Gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch Versuchstier des Jahres: Der Hund in der Arzneimittel- und Chemikalientestung Armutszeugnis: ...
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Magazin tierrechte Ausgabe 1/2020 Gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch Versuchstier des Jahres: Der Hund in der Arzneimittel- und Chemikalientestung Armutszeugnis: Tierversuche auf Rekordhoch Interview: Alle Grausamkeiten haben eine gemeinsame Wurzel!
Inhalt Neue Kampagne: Ausstieg aus dem Tierversuch. Jetzt! ........................................ 4 Seit Jahren fordert der Bundesverband einen konkreten Masterplan für einen Ausstieg aus dem Tierversuch. Doch obwohl die Niederlande und die USA uns zeigen, wie es gehen kann, bewegt sich in Deutschland nichts. Deswegen haben wir nun gemeinsam mit vielen weiteren Verbänden die neue Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch! gestartet. Versuchstier des Jahres: Der Hund in der Arzneimittel- und Chemikalientestung ............................................................................................ 6 Aus gutem Grund fiel dieses Jahr nochmals die Wahl auf den Hund. Die Foto Titelseite: Adobe Stock / s-top furchtbaren Aufnahmen aus dem Tierversuchslabor LPT haben eindringlich gezeigt, was die qualvollen Giftigkeitstests in der Chemikalien- und Arzneimitteltestung für die Tiere bedeuten. Armutszeugnis: Tierversuche auf Rekordhoch .......................................................13 2,8 Millionen Tiere wurden 2018 in Deutschland in Versuchen eingesetzt oder beispielweise für Organentnahmen getötet. Damit steht Deutschland an zweiter Impressum Stelle der Tierversuchshochburgen in Europa. ISSN 1434-220 tierrechte wird herausgegeben von Interview: Alle Grausamkeiten haben eine gemeinsame Wurzel! ...................... 18 Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V. und erscheint Um die Missstände in der industriellen Tierhaltung zu beenden, fordert der viermal jährlich. Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Agrarökonom Prof. Dr. Franz Mühlbauer eine radikale Wende hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaftsordnung. Von Maßnahmen wie höheren Herausgeber/Verlag Menschen für Tierrechte – Bundesverband Fleischpreisen oder Tierwohllabels hält er hingegen nichts. der Tierversuchsgegner e. V. Mühlenstr. 7a | 40699 Erkrath Um diese Tests zu beenden, müssen wir konsequent umdenken! ........................ 8 Tel. 0211 - 22 08 56 48 | Fax 0211 - 22 08 56 49 info@tierrechte.de | www.tierrechte.de Hinweis: Im Juli zieht unsere Geschäftsstelle Hundeversuche: Trügerische Sicherheit ................................................................... 9 um. Die neue Adresse: Severinusstr.52 | 53909 Zülpich Giftigkeitstestung – es gibt andere Wege! ............................................................ 11 Tel. 02252 - 830 12 10 | Fax 02252 - 830 12 11 Schwieriges Kapitel: Tierversuche in der Kosmetik .............................................. 12 Redaktion Christina Ledermann, V.i.S.d.P. Weniger Tierleid an Hamburgs Hochschulen ........................................................ 14 Christiane Hohensee Carolin Spicher Fragwürdige Fortbildungen an Schweinen ........................................................... 14 Claudia Gerlach Stefanie Schindler 20 Jahre Einsatz für Alternativen zum Tierversuch ............................................... 15 Gestaltung Einladung zur Jahreshauptversammlung 2020 ..................................................... 15 Das Atelier | Alexa Binnewies www.dasatelier.de Verfassungsbeschwerde für Tiere .......................................................................... 16 Druck Zukunftsweisend: humanrelevante Forschungsmethoden .................................. 17 Bartels Druck GmbH, 21337 Lüneburg www.bartelsdruckt.de Forschungspreis für Lungen- und Lebermodelle ................................................... 20 Papier EU will illegalen Tierhandel unterbinden .............................................................. 20 tierrechte wird auf 100% Recyclingpapier – ausgezeichnet mit dem Umweltengel – Erfolg gegen Patente auf gentechnisch veränderte Affen .................................. 20 gedruckt Nein zur Legalisierung von Kastenständen ........................................................... 20 Vorstand Aktiv für eine Agrar- und Ernährungswende ........................................................ 20 ▪ Christina Ledermann, M.A. Vorsitzende und Pressereferentin Brieftaubenwesen darf nicht Kulturerbe werden ................................................. 21 Tel. 0211 - 16 34 54 29 ledermann@tierrechte.de Saarland: Tierrechtsorganisation gewinnt Verbandsklage-Prozess .................... 21 ▪ Susanne Pfeuffer Stellvertretende Vorsitzende Spende statt Catering .............................................................................................. 21 pfeuffer@tierrechte.de Mitglieder im Vorstand Rubriken ▪ Dr. Ute Teichgräber teichgraeber@tierrechte.de Impressum ................................................................................................................... 2 ▪ RA Judith Reinartz Tel. 02252 – 83 01 210 Editorial ....................................................................................................................... 3 reinartz@tierrechte.de ▪ Carolin Spicher, M.Sc. (Biologie) Shop ........................................................................................................................... 26 spicher@tierrechte.de Ehrenmitglied: Helfen ........................................................................................................................ 27 ▪ Dr. jur. Eisenhart von Loeper Kontakt ...................................................................................................................... 28 2 tierrechte | Ausgabe 1/2020
Editorial Mitglied bei r Animals Eurogroup fo Beendigung Koalition zur Europäische A E) uchen (ECE von Tier vers InterNICHE litik Tierschutzpo Bündnis für z Klima Allian V. Netzwerk e. Gen-ethisches Liebe Leserinnen und Leser, nis Fuchs Aktionsbünd das Coronavirus bestimmt in diesen Tagen unser Leben. Viel ist dazu schon gesagt und geschrieben worden. Was mir dazu immer wieder in den Sinn kommt, ist, dass hier Leid Leid erzeugt. Begonnen hat es höchstwahrscheinlich auf einem Markt in Wuhan, wo lebende Tiere zum Verzehr verkauft wurden. Das Leid dieser Tiere, ob wild oder gezüchtet, können wir nur erahnen. So entstand ein Kreislauf von Leid und Tod. Menschen züchten Tiere oder fangen Wildtiere. Durch den engen Kontakt entstehen neue Krankheiten, an denen wiederum Menschen erkranken und sterben. Um schnell Impfstoffe zu entwickeln, werden Tierversuche durchgeführt. Und wieder erzeugt Leid neues Leid. Doch es gibt auch Licht in dieser Dunkelheit: Aus China wird berichtet, dass auch dort das Vertrauen in tierische Produkte schwindet, Wildtiermärkte wurden verboten. Vegetarischen und veganen Produkten wird eine verheißungsvolle Zukunft vorausgesagt. Ein weiterer Lichtstrahl: Wegen des Zeitdrucks bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs wird der Tierversuch teilweise umgangen und stattdessen tierversuchsfreie Verfahren eingesetzt. So kann selbst die schlimmste Krise zu einer positiven Veränderung beitragen. Mit unserer neuen Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch! JETZT!“ setzen auch wir uns aktiv für diesen Wandel ein. Zusammen mit vielen weiteren Vereinen streiten wir gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch. Auch mit unserem diesjährigen Versuchstier des Jahres zeigen wir auf, dass es für die qualvollen Giftigkeitstests, wie sie im Skandal-Labor LPT durchgeführt wurden, andere Wege ohne Leid gibt. Im Interview geht der Agrarökonom Prof. Dr. Franz Mühlbauer sogar noch einen Schritt weiter: Um die Grausamkeiten in der industriellen Tierhaltung zu beenden, fordert er eine radikale Wende hin zu einer gemeinwohlorientierten Wirtschaftsordnung. Zu all diesen positiven Veränderungen werden wir – Menschen für Tierrechte – weiter unseren Teil leisten. Vielen Dank, dass Sie uns dabei unterstützen. Spenden-/Beitragskonto Es grüßt Sie herzlichst Ihre Bundesverband der Christina Ledermann Tierversuchsgegner e. V. Sparkasse Aachen IBAN: DE02 3905 0000 0016 007973 BIC: AACSDE33 Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V. ist als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Spenden und Mitgliedsbeiträge sind steuerlich absetzbar. Erbschaften und Vermächtnisse sind von der Erbschaftssteuer befreit. tierrechte | Ausgabe 1/2020 3
Gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch Neue Kampagne: Ausstieg aus dem Tierversuch. Jetzt! Seit Jahren fordert der Bundesverband einen konkreten Masterplan zu einem schrittweisen Ausstieg aus dem Tierversuch. Dennoch leiden und sterben weiterhin über 2,8 Millionen Tiere jährlich in deutschen Test- und Forschungslaboren. Darum lassen wir nicht locker. Gemeinsam mit Ärzte gegen Tierversuche e.V. und elf weiteren Unterstützervereinen startete dieses Frühjahr unsere neue Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch! JETZT!“ Wir sind überzeugt, dass mit vereinten Kräften endlich etwas vorwärtsgehen kann. Es ist eine Kampagne, die Öffentlichkeit und Politik in den Nicht aussagekräftig: Tierversuche nächsten Jahren beschäftigen wird. Im Kern fordern wir die Sowohl NCad als auch die EPA sowie unser gemeinsames umgehende Entwicklung eines Ausstiegskonzeptes aus dem Bündnis gründen die Forderung nach einem Ende des Sys- Tierversuch. Zum Auftakt übergaben wir Ende Januar 52.000 tems Tierversuch unter anderem auf die schlechte Vorhersa- Unterschriften für einen Ausstiegsplan an das Bundesland- gekapazität von Tierversuchen. Tiere reagieren trotz geneti- wirtschaftsministerium (BMEL), zusammen mit einem offe- scher Nähe zu uns völlig anders – Studien belegen, dass sich nen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. aus den Ergebnissen der biomedizinischen Grundlagenfor- schung für den Menschen wenig Nutzen ziehen lässt1. Lenkt Vorbilder USA und Niederlande man den Blick auf die angewandte medizinische Forschung Schon 2009 hatten die USA mit Tox21c einen ersten sieht es nicht besser aus: 95 Prozent der im Tierversuch als Ausstiegsplan vorgelegt. 2016 folgten die Niederlande und heilend und sicher befundenen Substanzen werden nicht als stellten einen systematischen Abbauplan vor, der konkrete Medikament zugelassen2. Auch deswegen brauchen wir den Maßnahmen umfasste, wie ein schrittweiser Ausstieg aus Systemwechsel hin zu einer Forschung, die den Menschen im dem System Tierversuch gelingen kann. Eine Zielvorgabe Fokus hat. war beispielsweise, bis 2025 die gesetzlich vorgeschriebenen Giftigkeitstests an Tieren zu beenden. Dr. Herman Koëter, Zukunftsweisend: humanrelevante Systeme Vorsitzender des niederländischen nationalen Komitees für Die medizinische Forschung im 21. Jahrhundert darf nicht den Schutz von Tieren, die für wissenschaftliche Zwecke länger an der altertümlichen Methode Tierversuch festhal- verwendet werden (NCad), hat aktiv an dem Plan mitgewirkt ten, sondern muss auf tierleidfreie, humanrelevante Systeme und ist von seiner Machbarkeit überzeugt: „Wir sind uns umschwenken. Dieser Meinung ist auch Dr. Hermann Koëter: bewusst, dass dies ein ehrgeiziger und bisher beispielloser „Der Wert der Daten aus der tierexperimentellen Forschung Plan ist. Aber wir glauben fest daran, dass es machbar ist. Die wird zunehmend in Frage gestellt. Jetzt scheint der richti- Umsetzung wird allerdings weder einfach noch unkompliziert ge Zeitpunkt zu sein, um den überfälligen nächsten Schritt und sie erfordert gemeinsame Anstrengungen, sowohl der einzuleiten, um den Übergang hin zu einer tierversuchsfreien europäischen Mitgliedsstaaten als auch der Regulierungsbe- Forschung zu beschleunigen.“ hörden.“ Genau deshalb ist jetzt Deutschland an der Reihe, diesem guten Beispiel zu folgen und selbst aktiv zu werden. USA wollen Giftigkeitstest beenden Mithilfe erwünscht Im September 2019 legte die amerikanische Umweltbehör- de (EPA) als erste eine definitive Richtlinie zum schrittweisen Für die neue Kampagne gibt Ausstieg aus dem Tierversuch vor. Danach sollen Tierversuche es Poster, Flugblätter und an Säugetieren in der Giftigkeitsprüfung bis 2025 um 30 Pro- Unterschriftenlisten zum zent reduziert und bis 2035 beendet werden. Zwar verläuft Verteilen, Aufhängen und die Zeitachse konservativer als beim NCad-Plan, aber Zielset- Sammeln. zung und Argumentation sind vergleichbar. In unserem Shop (s. Seite 22) können Sie alle Materialien für einen kleinen Beitrag 1) Lindl T et al. Tierversuche in der biomedizinischen Forschung - Eine Bestandsaufnahme der klinischen Relevanz von genehmigten Tierversuchsvorhaben: Nach 10 Jahren keine Umsetzung in der Humanmedizin bestellen oder einfach die Druckvorlagen als kostenloses nachweisbar. ALTEX 2005; 22(3):143-151 2) Arrowsmith J. A decade of change. Nature Reviews Drug Discovery 2012; 18(11) PDF herunterladen und selbst ausdrucken. 4 tierrechte | Ausgabe 1/2020
oben: Gemeinsam für den Ausstieg: Auftakt der Kampagne am 29. Januar vor dem Bundesland- wirtschaftsministerium (BMEL) in Berlin. Umfangreicher Maßnahmenkatalog rechts: Darum fordern wir jetzt gemeinsam von der deutschen Christina Ledermann vom Bundesverband (rechts) und Bundesregierung, eine umfassende Gesamtstrategie vorzule- Dr. Corina Gericke vom Verein Ärzte gegen Tierversuche über- gen und umzusetzen. Ein Ausstiegsplan muss dabei folgende gaben fast 53.000 Unterschriften Maßnahmen enthalten: an Vertreter des BMEL. Gesamtplanung für den Ausstieg aus dem Tierversuch inklusive Zielvereinbarungen, Ausstiegsdaten, Monitoring- System und Umsetzungsmanagement Als erste Sofortmaßnahmen müssen Tierversuche in bestimmten Bereichen gesetzlich verboten werden, wie das Verbot von Tierversuchen für Haushaltsprodukte Helfen Sie mit, nutzen Sie Ihre Stimme und unterschreiben (ebenso ein EU-weites Vermarktungsverbot), Verbote von Sie unsere neue Petition unter Tierversuchen der Kategorie „schwer“ und ein Verbot des em-tierversuch.de Tierverbrauchs im Studium ww w.ausstieg-aus-d Schnelle Prüf- und Anerkennungsverfahren für tierfreie Methoden Werden Sie aktiv, indem Sie Unterschriften sammeln Die Gelder für die Entwicklung tierversuchsfreier Ver- oder die Kampagne weiter bekannt machen (s. Infokasten). fahren bis zur Marktreife und Anerkennung müssen Gemeinsam können wir eine Veränderung erreichen. durch Umschichtung drastisch erhöht werden Die Festlegung von Forschungsbereichen, für die am dringendsten neue Verfahren benötigt werden Die Einrichtung von Lehrstühlen und Forschungs- preisen für tierversuchsfreie Verfahren Die Einrichtung eines nationalen Kompetenz- zentrums als Auskunftsstelle für Behörden und Wissenschaftler tierrechte | Ausgabe 1/2020 5
Gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch Foto: Adobe Stock Versuchstier des Jahres: Der Hund in der Arzneimittel- und Chemikalientestung Der Bundesverband ernennt Das Laboratory of Pharmacology and dungsstudien sind heute eigentlich jedes Jahr ein „Versuchstier Toxicology (LPT) im niedersächsischen veraltet, weil in der Regel bereits genü- Mienenbüttel gelangte im Oktober gend Informationen aus tierfreien Tests des Jahres“. Aus gutem Grund 2019 durch die Undercover-Berichte der vorliegen, um die Dosis einschätzen zu haben wir in diesem Jahr Soko Tierschutz zu trauriger Berühmt- können. nochmals den Hund ausgewählt. heit. Die Aufnahmen von misshan- Im Jahr 2013 fiel die Wahl auf delten Affen und von Hunden, die in Tests gesetzlich vorgeschrieben ihn, um die Überflüssigkeit ihrem eigenen Blut dahinvegetierten, Zudem sind derartige Giftigkeits- von Langzeittests bei der führten zu einem Aufschrei. Zehntau- prüfungen gesetzlich vorgeschriebene Pestizidtestung zu thematisieren. sende forderten bei zwei Großdemon- Versuche; das heißt, dass sie lediglich strationen die Schließung des Labors. angezeigt und nicht bewilligt werden In diesem Jahr wollen wir auf Im Februar entzog die zuständige müssen. Wenn die zuständige Behörde die qualvollen Giftigkeitstests an Behörde die Betriebserlaubnis für die keinen Einspruch gegen den angezeig- Hunden in der Chemikalien- und Standorte Mienenbüttel und Ham- ten Tierversuch erhebt, kann dieser Arzneimitteltestung aufmerksam burg-Neugraben, unter anderem we- durchgeführt werden. Im Gegensatz machen. Was diese Tests bedeuten gen schwerwiegender Verstöße gegen dazu werden Forschungsvorhaben können, haben die furchtbaren das Tierschutzgesetz. Die Hamburger bewilligt: Hier muss der Forscher in Staatsanwaltschaft ermittelt zudem jedem Falle abwarten, bis die zuständi- Bilder aus dem Tierversuchslabor in wegen gefälschter Laborergebnisse. ge Behörde ihre ausdrückliche Erlaubnis Mienenbüttel gezeigt. erteilt hat. Leid durch veraltete Studie Die LPT-Hunde starben möglicher- weise bei einer sogenannten „Dosis- findungsstudie“ – eine Vorstudie zum eigentlichen Giftigkeitstest, bei der ermittelt wird, wie hoch die zu verab- reichende Dosis sein muss. Dosisfin- 6 tierrechte | Ausgabe 1/2020
LPT nur die Spitze des Eisbergs? Trostloses Leben im Labor lichen Gerüche, sie kennen kein Tollen Die furchtbaren Fotos illustrierten, Doch die Hunde leiden nicht nur im Gras, keinen duftenden Waldboden, was sich auch in anderen deutschen im Versuch. Hinzu kommt die reizar- kein Bad im Fluss. Und sie werden all und europäischen Testlaboren abspie- me Haltung in der Laborumgebung. dies auch nie kennenlernen, denn nach len könnte. War das LPT möglicher- Hunde sind hochsoziale Tiere. Nach der Abschluss invasiver Versuche werden weise nur die Spitze des Eisbergs? Die EU-Tierversuchsrichtlinie EU/63/2010 soll die Hunde in der Regel getötet. Labore sind von der Öffentlichkeit auch diesen Hunden zwar soweit wie hermetisch abgeriegelt. Seit Jahren möglich Auslauf im Freien ermöglicht Dr. Christiane Hohensee versuchen Wissenschaftler und Tier- werden, für den Tierversuch selbst wer- Dr. Dr. Stefanie Schindler schützer, den Einsatz von Hunden in den die Tiere jedoch häufig in Beton- der Giftigkeitsprüfung zu beenden zwingern auf wenigen Quadratmetern oder zumindest zu reduzieren. Doch allein oder in Gruppen gehalten. Im statt zu sinken, stiegen die Zahlen von Gegensatz zu ihren Artgenossen in zu Testzwecken verwendeten Hunden Privathaltung kennen sie keine natür- zuletzt wieder an. Mehr Hunde im Tierversuch Die Zahl der im Tierversuch verwen- Anzahl an Hunden im Tierversuch in den Jahren 2014-2018 deten Hunde im Jahr 2018 hat gegen- über den Vorjahren wieder zugenom- 2014 4627 men: Insgesamt mussten 2018 knapp 4.000 Hunde (3.993) in den Tierversuch, das entspricht einer Steigerung von 2015 4491 fast 20 Prozent gegenüber 2017 (3.330). Fast die Hälfte der Hunde (47%) wurde zum wiederholten Mal in Tierversuchen 2016 3966 eingesetzt. Beagles besonders beliebt 2017 3330 In Tierversuchen wird bevorzugt die Rasse Beagle eingesetzt, weil sie dank 2018 3993 ihres sanftmütigen und umgänglichen Wesens leicht zu handhaben sind. Diese Liebenswürdigkeit nutzt der Mensch Quelle: Tierversuchsstatistiken BMEL 2014-189. ganz bewusst, denn Beagles neigen nicht dazu, zu beißen, obwohl der Mensch ihnen wiederholt Schmerzen zufügt. Als Meutehunde sind sie zudem Versuche mit Hunden in den Jahren 2014-2018 sehr verträglich mit Artgenossen. nach Bundesländern 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 NRW: Hochburg für Versuche an Nordrhein-Westfalen Hunden Niedersachsen Hochburgen für Tierversuche an Baden-Württemberg Hessen Hunden sind die Flächenländer Nord- Rheinland-Pfalz rhein-Westfalen und Niedersachsen, Berlin gefolgt von Baden-Württemberg und Bayern Hessen. In den sogenannten nicht-tech- Sachsen nischen Projektzusammenfassungen Thüringen Sachsen-Anhalt (NTPs), veröffentlicht in einer Daten- Mecklenb. Vorpommern bank beim Bundesinstitut für Risiko- 2014 Brandenburg bewertung (BfR), wird der Ort der Schleswig-Holstein 2015 Tierversuche nicht angegeben. In den Hamburg 2016 Bremen letzten Jahren wurde jedoch bekannt, 2017 Saarland dass beispielsweise die Zahnmedizin Bundeswehr 2018 der Heinrich-Heine-Universität Düssel- dorf Implantate für den Menschen am Hund erforschte. Die Hochburgen der Versuche mit Hunden sind Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Quelle: Tierversuchs-Landesstatistiken BMEL tierrechte | Ausgabe 1/2020 7
Gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch Um diese Tests zu beenden, müssen wir konsequent umdenken! Die Schweizer Tierärztin und Juristin Dr. Julika Fitzi ist die Schirmherrin des diesjährigen Versuchstiers des Jahres. Sie mögen jetzt fragen: Warum eine Schweizerin? Die Antwort ist einfach: Weil Julika Fitzi genau weiß, wovon sie spricht. Und weil wir so aufzeigen können, dass Ländergrenzen beim Thema Tierversuche keine Rolle spielen. Denn: Der Auftrag für die Beagle-Versuche am Tierversuchslabor LPT ging von einer Schweizer Firma aus. Die diesjährige Schirmherrin des Versuchstiers des Jahres Dr. Julika Fitzi leitete über viele Jahre den Hunde-Bereich beim STS. Die franzö- sische Bulldogge übernahm sie vor fünf Jahren als Tierschutzfall. Julika Fitzi betreut die Fachstelle Leid ohne Sinn kaum noch Hunde in den Versuchstier- Tierversuche beim Schweizer Tier- Obwohl Julika Fitzi als Tierärztin haltungen der Pharmaindustrie. Da die schutz (STS) und leitete über viele Jahre täglich mit psychischen und physischen gesetzlich vorgeschriebenen Tierver- den Hunde-Bereich. Sie kennt einige Belastungen durch Versuche aller suche und die Giftigkeitstests global Tierversuchslabore in der Schweiz von Schweregrade mit Tieren konfrontiert betrachtet jedoch kaum rückläufig innen, da sie diese besucht und sich ist, denkt sie viel über Bilder wie diese sind, liegt es nahe, dass diese Tests nun bemüht, Verbesserungen für die Tiere nach: „Gerade Hunde werden häufig in im (günstigeren) Ausland stattfinden. zu erreichen. Doch trotz dieses pro- Giftigkeitstests eingesetzt. Diese Tests Auch das vereinfachte Bewilligungs- fessionellen Zugangs gibt es auch bei sind sehr belastend für die Tiere – und verfahren spielt bei der Auslagerung ihr Bilder, die sie nicht mehr aus ihrem sie enden stets tödlich. Dieses große von Tierversuchen mit rein. Es erstaunt Gedächtnis löschen kann: Leid ergibt keinen Sinn. Die Ergebnisse daher nicht, dass der Auftrag für die sind, wie wir heute wissen, auch wis- Beagle-Versuche am LPT von einer Todgeweihte Beagle-Welpen senschaftlich in Bezug auf die mensch- Schweizer Firma ausging. „Ich habe heute noch die Bilder zwei- liche Gesundheit kaum aussagekräftig. er Gruppenhaltungen mit je sieben Als ich im letzten Herbst die Bilder der Konsequent umdenken Beagle-Welpen in Erinnerung. Sie Beagles aus dem LPT-Labor sah, hätte „Doch leider können wir diese Versu- waren fünf bis acht Wochen alt, kamen ich es nicht für möglich gehalten, dass che nicht beenden, solange sie gesetz- gerade aus den USA und sollten sich in trotz der geltenden Tierschutzbe- lich vorgeschrieben sind", bemerkt ihre neue, wenig angereicherte Umge- stimmungen Hunden solche Qualen Fitzi und fordert: „Um die leidvollen bung in der Labortierhaltung einleben. zugemutet werden. Tiere wissentlich Tests wirklich zu beenden, muss end- Sie spielten vergnügt miteinander. und entgegen jeglicher Richtlinien un- lich konsequent umgedacht werden. Doch ich wusste: In wenigen Wochen ter dem Deckmantel der Wissenschaft Die Fördermittel müssen umverteilt wird man mit ihnen Tierversuche derart zu missbrauchen, ist mit nichts werden, weg vom Tierversuch, hin zu durchführen. Angst, Schmerz und Leid zu rechtfertigen!“, kritisiert Fitzi. tierfreien Ersatzmethoden. Bis dahin werden dann für sie zur Tagesordnung brauchen wir Transparenzregeln für gehören. Sie werden das Gebäude nicht Hundeversuche ins Ausland alle, die schwerbelastende Tierversuche mehr lebend verlassen. Doch ich konnte verlagert durchführen – auch im Ausland. Und es nicht viel für sie tun, denn der Einsatz Bis 2015 wurden in der Schweiz müssen endlich konsequente Abbau- der Hunde in Versuchen war legal.“ jährlich mehrere hundert Hunde in ziele für diese leidvollen Tierversuche Giftigkeitstests und für die Entdeckung, definiert werden!“ Entwicklung und Qualitätskontrolle eingesetzt – seit 2016 aber praktisch nicht mehr. Auch gibt es in der Schweiz 8 tierrechte | Ausgabe 1/2020
Hundeversuche: Trügerische Sicherheit Die meisten Hunde leiden und sterben in Studien für die menschliche Sicherheit. Doch diese Sicherheit trügt, denn In Tierversuchen verwendete Hunde 2014-2018, Tiere reagieren aufgrund der physiologischen Unterschiede aufgegliedert nach Zwecken. meist anders als Menschen. Hinzu kommen völlig unter- schiedliche Krankheitshintergründe. 5000 4000 Warum werden gerade Hunde in der Chemikalien- und Arzneimitteltestung eingesetzt? Chemische Substanzen – zu 3000 denen auch Arzneimittel gehören – müssen auf Unbedenk- lichkeit getestet werden. Hierfür erfolgen einerseits Giftig- 2000 keitstests, um die Sicherheit bewerten zu können. Bei den Arzneimitteln kommen andererseits noch Wirksamkeitstests 1000 dazu. Je nach Teststoff müssen neben Kaninchen und Affen als zweite, sogenannte Nicht-Nagerspezies, auch Hunde in 0 2014 2015 2016 2017 2018 den Versuch. Regulatorische Zwecke angew./translationale Forschung Langsame Vergiftung Grundlagenforschung Aus-, Fort- und Weiterbildung Um herauszufinden, ob bestimmte Substanzen bei oraler Die Grafik verdeutlicht, dass im Jahr 2018 mehr als die Hälfte der Hunde (53%) in Einnahme giftig sind, wird dabei die Schädlichkeit des Stoffs gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen eingesetzt wurden, gefolgt von einem Viertel (25,1%) für die translationale/angewandte Forschung, bei der Erkenntnisse nach täglicher Gabe auf längere Zeit (sub-chronisch oder aus der Grundlagenforschung für eine medizinische Anwendung erprobt werden. 15,7% der Hunde wurden in der Hochschulausbildung verwendet, 6,2% zu Fragen der chronisch) untersucht. Dazu erhalten die Hunde die Prüfsub- Grundlagenforschung. stanz über 90 Tage oder sechs Monate lang in verschiedenen Quelle: Tierversuchsstatistik BMEL 2018 Dosierungen. Sie werden den Tieren täglich mit dem Futter, mit einem Pillengeber oder über eine Magensonde verab- reicht. Dabei soll überprüft werden, welche Wirkungen bei Tiere werden nach Abschluss des Prüfungszeitraums getötet einer langen Einnahmezeit und gegebenenfalls einer An- und ebenfalls untersucht. sammlung (Kumulation) der Testsubstanz im Körper auftre- ten. Die Hunde werden während der laufenden Versuche Gesetzlich vorgeschriebene Versuche auf Vergiftungssymptome hin untersucht. Zu festgelegten Welche Art gesetzlich vorgeschriebener Tierversuche Zeitpunkten werden auch Proben (Blut, Urin, Galle) genom- wurden mit Hunden gemacht? Da aus den Zahlen nicht mehr men. Gestorbene Tiere werden seziert, alle überlebenden Informationen zu entnehmen sind, haben wir die bereits erwähnten sogenannten nicht-technischen Projektzusam- menfassungen (NTPs) analysiert. Die NTPs müssen bei der Antragstellung bei der genehmigenden Behörde mitgeliefert werden und spätestens 12 Monate nach Genehmigung des Tierversuchs in die Datenbank des Bundesamtes für Risikobe- wertung (BfR) aufgenommen worden sein. Um einen Über- blick zu gewinnen, woran mit Hunden geforscht wird, haben wir die NTPs der Jahre 2016 bis 2018 und weitere Publikatio- nen ausgewertet. Biologika (Antikörper) 2016 wurde ein Antrag zur Untersuchung des Einflusses einer Trägersubstanz auf das Verhalten eines Wirkstoffes mit 300 Hunden genehmigt. Dabei wurde die Substanz den Tieren auf verschiedensten Wegen verabreicht: oral per Schlundsonde, als Kapsel oder spezielle Formulierung via Futter oder Trinkwasser, intravenös, über Haut, Muskulatur, Auge, Gelenk, Scheide, das Nervensystem oder das Rektum. Foto: Pixabay tierrechte | Ausgabe 1/2020 9
Gemeinsam für einen Ausstieg aus dem Tierversuch Studienziele bei den gesetzlich vorgeschriebenen Toxizitäts-, Wirkungs- und Toleranztests und anderen Sicherheitstestungen mit Hunden in 2018 akut/subakut Langzeit (repeated dose) Kinetik Pharmakodynamik 186 Tiersicherheit andere Toxtests andere Wirksamkeits- und Toleranztests Routineproduktion 356 769 667 Quelle: Tierversuchsstatistik BMEL 2018 Foto: Adobe Stock Künstlich erzeugter Bluthochdruck sowie die notwendige Fixierung können Angst und Stress Um Präparate gegen Bluthochdruck zu testen, wurde verursachen. Substanzen aller Art können Übelkeit und Er- Hunden beispielsweise ein Herzschrittmacher implantiert. brechen sowie Durchfall hervorrufen. Gegen all das hilft kein Damit wurde gezielt eine Herzfrequenz bis etwa 220 Schläge Schmerzmittel. All dies muss vor dem Hintergrund betrachtet pro Minute am wachen Hund ausgelöst. Die normale Fre- werden, dass nach wie vor unsicher ist, inwieweit Hunde quenz liegt bei etwa 80 bis 100 Schlägen. Dadurch kam es zur und andere Tiere in ihrer toxischen Reaktion dem Menschen Herzinsuffizienz. Für eine andere Testung von Bluthochdruck- ähneln. medikamenten wurde den Tieren unter Narkose der Brust- korb eröffnet, ein extrem schmerzhafter Eingriff. Danach Tierversuche: Leid und Risiko wurde ihnen das Medikament Sildenafil verabreicht, das zu Tierversuche werden an jungen gesunden Tieren durchge- Lungenhochdruck führt. In diesem Zustand wurden sie, in führt, während die meisten Medikamente Patienten fortge- einer Schlinge hängend, in eine Kammer mit sauerstoffarmer schrittenen Alters mit Bluthochdruck, Diabetes und anderen Umgebung gesperrt. Krankheiten verabreicht werden. Dazu kommen eventuell vorhandene Einschränkungen der Leber- oder Nierenfunk- Medizinprodukte tion bei alten Menschen. Selbst Forscher kritisieren, dass Andere Untersuchungen waren Unbedenklichkeitsprüfun- kurzfristige präklinische Sicherheitsstudien am Tier keine gen von sogenannten „Medical Devices” (hier Zahnimplanta- chronischen Ergebnisse am Menschen nachbilden können. te), oder Untersuchungen für die Veterinärmedizin. Dies sind Abgesehen vom Krankheitshintergrund gibt es zudem häufig Studien zu Futtermittelunverträglichkeiten. diverse physiologische Unterschiede. So kommt zum Leid der Tiere das Risiko für den Menschen hinzu: Unvorhergesehene Pflanzenschutzmittel (Pestizide) negative Auswirkungen von Medikamenten treten oft erst in Im Jahr 2017 wurden 495 Hunde für die Testung von Pflan- der klinischen Anwendung auf, wenn die Substanzen direkt zenschutzmitteln genehmigt. In diesen wurden ihnen Dosie- am Menschen getestet werden. rungen bis zur maximal tolerierbaren Menge verabreicht. Dr. Christiane Hohensee Leid trotz Schmerzmittel Dr. Dr. Stefanie Schindler Auch wenn die Tiere unter Narkose operiert und ihnen Schmerzmittel gegeben werden, so können sie dennoch leiden. Die ungewohnte Versuchssituation, die gleichzeitige Abwesenheit der vertrauten Tierpfleger und (durch die ver- suchsbedingte Einzelhaltung) der gewohnten Artgenossen 10 tierrechte | Ausgabe 1/2020
Foto: Pixabay Giftigkeitstestung – es gibt andere Wege! Für die Prüfung von Arzneimitteln und Chemikalien gibt es inzwischen viele tierfreie Verfahren. Der Trend geht dahin, mit Kombinationen aus verschiedenen tierfreien Methoden viele Tierversuche ersetzen zu können. Hemmend wirken jedoch die unterschiedlichen Regularien in OECD- und Nicht-OECD-Ländern und die mangelnde Bereitschaft, den Ausstieg aus dem Tierversuch endlich entschieden anzugehen. Am 23. Februar dieses Jahres machte besteht aus verschiedenen menschlichen linie der International Conference on die Absichtserklärung „Auf dem Weg Zellen1. Mit diesem System konnten die Harmonization (ICH), die bereits im Jahr zu einer chemie-pestizidfreien Land- Forscher eine Arzneimittelnebenwir- 1998 verabschiedet wurde, hatte sich wirtschaft“ Hoffnung, dass in abseh- kung in Form eines Gallenstaus fest- eine Experten-Arbeitsgruppe der drei barer Zeit keine Hunde mehr für die stellen, die bei Studien mit Ratten und Regulationsbehörden der EU, der USA Testung von auf Chemikalien basie- Hunden nicht entdeckt worden war. und Japans darauf geeinigt, dass Studi- renden Pestiziden eingesetzt werden Zudem haben Forscher des Leibniz-Insti- en von 12-monatiger Dauer gegenüber könnten. Unter deutsch-französischer tuts für Arbeitsforschung an der TU einer 9-monatigen Testdauer keine Leitung arbeiten 24 europäische For- Dortmund (IfADo) die Rolle eines bislang zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Den- schungsinstitute daran, den Übergang noch nicht erforschten Immunzelltyps, noch können die 12-Monatsstudien mit zu einer chemikalienfreien Landwirt- die Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), Hunden in manchen Ländern weiter- schaft voranzutreiben. Hier ist die bei einer Leberschädigung durch Medi- hin gefordert werden. Der Grund: Die Rechnung denkbar einfach: Wenn man kamente untersucht. Sie fanden in vitro betreffenden Regularien sind weltweit keine neuen Chemikalien für Pestizide heraus, dass die NK-Zellen den Verlauf noch nicht harmonisiert. Während die herstellt, müssen Hunde vielleicht nicht einer toxikologischen Leberschädigung Regulationsbehörden der Entwicklung mehr in den auf Chemikalien basieren- beeinflussen und betroffene Leberzellen hinterherhinken, sind die Wissenschaft- den Pestizidtest. direkt töten. Hier steckt die Forschung ler schon viel weiter: Durch in-vitro-Me- jedoch noch in den Anfängen. thoden in Kombination mit Datenban- Technisch revolutionär: ken, epidemiologischen Informationen Multi-Organ-Chips Humanes Darm- und Herz- sowie in-silico-Methoden können Voran geht es aber auch in Bereichen, Modell beispielsweise Herzgiftigkeitstests an wo noch Tests durchgeführt werden Ebenfalls effektiv für die Testung Tieren schon jetzt mit einer abgestuf- müssen: beispielsweise bei der Prüfung von Medikamenten ist das menschliche ten Teststrategie beendet werden. von Arzneimitteln. Hier werden welt- Darmmikrogewebe des US-Unterneh- weit ständig neue tierfreie Verfahren mens MatTek™. Dieses Modell kann eine USA und die Niederlande gehen entwickelt. An der Spitze stehen die Medikamenten-Komplikation (Durchfall) voran sogenannten Multi-Organ-Chips. Dabei zuverlässiger vorhersagen als Tierversu- Schon 2009 förderten die USA mit werden teils mehrere menschliche che mit Ratten und Hunden. Ein weite- dem Programm Toxicology in the 21st Organe im Miniaturformat auf einem res vielversprechendes Modell ist das Century (Tox21c) Giftigkeitsprüfungen sogenannten mikrofluidischen Chip computergestütze „Living Heart“-Pro- ohne den Einsatz von lebenden Tieren. kultiviert. Sie können Hinweise geben, jekt der Universität Hohenheim. Mit 2016 folgten die Niederlande mit dem um Wirkungen und Nebenwirkungen diesem können die Auswirkungen von erwähnten Ausstiegsplan des Nationa- einzelner Substanzen, insbesondere Arzneimitteln auf die Herzfunktion len Komitees zum Schutz von Versuch- bei der Medikamentenentwicklung, zu tierfrei simuliert werden. stieren (NCad). Dies verfolgen auch die bestimmen. Die Chip-Technologie wird USA: Statt Tests an Tieren sollen abge- ständig weiterentwickelt, so dass sie Sicherheitsprüfungen – es be- stufte Teststrategien mit computerge- schon jetzt häufig bessere Testergebnis- wegt sich etwas stützter Toxikologie und in-vitro-Stu- se als der Tierversuch liefert. Noch gibt es sie, die Richtlinie über dien durchgeführt werden. Mit seiner die 12-Monatsstudie mit Hunden. neuen gemeinsamen Ausstiegskam- Lebermodell erkennt schädliche Allerdings ist sie nach der Organisation pagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. Substanzen für wirtschaftliche Zusammenarbeit Jetzt!“ setzt sich der Bundesverband Ein amerikanisches Wissenschaftler- und Entwicklung (OECD) nicht mehr dafür ein, dass Deutschland endlich team hat beispielsweise mit einem Leber- vorgeschrieben. Ein Erfolg, der auf die diesen positiven Beispielen folgt. on-a-Chip-Modell untersucht, ob die jahrelange Überzeugungsarbeit von Toxizität von Medikamenten frühzeitig Tierschutzorganisationen und Wissen- Dr. Christiane Hohensee erkannt werden kann. Das Testsystem schaftlern zurückgeht. In einer Richt- Dr. Dr. Stefanie Schindler 1) D as Testsystem besteht aus Leberzellen, Endothel- und Kupffer-Zellen (Abwehrzellen) sowie Sternzellen, 11 die bei Reparaturarbeiten des Gewebes aktiv werden. tierrechte | Ausgabe 1/2020
Magazin Schwieriges Kapitel: Tierversuche in der Kosmetik Immer wieder erhalten wir Anfragen, Kontakt kommen. Bei Substanzen, die prüfte Naturkosmetik, Kosmetik und wie der Konsument sicher sein kann, nicht nur in Kosmetika verwendet Naturwaren e.V. (IHTN). Es zeichnet dass eine Hautcreme oder ein Shampoo werden, sind Tierversuche in Produkte aus, die während der tatsächlich tierversuchsfrei ist. jedem Falle zulässig. Die Herstellung und am End- Seit 2013 gilt in der EU zwar ein Ver- Tatsache, dass weiterhin produkt auf Tierversuche marktungsverbots für Tierversuchs- Tierversuche im Rahmen verzichten. Außerdem Kosmetik, doch dies heißt leider nicht von REACH für in der dürfen keine Rohstoffe automatisch, dass jedes Produkt im Kosmetik auch verwen- verwendet werden, die Drogeriemarkt tatsächlich tierversuchs- dete chemische Substan- nach dem 1. Januar 1979 im frei ist. zen durchgeführt werden, Tierversuch getestet worden setzt das Tierversuchsverbot sind. Seit 2013 verbietet die EU-Kosmetik- faktisch außer Kraft und Verordnung die Verwendung von kos- untergräbt die Kosmetik- Ein weiteres Siegel, das metischen Mitteln oder Stoffen, die an verordnung. neben Kosmetik auch für Tieren getestet wurden1. Die Richtlinie Putz- und Waschmittel wurde durch alle EU-Mitgliedstaaten Ausland schreibt sowie Lebensmittel verge- umgesetzt. In Deutschland regelt dies Tests vor ben wird, ist die Veganblu- seit 2014 die deutsche Kosmetik-Ver- Der Konsument hat damit me. Sie wird von der Vegan ordnung2. Danach ist es eine Ordnungs- – trotz des Tierversuchsver- Society England vergeben und widrigkeit3, wenn jemand ein kosmeti- bot – keine Sicherheit, dass garantiert, dass das Produkt sches Mittel in Verkehr bringt, das an Produkte tatsächlich nicht tierversuchsfrei ist und Tieren getestet wurde. Dies gilt für das irgendwann an Tieren zudem keinerlei tierische komplette Produkt sowie für einzelne getestet wurden. Hinzu Bestandteile enthält. Bestandteile. kommt, dass Kosmetikher- steller oder -vermarkter Positive Signale Problem: Verbot gilt nur für teilweise gezwungen sind, Ein paar gute Nachrichten Kosmetik Tierversuche durchzuführen, zum Schluss: Engagierte Labore, Dies klingt zunächst nach einer wenn sie die Produkte im außereuro- wie das amerikanische Institute of In guten Regelung, wären da nicht die päischen Ausland verkaufen wollen. In Vitro Sciences (IIVS), und Tierrechtsor- Einschränkungen. Denn das Vermark- China müssen beispielsweise sowohl ganisationen machen sich seit Jahren tungsverbot gilt nur für Substanzen Inhaltsstoffe als auch das Endprodukt erfolgreich für die Anerkennung von und Endprodukte, die ausschließlich für vielfach noch an Tieren getestet wor- tierversuchsfreien Verfahren außerhalb kosmetische Zwecken produziert und den sein, bevor das Produkt auf chine- Europas stark: Im Januar 2019 einigte vermarktet werden. Tatsächlich ist es sischem Boden verkauft werden darf. sich eine internationale Arbeitsgruppe so, dass es Substanzen gibt, die auch aus Regulierungsbehörden und Indus- in anderen Produkten, beispielswiese Siegel geben Sicherheit trie der EU, Brasilien, Kanada, Japan in bestimmten Chemikalien, enthalten Die gute Nachricht ist, dass es vertrau- und den USA auf neun übergreifende sind. Diese Stoffe fallen jedoch unter enswürdige Siegel gibt, an denen Sie als Grundsätze, die die Integration neuer das Chemikalienrecht, das Tierversuche Verbraucher erkennen können, dass ein (tierversuchsfreier) Methoden für die zulässt oder sogar vorschreibt. Produkt tierversuchsfrei ist. Dazu zählen Sicherheitsbewertung kosmetischer das Springende-Hase-Label („Leaping Inhaltsstoffe voranbringen soll. China REACH setzt Tierversuchsverbot Bunny“) von der Coalition for Consu- hat 2019 in-vitro-Hautsensibilisierungs- außer Kraft mer Information on Cosmetics (CCIC). und Augenreizungstests zugelassen, die Nach der europäischen Chemikalien- Die Kriterien unterliegen dem strengen Versuche an Nagetieren und Kaninchen verordnung (REACH) sind Tierversuche „Human Cosmetic Standard“. ersetzen. Außerdem will auch China für Chemikalien, auch für die, die in eine Kosmetik-Verordnung verabschie- Kosmetik vorkommen, erforderlich, Ein anderes Siegel ist der Hase-mit- den. wenn Arbeiter während der Herstel- schützender-Hand des Internationalen lung mit den Substanzen in direkten Herstellerverbands für tierschutzge- Dr. Christiane Hohensee 1) EU-Kosmetik-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59). 2) Kosmetik-Verordnung vom 16. Juli 2014 (BGBl. I S. 1054), geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 26. Januar 2016 (BGBl. I S. 108). 3) Nach Paragraf 9, Absatz 2, Nr. 10 und 11 begeht danach jemand eine Ordnungswidrigkeit, der entgegen den Bestimmungen der EU-Kosmetikverordnung (Art. 18 (1), Buchstabe a) ein kosmetisches Mittel in Verkehr bringt, dessen endgültige Zusammensetzung oder dessen Bestandteile bzw. Kombinationen von Bestandteilen zu Zwecken der Sicherheit, Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung durch Tierversuche bestimmt worden sind. 12 tierrechte | Ausgabe 1/2020
Statistik Magazin Armutszeugnis: Tierversuche auf Rekordhoch Anfang des Jahres veröffentlichte die EU-Kommission Am häufigsten leiden Mäuse, Ratten und Fische den ernüchternden Bericht zu den Versuchstierzahlen der Ungefähr 88 Prozent der verwendeten Tiere in der EU EU-Mitgliedstaaten der Jahre 2015 bis 2017. Deutschland waren Mäuse, Ratten und Fische. Dabei steigt der Anteil steht an zweiter Stelle und gehört damit zusammen mit gentechnisch veränderter Tiere stetig an. Anstatt auf hu- Großbritannien und Frankreich zu den Tierversuchshochbur- manrelevante Forschungsmodelle zu setzen, werden immer gen in Europa. neue tierische Krankheitsmodelle „erfunden“. Mittlerweile werden in Deutschland 72 Prozent aller Versuche mit Mäusen In den Jahren 2015 bis 2017 sind in der EU fast 10 Millionen durchgeführt. Mehr als die Hälfte davon sind gentechnisch Tiere eingesetzt und getötet worden. Ungefähr 11 Prozent verändert. dieser Tiere litten dabei immer noch in schwer belastenden Versuchen. Was vielleicht noch schwerer wiegt: Die im Bericht Ratten und Kaninchen leiden für gesetzlich aufgeführten 9,4 Millionen (für 2017) umfassen dabei nur die vorgeschriebene Tests Tiere, die erstmals in Versuchen eingesetzt wurden. Solche, Mäuse und Fische werden vor allem in der Grundlagenfor- die nur zur Weiterzucht oder für die Entnahme von Organen schung, vornehmlich für die Erforschung menschlicher Krank- getötet wurden, tauchen in diesen Zahlen nicht auf. Ebenso heiten, verwendet. Der Großteil der Ratten und fast alle wenig die Tiere, die bei der sogenannten Herstellung geneti- Kaninchen leiden hingegen in gesetzlich vorgeschriebenen scher Mutanten nicht die gewünschten Merkmale aufwiesen Tierversuchen. Dabei ist auffällig, dass zahlreiche Kaninchen oder mehrfach in Versuchen eingesetzt wurden. noch immer bei Qualitätskontrollen in der Pyrogentestung1 und für auf Blutbasis produzierte Produkte eingesetzt wer- 22 Millionen Tiere im den, für die es eigentlich Jahr 2017 schon tierleidfreie Verfah- Die Zahl dieser Tiere ren gibt. Zahl der Tierversuche seit dem Jahr 2000 beträgt für 2017 ungefähr 12,6 Millionen Tiere. Damit Mehr Hunde, weniger errechnet sich alleine für Affen das Jahr 2017 eine erschre- 2018 wurden zudem ckende Gesamtzahl von deutlich mehr Hunde ge- mindestens 22 Millionen genüber dem Vorjahr ver- 2.825.066 Tieren, die für die Wissen- wendet. Viele davon litten schaft sterben mussten. in gesetzlich vorgeschriebe- 1.825.215 Laut Statistik des Jahres nen Langzeit-Giftigkeits- 2018 ist die Zahl der leiden- tests. Angestiegen sind den Tiere in Deutschland außerdem die Versuche mit sogar wieder gestiegen: 2000 2018 sogenannten Nutztieren um fast 18.000 auf rund wie Schweinen, Schafen, 2.8 Millionen. 2.138.714 Ziegen und Rindern. Affen Tiere wurden in Deutschland lebend in Versuchen eingesetzt, wurden ungefähr fünf Prozent weniger in Versuchen einge- ungefähr 40.000 davon mehrfach. Zusätzlich wurden 686.352 setzt als im Vorjahr. Tiere getötet, um ihnen Gewebe oder Organe zu entnehmen. Systemwechsel ist überfällig Hochburg Baden-Württemberg Für einen echten Systemwechsel fordert der Verband seit Die drei Bundesländer mit dem größten „Tierverbrauch“ Jahren eine Gesamtkonzeption nach dem Vorbild der Nie- sind nach wie vor Baden-Württemberg (BW), Bayern und derlande. Deutschland sollte die Gelegenheit ergreifen und Nordrhein-Westfahlen. Die traurige Bilanz für BW zeigt dabei vermehrt in zukunftsträchtige, humanrelevante Forschung erstmals einen Anstieg auf über eine halbe Million Tiere investieren, die ohne Tierleid auskommt. Mit unserer neuen (533.685). Hamburg sticht ebenfalls besonders hervor: 2018 Kampagne Ausstieg aus dem Tierversuch. Jetzt! verstärken wurden dort 263.256 Tiere registriert, 95.549 mehr als im wir den Druck bei der Bundesregierung. Vorjahr. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend nach der Schließung des LPT Labors und der damit einhergehenden Caroline Spicher Diskussion und erhöhten Sensibilität wieder umkehrt. 1) T estung auf Fieber-erzeugende Stoffe. Diese können von Bakterien, Viren oder Pilzen stammen, aber auch nicht biologischen Ursprungs sein oder aufgrund von Immunreaktionen entstehen. tierrechte | Ausgabe 1/2020 13
Magazin Satis Weniger Tierleid an Hamburgs Hochschulen Die Regierung der Hansestadt hat Anfang des Jahres Änderungen des Hochschulgesetzes beschlossen, um die Entwicklung von Lehrmethoden zu fördern, die den sogenannten Tierver- brauch verringern oder ganz ersetzen können. Die Lehre soll tierverbrauchs- frei gestaltet werden, sofern der Lernzweck dies zulässt. Der Bundes- verband hatte zuvor die Initiatoren der Gesetzesänderung, SPD und Grüne, aufgefordert, strenge Tierschutzregeln einzuführen. Eingriffe an lebenden Tieren, sprich Tierversuche, und die Nutzung von ge- töteten Tieren werden unter dem un- Mit Anatomiemodellen wie diesem kann der Einsatz von Tieren in der Ausbildung vermieden werden. schönen Begriff Tierverbrauch zusam- Foto: andresr/ iStock mengefasst. Dieser gehört immer noch zu den etablierten Lehrmethoden, auch Die von der Hamburger Bürgerschaft Fortschritt in Richtung einer wenn es viele gleichwertige alternative unter Rot-Grün beschlossenen Ände- tierversuchsfreien Lehre Lehrmethoden für die Bereiche Ana- rungen des Hochschulgesetzes sind Der Bundesverband hatte die Initia- tomie beziehungsweise Morphologie, am 24. Januar 2020 in Kraft getreten. toren zuvor aufgefordert, strengere klinische Fertigkeiten und Chirurgie, Damit ist Hamburg das sechste Bundes- Tierschutzvorgaben einzuführen als in Physiologie sowie Pharmakologie gibt. land, das den Hochschulen explizit vor- Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland Die humanen Lehrmethoden reichen gibt, das bestehende Tierschutzgesetz und Thüringen und sich zumindest am von Videos über Selbstversuche, inter- einzuhalten, das heißt Tierversuche und fortschrittlicheren hessischen Gesetz aktive Simulationsprogramme bis hin Tiertötungen nur durchzuführen, wenn zu orientieren. Immerhin eine Verbes- zu lebensechten und computerisierten der Zweck nicht mit anderen Methoden serung gegenüber den erstgenannten Modellen. erreicht werden kann. Bundesländern enthält das Gesetz: Es soll nicht nur auf getötete Tiere, son- dern auch auf lebende Tiere verzichtet werden. Allerdings ist es bei der „soll“- statt „muss“-Bestimmung geblieben. Anträge von Studierenden zum Verzicht auf Übungen bleiben auf Einzelfälle so- Fragwürdige Fortbildungen an Schweinen wie auf „eigens hierfür getötete Tiere“ beschränkt. Hessen geht hier weiter. Das Pharmaunternehmen Takeda bietet bundesweit Chirurgie-Workshops Dennoch stellen die neuen Regelungen an Schweinen an, obwohl diese Fertigkeiten in der Facharzt-Ausbildung ohne einen Fortschritt in Richtung einer tier- den Einsatz von Tieren vermittelt werden können. Viele Chirurgen wenden die versuchsfreien Lehre dar, wie es auch OP-Techniken an, ohne jemals eine Fortbildung am Tier gemacht zu haben. Aus die EU-Richtlinie vorgibt1. Sicht des Bundesverbandes ist deswegen die gesetzlich geforderte Alternativ- losigkeit bei diesen Chirurgie-Workshops nicht gegeben. Der Bundesverband Auf www.satis-tierrechte.de ste- kontaktierte die Genehmigungsbehörden und forderte sie auf, die Tierversuche hen unter „Leitfaden für Studierende“ in den Chirurgie-Workshops auf ihre Ersetzbarkeit zu prüfen. Den Schreiben die neuen Antragsvorlagen für Ham- legte er eine Liste von Simulatoren bei. Über Anfragen wird der Verband weiter burg zur Verfügung. daran arbeiten, diese überflüssigen Tierversuche zu beenden. Dr. Claudia Gerlach 1) R ICHTLINIE 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, Erwägungsgrund 10: „... Diese Richtlinie stellt jedoch einen wichtigen Schritt zur Erreichung des letztendlichen Ziels dar, Verfahren mit lebenden Tieren für wissenschaftliche Zwecke und Bildungs- zwecke vollständig zu ersetzen, sobald dies wissenschaftlich möglich ist.“ 14 tierrechte | Ausgabe 1/2020
Tierversuchsfrei Magazin 20 Jahre Einsatz für Alternativen zum Tierversuch Tiere zu verstehen und zu beschützen, war für Dr. Stefanie Internationales Schindler ein Anliegen, solange sie denken kann. Seit Feb- Netzwerk ruar 2020 verstärkt die engagierte Tierärztin das Team vom Die Arbeit und das The- Bundesverband in den Bereichen tierversuchsfreie Verfahren ma begeisterten Stefanie und humane Ausbildung. Schindler so sehr, dass sie dabeiblieb. Sie ist überzeugt, Das Studium der Tiermedizin war für Stefanie Schindler dass der Systemwechsel hin zu eine Selbstverständlichkeit. Dass es sie allerdings in den Be- einer tierfreien Forschung nur in reich der Tierversuche und Labortierkunde verschlagen wür- Zusammenarbeit mit den Forschenden erfolgen kann. Um de, war weit weniger vorhersehbar. Und so waren auch die dies voranzubringen und um das Leid der Tiere so gering wie einzigen Vorlesungen, die sie an der Justus-Liebig-Universität möglich zu halten, nutzt sie ihre nationalen und internatio- Gießen regelmäßig ausließ, die über Tierversuche. Denn sie nalen Netzwerke aus akademischen Institutionen, Pharmain- und ihre Kommilitonen waren sich einig: Mit Tierversuchen dustrie und Tierschutzorganisationen. werden wir niemals etwas zu tun haben. Ebenfalls gar nicht ihr Steckenpferd waren Pharmakologie und Toxikologie. Tierversuchsfreie Verfahren erfolgreich wie nie Alternativmethoden zum Tierversuch sind heute so erfolg- Dissertation zu tierversuchsfreien Verfahren reich wie nie zuvor. Der Weg hin zu einer tierversuchsfreien Doch es ergab sich anders: Nach dem Abschluss des Tier- Forschung ist klar und unumkehrbar. Dennoch weiß Stefanie medizinstudiums im Jahr 2000 fing sie am Lehrstuhl Phar- Schindler, dass Ausdauer, überzeugende Argumente und ein makologie/Toxikologie der Universität Konstanz im Bereich langer Atem nötig sind, bis der überfällige Wandel erreicht Alternativmethoden zum Tierversuch an und schloss dort ist. Umso wichtiger ist ihr, bestehende Ersatzmethoden in ihre Dissertationen, den Dr. vet. med. und den Dr. rer.nat, ab. die Praxis zu bringen und ihre Anwendung verbindlich zu Im Zentrum ihrer Arbeit stand dabei die Entwicklung einer machen. Dafür setzt sie sich mit viel Fachkompetenz und En- Ersatzmethode zum Tierversuch, der tierfreie Pyrogentest gagement ein. Das Team vom Bundesverband freut sich auf PyroDetect™ 1. die Zusammenarbeit. 1) Impfstoffe und Infusionslösungen können Fieber auslösen, wenn sie verunreinigt sind. Deswegen ist die Kontakt Prüfung auf die sogenannte Pyrogenfreiheit gesetzlich vorgeschrieben. Lange Zeit wurde der Test an Dr. Dr. Stefanie Schindler Kaninchen durchgeführt. Neben den möglichen Schmerzen nach der Injektion der Substanzen ist dies sehr belastend für die Tiere, da sie über Stunden in Apparaturen eingesperrt werden. Das "PyroDetect™- System" testet stattdessen an menschlichem Blut, ob sich an oder in medizinischen Produkten Fachreferentin für tierversuchsfreie Methoden Bestandteile von fieberauslösenden Substanzen befinden. PyroDetect™ ist mittlerweile von der Food and Drug Administration (FDA), der Europäischen Pharmakopoeia, und der United States Pharmacopeia (USP) schindler@tierrechte.de offiziell akzeptiert. Einladung zur Jahreshauptversammlung 2020 Liebe Mitglieder, Tagesordnung wir laden Sie ganz herzlich ein zur diesjährigen Jahreshauptversammlung von 1. Begrüßung und Formalia Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. 2. Bericht des Vorstandes Sie findet statt am 3. Kassenbericht und Bericht der Kassenprüfer Sonntag, den 17. Mai von 12.00 bis ca. 15.00 Uhr 4. Entlastung des Vorstandes Saalbau Gutleut | Rottweiler Straße 32 | 60327 Frankfurt am Main 5. Nachwahl Vorstand 6.0 verschoben. Für die Raum- und Bewirtungsplanung bitten wir bis zum 22. April um n g w ir d u aperf Herbst 202 Anmeldung Perspektiven der zukünftigen ptversam in unserer Geschäftsstelle. Bitte melden Sie sich m dazu lu telefonisch oder den. Arbeit ie Jah re sh a ureinartz@tierrechte.de, d em L au fe n D E-Mail bei Judith Reinartz (E-Mail: auf Tel: 02252 – 83 01 210, Wir halten Sie 7. Verschiedenes Fax: 02252-83 01 211). Neu: Mitbestimmung für Fördermitglieder Aufgrund unserer Satzungsänderung im Jahr 2019 können die Fördermitglieder ab diesem Jahr mitbestimmen. Zum Procedere: Die Stimmrechte der Fördermitglieder werden von Förderer-Vertretern wahrgenommen. Die Vertreter werden zu Beginn der Mitgliederversammlung von den anwesenden Fördermitgliedern gewählt. Pro angefangene 250 Fördermitglie- der wird jeweils ein Vertreter gewählt. Die Vertreter müssen selbst Fördermitglied des Bundesverbandes sein. Jeder gewählte Förderer-Vertreter hat auf der Mitgliederversammlung zwei Stimmrechte. Ein Förderer-Vertreter darf nicht gleichzeitig Stimm- rechte als Vereinsdelegierter ausüben. Anträge müssen spätestens eine Woche vor dem Beginn der Mitgliederversammlung eingebracht werden.
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