl könnten Stimmen verfallen, was bei einem engen Wahlaus- und in den ersten Monaten 2021 Sand im Getriebe, einen gang die Legitimität gefährdet. starken Einbruch würde dies jedoch – sofern nicht noch an- dere exogene Faktoren hinzukommen - nach unserer Auffas- Das Thema von knappen und umstrittenen Wahlergebnissen sung nicht nach sich ziehen. ist nicht neu in der US-Geschichte (s. Anhang). Das jüngste Beispiel der 54. US-Präsidentenwahl im Jahr 2000 zeigt die Das Horrorszenario schlechthin für die Aktienmärkte ist ein Problematik eines umstrittenen Wahlausganges. George W. umstrittener Wahlausgang mit wochenlanger Hängepartie: Bush gewann damals mit einem der knappsten Ergebnisse in Dieses von uns schon im Februar skizzierte Szenario ist durch der US-Geschichte gegen Al Gore. Die Auszählung in Florida verschiedene Entwicklungen in der Zwischenzeit deutlich rea- war dabei hochgradig umstritten und wurde letztlich vom re- listischer geworden, sodass wir ihm eine Wahrscheinlichkeit publikanisch dominierten Supreme Court bestätigt. Die Unsi- von rund 25 % beimessen: Durch die von Covid-19 ausgehen- cherheit lastete zwischenzeitlich deutlich auf den Aktienmärk- den Gefahren dürften deutlich mehr Wähler als normal per ten (Abb. 3). Briefwahl abstimmen wollen. Historisch und lt. Umfragen wählen deutlich mehr Demokraten auf diese Weise. Eine Um- Abb. 3 Kursverlauf des S&P 500 vom Wahltag frage aus dem umkämpften Bundesstaat Wisconsin verdeut- (07.11.2000) bis zum Handelstag nach der Vereidigung licht die extrem große Bedeutung der Briefwahl für beide Sei- von George W. Bush am 22.01.2001 ten (Abb. 2). Ohne Briefwahl scheint die Siegchance der De- mokraten deutlich geringer. 1450 1400 Abb. 2 Wahlumfrage für den Swing-State Wisconsin, dif- ferenziert nach Abstimmungsverhalten 1350 1300 100 81 1250 80 67 60 50 45 Quellen: Bloomberg, DekaBank * Performance-Tabelle siehe Anhang. 40 26 20 14 Seitdem sind fast 20 Jahre vergangen und die Polarisierung in 3 2 3 3 1 2 der US-Politik und –Bevölkerung ist inzwischen wesentlich aus- 0 geprägter. Prominente Vertreter beider Lager warnen massiv Joe Biden Donald Keiner Unsicher vor Wahlbetrug. Es bleibt abzuwarten, ob Trump und seine Trump Anhänger eine knappe Niederlage akzeptieren würden – und Wahltag, persönlich Vorab, persönlich Briefwahl wie sich die ihm ergebene republikanische Partei verhalten würde. Quellen: Marquette University, DekaBank Ein strittiges Wahlergebnis mit tage- oder wochenlanger Hän- Präsident Trump macht daher massiv Stimmung gegen die gepartie würde die Aktienmärkte belasten. Im Gegenzug dürf- Briefwahl und behauptet (ohne bislang Beweise vorzulegen), ten US-Staatsanleihen und Gold profitieren. Der US-Dollar diese sei sehr anfällig für Manipulation. Bereits vor vier Jahren würde wohl die gleichen Kapriolen aufführen wie bei der Wahl Donald Trumps: Er würde als sichere-Hafen-Währung 4
August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl vorübergehend aufwerten, obwohl sich die neu aufgetretenen Auswirkungen auf die Rentenmärkte Risiken (politische Ungewissheit) ausgerechnet auf die USA be- Mangels konkreter Wahlprogramme, vor allem mit Hinblick ziehen. Umgekehrt dürfte ein halbwegs klares und allgemein auf die Ausgabenseite, sind Prognosen für die Auswirkungen unbestrittenes Wahlergebnis direkt zu einer Erleichterung an der US-Wahl auf den Rentenmarkt vorerst schwierig. den Märkten führen – und damit zu (spürbaren) Kursgewin- nen. Ein wichtigerer Faktor ist hingegen relativ leicht einzuschätzen: Unabhängig vom Wahlausgang bleibt die US-Notenbank ext- Aufgrund der Corona-Krise mit ihren zahlreichen Verwerfun- rem expansiv. Damit ist das kurze Ende festgeschrieben und gen an den Märkten ist es deutlich schwerer als in früheren auch die längeren Laufzeiten gut verankert. Falls das US-Haus- Wahlen, herauszulesen, was vermutlich in den Kursen „drin haltsdefizit in den kommenden Jahren etwas höher oder tiefer ist“ und was nicht. Aufgrund der erhöhten Bewertung an den ausfällt als aktuell erwartet, dann wird die Fed ihre monatli- US-Märkten scheint allerdings keine größere Risikoprämie in chen Anleihekäufe bei Bedarf entsprechend anpassen. Ohne den Kursen enthalten zu sein. Sollte sich somit ab den TV-Du- Maßnahmen der Regierung, die Potenzialwachstum oder Infla- ellen ein knappes Ergebnis abzeichnen, könnte das in Kombi- tionserwartungen verändern, sind somit keine größeren Aus- nation mit vermutlich zunehmend schriller Rhetorik zu einer wirkungen durch die US-Wahlen zu erwarten. Ganz kurzfristig Aktienmarkt-Konsolidierung im Vorfeld des Wahltermins füh- könnte, siehe oben, ein enger Wahlausgang US-Treasuries als ren. sicheren Hafen unterstützen. Die Branchen Finanzen (v.a. Banken), Gesundheit, Energie und Auswirkungen auf die Kreditmärkte Telekommunikation dürften von einem Trump-Sieg über- US-Corporates haben sich schnell vom Corona-Schock erholt. durchschnittlich profitieren. Umgekehrt würden sie vermutlich Die Risikoaufschläge liegen zwar noch oberhalb des Niveaus besonders leiden, wenn Biden Präsident wird und die Demo- von vor der Krise, vor allem für Unternehmen aus dem High kraten auch im Senat eine Mehrheit holen. Zudem dürften Yield-Bereich, aber die Renditen sind dank der sehr stark ge- dann Titel aus dem Bereich der erneuerbaren Energien stark fallenen Renditen der Treasuries kräftig gesunken (Abb. 4). profitieren, weil die Demokraten einen „Green New Deal“ an- Dazu haben die staatlichen Rettungspakete beigetragen, noch streben. stärker aber die Fed mit ihrem Kaufprogramm, das auch soge- nannte „Fallen Angels“ miteinschließt, auch wenn bisher nur Für den zuletzt so dominanten Tech-Sektor ist es schwerer in geringem Umfang tatsächlich gekauft wurde. Der heftige eine klare Aussage zu treffen. Kurzfristig sollte der Wahlaus- Ausschlag von High Yield-Spreads bei Ausbruch der Pandemie gang kein Game-Changer sein. Allerdings besteht sowohl bei beruhte auf der Sorge vor einem massiven Anstieg von Unter- Trump als auch bei zahlreichen (v.a. progressiven) Demokraten nehmenspleiten. Und tatsächlich sind die globalen Ausfallra- eine gewisse Tendenz die zunehmend monopolistische Struk- ten in diesem Jahr bereits deutlich über das Niveau vom Vor- tur des Tech-Sektors zu hinterfragen. Untersuchungen durch jahr angestiegen, vor allem in den USA. Dort kommt hinzu, verschiedene US-Behörden laufen dazu bereits. Bei Trump dass der Energiesektor ein wesentlich höheres Gewicht ein- kommt eine persönliche Rivalität mit dem Chef und Hauptakti- nimmt als in Europa, viele Unternehmen mit einem hohen Ver- onär von Amazon.com, Jeff Bezos, hinzu. Allerdings ist auch schuldungsgrad kalkulieren und zusätzlich zur Coronakrise die unter Ökonomen die Debatte durchaus kontrovers: eine einfa- Energiepreise sehr stark gefallen sind. Während die Ausfallra- che Zerschlagung wird nicht als Allheilmittel für diesen neuen ten in Europa bis zum Juli auf 2,7 % gestiegen sind, schnellten Wirtschaftszweig gesehen. sie in den USA auf 8,4 % empor. Ein weiterer und auf Sicht der nächsten Jahre deutlich wahr- Abb. 4 Entwicklung von US-Corp. Renditen scheinlicherer Aspekt sind die von vielen Staaten, vor allem in % % der EU, geführten Überlegungen eine Digitalsteuer einzufüh- 6,0 Prognose 6,0 ren. Trump hat diese stark bekämpft und im Gegenzug Strafzölle angekündigt. (Zum Teil wurden diese bereits be- schlossen, aber vorerst nicht erhoben.) Nach der US-Wahl 4,0 4,0 dürften die Verhandlungen über die Digitalsteuer Fahrt auf- nehmen. Für die EU ist diese wichtig, weil sie ein Baustein des 750 Mrd. Euro schweren Wiederaufbaufonds ist. 2,0 2,0 Wichtige Termine 29.09. Erstes TV-Duell Trump / Biden 0,0 0,0 15.10. Zweites TV-Duell Trump / Biden 01/15 01/16 01/17 01/18 01/19 01/20 01/21 22.10. Drittes TV-Duell Trump / Biden US-Corp. HY, 5J UST 5J Corp., BBB 5J 03.11. Wahltag: Präsident, Senat, Repräsentantenhaus Quellen: Bloomberg, DekaBank 5
August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl Laut den Prognosen von Moody’s dürften sie hier bis zum ers- Form auch auf die Kreditmärkte auswirken. Viel entscheiden- ten Quartal 2021 noch bis auf 12 % ansteigen und danach der bleiben jedoch die Unterstützungsprogramme der Fed, ein langsam wieder nachgeben. An den Kreditmärkten wird diese weiterhin sehr niedriges Zinsniveau sowie die Aussicht, dass Entwicklung vorweggenommen, daher sind die Bewertungen die Notenbank bei Bedarf den Markt mit verstärkten Wertpa- zuletzt wieder spürbar gesunken, auch weil die bisherigen pierkäufen unterstützen wird – und diese Punkte gelten unab- Defaults niedriger ausgefallen sind als befürchtet. hängig vom Wahlausgang. Die Verunsicherung bei einem un- klaren Wahlausgang wäre auch für die Spreads sicherlich das Das Thema Präsidentschaftswahl ist für die Spreads weniger schlechteste Szenario. Doch auch in diesem Falle dürfte die entscheidend als für Aktien. Natürlich wirkt sich eine Unter- Hoffnung auf die Fed gelegt werden, sodass die Risikoauf- nehmensfreundliche Politik, wie sie Trump und seine Republi- schläge sich bald wieder beruhigen würden. Insgesamt zeich- kaner versprechen, positiv auf die Spreadaussichten aus. Doch net sich ein lang andauerndes Niedrigzinsniveau ab, in dem auch die Demokraten sind bemüht, die Konjunktur kräftig zu Spreads als attraktiver Zusatzertrag betrachtet werden. unterstützen, wie die aktuellen Forderungen nach einem neuen, massiven Hilfsprogramm belegen. Die oben ausgeführ- ten Überlegungen würden sich in deutlich abgeschwächter Abb. 5 Mögliche Wahlausgänge und erwartete Marktreaktionen Mit republikanischer Erwartete Marktreaktion: Aktien haussieren in Erwartung von mind. Mehrheit im Kongress zwei weiteren Jahren marktfreundlicher Politik. Positiv für Credits. Wahlsieg (5 %) Neutral bis leicht negativ für US-Treasuries. Donald Trump (45 %) Ohne republikanische Erwartete Marktreaktion: Status quo. Aktien und Credits profitieren, Mehrheit im Kongress Steuern bleiben unverändert tief. Wenig Reaktion bei US-Treasuries. (40 %) Mit demokratischer Erwartete Marktreaktion: Kurzfristig Kursverluste bei Aktien und Mehrheit im Kongress Credits. Neutral bis leicht negativ für US-Treasuries. Kabinett und Wahlsieg (30 %) Programm entscheidend für mittelfristige Entwicklung. Joe Biden (55 %) Ohne demokratische Erwartete Marktreaktion: Aktien profitieren deutlich, auch Credits Mehrheit im Kongress profitieren. US-Treasuries neutral bis schwächer. (25 %) Quelle: DekaBank Fazit • Daher dürfte eine relativ klare Entscheidung bereits in • Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl ist völlig of- der Wahlnacht positiv für Aktien sein. fen. Aktuell hat der Demokrat Joe Biden leichte Vorteile • Für die professionellen Anleger bedeuten die kommen- gegenüber Präsident Trump. den Monate erhöhte Aufmerksamkeit für die US-Politik, • Spannend ist auch die Wahl des Senats, in dem die Re- um ihre Portfolien bei absehbaren Entwicklungen (etwa publikaner momentan eine Mehrheit haben. einer Entgleisung des Handelskonflikts) taktisch flexibel • Ab Mitte/ Ende September wird die US-Wahl schritt- anpassen zu können. weise ein größeres Marktthema. • Für den privaten Anleger gilt trotz der vielen Besonder- • Am großen, längerfristigen Konjunktur- und Kapital- heiten dieser Präsidentschaftswahl: politische Börsen marktbild sollte sich durch die Wahl nichts ändern. haben kurze Beine. Kursschwankungen werden nur re- o Die Geldpolitik bleibt extrem expansiv. lativ kurzfristige Auswirkungen besitzen. Da nicht zu er- o Die Fiskalpolitik bleibt expansiv. warten ist, dass das US-Wirtschaftssystem umgekrem- o Die Zinsen bleiben niedrig. pelt wird, bleiben die grundsätzlichen Bedingungen für o Credits bleiben interessant. die Finanzmärkte erhalten. Auch das politische System o Aktien sind nicht günstig, bleiben aber funda- halten wir selbst in den beschriebenen Fallen eines un- mental gut unterstützt. sicheren Wahlausgangs für ausreichend fest, die USA • Das große Risiko ist ein knapper, umstrittener Wahlaus- haben in Ihrer Geschichte ähnliche und sogar größere gang, der zu wochenlanger Unsicherheit führt. Belastungen ausgestanden. Deutliche Rücksetzer im o Für längerfristig orientierte Anleger könnten Verlauf des Wahlkampfs können für den Aufbau von sich dann Kauf-Chancen ergeben. Positionen genutzt werden. 6
August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl Anhang die Anhänger der Republikaner, so dass Hayes der 23. Präsi- dent der USA wurde. Damit die Demokraten dies jedoch ak- Knappe Kiste: Unsichere Ergebnisse bei der Präsident- zeptierten, machte die republikanische Partei politische Zuge- schaftswahl sind schon dagewesen ständnisse in zahlreichen Sachfragen, vom Abzug verbliebener Bundestruppen in Südstaaten bis hin zu wirtschaftlichen Zuge- Der Ausgang bei der Wahl zum 46. Präsidenten wird wohl ständnissen. knapp werden. Das wäre aber nicht das erste Mal. Ist das Er- gebnis nicht klar oder umstritten, kommen nach der US-Ver- Seither wurde zwar versucht, das Wahlverfahren zu präzisie- fassung und den Erfahrungen der US-Geschichte andere politi- ren, etwa durch den Electoral Count Act. Danach soll bei den sche Institutionen ins Spiel. Der Präsident könnte dann durch Auszählungen in den Bundesstaaten das Ergebnis gelten, wel- den Kongress bestimmt werden, auch Gerichte spielen eine ches der jeweilige Gouverneur verkündet. Das Wahlgesetz ist Rolle. Es gibt hier keinen genau vorgeschriebenen Weg, die jedoch nie getestet worden und juristisch umstritten. Auch Wahl würde noch einmal mehr politisiert als es eine Wahl oh- schreibt es den Obersten Gerichten eine Schiedsrichterfunk- nehin schon ist, wenn selbst die Regeln zur Ermittlung des Sie- tion zu, allerdings sind diese Gerichte in den USA dafür be- gers durch die politische Debatte entschiedenen werden müs- kannt, dass sie sich in die Tagespolitik nicht einmischen wol- sen. Neben dem bereits oben erwähnten Duell Gore vs Bush len. So ist wohl bei Streit um den Wahlausgang der kleinste gerät hier die Wahl des 23.Präsidenten der Vereinigten Staa- gemeinsame Nenner, dass der Kongress entscheiden muss, ten im Jahr 1876 in den Blick. Der Kandidat der Republikaner und dies trägt wohl für so manchen Wähler in den USA zu Rutherford B. Hayes bekam eine Wahlmännerstimme Mehr- weiterem Verdruss über das politische System bei. Auf der an- heit gegen seinen demokratischen Gegenkandidaten Samuel deren Seite wird hier deutlich, dass das politische System in J. Tilden, obwohl er an der Wahlurne weniger Stimmen als den USA auch in der Vergangenheit schon großen Belastun- sein Opponent bekommen hatte. Der Wahlausgang war un- gen ausgesetzt war und mit diesen Herausforderungen fertig klar und wurde letztendlich durch einen politischen Kuhhandel geworden ist. entschieden. Auch der Vorwurf der Wahlmanipulation kam schnell auf. Wie knapp es auch immer wird: Die Amtszeit eines US-Präsi- denten endet (seit den 60er Jahren) am 20. Januar um 12 Uhr, Am Ende wurde eine Wahlkommission mit Mitgliedern des Re- im Fall von Donald Trump im Jahr 2021. Bis dahin muss laut präsentantenhauses, des Senats und des Obersten Gerichts- Verfassung der nächste Präsident feststehen. hofs geschaffen. Während das Kräfteverhältnis unter den Par- lamentariern ausgeglichen war, überwogen bei den Richtern Performance-Tabelle S&P 500 (22.01.1999-22.01.2020) 22.01.1999 22.01.2000 22.01.2001 22.01.2002 22.01.2003 22.01.2004 22.01.2005 22.01.2006 22.01.2007 22.01.2008 22.01.2000 22.01.2001 22.01.2002 22.01.2003 22.01.2004 22.01.2005 22.01.2006 22.01.2007 22.01.2008 22.01.2009 17,64% -6,83% -16,65% -21,53% 30,24% 2,09% 8,02% 12,80% -7,90% -36,86% 22.01.2009 22.01.2010 22.01.2011 22.01.2012 22.01.2013 22.01.2014 22.01.2015 22.01.2016 22.01.2017 22.01.2018 22.01.2010 22.01.2011 22.01.2012 22.01.2013 22.01.2014 22.01.2015 22.01.2016 22.01.2017 22.01.2018 22.01.2019 31,93% 17,55% 2,50% 13,47% 23,60% 11,83% -7,57% 19,11% 24,73% -7,06% 22.01.2019 22.01.2020 26,16% Quellen: Bloomberg , DekaBank, eigene Berechnungen. 7
August 2020 Die Kapitalmärkte vor der US-Wahl Autoren: Rudolf Besch Carsten Lüdemann Jan Schmies Herausgeber: Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater DekaBank, Makro Research Tel. (0 69) 71 47 - 28 49 E-Mail: economics@deka.de Redaktionsschluss: 24.08.2020 Internet: https://deka.de/deka-gruppe/research Impressum: https://deka.de/deka-gruppe/impressum Rechtliche Hinweise: Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden von der DekaBank nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfän- gers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumen- ten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragli- che oder anderweitige Verpflichtung gedacht. Sie ersetzen keine (Rechts- und / oder Steuer-) Beratung. Auch die Übersendung dieser Darstellungen stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Alle Angaben wurden sorgfältig recherchiert und zusam- mengestellt. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und stammen aus oder beruhen (teilweise) auf von uns als vertrauenswürdig erachteten, aber von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quel- len. Eine Haftung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der gemachten Angaben und Einschätzungen, einschließlich der rechtlichen Ausführungen, ist ausgeschlossen. Die enthaltenen Meinungsaussagen geben die aktuellen Einschätzungen der DekaBank zum Zeitpunkt der Erstellung wieder, die sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern können. Jeder Empfänger sollte eine eigene unabhängige Beurteilung, eine eigene Einschätzung und Entscheidung vornehmen. Insbesondere wird jeder Empfänger aufgefordert, eine unabhängige Prüfung vorzunehmen und/oder sich unabhängig fachlich beraten zu lassen und seine eigenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf wirtschaftliche Vorteile und Risiken unter Berücksichtigung der rechtlichen, regulato- rischen, finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Aspekte zu ziehen. Sollten Kurse/Preise genannt sein, sind diese freibleibend und dienen nicht als Indikation handelbarer Kurse/Preise. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Diese Informationen inklusive Einschätzungen dürfen weder in Auszügen noch als Ganzes ohne schriftliche Genehmigung durch die DekaBank vervielfältigt oder an andere Personen weitergegeben werden. DekaBank Deutsche Girozentrale Mainzer Landstraße 16 60325 Frankfurt Postfach 11 05 23 60040 Frankfurt Telefon: (0 69) 7147 - 0 Telefax: (0 69) 7147 - 1376 www.deka.de 8
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