Ein allgemeiner Erklärungsansatz zum Wandel von Gesundheitssystemen in OECD Ländern - Workshop der AG "Internationaler Gesundheitssystemvergleich" ...
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Workshop der AG »Internationaler Gesundheitssystemvergleich« des Fachbereichs V der DGSMP, Berlin, 22. September 2010 Ein allgemeiner Erklärungsansatz zum Wandel von Gesundheitssystemen in OECD‐Ländern Heinz Rothgang 1
Inhalt 1. Erklärungsgegenstand: Die sich wandelnde Rolle des Staates in OECD‐Gesundheitssystemen 2. Ein allgemeiner Erklärungsansatz für Wandel im Gesundheitssystem 2
1. Dimensionen des Staatswandels Leistungsberechtigte Regulierung Finanzierungsträger Leistungserbringer Leistungs‐ Finanzierung erbringung Ziele, Werte Perzeptionen 3
1. Datengrundlagen • Nested design ‐ Quantitative Analyse für bis zu 23 OECD‐Länder • Finanzierung • Leistungserbringung ‐ Fallstudien zur • Vertiefung der Finanzierung • Vertiefung der Leistungserbringung • Erhebung der Regulierung • Fallstudienländer ‐ Deutschland, England, USA als Vertreter der Gesundheitssystemtypen ‐ Niederlande, Italien und Kanada als kontrastierende Fälle 4
1.1 Erklärungsgegenstand: Finanzierung (1/3) • Niveau ‐ Steigender Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ‐ Steigender Anteil öffentlicher Gesundheitsausgaben am BIP ‐ Seit 1980: Rückgang des öffentlichen Finanzierungsanteils an den Gesundheitsausgaben „relative Privatisierung“ • Länderunterschiede ‐ Finanzierungsmix gleich sich an (Sigma‐Konvergenz) ‐ Länder mit niedrigem öffentlichen Finanzierungsanteil holen auf (Beta‐Konvergenz) ‐ Finanzierung wird hybrider 5
1.1 Erklärungsgegenstand: Finanzierung (2/3) Sigma‐Konvergenz Variationskoeffizienten Veränderung 1970 2006 1970‐2006 Gesundheitsausgaben in % des BIP 25.6 18.0 ‐7.6 Gesundheitsausgaben pro Kopf in 40.7 28.5 ‐12.2** kaufkraftparitätischen US$ Öffentliche Gesundheitsausgaben in % des 32.3 11.3 ‐21.0** BIP Öffentliche Gesundheitsausgaben pro Kopf 42.1 22.1 ‐20.0* in kaufkraftparitätischen US$ Öffentlicher Finanzierungsanteil in % der 22.5 12.9 ‐9.6** Gesamtausgaben für Gesundheit Levene‐Test *p
1.1 Erklärungsgegenstand: Finanzierung (3/3) Beta‐Konvergenz 4.5 1.4 NLD Average Annual Growth Rate of Public Health Average Annual Growth Rate of Public Health 4.0 1.2 POR 1.0 3.5 Expenditure per GDP in % 0.8 Financing Share in % 3.0 GR USA CH GR CH LUX 0.6 USA ICE AUT 2.5 SP ICE 0.4 POR AUT FIN 2.0 AUS SP JPN JPN UKFR 0.2 AUS NLD FIN NO NZL LUX 1.5 FR DK 0.0 GER SW GER CA NZL IRE UK IT 1.0 NO IRE CA -0.2 0.5 SW -0.4 DK IT 0.0 -0.6 0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0 6.0 7.0 30 40 50 60 70 80 90 100 Public Health Expenditure in % of GDP in 1970 Public Health Financing Share in 1970 Notes: average annual growth = 4.3(20.2) – 0.02(‐6.6) Public Notes: average annual growth = 1.7(7.4) – 0.67(‐12.1) healthcare expenditure 1970; R2=0.88; n=22; p=0.000; Public financing share 1970; R2= 0.68; n=22; p= 0.000; t‐statistics in parentheses. Source: OECD (2009), years with t‐statistics in parentheses. Source: OECD (2009), years break in time series have been excluded in the calculation of with break in time series have been excluded in the average annual growth rates. calculation of average annual growth rates. 7
1.2 Erklärungsgegenstand: Leistungserbringung (1/2) Gesundheitsausgaben Öffentliche Betten Öffentlich Öffentlich Öffentliche angestellte Ärzte angestellte Ärzte Apotheken Stationär Ambulant Dental Arzneimittel Private Betten Freiberufliche Ärzte Freiberufliche Ärzte Private Apotheken Public Service Provision Index (PPI) PPI = Σ ai * pi mit ai = Ausgabenanteil des Sektors i; Pi = öffentlicher Finanzierungsanteil in Sektor i; 8
1.2 Erklärungsgegenstand: Leistungserbringung (2/2) Public Service Provision Index Anfang 1990er Mitte 2000er Trend Finnland 84 74 Minus England* 81 75 Minus Island 58 64 Plus Dänemark 60 57 Minus Norwegen 51 46 Minus Schweiz* 43 38 Minus Italien 40 38 Minus Privatisie‐ Österreich 35 34 Minus rungstrend Australien 34 26 Minus Neuseeland* 34 26 Minus Frankreich 32 32 Stabil Deutschland 24 21 Minus Japan 11 12 Plus USA 11 6 Minus Niederlande 8 8 Stabil 9
1.3 Erklärungsgegenstand: Regulierung (1/4) Staat Verbände Marktteilnehmer Staatlich‐hierarchische Hierarchie Steuerung Korporatistische Verhandlung Selbstverwaltung Marktwirtschaftlicher Wettbewerb Wettbewerb 10
1.3 Erklärungsgegenstand: Regulierung (2/4) Staat Verbände Marktteilnehmer England Hierarchie Verhandlung Deutschland Wettbewerb USA 11
1.3 Erklärungsgegenstand: Regulierung (3/4) Staat Verbände Marktteilnehmer England Hierarchie USA Deutschland/USA Verhandlung Deutschland USA Wettbewerb England Deutschland Deutschland 12
1.3 Erklärungsgegenstand: Regulierung (4/4) • England: ‐ Dezentralisierung der NHS‐Administration ‐ Purchaser‐Provider‐Split zur Schaffung interner Märkte • Deutschland: ‐ Regulierter Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung ‐ Indienstnahme der Privatversicherung für soziale Ziele • USA ‐ Öffentliche Systeme für ausgewählte soziale Gruppen ‐ Managed Care als Hierarchisierung innerhalb der Privatversicherung 13
1.4 Erklärungsgegenstand: Überblick • Finanzierung ‐ Konvergenz der öffentlichen Gesundheits‐ ausgaben und ihres Finanzierungsanteils • Leistungserbringung ‐ Explizite und implizite Privatisierung der öffentlichen Leistungserbringung • Regulierung ‐ Hybridisierung der Regulierung durch die Integration systemfremder Merkmale 14
2. Erklärungsmodell: Allgemeine Theorien • Funktionalismus • Ideenzentrierte Ansätze • Institutionalismus • Akteurszentrierte Ansätze 15
2. Erklärungsmodell: Allgemeine Theorien • Funktionalismus • Jeder Ansatz kann zur Erklärung • Ideenzentrierte Ansätze beitragen • Aber: erst Kombination • Institutionalismus ermöglicht vollständige Erklärung • Akteurszentrierte Ansätze 16
2. Erklärungsmodell – Heuristik 17
2.1 Gesundheitssystemtyp: Sozialversicherung • Grundkonstellation: ‐ Offene Finanzierung durch Bedarfsprinzip, ‐ vermachtete Strukturen (institutionelle Sklerose) Problem der Kostenkontrolle • Erste Reformphase: Kostendämpfungspolitik ‐ Privatisierung in der Finanzierung Legitimationsproblem • Zweite Reformphase: Strukturreformen ‐ Regulierung: Einführung von Wettbewerb mit Folgereformen (RSA, DMPs, IV etc. als Folge der Grundentscheidung) ‐ Leistungserbringung: Privatisierung von Einrichtungen 18
2.2 Gesundheitssystemtyp: NHS • Grundkonstellation: ‐ Finanzkontrolle durch Budgetprinzip: kein Kostenbegrenzungsproblem ‐ Aber: Wartelisten, unbefriedigende Qualität, geringe Produktivität, Investitionsstau Problemdruck übersetzt sich ebenfalls in Effizienzdruck • Erste Reformphase: Verwaltungsreform ‐ (Steigender Privatfinanzierungsanteil) ‐ Managerialism und new public management (NPM) • Zweite Reformphase: interne Märkte ‐ Regulierung: Einführung von Wettbewerb bei starker staatlicher Re‐ Regulierung ‐ Leistungserbringung: Formale Privatisierung von Einrichtungen 19
2.3 Gesundheitssystemtyp: Privatversicherung • Grundkonstellation: ‐ Hoher Anteil Unversicherter, wenig staatliche Regulierung, keine Steuerung durch Finanzierungsträger Hohe Gesundheitsausgaben, ungleicher Zugang zu Gesundheitsleistungen, unbefriedigende Outcomes • Staatliche Reaktionen: ‐ Finanzierung: Schaffung von staatlichen Systemen für schlechte gesundheitliche Risiken und Einkommensschwache ( steigender öffentlicher Finanzierungsanteil) ‐ Regulierung: Spill‐over aus staatlichem ins private System (DRGs) • Reaktionen im privaten System ‐ Regulierung: Managed Care zum Ausgleich des Regulierungsdefizit (Hierarchisierung außerhalb des Staates) 20
2.4 Institutionen und Akteurskonstellationen (1/2) • Institutionelle Arrangements und Akteurskonstellationen wirken insbesondere als Moderatoren: • Sozialversicherungssysteme: ‐ Deutschland und Niederlande haben gleichen Reformpfad (zunächst Kassenwettbewerb, dann Ausgreifen auf Vertragswettbewerb; Risikostrukturausgleich) ‐ Zeitliches Auseinanderfallen der Entwicklungen ist insbesondere auf Regierungskonstellationen und Veto‐Positionen zurückzuführen 21
2.4 Institutionen und Akteurskonstellationen (2/2) • NHS‐Systeme: Italien: ‐ Zentralstaat kann Finanzdisziplin gegenüber Regionen nicht durchsetzen, NHS hat Kosten nicht unter Kontrolle Regionalisierung der Finanzverantwortung ‐ Interner Markt kann nur in Teilen des Landes durchgesetzt werden (Lombardei). In anderen Landesteilen kommt Wettbewerb nicht in Gang • Privatversicherungssysteme: USA ‐ Durchbruch für HMOs wird durch Gesetzgebung eingeleitet. ‐ „Managed care backlash“ wird durch starke Position der Leistungsanbieter hervorgerufen. 22
2.5. Erklärung – Zentrale Ergebnisse • Antriebskräfte führen zu Problemdruck • Gesundheitssystemtyp als zentraler Weichensteller: Funktionale Defizite der Gesundheitssystemtypen bestimmen die Richtung des Wandels • Institutionelle Faktoren und Akteurs‐ konstellationen bestimmen Geschwindig‐ keit und Gestalt des Wandels • Ideenkonjunkturen können gemeinsame Trends verstärken 23
Workshop der AG »Internationaler Gesundheitssystemvergleich« des Fachbereichs V der DGSMP, Berlin, 22. September 2010 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich freue mich auf die Diskussion Heinz Rothgang Kontakt: rothgang@zes.uni‐bremen.de 24
Befund – Konvergente Finanzierung 4/5 100 1975 Vorwiegend beitragsfinanziert 50 Komplett gemischt finanziert Vorwiegend Vorwiegend privat finanziert steuerfinanziert °hybrid = 0,38 n = 14 0 0 50 100 Steuern 25
Befund – Konvergente Finanzierung 5/5 100 2005 Vorwiegend beitragsfinanziert 50 Komplett gemischt finanziert Vorwiegend Vorwiegend privat finanziert steuerfinanziert °hybrid = 0,45 n = 14 0 0 50 100 Steuern 26
Erklärung – Konvergente Finanzierung 1/1 Allgemeines Modell: ΔYi,t = α0 – α1 (Yi,t‐1 – β1Xi,t‐1) + β0ΔXi,t + εi,t Bremsende/beschleunigende Faktoren über Interaktionseffekte geschätzt Δ Öffentlicher Anteil Δ Öffentliche Δ Gesundheits‐ an den Abhängige Variable: Gesundheitsausgaben ausgaben pro Kopf Gesamtausgaben für pro Kopf Gesundheit Konditionale + L1GDP, ΔBaumol, + L1GDP, ΔBaumol, + ΔGDP, L1GDP, Konvergenz L1Baumol, ΔAge65 L1Baumol, L1Centre ΔL1Government ‐ ΔTrade, Governments, Budgetary Balance ΔGlobalization ΔAge65, L2Government Konvergenz ΔGDP, L1GDP Budgetary ΔGDP, Balance L1GDP ΔGlobalization, beschleunigende ΔAge65 ΔAge65 L1Globalization, Faktoren L1Age65 Konvergenz ΔBaumol, L1Baumol ΔBaumol, L1Baumol bremsende Faktoren 27
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