DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten

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DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
DORSTFELD
IN BEWEGUNG                                     AUSGABE #3

MAGAZIN FÜR
ZIVILGESELLSCHAFTLICHES
ENGAGEMENT
GEGEN RECHTSEXTREMISMUS

AUS DEM INHALT:

→ Rückblick auf das   → Interview mit   → Im Blickwinkel:
Engagement im Jahr    Manfred Kossak    Verschwörungsmythen
2020
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
IMPRESSUM
 © Februar 2021

 Dorstfeld in Bewegung -
 Magazin für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus

 Herausgeberin
 Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und
 Verständigung in Dortmund-Dorstfeld
 II. Bickestraße 6
 44263 Dortmund

 Redaktion
 Vivianne Dörne / Annica Lang
 Projekt Quartiersdemokraten

 Telefon: 02 31 / 53 45 37 24
 kontakt@quartiersdemokraten.de
 www.quartiersdemokraten.de

     facebook.com/quartiersdemokraten
     twitter.com/qd_dorstfeld

 Druck: WIRmachenDRUCK GmbH

 Gefördert durch:
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
04 ―   GRUßWORT
                                  INHALT
       Birgit Miemitz

06 ―   EDITORIAL
       Projekt Quartiersdemokraten

08 ―   ZIVILGESESELLSCHAFTFLICHES ENGAGEMENT TROTZ
       SOCIAL DISTANCING
       Rückblick auf das Jahr 2020

12 ―   EIN PODCAST AUS DORSTFELD
       Ausschnitte aus dem Quartiersdemokraten-Podcast

14 ―   RECHTE ERZIEHUNGSIDEALE
       Interview mit Tina Leber

18 ―   DARUM HABEN WIR UNS ENGAGIERT!
       Statements von Engagierten

20 ―   »DISKRIMINIERUNG AUF DEM SPORTPLATZ SOLLTE AUF
       KEINEN FALL UNKOMMENTIERT BLEIBEN.«
       Interview mit Patrick Arnold

22 ―   NEONAZI-SZENE IM UMBRUCH
       Rechtsextremismus in Dorstfeld im Jahr 2020

26 ―   CHRONIK RECHTSEXTREMER VORFÄLLE
       IN DORSTFELD 2020

28 ―   SELBSTVERSTÄNDNIS
       Runder Tisch für Toleranz und Verständigung Dorstfeld

30 ―   AUSBLICK: EIN NEUER SONDERBEAUFTRAGTER
       Interview mit Manfred Kossack

32 ―   IM BLICKWINKEL:
       Verschwörungsmythen

34 ―   DREI FRAGEN
       an Micha Neumann & ADIRA
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
GRUßWORT
     Liebe Dorstfelderinnen und Dorstfelder,

     Sie halten die dritte Ausgabe des Magazins »Dorstfeld in Bewegung« in den Händen. Auch
     in dieser Ausgabe findet sich ein Rückblick auf die Aktivitäten 2020 im Stadtteil in der Aus-
     einandersetzung der demokratischen Zivilgesellschaft mit dem Rechtsextremismus vor Ort
     und viele interessante Informationen zur Unterstützung unserer demokratischen Kultur.

     Das Jahr 2020 war für uns alle angesichts der Corona – Pandemie ein außergewöhnliches
     Jahr mit vielen Belastungen und bisher nicht gekannten Herausforderungen in der Alltags-
     bewältigung und im beruflichen Leben. Umso erfreulicher ist es, dass auch in diesem Jahr
     viele Aktivitäten stattgefunden haben, die das bunte und vielfältige Leben dieses Stadtteils
     sichtbar und erfahrbar gemacht haben.

     Dafür möchte ich meinen Dank aussprechen an all die vielen engagierten und aktiven Dorst-
     felderinnen und Dorstfelder. Nach wie vor ist es den Neonazis nicht gelungen, im Stadtteil
     Anschluss zu finden. Daran hat dieses Engagement einen maßgeblichen Anteil.

     Wesentliche und kreative Unterstützung erfährt dieses Engagement mittlerweile im vier-
     ten Jahr durch das Projekt »Quartiersdemokraten«. Dem Projekt ist es gelungen, auch in
     diesem herausfordernden Jahr Menschen, Vereine und Institutionen in schwierigen Situ-
     ationen zu beraten, die Aktiven stärker zu vernetzen und interessante Informations- und
     Fortbildungsangebote zu machen. Mittlerweile sind sie fester und geschätzter Bestandteil
     des Engagements für Vielfalt und Demokratie - nicht nur Dorstfeld sondern auch weit dar-
     über hinaus. Dafür möchte ich mich bei den Mitarbeitenden im Projekt an dieser Stelle herz-
     lich bedanken.

     Sehr gerne und mit Freude möchte ich als neue Vorsitzende des Vereins »Verein zur Förde-
     rung von Respekt und Toleranz in Dortmund-Dorstfeld e.V.« dieses Engagement unterstüt-
     zen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und Euch im Jahr 2021!

     Anregende Lektüre wünscht

     Birgit Miemitz

04
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
»Nach wie vor ist es den Neonazis nicht
gelungen, im Stadtteil Anschluss zu
finden. Daran hat dieses Engagement
einen maßgeblichen Anteil.«

                        Birgit Miemitz ist seit
                        2020 neu gewählte Vorsit-
                        zende des Vereins zur För-
                        derung von Respekt, Tole-
                        ranz und Verständigung in
                        Dortmund-Dorstfeld   e.V.,
                        der die Trägerschaft für
                        das Projekt Quartiersdemo-
                        kraten übernommen hat. Bis
                        zu ihrem Ruhestand arbei-
                        tete sie in der Koordinie-
                        rungsstelle für Vielfalt,
                        Toleranz und Demokratie
                        der Stadt Dortmund.

                                                 05
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
EDITORIAL
     Liebe Leser*innen!                            Wir wissen, dass es sich dabei um einen
                                                   Mythos handelt, den Neonazis gerne für
     Sie halten die dritte Ausgabe des Magazins    sich nutzen. Dorstfeld ist keine »natio-
     »Dorstfeld in Bewegung« in Ihrer Hand.        nal befreite Zone« – es gibt viele Personen
     Es ist aber nicht nur die dritte Ausgabe      im Stadtteil, die sich im Großen und im
     des Magazins für zivilgesellschaftliches      Kleinen für einen lebenswerten und soli-
     Engagement gegen Rechtsextremismus            darischen Stadtteil einsetzen. Trotzdem
     in Dorstfeld, sondern das Projekt ist nun     betrifft uns der Rechtsextremismus als
     auch seit über drei Jahren aktiv. Als Fach-   demokratische Gesellschaft – sie bedrohen
     und Netzwerkstelle für Rechtsextremis-        Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen
     musprävention und Demokratieförde-            und schüren Ängste, die sie für sich nutz-
     rung im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld        bar machen wollen. Deswegen benötigt
     unterstützen und beraten wir die Dorst-       zivilgesellschaftliches Engagement nicht
     felder Zivilgesellschaft im Engagement        nur professionelle Unterstützung und
     für ein solidarisches Miteinander. Viele      Zeit, sondern auch Mut und Einsatz für So-
     Dorstfelder*innen kennen unsere Arbeit        lidarität – dieses Engagement soll mit dem
     und wissen, dass es uns ein großes Anlie-     Magazin sichtbar gemacht werden. Das
     gen ist, eine Gegenöffentlichkeit für die     Projekt Quartiersdemokraten ist daher
     demokratische Zivilgesellschaft zu der        breit aufgestellt: Ob Workshops oder Fort-
     rechtsextremen Szene zu bieten. Deswegen      bildungen zu bestimmten Themen oder
     finden Sie auch in unserer dritten Aus-       Vorträge über die rechtsextreme Szene in
     gabe des Magazins einen Jahresrückblick       Dortmund – wir kommen gerne zu Ihnen
     zu 2020, Interviews mit Engagierten aus       und unterstützen Sie mit unseren Ange-
     Dorstfeld und Analysen über die neona-        boten. Haben wir Ihr Interesse geweckt?
     zistischen Strukturen in Dortmund. Ziel       Möchten Sie sich engagieren oder haben
     des Magazins ist es, den Fokus auf zivil-     Fragen zum Umgang mit Rechtsextremis-
     gesellschaftliches Engagement zu legen        mus? Sprechen Sie uns an!
     und die rechtsextremen Aktivitäten im
     Stadtteil einschätzbar zu machen. Schon       2020 – ein Jahr mit vielen
     seit vielen Jahren haben sich zahlreiche      Herausforderungen für die
     Neonazis in Dorstfeld festgesetzt und ver-    Demokratie
     suchen immer wieder den Stadtteil für sich
     zu beanspruchen und Dorstfeld als ver-        Das Jahr 2020 wird uns allen in Erinnerung
     meintlichen »Nazi-Kiez«zu präsentieren.       bleiben – mit der Ausbreitung des Corona-

06
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
virus wurde ein weltweiter Gesundheits-       Dorstfeld in Bewegung
notstand ausgerufen. Die Covid-19-Pan-
demie bestimmt nach wie vor unseren           Demokratisches Engagement gegen
Alltag und verändert das gesellschaftliche    Rechtsextremismus im Stadtteil bleibt
Zusammenleben, nicht nur aufgrund der         wichtig und wirkt. Trotz der großen Her-
Corona-Maßnahmen wie die Einhaltung           ausforderungen im Zusammenhang mit
von Abständen und die Reduzierung so-         der Covid-19-Pandemie können wir auf
zialer Kontakte, sondern auch durch Kon-      viele Erfolge zurückblicken. Einige Kader
flikte innerhalb der Gesellschaft. Vor die-   der rechtsextremen Szene aus Dorstfeld
sem Hintergrund erfahren antisemitische       sind derzeit inhaftiert durch den Repres-
Verschwörungserzählungen Aufschwung,          sionsdruck des Staates und auch die Kom-
was sich zuletzt auf den so genannten         munalwahl 2020 war kein Erfolg für die
»Anti-Corona-Demonstrationen« in der          Partei »Die Rechte« und der »NPD«: sie
ganzen Bundesrepublik gezeigt hat. Die        verlieren einen Sitz im Stadtrat und kön-
Aussagen der Demonstrant*innen reichen        nen lediglich in zwei Bezirksvertretungen
von absurden Vergleichen mit dem Natio-       einziehen. Auch die rechtsextreme Inter-
nalsozialismus bis hin zur Inszenierung als   netseite »DortmundEcho«, das als eigens
»Widerstand«. Auch rechtsextreme Per-         gegründetes Sprachrohr für Szenemitglie-
sonen aus Dortmund sind immer wieder          der dient, ging offline. An vielen Stellen
Teil dieser antidemokratischen Proteste       wurde zivilgesellschaftliches Engagement
gewesen. Diese Ereignisse machen aber         in Dorstfeld sichtbar – im Jahr 2020 vor
auch deutlich wie aus Neonazis, Rechts-       allem digital: Netzwerktreffen aber auch
extremen, Verschwörungserzähler*innen         eine Vielzahl an Vorträgen im Rahmen
und Corona-Leugner*innen Bündnisse            von »Dorstfeld im Gespräch« wurden on-
entstehen, von denen eine reale Gefahr        line durchgeführt. Daher erwartet Sie auch
ausgeht. Auch der rechtsterroristische An-    in diesem Magazin ein Rückblick auf die
schlag in Hanau, bei dem neun Menschen        Aktionen, die im vergangenen Jahr statt-
aus rassistischen Motiven getötet wurden      gefunden haben. Zwar werfen wir eben-
und die Offenlegung von rechtsextremen        so einen Blick auf die Entwicklung der
Netzwerken in staatlichen Behörden zei-       rechtsextremen Szene, aber sprechen vor
gen, dass Rechtsextremismus nach wie vor      allem mit Menschen, die den Stadtteil so-
unsere Demokratie bedroht. Es wird deut-      lidarisch mitgestalten.
lich: die Arbeit für ein demokratisches und
solidarisches Zusammenleben ist notwen-       An dieser Stelle möchten wir uns bei allen
dig!                                          Unterstützer*innen bedanken, die an die-
                                              sem Magazin mitgewirkt haben und sich
                                              gemeinsam mit uns für eine starke Demo-
                                              kratie einsetzen. Dorstfeld bleibt in Bewe-
                                              gung!
                                                                                         07
DORSTFELD IN BEWEGUNG - MAGAZIN FÜR ZIVILGESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT GEGEN RECHTSEXTREMISMUS - Quartiersdemokraten
ZIVILGESELLSCHAFTLICHES
   ENGAGEMENT TROTZ
SOCIAL DISTANCING
     Rückblick auf Jahr 2020

     Das Jahr 2020 ist ein historisches Jahr,      Neue Formen des zivilgesell-
     das uns allen in Erinnerung bleiben wird.     schaftlichen Engagements
     Die Covid-19-Pandemie hat uns als Ge-
     sellschaft vor große Herausforderungen        Die einschneidenden Maßnahmen haben
     gestellt. Mit der Ausbreitung des Corona-     auch die Arbeit des Projekts wesentlich
     virus wird auch das öffentliche Leben in-     verändert und dazu geführt, die Dorst-
     nerhalb weniger Monate heruntergefah-         felder Zivilgesellschaft vor allem auf di-
     ren und die Pandemie bestimmt bis zum         gitalem Wege in der Auseinandersetzung
     jetzigen Zeitpunkt das Weltgeschehen.         mit der lokalen rechtsextremen Szene zu
     Die Maßnahmen zur Eindämmung der              unterstützen und zu beraten. Aber nicht
     Infektionsgefahr sind weitreichend und        nur die Erprobung neuer Kommunika-
     beeinflussen unseren persönlichen und         tionsmöglichkeiten hat das Projekt vor
     beruflichen Alltag. Abstände einhalten,       Schwierigkeiten gestellt, sondern auch
     auf persönliche Kontakte verzichten und       viele Veranstaltungsabsagen bestimmten
     Masken tragen – Maßnahmen, die wichtig        den Jahresanfang von 2020. So musste das
     und ein neues Zeichen der Solidarität sind.   alljährliche Demokratie-Festival »Vielfalt
     So hat sich auch die Arbeit des Projekts      lieben, Dorstfeld leben« auf dem zent-
     Quartiersdemokraten verändert, ebenso         ralen Wilhelmplatz kurzfristig abgesagt
     die Möglichkeiten sich zivilgesellschaft-     werden. Die Veranstaltung ist in enger
     lich zu engagieren. Zwar hat auch das Pan-    Abstimmung und Zusammenarbeit mit
     demiegeschehen das öffentliche Leben in       zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus
     Dorstfeld eingeschränkt, aber nicht trotz,    Dorstfeld vor drei Jahren entstanden. Im
     sondern wegen der Pandemie haben wir          Jahr 2018 fand eine große rechtsextreme
     gemeinsam neue Wege und Möglichkeiten         Demonstration mitten im Herzen von
     erprobt.                                      Dortmund statt. Neonazis mobilisierten
                                                   stark ins Ausland und empfingen rechts-
                                                   extreme Personen in Dorstfeld. Vor die-
                                                   sem Hintergrund setzte die Dorstfelder
                                                   Zivilgesellschaft gemeinsam mit dem Pro-
                                                   jekt Quartiersdemokraten ein starkes Zei-

08
Mit Abstand in der Turnhalle: Dorstfeld im Gespräch unter besonderen Bedingungen

chen für Demokratie und gegen Rechts-         lich fanden unter diesem Titel Podiums-
extremismus, in dem ein mehrtägiges           diskussionen und Vorträge in Dorstfeld
Demokratie-Festival mit klarer Botschaft      statt, in dem unterschiedlichen Fragen
organisiert wurde. Diese Tradition muss-      rund um das Thema Rechtsextremismus
te 2020 bedauerlicherweise pausieren.         gemeinsam mit der Dorstfelder Zivilge-
Antidemokratische Tendenzen und Ein-          sellschaft nachgegangen wurde. So auch
stellungen treffen aber gerade in Krisen-     im letzten Jahr – allerdings digital oder mit
zeiten auf fruchtbaren Nährboden – so hat     Hygienekonzept. So haben wir in einer On-
das Jahr 2020 auch gezeigt, dass die Arbeit   line-Veranstaltung über rechte Familien-
demokratiefördernder Maßnahmen und            bilder und ihre menschenfeindlichen Er-
politischer Teilhabe trotz der Kontakt-       ziehungsvorstellungen gesprochen, aber
beschränkungen wichtiger denn je ist.         auch über Handlungsstrategien für Mul-
Digitale Formate wie Diskussionsrunden,       tiplikator*innen. Rechte Familienbilder
Nachbarschaftshilfen und Videokonfe-          sind aber nicht die einzige Herausforde-
renzen sind nur einige Stichworte, die die    rung in der Auseinandersetzung mit dem
Veränderungen des Engagements andeu-          Rechtsextremismus. Neonazis versuchen
ten. Aber wie können kreative Lösungen        nicht nur ihre Ungleichheitsvorstellungen
aussehen und was ist eigentlich in Dorst-     innerhalb ihrer Familien weiterzugeben,
feld passiert?                                sondern auch in wichtigen gesellschaft-
                                              lichen Bereichen Einfluss zu erlangen.
Dorstfeld im Gespräch                         So sehen sich auch Sportvereine immer
                                              wieder mit Rechtsextremen konfrontiert,
Eine Möglichkeit all diese Fragen zu dis-     sei es als Mitglieder, durch Unterwan-
kutieren, bietet das Format »Dorstfeld        derungsversuche aber auch als Zuschau-
im Gespräch«, welches in Kooperation          er*innen bei Sportveranstaltungen. Neben
mit dem »Runden Tisch für Toleranz und        der Frage, wie politisch Sportvereine sein
Verständigung« entstanden ist. Ursprüng-      können und müssen, stellt sich die prakti-

                                                                                          09
sche Herausforderung mit dem Umgang            denn viele engagierte Einzelpersonen, aber
     mit Rechtsextremismus. Diesem Problem          auch Netzwerke wie der »Runde Tisch für
     hat sich die Dorstfelder Zivilgesellschaft     Toleranz und Verständigung« oder die
     angenommen im Rahmen einer lebendi-            Dorstfelder Jugendgruppe »TARA – Teens
     gen Diskussionsrunde, denn der Stadtteil       against racism and antisemitism« konn-
     zeichnet sich durch eine ausgesprochen         ten sich nicht persönlich treffen. Mit dem
     starke Vereinskultur aus. Anlass für dieses    Quartiersdemokraten-Podcast haben wir
     Format ist, dass Dorstfeld immer wieder        in der Corona-Zeit daher ein Format ent-
     bundesweit als vermeintlicher »Nazi-Kiez«      wickelt, mit dem Gespräche und ein Aus-
     im Gespräch ist. Wir möchten aber nicht        tausch ohne direkten Kontakt ermöglicht
     nur über Dorstfeld reden, sondern mit den      werden konnten. Wir fragen nach, wie die
     Dorstfelder*innen vor Ort nach gemeinsa-       Menschen in Dorstfeld mit der Situation
     men Strategien und Lösungen suchen.            umgehen und was sich im Stadtteil bewegt
                                                    hat. So haben wir über das neue Bürger-
     Gemeinsam und solidarisch trotz                haus »Pulsschlag« berichtet, welches auf
     Corona?                                        dem Gelände der alten Waschkaue der ehe-
                                                    maligen Zeche 2/3 in diesem Jahr in Ober-
     In Zeiten der Pandemie ist es schwierig,       dorstfeld entsteht. Das Bürgerhaus bietet
     Kontakte zu pflegen. Das Projekt Quar-         einen Ort für zivilgesellschaftliches Enga-
     tiersdemokraten steht schließlich für Ge-      gement und Austausch.
     meinwesenarbeit, aber wie soll das funktio-
     nieren? Dieser Frage haben wir uns gestellt,

                          Schule ohne Rassismus: Schüler*innen der Dorstfelder
10                        Wilhelm-Busch-Relschule beim Gedenken zum 9. November
Über Dorstfeld und über die Landes-            wurde die Gedenkveranstaltung in Dorst-
grenzen hinaus hat aber noch ein anderes       feld von vielen Dortmunder Bürger*in-
Thema die Welt bewegt: Rassismus. Der          nen besucht und als wichtiger Teil des zi-
gewaltsame Tod von George Floyd durch          vilgesellschaftlichen Engagements gegen
einen Polizisten sorgte in den USA für         Antisemitismus und Rechtsextremismus
massive Proteste, die sich vor allem gegen     wahrgenommen. Bedauerlicherweise wa-
den weit verbreiteten und fortwährenden        ren ein gemeinsames Beisammenstehen
Rassismus richten. Auch hierzulande so-        und Gedenken nicht möglich. Trotzdem
lidarisieren sich viele mit den amerikani-     konnte ein würdevolles Erinnern im Rah-
schen Demonstrant*innen und über das           men einer Kranzniederlegung am Mahn-
Thema Rassismus wird nun wieder viel           mal der ehemaligen Synagoge in Dorstfeld
debattiert. An vielen Stellen wird dabei zu    ermöglicht werden.
Recht darauf hingewiesen, dass Rassismus
keineswegs ein »neues« Problem ist oder        »Demokratie ist keine Selbstver-
nun »wieder da« sei. Denn das Gegenteil        ständlichkeit«
ist der Fall: Rassismus ist ein wesentlicher
Bestandteil unserer Gesellschaft und sorgt     Rabbiner Baruch Babaev der jüdischen
für Diskriminierung, Ausgrenzung und           Gemeinde in Dortmund plädierte für
Gewalttaten. Das Thema hat auch die Ju-        einen mahnenden Blick auf die aktuellen
gendgruppe TARA bewegt, wie sie in unse-       gesellschaftlichen Entwicklungen. Die so
rem Podcast berichteten. So erzählen die       genannten »Anti-Corona-Demonstratio-
Jugendlichen über ihre Erfahrungen mit         nen« zeigen, wie anschlussfähig antisemi-
Rassismus und Rechtsextremismus und            tische Verschwörungserzählungen sind –
erklären, was aus ihrer Sicht gegen Ras-       Antisemitismus ist eben nicht nur zentral
sismus in Dorstfeld getan werden kann.         für den Rechtsextremismus, sondern auch
Das Engagement für eine solidarische           ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wir
Gesellschaft bewegt viele Menschen im          erleben aktuell, wie wesentlich und wichtig
Stadtteil – das hat sich auch bei der Ge-      der Einsatz für ein demokratisches Mit-
denkveranstaltung an die Opfer der Pog-        einander ist. Das kontinuierliche zivilge-
romnacht am 9. November gezeigt. Doch          sellschaftliche Engagement in Dorstfeld
die Covid-19-Pandemie und die damit            ist trotz der Covid-19-Pandemie nicht ein-
verbundenen Einschränkungen betrafen           geschlafen. Uns haben im letzten Jahr vie-
auch die jährliche Gedenkveranstaltung.        le Meldungen erreicht, die Mut machen.
Daher fand das Gedenken im kleinen Kreis       Mut, sich weiterhin für Gleichwertig und
statt, um die Gesundheit aller Beteiligten     Solidarität einzusetzen. Auch im Jahr 2021
gewährleisten zu können. Damit wurde           wird das Projekt Quartiersdemokraten
nicht nur an die Opfer der nationalsozia-      alle Menschen unterstützen, die sich für
listischen Verbrechen erinnert, sondern        einen demokratischen Diskurs und soli-
auch ein Zeichen gegen aktuellen Anti-         darischen Umgang miteinander einsetzen
semitismus gesetzt. In der Vergangenheit       möchten!
                                                                                          11
EIN PODCAST
  AUS DORSTFELD
     Podcasts, das sind im Internet abrufbare Audiobeiträge, erfahren während
     der Corona-Pandemie zunehmende Beliebtheit. Auch das Projekt Quartiers-
     demokraten hat 2020 einen Podcast entwickelt, zwei Folgen sind bisher
     erschienen. In der zweiten Folge berichtete die Jugendgruppe »TARA -
     Teens against racism and antisemitism« über rassistische Diskriminierung
     im Alltag anlässlich der Proteste der »Black Lives Matter« Bewegung.
     Auf diesen Seiten stellen wir einige Zitate aus dem Podcast vor (links)
     sowie einen Text der Dortmunder Schülerin A.J (rechts), der ebenfalls in
     der Folge zu hören ist. Der Podcast kann auf www.quartiersdemokraten.de
     sowie www.soundcloud.com/quartiersdemokraten gehört werden.

     »Diskriminiert zu werden aufgrund
     meines Aussehens, finde ich halt
     unschön!«
                »BLM-Demos haben eine Kontroverse ange-
                regt. Ich habe das Gefühl, dass der Rassis-
                mus gegen Schwarze nicht so oft aktiv be-
                sprochen wird oder kleingeredet wird«

»Aufzustehen – mitzusprechen!
Nicht sofort an Sachen zu glau-                  „Wer nichts sagt
ben, die online gepostet werden.                 und es einfach so
Selbst bei Alltagsrassismus, dass                mitbekommt und
man sagt: Stopp, das möchte ich                  sich nicht ein-
nicht!«                                          mischt, der ist fast
                                                 genauso schlimm
                                                 wie der, der es sagt.“
12
We are living in the 21th century, the era of freedom,
technology and progress and yet we find ourselves fol-
lowing the same patterns of our past. Our generation is
the one that grew up without the terror of war and yet              Wir leben im 21. Jahrhundert,
if feels like we find ourselves in the midst of one of the         im  Zeitalter der Freiheit, der
greatest wars, a war against humanity. It is our moral            Technologie und des Fortschritts,
obligation, nay, our duty to bring this reign of terror          und dennoch folgen wir den glei-
to an end. We are one people, we are brothers and               chen Mustern wie in unserer Ver-
sisters, we are one big family. So, let us be united,          gangenheit. Unsere Generation ist
let us hold hands and built one strong commu-                 ohne die Schrecken des Krieges auf-
nity. A community where every human being is                 gewachsen, und doch haben wir das
tolerated and accepted regardless of colour, race,           Gefühl, dass wir uns inmitten einem
ethnic background, gender, religion or any ot-              der größten Kriege befinden, einem
her form of stigmatism that has been imposed               Krieg gegen die Menschheit. Es ist unse-
on us by individuals of this society. I expected          re moralische Verpflichtung, nein, unse-
the 21th century to be a century of freedom,             re Pflicht, dieser Schreckensherrschaft
equality and justice for every single person            ein Ende zu setzen. Wir sind eine Mensch-
on this planet. I believed the 21th century            heit wir sind Brüder und Schwestern, wir
to be a new chapter for mankind but appa-             sind eine große Familie. Lasst uns also ver-
rently, I have been deceived. What I expect          eint sein, lasst uns an den Händen halten und
from us is to live up to these expectations.        eine starke Gemeinschaft aufbauen. Eine Ge-
Let us make our century worth living                meinschaft, in der jedes menschliche Wesen
and celebrating. Let us be remembered             toleriert und akzeptiert wird, unabhängig von
for betterment, no, the advancement of            Hautfarbe, »Rasse«, ethnischem Hintergrund,
humankind and once and for all aban-             Geschlecht,   Religion oder jeder anderen Form
don the climate of hate that has been           von Stigmatismus, die uns von Teilen dieser Ge-
infiltrating our world. This is what           sellschaft auferlegt wurde. Ich habe erwartet, dass
our predecessors taught, this is what         das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert der Freiheit,
they fought for, this is what they           Gleichheit und Gerechtigkeit für jeden einzelnen
wanted.                                     Menschen auf diesem Planeten sein wird. Ich dach-
                                           te, dass das 21. Jahrhundert ein neues Kapitel für die
                                           Menschheit sein würde, aber offenbar habe ich mich
                                          getäuscht. Was ich von uns erwarte, ist, diesen Erwar-
                                         tungen gerecht zu werden. Lasst uns unser Jahrhundert
                                        lebens- und feierwürdig machen. Lasst uns für Verbes-
                                       serung, nein, für den Fortschritt der Menschheit in Er-
                                      innerung bleiben und das Klima des Hasses, das in unsere
                                     Welt eingedrungen ist, ein für alle Mal aufgeben. Das ist es,
                                     was unsere Vorgänger gelehrt haben, das ist es, wofür sie ge-
                                    kämpft haben, das ist es, was sie wollten.
                                                                                                      13
RECHTE
     ERZIEHUNGSIDEALE
                       Interview mit Tina Leber
     Das Familienleben extrem rechter Akteur*innen ist oftmals nicht offen
     einsehbar. Haltungen und Erziehungsvorstellungen wirken sich jedoch
     direkt auf die Kinder und deren Verhalten in öffentlichen Einrich-
     tungen aus. Geschlechterbilder spielen dabei eine prägnante Rolle.
     Gleichzeitig treten rechte Eltern zum Teil offen mit ihren Positio-
     nen auf und versuchen, Diskurse zu beeinflussen. Tina Leber ist Er-
     ziehungswissenschaftlerin und Sexualpädagogin. Sie beschäftigt sich
     mit Kindererziehung und Familienbildern im Rechtsextremismus und hat
     im Juni letzten Jahres in ihrem Vortrag im Rahmen der Veranstaltung
     »Dorstfeld im Gespräch« über rechte Erziehung und Geschlechterbilder
     informiert.

     Tina, du beschäftigst dich intensiv            geringer ist als der von Männern. Das selbe
     mit Familienbildern und Kinder-                gilt auch für Führungspositionen. Das ist
     erziehung im Rechtsextremismus,                kein Zufall, denn ein männlicher Domi-
     der oft als ein primär männliches              nanzanspruch ist ideologisch tief verwur-
     Phänomen wahrgenommen wird.                    zelt und macht die Szene unter Anderem
                                                    deswegen für viele Menschen attraktiv. Die
     Welche Rolle spielen Frauen in der
                                                    Rollen, die Frauen zum einen einnehmen
     rechtsextremen Szene?
                                                    und die ihnen zum anderen ideologisch
     Es ist generell sehr schwer, allgemeine        und/oder strategisch zugedacht werden,
     Aussagen über die rechtsextreme Szene          sind ebenfalls konstitutiv für die Extreme
     zu treffen, da sich dieser Bereich aus sehr    Rechte. Neben ihrer zentralen Bedeutung
     unterschiedlichen Subkulturen, Strö-           nach Innen, nehmen sie außerdem eine
     mungen und Akteur*innennetzwerken              immer wichtigere Funktion in der Reprä-
     zusammensetzt. Die Rolle und Präsenz           sentanz nach Außen ein, da sie das Bild von
     von Frauen z.B. in rechten Hooligan- oder      extrem rechten Strukturen verändern. Die
     Kampfsportszenen ist eine andere als bei       aktiven Frauen werden häufig zielgerich-
     völkischen Siedler*innen oder in Parteien.     tet sichtbar gemacht, um die Attraktivität
     Generell ist festzustellen, dass der zahlen-   der Szene zu steigern.
     mäßige Anteil von Frauen in der Szene

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Wodurch zeichen sich Familienbil-
der im Rechtsextremismus aus?

Wichtig ist meiner Meinung nach, zu dif-      Rechtsextreme Frauen werden oft-
ferenzieren zwischen ideologischer Idee       mals nicht als Trägerinnen ihrer
von Familie und gelebter Realität. Nur in     Ideologie wahrgenommen, sondern
bestimmten rechten Milieus ist der Rück-      als »Freundin von...« dargestellt.
zug in familiäre (und tribale) Strukturen,    Das beste Beispiel hierfür ist Beate
in denen funktionale Brauchtumsver-
                                              Zschäpe als einer der Haupttäterin
mittlung und elitäre Nachkommenspflege
                                              des Nationalsozialistischen Unter-
gelebt wird, möglich oder gewollt. Auch
das Ideal einer lebenslangen familiären
                                              grunds. Werden solche Wahrneh-
Einheit ist in der Realität nicht das ein-    mungen für rechtsextreme Propa-
zige gelebte Modell. Genereller kann man      gandastrategien benutzt?
vielleicht sagen, dass ein Familien- und
Erziehungsideal vorherrscht, das auf          Es gibt schon seit Jahren gezielte Strate-
konservativen und reaktionären Werten         gien, dass Frauen bestimmte gesellschaft-
basiert. Gleichzeitig kommt Kindern als       liche Positionen, wie z.B. erzieherische
Werteträgern und Instrument zur Siche-        Berufe, aber auch ehrenamtliche Fürsor-
rung des Fortbestehen des »Volkes« eine       geaufgaben wahrnehmen und sich somit
wichtige Funktion in der Umsetzung der        inhaltlich und personell in Stellung brin-
politischen Zukunftsvorstellung zu. Das       gen. Das kann dann funktionieren, wenn
Erziehungideal richtet sich im Allgemei-      der gesellschaftliche Rahmen sie nicht
nen gegen emanzipatorische Erziehungs-        als politische Akteurinnen erkennt, ver-
konzepte ( z.B. in der Sexualpädagogik),      harmlost oder Positionen teilt. Es ist aber
die die Bedürfnisse und die Befähigung        wichtig zu erkennen, dass rechtsextreme
zur Mündigkeit von Kindern in den Fokus       Akteur*innen auch an einem gesellschaft-
stellen. Das macht es Kindern aus rechten     lichen Leben teilhaben, z.B. als Eltern von
Familien in einer pluralen Gesellschaft oft   Kita-Kindern oder Fußballspieler*innen,
nicht einfach.                                und aus diesen Rollen heraus Interesse an
                                              Themen haben und dort mit problemati-
                                              schen Haltungen sichtbar werden.

»Das macht es Kindern aus rechten
Familien in einer pluralen Gesellschaft
oft nicht einfach.«
                                                                                        15
Zum Abschluss: Teilweise treten rechte Eltern offen mit ihren menschen-
     feindlichen Positionen auf und stellen pädagogische Institutionen vor He-
     rausforderungen. Was können deiner Meinung nach Bildungseinrichtungen
     und die Zivilgesellschaft dagegen tun?

     Meiner Erfahrung nach entstehen, gerade in pädagogischen Einrichtungen, die alltäglichen
     Herausforderungen nicht primär durch organisierte Akteur*innen der Extremen Rechten,
     sondern durch rassistische, sexistische oder anderweitig abwertende Positionen einer Viel-
     zahl unterschiedlicher Personen (Eltern, Kooperationspartner*innen, Kolleg*innen etc.)
     und der Unsicherheit im Umgang mit diesen. Eine spezifische Anforderung ergibt sich aus
     dem Zusammenspiel der Elternarbeit, der Bedürfnisorientierung am Kind und der eigenen
     wertbasierten Haltung der Einrichtung, des Trägers und der Profession. Darüber hinaus ist
     es auch der Auftrag von Pädagog*innen, die Bedürfnisse (zum Beispiel nach Schutz) der an-
     deren Kinder, Eltern und Kolleg*innen im Blick zu haben. Der kollegiale Austausch in der
     eigenen Einrichtung, mit dem Träger, in kommunalen Arbeitskreisen sowie in überregiona-
     len fachspezifischen Netzwerken ist wichtig, um eigene Haltungen zu schärfen und Hand-
     lungsstrategien zu entwickeln. Dabei kann auf einen umfangreichen Wissenschatz zivilge-
     sellschaftlicher Expert*innen und/oder Wissenschaftler*innen zurückgegriffen werden.

16
17
DARUM HABEN WIR UNS
ENGAGIERT!
     Zivilgesellschaftliches Engagement lebt von Beteiligung. Wir möchten
     daher an dieser Stelle wie in jeder Ausgabe einigen Personen und Or-
     ganisationen das Wort geben, die sich 2020 in Dorstfeld auch während
     der Pandemie mit engagiert haben.

                      »Rassismus ist ein Thema, dass uns alle betrifft. Nichtsdestotrotz wird es nur
                      selten angesprochen oder diskutiert. In Anbetracht der politischen Lage in
                      den USA sowie den politischen Entwicklungen in Deutschland im vergange-
                      nen Jahr, hatte ich das Bedürfnis meinen Beitrag zu der Lage zu leisten und
                      meine Gedanken mit der Öffentlichkeit zu teilen. Ich hatte vom 21. Jahr-
                      hundert mehr erwartet und gerade in Krisenzeiten auf verstärkten Zusam-
                      menhalt gehofft. Schließlich betrifft dieses Thema uns alle und sollte uns
                      eines Besseren lehren, für ein friedvolles und harmonisches Miteinander.«

                                                                                    A.J.
                                                                                    Schülerin aus
      »Meine Mutter war ein echtes Kriegskind und hat sehr                          Dortmund
      unter dem Nationalsozialismus und dem Krieg gelitten.
      Als mein Sohn im Jahre 2002 in einem Dorstfelder Schre-
      bergarten von Freunden versteckt wurde, damit die Nazis
      ihn wegen seines ausländischen Aussehens nicht verprü-
      geln, erinnerte ich mich an sie und dachte: Auf meinem
      Grabstein soll nicht stehen 'Sie hat sich nicht gewehrt'. So
      kam ich zum Runden Tisch - damals noch geleitet von
      seinem Initiator, dem ehemaligen Bezirksbürgermeister
      Hans-Ulrich Krüger. Seitdem bin ich zumeist dabei gewe-
      sen. Demokratie fängt für mich vor der Haustüre an. Und
      die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen: Es
      lohnt sich, täglich dafür zu kämpfen!«

                              Harriet Ellwein
                              Rentnerin, seit 2000 wohnhaft in Dorstfeld,
                              Evangelische ELIAS-Gemeinde

18
»Rechtsextreme versuchen, mit Hilfe einer so-
  genannten Raumkampfstrategie Ideologien
  der Ungleichwertigkeit gesellschaftsfähig zu
                                                        »Die Initiative für den Titel Schule
  machen und in der Mitte der Gesellschaft zu
                                                        ohne Rassismus, Schule mit Courage
  verankern. Die Grundwerte unserer Demo-
                                                        kam vor einigen Jahren aus der Schü-
  kratie und der bedingungslose Schutz vor
                                                        lerschaft. Der Titel verpflichtet immer
  Rechtsextremismus, seiner menschenver-
                                                        wieder darüber zu diskutieren, wo sind
  achtenden Ideologie und Gewaltbereitschaft
                                                        die latenten und offenen Anteile des
  sind essenziell für unser Zusammenleben. Die
                                                        Rassismus, der Ausgrenzungen, der
  Koordinierungsstelle der Stadt Dortmund
                                                        unterschiedlichen Formen von Gewalt
  möchte das über Jahre gewachsene Netzwerk
                                                        insbesondere der strukturellen Gewalt
  zivilgesellschaftlicher und städtischer Akteu-
                                                        in der Schule. Es gibt hier in der Real-
  re und Bündnisse für Vielfalt, Toleranz und
                                                        schule eine grundsätzliche und offene
  Demokratie weiter stärken und mit eigenen
                                                        Unterstützung durch das Kollegium.
  sowie gemeinsamen Aktionen dazu beitragen,
                                                        Neben Projekten z.B. Stolpersteine,
  Radikalisierung präventiv zu begegnen und
                                                        Gedenktage, Gedenkfahrten, meet a
  Rechtsextremismus ebenso wie Antisemitis-
                                                        jew, ist die Entwicklung einer Schul-
  mus zu bekämpfen. Wir treten für ein res-
                                                        kultur, wie gehen wie miteinander um,
  pektvolles Zusammenleben aller Menschen
                                                        Wertschätzung und Haltung wichtig.
  unabhängig von sozialem Status, Herkunft,
                                                        An allen sechs Schulen in Dorstfeld
  Sprache, Alter, Geschlecht, sexueller Orientie-
                                                        gibt es jetzt Schulsozialarbeit. Die vie-
  rung und Identität sowie Religion ein.«
                                                        len Kontakte zu Kinder und Jugend-
                                                        lichen eröffnen uns den Sozialraum
                  Koordinierungsstelle für
                                                        der Kids. Es gibt eine vielfältige Netz-
                  Vielfalt, Toleranz und
                                                        werkarbeit zwischen den unterschied-
                  Demokratie der Stadt
                                                        lichsten Einrichtungen und Vereinen
                  Dortmund
                                                        Überall ist noch viel Potential und
                                                        Luft nach oben! «

  »Ich habe mich in Dorstfeld engagiert, weil ich es   Rolf Thielmann
  wichtig finde kleine und große Zeichen für De-       Schulsozialarbeit

  mokratie und Menschenrechte zu setzen. Denn          Wilhelm Busch Realschule,
                                                       Vorstand Dortmunder
  Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit
                                                       Boxsport 20 / 50
  und es tut gut, dass ein oder andere Mal daran zu
  erinnern.«

Stefan Woßmann
Leiter des Respekt-Büros des
Jugendamtes der Stadt Dortmund

                                                                                               19
»DISKRIMINIERUNG AUF DEM
SPORTPLATZ SOLLTE IN KEINEM
   FALL UNKOMMENTIERT BLEIBEN.«
          Interview mit Patrick Arnold

     Patrick Arnold von der LAG Fanprojekte NRW hat im September als Dis-
     kuntant an der Veranstaltung »Rechtsextremismus als Herausforderung
     für Sportvereine« im Rahmen von »Dorstfeld im Gespräch« teilgenommen.
     Für diese Ausgabe haben wir mit ihm nochmal über das Thema gesprochen.

     Wie schätzt du aus deiner Sicht                 Auf der anderen Seite beobachten wir Ak-
     rechtsextreme Aktivitäten in Sport-             tivitäten von Rechtsextremen in und um
     vereinen ein?                                   Fanbündnisse im Profifußball. In dem Be-
                                                     reich bewegen unter anderem wir uns mit
     Die gibt es leider. Grundsätzlich muss man      unseren Angeboten. Um eine gelingende
     aus meiner Sicht zwei Agitationsformen          Prävention sicherzustellen, ist eine Zu-
     unterscheiden. Auf der einen Seite haben        sammenarbeit aller involvierten Akteure
     wir den Amateurfußball, der über Satzun-        eine Grundvoraussetzung, da die Erschei-
     gen und Leitbilder die Möglichkeit sowie        nungsformen mitunter sehr subtil sind.
     die Aufgabe hat, rechtsextreme Personen         Auch hier kann man den Vereinen in den
     aus den Strukturen sowie den Trainingsan-       letzten Jahren eine gute Arbeit attestieren.
     geboten fernzuhalten. Meiner Wahrneh-           Gerade am Standort Dortmund setzt der
     mung nach funktioniert das bis auf Einzel-      Verein BVB im Bereich Rechtsextremis-
     fälle ganz gut, eine wichtige Rolle spielt in   musprävention bundesweit Maßstäbe.
     dem Fall das Engagement des hier zustän-
     digen Fußball- und Leichtathletik-Ver-          Welche Strategien und präventiven
     band Westfalen, welcher die Vereine in          Maßnahmen können Sportverei-
     dem Bereich kompetent unterstützt. Des          ne denn verfolgen, was hat sich als
     Weiteren wären in dem Fall Einrichtun-          hilfreich erwiesen?
     gen wie Eure (Quartierdemokraten) oder
     das Angebot der mobilen Beratung gegen          Zentrales Element einer sinnvollen Prä-
     Rechtsextremismus (MBR) zu nennen.              vention ist die Vernetzung. Wenn Proble-
                                                     me auftauchen, macht es Sinn, diese offen

20
anzusprechen und sich ggfs. professionel-      Dokumentation, eine Weitergabe dieser
le Hilfe zu holen. Gerade das Ehrenamt         an den zuständigen Verein/Verband und
stößt in solchen Fällen auf Grund knap-        auch Sanktionen oder die kollektive Be-
per Ressourcen schnell an seine Grenzen.       endigung eines Spiels können in Erwägung
Das Einholen von Hilfe ist kein Zeichen        gezogen werden. Diskriminierung auf
von Schwäche, sondern immer auch eine          dem Sportplatz sollte in keinem Fall un-
deutliche Positionierung. Vereinssatzun-       kommentiert bleiben.
gen und Sportplatzordnungen sind zudem
ein Instrument, aktiven Ehrenamtlern im
Konfliktfall Verhaltenssicherheit zu bie-
ten. Das eben schon genannte (kostenlose)
Beratungsangebot hilft natürlich ebenso.

Gucken wir uns doch ein Fallbei-
spiel an: Ein*e Fußballtrainer*in
nimmt diskriminierende Aussagen
in der Mannschaft wahr und weiß
nicht, wie eine gelungene Reaktion
aussehen könnte. Was würdest du
der Person aus deiner Sicht raten?

Es macht immer Sinn, als Team aufzutre-
ten. Zudem rate ich, den möglichen Kon-
fliktfall im Vorfeld zu üben, dann fällt
eine angemessene Reaktion erfahrungs-          ZUR PERSON:
gemäß deutlicher leichter. Möglicherwei-       Patrick Arnold ist Diplom-Sozial-
se sind im Vorfeld Aufgaben und Abläufe        arbeiter und Geschäftsführer der
festgelegt, dies könnte für alle Beteiligten   LAG Fanprojekte NRW. Ers setzt sich
zu einem Sicherheitsgefühl führen. Lei-        in dieser Funktion intensiv mit
der sind wir in vielen Konfliktsituationen     Rechtsextremismus und Diskriminie-
sehr täterorientiert, die Einnahme einer       rung im Fußball auseinander. Die
Opferperspektive finde ich immens wich-        Fachstelle der LAG Fanprojekte NRW
tig. Im besten Fall können dann mehrere        vertritt die gemeinsamen Interes-
Schritte parallel laufen. Natürlich ist aber   sen der 15 sozialpädagogischen Fan-
jeder Konflikt individuell, weswegen auch      projekte im landesweiten Netzwerk.
Selbstschutz immer die oberste Priorität       Darüber hinaus organisiert die LAG
haben sollte. Nicht immer lassen sich Kon-     Angebote wie Fachtage, Qualifizie-
flikte sofort oder kommunikativ lösen,         rungsangebote, Veranstaltungsrei-
                                               hen oder Jugendbegegnungen.
grundsätzlich empfehle ich eine zeitnahe
                                               www.lag-fanprojekte-nrw.de

                                                                                      21
IM UMBRUCH
NEONAZI-SZENE
                Rechtsextremismus in Dorstfeld im Jahr 2020

                 Als Fach- und Netzwerkstelle für das Thema Rechtsextremismus
                 betreibt das Projekt Quartiersdemokraten ein Monitoring rechts-
                 extremer Vorfälle, also die Beobachtung und Dokumentation be-
                 kannt gewordener Ereignisse mit rechtsextremem Hintergrund in
                 Dorstfeld. Dies hat zum Ziel, diese Vorfälle sichtbar zu machen
                 und somit das Handeln rechtsextremer Gruppen besser einschätzen
                 zu können. Auf den folgenden Seiten findet sich daher ein Über-
                 blick über Entwicklung der rechtsextremen Szene in Dorstfeld
                 sowie eine Chronik rechtsextremer Vorfälle im Stadtteil.

                Bei den Kommunalwahlen 2014          wurden beschimpft und zum Teil körper-
                schaffte es die rechtsextreme        lich attackiert. Über dieses Ereignis berich-
                Kleinstpartei »Die Rechte« mit       teten Medien bundesweit als so genannten
                einem Sitz in den Stadtrat Dort-     »Rathaussturm«. Aufgrund der starken
                munds. Am besagten Wahlabend         Zivilcourage und dem Zusammenschluss
                zogen circa 20 Neonazis rund um      demokratischer Parteien und antifaschis-
                Siegfried Borchardt zum Dort-        tischer Gruppen konnte den Neonazis der
                munder Rathaus – provokant, ag-      Zutritt verwehrt werden. Der »Nationale
                gressiv und uniformiert in gelben    Widerstand Dortmund« (NWDO) ist eine
                Hemden mit der Aufschrift »Weg       Kameradschaft, die 2012 durch das Innen-
                mit dem NWDO-Verbot«. Es regte       misterium NRW verboten wurde. Kurz
                sich zivilgesellschaftlicher Wi-     danach organisierten sich die ehemaligen
                derstand, indem sich zahlreiche      Mitglieder rund um Michael Brück in der
                Personen       zusammenschlossen     neugegründeten Partei »Die Rechte«. Mi-
                und ihnen den Weg ins Rathaus        chael Brück hatte seit 2015 das Mandat
                versperrten. Aus Angst vor Über-     und den Sitz im Stadtrat übernommen. Im
                griffen, die sich im Anschluss als   Jahr 2008 zog er nach Dorstfeld und galt
                durchaus berechtigt herausstellte.   die letzten Jahre als führender Kopf der
                Mit Flaschen und Pfefferspray        rechtsextremen Szene in der Ruhrgebiets-
                gingen die Neonazis auf Mitglie-     metropole. Im letzten Jahr rückte Brück
                der der demokratischen Parteien      aber zunehmend in den Hintergrund.
                und Antifaschist*innen los. Sie      Lange kursierten Gerüchte um einen Weg-

22
Musste 2020 ins Gefängnis: Neonazi Sascha Krolzig

zug Brücks, die sich Ende letzten Jahres        Haftstrafen für Dorstfelder
bestätigten. Er ist nach Chemnitz gezogen,      Neonazis
was wenig überraschend ist. Schon lange
pflegt die neonazistische Szene aus Dort-       Die Covid-19-Pandemie und die damit
mund gute Kontakte nach Chemnitz. Bei           einhergehenden Maßnahmen und Be-
den rechtsextremen Ausschreitungen in           schränkungen haben ebenfalls Auswir-
der Stadt 2019 waren Dortmunder Neona-          kungen auf die Aktivitäten der Neonazis.
zis vorne mit dabei und tauchen laut anti-      So versuchten sie sich als Kümmerer zu
faschistischen Recherchen immer wieder          inszenieren und boten Einkaufshilfen an.
im Umfeld der extrem rechten Fanszene           Trotz der Kommunalwahlen wurden im
des Chemnitzer FC auf. Brück hat sein           Vergleich zum vorherigen Jahr aber weni-
Mandat an den langjährigen Dortmunder           ger Informationsstände der Partei »Die
Neonazi Matthias Deyda abgegeben. Auf-          Rechte« angemeldet. Ebenso hat es im
fällig wurde Deyda im letzten Jahr vor al-      letzten Jahr keine Gewalttaten mit rechts-
lem auf dem rechtsextremen Aufmarsch            extremem Hintergrund in Dorstfeld ge-
in Budapest am »Tag der Ehre«. Er nahm          geben. Allerdings sind einige Neonazis, die
nicht nur an diesem Aufmarsch teil, son-        von der Polizei als rechtsextreme Inten-
dern hielt auch eine Rede, in der er Hitler     sivtäter beschrieben werden, zurzeit noch
als bekanntesten und größten Staatsmann         in Haft. So zum Beispiel die Brüder Chris-
der deutschen Geschichte bezeichnete. So        toph und Matthias Drewer, aber auch der
ist für die Dorstfelder Zivilgesellschaft ist   stadtbekannte Siegfried Borchardt. Sascha
der Wegzug Brücks zwar ein Erfolg, das          Krolzig, Bundes- und Landesvorsitzender
verbliebende Personal der hiesigen Neo-         NRW der Partei »Die Rechte«, wurde u.a.
nazi-Szene bleibt jedoch nicht weniger ge-      wegen Volksverhetzung und gefährlicher
fährlich.                                       Körperverletzung im Juli 2020 für 14 Mo-
                                                nate Haft ohne Bewährung verurteilt.

                                                                                              23
Durch die Inhaftierung von Sascha Krolzig     form für die extrem Rechte genutzt wird,
     und weiteren Akteuren der Dorstfelder         denn mit dem Umzug Brücks, wurde auch
     Neonazi-Szene ist ein Personalwechsel der     die rechte Propagandaseite »Dortmund-
     oberen Führungsebene zu beobachten.           Echo« abgeschaltet.
     Krolzig und Brück gelten als führende Köp-
     fe der rechtsextremen Kleinstpartei »Die      Niederlage bei der
     Rechte«. Mit der neonazistischen Partei       Kommunalwahl 2020
     versuchen sie auch Einfluss auf parlamen-
     tarischer Ebene zu nehmen. Zwar hat sie       Obwohl Neonazis immer wieder den Ver-
     keinen realpolitischen Einfluss, trotzdem     such unternommen haben die so genann-
     gab es immer wieder Versuche sich in die      ten »Querdenker-Demonstrationen« zu
     Öffentlichkeit zu rücken, selbstverständ-     unterwandern und bei Ausschreitungen
     lich mit Provokation und politischem          auf Demonstrationen im ganzen Bundes-
     Kalkül. In der Vergangenheit gab es daher     gebiet Teil waren, konnte die Pandemie
     immer wieder Skandale – zum Beispiel          als Stimmenfänger nicht herhalten. Die
     durch Anfragen über die Anzahl der in         neonazistische NPD trat zur Kommunal-
     Dortmund lebenden Jüdinnen und Juden.         wahl in Dortmund nicht an. Trotzdem er-
     Zusammen mit der rechtsextremen NPD           fuhren die Neonazis eine Niederlage. Zwar
     mit jeweils einem Sitz im Dortmunder          konnten sie einen Sitz im Stadtrat mit 1,1
     Stadtrat bildeten in Persona Michael Brück    % halten und jeweils mit einem Mandats-
     (Die Rechte) und Axel Thieme (NPD) einen      träger in die Bezirksvertretungen Huckar-
     Gruppenstatus, so dass die parlamentari-      de und Eving einziehen, im Vergleich zu
     sche Arbeit auch eine finanzielle Ressour-    den letzten Kommunalwahlen konnten sie
     ce bietet. Dennoch war die Kommunalwahl       ihre Präsenz aber nicht aufrechterhalten.
     für die Dortmunder Neonazis kein Erfolg.      Zugleich setzten die Dorstfelder Neonazis
     Auch die aktivistische »Aktionsgruppe         aber auch im Vorfeld der Kommunalwah-
     Dortmund-West« hat sich laut eigenen          len auf kalkulierte Provokationen. Auf
     Angaben Mitte letzten Jahres aufgelöst.       israelfeindlichen Wahlplakaten, deren In-
     Mit der rebellischen Außendarstellung         halt an Parolen des Nationalsozialismus er-
     wollten Mitglieder insbesondere ein jun-      innerten, präsentierten die Neonazis wie-
     ges Publikum ansprechen. Als Nachfolger       der einmal offen ihren Antisemitismus.
     hat sich kurzzeitig danach das so genannte    In Dorstfeld wählten 299 Personen Bernd
     »Tremonia Kollektiv« gebildet, welches bis-   Schreyner, der für den Posten als Oberbür-
     her vor allem in sozialen Netzwerken und      germeister kandidierte. Schreyner, ehe-
     durch Aufkleber in Erscheinung getreten       maliges Mitglied der rechtspopulistischen
     ist. So kann auch vermutet werden, dass die   Partei »Alternative für Deutschland«, trat
     Internetseite als neue Informationsplatt-     dann auch Ende des letzten Jahres aus der

24
neonazistischen Partei »Die Rechte« wie-     der Neonazis trotz mehrerer Haftstrafen,
der aus. Laut eigenen Angaben aufgrund       Wahlniederlagen und Personalwechsel
inhaltlicher Differenzen. Mit dem Verlust    auf ein bundesweites und zum Teil gar
des Gruppenstatus im Dortmunder Stadt-       internationales Netzwerk zurückgreifen.
rat verliert die rechtsextreme Szene auch    Der Stadtteil Dorstfeld ist nicht nur als
rund 45.000 Euro. Somit verfügen sie über    Wohnort vieler Neonazis, sondern auch
deutlich weniger finanzielle Ressourcen.     ein Aktionsraum, in dem Personen der
Auch der »Kampf der Nibelungen« bietet       extremen Rechten versuchen, eine politi-
keine finanzielle Rücklage. Das rechtsex-    sche Deutungshoheit aufzubauen und auf-
treme Kampfsportevent findet seit 2013       rechtzuerhalten. In der Vergangenheit gab
einmal pro Jahr statt und wird u.a. von      es immer wieder Wegzüge aus Dortmund
Alexander Deptolla aus Dorstfeld heraus      nach Ostdeutschland, insofern ist der Um-
organisiert. Die Veranstaltung dient dabei   zug von Michael Brück als Sprachrohr der
nicht nur als großes Rekrutierungsbecken     Dortmunder Szene ein Erfolg, die Gefahr
für Jugendliche und junge Menschen, son-     des Rechtsextremismus bleibt aber weiter-
dern spült auch Geld in die Kasse. Im Jahr   hin virulent. Die rechtsextreme Szene in
2019 konnte die Stadt Ostritz in Sachsen     Dortmund bleibt also eine große Heraus-
das Event verbieten und aufgrund des Pan-    forderung trotz struktureller Probleme
demiegeschehens wurde im letzten Jahr        innerhalb der Szene. Die rechtsextreme
lediglich ein zweistündiger Livestream       Ideologie stellt für alle Personen, die nicht
eingerichtet. Dabei kündigte Deptolla an,    ins rechtsextreme Weltbild passen, eine
dass auch in den nächsten Jahren zunächst    konkrete Gefahr dar. Staatlicher Repres-
keine Events stattfinden werden, sondern     sionsdruck ist ein wichtiges Mittel in der
dass man sich auf den Verkauf von Sport-     Bekämpfung von rechtsextremen Struktu-
bekleidung konzentriere.                     ren, allerdings zeigen u.a. auch die diversen
                                             Aufdeckungen extrem rechter Netzwerke
Gefahr des Rechtsextremismus                 in Behörden, dass eine zivilgesellschaftli-
bleibt weiterhin bestehen                    che Auseinandersetzung mit ihrer Ideolo-
                                             gie und Praxis notwendig ist.
Zusammenfassend kann daher konstatiert
werden, dass das Jahr 2020 für die Dorst-
felder Neonazis nicht unbedingt von Er-
folgen geprägt war. Allerdings lässt sich
eine Einschätzung nicht nur an diesen Kri-
terien messen, denn die neonazistischen
Strukturen in Dortmund reichen bis in die
80er Jahre zurück. So können die Dorstfel-

                                                                                             25
CHRONIK RECHTSEXTREMER
VORFÄLLE IN DORSTFELD 2020
     INFOSTÄNDE

     18.08., 28.08., 04.09 und 11.09.2020:
     An der Haltestelle Wittener Straße veran-
     staltet die Partei »Die Rechte« einen Infor-
     mationsstand.

     SONSTIGE VORFÄLLE

     18.01.2020: Laut Eigenangaben von Neo-         20.04.2020: Neonazis rufen vorgeblich dazu
     nazis findet in Dorstfeld unter dem Titel      auf, aufgrund des Beginns von Lockerungs-
     »Dresden-Soli-Feier« ein Konzert mit dem       maßnahmen im Zuge der Covid-19-Pan-
     rechtsextremen Liedermacher Sebastian          demie den Tag feierlich zu begehen und
     Döhring (Künstlername: Fylgien) statt. Hier-   schwarz-weiß-rote Fahnen aus den Fenstern
     zu sollen 80 Besucher*innen erschienen sein.   zu hängen. Am Abend zünden Neonazis aus
                                                    dem vermeintlich gleichen Anlass Feuer-
     16.03.2020: Neonazis kündigen unter dem        werk in der Emscherstraße. Der 20. April ist
     Label »Nationale Solidarität« an, Hilfsleis-   zugleich der Geburtstag Adolf Hitlers, sodass
     tungen wie beispielsweise Einkäufe für Co-     sich die Aktionen der Neonazis wieder als
     vid-19-RisikopatientInnen oder Personen in     Provokationsversuch lesen lassen.
     Quarantäne anzubieten. Hierfür wurden in
     Dorstfeld mehrere Plakate verklebt. Unklar     12.05.2020: In Unterdorstfeld sind mehrere
     bleibt, in welcher Form diese Hilfe tatsäch-   Stromkästen sowie eine Telefonzelle groß-
     lich angeboten wurde und ob sie in Anspruch    flächig mit den Farben der »Reichsfahne« be-
     genommen wurde.                                malt worden.

                                                    14.05.2020: Die Rückseite der Bushaltestelle
                                                    Wittener Straße ist mit mehreren Haken-
                                                    kreuzen beschmiert worden.

                                                    18.12.2020: An einer Wand in der Emscher-
                                                    straße sind rechtsextreme Farbschmiererei-
                                                    en aufgetaucht.

26
Rund um den Wilhelmplatz in Dorstfeld ereignet sich auch 2020
rechtsextreme Vorfälle

                                                                27
SELBSTVERSTÄNDNIS DES
RUNDEN TISCHES DORSTFELD
     Der Runde Tisch für Toleranz und Verständigung besteht schon seit über
     20 Jahren in Dorstfeld und arbeitet eng mit dem Projekt Quartiersdemo-
     kraten zusammen. Im vergangenen Jahr wurde das Selbstverständnis des
     Runden Tisches aktualisiert und wird an dieser Stelle der Öffentlich-
     keit zugänglich gemacht.

     Wer steht hinter dem Runden Tisch für Toleranz und Verständigung in
     Dorstfeld?

     Der Runde Tisch Dorstfeld setzt sich zusammen aus Vertreter*innen Dorstfelder Organi-
     sationen, wie Vereinen, Schulen und Schülervertretungen, Kirchengemeinden, Jugend-
     hilfeträgern, demokratischen Parteien und deren Mandatsträger*innen, der Polizei sowie
     Einzelpersonen, die in Dorstfeld leben oder arbeiten. Der Runde Tisch versteht sich als zi-
     vilgesellschaftliches Netzwerk für ein demokratisches und vielfältiges Dorstfeld und steht
     allen offen, die sich den unten genannten Zielen und Schwerpunkten verpflichtet fühlen.
     Beraten und begleitet wird der Runde Tisch durch die Koordinierungsstelle für Vielfalt,
     Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund sowie das Projekt Quartiersdemokraten, das
     vom Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorst-
     feld e.V. getragen wird. Als unabhängiges Netzwerk ist der Runde Tisch weder ein Beirat
     noch ein offizielles Beschlussgremium.

     Was sind die Ziele des Runden Tisches?

     Der Runde Tisch steht für Vielfalt, Toleranz und Solidarität im Quartier. Er macht seit vie-
     len Jahren deutlich, dass die Dorstfelder*innen antidemokratische und rechtsextreme Be-
     strebungen und Handlungen nicht dulden. Er wendet sich mit demokratischen Formen der
     Auseinandersetzung und bürgerschaftlichem Engagement gegen in Dorstfeld ansässige
     Neonazis sowie gegen Rassismus und Antisemitismus. Die Mitglieder des Runden Tisches
     machen zusätzlich deutlich, dass auch rechtspopulistische Gruppierungen und Parteien, die
     z.B. rassistische Parolen verbreiten oder die Religionsvielfalt missachten, nicht in ihr Ver-
     ständnis von gelebter Demokratie im Quartier passen. Dazu gehören alle Formen gruppen-
     bezogener Menschenfeindlichkeit, die auch aus der Mitte der Gesellschaft kommen. In die-
     sem Sinne ist der Runde Tisch bestrebt, präventive und intervenierende Maßnahmen gegen
     Rechtextremismus und Demokratiefeindlichkeit zu unterstützen und zu fördern.

28
Alle Mitglieder des Runden Tisches setzen sich außerhalb der Arbeit im Runden Tisch für
die Ziele des Runden Tisches ein oder agieren so, dass es den Zielen des Runden Tisches nicht
entgegensteht.

Was sind die Schwerpunkte des Runden Tisches?

1. Informationsaustausch und Beratung
• Regelmäßiger Informationsaustausch zum Thema Rechtsextremismus und Demokra-
     tiefeindlichkeit in Dorstfeld und darüber hinaus zwischen allen Beteiligten und gegen-
     seitige solidarische Unterstützung
• Vermittlung von Anfragen an zuständige oder betroffene Organisationen im Sinne der
     gegenseitigen Unterstützung

2. Inhaltliche Diskussion und Debatten
• Sensibilisierung für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und -populismus
     durch die Vertiefung von Hintergrundinformationen und gesellschaftspolitischen
     Zusammenhängen, z.B. durch die Veranstaltungsreihe »Dorstfeld im Gespräch« sowie
     Workshoptagen

3. Förderung und Unterstützung von Aktivitäten und Angeboten einzelner
Mitglieder des Runden Tisches und anderer Organisationen, wie z.B.
• Die Präsenz vor Ort durch den im Herbst 2020 eröffneten Stadtteilladen am Wilhelm-
    platz
• Solidarität im Stadtteil durch Feste und Veranstaltungen, wie dem Dorstfelder Demo-
    kratie-Festival
• Präventive Maßnahmen, insbesondere für Heranwachsende und junge Menschen im
    Stadtteil

Welche Verpflichtungen haben Mitglieder des Runden Tisches?

Durch den Beitritt zum Runden Tisch verpflichtet sich jedes Mitglied der Verwirklichung
der genannten Zielsetzung und der Weiterentwicklung des Selbstverständnisses. Um einen
Rahmen der Vertraulichkeit zu gewährleisten, werden Informationen und Diskussionser-
gebnisse nicht ohne vorherige Abstimmung mit allen in die Öffentlichkeit getragen.

Sie haben Interesse an einer Mitgliedschaft und Mitarbeit am
Runden Tisch Dorstfeld? Schreiben Sie uns an unter:
rundertischdorstfeld@gmail.com
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