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E-Learning Strategische Handlungsfelder der Hochschulen des Landes Baden-Württemberg zur Digitalisierung in der Hochschullehre
Inhalt Vorworte ······················································ 8 I. Präambel ·················································· 12 II. Begriffsbestimmung – E-Learning / Digitalisierung der Lehre ········ 13 III. Nutzeranforderungen ········································ 14 1. Nachfrageorientierte Bedarfserhebung ······················· 14 2. Erwartungen der Studierenden ····························· 15 3. Erwartungen der Lehrenden ······························· 16 IV. Status Quo in Baden-Württemberg 2015 ························· 17 1. Hochschulentwicklung durch digitale Medien ················· 17 2. Förderaktivitäten des Landes Baden-Württemberg ············· 19 3. Umsetzung der Medienentwicklungspläne ···················· 21 3.1. Stand Koordinations-, Kompetenz- und Servicestrukturen ··· 21 3.2. Stand Ausbau der technischen Infrastruktur ··············· 22 3.3. Schulungs- bzw. Qualifizierungsangebote zur Verbesserung der Informations- und Medienkompetenz ·· 26 3.4. Anerkennungs- und Anreizsysteme ······················ 26 V. Überregionaler Kontext ······································ 28 VI. Perspektiven des digitalen Wandels für die Hochschullehre in Baden-Württemberg@2025 ································ 30 1. Wandel der Lehr- und Lernkultur durch die Digitalisierung in Wissenschaft und Gesellschaft ··············· 30 2. Qualitätsverbesserung in der Lehre durch die Digitalisierung ·································· 31 3. Zielgruppenorientierte Studienangebote über den gesamten Student-Life-Cycle ······················· 33 3.1. Ausgestaltung attraktiver Studienangebote ················ 34 3.2. Offene Bildungsangebote (MOOCs und OER) ············· 35 3.3. Strukturen zur Gestaltung von nachfrageorientierten Weiterbildungsformaten ············· 37 4. Profilverbreiterung für die Kleinen Fächer in Baden-Württemberg ···································· 37 6 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
5. Unterstützung der Kompetenzentwicklung der Studierenden / Verankerung in den Curricula ··············· 39 6. Leitungs- und Verantwortungsstrukturen ····················· 40 7. Lehrpersonal ············································ 41 8. Infrastruktur ············································ 44 9. Qualitätssicherung ······································· 47 10. Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen ·············· 48 11. Vernetzung ············································· 49 VII. Strategischer Entwicklungsrahmen ····························· 52 1. Lokale Aktivitäten········································ 52 1.1. Entwicklung einer hochschulweiten E-Learning-Strategie ···· 52 1.2. Ausbau und strategische Verankerung der lokalen Serviceeinrichtungen und Infrastruktur ··················· 53 2. Hochschul(arten)übergreifende und landesweite Aktivitäten ···· 54 2.1. Strategischer Arbeitskreis zur Digitalisierung der Lehre ······ 54 2.2. Etablierung einer landesweiten Serviceeinrichtung ·········· 55 2.3. Anreize für Lehrende schaffen ··························· 56 2.4. Landesweites Qualifizierungsangebot: E-Learning Zertifikat ·· 56 2.5. Landesweite Anlaufstelle für Rechtsberatung digitale Lehre ·· 56 2.6. IT-Infrastruktur – Perspektiven für landesweite Kooperationen····························· 57 2.7. Aufbau und Ausgestaltung hochschulübergreifender Studienprogramme, MOOCs und OER ··················· 58 Anhang ······················································· 61 1. Hochschulbildung digital – Beispiele aus Baden-Württemberg ··· 62 2. Zusammensetzung des Hochschulforums Digitalisierung Lehre@BW 2025 ··························· 64 3. Literaturverzeichnis ······································ 65 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 7
Vorwort der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg Theresia Bauer bereich gebündelt. Mit den landesweit und hochschul- artenübergreifend angelegten Konzepten für E-Science mit den Handlungsfeldern Lizenzierung, Open Access, Digitalisierung, Forschungsdatenmanagement und vir- tuelle Forschungsumgebungen, für Hoch- und Höchst- leistungsrechnen (bwHPC) und für datenintensive Dienste (bwData) sowie dem Ausbau des Landeshoch- schulnetzes BelWü nimmt Baden-Württemberg auf wichtigen Feldern der Digitalisierung der Hochschulen bereits eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Im Zeichen von „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ Die im Jahr 2014 vom Wissenschaftsministerium und stehen wir inmitten einer fundamentalen Veränderung der Landesrektorenkonferenz veranstaltete Fachta- der Arbeits- und Lebenswelt. Unsere Hochschulen gung „MOOCs or POOCs – Ornament oder Funda- stehen daher vor völlig neuen Aufgaben in der Hoch- ment der Hochschulentwicklung?“ war der Auftakt schullehre – die es auch mit neuen Methoden zu be- für das Anfang 2015 von der Landesregierung initiierte wältigen gilt. Um Studierende mit den für ein erfolg- „Hochschulforum Digitalisierung Lehre@BW 2025“. reiches Berufsleben im 21. Jahrhundert erforderlichen Hochschulartenübergreifend haben die Hochschu- Fertigkeiten voll auszustatten, müssen die relevanten len den Status quo mit Stärken und Schwächen, Chan- Lerninhalte für Industrie 4.0 identifiziert und adäquat cen und Risiken analysiert und den Handlungsbedarf didaktisch und methodisch aufbereitet werden. Es geht benannt. Entstanden ist das vorliegende Fachkonzept um nichts weniger als eine Transformation der Lehre. E-Learning, das alle relevanten Themenfelder behan- delt und den strategischen Entwicklungsrahmen für lo- Als Landesregierung sehen wir unsere Aufgabe ganz kale und hochschul(arten)übergreifende Aktivitäten klar darin, mit zukunftsweisenden Investitionen die aufzeigt. Digitalisierung in Forschung und Lehre aktiv zu ge- In dieses Grundsatzpapier ist das Know-how zahlrei- stalten und bestmögliche Rahmenbedingungen für di- cher Fachleute aus den Hochschulen eingeflossen. Ich gitale Innovationen zu schaffen. Das Wissenschafts- danke allen an der Erstellung beteiligten Expertinnen ministerium setzt mit seiner Förderung auf langfristig und Experten für ihr großes Engagement und ihre Ide- wirkende Strukturen und Strategien und sichert den en. Das Konzept ist eine hervorragende Basis, um eine Fachkräftenachwuchs und die Qualifizierung junger breite Diskussion innerhalb der Hochschulen über die Menschen durch ein umfassendes Maßnahmenpaket. strategische Ausrichtung anzustoßen. Die Aktivitäten werden dabei in einer Gesamtstrategie Baden-Württemberg ist gut gerüstet für den Auf- für IT- und Informationsinfrastrukturen im Hochschul- bruch in die Wissensgesellschaft von morgen. Die 8 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
konsequente Umsetzung der Landeskonzepte inner- halb der Digitalisierungsstrategie der Landesregierung bildet eine ausgezeichnete Basis, um für den Struktur- wandel in Wissenschaft und Gesellschaft gut gerüstet zu sein. Das Wissenschaftsministerium wird die Hochschu- len bei der Gestaltung des Digitalisierungsprozesses in der Lehre weiter begleiten und im Rahmen der Mög- lichkeiten finanziell und strukturell unterstützen. Ei- ne zentrale Rolle werden auch der zukünftige Erfah- rungsaustausch und die Vertiefung von Kooperationen spielen, um dauerhafte Qualitätsverbesserungen in der Lehre zu erzielen. < Theresia Bauer MdL Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 9
Vorwort der Vorsitzenden der Rektorenkonferenzen “ T H E MO S T IM P O RTANT T HI NG AB OUT A eines hohen Studienerfolgs – gewährleistet werden, T E C HN O L O G Y IS HOW I T C HANGE S P E OP LE . ” JAR ON LANIER dass das Lernen in einer wesentlich individualisier- teren Form stattfinden kann als dies bisher geschieht. Umfragen unter den Studierenden zeigen, dass sich Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft rasant. diese eine Erhöhung von didaktisch aufbereiteten On- Neue Formen der Kommunikation und Zusammen- line-Inhalten über zentrale Lernplattformen wünschen, arbeit entwickeln sich, die Art und Weise, wie kom- um zeitlich flexibler zu sein und die Lerninhalte in der muniziert wird, ändert sich. Dabei geht die Verände- eigenen, an individuelle Bedürfnisse angepassten Ge- rung für die Hochschulen weit über den Aufbau von schwindigkeit bearbeiten zu können. technischer Infrastruktur hinaus und es stellt sich die Frage, wie der ubiquitäre Zugriff auf digital verfügbare Um auf diese Bedürfnisse und Entwicklungen einzu- Informationen und elektronische Medien die Prozesse gehen, gilt es die Chancen der Digitalisierung syste- in Lehre und Forschung der Hochschulen beeinflus- matisch zu nutzen. Die akademische Lehre wird sich sen wird. Gleichzeitig ist die Heterogenität der Studie- dementsprechend anpassen müssen. Wissenschaftsmi- renden an den baden-württembergischen Hochschu- nisterium und Hochschulleitungen stehen vor der He- len in den letzten Jahren gestiegen und es ist damit rausforderung, die Lehre im Einklang mit hochschul- zu rechnen, dass sich diese Entwicklung weiter fort- didaktischen Erfordernissen zu verändern, sowie das setzen wird. An den Hochschulen gibt es neben den Informationsmanagement, die Studienangebote sowie „klassischen“ Studierenden, die unmittelbar nach ihrem die Rechts- und Sicherheitssysteme zu gestalten und Abitur oder der Fachhochschulreife mit einem Voll- neu auszurichten. Es müssen konsequent und systema- zeitstudium beginnen, mehr und mehr Teilzeitstudie- tisch entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Als rende, Studierende in der Familienphase, Studierende attraktive Studienstandorte wollen die Hochschulen ohne Abitur, die als qualifizierte Berufstätige an die vorausschauend die Chancen neuer digitaler Arbeits- Hochschulen kommen, Studierende mit Behinderun- weisen nutzen und sich für eine nachhaltige Qualitäts- gen oder chronischen Erkrankungen und eine hohe verbesserung und Flexibilisierung der Lehre einsetzen, Zahl an internationalen Studierenden. In den nächs- um aktiv die Weiterentwicklung in Technik und Ge- ten Jahren werden auch zunehmend aus ihren Heimat- sellschaft mitzugestalten. staaten geflüchtete Studierende unsere Hochschulen besuchen, die aufgrund ihrer persönlichen Situation Die baden-württembergischen Hochschularten ebenfalls spezifische Bedürfnisse an ein Hochschulstu- haben sich unter Federführung des Wissenschafts- dium haben. ministeriums zu einem „Hochschulforum Digitalisie- rung Lehre@BW 2025“ zusammengeschlossen und Um den vielfältigen und unterschiedlichen Anforde- legen nun ein erstes Papier mit strategischen Hand- rungen aller Studierendengruppen an die Hochschul- lungsfeldern vor. Um den Herausforderungen der ra- lehre gerecht zu werden, muss – gerade im Interesse sant voranschreitenden Digitalisierung zu begegnen, 10 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
müssen nun Maßnahmen zur Entwicklung und Weiterentwicklung der Digitalisierungsstrategien der einzelnen Hochschulen ergriffen und umgesetzt wer- den. Es sind zunehmend aber auch Chancen für Ko- operationen auszuloten sowie Synergien zu identifi- zieren und zu nutzen. Die Hochschulleitungen hoffen, dass die identifizierten Handlungsfelder mit Unterstüt- zung durch Ressourcen des Landes angegangen wer- den können und eine langfristige und dauerhafte Stra- Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer Rektor der Universität Freiburg tegie darauf aufbauen kann. Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg Prof. Dr. Astrid Beckmann Prof. Rudolf Meister Rektorin der Pädagogischen Hochschule Präsident der Staatlichen Hochschule für Musik Schwäbisch-Gmünd und Darstellende Kunst Mannheim Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Pädagogischen Hochschulen der Musikhochschulen Prof. Dr. Bastian Kaiser Prof. Reinhold R. Geilsdörfer Rektor der Hochschule Rottenburg Präsident der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Vorsitzender der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 11
I. Präambel Eine der Stärken des baden-württembergischen Hochschulsystems ist der hohe Anteil an forschungs- orientierter Lehre. Daher gilt es, die didaktisch- methodischen Möglichkeiten des E-Learning mit for- schungsorientierten Lehransätzen durch exzellente Ziel dieses Fachkonzepts ist es, den Status-Quo der Forscherinnen und Forscher vor Ort zu verknüpfen. Maßnahmen und Prozesse zur Digitalisierung der Leh- Die Bereitstellung von digitalem, spezifisch auf die re der Hochschulen des Landes Baden-Württemberg Forschung ausgerichtetem Material auf höchstem Ni- zusammenzufassen, Herausforderungen der bisherigen veau sowie der Ausbau der Medien- und Informations- Entwicklung zu identifizieren und daraus Handlungs- kompetenz aller Akteurinnen und Akteure ist hierbei felder und Perspektiven abzuleiten. eine wichtige Aufgabe. Nicht zuletzt wirken sich neue Entwicklungen in der Didaktik (-forschung) auf die Der Hochschulstandort Baden-Württemberg erlebt mit Weiterentwicklung der Digitalisierung der Hochschul- fortschreitender Öffnung und Virtualisierung einen in- lehre aus. tensivierten nationalen und internationalen Wettbe- werb. Das zunehmende Spektrum an flexiblen, ortsun- Die strategisch angeleitete Erweiterung der digitalisier- abhängigen Studienangeboten und frei zugänglichen ten Prozesse in Lehre, Forschung und Verwaltung einer Bildungsangeboten v.a. aus den USA stellt die Hoch- Präsenzhochschule bedarf der Bereitstellung adäquater schulen vor die Aufgabe, die eigene Ausrichtung zu technischer Infrastrukturen, entsprechender Personal- reflektieren und zu gestalten sowie die Diskussion um ressourcen sowie, wo sinnvoll, Verbundkooperationen. eine Weiterentwicklung der Lehr- und Studienangebo- Zahlreiche Maßnahmen der Medien- und Struktur- te der Hochschulen intensiv zu führen. Auch der pro- entwicklungspläne der Hochschulen, die im Jahr 2001 gnostizierte demographische Wandel und die Diver- von der Arbeitsgruppe “Hochschulentwicklung durch sität der Studierenden erfordern eine Flexibilisierung Neue Medien” empfohlen wurden, konnten bisher des Lehrangebots und werden die Wettbewerbsstruktu- durch verschiedene Fördermittel umgesetzt werden. ren der Hochschulen zukünftig stärker prägen als in der Vergangenheit. Nicht zuletzt gilt es, die Hochschulen an Hochschulübergreifende Strategien fehlen allerdings die sich durch die Digitalisierung rasant ändernden ge- derzeit bis auf wenige Ausnahmen. Viele der anste- sellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen und henden Veränderungen und notwendigen Entwicklun- die Studierenden auf die veränderten Anforderungen gen können jedoch nicht von einzelnen Hochschulen in Wissenschaft, Wirtschaft und Industrie, Bildung und bewältigt werden. Um den Hochschulstandort Baden- Kultur vorzubereiten. Das Portfolio an digitalen Lehran- Württemberg im internationalen Wettbewerb attrak- geboten entscheidet daher zunehmend mit im Wettbe- tiv zu halten sowie die Sichtbarkeit der Hochschulen werb um geeignete Studierende in grundständigen und durch E-Learning-Angebote zu erhöhen, müssen zu- postgradualen Studienangeboten, um Teilnehmende an nehmend Kooperationen und strategische Partner- nachfrageorientierten Angeboten der wissenschaftlichen schaften eingegangen werden. Die Hochschulen Baden- Weiterbildung im Sinne des „Lifelong Learning“ sowie Württembergs sehen für die kommenden Jahre die in um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. diesem Papier aufgezeigten Handlungsfelder. 12 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
II. Begriffsbestimmung – E-Learning / Digitalisierung der Lehre Im Wesentlichen wird die didaktische Integration di- Unter „Digitalisierung der Lehre“ wird darüber hin- gitaler Medien in die Lehre sowie das Lernen mit die- aus die Erstellung und Anwendung von explizit für das sen Medien als E-Learning bezeichnet. Das Spektrum Lehren und Lernen gestalteten Medien, die Nutzung reicht hier von der Anreicherung traditionell organi- von Learning Management Systemen, hochschulischen sierter Präsenzlehrveranstaltungen mit digitalen Ele- oder öffentlich zugänglichen elektronischen Plattfor- menten über hybrid ausgestaltete Lehrszenarien mit men sowie weiteren Medien, die für den Einsatz in der obligatorisch in onlinegestützten Lernphasen zu erar- Lehre adaptiert werden (u.a. technisches Equipment, beitenden Lehrinhalten (Blended Learning), Anregun- Social Media), verstanden. gen für kreative, gestalterische Prozesse bis hin zu voll- ständig virtualisierten Arrangements in Studium und Es ist Aufgabe der Hochschulen, die durch die Digi- Lehre. talisierung entstehenden Möglichkeiten systematisch und strategisch zu gestalten. Die technischen Lösun- gen sind dabei den didaktischen Erfordernissen unter- zuordnen. IWM Icon "Headset" von icons8.com, CC-BY-ND 3.0 • Icon "Glühbirne" von Till Teenck (The Noun Project), CC-BY-SA 3.0 • Icon "Workers" von Amazon Web Services, CC-BY-SA 3.0 Die Begriffslandschaft zur Digitalisierung der Lehre ist vielfältig. Das Portal www.e-teaching.org mit Sitz in Baden-Württemberg bietet Hochschullehrenden Informationen rund um das Thema E-Learning, E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 13
III. Nutzeranforderungen 1 . N AC H F R A G E O R I E NT I E RT E B E DAR FS E R HE B UNG (2009, 2011 3 , 2013), Mannheim (2013/14 4 ) und Ulm Prinzipiell ist es ein Anliegen der Hochschulen, die (2013/2014 5 ) kleinere Umfragen unter Studierenden akademische Bildung der Studierenden in differen- und teilweise auch Lehrenden zu verschiedenen As- zierter Weise über den gesamten Student-Life-Cyc- pekten des E-Learning-Angebots durchgeführt. Aus le zu fördern. Die Digitalisierung der Hochschullehre diesen Umfragen ergibt sich, dass sowohl Studierende beginnt bereits vor Studienbeginn: Es werden offene als auch Lehrende digitalen Lehr- und Lernszenarien und internetbasierte Lösungen zur adäquaten Anspra- prinzipiell großes Potenzial zuschreiben. che angehender Studierender sowie zur Begleitung der Studieneingangsphase benötigt. Studiengänge, auch Auch ohne spezifische Erhebungen dürften diese Be- postgraduale, professionsbezogene Weiterbildungs- funde prinzipiell für die Hochschulen für Angewand- studiengänge, können durch neue Methoden der Wis- te Wissenschaften und die Duale Hochschule Baden- sensvermittlung und -erarbeitung flexibilisiert wer- Württemberg (DHBW) gleichermaßen gelten. Für den. Hierbei sollten zielgruppenspezifische Varianten die Pädagogischen Hochschulen kann der Befund ex- berücksichtigt werden, um z.B. Angebote zu schaf- emplarisch durch eine an der PH Schwäbisch Gmünd fen für erwerbstätige Studierende oder Studieren- durchgeführte Online-Befragung der Lehrenden de mit Betreuungspflichten. Auch die berufsfeldrele- (2013 6 ) bestätigt werden, die ein Interesse am Thema vanten Kompetenzfelder, künstlerische Bereiche und und dabei speziell an einem verstärkten Austausch und die Kommunikation der Wissenschaft mit dem gesell- einem Support bei Entwicklung bzw. Einsatz von E- schaftlichen Umfeld werden zunehmend durch E-Lear- Learning-Materialien zeigt. ning-Dienste flankiert. An den Musikhochschulen wurden die Nutzeranfor- An den Universitäten erfolgte die Erfassung der An- derungen mit unterschiedlichen Verfahren eruiert. Sie forderungen von Studierenden und Lehrenden bisher beziehen sich auf die bislang bekannten typischen E- fragmentiert und in heterogener Weise. So haben bei- Learning-Angebote. Die Messung der Häufigkeit von spielsweise die E-Learning-Serviceeinrichtungen der Zugriffen auf die Lernserver, Evaluationsbögen, per- Universitäten Freiburg (2009 1 und 2014 2 ), Karlsruhe sönliche Befragungen, Diskussionsrunden in Arbeits- 3 Grosch, M.; G. Gidion: Mediennutzungsgewohnheiten im Wandel: Ergebnisse einer Befragung zur studiumsbezogenen Mediennutzung, 1 Ergebnisse der Online-Umfrage der Servicestelle E-Learning unter KIT Scientific Publishing, Karlsruhe, 2011 Studierenden zur Zufriedenheit mit dem E-Learning-Angebot aus dem Jahr 2009, n=725, abrufbar unter http://www.rz.uni-freiburg.de/ 4 Ergebnis einer Umfrage zum Thema E-Learning der Universität services/elearning/blog/archives/studierendenumfrage/ (abgerufen am Mannheim 2013/14, die unter Lehrenden (n=172) und Studierenden 15.06.2015) (n=270) durchgeführt wurde. 2 Ergebnisse der Online-Umfrage der Servicestelle E-Learning 5 Ergebnisse unter http://www.uni-ulm.de/fileadmin/website_uni_ulm/ aus dem Sommersemester 2014 zum Umstellungsprozess der elearning/downloads/evaluation-matterhorn-sose13-bericht.pdf (für zentralen Lernplattform auf ILIAS, n=618. Die größte Gruppe 2013) und unter http://www.uni-ulm.de/fileadmin/website_uni_ulm/ waren mit 79% die Studierenden, 12% waren Lehrende mit elearning/downloads/evaluation-matterhorn-sose14-bericht.pdf (für eigenen Lehrveranstaltungen, 6% Mitarbeitende ohne eigene 2014) abrufbar. An der Universität Ulm werden Vorlesungen mit Lehrveranstaltung, die zur Unterstützung der Lehre tätig sind. Opencast Matterhorn aufgezeichnet und über die Lernplattform Wissenschaftliche Hilfskräfte und Gasthörende umfassten 3%, Moodle zur Verfügung gestellt. abrufbar unter http://www.rz.uni-freiburg.de/rz/aktuell/iliasumfrage 6 E-Learning an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd – (abgerufen am 15.06.2015). Ergebnisse einer Umfrage, J. Ostertag (2013) 14 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
NUTZERANFORDERUNGEN gruppen und andere Methoden kamen zum Einsatz. veranstaltung besuchen können, eine Teilnahme. Auch Dabei zeigt sich, dass E-Learning bisher weitgehend Studierende, deren Muttersprache nicht die Veranstal- auf die wissenschaftlichen und künstlerisch-theore- tungssprache ist, sowie Studierende mit Behinderun- tischen Fächer begrenzt gesehen wird (Musiktheo- gen des Hörens oder Sehens profitieren von der Mög- rie inkl. praktischer Übungen, Musikgeschichte und lichkeit, Vorlesungsinhalte über die Aufzeichnungen -wissenschaft, Musikpädagogik, Instrumentenkunde, nachzuarbeiten. In der Evaluation des Vorlesungsauf- Musikinformatik etc.). Im künstlerischen Bereich sind zeichnungssystems Matterhorn an der Universität Ulm die Diskussionen um den Einsatz von E-Learning bis- wünschten sich in den Sommersemestern 2013 und her noch sehr kontrovers, Vor- und Nachteile werden 2014 jeweils über 90 % der Teilnehmerinnen und Teil- heftig diskutiert. Grundsätzlich wird aber dieses The- nehmer, dass weiterhin Veranstaltungen aufgezeichnet ma nicht mehr abgelehnt. Eine Präzisierung des Be- werden sollen und das Angebot noch ausgeweitet wird. darfs und möglicher Angebote ist derzeit noch nicht Der Bedarf an Vorlesungsaufzeichnungen zeigt sich z.B. möglich. auch in der informellen Beobachtung an der Universi- tät Ulm, dass von Seiten der Studierendenvertreterin- Die unterschiedlichen Erwartungen und Anforderun- nen und -vertreter in Berufungsverhandlungen häufig gen von Studierenden und Lehrenden gilt es bei der die Bereitschaft zur Vorlesungsaufzeichnung abgefragt Bereitstellung entsprechender Angebote zu berück- wird. Auch in der Online-Befragung an der Universität sichtigen. Freiburg 2009 war der Ausbau der Vorlesungsaufzeich- nungen, neben der Nutzung der zentralen Lernplatt- 2 . E RWA RT U N G E N DE R S T UDI E R E NDE N form, ein wichtiger Wunsch der Studierenden. Studierende sehen in E-Learning-Angeboten gute Möglichkeiten, das Lernen zu individualisieren und zu Von den Studierenden an den Musikhochschulen wer- flexibilisieren sowie Interaktionen zu fördern. Sie er- den bestehende und zukünftige E-Learning-Angebote kennen darin das Potenzial, die Attraktivität der Hoch- ebenfalls eindeutig positiv gesehen. Es werden vor al- schule zu steigern. Dies gilt gleichermaßen für alle lem zwei Vorteile betont: Die orts- und zeitunabhängi- Hochschultypen. ge Prüfungsvorbereitung und Nachbereitung der Lehr- veranstaltungen sowie die Möglichkeit für ausländische Eine Befragung an der Universität Freiburg 2009 ergab Studierende mit (noch) nicht perfekten Deutschkennt- weiter, dass bei der inhaltlichen Nutzung von Online- nissen, den Vorlesungs- oder Seminarstoff in individu- Inhalten von Studierenden ein einheitlicher Zugang eller Geschwindigkeit nacharbeiten zu können. Die zu Lehrmaterialien über die zentralen Lernplattformen Studierenden beurteilen E-Learning-Angebote auch im als Erleichterung empfunden wird. Viele Studieren- Bereich der künstlerischen Lehre positiv. Hier wird al- de wünschen sich hier eine noch konsequentere Nut- lerdings auch der Wunsch geäußert, dass Multimedia- zung zentraler Plattformen durch die Lehrenden. Die dateien (z.B. Dokumentationen von Meisterkursen Bereitstellung von Vorlesungsaufzeichnungen wird oder Seminaren) anhand unterschiedlicher Faktoren von den Studierenden als äußerst hilfreich zur Nach- inhaltlich besser erschlossen werden. Eine E-Learning- bereitung der Vorlesungen sowie als ergänzende Prü- Einheit, die zum Beispiel den Mitschnitt eines Meister- fungsvorbereitung angesehen. Zudem ermöglichen kurses beinhaltet, soll z.B. nicht nur über den Namen Aufzeichnungen u.a. denjenigen, die z.B. aufgrund fa- des Dozenten und des (Instrumental-)Fachs zugäng- miliärer Verpflichtungen nicht regelmäßig die Präsenz- lich gemacht werden, sondern auch über die dabei E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 15
NUTZERANFORDERUNGEN behandelten Musikwerke, Spieltechniken, Spezialfra- noch zurückhaltend agieren. Insgesamt wird eine ver- gen usw. Weiter wünschen sich die Studierenden eine stärkte individuelle Unterstützung und Beratung ge- bessere Anleitung zur Medienkompetenz, um selbst- wünscht, eine Verbesserung der Berücksichtigung des ständiger in Prozessen des E-Learnings mitwirken zu mit diesen Lehr-/Lernformaten verbundenen Zeitauf- können (dies vor allem auch in künstlerisch-pädago- wandes sowie die Sicherung der Nachhaltigkeit von gischen Studiengängen), und mehr Möglichkeiten zur befristet finanzierten Projekten. Weiter wird die Prob- vergleichenden Betrachtung auch in der Qualitätsdis- lematik der zum Teil fehlenden Mittel für eine adäqua- kussion (beispielsweise über Vernetzung mit anderen te Infrastruktur gesehen, die bestimmte Innovationen Hochschulen). ermöglichen würden. 3 . E RWA RT U N G E N DE R LE HR E NDE N An den Musikhochschulen steht nur ein Teil der Leh- Seitens der Lehrenden ist ein zunehmendes Engage- renden der Digitalisierung der Lehre a priori positiv ment im Bereich virtueller Lehrformate spürbar, wenn gegenüber. Ein größerer Teil ist zumindest bereit, ver- auch noch nicht über alle Fachbereiche hinweg. Leh- suchsweise an Pilotprojekten mitzuarbeiten. Interes- rende stehen laut einer Umfrage der Universität Mann- santerweise ist bei den Kolleginnen und Kollegen, die heim 2013/14 dem Thema E-Learning allerdings teil- schon länger mit E-Learning arbeiten, die Einstellung weise kritischer gegenüber als die Studierenden. überwiegend sehr positiv. Sie verbinden mit der Digi- Obwohl auch sie in der Flexibilisierung der Lehre, den talisierung der Lehre weitgehend dieselben Vorteile, zusätzlichen Lernangeboten, die beispielsweise Vi- die auch von den Studierenden eingeschätzt werden. deoaufzeichnungen bis hin zu interaktiven Lerninhal- Übereinstimmend wird von den Lehrenden gefordert, ten umfassen, durchaus Chancen zur Verbesserung dass personelle Fachhilfe zur Verfügung steht, falls E- der Lehre sehen, sind doch der (derzeit nicht vergüte- Learning in größerem Umfang eingesetzt werden soll, te bzw. nicht angerechnete) Zeitaufwand zur Qualifi- da nur wenige fachlich dazu in der Lage und bereit zierung, Erstellung und Betreuung von digitalen Lern- sind, die Entwicklung in dem Rahmen zu leisten, der inhalten, die unzureichende technische Ausstattung, ihnen zeitlich möglich ist. Einheitlich wird eine Klä- rechtliche Bedenken sowie ein Mangel an Betreuungs- rung erwartet, inwieweit solche Aktivitäten im Depu- angeboten Herausforderungen, denen begegnet wer- tat berücksichtigt werden. Im künstlerischen Bereich den muss, um E-Learning in einem höheren Maße an findet sich eine kontroverse Auffassung von Interpreta- der Universität zu etablieren. Die Lehrenden erwar- tionskultur. So wird von manchen die Befürchtung ge- ten von der Nutzung der digitalen Medien in der aka- äußert, dass dadurch noch mehr als bisher das Imitie- demischen Bildung vor allem eine Erleichterung und ren berühmter Interpreten an die Stelle eigener, selbst Besserung ihrer Lehre, d.h. ausschließlich wegen der erarbeiteter Interpretationen tritt. „Modernität“ wird kaum auf digitale Medien gesetzt. An den Pädagogischen Hochschulen ist die Entwick- lung virtueller Lehr- und Lernformate in einzelnen Fächern weit fortgeschritten, was insbesondere im Zusammenhang mit dem Fokus auf bildungswissen- schaftlicher und fachdidaktischer Lehr-/Lernforschung zu sehen ist. Es gibt aber auch Fächer, die hier eher 16 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
IV. Status Quo in Baden-Württemberg 2015 1 . H O C H S C H U L E NT W I C K LUNG DUR C H Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften se- D IG ITA L E ME DI E N hen aus drei Gründen besonderen Bedarf für elektro- Digitale Medien nehmen in Lehre und Forschung ste- nisch unterstützte Lern- und Lehrformate. Zum einen tig an Bedeutung zu. Insbesondere im Bereich der Do- sind sie die Hochschulart mit der hinsichtlich der Bil- kumentation (Audio- und Videoaufnahmen von Lehr- dungsbiografien und Vorkenntnisse am stärksten di- veranstaltungen, Speicherung und Archivierung von versifizierten Studierendenschaft. Digitale Angebo- Forschungsdaten), im Bibliothekswesen sowie in der te werden als wertvolle Unterstützung und Ergänzung Präsentation wird weitgehend bereits mit digitalen Me- gesehen, um diese unterschiedlichen Zugangsvoraus- dien gearbeitet. Vor allem im Bibliothekswesen bieten setzungen – genannt seien die aus der beruflichen Bil- sich durch die mediale Vernetzung neue Nutzungsop- dung stammenden oder die bereits im Beruf stehenden tionen (z.B. über die Elektronische Zeitschriften-Bib- Studierenden – und auch die unterschiedlichen Her- liothek EZB oder den jstore (Journal Store, New York)). angehensweisen beim Kompetenzerwerb auszuglei- Allerdings sehen die meisten Hochschulen in der zu- chen. Für diese Gruppe wird vorrangig die Unterstüt- nehmenden Digitalisierung der Lehre primär ein Addi- zung der bewährten Präsenzlehrformate durch digitale tivum und weniger ein Substitut bestehender Lehrtra- Lernformate gesehen. Zweitens ist die Digitalisierung ditionen und Vermittlungsformen. der Lehre wichtig, um internationale Studierende, die bereits an baden-württembergischen Hochschulen stu- Für die Universitäten haben digitale Medien eine dieren, zu unterstützen (z.B. Spracherwerb, interkultu- Schlüsselfunktion in der strategischen Ausrichtung der relle Kompetenz) und um zukünftige Studierende zu Hochschulen hinsichtlich Flexibilisierung, Individuali- gewinnen, die häufig einer besonderen Studienvorbe- sierung und Internationalisierung von Forschung und reitung bedürfen. Hierfür sind sowohl aus Marketing- Lehre sowie einer Öffnung der Hochschulen zur Er- als auch aus Ressourcengründen ergänzende bis hin schließung neuer Zielgruppen. Die breite Integration zu überwiegend digital unterstützte Angebote und die digitaler Lehr- und Lernformate erfordert umfassende Präsenz in ausländischen Bildungsmärkten notwendig. Strategien, bei der unterschiedliche Akteure aus der ge- Drittens erfordert insbesondere auch der Ausbau be- samten Hochschule auf verschiedenen Ebenen einbezo- rufsbegleitender Studienangebote eine systematische gen werden müssen. Es gilt bestehende organisatorische Unterstützung durch vielfältige E-Learning-Angebote. Prozesse und Abläufe neu zu überdenken. Lehrende werden selbst zu Lernenden, die im Umgang mit den Die Pädagogischen Hochschulen nehmen bei der Ent- digitalen Medien geschult und mit den sich verändern- wicklung von Konzepten zur Digitalisierung von den Lehr- und Lernformen vertraut gemacht werden Lehre eine besondere Rolle ein, da sie aufgrund ih- müssen. Neben einer gesamtuniversitären Medien- und rer Ausrichtung über eine große Expertise im Be- Digitalisierungsstrategie sind somit auch Qualifizie- reich bildungswissenschaftlicher und fachdidakti- rungsmaßnahmen, Anreizsysteme und strategische Part- scher Lehr-Lernforschung verfügen. Diese umfasst nerschaften mit anderen Hochschulen erforderlich. sowohl die hochschuldidaktische Forschung als auch E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 17
S TAT U S Q U O I N B A D E N - W Ü R T T E M B E R G 2 0 1 5 die Forschung zum Einsatz von digitalen Medien in liegt hier für Musikhochschulen ein wesentlicher Be- der Lehre. Des Weiteren ist für viele Lehrende an den standteil ihrer Entwicklungsstrategien. Wollen die Mu- Pädagogischen Hochschulen die Befassung mit inno- sikhochschulen langfristig im globalen Kontext konkur- vativen mediengestützten Lehr-/Lernszenarien ein renzfähig bleiben, ja ihre Exzellenz behaupten, bedarf Kernarbeitsbereich, zumal einige Hochschulen auch es einer entsprechenden Ausstattung, Aufrüstung sowie mediendidaktische Bachelor- und Masterstudiengänge Möglichkeiten für eine forschungsbegleitende struk- aufgebaut haben. Aus diesen Gründen sehen sich die turelle Entwicklungsarbeit, um neue, essentielle For- Pädagogischen Hochschulen in einer besonderen Ver- mate sowohl für die wissenschaftlichen Fachbereiche antwortung für die Entwicklung von innovativen digi- als auch im künstlerischen Kernbereich entwickeln zu talen Lehr-/Lernszenarien in der Hochschullehre. Die können. Hierbei wurden bislang E-Learning-Konzep- Bedeutung der Digitalisierung von Lehre für die Päda- te im künstlerischen Kernbereich, der weit über 50 % gogischen Hochschulen wird auch dadurch noch ver- der Studiengänge ausmacht, genauso wenig in den Fo- stärkt, dass sich die Studiengänge durchweg an Stu- kus genommen wie die Entwicklung lernunterstützen- dierende richten, die zukünftig in pädagogischen der Umgebungen im Kernbereich der Musikpädagogik Professionen tätig sein werden. Nur wenn sie sich und -didaktik. Diese Herausforderung betrifft alle Mu- schon als Studierende intensiv mit den Möglichkei- sikhochschulen gleichermaßen und verlangt neben ei- ten, aber auch den Grenzen und Gefahren sowie den ner technisch-medialen Ausstattung vor allem konzepti- Vorgehensweisen bei einem sinnvollen Einsatz digita- onelle und strukturelle Entwicklungsarbeit. ler Medien auseinandersetzen, werden sie in der Lage sein, auch die zukünftigen technischen Entwicklungen Das besondere Merkmal der DHBW ist die durchge- professionell in ihrem Beruf einzusetzen. Insbesonde- hende und konsequente Verzahnung des Studiums mit re deshalb sind die Studierenden der Pädagogischen dem anwendungsbezogenen Lernen in der Arbeitswelt. Hochschulen wichtige Multiplikatoren für den sinn- An der DHBW sind die beteiligten Unternehmen und vollen Einsatz digitaler Medien beim Lehren und Ler- sozialen Einrichtungen als gleichberechtigte Partner nen. Der Ausbau in diesem Bereich ist an den Pädago- Mitglieder der Hochschule. Gemeinsam entwickeln al- gischen Hochschulen damit besonders wichtig. le Beteiligten das duale Studienkonzept beständig wei- ter. Seit 2012 setzt die Hochschule eine digitale, drei Für die Entwicklung der Musikhochschulen bilden di- Säulen umfassende Agenda um, die stufenweise die gitale Medien einen wesentlichen Motor mit sehr un- Nutzung von digitalen Medien für Studium und Leh- terschiedlichen Nutzungsprofilen in den verschiede- re erweitert. Die drei Säulen umfassen den Ausbau nen Handlungsfeldern. Rezeption und Produktion von der technischen Infrastruktur für E-Learning durch ein Musik verändern sich essentiell seit der globalen Ver- hierfür 2014 eingerichtetes E-Learning-System und Ser- fügbarkeit von digitalen Medien. Dadurch verändert vicezentrum, die Schaffung der Voraussetzungen zur sich der Musikbegriff und das Musikbegreifen perma- Erarbeitung, Bereitstellung und gemeinsamen Nut- nent und ebendies bedeutet die eigentliche Heraus- zung von Lerninhalten sowie den Aufbau einer Com- forderung für Musikhochschulen. E-Learning in einem munity der E-Learning Akteurinnen und Akteure der künstlerisch-praktischen Studium, das sich dem Exzel- Hochschule. lenzanspruch verpflichtet sieht, muss hier in einem er- weiterten Sinne verstanden werden. Konturierung und Aktuell besteht an den meisten Hochschulen noch ein Definition stehen dabei erst ganz am Anfang, dennoch Ressourcenproblem: Ein stärkerer Ausbau digitalisier- 18 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
S TAT U S Q U O I N B A D E N - W Ü R T T E M B E R G 2 0 1 5 ter Lehre führt zu einem verstärkten Bedarf an Support nahmen doch den Anstoß zur Einrichtung nachhalti- für Studierende und Lehrende bei der Lösung indivi- ger Strukturen, von Medienzentren und E-Learning- dueller hard-/softwareseitiger Problemstellungen sowie Servicestellen. Aus den geförderten Projekten gingen individueller Bedienungshandhabungen. Das weitere Kompetenzen, Infrastrukturen und technische Ent- Forcieren der Digitalisierung der Lehre zu einem dau- wicklungen hervor. Durch die dauerhafte Zusicherung erhaften, teilweise öffentlichen Angebot videobasierter der Qualitätssicherungsmittel konnten in der jüngeren und interaktiver Lehrveranstaltungen beispielsweise in Vergangenheit einige Projektstellen entfristet werden. Form von Massive Open Online Courses (MOOCs) ist Auf Basis des aktuellen Hochschulfinanzierungsvertra- mit den gegenwärtig verfügbaren Ressourcen an den ges besteht nun an einzelnen Hochschulstandorten die meisten Hochschulen ohne weitere finanzielle Unter- Möglichkeit, dringend benötigte Strukturen auf- und stützung nicht realisierbar. auszubauen und einige oft langjährig befristete Perso- nalstellen zu verstetigen. 2 . F Ö R D E R A K T IV I T ÄT E N DE S LANDE S BA D E N -WÜ RT TE M B E R G Eine weitere große Initiative, die die Entwicklung von Das Land Baden-Württemberg hat das Potenzial der Online-Studienangeboten an zahlreichen Hochschu- IuK-Technologien früh erkannt und bereits 2001 ge- len des Landes geprägt hat, war das Förderprogramm meinsam mit den Hochschulen Empfehlungen für Me- Master Online (2006–2012). Gefördert wurde die Kon- dienentwicklungspläne erarbeitet. Die Landesregie- zeption, Entwicklung, Einrichtung und Durchführung rung unterstützt die Hochschulen seit vielen Jahren von multimedial aufbereiteten, onlinegestützten Auf- bei der Integration digitaler Medien und Kommunika- baustudiengängen in Fachrichtungen, für die eine ho- tionstechnologien in die Lehre mit vielfältigen Projek- he Nachfrage besteht. Die Master Online Studiengänge ten und Initiativen und mit hohen Investitionen beim sind sowohl auf einem hohen wissenschaftlichen Ni- Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Infor- veau als auch praxisnah angelegt und bieten ein attrak- mationsinfrastruktur sowie durch die Verbesserung der tives Weiterbildungsangebot für Berufstätige. Gera- Rahmenbedingungen. de an Standorten, an denen mehr als nur ein Angebot über das Förderprogramm eingerichtet werden konn- Neben Einzelprojekten wurden bereits Ende der te, haben sich weitere Aktivitäten in der wissenschaftli- 1990er Jahre Verbundprojekte wie die Multimedia-Ge- chen Weiterbildung angeschlossen. Zum Teil konnten meinschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom AG auf den Erfahrungen aufbauend weitere Projektmittel (1997–2000) und die „Virtuelle Hochschule Baden- (BMBF „Offene Hochschule“, MWK-Programm „Aus- Württemberg (VHBW)“ (1998–2005) gefördert. Ziel bau Berufsbegleitende Masterangebote“ im Rahmen der Landesprogramme war, in Verbundprojekten die der 1. Ausbaustufe des Programms Master 2016) ein- an E-Learning interessierten Lehrenden zusammen- geworben werden, um Blended Learning Weiterbil- zubringen, didaktische Konzepte weiterzuentwickeln, dungsangebote zu entwickeln. strukturelle Rahmenbedingungen und vor allem di- gitalen Content zu schaffen. Auch wenn viele Einzel- Die Nachfrage nach vollwertigen Master-Studienab- vorhaben der VHBW trotz guter Durchführung nach schlüssen ist allerdings weitaus geringer als die nach Auslaufen der Förderzeiträume aus Eigenmitteln der speziellen Modulen, die in zeitlich überschauba- Hochschulen nicht weiterfinanziert und damit nicht rem Rahmen aktuell nachgefragtes Wissen vermit- verstetigt werden konnten, gaben die Fördermaß- teln. Viele Studiengänge nutzen deshalb die auf Grund E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R 19
S TAT U S Q U O I N B A D E N - W Ü R T T E M B E R G 2 0 1 5 dieser Erfahrung durch die Änderung des Landeshoch- tal auf Projektbasis von 2002 bis 2004 von der Ber- schulgesetzes (LHG) geschaffene Möglichkeit des An- telsmann-Stiftung und der Heinz-Nixdorf-Stiftung, gebots von Kontaktstudien. Hier buchen die Teilneh- von 2005 bis 2006 vom Bundesministerium für Bil- merinnen und Teilnehmer einzelne Module, erhalten dung und Forschung (BMBF) und ab 2007 vom Wis- für den erfolgreichen Abschluss Zertifikate, die sie als senschaftsministerium Baden-Württemberg. Seit 2014 einzelnen Weiterbildungsnachweis oder als anrechen- wird es vom IWM unterhalten. Es dient als Selbstlern- baren Baustein für ein späteres Masterstudium verwen- angebot bzw. als Baustein für hochschulspezifische den können. Qualifizierungs- und Medienentwicklungsstrategien und richtet sich an alle E-Learning Akteure im Hoch- Mit den Förderinitiativen wurde und wird überwie- schulbereich (Lehrende, Mitarbeitende in Servicebe- gend die fachliche Entwicklung der Studienangebote reichen, aber auch Hochschul- und Projektleitungen). gefördert und nur zum Teil die technische Infrastruk- Es bietet in acht Rubriken frei zugängliche, anwen- tur oder zentrale Personalressourcen, so dass es in den dungsorientierte, wissenschaftlich fundierte und qua- nächsten Jahren gilt, Gesamtkonzepte und nachhaltige litätsgesicherte Informationen zu didaktischen, techni- Strukturen zu schaffen, die bestehende Insellösungen schen und organisatorischen Aspekten von E-Learning konsolidieren und den Aufbau eines breiten Weiterbil- und E-Teaching. Das Portal ist ein gelungenes Beispiel dungsangebotes ermöglichen. Die Hochschulen begrü- für ein erfolgreiches Projekt, das nach Ende der Förder- ßen sehr, dass sich das Ministerium für Wissenschaft, phasen nachhaltig etabliert wurde. Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) mit der aktuellen Ausschreibung zum „Auf- und Aus- Im Jahr 2014 erhielten einige Hochschulen aus dem bau von Strukturen der wissenschaftlichen Weiterbil- „Programm zum Ausbau der fremdsprachigen (insbe- dung an Hochschulen in Baden-Württemberg“ hier er- sondere englischsprachigen) Lehrangebote der Hoch- neut engagiert. schulen in Baden-Württemberg unter möglicher Be- rücksichtigung fremdsprachiger E-Learning-Angebote Aus einzelnen Förderprojekten sind zusätzliche Ent- (insbesondere MOOCs)“ eine Anschubfinanzierung wicklungen bzw. Kontakte unter den E-Learning Ak- für neue Initiativen, um die Voraussetzungen für eine teurinnen und Akteuren entstanden (z.B. Entwicklung qualitativ hochwertige fremdsprachige Hochschullehre des ECS-Servers 7 zum Austausch von Lehrveranstal- in Zeiten des quantitativen Ausbaus der Studienplatz- tungen über Lernplattformen, „eLearning OpenSpace“ kapazitäten zu verbessern. 2007 in Stuttgart oder der ELAK der Pädagogischen Hochschulen 8 ). Vom MWK gefördert, leitet die Universitätsbibliothek Heidelberg das baden-württembergische Landesdigi- Mit dem vom Leibniz-Institut für Wissensmedien talisierungsprojekt „Vom Tresor in die Welt“, das maß- (IWM), Tübingen, entwickelten und betreuten In- geblich das Bürgerportal „LEO-BW – Landeskunde ternetportal e-teaching.org 9 verfügt Baden-Württem- entdecken, erleben, erforschen online 10 “ bestückt und berg über das bundesweit einzige Beratungsportal zu damit einen Beitrag zum lebenslangen Lernen leistet. E-Learning an Hochschulen. Gefördert wurde das Por- Die Projekterfahrungen belegen, dass mit jedem er- 7 E-Learning-Community-Server, http://freeit.de/de/ecsa/ecs.html folgreichen Projekt ein Anstieg der Verbindlichkeiten 8 E-Learning-Arbeitskreis aller 6 Pädagogischen Hochschulen 9 www.e-teaching.org 10 http://www.landesarchiv-bw.de/web/50999 20 E - L E A R N I N G – S T R AT E G I S C H E H A N D L U N G S F E L D E R
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