MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...

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mmm.verdi.de
                                                                               E 2814
                                                                          Jahrgang 68

                      MENSCHEN
                      MACHEN                           Funke Mediengruppe
                      MEDIEN                           Hunderte Entlassungen

                                                       Keine Wertschätzung
Medienpolitisches ver.di-Magazin März 2019 Nr. 1       Frauen verdienen weniger

                                                   Aus- und Weiterbildung
                                                      Fordern und fördern
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
INHALT

IM FOKUS
AUS- UND WEITERBILDUNG                                                  MEDIENWIRTSCHAFT                   BERUF

6    FORDERN UND FÖRDERN        13    ZUNEHMENDER TREND ZU              16   FILMSTAB UNTER DRUCK          22 THEMIS ANGENOMMEN
     Von Silke Hoock                  INHOUSE-SEMINAREN                      Arbeitsbelastung                 Vertrauensstelle gegen
                                                                             treibt Beschäftigte              sexuelle Belästigung:
8    ALLES GRÜN MACHT DER       14    ONLINE-SCHULE                          in andere Jobs                   Schritt in Richtung
     AUFNAHMELEITER                   FÜR JOURNALISTEN                                                        Kulturwandel
     Volontariat beim SWR             GESTARTET                         18   MASSIVE STREICHUNGEN
     und Weiterbildung zum            Low-Cost-Weiterbildung                 IM FUNKE-KONZERN              23 SCHON ENTDECKT?
     Green Consultant                 in der „Reporterfabrik“                Hunderte Entlassungen            NORDSTADTBLOGGER
                                      von Correct!v                          mitten in der Pilotphase
10   FÜR EINE WACHSENDE                                                      von „User First“              24 JE PREKÄRER DER JOB
     LEIDENSCHAFT                                                                                             DESTO MEHR FRAUEN
     Vermittlung von Handwerk   PORTRÄT                                 19   BITTERES AUS FÜR                 Journalistinnen verdienen
     und Verantwortungs­                                                     M-DRUCKEREI APM                  weniger und bekleiden sel-
     bewusstsein gegenüber                                                                                    tener Führungspositionen
     der Öffentlichkeit         4     BERUF                             20 DUMONT MEDIENGRUPPE
                                      VISUAL RESEARCHER:                   Offenbarungseid aus Köln
12   DAS IPHONE ALLEIN                STEPHEN MAIER                                                        MEDIENPOLITIK
     TUT ES NICHT
     Schulungsfahrplan für                                              TARIFE UND HONORARE
     mobile Reporter bei der    MEINUNG                                                                    25 BUCHTIPP:
     Märkischen Allgemeinen                                                                                   PLATTFORM EUROPA
                                                                        21   KINO
                                5     OHNE HALTUNG                           Existenzsichernde             26 EUROPÄISCHE
                                      GEHT ES NICHT                          Löhne gefordert                  WEICHENSTELLUNGEN
                                      Kommentar von                                                           Medienpolitik betrachtet
                                      Georg Restle / Monitor            21   PAPIER, PAPPE,                   vor dem Hintergrund
                                                                             KUNSTSTOFFE                      der Europawahl im Mai
                                                                             Gutes Tarifergebnis erzielt

                                                                        21   THOMSON REUTERS               VER.DI UNTERWEGS
                                                                             Erste Runde erfolgreich

                                                                                                           28 DIE CHANCEN IM BLICK
                                                                                                              dju und Fachgruppe Medien

                                      M
                                                                                                              mit neuen Vorständen und
                                                                                                              jeder Menge Vorhaben
Titelbild                                            ONLINE
Volontär Patrick Schwemling                                                                                30 GUT AUFGESTELLT FÜR
(.l.) mit seinem Ausbildungs­                                                                                 NEUE AUFGABEN
                                            Immer aktuell informiert.
redakteur Jan Henning Rogge          Alle 14 Tage per Newsletter die                                          Konferenzen im Fach­
beim Mindener Tageblatt (S.6)        neuesten Beiträge im Überblick.                                          bereich Medien, Kunst und

                                     >> mmm.verdi.de
Foto: Alex Lehn                                                                                               Industrie

                                                                                                           31   IMPRESSUM

2 M 1.2019
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
XXXXXXXXXXXXXXX
                                                                                                     XXXXXXXXXXXXXXX

                                                                                                  Karikatur: Toonpool / mandzel

            Verantwortung übernehmen
                     „Jeder ist seines Glückes Schmied“ – ein Ausspruch der alten Römer. Das gilt bis heute, meint auch
 n v. Polentz

                     Ausbildungsredakteur Jan Henning Rogge vom Mindener Tageblatt. Er fordert seinen Volontären alles
                     ab, aber er fördert sie auch, sorgt für gute Bedingungen beim Schmieden von Ideen und deren Um-
                      setzung in crossmedialen journalistischen Content für die Lokalzeitung (S. 6 / 7).
    Foto: Christia

       Auch wenn das Lern-Engagement des Einzelnen ein entscheidender Faktor ist, es enthebt den
       ­Arbeitgeber nicht seiner Verantwortung für eine qualitativ hohe Aus- und Weiterbildung. Eigent-
    lich eine Binse, denn schließlich profitieren letztlich die Unternehmen von guten Fachkräften.
Erstaunlich ist jedoch, dass uns die Realität immer wieder eines besseres belehrt. Oft muss um Freiräume
fürs Lernen gerungen werden. Selbstständige werden häufig ausgeschlossen oder müssen ­Seminar und
Workshop aus eigener Tasche bezahlen. Und das, obwohl sie in Print- und Rundfunkredaktionen einen
Großteil der Arbeit leisten. M Menschen Machen Medien fragt im aktuellen Magazin 1/2019, wie die Pra-
xis aussieht. Positive Beispiele – sei es in Verlagen wie in Minden, aber auch im Rundfunk wie im SWR
beim Volontariat für Aufnahmeleitung (S. 8/9) – bis hin zu Schwachstellen (S. 12 / 13) und umstrittene
Trends in der Weiterbildung ergeben einen ersten Problemaufriss.

Wer hätte jemals gedacht, dass die Zahl der Bewerbungen für Medienausbildungen so eklatant zurückgehen,
wie es derzeit der Fall ist. Aber offenbar hat das auch damit zu tun, dass es um die Zukunftschancen von
Absolvent*innen, Volontär*innen und Praktikant*innen im Journalismus, aber auch von Druckfach­kräften,
nicht zum Besten bestellt ist, angesichts der aktuellen massiven Stellenstreichungen bei den ­Mediengruppen
Funke und DuMont. M ist zudem von der Schließung der Druckerei apm betroffen und wird mit dieser
Ausgabe erstmals in Gütersloh gedruckt. 130 apm-Kolleg*innen verloren ihren Job. (S. 18 – 20)

Diese Umbrüche in der Branche einhergehend mit Entlassungen, Tarifflucht und Arbeitsverdichtung wa-
ren dieser Tage Thema in den Delegiertenkonferenzen der Fachgruppen des Bereiches Medien, Kunst und
Industrie (S. 28 – 31). Der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft
in ganz Europa stand ebenfalls auf der Agenda. Vor dem Hinter-
grund der Wahlen des europäischen Parlaments im Mai hat M
die aktuellen medienpolitischen Weichenstellungen aus Brüssel
kurz zusammengefasst (S. 26 / 27).

Ausführliche Berichte über die Konferenzen der Fachgruppen so-
wie über den im Januar gestarteten „M Medienpodcast“ sind zu
finden in M Online (mmm.verdi.de) und in Kunst und Kultur
Online (kuk.verdi.de).

Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

                                                                                                                 1.2019 M 3
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
PORTRÄT

Beruf
Visual Researcher:
Stephen Maier

Fähig,
um die Ecke
                                                                     ristin-Wolff

zu denken
                                                        Foto: Marie-K

    A
                ls Visual Researcher gehört       Ein persönlicher Meilenstein war für ihn die         erklärt Maier. Mit den Rechte­gebern verein-
                Stephen Maier zu einer Hand-      Mitarbeit an der preisgekrönten ARD/ARTE­-           bart er einen Preis pro Minute oder Sekunde
                 voll Spezialist*innen bundes-    Dokumentation „Der Vietnamkrieg – Gesicht            bzw. pro Bild oder Dokument. Der Aufwand
                 weit, die für Film- und Fern-    einer Tragödie“. „Wir mussten ein Potpourri          wird deutlich, wenn man weiß, dass in einer
                 sehproduktionen alle Arten       von Blickwinkeln recherchieren“, erinnert            historischen Dokumentation Materialien aus
von Fremdmaterialien besorgen. „Viele Pro-        sich Maier. Sowohl die Perspektiven der trau-        bis zu 30 verschiedenen Quellen verarbeitet
duktionen machen immer noch den Fehler,           matisierten GIs, als auch die der nordviet­          werden. Liegt der Film dann grob vor, muss
Clips einfach aus YouTube zu ziehen und erst      namesischen Kämpfer, der Südvietnamesen,             der Researcher in den Schnitt und möglichst
im Nachhinein darüber nachzudenken, wer           der westdeutschen Regierung und die der              schnell anhand der Timeline ausrechnen, was
denn eigentlich die Rechte daran hält“, be-       DDR-Regierung sollten im Film thematisiert           das Archiv letztlich kosten wird. Dann muss
schreibt Maier die Problemlage. Sein Job als      werden. Maier lieferte Pro-Nordvietnam-              vielleicht gekürzt oder aufgesattelt werden,
Visual Researcher ist es, sich – möglichst früh   Bei­träge des DDR Fernsehens und Clips aus           um das Material ins Budget zu bekommen.
– darum zu kümmern, welche Materialien zu         Bändern von Gert Ruge und Peter Scholl-­             „Das erfordert viel Erfahrung und ein persön-
welchem Preis zu haben sind, deren Rechte         Latour aus dem WDR-Archiv.                           liches System, um die Kosten möglichst
zu klären und sie für die Produktion zu besor-                                                         schnell zu eruieren“, so Maier.
gen. Kommt die Rechtefrage erst am Ende des       Grundsätzlich kümmern sich Visual Resear-
Produktionsprozesses auf den Tisch, gibt es       cher um alle Arten von Fremdmaterial: Fotos,         Als wichtige Voraussetzungen für seinen Be-
unter Umständen Probleme und ungeplante           Filmclips, Zeitungsausschnitte, Akten. Zurzeit       ruf nennt er „Neugierde, Mut und die Bereit-
Mehrkosten.                                       sichtet Maier Akten in der Stasiunterlagen-Be-       schaft und Fähigkeit, um die Ecke zu denken.“
                                                  hörde. Die werden dann gescannt und ein              Wenn er bei einem Auftrag nicht auf sein
Maier hat an der FU Berlin Geschichte und         Grafiker fährt sie mit der virtuellen Kamera         Netzwerk zurückgreifen kann, muss er impro-
Publizistik studiert und ist dann bei der Köl-    ab und highlightet die Ausschnitte, die spä-         visieren. Sein Geschichtsstudium hilft ihm
ner ZDF-Tochter „Gruppe 5 Filmproduktion“         ter übers Filmbild laufen sollen. Aus von            dabei, historische Quellen einzuordnen und
eingestiegen. Die zeichnet für bekannte Ge-       Maier gelieferten Fotos entsteht ein virtuelles      zu bewerten. In den USA, Kanada und Frank-
schichtsdokumentationen für das ZDF, etwa         Fotoalbum, das im fertigen Film durchge­             reich sind Visual Researcher inzwischen fes-
die Guido Knopp-Reihe „Die Deutschen“ ver-        blättert wird.                                       ter Teil einer Doku-Produktion. In Deutsch-
antwortlich. Gut für den Researcher – das                                                              land fehlt noch eine formale Ausbildung und
Handwerk konnte er in der firmeneigenen           Manchmal führen ihn Rechercheaufträge                das Berufsbild ist bisher wenig professionali-
­Abteilung für Archivrecherche und Rechteklä-     auch ins Ausland. Für die oben genannte Viet­        siert. Auch deshalb möchte Maier, zusammen
 rung von der Pike auf lernen. Dem Thema          nam-Dokumentation war er persönlich im Ar-           mit anderen Kolleginnen und Kollegen, eine
 zeitgeschichtliche Dokumentationen ist er        chiv des französischen Militärs. Material aus        Berufsorganisation für Visual Research auf-
 treu geblieben, heute in der „Februar Film       dem Washingtoner National Archive (NARA)             bauen. „In Deutschland gibt es bisher ledig-
 GmbH“ in Berlin. „Obwohl ich 50 Prozent          dagegen gibt er bei Rechercheuren vor Ort in         lich den PICTAday, bei dem sich aber vorwie-
 meiner Zeit als Producer unterwegs bin, blei-    Auftrag. Die Rechteklärung ist ein wichtiger         gend Journalist*innen mit Fotoarchiven tref-
 ben die Recherche im Archiv und die Klärung      Teil seines Jobs. Die betrifft örtliche, zeitliche   fen. Die Filmemacher*innen und Film­archive
 der Rechte meine Steckenpferde,“ schwärmt        und sachliche Rechte. „Je umfangreicher das          fehlen dort noch”, bedauert Stephen Maier.
 Maier von seinem Job.                            Rechtepaket sein soll, desto teurer wird es“,                                  Gunter Becker ‹‹

4 M 1.2019
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
MEINUNG

            Ohne Haltung geht es nicht
                    E
                               s ist ein vergifteter Begriff,   ­ ewegen habe, hat die Welt nicht verstanden,
                                                                b                                                 Haltung garantiert Unabhängigkeit. Wer
                               über den im medialen Kuppel­     über die wir berichten.                           nur abbildet, was andere uns in den Notiz-
                                zelt gerade so ausgiebig und                                                      block diktieren, macht sich zum verlängerten
                                 aufgeregt diskutiert wird:     Haltungsloser Journalismus ist eine Chi­          Arm von Kampagnenführern. Das ist das
                                 Haltung! Vergiftet, weil von   märe. Wer glaubt, Journalismus käme ohne          große Missverständnis, dass sich hinter dem
            durchaus interessierter Seite boshaft miss­         Haltung aus, hat noch nie einen Skandal auf-      Dogma verbirgt, dass wir nur abbilden soll-
            verstanden wird, dass Haltung eben kein Sur-        gedeckt. Woran messen wir politisches Ver­        ten, was sei. Ohne Einordnung, ohne Hinter-
            rogat für Wahrhaftigkeit ist und auch kein          sagen oder Fehlverhalten einer Regierung? An      fragung, ohne Kontext und Kritik läuft ein
            ­militärischer Oberbefehl, dem sich alle jour-      Maßstäben, die eben nicht voraussetzungslos       ausschließlich abbildender Journalismus im-
             nalistischen Tugenden unterzuordnen haben.         sind, sondern an einen gemeinsamen Werte-         mer Gefahr zum Propaganda-Instrument zu
             Die Diffamierung des Begriffs folgt dabei          kanon appellieren, der nicht zuletzt in den       verkommen. Dass wir uns als Journalisten
             ­einem leicht durchschaubaren Kalkül: Jour-        Grundrechten unserer Verfassung, ihrem            und Journalistinnen ein eigenes Bild machen
              nalistinnen und Journalisten mögen das Feld       Rechtsstaats- und Demokratieverständnis           und nicht nur wiederkäuen, kolportieren oder
              doch besser denen überlassen, die sich auf        umrissen wird. Wir halten die Vermögensver-       weiterverbreiten, muss gerade in Zeiten der
              den digitalen Kanälen zu neuen Meinungs-          teilung in Deutschland für ungerecht oder         großen digitalen Verwirrung wieder ins Zen-
              führern in eigener Sache erklärt haben und        Pflegeheime für menschenunwürdig. Deshalb         trum unseres journalistischen Selbstverständ-
              ihre schlecht kaschierte Propaganda mög-          berichten wir darüber, deshalb wählen wir         nisses rücken. Das vor allem ist mit journalis-
              lichst störungsfrei unters Volk bringen wollen.   solche Themen aus.                                tischer Haltung gemeint, die Unabhängigkeit
              Schon deshalb ist Trennschärfe ein Gebot der                                                        für sich beansprucht.
              Stunde, um Journalismus von Propaganda,           Haltung erfordert Transparenz. Ohne
              Berichterstattung von Kampagne zu unter-          Transparenz wird Haltung zur Manipulation.        All dies mögen Selbstverständlichkeiten sein.
              scheiden.                                         Deshalb ist es wichtig, unseren Erkenntnis-       Und doch schleicht sich das Gift einer Kam-
                                                                weg und unsere Recherchen nachvollziehbar         pagne in die Hinterköpfe ein, die den „Hal-
            Haltung setzt Wahrhaftigkeit voraus. Wer            zu machen. Unseren Auswahlkriterien liegen        tungsjournalisten“ zum neuen Feindbild aus-
            meint, Haltung erlaube es, fünfe gerade sein        Wertungen zugrunde, unseren Erzählperspek-        erkoren hat. Dem gilt es entgegenzutreten –
            zu lassen, erhebt die Lüge zum journalisti-         tiven, unseren Schlussfolgerungen – ob wir es     mit journalistischem Selbstbewusstsein und
            schen Prinzip. Nein, Haltung erlaubt nicht,         wollen oder nicht. Diese müssen wir transpa-      Haltung. Womit denn
            Unerwünschtes wegzulassen oder Erwünsch-            rent machen, um glaubwürdig zu bleiben. Na-       sonst?
            tes zu verklären. Es gibt kein Recht eines Jour-    türlich gehört dazu auch, persönliche Mei-        Georg Restle
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
IM FOKUS

                        Eine gute Ausbildung und das ständige Dazulernen im Umgang mit neuen digita-
                        len Formaten und modernsten Techniken ist auch in Medienbetrieben ein dring-
                        liches Erfordernis. Dieser These wird öffentlich gern zugestimmt. Aber wie sieht
                        die Realität aus in einer Branche, in der es nicht mehr uneingeschränkt hip ist,
                        „irgendwas mit Medien zu machen“?

Fordern und fördern
                        Von Silke Hoock

             E
                        r ist immer erreichbar für sie. Wenn der Schuh drückt,       vier Monaten in der Ausbildung und hält sich noch
                         wenn sie sich übergangen fühlen. Er achtet darauf,          bedeckt. Der dritte Volo hat Spätdienst. Die Runde
                         dass sie eine inhaltlich gute Ausbildung erhalten und       geht auseinander, die Arbeit ruft. Volo Dittmann geht
                         nicht an der Kaffeemaschine verheizt werden. Er tritt       ins Lokale, Volo Schwemling arbeitet in der Online-Re-
                          ihnen auf die Füße, um sie zu fordern und zu för-          daktion. Hier lernt er, Themen zu werten, interessant
                          dern. Sein Ziel ist es, sie fit zu machen für einen Job,   zu teasern. Für das Mindener Tageblatt ist er auch als
                           der bedroht ist. Jan Henning Rogge ist Ausbildungs-       Video-Redakteur und auf Facebook unterwegs. „Wir
                           redakteur beim Mindener Tageblatt. „Ich mag Men-          dürfen und sollen alles“, berichtet der studierte
                        schen“, sagt der 43-Jährige und das ist wohl die Grund-      Sprachwissenschaftler. „Volos dürfen alles, ihre Texte
                        voraussetzung für einen guten Volo-Vater.                    und ihre Videos werden aber von Redakteuren auto-
                                                                                     risiert“, ergänzt Rogge, der auch in diesem Jahr drei
                        „Ausbildungsredakteur ist mein Hobby“, sagt der              Volontäre betreut. Dass diesmal keine Frau dabei ist,
                        Mann, der den Volontären mit Respekt begegnet.               sei Zufall, bestimmt keine Absicht.
                        Auch an diesem Morgen wird seine Haltung deutlich.
                        Jan Henning Rogge, der Online-Redakteur, der cross-          In der Regel werden die Volontäre beim Mindener
                        medial arbeitet und denkt, bittet die Volos, ihre Vor-       Tageblatt aus den Praktikanten rekrutiert, die nach ih-
                        schläge für das Jahresthema „Leben im ländlichen             rem Studium zum Praktikum in die Tageszeitung kom-
     Jeder ist seines   Raum“ vorzutragen. Dabei sollen sie das große Ganze          men. „Da sehen wir, wer sich eignet und wer nicht“,
Glückes Schmied.        im Auge behalten: gutes Thema, gut aufbereitet, cross-       sagt Rogge, der zusammen mit dem Chefredakteur in
                        medial gedacht. „Da habt ihr Gelegenheit zu zeigen,          der Auswahljury sitzt. „Das Handwerkszeug für unse-
Aus diesem              was ihr könnt. Video, Foto, Text“, sagt er ihnen.            ren Job kannst du dir aneignen. Das Brennen für den
Volontariat kannst                                                                   Job und auch das Talent kannst du aber niemandem
du wirklich was         Volontäre dürfen in Minden alles                             beibringen“, spricht der Redakteur aus Erfahrung.

machen, wenn du         Hans-Georg Gottfried Dittmann, der sein Volontariat          Jan Henning Rogge hat „Bock“ auf seine Leute und
willst.                 bald beenden wird, schlägt eine lokale Bürgersprech-         manchmal geht er mit ihnen ein Bier trinken und er-
                        stunde als Event vor: „Ein Get-Together mit Musik-           fährt im Gespräch, was gut läuft und was nicht –
                        programm, bei dem die Leute Fragen, Sorgen, Anre-            manchmal auch den privaten Grund für das eine oder
                        gungen loswerden können. Ich gehe von Tisch zu               andere, scheinbar nicht nachvollziehbare Verhalten.
                        Tisch und höre zu.“ Er selbst möchte das Event mo-           „Wir sind Menschen und es gibt für alles eine Erklä-
                        derieren. Rogge findet die Idee gut, lässt sich den Vor-     rung.“ Dennoch zieht er Grenzen zwischen Privatem
                        schlag erläutern, bittet noch darum, ihn abzustimmen         und Beruf, er muss. Denn spätestens, wenn ein Volon-
                        mit dem Lokalen und auch die Band zu checken,                tariat beendet ist und der Journalismus dem Brot­
                        „nachher will die keiner hören“. Mehr bekommt                erwerb dienen soll, zählen allein Leistung, Können,
                        Rogge an diesem Morgen nicht vorgelegt. Grund: Der           Engagement. Für alles andere gibt es dann meistens
                        zweite Volontär Patrick Schwemling (30) ist erst seit        kein offenes Ohr mehr.

6 M 1.2019
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
Foto: Alex Lehn
Immer weniger junge Menschen bewerben sich um                Zu dem Zeitpunkt war er bereits fünf Jahre Redakteur       Die Volontäre
ein Volontariat. „Früher standen die Leute Schlange          und hatte den ehemaligen Chefredakteur Christoph           Patrick Schwemling (l.) und
und mussten abgewiesen werden. Heute bist du froh,           Pepper an seiner Seite. „Pepper war ein Pionier im Di-     Hans-Georg Gottfried Ditt-
wenn sich jemand bewirbt“, sagt der Ausbildungsre-           gitalen. Er hat die Notwendigkeit nie in Frage gestellt,   mann (r.) mit ihrem Ausbil-
dakteur. Das alles liege an der mangelnden Perspek-          eher im Gegenteil“, sagt Rogge, der auch mit seinem        dungsredakteur Jan Henning
tive. Me­dienhäuser fusionierten, Redaktionen würden         Hintergrund zu überzeugen wusste. Der studierte Kul-       Rogge (m.) im Mindener
geschlossen und Redakteur*innen entlassen. Doch ob-          turwissenschaftler und Kunstgeschichtler hatte neben       Tageblatt bei der Zeitungs-
wohl man auch beim Mindener Tageblatt mit sinken-            seinem Studium für deutsche und italienische Film-         analyse.
der Auflage zu tun hat, scheint die Lokalzeitung ein         und Fernsehproduktionen als Regieassistent gearbei-
Fels in der Brandung zu sein. Das Verlagshaus wurde          tet. Kamera-, Videotechnik waren ihm bestens ver-
modernisiert. Eine neue Druckerei wurde angeschafft.         traut, auch weil er dort bei jeder möglichen Gelegen-
Die Zahl der Beschäftigten ist seit Jahren konstant und      heit von den professionellen Cuttern gelernt hat. Die
die Volontär*innen haben nach der zweijährigen Aus-          ab 1997 beim MT implantierten Online-Aktivitäten
bildung gute Chancen übernommen zu werden.                   baute Rogge schon in der Volontärszeit crossmedial
                                                             aus und entwickelte sie als Jungredakteur weiter. 2013
Recht auf Fortbildung                                        wurde er Ausbildungsredakteur.

„Dennoch hat die Branche einen Ruf, der zurzeit keine        In Zeiten, in denen Medien unter Generalverdacht ge-            In Zeiten, in
Zukunft verspricht“, kennt auch Rogge die Ängste jün-        stellt werden und der verächtliche Vorwurf Fake News       denen Medien unter
gerer Menschen. Daher setzt er bei der Ausbildung            zu produzieren, salonfähig geworden ist, sei eine gute
ganz klar auf crossmedial. Der Online-Redakteur him-         fundierte Ausbildung wichtiger denn je, betont der         Generalverdacht
self macht den Nachwuchs fit in Video, Schnitt, Ka-          neue Chefredakteur des Blattes Benjamin Piel (33).         gestellt werden, ist
mera, Ton etc. „Das müssen die alles draufhaben und          „Sie ist die Zukunft, in die wir investieren. Nur so hat   eine gute fundierte
das Schreiben sowieso“. Das Recht auf Fortbildung ein-       der Journalismus eine Chance“, sagt das Mitglied der
mal im Monat wird beim Mindener Tageblatt hochge-            Theodor-Wolff-Preis-Jury.                                  Ausbildung wichti-
halten. Auch der Besuch von externen Fortbildungen                                                                      ger denn je.
ist eine Selbstverständlichkeit. Die Hospitanz in einem      Rogges Engagement für das Cross-Mediale schlägt sich
Medium ihrer Wahl wird den Volontär*innen ermög-             im täglichen Online-Produkt des MT nieder. Aktuelle
licht. Allerdings beruht diese auf der Eigeninitiative       Videos sind inzwischen selbstverständlich. Jüngst
der Volontär*innen: „Auch hier zeigt sich: Jeder ist sei-    wurde das neue Videoformat „Fahrstuhlmusik“ einge-
nes Glückes Schmied. Aus diesem Volontariat kannst           führt. Bis zu vier Künstler*innen, die in den Fahrstuhl
du wirklich was machen, wenn du willst.“ Rogge               des Verlagshauses passen, haben für die Dauer einer
wünscht sich, dass es auch Fortbildungen für Ausbil-         Fahrt nach oben 30 Sekunden Zeit, um zu musizieren
dungsredakteure gibt. „Gibt es aber nicht. Das ist kein      und einen kreativen Minden-Bezug in ihren Texten
Scherz.“ Er selbst wurde es, weil er sich auf die frei ge-   zu liefern. Die Volontäre filmen das Ganze. „Diese Idee
wordene Position während seiner Elternzeit bewarb.           stammt von einem Volo“, freut sich Rogge.           ‹‹

                                                                                                                                         1.2019 M 7
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
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IM FOKUS

                               Alles grün macht
                               der Aufnahmeleiter
                               Volontariat beim SWR und Weiterbildung zum Green Consultant

 Amadeus Fischer ist bisher
der einzige Volontär im SWR,
 der die Weiterbildung über

                                                                                                                                                   Foto: SWR
       zwei Jahre zum Green
  Consultant absolviert hat.

                                  D
                                               ie Hotels für die Crew buchen, Fahr-     den normalen Weg eines Aufnahmeleiters durchlau-
                                               ten disponieren, Drehgenehmigun-         fen.“ Weil Kimmig Entertainment in naher Zukunft
                                                gen einholen, am Set darauf achten,     sogar ein duales Studium in Medien- und Kommuni-
                                                dass die Zeiten eingehalten werden      kationswissenschaft anbieten wollte, beschloss er, sich
                                                und das Team zusammenbleibt,            dafür zu bewerben und bis dahin erst einmal ein
                               kurzum alles koordinieren: Darum kümmert sich bei        BWL-Studium anzufangen. Doch dann hat Fischer
                               Film- und Fernsehproduktionen die Aufnahmeleitung.       während des Studiums von einer Freundin erfahren,
                               Amadeus Fischer hat im vergangenen September ein         dass der SWR ein Volontariat in Aufnahmeleitung aus-
                               Aufnahmeleiter-Volontariat beim SWR abgeschlossen        schreibt. Sie selbst hatte beim Sender ein Requisite-Vo-
                               und sich außerdem noch währenddessen zum Green           lontariat absolviert. Denn neben den klassischen Vo-
                               Consultant, also Grünen Berater, weiterbilden lassen.    lontariaten in Journalismus und Dokumentation bie-
                               Deshalb sorgt er nun zusätzlich dafür, dass der ökolo-   tet der SWR außerdem drei technisch-handwerkliche
                               gische Fußabdruck der Produktionen möglichst klein       Volontariate an: Aufnahmeleitung, Requisite und
                               bleibt. So aktuell etwa beim Ludwigshafener Tatort,      Technik/Produktion, sowie ein Kommunikationsvo-
                               dessen Vorbereitungen er noch bis Ende April als         lontariat. Mit seiner abgeschlossenen Ausbildung und
                               Green Consultant begleitet, bevor er dann bei den        den zahlreichen Praktika und Jobs bei einer Produkti-
                               Dreharbeiten zum Stuttgarter Tatort wieder als Auf-      onsfirma brachte Fischer genau die gesuchten Voraus-
                               nahmeleiter am Set steht.                                setzungen mit. Er bewarb sich – und bekam nur we-
                                                                                        nige Tage nach dem Vorstellungsgespräch die Zusage.
                               Am Anfang Praktikant und Set-Runner                      Sein BWL-Studium hat er daraufhin im dritten Semes-
                                                                                        ter abgebrochen. Das war 2016.
                               Dass er Aufnahmeleiter werden will, war für den
                               29jährigen schon ziemlich lange klar. Nach seiner Aus-   Die Ausbildung zum Aufnahmeleiter beim SWR dau-
                               bildung zum Fachinformatiker hat er immer mal wie-       erte zwei Jahre, verdient hat Fischer während dieser
                               der bei der Produktionsfirma Kimmig Entertainment        Zeit ungefähr 1.200 Euro Netto. „In den ersten zwei,
                               gejobbt, die hauptsächlich Shows und Unterhaltungs-      drei Monaten durchläuft man wirklich jede Abteilung
                               sendungen herstellt. „Am Anfang, als Praktikant, war     im Sender, von der Malerei über die Schreinerei bis ins
                               ich Set-Runner und Produktionsrunner, Jahre später       Büro, wo man jeweils immer ein paar Tage bis zu ei-
                               habe ich dann für den gleichen Produzenten mal als       ner Woche bleibt. Nach den drei Monaten geht es
                               Kabelhilfe, mal als Fahrer gearbeitet. Ich habe quasi    dann richtig los, da macht man die ganzen Studiosen-

8 M 1.2019
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
AUS- UND WEITERBILDUNG

dungen mit oder den Sport oder man ist bei der             terbildung zum Green Consultant absolviert hat.
ARD-Chefredaktion in Stuttgart.“ Im zweiten Jahr hät-      „Mittlerweile hat der SWR insgesamt schon acht oder
ten die Volontär*innen dann ein bisschen mehr Wahl-        neun grüne Berater, weitere Aufnahmeleiter, Produk-
freiheit und die Möglichkeit, sich auf bestimmte In-       tionsleiter und -assistenten haben die Fortbildung bei
halte oder Formate wie etwa Sportsendungen zu spe-         der MFG ebenfalls gemacht.“ Als Green Consultant,
zialisieren, erzählt Fischer.                              etwa beim Tatort, analysiert Fischer nun während der
                                                           Vorbereitungen zum Dreh, wo es ökologisches Spar-
Umdenken für nachhaltige Produktion                        potenzial gibt: „Sind die Hotels grün, müssen immer
                                                           alle Autos mitfahren oder kann man Fahrgemeinschaf-
Und in eben diesem zweiten Jahr seines Volontariats        ten bilden? Welche Technik hat das Haus zur Verfü-
wurde der junge Aufnahmeleiter von Michael Becker          gung und kann auch eingesetzt werden, zum Beispiel
gefragt, wie es denn bei ihm mit dem Thema Nach-           LED-Technik. Um Plastik zu vermeiden, müssen Was-
haltigkeit aussehe. Becker ist Herstellungsleiter und      serstationen besorgt werden. Und man versucht, das
treibt im Sender die Bemühungen voran, künftig res-        Catering zumindest grün anzuhauchen, etwa durch
sourcenschonender zu produzieren. Dafür arbeitet der       einen Veggie-Tag.“ Letzteres gestalte sich dabei übri-
SWR eng mit der baden-württembergischen Filmför-           gens am schwierigsten, verrät Fischer. Denn: „Das
derung MFG zusammen, die nicht nur einen Hand-             muss man natürlich auch beim Team abfragen, ob sie
lungsleitfaden für nachhaltige Produktionsweise ent-       denn überhaupt einen vegetarischen Tag wollen. Und                           Graphic
wickelt hat, sondern auch Workshops zu Green Pro-          aus meiner Erfahrung finden die das eher nicht so                            Recording
duction Basics anbietet. Diese Seminare hat dann auch      toll.“ Und letztlich sei natürlich alles auch immer eine
Amadeus Fischer besucht, denn das Thema Nachhal-           Frage des Budgets, das man vom SWR für grüne Me-
tigkeit habe ihn schon länger beschäftigt. „In der Film-   thoden zugestanden bekomme.                                Während des 32. Journalisten-
branche sollte unbedingt ein Umdenken hin zu einer                                                                    tages zur Aus- und Weiterbil-
nachhaltigen Produktion stattfinden“, findet er. Tat-      Wenn sein aktueller Jahresvertrag ausläuft, plant Fi-      dung protokollierte Franziska
sächlich kann ein einzelner Film unter Umständen           scher übrigens, als freier Filmschaffender erst einmal     Ruflair die Debatte mit dem
fast so viel CO2-Ausstoß erzeugen wie der gesamte          andere Unternehmen kennenzulernen, „aber man               Filzstift und hinterließ ein
deutsche Autoverkehr in einer Stunde. Fischer ist da-      weiß ja nie, was sich bis zum Herbst noch so ergibt.“      Kunstwerk, 3 x 2 Meter groß.
mit bisher der einzige Volontär im Sender, der die Wei-                                  Monique Hofmann ‹‹          (Foto unten: Jan-Timo Schaube)

                                                                                                                                       1.2019 M 9
MENSCHEN MACHEN MEDIEN - Aus- und Weiterbildung Fordern und fördern - Funke Mediengruppe Hunderte Entlassungen - Menschen machen ...
IM FOKUS

Für eine wachsende
Leidenschaft
Vermittlung von Handwerk und Verantwortungsbewusstsein
gegenüber der Öffentlichkeit

       I
                 ch glaube, es gab noch nie eine Zeit,    Journalistenschule in München
                 in der angesichts von Fake News und      (DJS). Onlinejour­nalismus-Pro­fes­
                  Schlechtmacherei Journalismus so        sor Lorenz Lorenz-Meyer von der
                  wichtig war.“ Leidenschaftlich warb     Hochschule Darmstadt nannte eine
                  Journalismusprofessor Thomas Hes-       „zweite Qualifikationsschiene“, die
termann, für diesen Beruf „voller Faszination, voller     „wirklich auch eine große Nachfrage
Herausforderungen, auch voller Risiken“. Er war einer     hat“: Strategie- und Format-Entwicklung.
von vier Ausbilder*innen, die während des jüngsten        Das Thema „Research und Development im
ver.di-Journalistentags über Qualifizierung und Berufs-   Journalismus“ sei aber „ein bisschen unterreprä-
chancen des Nachwuchses diskutierten.                     sentiert in den Ausbildungsgängen“, meinte er selbst-
                                                          kritisch.
Hestermann, der an der privaten Macromedia-Hoch-                                                                                                 Henriette Löwisch, Leiterin
schule in Hamburg lehrt, sagte: „Wenn                                   Wie wichtig es ist, neben dem prakti-                                    der Deutschen Journalisten-

                                                                                                                   Fotos (4): Jan-Timo Schaube
ich jetzt Anfang zwanzig wäre,                                              schen Handwerk auch Verantwor-                                       schule in München (DJS).
würde ich diesen digitalen Zau-                                                 tungsbewusstsein gegenüber
ber ausleben.“ Er schwärmte                                                        der Öffentlichkeit zu vermit-                                 Onlinejournalismus-Profes-
von der Stuttgarter Zeitung,                                                          teln, zeigte sich am Um-                                   sor Lorenz Lorenz-Meyer von
die von Umweltschüt-                                                                    gang der Ausbildungsin-                                  der Hochschule Darmstadt
zern gemessene Schad-                                                                     stitutionen mit dem
stoffwerte erfasst und                                                                     Fall Claas Relotius,
Roboterjournalismus                                                                         dem einstigen Story-
nutzt, um daraus täg-                                                                       telling-Star     beim
lich für alle Stadtteile                                                                    Spiegel, der seine Re-
Info-Texte zu gene-                                                                         portagen durch Aus-
rieren. Damit habe                                                                          lassungen und Ver-
sie einen Lokaljourna-                                                                     fälschungen schönte.
listenpreis gewonnen.                                                                    Leonard Ottinger, Ge-
„Wenn junge Leute die                                                                   schäftsführer der RTL-­
digitale Welt entdecken                                                              Journalisten­schule sagte:
und intelligent mit Daten                                                          „Bei uns wird Herr Relotius
arbeiten, wenn jemand mit sol-                                                 jetzt Michael Born ablösen.“ Im
chen Projekten und Ideen um die                                             nächsten Seminar Ethik und Quali-
Ecke kommt, hat das nach wie vor den                                  tät werde anhand der Fälle über Verfeh-
Heiligenschein des Neuen“, so Hestermann: „Da             lungen im Journalismus diskutiert und welche Schluss-
öffnen sich viele, viele Türen“.                          folgerungen Redaktionen daraus gezogen haben. Ot-
                                                          tinger: „Das Thema Recherche haben wir schon lange
Gute Berufschancen                                        und umfänglich auf unseren Lehrplänen, Verifizierung
                                                          und Factchecking ist dazugekommen.“
Einig waren sich alle, dass sich die Berufschancen für
Journalist*innen insgesamt verbessert haben, weil         Lorenz-Meyer befürchtete: „Wir werden irgendwann
auch die Medien wegen des demografischen Wandels          den nächsten Relotius haben und dann werden wir
Fachkräfte suchen. Verlage und Rundfunkanstalten          uns wieder furchtbar aufregen. Aber diese Skepsis, ge-
merkten inzwischen, dass es nicht so viele Nach-          genüber dem Storytelling und der Mode des Storytel-
wuchsjournalist*innen gibt, „die mehrere Plattformen      ling ist angebracht, denn mit Storys kann man eigent-
und Erzählweisen beherrschen, die sehr gut recher-        lich jede journalistische These belegen. Man muss sich
chieren können, flexibel sind, die Dinge entwickeln       nur das richtige Beispiel aussuchen.“ Auch Hester-
und gut prüfen, die in Teams zusammenarbeiten kön-        mann warnte vor dem „Fluch des Narrativen“: „Ich
nen“, so Henriette Löwisch, Leiterin der Deutschen        glaube, da ist es wichtig, neugierig zu bleiben, viel-

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AUS- UND WEITERBILDUNG

                             leicht auch mal zu sagen, ich muss die Geschichte be-      Praktika, die vor dem Volontariat oder vor der Jour-
                             erdigen, so dramatisch ist es nicht. Oder der Alarm        nalistenschule gemacht werden. „Sie sind nicht so
                             liegt woanders, aber nicht in der ersten Annahme.“         wertig. Die Leute dürfen da gar nicht viel machen.“
                             DJS-Leiterin Löwisch schätzt die Diskussionen, die der     Außerdem würden Praktika meist nicht bezahlt: „Wie
                             Fall Relotius auch bei ihren Schüler*innen ausgelöst       viele Jahre sollen eigentlich junge Journalistinnen und
                             hat, dass dem „Primat des schönen Erzählens jetzt wie-     Journalisten kostenlose Arbeitskräfte sein, ehe sie dann
                             der stärker das Primat des Prüfens und der Fakten ent-     tatsächlich entlohnt werden für ihre gute Arbeit?“
                             gegengesetzt wird“.
                                                                                        Ausbildung als Luxusgut
                             Keine klare Zielvorstellung,
                             nur „irgendwas mit Medien“                                 Während an der Hochschule Semestergebühren be-
                                                                                        zahlt werden müssen, die DJS vollen Einsatz, aber kein
                             Angehende Journalist*innen bringen recht unter-            Geld verlangt und RTL unter Volontärstarif 1.000 Euro
                             schiedliche Motivationen und Voraussetzungen mit,          monatlich zahlt, verlangt die private Macromedia 890
                             wenn sie eine Ausbildung beginnen. Der Darmstädter         Euro pro Monat von den Studierenden. Wer könne
                             Professor Lorenz-Meyer meinte, anders als an den           sich das leisten, fragten sich viele im Publikum. Und
                             Journalistenschulen, wo sehr viele für den Beruf bren-     wie solle Vielfalt in den bürgerlich-homogenen Re-
                             nen, gebe es an Hochschulen manchmal Leute, die            daktionen verwirklicht werden, wenn junge Men-
                             keine klare Zielvorstellung hätten und „irgendwas mit      schen aus ärmeren Familien keine Chance haben, weil
                             Medien studieren“ wollten. Seiner Erfahrung nach sei       ihnen das Geld fehlt und ihre Eltern Bild statt Die Zeit
                             es deshalb wichtig, „diese Leute sehr früh darauf zu       lesen? Stereotype Geschichten, mediale Einfalt, die
                             bringen, in sich hinein zu horchen, dass sie ihr Thema     Unterrepräsentation der Arbeitswelt in den Medien –
                             finden und auch die Plattform finden, die ihre ist.        all das werde durch die journalistische Ausbildung re-
                             Dann entsteht tatsächlich so etwas wie eine wach-          produziert, denn “die Volontäre kommen eher aus
                             sende Leidenschaft.“ Im ersten Semester gebe es in         dem Bürgertum.“
                             Darmstadt deshalb eine Veranstaltung, in der Ehema-
                             lige über ihre Karrierewege berichten. Eine von ihnen
                             war „Dunja Sadaqi, die jetzt das Studio Rabat der ARD
                             übernimmt und erzählte, sie habe sich immer Einjah-
                             resziele gesetzt.“ Thomas Hestermann hatte drei Ziele,
                             als er in den Journalismus ging: Spaß, Ruhm und Geld.
                             Tatsächlich hatte er alles unter einen Hut bekom-
Thomas Hestermann (rechts)   men, als er bei Phoenix eine Talksendung entwi-
lehrt an der privaten        ckelte: „Die hat Spaß gemacht, es war gut fürs Re-
Macromedia-Hochschule in     nommee und auch noch gut bezahlt.“
Hamburg
                             Manchmal sind die Ausbilder*innen verwundert,
Leonard Ottinger (unten),    wer Journalist*in werden will. So berichtete Leo-
Geschäftsführer der          nard Ottinger von RTL-Bewerbungsgesprächen, in
RTL-­Journalisten­schule     denen sich „ein gewisser Grad der Uninformiertheit“
                             bei Kandidat*innen zeige. Auf die Frage nach The-
                             men, die sie gerne bearbeiten wollen, komme „bei vie-
                                 len eine tolle Idee, aber bei einigen gar nichts. Da
                                     sind wir ein bisschen erstaunt, dass man sich
                                        da nicht vorbereitet hat.“ Auch Henriette       Das                                               Geld,
                                           Löwisch machte diese Erfahrung: “Das         das     für                                  die Ausbil-
                                             Witzige ist, die Leute bereiten sich vor   dung aufgewendet                     werden muss, sei
                                              auf die Frage „Warum willst du Jour-      „natürlich auch schon ein Filter. Da müssen wir uns
                                               nalistin werden“. Aber auf genau die     nichts vormachen“, so Leonard Ottinger von RTL. „Bei
                                                Frage: „Wenn du jetzt eine Ge-          uns gibt es tatsächlich auch ein paar Studenten, die
                                                 schichte machen könntest, worü-        aus reichen Familien kommen“, gestand Macrome-
                                                 ber würdest du sie machen“, haben      dia-Professor Hestermann. Viele würden aber auch
                                                 sie sich komischerweise nicht vor-     Kredite aufnehmen. Man könne sich angesichts von
                                                bereitet.“                              Alternativen ja auch überlegen, ob man in eine pri-
                                                                                        vate Hochschule investieren wolle und verglich das
                                            Auch viele Praktika im Vorfeld der Be-      mit einer selbst finanzierten Reise: „Ich weiß zwar
                                          werbung können sich als kontrapro-            nicht genau, ob mir jemand eine Reportage abkauft,
                                         duktiv erweisen. Ottinger schätzt zwar         aber ich bin von der Geschichte überzeugt. Ich mache
                                      längere Praxiserfahrungen, aber viele kurze       das jetzt einfach.“ Er glaube, zu einer journalistischen
                                   Praktika gelten bei ihm als verdächtige „Le-         Ausbildung und Karriere gehöre „Anstrengung und
                                benslaufkosmetik“. Auch Löwisch kritisiert viele        Investition“.                        Bärbel Röben ‹‹

                                                                                                                                    1.2019 M 11
IM FOKUS

              Das iPhone allein
              tut es nicht
              Schulungsfahrplan für mobile Reporter bei der Märkischen Allgemeinen

                  Z
                              uerst kamen mal die Laptops. Das           niemand anderes. Die Schulungsinhalte seien aber
                              Prinzip „online first“ soll in den         praxisnah und sinnvoll gewesen: „Was macht einen
                               ­Redaktionen der Mediengruppe Mad-        Digital-Text lesenswert?“ Wie unterscheidet er sich
                                sack auch durchgesetzt werden, in-       von Print-Beiträgen? wurde debattiert und geübt. Es
                                dem alle Redakteur*innen, die Außen­     gab Informationen über das Online-Nutzungsverhal-
              termine wahrnehmen und Geschichten recherchie-             ten der Leserschaft oder rechtliche Hintergründe zur
              ren, mit Hard- und Software zum mobilen Arbeiten           Datensicherheit. Im Mittelpunkt stand allerdings
              ausgerüstet werden. Seit dem vergangenen Frühjahr          Fachlich-Praktisches: Wie entwickelt sich eine Ge-
              sind diese Veränderungen bei der Märkischen Allge-         schichte? Es wurde simuliert, wie auf den verschiede-
              meine Zeitung (MAZ) in Potsdam und dem Umland im           nen Kanälen angemessen über den „Waldbrand in
              Gange. Ziel: Die Reporter*innen sollen Artikel, Fotos      Treuenbrietzen“ zu berichten sei. Das Reporter-Tool
              und Videos für Online und Print auch von unterwegs         dafür zu hand­haben und mit unterschiedlichen Da-
              zuarbeiten und selbst veröffentlichen. Neben Arbeits-      teiformaten umzugehen war Übungsziel. Für die On-
              zeitregelungen, Klärung von Rechts- und Versiche-          line-Bearbeitung von Fotos und Videosequenzen
              rungsfragen sowie geeignetem Gesundheitsschutz             brauchte es noch eine Extra-Schulung, in der man Re-
              waren es vor allem Schulungen, die Betriebsrat und         geln lernte, aber auch probieren konnte, sagt Treichel.
              Beschäftigte forderten, als die MAZ derart „mobil“         Er wisse jetzt zwar, wie er mit dem Handy Filmsequen-
              machte.                                                    zen aufnehmen und zu einem Video zusammen-
                                                                         schneiden könne. Die Kehrseite jedoch: „Das ordent-
              Längst nicht alles ist seither geklärt. Doch wurden alle   lich zu machen, fordert zusätzlich Zeit und Aufwand.
              festangestellten Reporter*innen mit eben jenen Lap-        Wenn wir außerdem täglich die Online-Berichterstat-
              tops und iPhone 8 ausgerüstet. „Endlich muss nie-          tung betreuen und mehrere Facebook-Gruppen im
              mand mehr private elektronische Geräte nutzen. Und         Blick behalten, dort Links zu unseren Beiträgen pos-
              alle haben dennoch einen festen Arbeitsplatz mit gro-      ten, dann schrumpft die Zeit, in der wir unsere klassi-
              ßem Bildschirm in den Büros“, erklärt Betriebsratsvor-     sche Arbeit als Zeitungs-Berichterstatter machen, im-
              sitzende Karin Wagner. Wermutstropfen: Pauschalist*­       mer mehr zusammen.“ Gegenseitige Hilfe hinsicht-
              innen und Freie brauchen weiter ihre eigene Technik.       lich mancher technischen Einrichtungen und Tricks
                                                                         sei unumgänglich.
              Online frisst zusätzlich Zeit
                                                                         Nach dem, was bei ihr an Respons ankomme, stelle
              Einen offiziellen „Schulungsfahrplan“ gab es schließ-      die rein handwerklich-technische Schulung ein „ge-
              lich auch, zu den Schulungsterminen waren die Freien       wisses Manko“ dar, ist Karin Wagner überzeugt. „Man
              vor Ort sehr wohl eingeladen, quasi in ihrer Freizeit.     verlässt sich darauf, dass jeder ein Smartphone bedie-
              Zu bislang zwei Terminen unter der Überschrift „Tex-       nen kann. Doch längst nicht alle sind Digital Natives,
              ten fürs Web“ reiste speziell ein Trainer vom Madsack      Nutzerverhalten und Interessen variieren.“ Sie bewun-
              Medien Campus an, der an fünf Standorten die Repor-        dere jedoch viele gestandene Reporterkolleg*innen,
              ter*innen schulte. In Potsdam und in den Regional-         „was sie trotz zunehmender Belastung auch im Digi-
              büros in Brandenburg/Havel, Neuruppin, Oranienburg         talen leisten“. In der monatlichen Auswertung der On-
              und KönigsWusterhausen wurden über 100 Festange-           line-Aktivitäten kann die Chefredaktion beispielweise
              stellte, einige Volontäre und darüber hinaus zahlrei-      über großes Publikumsinteresse für den Liveticker von
              che Freie Inhouse-qualifiziert – erstmals im Herbst ver-   einer Bombenentschärfung in Potsdam, von Blaulicht-
              gangen Jahres, ein halbes Jahr, nachdem die Laptops        meldungen und Top-Fotostrecken berichten. Das
              kamen. Im Januar/Februar folgte jetzt die nächste          müsse ja alles geliefert werden – wohlgemerkt mit stets
              Runde, an zwei Arbeitstagen jeweils vier Stunden           knappem Personal, sagt Wagner. Der Dienstplanung
              Schulung.                                                  komme deshalb weiter zunehmende Bedeutung zu.
                                                                         Die Betriebsratsvorsitzende hat ein Auge darauf, dass
              Ein „ganz schöner Kraftakt, aber wichtig und wert-         für die Journalist*innen das Arbeitszeitgesetz einge-
              voll“ sei das gewesen, sagt Lokalreporter Helge Trei-      halten und Mehrarbeit möglichst zeitnah mit Freizeit
              chel aus Oranienburg. Denn die Zeitungsseiten füllen       ausgeglichen oder vergütet wird. Doch über eine
              und online berichten, das übernahm an diesen Tagen         schon lange verhandelte Betriebsvereinbarung zur Ar-

12 M 1.2019
AUS- UND WEITERBILDUNG

beitszeit debattiere man inzwischen in der Einigungs-        Belegschaftsbefragung und ihrer Auswertung 2018 ste-
stelle. Verpflichtende und verbindliche Dokumenta-           hen nun Interviews und Workshops an. „Das möchte
tion von Arbeitszeiten ist der bisher ungelöste Streit-      unsere Geschäftsführung gern komplett intern ma-
punkt.                                                       chen.“ Die Betriebsräte wollen aber den Sachverstand
                                                             des Beratungsinstituts „innsicht“ einbeziehen, das bis-
Mobiles Arbeiten werfe weitere Fragen auf: Was bedeu-        lang schon beteiligt war. „Belastung und Kommuni-
tet es, zeitweise – etwa abends nach Terminen – von          kation in den redaktionellen Bereichen werden ein
zu Hause aus zu arbeiten, sowohl versicherungstech-          Schwerpunkt sein, das ist ganz klar“, so die Betriebsrats­
nisch als auch mit Blick auf den Arbeitsschutz? Und          chefin. Mit Einführung neuer Software seit 2015/16
dann seien da noch Datenschutzprobleme, die bei              manifestierte sich die Funktionsaufteilung zwischen
künftigem Arbeiten in der Cloud noch dringlicher             eher technischen Desk-Redakteur*innen und den zu-
werden. Dafür bereite, so Wagner, der Konzern­               nehmend mobilen Reporter*innen. Dass war auch mit
betriebsrat gerade eine Vereinbarung für die gesamte         unterschiedlichen Zugriffsrechten verbunden. So hät-
Mediengruppe vor.                                            ten sich ungewollt Hierarchien etabliert – „obwohl alle
                                                             am gleichen Produkt arbeiten“. Da sei Handlungsbe-
Externen Sachverstand nutzen                                 darf. Im paritätisch besetzen Steuerungskreis des Pro-
                                                             jekts wollen die Arbeitnehmervertreter*innen nun
Den Blick über den Tellerrand hält sie auch in der ver-      durchsetzen, „dass wissenschaftliche Expertise und
tiefenden Phase der bei der Märkischen laufenden psy-        Außensicht eingebracht werden“.
chischen Gefährdungsanalyse für wichtig. Nach einer          	                                Helma Nehrlich ‹‹

                                                                                                        www.akademie-fuer-publizistik.de
                                                                                                        www.abp.de

Zunehmender Trend
zu Inhouse-Seminaren
    Z
                  um Thema Weiterbildung in         Redakteur*innen systematisch weitergebildet         tet, „dass der Wille zur Weiterbildung in den
                   den Redaktionen lassen sich      würden. „Wir sehen diese umfassende Weiter-         einzelnen Medienhäusern unterschiedlich
                   große Verlagshäuser nach         bildung unserer Journalis­tinnen und Journalisten   stark ausgeprägt sei und mitunter bei den Ver-
                    den Erfahrungen einer M-­       als zentralen Baustein inmitten der digitalen       lagsleitungen mehr als in den Redaktionen“.
                    Umfrage ungern in die Karten    Transformation unserer regionalen Tageszei-         „Explosionsartig“ sieht er die Nachfrage nach
schauen. „Zahlen stellen wir nicht zur Verfü-       tungsmarken und als Inves­tition in die erfolg-     Inhouse-Seminaren gestiegen, was vorrangig
gung“, erklärte etwa Cornelia Seinsche von der      reiche Zukunft der Madsack Mediengruppe“, so        mit den Kosten zu tun haben dürfte. Auch Sta-
DuMont-Unternehmenskommunikation – eine             Unternehmenssprecher Markus Hauke.                  venhagen betont die Möglichkeit, Seminarin-
der wenigen, die überhaupt antwortete. Sie                                                              halte für ganze Redaktionen oder Abteilungen
­beschrieb die Weiterbildungsprogramme in der       Maßgeschneiderte Angebote                           auf den konkreten Bedarf zuzuschneiden. Doch
 DuMont Lernlandschaft mit den Säulen: Mana­                                                            führen die Hamburger den größten Teil ihrer
 gement Akademie, Career-Center und Wissens-­       Zu Ausrichtung und inhaltlichen Schwerpunk-         Seminare noch in der Akademie durch. Das er-
 Netzwerk. Innerhalb dieser Bereiche stünden        ten erkundigten wir uns bei Weiterbildungs-         mögliche den Austausch und gemeinsames
 vom individuellen Trainingsangebot mit inter-      akademien. So meint Dr. Robert Arsenschek,          Lernen von Teilnehmer*innen aus verschiede-
 nen und externen Spezialisten, individuellen       Direktor der Akademie der Bayerischen Presse        nen Arbeitsbereichen oder Redaktionen. Den
 Programmen beispielsweise für Talente bis hin      (ABP), dass nun auch „die Medienbranche die         Blick über den Tellerrand und Vernetzung
 zu hochwertigen Führungskräfteprogrammen           Bedeutung von Weiterbildung zunehmend er-           schätzen auch Teilnehmer*innen verlagsüber-
 und Studytours völlig unterschiedliche Ange-       kennt“. Nachfrage sieht er bei allem „was mit       greifender Seminare in München.
 bote bereit – allerdings ausschließlich für „un-   Digitalen zu tun hat, bei Mobile Reporting“
 sere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.            und ähnlichen Themen. Medienübergreifendes          Die Hanseaten bieten dank einer Kooperation
                                                    Handwerk, etwa „crossmediales Arbeiten, Pro-        mit der Stiftung der Hamburger Presse die Ak-
Die Madsack Mediengruppe erklärt, dass das          duzieren für verschiedene Kanäle, Videoschu-        tion «Halbe Miete» als Sonderkondition für
Unternehmen mit der Gründung des Madsack            lungen und Schreibseminare“ nennt Direkto-          Freie. Die Seminarteilnahme freier Journa-
Medien Campus (MMC) im März 2017 einen „ein-        rin Nadja Stavenhagen von der Akademie für          list*innen kann dadurch mit bis zu 250 Euro
zigartigen Weg in der Aus- und Weiterbildung        Publizistik in Hamburg als besonders begehrt.       gefördert werden. So etwas gibt es in Bayern
eingeschlagen“ habe. Dafür sei eines der um-        Der überwiegende Teil der Festangestellten be-      nicht. Lediglich spezielle Freienseminare, etwa
fangreichsten Digital-Publishing-Programme          suche die Seminare im Auftrag ihrer Arbeitge-       zur Existenzgründung, sind hier 25 Prozent
bundesweit initiiert worden, mit dem fast 800       ber, sagen beide, wobei Arsenschek beobach-         preiswerter buchbar.              neh / sus ‹‹

                                                                                                                                           1.2019 M 13
IM FOKUS

Online-Schule für
Journalisten gestartet
Low-Cost-Weiterbildung in der „Reporterfabrik“ von Correct!v

    A
                 nwohner protestieren gegen den kom-         und journalistisches Handwerk vermitteln. Unter-
                 menden Baulärm und den Abriss ei-           stützt werden sie dabei nicht nur von einem dreizehn-
  „               nes schönen Altbaus; gleichzeitig          köpfigen Mitarbeiter*innen-Team, sondern auch von
                  würde der Neubau mehr Wohnraum             einem Kuratorium aus prominenten Vertreter*innen
                  schaffen für viele Leute, die in die Ge-   der Öffentlichkeit wie Bernhard Pörksen von der Uni
gend ziehen wollen. Stellen Sie sich vor, Sie sollen für     Tübingen oder Mathias Müller von Blumencron aus
eine Lokalzeitung eine Reportage über diesen Konflikt        der Chef­redaktion des Tagesspiegels.
schreiben. Wie könnte ein guter Texteinstieg ausse-
hen?“ Vor diese Aufgabe stellt mich der Workshop             Außerdem helfe ein Fachbeirat aus 17 Expert*innen ver-
„Wie man schlechte Texte rettet“ der Ende Januar ge-         schiedener Bereiche, darunter Stephan Weichert von
starteten „Reporterfabrik“ des Recherchebüros Cor-           der Hamburg Media School und Medienpädagogin Ka-
rect!v in Berlin. Die Web-Akademie für Journalismus          thrin Joswig, bei der Entwicklung der Lehrstoffe und
„richtet sich an alle interessierten Bürgerinnen und         der Auswahl der Dozent*innen, erklärt Schnibben.

Bürger, besonders an Schüler, Blogger, Autoren und           Das Workshop-Angebot ist in vier Lehrstufen unter-
an Journalisten“, so Correct!v-Gründer David Schra-          teilt. Los geht es mit den Basics im ersten Level „Was
ven, der die „Reporterfabrik“ zusammen mit dem ehe-          ist Journalismus“. Hier kann ich zum Beispiel lernen,
maligen Spiegel-Redakteur Cordt Schnibben entwickelt         wie man Bloggerin wird, was mein Smartphone alles
hat. Getragen wird die Lernplattform von Correct!v           kann oder mich mit den Grundlagen des Presserechts
in Kooperation mit der Journalistenplattform „Repor-         vertraut machen. Lehrstufe zwei will vermitteln, was
terforum“.                                                   ein Journalist alles können muss, etwa gute Titel und
                                                             Vorspänne schreiben, Nachricht und Kommentar aus-
In rund 100 Workshops mit über 1.200 Tutorials, mehr         einanderhalten, gute Interviews führen oder richtig
als 120 Podcasts, dem Schulangebot Reporter4You              recherchieren. Was Journalist*innen können sollten,
sowie einer Schulbörse wollen „Reporterfabrik“-­             kann sich, wer es nicht kann, in der Lehrstufe drei an-
Geschäftsführer Schraven und Akademie-Leiter                 eignen. Dazu gehören zum Beispiel die politische Repor-
Schnibben mit dem Online-Angebot Medienwissen                tage, der mobile Videoschnitt, gute TV-Reportagen ››

14 M 1.2019
AUS- UND WEITERBILDUNG

                                        oder aus Daten Stories zu generieren. Und wer es ganz            geschrieben, sagt Friederike Hoppe aus dem Team der
                                        genau wissen will, kann sich im vierten Level in soge-           „Reporterfabrik“. Zwar werden bei der Anmeldung auf
                                        nannten Masterclasses zu verschiedenen Textgattun-               der Website Informationen wie der Bildungsgrad oder
                                        gen wie Reportage, Interview oder Essay sowie zu Tech-           die Motivation optional abgefragt, wie viele der Kurs-
                                        niken und Formaten den letzten Feinschliff holen.                teilnehmer*innen über einen journalistischen Back-
                                                                                                         ground verfügen, könne man jedoch zum jetzigen
                                        Die einzelnen Workshops bestehen aus Video-Tuto­                 Zeitpunkt noch nicht sagen, so Hoppe. Eine Evalua-
                                        rials, dazugehörigen Aufgaben, einem Diskussions­                tion sei aber auf jeden Fall geplant.
                                        forum und zusätzlichem Material als Download. So er-
                                        klären mir im Kurs „Wie man schlechte Texte rettet“              Finanziert wird die „Reporterfabrik“ größtenteils über
                                        die Welt-Redakteur*innen Jennifer Wilton und Marc                Spenden. Zu den Förderern gehören die Telekom, Face-
                                        Neller in einem Video, mit welchen Methoden man                  book, die Bosch-Stiftung, die LfM-Stiftung „Vor Ort
                                        einen guten Einstieg hinbekommt und welche Stol-                 NRW“ und die Stadt Hamburg. Weitere Spender*in-
                                        persteine es dabei zu vermeiden gilt. In mehreren Auf-           nen und Förder*innen sind willkommen. Eine Bun-
                                        gaben kann ich testen, ob ich das Wichtigste auch er-            desförderung habe man bisher nicht beantragt, erklärt
                                        fasst habe und mich im Forum mit anderen Kursteil-               Schraven auf Nachfrage, schließt aber nicht aus, dass
                                        nehmer*innen über meinen selbst geschriebenen Text-              man das in Zukunft noch tun werde. Immerhin hat
                                        einstieg austauschen. Handouts zu den einzelnen                  es sich die „Reporterfabrik“ mit dem Angebot „Repor-
                                        Kapiteln ergänzen die in den Tutorials besprochenen              ter4You“ ja auch zur Aufgabe gemacht, Schüler*innen
                                        Themen. Manche der Kurse sind kostenlos, andere                  und Lehrer*innen die Grundlagen des Journalismus
                                        kosten fünf, fünfzehn oder maximal 25 Euro. Zu den               und mehr Medienwissen zu vermitteln.
                                        Dozent*innen gehören Doris Dörrie, Moritz von Us-
                                        lar, Stefan Aust, Sandra Maischberger oder Carolin Em-           In vierzehn Modulen wird dort erklärt, wie man Fake
                                        cke. Eine Vergütung erhalten diese in der Regel nicht,           News erkennt, wie man richtig recherchiert, was ei-
                                        sagt Schraven, denn dann wäre das Projekt nicht                  gentlich Urheberrecht ist und wie man auf digitalen
                                        ­finanzierbar. „Nur in wenigen, begründeten Ausnah-              Plattformen wie Facebook seine Privatsphäre schützen
                                         mefällen haben wir ein bescheidenes Honorar ge-                 kann. Zu Reporter4You gehört aber auch die Schul-
                                         zahlt“.                                                         börse, eine Datenbank, für die sich Journalistinnen
                                                                                                         und Journalisten registrieren können, die an Schulen
                                        Wer sich auf der Lernplattform registriert hat, kann             über ihre Arbeit sprechen wollen. „Zwei Dutzend
                                        praktisch sofort loslegen. Doch nur, wer einen Work-             Schulbesuche sind bereits organisiert“, sagt Hoppe.
                                        shop kauft, hat auch Zugang zum Angebot von „Re-                 Um das Angebot bekannter zu machen und an die
                                        porter2Go“, in dem Journalist*innen in mehr als 120              Schulen zu bringen, sei für den Tag der Pressefreiheit
                                        Podcasts über ihre Arbeit in Print-, Online- und TV-Re-          am 3. Mai außerdem eine Aktion geplant, bei der in
Beispiele der Webakademie               daktionen berichten und Tipps etwa für freie Repor-              Zusammenarbeit mit der Deutschen Journalisten-
reporterfabrik.org                      ter*innen, zu Themensuche und Recherche oder zu                  schule (DJS) in München, vielen weiteren Journalis-
                                        Genres und Formaten geben. In den ersten drei Wo-                tenschulen sowie Organisationen viele Journalist*in-
                                        chen nach Start der der Web-Akademie hätten sich                 nen ihre ehemaligen Schulen besuchen.
                                        über 4.000 Teilnehmer*innen in die Workshops ein                                             Monique Hofmann ‹‹

                                                                                                                                                                     Anzeige

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