DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...

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DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
DROGENKURIER
           magazin des jes-bundesverbands
mai 2020
 nr. 122

               CORONA
                  VIRUS
                Drogengebrauchende
                          und Drogenhilfe
                                in Gefahr
DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
editorial       DROGENKURIER

                                                    Liebe Leserinnen und Leser,
IMPRESSUM
Nr. 122, Mai 2020
                                                    Förderinnen und Förderer
                                                    des DROGENKURIER,
Herausgeber des DROGENKURIER:
JES*-Bundesverband e. V.
Wilhelmstraße 138
10963 Berlin
Tel.: 030/69 00 87-56
                                                    liebe Freundinnen und Freunde
Fax: 030/69 00 87-42
Mail: vorstand@jes-bundesverband.de                 des JES-Bundesverbands
www.jes-bundesverband.de

DAH-Bestellnummer: 102122
ISSN: 2512-4609
Auflage: 4.500 Exemplare
                                                    Seit vielen Wochen hat uns Covid-19 fest im Griff. Das Virus bestimmt mittlerweile
                                                    unser ganzes Leben, unsere Arbeit, unsere Freizeit und unser Verhalten.
Redaktion: JES-Bundesvorstand,
Dirk Schäffer
                                                    Das Hilfesystem für Menschen die Drogen gebrauchen sowie Drogengebraucher_
Mitarbeit: Andreas Kramer, Maria Kuban,             innen selbst sind in besonderer Weise von den aktuellen Einschränkungen und
Susan, Ascho                                        Veränderungen betroffen. Der von uns diskutierte „Supergau“ mit einem totalen Zu-
Titelfoto: zodebala/istockphoto.com                 sammenbruch der legalen und illegalen Versorgungsstrukturen ist allerdings bisher
                                                    ausgeblieben. Dies hat zum einen mit der Flexibilität von Aids- und Drogenhilfen zu
                                                    tun, die die Kernbereiche von Prävention und Schadensminderung aufrechterhalten ­
                                                    haben. Zum anderen aber auch mit uns als Konsumentinnen und Konsumenten
                                                    selbst. Der großen Mehrheit von uns ist es gelungen in kurzer Zeit einen angemes-
                                                    senen Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zu finden.

                                                    Auch wenn der Titel dieser Ausgabe etwas anderes suggeriert, haben wir uns ganz
                                                    bewusst dafür entschieden in dieser Ausgabe des DROGENKURIER mehrheitlich
                                                    Themen zu betrachten, die nichts mit Covid-19 zu tun haben.

                                                    Wir hoffen, dass das von uns gewählte Verhältnis von Beiträgen euren Erwartungen
                                                    und Interessen entspricht.
Layout, Satz: Carmen Janiesch
Druck: diedruckerei.de                              So findet ihr in dieser Ausgabe einen Bericht zur neuen App Checkpoint S, einer
                                                    App die den Fokus auf Substituierte richtet und ihnen die Möglichkeit gibt das tägli-
Der DROGENKURIER wird                               che Befinden, Beikonsum und vieles Andere mehr zu dokumentieren (➞ S. 10).
unterstützt durch:
(Nennung in alphabetischer Reihenfolge)             Mit der Auswertung der Notfalldaten der Drogenkonsumräume in Deutschland zei-
Camurus                                             gen wir einmal mehr die Effekte dieses Angebots im Hinblick auf die Vermeidung
Deutsche Aidshilfe e. V.                            von drogenbedingten Todesfällen (➞ S. 14).
GL Pharma
Hexal                                               Uns ist es gelungen ein Arzt-Patienteninterview zu führen um über die Substitution
INDIVIOR                                            und die neuen Medikamente zu sprechen. An dieser Stelle ­möchten wir uns herzlich
Sanofi Aventis                                      bei Herrn Schubert, aber auch bei Dieter bedanken, die sich für dieses Interview zur
                                                    Verfügung gestellt haben (➞ S. 22).

                                                    Wir würden uns freuen, wenn die thematische Vielfalt auch eure Interessen trifft und
* Junkies, Ehemalige, Substituierte
Die Nennung von Produktnamen bedeutet keine         ihr euch mit dieser Ausgabe wieder ein bisschen besser informiert fühlt.
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                                                                                                                   Das Redaktionsteam

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DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
www.jes-bundesverband.de                              topthema

Der Einfluss von Corona
auf Drogenhilfe und
Drogengebraucher_innen
Seit zwei Monaten befindet sich die ge-     Was also tun?                                         Drogenkonsumräume
samte Welt im Ausnahmezustand. Nie-         Drogengebraucher_in­     n en sind erfin-             und Drogenhilfen laufen
mand hätte gedacht, dass es einen           derisch und hartgesotten. Die meis-                   im Notbetrieb
Umstand geben könnte, der dazu führt,       ten von ihnen haben es über Jahre und                 Auch die Drogenhilfen mussten sich
dass weltweit der Flugverkehr „gen Null“    Jahrzehnte hinbekommen, sich mit                      schnell umstellen. Zumeist ohne Schutz­
geht, Europa seine Grenzen schließt und     Schwarzmarktsubstanzen zu versorgen.                  ausrüstung stellten sie eine Art Notbe-
es in Deutschland eine Ausgangsbe-          Erstaunlicherweise schaffen dies auch ei-             trieb auf die Beine, damit die wichtigsten
schränkung gibt.                            nige in dieser außergewöhnlichen Situa-               Angebote aufrechterhalten werden kön-
                                            tion – wie, das bleibt ihr Geheimnis. Die             nen. Die Vergabe von Konsumutensilien
Die Szenerie ist gespenstisch               Tatsache, dass die Konsumräume wei-                   ist gesichert, die Konsumräume haben
Leere Innenstädte, leere Straßen und Au-    ter gut frequentiert werden, darf nicht               bis auf wenige Ausnahmen geöffnet,
tobahnen. Die Geschäfte sind geschlos-      darüber hinwegtäuschen, dass viele auf                die Essenvergabe „to go“ wird eingerich-
sen. Die Menschen halten sich zu Hause      „Pillen“ umsteigen oder immer wieder                  tet. Die Kontaktläden sowie die Beratung
auf. Aber es gibt einige Bevölkerungs-      Entzugserscheinungen haben.                           sind geschlossen. Einige stellen auf tele-
gruppen, die sich weiterhin auf der Stra-                                                         fonische Beratung um.
ße aufhalten müssen. Dies sind jene, die
kein Obdach haben. Aber auch hundert-                                                             Corona legt Defizite
tausende von Drogenkonsument_innen                                                                schonungslos offen
die opioid- und alkoholabhängig sind, die                                                         Es gibt einige Expert_innen die sagen,
Crack und Kokain konsumieren und ggfs.                                                            dass uns nun die Fehler und Versäum-
der Beschaffungsprostitution nachgehen.                                                           nisse der Jahre zuvor auf die Füße fallen.
                                                                                                  So werden mindestens 80.000–100.000
Von heute auf morgen                                                                              Opioidkonsument_innen nicht be-
sind Einkommensquellen                                                                            handelt. Das System „Substitution“ ist
weggebrochen                                                                                      längst an der Belastungsgrenze. Trotz
Schnorren in der Bahn oder in den sonst                                                           guter Entwicklungen findet bis heute
bevölkerungsreichen Innenstädten ist                                                              keine niedrigschwellige Substitution
vorbei, da es nur noch wenige Menschen                                                            statt. Das soziale und medizinische Hil-
gibt, die den ÖPNV oder die Innenstäd-                                                            fesystem hat sich in den letzten 20 Jah-
te nutzen. Die Straßenzeitung verkau-                                                             ren separiert. Dies wird vielerorts daran
fen, ein schon vor Corona mühsames                                                                deutlich, dass es flächendeckend keine
Geschäft, kommt zum Erliegen. Den täg-                                                            existierende Kooperation zwischen Ärz-
lichen Bedarf für ein paar Kugeln Heroin                                                          ten und Drogenhilfe gibt. Somit sind
oder ein paar Steine über kleinere Dieb-                                                          viele tausend Drogenkonsument_innen
stähle zu decken, auch das geht nicht, da   Dieser Aufkleber ist in Dortmund an Spritzenau-
                                                                                                  medizinisch nicht oder nur sehr schlecht
fast alle Geschäfte geschlossen waren       tomaten, im Konsumraum und in Einrichtungen           versorgt. „Bei uns sind die Innenstädte
und sind.                                   der Drogenhilfe zu finden.                            und Bahnhofsviertel für unsere Klien-

                                                                                              3
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topthema                  DROGENKURIER

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                                                                                                          tig werden Personen, die COVID-19-Sym-
                                                                                                          ptome aufweisen, gemäß der Empfeh-
                                                                                                          lungen des Robert Koch Instituts, auf
                                                                                                          COVID-19 getestet. Für diese Aufgabe
                                                                                                          stellt Jugendhilfe e.V. vier Ärzte und Ärz-
                                                                                                          tinnen sowie auch Sozialpädagog_innen
                                                                                                          aus ihrem Personal zur medizinischen
                                                                                                          und psychosozialen Versorgung bereit.
                                                                                                          Weitere substituierende Ärzte, die nicht
                                                                                                          bei der Jugendhilfe e.V. beschäftigt sind,
                                                                                                          haben bereits ihre Unterstützung zuge-
                                                                                                          sagt. Die Ambulanz im Drob Inn ist seit
                                                                                                          Montag, dem 6. April täglich für dreiein-
Eine Sozialpädagogin des Drob Inn erklärt einem Klienten das Informationsblatt zur Substitution mit Me-   halb Stunden geöffnet. Nach Auskunft
thadon. Foto: Jugendhilfe e.V.                                                                            der dort tätigen Mitarbeiter_innen wur-
                                                                                                          den in den ersten Tagen bereits mehre-
tel Wohnzimmer, Arbeitszimmer und                     Medizin wieder zusammengewachsen.                   re Dutzend Opioidkonsument_innen auf-
Schlafzimmer“, sagt Gabi Becker, Leite-               Aus den Mitteln, die zur Bekämpfung                 genommen.
rin der IDH in Frankfurt.                             der COVID-19-Pandemie zur Verfügung                     Aber auch in vielen anderen Städten
                                                      gestellt wurden, hat sich die Behörde               reagieren Aids- und Drogenhilfen über-
Aber es gibt Lichtblicke –                            für Gesundheit- und Verbraucherschutz               aus flexibel und szenenah, indem sie
wie in Hamburg und vielen                             entschlossen, für bisher unversorgte                unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit
anderen Städten                                       Opiatabhängige eine niedrigschwellige               zentrale Versorgungsstrukturen erhalten
Um Gewaltdelikte zur Erlangung von                    Substitutionsambulanz im Drob Inn zu                und Öffnungszeiten ausweiten. Viele Ein-
Heroin, Crack und Koka zu vermeiden                   finanzieren.                                        richtungen arbeiten knapp besetzt in ab-
und unbegleiteten Entzügen vorzubeu-                     Die Ambulanz im Drob Inn versorgt                wechselnden Teams. Hierbei ist viel Ide-
gen, sind in Hamburg Drogenhilfe und                  Opiatkonsument_innen mit und ohne                   enreichtum und Idealismus gefragt.

   Kommentar des JES-Bundesverbands
                                                                                   Hier wird deutlich, dass es große Einnahmeunterschiede
   Auch wenn einige der Aussagen auf Seite 5 unfachlich und                     ­ wischen der täglichen Vergabe und einer Take-Home-Ver-
                                                                                z
   nicht nachvollziehbar sind, möchten wir als Interessenver-                   schreibung gibt, die insbesondere jene Praxen treffen, die
   tretung substituierter Menschen ergänzen, dass wir natürlich                 ausschließlich substituieren. Wir können nachvollziehen,
   auch eine Vielzahl toller Beispiele haben, dass Ärzt_innen mit               dass gerade jene Praxen diese Einnahmen benötigen, um
   viel Empathie und einem hohen Verantwortungsgefühl pati-                     den Praxisbetrieb fortzuführen und die Mitarbeiter_innen
   entennahe Regelungen finden.                                                 zu bezahlen. Aber wir sagen auch ganz klar, dass in diesen
      Natürlich gibt es Patient_innen, denen die eigenverant-                   Fällen die gesundheitliche Gefährdung von vorgeschädig-
   wortliche Einnahme des Medikaments schwerfällt. Aber                         ten Menschen in Kauf genommen wird, um bisherige Ein-
   auch hier ließe sich eine wohnortnahe Versorgung durch                       nahmen auch unter Corona zu erzielen.
   Apotheken realisieren. Stattdessen sehen wir weiterhin                          Unserer Ansicht nach ist auch die Angst vor einer Über-
   Menschenansammlungen vor Substitutionspraxen ohne Ab-                        flutung des Schwarzmarktes bei umfänglich praktizierter
   standsregelung und Masken.                                                   Take-Home weitgehend unbegründet. Natürlich wird die
      Viele Ärzte, die sich bei uns gemeldet haben, sagten „Na-                 ein oder andere Pille oder Milliliter auf der Szene landen.
   türlich könnte ich mehr Patient_innen ein Take-Home Rezept                   Aber gerade unter diesen Bedingungen wird kaum jemand
   für 1–2 Wochen ausstellen, aber die Einnahmeausfälle kann                    sein hochpotentes Substitut gegen 10 %iges Heroin eintau-
   und will ich nicht hinnehmen.“ Andere sagten, dass selbst,                   schen. Und selbst wenn sie es verkaufen, dann bleibt es in
   wenn alle Patient_innen einen verantwortlichen Umgang                        der Szene und hilft anderen Heroinkonsument_innen ihren
   mit dem Medikament haben, nicht mehr als 30 % ein Take-                      Bedarf zu decken. Niemand konsumiert Medikamente zur
   Home-Rezept erhalten können, egal ob Corona oder nicht.                      Substitution, der sie nicht benötigt.

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DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
www.jes-bundesverband.de                            topthema

ARUD (Schweiz) bringt
Heroin und Morphin
nach Hause
Das größte Schweizer Suchtzen-
trum geht neue Wege: Es bringt
wegen der Coronakrise Dro­gen­
kon­su­ment_­in­nen ihr Medikament
nach Hause. Mit dem Fahrrad oder
dem Auto liefert das Suchtzentrum
Arud (Arbeitszentrum für einen ri-
sikoarmen Umgang mit Drogen)
derzeit Heroin, Methadon oder
Morphin in Zürich aus. „Diese Haus-
lieferungen dienen dem Schutz der
Patienten“, sagt Philip Bruggmann,
Chefarzt bei Arud. „Im Heroinpro-
gramm muss man normalerwei-
se jeden Tag oder jeden zweiten
Tag erscheinen. Jedes Mal ist man
den Risiken ausgesetzt.“ Er spricht
damit die Risiken in den öffentli-
chen Verkehrsmitteln sowie in der
Praxis selbst an.                       Notlösung für die nötige Distanz: Vor dem Drogenkonsumraum „Stellwerk“ in Hannover reichen Mitarbeiten-
                                        de Konsumutensilien und Essen auf einer Schippe zu den Menschen | Foto: Stellwerk
Wenig einheitliches
Handeln in der
Substitutionsbehandlung                      Hier einige Aussagen                                „Ich muss auch
                                                                                                                  jeden Tag in
Trotz der Empfehlungen der Vor-              von Ärzt_innen:                                     die Praxis, da ka
sitzenden von Qualitätssiche-                                                                                      nn ich das
                                                                    -                            von meinen Pati
rungskommissionen der Kas-                   „Nun will Herr X Take                               auch erwarten.“
                                                                                                                   ent_innen
                                                                     al so
                                             Home. Wenn er sich m
senärztlichen Vereinigungen in
Deutsch­land, den Kontakt mit Sub-                                   um
stitutionspatient_innen auf das              engagiert hätte, als es
                                                                      uch
unumgängliche Maß zu beschrän-               seinen Heroinbeigebra                               Und eine Aussage eines
ken und möglichst viele Substi-               ging …“                                            Patienten:
tuierte mittels Abgaben zur ei-
                                                                                                                        einem
genverantwortlichen Einnahme                                                                     „Toll, nun habe ich m
                                             „Frau Y hat keine Risik                                                    gedruck-
(„Take-Home“) in den kommenden                                      en                           Arzt den bei Ihnen ab
                                             auf dem Weg zum mir.                                                          d nach
                                                                                                 ten KV-Brief gezeigt un
Wochen von den Praxen und Am-
bulanzen fernzuhalten, erleben Pa-          Der Weg von 3,3 km ist                                                        hat
tient_innen vor Ort einen höchst                                    zu                           Take-Home gefragt. Er
                                            bewältigen. Sie kann                                                          r nicht
unterschiedlichen Umgang.                                         sich                            mir gesagt, dass ich ga
                                            auch ein Fahrrad orga                                                         brauche
                                                                   ni­                            mehr wiederkommen
                                            sieren.“                                                                     n Arzt
                                                                                                  und mir einen andere
Ich erhalte viele Anrufe von rat-
losen, traurigen und ängstlichen
                                                                          ch                      suchen soll.“
                                                            eigentlich au
Substitu­ti­ons­patient_innen, deren
Anfragen nach Take-Home abge-                „Denken Sie                   e-
                                               inm  a l an m eine Einnahm
lehnt wurden. Hierbei scheint es             e                                                   (Dirk Schäffer hierzu: „Diese Aussage und
                                                              n ich nur noch
                                             ausfälle, wen
nicht immer um Beikonsum zu                                                                      der sofortige Behandlungsabbruch ist ve-
gehen, sondern um völlig andere                              verschreiben
                                              Take- Home
                                                                                                 rifiziert. Der Patient hat am Folgetag einen
Beweggründe. ❖                                                                                   großartigen Arzt gefunden, der ihn aufge-
                        Dirk Schäffer         soll ?“                                            nommen hat.“)

                                                                                             5
DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
topthema                 DROGENKURIER

Corona und Sexualität –
das Wichtigste in Kürze
Ist das Coronavirus (SARS-CoV-2) sexuell übertragbar?

                                                                                                                           Muss ich grund­

                                                                                                     Foto magazin.hiv.de
                                                                                                                           sätzlich auf Sex
                                                                                                                           verzichten?
                                                                                                                           Nein! Wer sich entschei-
                                                                                                                           det, Sex mit direktem Kör-
                                                                                                                           perkontakt zu haben, kann
                                                                                                                           jedoch ein paar Dinge be-
                                                                                                                           rücksichtigen, um Risiken
                                                                                                                           für sich und andere zu sen-
                                                                                                                           ken. Darüber hinaus gibt
                                                                                                                           es natürlich auch andere
                                                                                                                           Formen wie Sexting, On-
                                                                                                                           line-Sex oder Selbstbefrie-
                                                                                                                           digung, die auch in Zeiten
                                                                                                                           von Corona keine Risiken
                                                                                                                           bergen.

                                                                                                       Wie kann ich das
                                                                                                       Risiko für eine
                                                                                                       Übertragung von
                                                                                                       Coronaviren
Beim Sex hat man allein durch die Nähe           Allein schon durch die große Nähe und        senken, wenn ich Sex mit
ein hohes Risiko einer Übertragung von           weil Viren sich auch im Speichel befinden.   Körperkontakt habe?
Coronaviren – egal, um welche Sexprak-                                                        Der Sex mit Partner_innen, mit denen
tik es geht, sogar beim Kuscheln. Das            Kann man sich mit Corona auch                man ohnehin im selben Haushalt lebt
neue Coronavirus SARS-CoV-2 scheint im           beim Oralverkehr anstecken?                  und Körperkontakt hat, bedeutet kaum
engeren Sinne nicht sexuell übertragbar          Nein und ja. Der Oralverkehr selbst wäre     erhöhtes Risiko. Wenn man mit ande-
zu sein, also zum Beispiel über Sperma           nicht riskant. Aber beim „Blasen“ oder       ren Personen Sex mit Körperkontakt hat,
oder Vaginalflüssigkeit oder den Kontakt         auch beim Lecken der Vulva (Cunnilin-        senkt die Reduzierung der Partner_in-
zur Harnröhre beim Oralverkehr. Nachge-          gus) hat man weniger als 1,5 Meter Ab-       nenzahl das Risiko.
wiesen wurde es in diesen Körperflüssig-         stand voneinander, kann also von einer
keiten nicht. Aber das spielt kaum eine          infizierten Person angehaucht, angehus-      Wann sollte ich auf Sex mit
Rolle, solange man weniger als 1,5 Meter         tet oder angeniest werden. Außerdem          Körperkontakt ganz verzichten?
Abstand zum_zur Partner_in und da-               könnte eine Schmierinfektion möglich         Klar ist: wer Symptome hat oder Kontakt
durch ein Übertragungsrisiko hat.                sein, wenn eine infizierte Person mit der    zu Personen mit COVID-19 hatte und in
                                                 Hand Viren in die Genital- oder Analre-      Quarantäne ist, sollte keinen Sex mit an-
Sind Coronaviren beim Küssen                     gion bringt oder einem ins Gesicht fasst     deren haben. ❖
übertragbar?                                     und man die Viren mit dem Mund auf-
Ja. Küssen ist natürlich die Sexualpraktik       nimmt – auch indirekt, über den Weg Fin-     ▶ Quelle: magazin.hiv
mit dem höchsten Übertragungsrisiko.             ger → Mund.                                  (gekürzte Fassung)

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DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
1. Auflage 2020 | Gestaltung: Die Goldkinder Berlin, diegoldkinder.de | Druck: Onlineprinters GmbH, diedruckerei.de | Bestellnummer: 052056
    Abstand halten
1   und Hände waschen!
                                     1,5 – 2,0 M   20 SEK

     „Kugeln“ nicht in Mund, Vagina und po
                          transportieren!            2

    In Substitution?
3   Frag nach einer Take-Home-Verschreibung!

             Konsumutensilien,Zigaretten,
                     Joints und Flaschen             4
                             nicht teilen.

    Kein Geld, keine Substanzen?
5   Substitution kann eine Alternative sein.

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              ist Kontakt möglich!
DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
topthema                  DROGENKURIER

1.398 drogenbedingte
Todesfälle – ein trauriger
Rekord
1.398 Menschen sind 2019 an den Folgen                Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass                          „Es ist schlicht traurig,
ihres Drogenkonsums gestorben – fast 10            sich die neue Drogenbeauftragte hinter
                                                                                                                     dass es keine Trendwende
Prozent mehr als im Jahr zuvor. Hauptur-           all diese Maßnahmen wie Drogenkon-
sachen sind, wie auch in den vergange-             sumräume, Konsumutensilienvergabe,
                                                                                                                     bei drogenbedingten
nen fünf Jahren, Überdosierungen von               Substitution, Naloxon, und Drug Che-                              Todesfällen gibt“
Opioiden sowie die Kombination von Opi-            cking stellt. Sie ist für die Zahlen des Jah-                                      Sandra aus Mainz
oiden mit anderen Substanzen. Besonders            res 2019 nicht verantwortlich, aber die
signifikant ist der Anstieg aufgrund von           Verantwortung von Frau Ludwig ist es,                       650 Tote unter Beteiligung
Langzeitschädigungen in Kombination                gemeinsam mit allen Beteiligten über                        von Opioiden
mit Überdosierungen von 38 Todesfällen             Veränderungen ins Gespräch zu kommen,                       Weiterhin stirbt fast die Hälfte der Men-
im Vorjahr auf 172 Fälle im Jahr 2019.             um endlich die Ursachen und nicht nur                       schen in Deutschland infolge oder unter
                                                   die Symptome in den Blick zu nehmen.                        Einfluss von Opioiden (Abb. 1). Wenn man
Reicht der Fokus auf                                  Wirft man aber einen detaillierten                       dann bedenkt, dass Drogenkonsumräu-
Schadensminderung?                                 Blick auf die aktuellen Zahlen der dro-                     me mehr als 300 schwere Überdosie-
Deutschland gehört zu den Ländern der              genbedingten Todesfälle, so fällt auf, dass                 rungen im Jahr 2019 verzeichnet haben
Welt, das die größte Bandbreite an Maß-            alle bisherigen Maßnahmen nicht aus-                        (siehe Seite 16) und diese Menschen ohne
nahmen der Schadensminderung vor-                  reichen, um eine Trendwende zu erzielen.                    die schnelle Hilfe der Mitarbeiter_innen
hält. Klar, es fehlt an Angeboten des
Drug Checking, aber ansonsten ist an               Abb.1 Drogentodesfälle durch Opioide und unter Einfluss von Opioiden
niedrigschwelligen Hilfen alles vorhan-
                                                    Ursache                                                                    2018      2019   Veränderung
den – wenn auch nicht im erforderlichen
                                                    Monovalente Vergiftungen durch Opioide/Opiate                              260        217      -17 %
Umfang. Dennoch bewegt sich die offizi-
                                                    • Heroin/Morphin                                                           175        160      -9 %
elle Zahl der Todesfälle seit vielen Jahren,
                                                    • Opiat-Substitutionsmittel                                                 50        24       -52 %
auf einem unerträglich hohen Niveau,
                                                      davon Methadon (u. a. Polamidon)                                          44        22       -50 %
von mehr als 1.000 Menschen, die jedes
                                                      davon Buprenorphin (u. a. Subutex)                                        4          2       -50 %
Jahr ihr Leben verlieren.
                                                      davon Sonstige (Dihydro-Codein, Diamorphin u. a.)                         2          0      -100 %
                                                    • Opiat-/Opioid basierte Arzneimittel                                       30        32        7%

     „Wir sehen Jahr für Jahr,                        davon Fentanyl                                                            25        25        0%

     dass unsere Freunde,                           • Synthetische Opioide (u. a. Fentanylderivate)                             5          1       -80 %
                                                    Polyvalente Vergiftungen durch Opioide/Opiate*                             369        433      17 %
     Klienten und Patienten                         • Heroin/Morphin i. V. m. anderen Stoffen                                  230        289      26 %
     versterben. Dieser Um­                         • Opiat-Substitutionsmittel i. V. m. anderen Stoffen                       155        155       0%
     stand muss uns dazu                              davon Methadon (u. a. Polamidon) i. V. m. anderen Stoffen                133        116      -13 %

     bringen die seit 30 Jahren                       davon Buprenorphin (u. a. Subutex) i. V. m. anderen Stoffen               7         25       257 %
                                                      davon Sonstige i. V. m. anderen Stoffen                                   17        16       -6 %
     geltenden Grundfeste der
                                                    • Opiat-/Opioid basierte Arzneimittel i. V. m. anderen Stoffen              54        58        7%
     Drogenpolitik in Deutsch­                        davon Fentanyl                                                            28        34       21 %
     land zu überprüfen.“                           • Synthetische Opioide (u. a. Fentanylderivate) i. V. m. anderen Stoffen    1          1        0%
                       Peter aus Köln               * In den Unterkategorien sind Mehrfachzählungen möglich.

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DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
www.jes-bundesverband.de                             topthema

     Immer noch hören wir                                   Methamphetamin in den Fokus                          die Wartezimmer substituierender Ärzte
                                                            rücken                                               und in Drogenkonsumräume reicht aus,
     „Wir dulden keine
                                                            Die aktuellen Zahlen der Bundesregie-                um festzustellen, dass gerade diese Men-
     rechtsfreien Räume“ oder                               rung zeigen einen Anstieg von Dro-                   schen manifeste körperliche und seeli-
     „für Drogenkonsumräume                                 gentodesfällen in Folge von Kokain-,                 sche Schäden genommen haben.
     gibt es bei uns keinen                                 Crack- und vor allem Methamphetamin-                    Schädigungen, die maßgeblich durch
                                                            Konsum (Abb.2). Mit Informationen bei                eine jahrzehntelange Kriminalisierung
     Bedarf“ sowie „Drogen­
                                                            Festivals und in Clubs sowie Chillout                und Verfolgung, langjährige Inhaftierun-
     konsumräume sind das                                   Zonen ist es wohl nicht allein getan. Es             gen, dutzende Entgiftungen gefolgt von
     falsche Signal, das ist                                muss darum gehen, jene Konsument_                    einem Wiedereinstieg in den Konsum,
     unerträglich.“                                         innen, die weitaus weniger die Angebo-               begünstigt wurden.
                                                            te der Drogenhilfe in Anspruch nehmen                   Diese Menschen führen uns vor Au-
                  Mahmoud aus München
                                                            als Heroinkonsument_innen, mit einem                 gen, dass die Möglichkeiten unseres Hil-
                                                            zielgruppenspezifischen und vor allem                fesystems nicht ausreichen, um diesen
alleine im öffentlichen oder privaten                       szenenahen Angebot zu erreichen. Drug                vielen zehntausend Menschen ein Le-
Raum verstorben wären, so ist es mehr                       Checking inklusive Beratung und In-                  ben in Menschenwürde zu ermöglichen.
als unverständlich, dass Länder wie z. B.                   formationen wird nicht alle Probleme                 Menschenwürde bedeutet hier ein Le-
Schleswig Holstein, Bayern, Rheinland                       lösen, aber wäre eine wichtige Hilfestel-            ben mit Teilhabe am gesellschaftlichen
Pfalz und Sachsen sich mit schier unver-                    lung mit dieser Gruppe von Drogenkon-                Leben. Stattdessen erleben wir, dass die-
ständlichen Argumenten diesem wich-                         sument_innen in Kontakt zu kommen.                   se Menschen desillusioniert, allein und
tigen Angebot der Überlebenssicherung                                                                            krank sind. (Abb.3)
verschließen.                                               Suizide und Tod nach
   Wenn es diese Einrichtungen nicht                        Langzeitkonsum sind ein
gäbe, läge die Anzahl der drogenbeding-                     Weckruf für eine                                          „Wir können es nicht
ten Todesfälle um viele hundert Men-                        grundsätzliche Diskussion
                                                                                                                      hinnehmen, dass mehr
schen höher. Im Umkehrschluss würde                         Bedingt durch die Behandlungserfolge
eine Ausweitung dieses Angebots bedeu-                      werden Drogengebraucher_innen heute                       als tausend drogen­
ten, dass viele der 1.398 Drogentodesfälle                  deutlich älter als noch vor 25 Jahren. Dies               gebrauchende Menschen
hätten verhindert werden können.                            ist ein Erfolg aller Beteiligten. Ein Blick in            pro Jahr in Deutschland
                                                                                                                      versterben.“
Abb.2 Drogentodesfälle durch Kokain, Crack, Amphetamin, Methamphetamin, NPS                                                          Andreas aus Halle
 Monovalente Vergiftungen durch andere Substanzen                              120       118       -2 %
 als Opioide/Opiate
                                                                                                                 Drogenverbote und Strafrecht
 • Kokain/Crack                                                                41         36       -12 %
                                                                                                                 machen krank
 • Amphetamin/Metamphetamin*                                                   49         55       12 %
                                                                                                                 Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass
   davon Amphetamin                                                            37         37        0%
                                                                                                                 auch die Prohibition – also das Drogen-
   davon Methamphetamin                                                        12         20       67 %
                                                                                                                 verbot in Kopplung mit dem Strafrecht
 • Amphetaminderivate                                                          13         8         7%
                                                                                                                 – gerade Langzeitkonsument_innen see-
 • Neue Psychoaktive Stoffe (NPS)                                               7         9        29 %          lisch und körperlich krank macht. Wenn
 		 davon Synthetische Cannabinoide                                                       5         +/-          dies unbestritten ist, kommen wir nicht
   davon sonstige NPS                                                                     4         +/-          umhin eine ernsthafte und ergebnisof-
 * In den Unterkategorien sind Mehrfachzählungen möglich.                                                        fene Diskussion um die Strafbewährung
                                                                                                                 des Drogenerwerbs und Drogenbesitzes
Abb. 3 Drogentodesfälle durch Suizide und Langzeitschädigungen                                                   zu beginnen. Hier müssen sich die poli-
                                                                                                                 tisch Verantwortlichen, die Kritiker und
 Suizide                                                                       72         96       33 %
                                                                                                                 Befürworter von veränderten Rahmen-
 • Suizid durch Intoxikation                                                   23         42       83 %
                                                                                                                 bedingungen, schnellstmöglich an einen
   (bereits unter den zuvor genannten Ursachen in Abb. 2 enthalten)
                                                                                                                 Tisch setzen. ❖
 • Suizid durch andere Mittel als Intoxikation                                 49         54       10 %
                                                                                                                                            Dirk Schäffer
 Langzeitschäden                                                              230        318       38 %
 • davon Langzeitschäden in Kombination mit Intoxikationsfolge                 38        172      353 %
                                                                                                                 ▶ Quelle www.drogenbeauftragte.de

                                                                                                             9
DROGENKURIER - CORONA VIRUS Drogengebrauchende und Drogenhilfe in Gefahr - JES ...
leben mit drogen                       DROGENKURIER

                                                                 orientierten App umzusetzen. Zu diesem
                                                                 Zweck wollen wir möglichst viele Pati-
                                                                 ent_innen und deren Behandler_innen
                                                                 – d. h. Substitutionsärzt_innen, Physio-
                                                                 und Psychotherapeut_innen sowie Sozi-
                                                                 alarbeiter_innen in die Entwicklung der
                                                                 App mit einzubeziehen.
                                                                    Entscheidender Vorteil einer App im
                                                                 Gesundheitssektor ist die Möglichkeit
                                                                 zum sogenannten Self-Tracking. Dieser
                                                                 Begriff meint die freiwillige Erfassung
                                                                 von Daten über verschiedene Lebensas-
                                                                  pekte. Bislang erfolgt dies in der Sub-
                                                                       stitution durch das Führen eines
                                                                         Tagebuches. Überträgt man das
                                                                          Tagebuchführen aber auf Soft-
                                                                          ware und Hardware, dann wer-
                                                                          den Auswertungen möglich, die
                                                                         ganz neue Einsichten verschaffen.

                                                                 Dosis und Zeitpunkt der

Checkpoint S –
                                                                 Einnahme deiner Substitutions-
                                                                 medikamente dokumentieren
                                                                 Die erste Version der App, die seit Sep-
                                                                 tember 2019 im Google-Playstore zum

Die „Substi-App“
                                                                 Download bereitsteht, umfasst vier di-
                                                                 gitale Tagebücher: Im Substitutionsta-
                                                                 gebuch lassen sich die verschriebenen
                                                                 Substitutionsmittel mit Dosis und Zeit-
                                                                 punkt der Einnahme dokumentieren. Im
Digitalisierung ist nicht nur ein allge-                         „Befinden-Tagebuch“ können die tägli-
genwärtiges Schlagwort, sondern längst                           che emotionale Verfassung genauso fest-
im Alltag angekommen – allerdings bis-                           gehalten werden wie die Gründe, die für
lang nur eingeschränkt innerhalb medi-                           gute und schlechte Stimmung sorgen.
zinischer Behandlungen und noch nicht
in der Substitution. Dabei können Smart-                         Welche Auslöser gibt es für
phone-Apps eine sinnvolle Hilfestellung                          Beikonsum?
gerade für langfristige Behandlungen                             Im Konsumdruck-Tagebuch (s. Abb.)
darstellen, sofern sie auf die Bedürfnis-                        könnt ihr notieren, wie stark oder
se der Patient_innen zugeschnitten ist.                          schwach das Bedürfnis nach Drogenkon-
                                                                 sum ist sowie ob und welche Auslöser es
Substitutionsbegleitung mit                                      hierfür gibt. Schließlich kann mittels des
dem Smartphone                                                   Beikonsum-Tagebuchs erfasst werden,
An der Hochschule Merseburg stellen                              wann und welche legalen oder illega-
wir uns mit unserem Forschungspro-                               len Substanzen während der Substituti-
jekt „Checkpoint-S“ der ehrgeizigen Auf-                         onstherapie konsumiert werden. Durch
gabe, eine solche App für Substituierte                          visuelle Aufbereitung könnt ihr als die
zu entwickeln. Unser Ziel ist, die techni-                       Nutzer_innen selbstständig und nieder-
schen Möglichkeiten einer App für die                            schwellig etwas über die Gründe und den
Unterstützung der Substitution zu er-                            Verlauf eurer emotionalen Höhen und
kunden und diese in einer kostenfreien,                          Tiefen, eurer körperlichen Beschwerden,
bedienfreundlichen und zielgruppen­                              eures Suchtdrucks oder aber auch des

                                             10
www.jes-bundesverband.de                        leben mit drogen

Beikonsum erfahren. Wir, als Entwickler_    positiven Einfluss auf die Kooperations-        Das heißt, es entstehen im Alltag der Pa-
innenteam hoffen, dass euch derartige       und Mitwirkungsbereitschaft an der Be-          tient_innen gesammelte Daten, die ge-
Einsichten ermöglichen, Eure individu-      handlung insgesamt hat. Wir möchten             meinsam mit den Patient_innen, die
elle Erkrankung und deren Behandlung        mit dieser App dazu beitragen, dass sich        Basis für psycho- oder physiothera-
besser zu verstehen.                        substituierte Patient_innen als eman-           peutische Interventionen werden oder
                                            zipierte Partner_innen in die Therapie          Anhaltspunkte für eine zielgenauere psy-
Patient_innen können die Daten              aktiv einbringen.                               chosoziale Beratung liefern können.
mit dem Arzt teilen
Im besten Fall können diese Einsichten in   Auch Behandler_innen sollten                    Auf Facebook und Instagram
die Gestaltung der Substitutionsbehand-     diese App aktiv bewerben                        die Entwicklung der App
lung einbezogen werden. Wir haben des-      Auch für Behandler_innen haben die              begleiten
halb vorgesehen, dass Patient_innen, die    Daten einen innovativen Wert für Diag-          Zu unserem Forschungsprojekt haben
dies wünschen, ihre Daten mit ihren Be-     nose, Therapie und Beratung. Durch sie          wir Kanäle auf Facebook und Instagram
handler_innen teilen können. Wir gehen      lassen sich Hinweise auf Über- oder Un-         eingerichtet, über die wir über die Ent-
davon aus, dass die aktive Mitarbeit von    terdosierungen des Substitutionsmit-            wicklung der App berichten und mit
euch als Patient_innen, die sich schon in   tels erkennen, Ursachen für emotionales         allen in Kontakt kommen wollen, die
der Nutzung der App zeigt, auch einen       Missbefinden klarer herausarbeiten u. ä.        sich direkt in die App-Entwicklung ein-
                                                                                            bringen möchten. Insofern laden wir alle
                                                                                            Leser_innen herzlich ein, unsere App zu
                                                                                            testen, und unsere Webseite checkpoint-
                          Der JES-Bundesverband                                             s.de zu besuchen. Wir freuen uns über
                          zur App Checkpoint-S                                              jede konstruktive Kritik und über alle
                                                                                            Ideen für die Weiterarbeit.
                         Wir als JES-Bundesverband begrüßen die Initiative zur
                         Entwicklung einer Smartphone App zum Thema Substitu-               Partner_innen und Sponsoren
                         tionsbehandlung. Wir rufen Sie als substituierende Ärzt_           Ein solches Projekt ist nur mit einer
                         innen und Euch als substituierte Patient_innen dazu auf,           Reihe von Sponsoren und Partner_innen
  die App downzuloaden und sie auszuprobieren.                                              umsetzbar. Das Projekt wird durch das
  Das Entwickler_innenteam ist offen für eure Rückmeldungen und freut sich auf              Bundesministerium für Forschung und
  weitere Vorschläge wie die App vielleicht noch besser die Bedarfe von Substi-             Bildung, die Hochschule Merseburg,
  tuierten aufgreifen kann. Die App steht auf google play zum Download bereit.              sowie Indivior, Hexal, dem MVZ Labor
                                                                                            Dessau und der Ostdeutschen Arbeits-
  http://app.checkpoint-s.de                                                                gemeinschaft Suchtmedizin gefördert.
  https://checkpoint-s.de/                                                                  Unsere Partner_innen vor Ort sind der
                                                                                            Drogennotdienst Berlin, die Klinik für
  Viele von Euch besitzen einen Internetzugang. Die Webseite des Projektes                  Geburtsmedizin – Ambulanz für Sucht­
  https://checkpoint-s.de/ ermöglicht Euch einen Einblick in alle Bereiche der              erkrankungen und Infektionen in der
  App, ohne sie direkt auf euer Handy laden zu müssen. Ihr könnt nach Herzens-              Schwangerschaft der Charité Berlin, die
  lust alles ausprobieren und Euch über die verschiedenen Inhalte nicht nur per             Klinik für Geburtshilfe Krankenhaus St.
  Text informieren. Die Webseite hält zudem sehr viele Screenshots bereit, also             Elisabeth und St. Barbara sowie die Ost-
  Abbildungen der jeweiligen Darstellungen auf dem Handy. Die App lebt von ihren            deutsche Arbeitsgemeinschaft Sucht-
  Nutzer_innen. Wir als JES-Bundesverband würden uns freuen, wenn möglichst                 medizin und Praxis für Neurologie/
  viele einen kleinen Teil zur Weiterentwicklung der App beitragen und natürlich            Psychiatrie der Poliklinik Silberhöhe. Die
  selbst von der App profitieren.                                                           technische Umsetzung der Checkpoint-S
  Noch ein Wort zur Datensicherheit, dem gerade beim Thema „Konsum illegaler                App wird durch die Berliner Softwarema-
  Substanzen“ ein wichtiger Stellenwert zukommt. Für Deine Datensicherheit ist              nufaktur Curamatik geleistet. ❖
  die App mit einem Pin-Schutz versehen, so dass niemand unbefugt Zugriff auf
  Deine sensiblen Daten hat. Richte Dir diesen also gleich ein. Alle Deine Daten                                Euer Forschungsteam
  sind ausschließlich in der App gespeichert und werden nicht an Dritte weiterge-
  ben. Klar ist auch, dass Eure Daten nur mit Eurer ausdrücklichen Zustimmung
  mit Eurem Arzt bzw. Eurer Ärztin geteilt werden.

                                                                                       11
leben mit drogen                  DROGENKURIER

Sechs Punkte für die
Elimination der Hepatitis C
bis 2030
Bis zum Jahr 2030 soll Hepatitis

                                                                                                                                      Foto: hepmag.com
C weltweit eliminiert sein, so das
Ziel der Weltgesundheitsorganisa-
tion (WHO) und der Bundesregie-
rung.1 Dank neuer Medikamente
ist die Krankheit heute schnell
und gut verträglich bei nahezu
allen Patienten heilbar.2 Trotz der
therapeutischen Möglichkeiten
und Erfolge bleibt bis zur geplan-
ten Eliminierung des Hepatitis-
C-Virus (HCV) noch viel zu tun.            Sechs-Punkte-Plan zur                        Infektionsrisiko für bisher nicht infizier-
                                           Elimination                                  te Menschen verringern. In einem ersten
Die „PLUS-Gesundheitsinitiative            Neben dem regionalen Engagement dis-         Schritt gilt es, ein Screening für einzelne
Hepatitis C“ engagiert sich für            kutieren die PLUS-Partner in Zusammen-       Bevölkerungsgruppen mit einem erhöh-
die Verbesserung der regionalen            arbeit mit Experten auch überregionale       ten Infektionsrisiko einzuführen. Zu die-
                                           Eliminationsstrategien im Suchtumfeld.       sen Risikogruppen zählen beispielsweise
Gesundheitsversorgung von Dro-             Im Rahmen des zweiten bundeswei-             Drogenkonsumierende und Menschen in
genkonsumenten und Substituier-            ten PLUS-Forums am 18. und 19. Sep-          Haft. Im nächsten Schritt sollte das Scree-
ten. Der partizipative Peer-Ansatz         tember 2019 trafen sich in Bochum rund       ning in die Gesundheitsuntersuchungs-
                                           60 Experten aus Medizin, Drogenhil-          Richtlinie aufgenommen werden. Für die
(Peer-PLUS-Peer-Konzept) hilft,
                                           fe, Selbsthilfegruppen, Sozialverbänden,     Umsetzung dieses Ziels setzt sich aktu-
die Maßnahmen und Aktivitäten              Gesundheits- und Sozialämtern, Justiz-       ell der Gemeinsame Bundesausschuss (G-
von PLUS entsprechend der                  vollzug und pharmazeutischen Unter-          BA) ein.
                                           nehmen.
Lebensumstände auszurichten.
                                               Das Ergebnis ist eine 6-Punkte-Erklä-    2. HCV-Antikörpertests müssen
PLUS wurde 2015 vom Caritas-               rung mit konkreten Forderungen an die        wieder budgetneutral werden
verband für Stuttgart e.V., der            Politik, damit eine Hepatitis-C-Eliminati-   Ein wichtiger Schritt zur Therapie ist die
                                           on nicht unrealistisch bleibt:               Testung auf Hepatitis C. In der Regel ist
Deutschen Leberhilfe e.V. und
                                                                                        der niedergelassene Arzt die erste An-
­AbbVie Deutschland in Stuttgart           1. Deutschland braucht ein                   laufstelle bei grippeähnlichen Sympto-
ins Leben gerufen. Mittlerweile            umfassendes HCV-Screening                    men – eine unspezifische Symptomatik
wird das Konzept bereits in acht           Ein umfassendes Screening, also eine         tritt bei etwa drei Vierteln aller Hepati-
                                           breite Testung der Bevölkerung auf He-       tis-C-Infektionen auf.3 Deshalb sollte der
Städten und Regionen mit regio-            patitis C, kann die gesundheitlichen Ri-     Hepatitis-C-Antikörpertest aus dem La-
nalen Partnern umgesetzt.                  siken für einzelne Infizierte und das        borbudget wieder budgetneutral werden.

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www.jes-bundesverband.de                         leben mit drogen

3. Stärkung präventiver Maßnah-              den. Der Gesetzgeber auf Länderebene             sem Hintergrund sollte es eine bundes-
men gegen „Needle-Sharing“                   sollte dafür sorgen, dass das Äquivalenz-        weite Aufklärungskampagne mit dem
80 % der Hepatitis-C-Neudiagnosen,           prinzip – die gesundheitliche Gleichbe-          Fokus auf die allgemeinmedizinische
deren Infektionsweg bekannt ist, gehen       handlung für Menschen in Haft und in             und hausärztliche Versorgung geben.
auf intravenösen Drogenkonsum zu-            Freiheit – konsequenter umgesetzt wird.             Haben Sie Interesse am ausführlichen
rück.4 Das erhöhte Hepatitis-C-Infekti-                                                       politischen Eckpunktepapier Sechs Punk­
onsrisiko entsteht z. B. durch das Teilen    5. Bessere Maßnahmen für eine                    te für eine Elimination im Suchtumfeld?
von Konsumutensilien wie dem Spritz-         nachhaltige Substitution                         Das Dokument finden Sie unter folgen-
besteck (Needle-Sharing). Dies bedeu-        In den nächsten zehn Jahren wird ein             dem Link auf der PLUS-Webseite:
tet ein hohes Infektionsrisiko für bisher    Großteil der jetzt praktizierenden Ärzte         ▶ HCVVersorgungPLUS.de
nicht infizierte Menschen, wie z. B. Dro-    in den Ruhestand gehen. Damit droht
gengebraucher. Mehr flächendeckend           auch in der Substitutionstherapie eine                                      JES-Redaktionsteam
                                                              Foto magazin.hiv.de

                                                                                                                                                       Foto magazin.hiv.de
aufgestellte Spritzenautomaten mit Kon-      Unterversorgung. Substitution kann
sumutensilien inkl. Kondomen können          Opioidkonsumierende unterstützen,
das Ansteckungsrisiko deutlich verrin-       eine Therapie gegen Hepatitis C zu star-
gern. Dabei muss auch die Nachhaltigkeit     ten und letztlich erfolgreich zu beenden.
gesichert werden (z. B. Bestückung der       Eine Substitution verringert zudem das
Automaten, Instandsetzung und Repa-          Infektionsrisiko. Viele Experten aus der
raturen). Ferner benötigen Drogen- und       Drogenhilfe vertreten die Meinung, dass
Aidshilfe-Einrichtungen ausreichend          die völlige Betäubungsmittelabstinenz
Mittel, um eine bedarfsgerechte Verga-       nicht mehr das vordringliche Ziel sein
be von Konsumutensilien vorhalten zu         kann, sondern dass auch eine dauerhaf-
können.                                      te Substitutionstherapie ein menschen-
                                             würdiges Leben mit Partizipation an der
4. Konzertierte Maßnahmen                    Gesellschaft ermöglichen kann. Der Ge-
gegen Hepatitis C in Haft                    setzgeber sollte Anreize und Rahmen-                         Informationen für Drogen
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) konsu-       bedingungen schaffen, damit sich auch                     gebrauchende und substituierte
                                                                                                             Frauen und Männer
mieren nach eigenen Aussagen 30 % der        zukünftig Ärzte dafür entscheiden, Sub-
intravenös Drogenkonsumierenden auch         stitutionstherapien anzubieten.
in Haft, einige starten sogar in Haft mit
intravenösem Drogenkonsum. Inhaftierte       6. Deutschland braucht eine
sind damit einem erhöhten Hepatitis-C-       Informationskampagne zur
Risiko ausgesetzt. Durch die Ausgabe von     Aufklärung über Hepatitis C
Konsumutensilien könnte das Hepatitis-       Noch immer weiß die Bevölkerung zu               1	World Health Organization. Global Hepatitis Report,
C-Infektionsrisiko deutlich reduziert wer-   wenig über Hepatitis C, die Testung, die            2017
                                                                                              2 Sarrazin C, et al. Z Gastroenterol. 2018; 56:756-838
den. Zudem sollte die Haftzeit auch für      möglichen Folgen einer Infektion und die         3 Robert Koch-Institut Epid Bull. 2017; 30:279-290
eine Hepatitis-C-Therapie genutzt wer-       therapeutischen Möglichkeiten. Vor die-          4 Robert Koch Institut. Epid Bull. 2018; 31:299-307

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leben mit drogen                     DROGENKURIER

Drogenkonsumräume
retten Menschenleben
Auswertung der Notfallstatistik des Jahres 2019

Seit mehreren Jahren gibt es ein einheitliches Dokumentations-        nis zur Gesamtzahl der dokumentierten Notfälle) angegeben, um
system für Drogennotfälle in deutschen Drogenkonsumräumen.            kein verfälschtes Bild zu erzeugen. In den Balken der Diagramme
Viele Drogenkonsumräume schicken ihre Statistik zum Jah-              werden die absoluten Zahlen, also die tatsächlichen Fälle trotz-
resende an die Deutsche Aidshilfe e.V. (DAH). Dort werden die         dem angegeben. Insgesamt wurden 655 Notfälle dokumentiert.
Auswertungen zusammengeführt. Die Daten können die Ein-
richtungen in der Darstellung ihrer Arbeit gegenüber Zuwen-           Geschlechterverhältnis weitgehend unverändert
dungsgebern und der Öffentlichkeit unterstützen.                      80 % der Notfälle traten bei Männern auf, 20 % bei Frauen. Das
   Auf Basis der Dokumentation können Aussagen zur Anzahl,            entspricht dem Verhältnis in den letzten Erhebungen (siehe
den Orten und Schweregraden von Drogennotfällen getroffen             Abb. 1.) und spiegelt auch in etwa das Geschlechterverhältnis von
werden. Darüber hinaus bietet die Dokumentation die Möglich-          Drogengebraucher_innen wider.
keit, Risikofaktoren für Intoxikation zu erkennen sowie Sympto-
me und Maßnahmen im Notfall abzubilden. In den Jahren 2013            Zunahme von Notfällen ohne Nutzung des
und 2017 wurden die Daten in der gleichen Form aufbereitet. Das       Konsumraums
bietet die Möglichkeit, die aktuellen Daten mit denen aus den         Zu den Fragen nach der Situation (nach oder ohne Konsumraum-
letzten Jahren zu vergleichen, Veränderungen und Entwicklun-          nutzung) und dem Schweregrad (leicht/mittel oder schwer) des
gen sichtbar zu machen, und diese zu bewerten.                        Notfalls zeigen sich eher unerwartete und unerfreuliche Ent-
   Der aktuellen Auswertung liegen Daten aus 14 Einrichtungen         wicklungen. So ist der Anteil an Notfällen ohne Konsumraum-
und einem Mobil vor. Diese sind verteilt auf 11 Städte. Das ist et-   nutzung deutlich höher als in den Vorjahren. 74 % der Notfälle
was weniger als in den letzten Erhebungen (2013: 18 Einrichtun-       ereigneten sich infolge der Nutzung eines Drogenkonsumraums,
gen aus 15 Städten; 2017: 20 Einrichtungen aus 14 Städten). Da in     26 % der Notfälle fanden ohne die Nutzung des Drogenkonsum-
diesem Jahr weniger Einrichtungen teilgenommen haben, wer-            raums z. B. im Umfeld der Einrichtung statt. Letzteres entspricht
den in diesem Artikel die meisten Daten prozentual (im Verhält-       einem Anstieg von 10 % gegenüber 2017 (siehe Abb. 2).

 Abb. 1: Geschlechterverhältnis                     weiblich           Abb. 2: Situation Notfall    ohne Konsumraumnutzung
                                                   männlich                                         nach Konsumraumnutzung

100 %                                                                 100 %
                 134                140                129                             98                118               171
  80 %                                                                  80 %

  60 %                                                                  60 %

                 450                580                519                             486               603               484
  40 %                                                                  40 %

  20 %                                                                  20 %

   0%                                                                    0%
                 2013              2017               2019                            2013              2017              2019

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leben mit drogen                     DROGENKURIER

                                                                           diglich 15 Einrichtungen einbezieht so dürfen wir mutmaßen,
 Abb. 3: Schweregrad des Notfalls                    schwer                dass die tatsächliche Zahl der vermiedenen tödlichen Verläufe
                                                leicht/mittel              von Notfällen noch deutlich höher liegt. (siehe Abb. 3).

100 %
                                                                           Es gibt mehrere mögliche Zusammenhänge und
                 194               306                 346                 Entwicklungen, die das erklären könnten:
  80 %                                                                     1.	Die Alterspyramide: Der Altersdurchschnitt von Drogen-
                                                                               gebraucher_innen steigt. Oftmals befinden sich sowohl
  60 %                                                                         Langzeitkonsumierende als auch ältere Konsument_innen all-
                                                                               gemein im Vergleich zu jüngeren in einer schlechteren kör-
  40 %                                                                         perlichen Verfassung. Das kann zu mehr Notfällen führen
                 309               404                 300
                                                                           2.	Der Reinheitsgehalt der Substanzen: Die fortlaufende Stu-
                                                                               die „Drusec“, hat gezeigt, dass es sowohl zwischen den Städ-
  20 %
                                                                               ten große Unterschiede im Reinheitsgehalt der Substanzen
                                                                               gibt als auch teilweise innerhalb einer Stadt. So wurden z. B.
   0%                                                                          in Berlin Schwankungen von 30 % bis 70 % im Reinheitsgehalt
                2013               2017               2019
                                                                               von Heroin registriert (vgl. Klaus et al.: Substanzmonitoring –
                                                                               eine neue Methode zur Schadensminimierung. In: Drogenku­
Schwere Notfälle nehmen zu                                                     rier Nr. 121. Feb. 2020. Seite 3–5). Das Ergebnis, dass Heroin und
Ebenfalls auffällig ist der Anstieg von schweren Notfällen. Im                 Kokain besonders von Schwankungen betroffen sind, würden
Vergleich zu 2017 sind 10 % mehr schwere Notfälle, im Vergleich                auch dazu passen, dass diese Substanzen Hauptverursacher
zu 2013 sogar 14 % zu verzeichnen. Im Jahr 2019 wurden erstma-                 für Notfälle sind (siehe Abb. 5).
lig mehr schwere Notfälle (53 %) als leichte/mittlere (47 %) doku-         3.	Hohe Rate von Ablehnungen: Trotz der Zulassung von Subs-
mentiert. Insgesamt wurden 346 schwere Notfälle dokumentiert.                  tituierten in Drogenkonsumräumen in NRW seit dem 1.1.2016
Wenn die Einschätzung der Mitarbeiter_innen aus den Vorjah-                    ist der Anteil an Ablehnungen in diesem Bundesland immer
ren noch zutrifft, dass ein sehr hoher Anteil der schweren Not-                noch sehr hoch (insgesamt über 2.300 Ablehnungen in 2018).
fälle ohne die unmittelbare und kompetente Notfallhilfe des                    „Gründe“ für diese Ablehnungen sind insbesondere Hausver-
Personals im privaten oder öffentlichen Raum tödlich verlau-                   bote, Verständigungs-/Kommunikationsschwierigkeiten und
fen wären, müssen wir konstatieren, dass durch Drogenkon-                      die Schließzeiten. Dass die Öffnungszeiten eingehalten wer-
sumräume in Deutschland in 2019 346 Menschenleben gerettet                     den müssen, ist nachvollziehbar. Wenn allerdings über 90 %
wurden. In Anbetracht des Umstands, dass die Auswertung le-                    der Ablehnungen disziplinarische Gründe haben, muss das

 Abb. 4: Risikofaktoren                                                                                               2017           2019

100 %

  80 %

  60 %

  40 %

  20 %
                197      130              127      112               128        69                83       61                68       47

   0%
           Schlechte Verfassung          Alkoholkonsum           Benzodiazepine                    Abstinenz                  Sonstiges

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  als Alarmsignal gewertet werden. Die nur für NRW vorliegen-               ben, die als reguläre, zugelassene Substanzen im Konsumraum
  den Daten können exemplarisch dafür herangezogen werden,                  konsumiert wurden und mutmaßlich ausschlaggebend für das
  dass die Ablehnungsrate eine Gefahr einer Überdosierung für               Notfallgeschehen sind. Auch hier waren Mehrfachnennungen
  Drogengebraucher_innen erhöht.                                            möglich (z. B. Heroin/Kokain bei konsumierten „Cocktails bzw.
                                                                            Speedballs“).
Die vorliegenden Zahlen machen einmal mehr deutlich, dass Dro-                  Heroin dominiert mit 430 Fällen (66 % der gesamten Not-
genkonsumräume in ihren Städten ein entscheidender Faktor                   fälle) weiterhin als Substanz, die mutmaßlich für die meisten
sind um Drogentodesfälle in beträchtlicher Zahl zu vermeiden.               Notfälle verantwortlich ist. Es liegt hier keine signifikante Ver-
                                                                            änderung zu den Erhebungen von 2013 und 2017 vor. Dass alle
Risikofaktoren für Drogennotfälle                                           anderen Substanzen eine deutlich untergeordnete Rolle spielen,
Zu 290 (44 %) Drogennotfällen lagen Erkenntnisse zu Risikofak-              entspricht auch den Beobachtungen der Vorjahre. Eine sichtba-
toren vor, die das Eintreten des Notfalls mutmaßlich begünstigt             re Entwicklung gibt es jedoch bei Kokain.
haben. Als Risikofaktoren wurden benannt:
•	Abstinenz                                                                Zusammenfassung
• schlechte Verfassung
• Alkoholkonsum                                                             Die gemeinsam mit dem Arbeitskreis „Drogenkonsumräume“ er-
• Benzodiazepine			                                                         hobenen Daten geben u. a. einen Einblick welche Risikofaktoren
• Sonstiges                                                                 Einfluss auf das Eintreten eines Notfalls haben und welche Sub-
                                                                            stanzen zuletzt konsumiert wurden und wahrscheinlich im Zu-
Die Häufigkeit der Risikofaktoren verteilt sich folgendermaßen              sammenhang mit dem Notfall stehen. Sie können allerdings das
(hier gelten die prozentualen Angaben im Verhältnis zu den ins-             Fehlen einer bundesweiten Erhebung relevanter Daten nicht er-
gesamt bekannten Risikofaktoren – nicht den Notfällen gesamt):              setzen.
    Die Verteilungen entsprechen im Wesentlichen denen aus                     Wir wissen, dass die Mitarbeiter_innen in Drogenkonsumräu­
2017. Es gibt leichte Abfälle bei dem Konsum von Benozdiazepi-              men bereits jetzt einen immensen Dokumentationsaufwand
nen (von 35 % auf 24 %) sowie der schlechten Verfassung (54 %               betreiben. Da aber eine bundesweite Zusammenführung fehlt,
auf 46 %). Letztere ist mit 31 % bei allen, bei denen der Risikofak-        vergeben wir die Chance die wissenschaftliche Evidenz von Dro-
tor bekannt ist, weiterhin der dominierende Faktor.                         genkonsumräumen zu stärken. Die Beispiele aus NRW und Hes-
                                                                            sen und die hierdurch belegbaren Veränderungen und Trends
Der Konsum von Heroin und Kokain bleibt riskant                             sollten als Muster für eine Ausweitung auf Bundesebene die-
Unter der Angabe zu „konsumierte Substanzen“ wurden von                     nen. ❖
den Einrichtungen ausschließlich jene Substanzen angege-                                                                       Maria Kuban

 Abb. 5: Vor dem Notfall konsumierte Substanzen                                                       2013           2017          2019

100 %

  80 %

  60 %

  40 %
                      495
              392

                             430

  20 %
                                                   192
                                           178
                                    130

                                                                                                      16

                                                                                                             23

                                                                                                                  13
                                                                72

                                                                                       69
                                                                       61

                                                                                             60
                                                                                 47
                                                         39

                                                                                                                            2

                                                                                                                                 0

                                                                                                                                       3

   0%
                    Heroin                Kokain              Sonstige          Benzodiazepine      Substitutionsmittel     Amphetamine

                                                                                              17
leben mit drogen                         DROGENKURIER

Wie steht es um
die Substitution
in Deutschland?
Bericht zum Substitutionsregister 2019 der Bundesopiumstelle

Wenige Wochen bevor Covid-19 das ge-                von Mehrfachverschreibungen, die Über-             Deutschland 79.700 Opiatkonsument_
samte medizinische und soziale Hilfesys-            mittlung statistischer Auswertungen an             innen substituiert.
tem vor völlig neue Herausforderungen               die zuständigen Überwachungsbehör-                    Dies sind nochmals 300 Patient_innen
stellte, erschien der Bericht der Bundeso-          den und obersten Landesgesundheitsbe-              mehr als 2018 und die höchste jemals ge-
piumstelle, im Bundesinstitut für Arznei-           hörde.                                             meldete Zahl behandelter Patient_innen
mittel und Medizinprodukte (BfArM).                                                                    (siehe Abb. 1).
   Seit dem 1. Juli 2002 hat jeder Arzt, der        79.700 substituierte Patient_                          Ob die zuletzt nur noch geringen Stei-
Substitutionsmittel für opiatabhängige              innen – ein neuer Höchststand                      gerungsraten bei den Patient_innenzah-
Patient_innen verschreibt, dem BfArM                Die Zahl der gemeldeten Substitutions-             len mit der geringen Anzahl substituie-
unverzüglich die vorgeschriebenen An-               patient_innen ist in den ersten Jahren             render Ärzte in Verbindung steht, oder
gaben u. a. zum Patienten und dem Sub-              der Meldepflicht kontinuierlich ange-              die Grenze der erreichbaren oder be-
stitutionsmedikament zu übermitteln.                stiegen. Von 46.000 Patient_innen im               handlungswilligen Opiatgebraucher_in-
Zu den Aufgaben des Substitutionsre-                Jahr 2002 auf 75.400 Patient_innen zehn            nen erreicht ist, darüber gibt der Bericht
gisters gehören neben der Überprüfung               Jahre später. Am 1. Juli 2019 wurden in            keine Auskunft.

           Abb. 1: Anzahl gemeldeter Substitutionspatienten in Deutschland von 2010 bis 2019 (jeweils Stichtag 1. Juli)

                                                                                                             78.800         79.400         79.700
80.000                                                                                        78.500
             77.400                                   77.300      77.500        77.200
                          76.200       75.400

70.000

60.000

50.000

40.000
              2010         2011          2012           2013       2014          2015           2016           2017          2018           2019

                                                                    Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister

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Zahl der substituierenden                      Ärzte ohne Fachkunde behan-
Ärzte auf niedrigem Niveau                     deln nur 1 % der Substituierten                      Kommentar des
stabil                                         Die Angaben des Substitutionsregisters               JES-Bundesverbands
2019 haben insgesamt 2.607 Substituti-         zeigen, dass die 568 Ärzt_innen nur 1 %              Für uns als Patient_innen wäre es
onsärzte Patienten an das Substitutions-       aller Patient_innen behandeln. Dies sind             wünschenswert, wenn eine Rege-
register gemeldet.                             etwa 800 Patient_innen. Im Umkehr-                   lung etabliert würde, dass Ärzte
   Die Entwicklung der letzten 10 Jah-         schluss bedeutet dies, dass die verblei-             ohne Fachkunde nach zwei Jahren
re stellt sich wie folgt dar (Abbildung 2):    benden ca. 2000 Behandler_innen 99 %                 eine Fachkunde erwerben müssen.
Trotz einiger Kampagnen und gezielter          (78.900) der Patient_innen behandeln.                Hiermit würde man die Doppelbe-
Maßnahmen zur Steigerung der Zahl von             Dies macht einmal mehr die drama-                 lastung der betreuenden Ärzt_in-
Ärzt_innen, die sich für die Substitutions-    tische Situation deutlich. Wir stellen               nen verringern und die Möglichkeit
behandlung interessieren und auch Opi-         in Frage ob die hieraus resultierenden               geben, dass pro Ärzt_in mehr als
oidkonsument_innen behandeln, gibt es          Großpraxen mit einigen hundert Substi-               10 Patient_innen behandelt werden
nur einen sehr leichten Anstieg der Zahl       tuierten und einer geringen Anzahl von               können. Sollte sich tatsächlich be-
der substituierenden Ärzte                     Ärzt_innen die erforderlichen Qualitäts-             stätigen, dass die Konsiliarregelung
                                               ansprüche erfüllen können.                           wirklich so schlecht ist wie ihr Ruf,
Jedem fünftem substituieren-                                                                        sollte man über eine gänzliche Ab-
dem Arzt fehlt weiterhin die                   Ist die Konsiliarregelung so                         schaffung dieser Regelung diskutie-
Fachkunde                                      schlecht wie ihr Ruf?                                ren. Die etwa 800 Patient_innen kön-
2018 behandelten 568 Ärzte, also etwa          Wir hören zudem von erfahrenen Be-                   nen sicherlich von den Ärzten mit
22 Prozent, ihre Patient_innen ohne            handler_innen, dass die Konsiliarrege-               Fachkunde aufgenommen werden.
die Fachkunde Suchtmedizin. Die soge-          lung nicht gut funktioniert. Dies können
nannte „Konsiliarregelung“ ermöglicht          wir nicht kommentieren, wenn aber 568
Ärzt_innen ohne suchtmedizinische              Ärzt_innen in Deutschland diese Form               Methadon verliert weiter an
Qualifikation seit dem 2.10.2017 bis zu        der Behandlung nutzen und es im Gegen-             Bedeutung
zehn Patient_innen (vorher bis zu drei         zug auch viele hundert Ärzt_innen mit              Ein Blick auf die Entwicklung der zur Sub-
Patienten) gleichzeitig zu substituieren.      Fachkunde geben muss, die Ärzte ohne               stitution verschriebenen Medikamente
Erforderlich ist allerdings, dass ein sucht-   Fachkunde betreuen, dann stellt sich die           zeigt interessante Veränderungen. Die
medizinisch qualifizierter Arzt in die Be-     Frage ob die Konsiliarregelung tatsäch-            Vormachtstellung des Medikaments „Me-
handlung einbezogen wird.                      lich so schlecht ist wie ihr Ruf?                  thadon“ verringert sich von Jahr zu Jahr.

          Abb. 2: Anzahl der meldenden, substituierenden Ärzte von 2010 bis 2019 (jeweils Stichtag 1. Juli)

2.800
            2.710         2.703        2.731     2.691
                                                              2.650
                                                                           2.613                        2.599                         2.607
                                                                                          2.590                        2.585
2.600

2.400

2.200

2.000
             2010         2011         2012       2013        2014          2015          2016          2017            2018          2019

                                                              Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister

                                                                                           19
leben mit drogen                         DROGENKURIER

   Während 2002 fast dreiviertel (72,1 %)
                                                     Abb. 3: Art und Anteil der gemeldeten Substitutionsmittel (Stichtag 1.Juli 2019)
der Patient_innen mit Methadon subs-
tituiert wurden, lag der Anteil am 1. Juli
2019 nur noch bei 38,1 %. Methadon bleibt                                                                               Methadon 38,1 %
noch das überwiegend verschriebene
Medikament, dessen Anteil jedoch seit                                                                                   Levomethadon 35,9 %
15 Jahren fast kontinuierlich abnimmt.
                                                                                                                        Buprenorphin 23,2 %
(Abb. 3).
    Eine genau gegensätzliche Entwick-                                                                                  Morphin 1,5 %
lung zeigt sich bei der Verschreibung von
Levomethadon. Hier steigt der Anteil der                                                                                Diamorphin 1,1 %
Verschreibung seit 15 Jahren kontinuier-
lich an. Während 2002 lediglich 16,2 %                                                                                  Codein 0,1 %
der Patient_innen Levomethadon erhiel-
                                                                                                                        Dihydrocodein 0,1 %
ten, hat sich die Zahl bis heute mit 35,9 %
mehr als verdoppelt.
   Eine ähnliche Entwicklung, wenn-                                  Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Substitutionsregister
gleich auf geringerem Niveau, voll-
zieht sich bei der Verschreibung von Bu-
prenorphin. Während der Anteil kurze
Zeit nach der Markteinführung bei 9,7 %               Kommentar des                                       Wir als JES-Bundesverband glau-
lag, haben sich die Anteile der Buprenor-             JES-Bundesverbands                                  ben zudem, dass das Interesse und
phin Verschreibung in den letzten 15 Jah-                                                                 der Bedarf an einer Diamorphin-
                                                      Die besonders kritische Betrach-
ren mit 23,1 % ebenso mehr als verdop-                                                                    behandlung höher ist, als dies die
                                                      tung von Substitol führt u.a. dazu,
pelt. Allerdings stagnieren d  ­ ie Anteile                                                               Zahlen ausweisen. Um diese Be-
                                                      dass viele Ärzte dieses Medikament
der mit Buprenorphin behandelter Pati-                                                                    handlungsform für Ärzte und Pa-
                                                      nicht als Take-Home-Rezept ver-
ent_innen seit etwa vier Jahren.                                                                          tient_innen einfacher zu machen
                                                      schreiben. Andere verzichten völlig
                                                                                                          Bedarf es zwei grundsätzlicher Ver-
                                                      auf die Verschreibung, da umfang-
Retardiertes Morphin legt                                                                                 änderungen.
                                                      reiche Begründungen erforderlich
leicht zu – trotz Gegenwind
                                                      werden. Wir als Patientenorgani-                    1. D ie Rahmenbedingungen der
der Krankenkassen
                                                      sation würden uns wünschen, dass                        Diamorphinsubstitution des GBA
Im April 2015 wurde mit retardiertem
                                                      Ärzt_innen ohne Vorbehalte das                          müssen grundlegend überarbei-
Morphin die bisher letzte neue Substanz
                                                      Medikament wählen, das nach An-                         tet werden. Es gilt hierbei unnöti-
in Deutschland zur Substitutionsbehand-
                                                      sicht von Behandler_in und Patient_                     ge Hürden, die aus unserer Sicht
lung zugelassen. Der aktuelle Anteil der
                                                      in den größten Nutzen erbringt. Nur                     vorrangig gesetzt wurden, um die
Patient_innen die mit Morphin substitu-
                                                      dies darf handlungsleitend sein.                        Behandlungszahlen möglichst
iert werden liegt bei 1,5 %. Dies entspricht
                                                                                                              klein zu halten, zu beseitigen.
etwa 1200 Patient_innen.
                                                                                                          2. Die aktuelle BtmVV ermöglicht be-
   Als JES-Bundesverband unterstützen               Was ist eigentlich aus der
                                                                                                             reits die Diamorphinbehandlung
wir die Zulassung neuer Darreichsfor-               Diamorphinbehandlung
                                                                                                             mit Tabletten. Nun muss es darum
men und neuer Substanzen. Durch eine                geworden?
                                                                                                             gehen, die im Ausland seit vielen
große Palette unterschiedlicher Medi-               Auf Seite 28 dieser Ausgabe berichten
                                                                                                             Jahren eingesetzten Diamorphin-
kamente wird die Individualität der Be-             wir über die Neueröffnung einer zwei-
                                                                                                             tabletten (DAM) auch in Deutsch-
handlung erhöht. Wie schwer sich al-                ten Diamorphinambulanz in Berlin. Das
                                                                                                             land verfügbar zu machen.
lerdings die Krankenkassen mit der                  ist sehr erfreulich, dass sich Ärzt_innen,
Substitutionsbehandlung und neuen                   trotz der schwierigen Rahmenbedingun-                 Man muss sich allerdings zuerst
Substanzen tun, zeigt sich in besonderer            gen wagen, in den Aufbau einer Diamor-                entscheiden was man möchte:
Weise beim retardierten Morphin (Sub-               phinambulanz zu investieren. Dennoch                  Diamorphin als Feigenblatt oder
stitol). So erhalten Ärzte, die dieses Me-          fristet die Diamorphinbehandlung ein                  Diamorphin als gleichwertige Be-
dikament verschreiben wollen, Andro-                Schattendasein. Im Juli 2019 wurden                   handlungsform.
hungen von Überprüfungen oder gar                   etwa 880 Opioidkonsument_innen (1,1 %)
Regressandrohungen.                                 mit Diamorphin behandelt. ❖                                                           Dirk Schäffer

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