Ein Gespräch mit Sozialethiker Hans Ruh - LERNEN, BESCHENKTE ZU SEIN - Reformierte Kirche ...

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Ein Gespräch mit Sozialethiker Hans Ruh - LERNEN, BESCHENKTE ZU SEIN - Reformierte Kirche ...
Nr. 6 Juli_August 2021
                                                                        Zeitschrift für die Mitarbeitenden der
                                                                                         Zürcher Landeskirche

        LERNEN, BESCHENKTE ZU SEIN
 Ein Gespräch mit Sozialethiker Hans Ruh

                                  UND AUSSERDEM:
«Grüner Güggel»-Zertifikat — Kirche und «Tischlein deck dich» — Passionierte Stadtführerin
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2   EDITORIAL

                                                     3-­­5
                                                     AKTUELL
                                                     Nachrichten
                                                     5
                                                     BLOG
                                                     Den Mitgliederschwund
                                                     in der Kirche
        MADELEINE STÄUBLI-RODUNER                    theologisch reflektieren
             Redaktorin «notabene»

    Liebe Leserin, lieber Leser                      6
                                                     SCHWERPUNKT
    «Die Sonne scheint unentgeltlich – keiner
    bezahlt für sie», sagt Sozialethiker Hans Ruh.
                                                     Ethik und die Kraft der
    Sein Grundnarrativ lautet daher: Wir dürfen      Bergpredigt: im
    lernen, dass wir auf der Erde Beschenkte
    sind. Daraus folgert er als zentrales Stich-
                                                     Gespräch mit Hans Ruh
    wort des Umgangs miteinander: einander
    beschenken. Um seiner Forderung nach
    einer an der Lebensdienlichkeit orientierten
                                                     10
    Gesellschaft Nachdruck zu verleihen, hat der     Kirche und Tischlein
    bekannte Sozialethiker seine wichtigsten
    Beiträge aus 50 Jahren im neuen Sammel-
                                                     deck dich im Chilehuus
    band «Anleitung zur Menschlichkeit» publi-       Affoltern am Albis
    ziert. Im Gespräch spricht er über seine
    aktuell gebliebenen Forderungen, darunter
    etwa jene nach einer sozialen Demokratie,        12
    die allen Menschen wieder die nötige Aner-
    kennung und die Gewissheit gibt, mit ihrer
                                                     Themen und Termine
    Arbeit einen Beitrag leisten zu können und
    sich in der Öffentlichkeit nicht schämen zu
    müssen (Interview ab Seite 6).
                                                     15
        Für die Vergessenen, die am stärksten an     PORTRÄT
    den grossen Ungleichheiten unter den Men-
    schen leiden, setzen sich mit ganz anderen
                                                     Unterwegs mit der
    Vorzeichen die Aktiven des Vereins «Tischlein    Reformations-
    deck dich» ein. Die Organisation mit Sitz in
    Winterthur sammelt «überschüssige» Le-
                                                     Erzählerin
    bensmittel und verteilt sie mit Hilfe von
    Angestellten, Zivis und mehreren Tausend
    Freiwilligen wöchentlich an 136 Abgabestel-
                                                     16
    len an rund 21 000 armutsbetroffene Men-         IMPRESSUM &
    schen. Bei der Verteilung wirken auch zahl-
    reiche kirchliche Organisationen mit,
                                                     CARTOON
    darunter die Kirchgemeinde Affoltern am
    Albis.
        Ein Besuch der Abgabestelle im Chile-
    huus Affoltern gibt Einblick in eine unver-
    zichtbare Freiwilligenarbeit, deren Auswir-
    kungen das von Hans Ruh hervorgehobene
    Narrativ des gegenseitigen Schenkens als
    konkretes Geschehen sichtbar machen. Den
    Artikel finden Sie auf Seite 10.

    Wir wünschen Ihnen eine gute Sommerzeit!
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AKTUELL       3

QUEST                                                   AUSSPRACHESYNODE
—Der fünfte Jahrgang des                                —Synodale besuchen
Quereinstiegs                                           Kirchgemeinden
KOM.  Als Juristin, Deutschlehrer, Psychologin oder     kom. Die Kirchensynode vom 14. September wird
Musiker einen Richtungswechsel vornehmen und            als Aussprachesynode mit dem Titel «Land und
reformierte Pfarrerin oder reformierter Pfarrer wer-    Stadt: kirchliche Perspektiven im globalen Dorf»
den: Dafür haben sich seit der Lancierung des Stu-      stattfinden. Die Synodalen werden in Gruppen zu je
diengangs «Quest – Quereinstieg in den Pfarrberuf»      zehn Personen in verschiedenen Kirchgemeinden
über 60 Personen entschieden. 16 davon sind inzwi-      zu Gast sein. Bei der Auswahl der Gastgemeinden
schen im Pfarramt tätig und bringen ihre beruflichen    haben die Verantwortlichen auf eine möglichst
Kompetenzen in der Kirche ein.                          grosse Vielfalt geachtet; sowohl was die Grösse der
     Im Herbstsemester 2021 startet der fünfte Jahr-    Kirchgemeinden angeht, als auch ihre Lage (städ-
gang des Studienprogramms «Quereinstieg in den          tisch oder ländlich) und ihre spirituelle Ausrichtung.
Pfarrberuf». Mit dem verkürzten Theologiestudium,           Vor Ort werden sich die Synodalen mit Lokalen
das an den Theologischen Fakultäten der Universi-       treffen (Pfarrpersonen, Mitarbeitende, Behörden-
täten Basel und Zürich absolviert werden kann, dau-     mitglieder, Freiwillige) und ihnen auf den Zahn füh-
ert der Weg ins Pfarramt vier bis fünf Jahre. Wer       len, was sie von der Synode als Legislative erwar-
sind die Quereinsteiger, die diesen Weg bisher ein-     ten, wenn es darum geht, die Kirche zukunftsfähig
geschlagen haben?                                       zu machen. Dabei wird der Fokus auf Themen wie
     Von 66 Personen, die aktuell im Quest-Studien-     Mobilität, Mitgliederbindung und Digitalisierung
gang studieren oder diesen bereits abgeschlossen        gelegt, die sich am Überthema orientieren. Der
haben, sind 40 Frauen und 26 Männer. 16 Personen        Nachmittag wird dazu genutzt werden, die vor Ort
sind bereits im Pfarramt tätig, drei befinden sich im   gewonnenen Erkenntnisse in Diskussionsrunden zu
einjährigen Lernvikariat, das an das universitäre       reflektieren. Obwohl der ganze Tag dezentral orga-
Studium anschliesst. 30 Personen sind zwischen 50       nisiert ist, werden die verschiedenen Gruppen digi-
und 60 Jahre alt, 20 Personen zwischen 40 und 50        tal vernetzt sein und ihre Ergebnisse teilen. Abge-
und 15 Personen zwischen 30 und 40. Bewerben            schlossen wird der Tag mit einem gemeinsamen
können sich Personen zwischen 30 und 54 Jahren.         digitalen Gottesdienst.
Die akademischen Hintergründe der Quereinsteiger
sind divers. Die grösste Gruppe – 23 Personen –
kommt aus den Geisteswissenschaften. Es folgt der
Bereich Wirtschaft mit zehn Personen und Rechts-
wissenschaft mit acht Personen.
     Aus welchen Motiven sich erfahrene Berufsleu-      STIFTUNG FONDIA
te für den Quereinstieg entscheiden, erzählen einige    —Für diakonische Initiativen
von ihnen in Porträts und Videoclips auf www.bil-
dungkirche.ch, etwa die Eiskunstlauftrainerin Lucia     KOM.  Die Stiftung fondia hat kürzlich ihren Tätig-
Bühlmayer, Kommunikationsprofi Jörg Wanzek,             keitsbericht 2020 veröffentlicht und ruft gleichzei-
Rechtsanwältin Marie-Ursula Kind oder Unterneh-         tig auf, Gesuche für sozialdiakonische Projekte zu
mensjuristin Anna Hemme-Unger. Der Infoabend            stellen. Die Stiftung fördert diakonische Initiativen
2021 findet am 2. September virtuell statt.             in der Evangelischen Kirche Schweiz und in deren
www.bildungkirche.ch/quest                              Mitgliedskirchen. Sie schüttet jährlich rund 600 000
                                                        Franken aus, verteilt auf etwa 30 Projekte. Der fon-
                                                        dia-Beitrag dient vor allem als Anschubfinanzie-
                                                        rung. Es werden aber auch einmalige oder befristete
                                                        Projekte unterstützt.
KIRCHENRAT                                                  Wer ein diakonisches Projekt plant oder lan-
                                                        ciert, aber nicht genug Geld hat, um es umzusetzen,
—Den Newsletter allen                                   kann sich bei der Stiftung melden. Nach welchen
zugänglich machen                                       Kriterien fondia Beiträge leistet und wie das Ge-
                                                        suchsverfahren abläuft, erfahren Interessierte auf
KOM. Angesichts des grossen Interesses am kirchen-      der Homepage www.fondia.ch. Inspiration für dia-
rätlichen Newsletter und seiner breiten Wirkung hat     konische Projekte liefert die Seite www.diakonie.
der Kirchenrat beschlossen, den Verteiler auszuwei-     ch/praxis/#fondia.
ten und den Newsletter allen Interessierten zugäng-
lich zu machen. Dieser kann deshalb künftig wie die
anderen thematischen Newsletter über die Website
der Landeskirche abonniert werden.
www.zhref.ch/organisation/landeskirche/kirchenrat/
newsletter
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4   AKTUELL

                                                         75 JAHRE HEKS
     NACHGEFRAGT
     —Aktiv zum                                         —Eine Fotoausstellung für
     Grünen Güggel                                      Kirchgemeinden
     rod. Der erste Konvoi von                          KOM. In seinem Jubiläumsjahr bietet HEKS für
     Zürcher Kirchgemeinden ist auf dem Weg             Kirchgemeinden seine Fotoausstellung «75 Jahre
     zum Zertifikat «Grüner Güggel». Nachge-            HEKS» an, die die lange und bewegte Geschich-
     fragt bei Andreas Frei, kirchlicher Umwelt-        te des Hilfswerks thematisiert.
     berater und Fachmitarbeiter beim Verein                Im Jahr 1946 gegründet, nahm sich das Hilfs-
     oeku Kirchen für die Umwelt.                       werk der Evangelischen Kirchen Schweiz dem
                                                        Elend der Nachkriegszeit an. Die kirchliche
     Warum sollen Kirchgemeinden das Zertifi-           Hilfs- und Wiederaufbauarbeit wurde im Lauf
     kat «Grüner Güggel» absolvieren?                   der Jahrzehnte mit weltweiter Entwicklungszu-
         Dank dem Legislaturziel «Umweltbewusst         sammenarbeit, Nothilfe und Unterstützung von
         handeln» mit der Massnahme «Umweltma-          Flüchtlingen und sozial Benachteiligten ergänzt.
         nagement verbindlich machen» hat sich im           Um diese Engagements in schwierigen Zei-
         Kanton Zürich ein erster Konvoi auf den        ten geht es in der Fotoausstellung. Sie veran-
         Weg gemacht. Eigentlich dachten wir an         schaulicht in 24 Bildern wichtige Wegstationen
         maximal sechs teilnehmende Kirchgemein-        aus 75 Jahren und zeigt bewegende und teilweise
         den, doch nun sind es acht, inklusive die      wenig bekannte Momente aus der 75-jährigen
         GKD. Keine dieser motivierten Gemeinden        Geschichte von HEKS.
         wollten wir abweisen. Die «Bewahrung der           Die Ausstellung mit 24 grossformatigen Ta-
         Schöpfung» beziehungsweise die Dringlich-      feln ist für Innenräume vorgesehen und wird von
         keit, nachhaltiger zu leben, wird einer        HEKS geliefert sowie auf- und abgebaut. Sie
         wachsenden Anzahl von Mitgliedern in           steht interessierten Kirchgemeinden für einen
         Kirchgemeinden immer wichtiger. Das            Zeitraum von drei Tagen bis maximal drei Wo-
         Umweltmanagement hilft, glaubwürdig und        chen zur Verfügung. Ergänzt wird sie mit einer
         systematisch mit zehn Schritten den ökologi-   Begleitbroschüre, in der die Bildlegenden abge-
         schen Fussabdruck einer Kirchgemeinde          druckt sind. Auf Wunsch kommen HEKS-Mitar-
         anzuschauen und zu verbessern.                 beitende für Vorträge oder Podiumsdiskussionen
                                                        an kirchliche Anlässe.
     Welche Resonanz erhalten Sie aus den               www.heks.ch
     Kirchgemeinden, die sich beteiligen?
         Die Menschen, die an die Startsitzung des
         Konvois kamen, waren einerseits sehr moti-
         viert und wollten gleich loslegen, anderer-
         seits kamen viele Fragen rund um das
         Umweltmanagement. Zum Beispiel: Wie
                                                        DARGEBOTENE HAND
         viele Personen gehören ins Umweltteam,         — Mehr Geld für psychische
         warum braucht es eine Energiebuchhaltung,
         wieso gehört auch Arbeitssicherheit zum
                                                        Gesundheit gefordert
         Grünen Güggel? Das ist verständlich. Ein       KOM. Finanzielle Soforthilfe für die psychische
         Managementsystem in eine Kirchgemeinde         Gesundheit von Jugendlichen und jungen Er-
         einzuführen, ist etwas Neues. Aber es lohnt    wachsenen, die unter den Corona-Massnahmen
         sich! Alle Unterlagen sind vorhanden, so       leiden – dies fordern die Dargebotene Hand, die
         dass jede Gemeinde erfolgreich diese zehn      Stiftung pro Mente Sana und der Fachverband
         Schritte machen kann.                          Public Health Schweiz gemäss Infoportal ref.ch
                                                        in einer gemeinsamen Mitteilung von Mitte Juni.
     Mit welcher Überzeugung engagieren Sie             Darin halten die Organisationen fest, dass die ein-
     sich als kirchlicher Umweltberater?                schränkenden Massnahmen verbreitet zu Einsam-
         Ich glaube, die Kirche würde den Kairos        keit, Schulstress, Unsicherheit auf dem Lehrstel-
         verpassen, wenn sie sich in unserer Zeit       len- und Arbeitsmarkt und zu Zukunftsängsten
         nicht vehement für die Bewahrung der           geführt hätten.
         Schöpfung einsetzen würde. Weniger                 Nach Aussage von Sabine Basler, Geschäfts-
         Treibhausgase, weniger Ressourcenver-          führerin der Dargebotenen Hand, haben Themen
         brauch, mehr Recycling und mehr Genüg-         wie psychische Leiden und Gewalt bei Anrufen
         samkeit: Das alles sind Ziele des Grünen       von Jugendlichen um mehr als 100 Prozent zuge-
         Güggels. Es gibt als Kirchgemeinde keinen      nommen. Angesichts dieser Notlage drängt sich
         glaubwürdigeren Weg, um zu zeigen, dass        laut den drei Organisationen ein rascher Ausbau
         es ihr ernst ist mit der Transformation in     bestehender Angebote und eine Soforthilfe von
         eine enkeltaugliche Zukunft.                   125 Millionen Franken auf.
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AKTUELL     5

KLOSTER KAPPEL
—Erstes Jazz-Festival
KOM. «unlock21.  Jazz im Kloster»: Vom 19. bis 22. Au-
                                                                  Blog
gust findet im Kloster Kappel das erste Jazz-Festival
mit Konzertabenden, Workshops und Jazzgottesdienst
statt. «unlock21»? Das ist gemäss den Verantwortli-
chen ein Stossgebet, dass Gott aufschliessen möge,
was in Pandemiezeiten so lange verschlossen war. Als
besonderes Highlight findet am Freitag, 20. August,
ein Konzert mit dem Thierry Lang Trio statt, welches
auch den Jazzgottesdienst am Sonntag mitgestaltet.
Das Trio mit Heiri Känzig am Bass, Andi Pupato am                             STEPHAN JÜTTE
Schlagzeug und Komponist Thierry Lang am Flügel                             Theologe, Leiter RefLab
hat einen unverkennbaren Sound: melodiös, viel-
schichtig, einfühlsam.
    Als weiteres Ensemble wird das Trio Müller Kra-
                                                                       Institutionelle Fragen
mis Baschnagel aus Zürich mit Herbert Kramis am                       theologisch beleuchten
Bass, Pius Baschnagel am Schlagzeug und Gregor                    Die Zahlen sehen nicht gut aus. Nur im
Müller am Flügel zu hören sein. Zu ihnen stösst dies-             letzten Jahr hat die Reformierte Landes-
mal die Sän­­gerin Barbara Balzan. Der Jazz dieser                kirche des Kantons Zürich fast zehntau-
Gruppe fliesst in offener Spielweise aus der eigenen              send Mitglieder verloren. Relativ zu den
Feder. Sie pflegt reiche Klangkultur mit Emotionalität            Mitgliederzahlen sind das fast doppelt
und Spielfreude. Kubanische und brasilianische Tradi-             so viele wie noch vor fünf Jahren. Wer
tionen tauchen ebenso auf wie klassische Motive, alle             auf die Taufzahlen blickt, erkennt, dass
geführt von der Improvisation.                                    der Schrumpfungsprozess nicht linear
    Auch das Yves Theiler Trio mit Luca Sisera am                 verlaufen wird: Nur gut jedes zweite
Bass, Lukas Mantel am Schlagzeug und Yves Theiler,                Kind aus einem reformierten Haushalt in
dem Komponisten und Bandleader am Flügel, wird                    der Schweiz wird noch getauft. Progres-
Kappel beehren. Theiler liebt Experimente und musi-               sive Schrumpfung, sozusagen. Und ein
kalischen Witz. Zum Reformationsjubiläum 2019                     Blick in die Niederlande, in denen die
komponierte er Stücke über Kirchenlieder und widme-               Protestantische Kirche vielleicht eine
te die CD «It’s Huldrych!» – einiges daraus wird zu               Generation Vorsprung hat auf die hiesi-
Gehör kommen – dem Zürcher Reformator. Das Trio                   ge Entwicklung, erspart komplizierte
träumt hörbar von einer Jazzkirche Zürich.                        Modellrechnungen.
Informationen und Tickets: jazzimkloster.ch (siehe auch Eintrag       Der Mitgliederschwund geschieht
unter «Themen und Termine», Seite 13).
                                                                  jedenfalls nicht schleichend. Nachdem
                                                                  eine gewisse Selbstverständlichkeit der
                                                                  Kirchenmitgliedschaft vor 30 Jahren
                                                                  weggefallen ist, dürften als Nächstes
                                                                  die staatliche Anerkennung, die Steuern
FRAUENSYNODE 2021                                                 juristischer Personen und das Parochi-
—Wirtschaft ist Care                                              alsystem, dieses engmaschige Filialnetz
                                                                  aus lauter Hauptgeschäftsstellen, auf
KOM. Die Siebte Schweizer Frauensynode lanciert am
                                                                  der Kippe stehen. Fusionen werden
4. September eine «Wirtschaft ist Care-Aktion», die je            gewisse Härten abfedern und der
nach Corona-Situation mit öffentlichen Führungen in               Pfarrmangel wird auf der Personalseite
Sursee oder online stattfinden wird. Die Frauensynode             grosse Entlassungsprogramme verhin-
war letztes Jahr wegen Corona abgesagt worden. An-                dern. Aber eine Reformierte Landeskir-
stelle des Grossanlasses lancierten die Verantwortli-             che, die einen Grossteil der religiösen
chen darauf zwei Initiativen, einen Stationenweg, der             Sozialisierung und Gesinnung vertritt,
am 22. Mai in Sursee stattfand, und den Anlass vom 4.             wird es nicht mehr geben.
September. Dabei geht es um die Frage, was Wirt-                      Man kann diese Entwicklung nicht
schaft ist und was sie leisten muss. Die Antwort heisst:          ernsthaft bremsen und auch nicht mehr
Wirtschaft ist Care! Das bedeutet: Wirtschaft ist dazu            leugnen. Diese Message ist mittlerweile
da, die Bedürfnisse aller Menschen auf dem Planeten               überall angekommen. Damit stehen wir
Erde zu erfüllen.                                                 vor der seltsamen Aufgabe, den institu-
Informationen: www.frauensynode2021.ch; Comic-Broschüre           tionellen Niedergang selbst theologisch
«Wirtschaft ist Care - (K)ein Spaziergang».
                                                                  reflektieren zu müssen.
                                                                  Mehr lesen auf reflab.ch
Ein Gespräch mit Sozialethiker Hans Ruh - LERNEN, BESCHENKTE ZU SEIN - Reformierte Kirche ...
6   SCHWERPUNKT SOZIALETHIK

                                              INTERVIEW

              «Lernen,
            Beschenkte zu
                sein»
          Der 88-jährige Sozialethiker Hans Ruh hat seine
       wichtigsten Beiträge im Sammelband «Anleitung zur
        Menschlichkeit» neu publiziert. Ein Gespräch über
      seine ethischen Visionen und die Kraft der Bergpredigt.
                                         Von Madeleine Stäubli-Roduner

    «Ich habe mich eingemischt» – Dieser Titel der Au-          damals im Militär gemacht, als ich auch mit
    tobiografie von Hans Ruh steht programmatisch für           Direktoren im Stroh geschlafen habe. Dazu
    sein Wirken. Während Jahrzehnten hat der Sozial             kommt das Bildungselement: Die Menschen
    ethiker seine Stimme für soziale Gerechtigkeit er-          müssen verstehen und sich äussern können.
    hoben und sich auch tatkräftig engagiert, sei es im         Diese Aspekte müssten innerhalb der Demo-
    West-Ost-Konflikt, in der Friedensarbeit oder bei           kratie verstärkt werden. Zudem fordere ich
    den Jugendunruhen der 80er Jahre. Im hohen Alter            einen Grundlohn, eine Idee, die ich vor
    von 88 Jahren hat der emeritierte Professor und Di-         Jahrzehnten schon eingebracht hatte und die
    rektor des Instituts für Sozialethik an der Universi-       nun allmählich Fuss fasst. Beide Forderungen
    tät Zürich seine für ihn wichtigsten Beiträge aus 50        führen zu meinem Grundnarrativ: Wir dürfen
    Jahren in einem Sammelband neu aufgelegt. Seine             lernen, dass wir auf der Erde Beschenkte sind,
    damaligen wie heutigen Positionen erläutert er im           in dem, was wir hier erleben. Die Sonne
    Gespräch.                                                   scheint unentgeltlich – keiner bezahlt für sie.
                                                                Darum heisst das zentrale Stichwort des
    Herr Ruh, in Ihrem neuen Buch «Anleitung                    Umgangs miteinander: einander beschenken.
    zur Menschlichkeit», einer Sammlung von                     Genau darauf basieren die Ideen von Sozial-
    Beiträgen aus 50 Jahren, beklagen Sie,                      dienst und Grundlohn. Und diese ermöglichen,
    Demokratie sei ein elitäres Projekt, in dem                 gemeinsam ethisches Kapital aufzubauen, in
    einfache Menschen nicht vorkämen. Woran                     Mitmenschlichkeit, Brüderlichkeit und
    machen Sie das fest?                                        Schwesterlichkeit.
        Hans Ruh: Wir haben eine formale Demokra-
        tie, bräuchten jedoch eine soziale Demokratie.      Dieses «ethische Kapital» bezeichnen Sie als
        Denn wir haben eine grosse Anzahl einfacher         die Summe der lebensdienlichen Werte. Sie
        Menschen vergessen, denen wir keine Aner-           fordern, die Grammatik des Menschlichen
        kennung geben. Dabei bräuchten sie die              müsse die grundlegenden Werte innerhalb
        Gewissheit, in der Öffentlichkeit ohne Scham        unserer Kultur bestimmen. Ist es für Sie nicht
        auftreten und mit ihrer Arbeit einen gewichti-      enttäuschend, dass sich die Gesellschaft in
        gen Beitrag leisten zu können. Es ist zentral,      den vergangenen Jahrzehnten weiter von
        dass sie ihre Identität finden können.              Ihren Visionen entfernt hat?
                                                                Ich sehe das ambivalent. Ja, ich habe schon
    Wie kann das konkret geschehen?                             vor 50 Jahren von den Schweizer Grossban-
       Ein Weg wäre der gemeinschaftliche obligato-             ken eine ethische Auseinandersetzung gefor-
       rische Sozialdienst. Diese Erfahrung habe ich            dert, worauf sie mir beschieden: Wir pflegen
Ein Gespräch mit Sozialethiker Hans Ruh - LERNEN, BESCHENKTE ZU SEIN - Reformierte Kirche ...
7

Hans Ruh, Sozialethiker und Autor, im Mai 2018 in der Sendung «Sternstunde Religion» von SRF Kultur. Foto: (c) SRF,
Sternstunde Religion. https://www.youtube.com/watch?v=fH2cPeQ5QJs

     Ethik bei uns. Klar, ich war der Zeit voraus                  das universale Recht als neues Element in ihre
     und kam mir manchmal, etwa bei Vorträgen                      Gespräche integrieren.
     über das Grundeinkommen in den 80-er
     Jahren, wie ein Gaukler vor, der den Leuten              Sie beklagen aber, dass genau das Gegenteil
     etwas Unrealistisches vorgaukelt. Aber mit der           geschieht. Die Wissenschaftskultur sei eine
     Zeit wurden diese Ideen aufgenommen, etwa                selektive Kultur, die immer mehr ausblende
     die ethische Bewertung von Aktien oder die               und sich immer stärker auf das Messbare
     Umweltthemen, wir sind also durchaus auf                 fokussiere. Stattdessen müsste sie human,
     gutem Weg unterwegs.                                     mitleidsfähig werden. An welche Adressaten
                                                              richten Sie diese Forderung?
Das Thema Grundeinkommen könnte auch                               Sie richtet sich an Wissenschaftsräte oder
zwiespältig sein, indem es die menschliche                        Universitäten, die Lehrstühle an der Schnitt-
Teilhabe an Arbeitsprozessen zurückdrängt.                        stelle von Ethik und Wissenschaft einrichten
    Ja, die Umgestaltung der Arbeitsprozesse                      müssten. Eine Wissenschaft, die sich selber
    durch Künstliche Intelligenz und radikale                     zerstört, ist nicht wahr. Zur Wahrheit gehört
    Digitalisierung wird zu Konflikten führen; das                auch das vernünftige Weiterleben. Was aber ist
    richtige Mass ist schwierig zu finden. Was                    Wahrheit? Dieser Begriff ist in jeder Hinsicht
    heute aber geradezu fahrlässig unterschätzt                   wichtig, nur in Wahrheit können wir einander
    wird, ist die Gefahr der militärisch-technologi-              vertrauen. Wir müssen lernen, dass zum
    schen Aufrüstung. Ich fordere daher eine unter                Wissenschaftlichen auch das Menschliche
    der Ägide der Uno aufgestellte, ethisch-philo-                gehört. Sonst fährt die Wissenschaft ab wie
    sophische Kommission mit führenden Philo-                     eine Rakete und lässt die Menschen rechts und
    sophen aus allen Ländern, die unabhängig von                  links liegen. Einstein wusste: Das Wissen hat
    finanziellen und technologischen Interessen                   seine Grenzen, aber das Denken nicht.
    solche ethischen Fragestellungen erörtern und
                                                              Diese ethische Beurteilung der Rolle der
                                                              Wissenschaft setze jedoch Klarheit über die
   «Was aber ist Wahrheit?                                    Entstehungsbedingungen von Wissenschaft
                                                              voraus, schreiben Sie weiter. Denn auch die
   Dieser Begriff ist in jeder                                Wissenschaft sei Interessen und Zwängen

   Hinsicht wichtig. Nur in
                                                              ausgesetzt. Wo kann hier echte Aufklärung
                                                              ansetzen?
     Wahrheit können wir                                          Für echte Aufklärung müssten informelle
                                                                  Gruppen zusammen diskutieren, der Wissen-
     einander vertrauen.»                                         schaftsrat des Nationalfonds müsste dieses
                                                                  Thema bearbeiten. Das heisst, die Wissen-
                                                                  schaft müsste sich selber mit ihrer eigenen
                                                                  Disziplin, der Wissenschaft, kritisch auseinan-
                                                                  dersetzen.
8   SCHWERPUNKT SOZIALETHIK

    Auch der Wirtschaftsprozess müsse veran-                  stoppen und ein Dialog zwischen technikaffi-
    kert sein in einer geistig-moralischen Tiefen-            nen und technikkritischen Menschen scheint
    dimension, folgern Sie. Die Wirtschaft müsse              kaum mehr möglich zu sein. Man hätte von
    sich ausrichten auf das Gute Leben. Sie                   Anfang an viel kritischer damit umgehen
    fordern eine Retransformation der Wirtschaft              müssen, hätte Fortschritt stets in Konfrontati-
    zurück zur Dienstfunktion in einer an der                 on zur realen Welt setzen müssen. Warum zum
    Lebensdienlichkeit orientierten Gesellschaft.             Mars fliegen, wenn Millionen in Afrika
    Wie soll das möglich werden?                              hungern? Man hätte stets nur jene Technologi-
        Personen an den Schlüsselpositionen der               en einsetzen dürfen, die vorhandene Probleme
        Gesellschaft, in Führungspositionen müssen            angehen.
        ihren Job anständig machen, sie müssen daran
        arbeiten, eine Anerkennungskultur in Instituti-   Diese aktuellen Probleme, etwa die Gefahr
        onen und Unternehmen zu pflegen und als           von Radikalisierungen, thematisieren Sie im
        Anwälte der einfachen Menschen zu handeln.        Vorwort. Dort plädieren Sie für ein neues
        Leider ist jedoch die ethische Klammer des        Narrativ des Menschseins nach Corona, für
        wirtschaftlichen Handelns seit den Anfängen       das aufgrund der sich zuspitzenden poli-
        der sozialen Marktwirtschaft verloren gegan-      tisch-wirtschaftlichen Krise immer mehr
        gen.                                              Menschen bereit seien. Dabei sprechen Sie
                                                          die Bergpredigt an und darin wiederum die
    Diese ethische Klammer vermissen Sie auch             Haltung des Beschenktseins. Wie sollte
    in Bezug auf Errungenschaften etwa in                 diese biblische Sicht im Lärm dieser Zeit
    Technik, Medizin oder Genetik. In einem               auch religionsferne oder -kritische Menschen
    Beitrag fordern Sie, dass man nicht fragt             noch ansprechen?
    «Wie weiter?», sondern «Bis wohin?» Die                   Die Idee des Beschenktseins trägt in sich eine
    Antworten müssten auch hier von einer                     eigene Dynamik. Diese zu verbinden mit
    anderen, von der geistigen Dimension kom-                 Naturnähe und menschlicher Unerschrocken-
    men. Wie meinen Sie das?                                  heit, das ist wichtig. Die Worte der Bergpre-
        Eine Diskussion darüber ist schwierig, denn           digt greifen ins Leben, ob Leute das nun
        die technologischen Erfindungen sind nicht zu         belächeln oder nicht. Bei Vorträgen zum
                                                              Thema Beschenktsein habe ich immer wieder
                                                              gemerkt, dass es Menschen berührt und
                                                              abholt.
      Hans Ruh                                            Haben Menschen der westlichen Welt in der
      Hans Ruh, geboren 1933 bei Thayn-                   Folge von Säkularisierung und geprägt von
      gen SH, studierte in Zürich und                     Wissenschaftsgläubigkeit die Sprache und
      Basel Theologie, promovierte 1963                   Sensibilität für Spiritualität, für persönliche
      bei Karl Barth und wirkte von 1963                  Glaubenserfahrungen verloren?
      bis 1965, inspiriert von Barths und                     Ja, viele haben die Sprache für Spirituelles
      Bonhoeffers «Kirche für die Welt»,                      verloren. Ich persönlich habe viele Jahre nicht
      als theologischer Mitarbeiter der                       viel von Meditation gehalten. Nun habe ich
      Gossner Mission in Ost-Berlin.                          einen neuen Zugang gefunden und pflege
      Fortan engagierte er sich in der                        Spiritualität in einer kleinen Meditationsgrup-
      Friedensarbeit und Konfliktfor-                         pe.
      schung. Ruh gründete und leitete
      das Institut für Sozialethik des                    Was würden Sie als Essenz dieses neuen
      Kirchenbunds (1965–83), wirkte als                  Zugangs bezeichnen?
      Professor an den Universitäten                         Entscheidend ist die Liebe und vor allem die
      Bern (1971–1983) und Zürich (1983–                     Wahrheit, ebenso die Bereitschaft zum Zuhö-
      1998) und als Leiter des Zürcher                       ren und Spüren und die Gemeinschaft. Ich
      Instituts für Sozialethik. Zudem war                   habe auch durch einen besonderen Traum
      er Mitglied der Christlichen Frie-                     erkannt, dass der Zugang zur religiösen
      denskonferenz und engagierte sich                      Dimension für alle offen ist.
      in der ethischen Unternehmensbe-
      ratung. Der Vater von zwei Söhnen                   Und wie sehen Sie Gott?
      und Grossvater von zwei Enkeln                         Über Gott können wir viele menschliche
      lebt mit seiner Partnerin im Raum                      Vorstellungen entwickeln, liegen aber vermut-
      Zürich.                                                lich immer knapp daneben. Gott ist für mich
      Hans Ruh, Anleitung zur Menschlichkeit,                Liebe, Leiden. Der Ort des Mitleidens und der
      Positionen aus ethischer Sicht, Versus Verlag          Ort der Wahrheit.●
      Zürich, 2021, 221 Seiten, Fr. 29.-
9

Schöpfung als Geschenk
Zur Feier der Schöpfungszeit laden die AGCK Zürich und
 die Reformierte Kirchgemeinde Zürich am 5. September
            zum Stationenweg im Niederdorf.
KOM. Schöpfungszeit ist immer und überall – am 5.        form im Kanton ein Zeichen setzen».
September ganz besonders in Zürich. Ein Stationen-           Die AGCK Zürich besteht seit über 50 Jahren
weg durchs Zürcher Niederdorf am Sonntagabend            und hat 21 Mitgliedskirchen sowie drei Kirchen im
lädt ein zu staunen, kritisch hinzuschauen und           Gaststatus. Ein wichtiger Orientierungspunkt für
macht Mut, etwas anzupacken. Kirchen verschiede-         ihre ökumenische Zusammenarbeit ist die Charta
ner Konfessionen sind an diesem Anlass ökume-            Oecumenica, ein Grundlagendokument der europä-
nisch unterwegs, in Zusammenarbeit mit visionären        ischen Kirchen, das dieses Jahr sein 20-jähriges Ju-
Unternehmerinnen und Unternehmern in Zürich,             biläum feiert. Dort heisst es unter anderem: «Im
einem Input-Theater sowie mit einem Fachmann             Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erken-
der Klima-Allianz zur Situation der Gletscher in der     nen wir dankbar das Geschenk der Schöpfung, den
Schweiz.                                                 Wert und die Schönheit der Natur. (…) Wir wollen
     Organisiert wird der Anlass von der Arbeitsge-      uns gemeinsam für nachhaltige Lebensbedingungen
meinschaft christlicher Kirchen im Kanton Zürich,        für die gesamte Schöpfung einsetzen.»
AGCK Zürich, und von der Reformierten Kirchge-               Dieses Anliegen wurde auch in der diesjährigen
meinde Zürich. «Die lebendige Schöpfung ist ein          Ökumenischen Kampagne der Werke Brot für alle,
Geschenk, jeden Tag!», sagt Bettina Lichtler, Präsi-     Fastenopfer und Partner sein aufgegriffen – unter
dentin der AGCK Zürich und Beauftragte für Bezie-        dem Slogan: «Klimagerechtigkeit jetzt!» Pande-
hungen und Ökumene der Landeskirche. «Zugleich           miebedingt konnten in der eigentlichen Kampag-
ist der nachhaltige Umgang mit diesem Geschenk           nenzeit vor Ostern nur wenige Anlässe stattfinden.
eine Aufgabe, die wir gemeinsam anpacken müssen          So kam es zur Zusammenarbeit der AGCK Zürich
– in ökumenischer Kirchengemeinschaft und zu-            mit der Reformierten Kirchgemeinde Zürich, die
sammen mit engagierten Initiativen in Wissenschaft       ihren eigentlich für März geplanten Anlass zur Öku-
und Wirtschaft, in Kunst und Politik und vielen an-      menischen Kampagne nun mit dem Stationenweg
deren Bereichen.»                                        zur Schöpfungszeit am 5. September verbindet und
     Jedes Jahr im September steht die Schöpfung in      das Inputtheater «Ajala» (Erde) der Kampagne da-
vielen Kirchen und Gemeinden im Fokus, zum Bei-          für eingeladen hat.●
spiel auch beim Erntedankfest. Der Verein oeku           Der Stationenweg vom Sonntag, 5. September, beginnt um
Kirchen für die Umwelt stellt jeweils besondere          17 Uhr in der Predigerkirche und dauert ca. 2 Stunden. Er ist
Materialien für die Feier der Schöpfungszeit in der      für Jugendliche und Erwachsene geeignet und findet in einer
                                                         gemeinsamen Führung für alle Teilnehmenden statt.
Schweiz zur Verfügung. «Wir haben jedoch festge-         Informationen und Anmeldung unter www.zhref.ch/statio-
stellt, dass die Schöpfungszeit im Raum Zürich häu-      nenweg. Kontakt: Bettina Lichtler, bettina.lichtler@zhref.ch
fig keine grosse Rolle spielt», sagt Bettina Lichtler,   Weitere Links und Hinweise: www.oeku.ch/schoepfungszeit,
«und da möchten wir als grösste ökumenische Platt-       www.agck-zh.ch, www.sehen-und-handeln.ch
10   DIAKONIE

                      KIRCHE UND TISCHLEIN DECK DICH

         «Wir bekommen
           viel zurück»
         Sibylla Asper leitet mit Margrit Heer die Abgabestelle
        von «Tischlein deck dich» in Affoltern a.A. Ein Besuch
           im Chilehuus, das als Umschlagplatz funktioniert.
                                         Von Madeleine Stäubli-Roduner

     Dienstag, 9 Uhr, Chilehuus Affoltern am Albis: Eine    abgeholt, ins Logistikzentrum Zentralschweiz in
     achtköpfige Gruppe von Freiwilligen ist bereits seit   Baar transportiert und von da wöchentlich nach Af-
     einer Stunde konzentriert an der Arbeit. Sie vertei-   foltern gebracht. Für die Fahrten und das Ein- und
     len Lebensmittel in Harassen auf bereitgestellte Ti-   Ausladen sind Zivildienstleistende zuständig. Das
     sche, sichten Frischwaren und Abgepacktes und          Helferteam nimmt die Kisten auf Rollen entgegen
     verschaffen sich mit Notizzetteln einen Überblick      und verteilt die Esswaren auf den Tischen. Das Ge-
     über die Lieferung dieser Woche. Diese wird bald       müse, das direkt von Bauern kommt und daher offen
     gleichmässig in Säcke abgefüllt und dann den rund      ist, wird in die Küche gebracht und dort zugeschnit-
     50 teilweise bereits wartenden Bezügerinnen und        ten und verpackt. «Den Käse abpacken und mit den
     Bezügern abgegeben. Die Szenerie, so ungewöhn-         übrigen Kühlprodukten gleich in die Kühltaschen
     lich sie für ein Kirchgemeindehaus wirken mag,         legen», ruft Sibylla Asper einer Mitarbeiterin zu.
     wiederholt sich hier jeden Dienstagmorgen, und das     Bald sind die etwa 45 so genannten Grundsäcke für
     seit vielen Jahren. Denn der geräumige Ulmen-Saal      Haushalte von einer bis zehn Personen gefüllt.
     funktioniert als Abgabestelle Affoltern der Essens-
     abgabe von Tischlein deck dich.
          Über diese Raumnutzung freut sich Sibylla As-     Gemüse und Schoggi
     per, die gemeinsam mit Margrit Heer diese Abgabe-           Mit den restlichen Lebensmitteln werden zweite
     stelle leitet. «Es ist schön, wenn eine Kirche ihre    Säcke für grössere Familien bepackt. Gefrorenes
     Räume für ein derartiges soziales Projekt zur Verfü-   wie etwa Fischstäbli, aber auch Schweinefleisch
     gung stellt», sagt sie. «Zudem werden wir von un-      wird gesondert platziert. «Wir fragen die Bezüge-
     seren Sigristinnen verwöhnt, die den Raum jeweils      rinnen, ob sie davon nehmen möchten», sagt Sibyl-
     vorbereiten und alle Tische aufstellen.» «Wir» – das   la Asper. Sie wirft noch einen letzten Blick in einen
     ist ein eingespieltes Team von langjährigen Enga-      mit Eistee, Guetzli, Gemüse und Schoggi gefüllten
     gierten, darunter ihr Mann und Kirchenpflegepräsi-     Sack. Dann geht es schnell. Das Team öffnet die
     dent Hans Asper, ein Kirchenpfleger und weitere        Türe und die Bezügerinnen und Bezüger können
     Freiwillige, die in der reformierten wie auch in der   mit ihrer Bezugskarte, die sie bei Sozialfachstellen
     katholischen Kirche beheimatet oder eher distan-       erhalten haben, und gegen die symbolische Zahlung
     ziert sind. Auch Sibylla Asper selbst ist ökumenisch   eines Frankens ihre Säcke entgegennehmen.
     unterwegs, ursprünglich katholisch und nun in bei-          So schnell wie sich der Raum gefüllt hat, leert er
     den Kirchen zuhause. Bei der Essensabgabe zählt        sich auch wieder. «Vor Corona haben wir die Ess-
     ohnehin nicht die kirchliche Beheimatung, sondern      waren auf den Tischen ausgebreitet und mit den Be-
     die Vernetzung, organisatorisch und sozial.            zügerinnen individuell ausgesucht», blickt Sibylla
                                                            Asper zurück. Es sei schöner gewesen, gemeinsam
                                                            Rundgänge zu machen und dabei noch den einen
     Eindrückliche Vernetzung                               oder anderen Schwatz zu machen. Denn mittlerwei-
        Diese Vernetzung präsentiert sich eindrücklich.     le kennen sich Freiwillige und Bezüger und führen
     Unter dem Dach des Vereins «Tischlein deck dich»       gern Gespräche miteinander. Einmal sei eine Fami-
     werden die einwandfreien, aber «überschüssigen»        lie, die Esswaren beziehe, sogar in die kirchlichen
     Lebensmittel bei Grossverteilern und Produzenten       Familienferien mitgekommen, erzählt Sibylla As-
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      Die Esswaren stehen bereit: das Team der Abgabestelle Affoltern am Albis im Chilehuus. Foto: rod.

per. Da und dort treffe man sich auch im Rahmen
anderer diakonischer Projekte wieder, etwa beim
«mitenand», wo Freiwillige Familien unterstützen,
oder im Migrationsprojekt «Tandem», das Migran-
tinnen und Migranten im Alltag begleitet.                               Tischlein deck dich
                                                                        Der spendenfinanzierte Verein
                                                                        «Tischlein deck dich», im Jahr
Wertvolle Engagements                                                   1999 gegründet, verteilt mit 24
    Diese Begegnungen empfindet Sibylla Asper als                       Festangestellten und 3100 freiwil-
besonders wertvoll. «Ich finde es spannend, mit                         lig Mitarbeitenden überschüssige
Menschen in Kontakt zu kommen, die ich sonst                            Lebensmittel an armutsbetroffene
nicht treffen würde und Situationen kennenzuler-                        Menschen in der Schweiz. Pro-
nen, zu denen ich im Alltag nicht Zugang hätte»,                        duktspenden aus Landwirtschaft,
sagt sie. «Ausserdem bekommen wir so viel zu-                           Industrie, Gross- und Detailhandel
rück!» Die Freiwilligenarbeit bedeutet ihr nun seit                     erreichen wöchentlich an 136
Jahren sehr viel, zuerst als Familienfrau, die es                       Abgabestellen rund 21 000 Men-
schätzte, nicht auswärts arbeiten zu müssen und au-                     schen. Der Verein mit Geschäfts-
sserhäusliche Engagements langsam auszubauen.                           stelle in Winterthur führt auf seinen
Als einstige Mitwirkende in Kirchenpflege und                           sechs Logistikplattformen Be-
Pfarreirat, als Tixi-Taxi-Fahrerin und als langjähri-                   schäftigungsprogramme für Er-
ge Sterbebegleiterin mit Weiterbildung habe sie sich                    werbslose und beschäftigt Zivil-
sinnvoll und befriedigend einbringen können, blickt                     dienstleistende.
sie zurück.                                                             Noch immer landen in der Schweiz
    Besonders freut sie die positive Resonanz der                       jährlich 2,8 Millionen Tonnen
Kirchgemeinde auf die sozialen Projekte wie eben                        essbare Lebensmittel im Abfall.
die Abgabestelle. «Wir bekommen viele wohlwol-                          Gleichzeitig leben hier rund
lende und erfreuliche Echos und auch die Pfarrper-                      735 000 Personen am oder unter
sonen unterstützen uns und vermitteln uns neue Be-                      dem Existenzminimum.
zügerinnen und Bezüger», sagt Sibylla Asper. Sie
verschafft sich mit einem raschen Blick in den Saal                     Auch die Kirchgemeinden Ill-
einen Überblick und stellt dann die noch nicht abge-                    nau-Effretikon, Regensdorf, Win-
holten Einkaufstaschen auf die Seite.●                                  terthur Wülflingen und Zürich (in
                                                                        Schwamendingen) führen in ihren
                                                                        Kirchgemeindehäusern Abgabe-
                                                                        stellen von «Tischlein deck dich».
                                                                        Informationen: www.tischlein.ch
12

              Themen & Termine
     St. Anna Forum                           Schweiz reformierte Kirchgemeinden,
                                              christkatholische und katholische
                                                                                         ein zum Feiern, Nachdenken und
                                                                                         Handeln, von Sonnengesang bis
                                                                                         Gletscherforschung, von «Changema-
                                              Pfarreien dazu auf, die Sonntagspre-
     12. JULI                                 digt am 1. August 2021 Frauen zu           ker» bis «Äss-Bar». (Siehe Seite 9)
     Jesus und seine Jüngerinnen. Die         übertragen. An diesem Tag feiert die       Start um 17 Uhr, Predigerkirche, Zürich
     Entdeckung, dass Frauen im Neuen         Schweiz Geburtstag und im 2021 einen       Anmeldung: zhref.ch/stationenweg
     Testament verschwiegen oder              ganz besonderen, denn wir würdigen

                                                                                         Europäischer Kon-
     nachträglich bedeutungslos gemacht       «50 Jahre Frauenstimmrecht in der
     wurden, hat in den 1970er bis 1980er     Schweiz». In der ganzen Schweiz

                                                                                         gress Theologie
     Jahren Staub aufgewirbelt. Nun           sollen am 1. August dort, wo noch
     überraschen die Bibelexpertinnen und     immer überwiegend Männer stehen,
     Historikerinnen Helen Bond und Joan      Frauen zu Wort kommen.
     Taylor in einem Film von Anna Cox mit    Für das Gestalten der Predigt stehen       5. BIS 8. SEPTEMBER
     neuen Erkenntnissen: Frauen haben        ab Juni Predigtbausteine zu Ex 16;         Unter dem Leitthema «Heilige Schriften
     die Anfänge des Christentums             1Kor 14,33b-36 und Mt 7,24-27 sowie        in der Kritik» wird die Interpretation
     entscheidend mitgeprägt. Filmabend       weitere liturgische Texte zur Verfügung.   Heiliger Schriften als theologische und
     und Podium mit Tania Oldenhage,          Gastpredigerinnen können aber auch         historische Fragestellung beleuchtet
     Luzia Sutter Rehmann, Irene Gysel.       eigene Gedanken und Texte einbrin-         sowie in den interkulturellen und
     19 bis 21 Uhr, St. Anna-Kapelle,         gen. Detaillierte Informationen zur        interreligiösen Kontext gestellt. Der
     St. Annagasse 11, Zürich                 Aktion finden Sie unter frauenbund.ch/     Kongress ist öffentlich.
                                              was-wir-bewegen/kirche-und-spirituali-     theologiekongress.uzh.ch
                                              taet/helvetia-predigt/

                                              Ströme lebendigen Kirchliches Um-
                                              Wassers           weltmanagement
                                                                17. SEPTEMBER BIS 7. MAI
                                              AB 1. SEPTEMBER                            Im praxisnahen, kompakten Lehrgang
                                              Die Kirchen Deutschlands, Österreichs      lernen Interessierte, wie sie ihre
                                              und der Schweiz beginnen am                Kirchgemeinde zum Grünen Güggel
                                              4. September die SchöpfungsZeit            führen oder/und nach einer Zertifizie-

     75 Jahre HEKS
                                              gemeinsam mit einem Ökumenischen           rung weiter begleiten. Der Anbieter
                                              Tag der Schöpfung am Bodensee.             oeku.ch kooperiert mit der reformierten
                                              Die Alpen sind das Wasserschloss           Landeskirche Zürich. Er bietet diesen
     BIS 18. JULI                             vieler europäischer Staaten. In unseren    Lehrgang vor allem für Personen aus
     Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde         Seen sammelt sich das Wasser, das          Zürcher Kirchgemeinden vom Herbst
     das Hilfswerk der evangelischen          Länder und Menschen verbindet. Die         2021 bis Frühjahr 2022 an.
     Kirchen der Schweiz gegründet. Schon     SchöpfungsZeit bietet die Gelegenheit,     Leitung: Andreas Frei
     vor und während des Kriegs setzten       für das Geschenk des Wassers zu            Jeweils 13.30 bis 15 Uhr
     sich der Theologe Karl Barth, Pfarrer    danken und dafür zu sorgen, dass           zhref.ch/intern/umwelt/termine/
     Paul Vogt, die Flüchtlingsmutter         lebendiges Wasser auch in Zukunft

                                                                                         Projektstelle Er-
     Gertrud Kurz und weitere Engagierte      fliessen kann.
     für die vom Naziregime Bedrohten ein.    «oeku Kirchen für die Umwelt»

                                                                                         wachsenenbildung
     Ausstellung in der Markuskirche,         erarbeitet eine Dokumentation für die
     Kirchenkreis elf, Höhenring 56, Zürich   Gestaltung von Gottesdiensten und
     Seebach. Montag bis Freitag, 10 bis 16   weiteren Anlässen – verfügbar unter
     Uhr. Sonntags während des Gottes-        schoepfungszeit.ch oder oeku.ch            ON DEMAND
     dienstes ab 9 Uhr bis 12 Uhr.                                                       Fokus Theologie – Projektstelle
     Gottesdienst zum Anlass am Sonntag,                                                 Erwachsenenbildung der Deutsch-
     18. Juli mit Pfarrerin Esther Gisler                                                schweizer Reformierten Kirchen.
     Fischer und Pfarrer Markus Dietz.                                                   Auf fokustheologieref.ch finden sich zu
                                                                                         vielen Bibeltexten kreative, theologisch
                                                                                         sorgfältig durchdachte Methoden für
                                                                                         eine Bibellektüre mit Erwachsenen,
                                                                                         nach Schlagwörtern oder Bibelstellen
                                                                                         auffindbar. Stöbern und Nachahmen
                                                                                         erwünscht. Die Zuständigen kommen
                                                                                         gern auch «on demand» in die
                                                                                         Gemeinde.

                                              Unterwegs im      Das Carillon
                                              Herzen von Zürich erleben
     Helvetia predigt!                        5. SEPTEMBER
                                              Im Rahmen der SchöpfungsZeit
                                                                                         10./11. JULI
     1. AUGUST                                organisiert die AGCK Zürich (Arbeits-      Festwochenende zur Glockenausstel-
                                              gemeinschaft christlicher Kirchen im       lung in der Kappeler Klosterkirche. Mit
     Mit der ökumenischen Aktion «Helvetia
                                              Kanton Zürich) einen Stationenweg          Festgottesdienst, Carillonspiel
     predigt!» rufen die Kirchenfrauen der
                                              durchs Niederdorf. Die Stationen laden     (zweitgrösstes Glockenspiel der Welt)
AGENDA    13

und Carillonkonzert sowie Glocken
«von Hand» läuten.
Info: klosterkappel.ch

Carillon: Vom Ur-
klang der Glocken
11. JULI
Auf die Zuhörenden wartet ein
einmaliges Erlebnis: Vor dem Kloster
Kappel erklingt konzertant das mit 49
Glocken zweitgrösste mobile Carillon
(Glockenspiel) der Welt, hergestellt von
der Glockengiesserei Perner in Passau
(Bayern). Carilloneur: Bastian Fuchs,
Lesungen: Pfr. Volker Bleil. 17.15 Uhr.
Info: klosterkappel.ch
                                                                                      unlock 21 – Jazz im
Kappeler Singwo-                                                                      Kloster
che: Gartenlieder                                                                     Das erste Jazzfestival der
18. BIS 24. JULI                                                                      Zürcher Kirche im Kloster
In der diesjährigen Sommersingwoche                                                   Kappel: inspirierende Musik in
lädt das Kloster Kappel auf einen musi-               unlock 21 – Jazz im Kloster     bezaubernden Gewölben und
kalischen Spaziergang durch den                                                       Gärten. Als Highlight findet am
Klostergarten und hinaus auf Felder
und Wälder ein. Leitung: Ruedi Keller,     Konzert durch die Kraft der Elemente
                                                                                      Samstag ein Konzert mit dem
Schulmusiker und Chorleiter.               mit Hans-Jürgen Hufeisen (Komponist        Thierry Lang Trio statt, das
Info und Anmeldung: klosterkappel.ch       und Blockflötist), Volker Bleil (Kloster   auch den Jazzgottesdienst am
                                           Kappel) und Simon Jenny (Pfarrer und       Sonntag mitgestaltet. Zudem:
KlosterNacht                               Musiker). Info und Anmeldung:
                                           klosterkappel.ch                           Trio MüllerKramisBaschnagel
                                                                                      feat. Barbara Balzan, Yves Thei-
27./28. AUGUST
Die Klosterkirche im Kerzenlicht – Fei-    Klosterheilkunde                           ler Trio und Workshops.
                                                                                      Das Kloster Kappel lädt ein zu
                                           nach Hildegard
ern – Singend beten – Lauschen –
Schlösser und Türen im Kloster – Raum                                                 einem seltenen Ensemble von
                                           von Bingen
für Stille – Freiraum Klostergarten. Die                                              Geschichte und Gegenwart,
beiden konzertanten Teile, die «Klan-
gräume» in der KlosterNacht (23 und 2                                                 von Stein und Jazz, von Ein-
Uhr) werden vom Trio Celeste (Orgel,       4. BIS 5. SEPTEMBER                        druck und Ausdruck, Konzert
Tenor, Horn) und Jasmine Vollmer           Aufbauend auf den Schriften der            und Andacht, Natur und Kultur.
(Harfe) gestaltet.                         berühmten Äbtissin wird der Kräuter-
20 bis 6 Uhr. Info und Anmeldung:                                                     Mitveranstalter ist bluechurch,
                                           garten des Klosters Kappel genauer
klosterkappel.ch                           betrachtet. Aus frischen Kräutern          ein internationales Netzwerk
                                           werden Präparate nach den Rezepten         von Jazzleuten mit Nähe zur
Orte der Kraft                             von Hildegard von Bingen hergestellt.
                                           Info und Anmeldung: klosterkappel.ch
                                                                                      Architektursprache und Spiritu-
                                                                                      alität von Kirchen und Kirchen-
4. SEPTEMBER                                                                          leuten mit Nähe zur Musikspra-
Musikalisch-spirituelle Reise ins                                                     che des Jazz.
Kloster Kappel. Sich auf den Weg
machen, um aufzuatmen, zu Kraftor-                                                    19. bis 22. August. Info und Tickets:
ten, zu Plätzen der Kultur des Klosters                                               jazzimkloster.ch
Kappel. Eine Tagesreise und ein
14   TIPPS

     BUCHTIPP                                                BILDUNGSTIPP
     —Die Versuchung                                         —Theologie und Literatur
     der Macht                                                                            In Theologie und Ge-
                                                                                         ED.
                                                                                      meindepraxis ist die Arbeit
                         ROD. «Die neutestamentlichen                                 an der Sprache von zentra-
                         Texte ermutigen uns, Macht in                                ler Bedeutung. Schriftstel-
                         der Kirche anders zu gestalten                               lerinnen und Schriftsteller
                         und dabei neue Wege auszulo-                                 können dafür wichtige
                         ten. (…) Sie ermutigen uns                                   Lehrmeisterinnen und
                         zum Kulturwandel, ja zur Kul-       Lehrmeister sein. Sie erschliessen uns Wirklichkeit
                         tivierung und Zähmung von           und erweitern die eigene Weltwahrnehmung. Im
                         Macht.» In seinem Buch geht         Gespräch mit der Schriftstellerin Sibylle Lewitscha-
                         der katholische Theologe Mar-       roff widmen sich die Teilnehmenden an diesem Tag
                         kus Lau einem Phänomen nach,        dem Verhältnis von Theologie und Literatur. Der
                         das so alt sei wie die Jesusbe-     Studientag «Theologie und Literatur» findet am 8.
     wegung selbst, denn schon in den Evangelien fin-        November 2021 in Bern statt, in Kooperation mit
     den sich Spuren der Versuchungen der Macht.             dem Institut für Systematische Theologie der Theo-
         Von der Aufforderung zum Dienen bei Mar-            logischen Fakultät Bern. Anmeldeschluss ist der 31.
     kus über den Widerstand gegen die Macht Einzel-         Oktober.
     ner bei Matthäus bis zur verführerischen Macht          bildungkirche.ch/kurse.
     des Geldes in der Apostelgeschichte analysiert
     der Autor den Umgang des Neuen Testaments mit
     dem Übel des Klerikalismus, sprich den Verhal-
     tensweisen, die mit Macht zu tun haben. So macht
     etwa die matthäische Jesusgeschichte deutlich,
     welche Gefahren Machtausübung mit sich brin-
     gen kann und wie die von Gott gegebene Ent-
     scheidungsvollmacht zu nutzen sei, zugunsten
     der Menschen, des Einzelnen wie der Gruppe.
     Die detail- und aspektreichen Erläuterungen wer-
     den illustriert mit beredten und witzigen Karika-       BUCHTIPP
     turen von Thomas Plassmann.
     Markus Lau, Die Versuchung der Macht, Neutestamentli-
                                                             —Gescheiterte Reformation
     che Gegenentwürfe, TVZ, 2020, 152 Seiten, 29.90.                                Das westlich an Zürich an-
                                                                                  SCH.
     .                                                                          grenzende Freiamt machte die
                                                                                Zürcher Reformation der Kirche
                                                                                bekanntlich nicht mit. Dass man
                                                                                im Reuss- und Bünztal am alten
                                                                                Glauben festhielt, hatte kaum da-
                                                                                mit zu tun, dass die Thesen
                                                                                Zwinglis wenige Kilometer jen-
                                                                                seits der Grenze plötzlich an
                                                             Überzeugungskraft verloren hätten. Dass sie sich
                                                             nicht durchsetzten, lag an den gänzlich anderen po-
                                                             litischen und kirchenpolitischen Gegebenheiten in
                                                             von den Eidgenössischen Ständen verwalteten ge-
                                                             meinen Herrschaften. Gleichwohl konnten sich Ein-
                                                             zelpersonen, Geistliche oder gar ganze Kirch- und
                      ST E L                                 Dorfgemeinschaften durchaus vorstellen, die kon-
                                LEN
               Offen IM W                                    fessionellen Seiten zu wechseln. Auch hier spielten
              in de e Pfarrst EB                             neben seelsorgerlichen auch handfeste wirtschaftli-
                   nK        el  l                           che Interessen der Landbevölkerung eine Rolle. Da-
               den G irch­gem en, Stelle                     von berichtet die kleine und verständlich geschrie-
                                 e
              Dien esamtki inden u n
                  st           rc     n                      bene Forschungsarbeit und zeigt an diesem
              zhref en finden hlichen d                      regionalen Beispiel eindrücklich das Ringen um die
                   .ch/o        Sie
                 offen rganisati auf:                        konfessionelle Weichenstellung, die dann für Jahr-
                       e-ste       o
                             llen n/                         hunderte und bis in die Gegenwart Bestand haben
                                                             sollte.
                                                             Dominik Sauerländer: Die Reformation in den Freien Ämtern.
                                                             Beispiel einer gescheiterten Landreformation. Chronos-Ver-
                                                             lag, 2021. 64 Seiten, Fr. 12.-
15

Foto: Patrick Gutenberg

                                                                                                                    BARBARA
                                                                                                                  HUTZL-RONGE
                                                                                                                     Autorin
                                                                                                                  Die gebürtige Steirerin
                                                                                                                  wirkt als Erzählerin bei
                                                                                                                   Stadtführungen zur
                                                                                                                  Zürcher Reformation.

                                   Passionierte Erzählerin
                            Mit Barbara Hutzl-Ronge an der Stadtführung in Zürich
                                                                   Von Viviane Schwizer

                          Ein Samstagmorgen an der Schifflände in Zürich:        wir bald heimisch wurden.» lhr Interesse galt da-
                          Eine kleine Gruppe von Menschen steht dicht bei-       mals den vorchristlichen Religionen und dem frü-
                          einander und hängt einer Frau in ihrer Mitte an den    hen Christentum, woraus später zwei kulturge-
                          Lippen. Gebannt hören sie ihr zu, scheinen dank        schichtliche Wanderführer entstanden. Zu jener Zeit
                          den Schilderungen in eine andere Welt versetzt zu      begann sie auch, die recherchierten Geschichten an
                          werden. Die Erzählerin ist Barbara Hutzl-Ronge.        Stadtführungen und auf Wanderexkursionen zu
                          Nicht umsonst steht sie an dieser Stadtführung zur     erzählen.
                          Reformation mit ihren Gästen ganz in der Nähe der          Es war im Jahr 2017, als Barbara Hutzl-Ronge,
                          Limmat. Denn just hier seien am 12. Mai 1555           das 500-jährige Reformationsjubiläum vor Augen,
                          Glaubensflüchtlinge aus Locarno in Zürich an Land      sich intensiv mit Huldrych Zwingli und seiner Mis-
                          gegangen.                                              sion zu beschäftigen begann. Rückblickend sagt sie:
                              Sie hatten sich entschieden, nicht beim alten      «Ich ahnte damals nicht, wie sehr mich die Refor-
                          Glauben zu bleiben, sondern sich der reformierten      mation packen würde.» Ihrem eigenen Stammbaum
                          Lehre anzuschliessen. Darum hatten sie ihre Hei-       nachspürend, erwähnt die gebürtige Steirerin, dass
                          matstadt verlassen müssen. In Zürich erhielten sie     Verlust der Heimat und Migration auch in ihrer Fa-
                          dank Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger Asyl.      milie als Themen präsent sind. Wahrscheinlich er-
                          Unter den Ankömmlingen waren etwa der Priester         zähle sie darum die Schicksale der Locarneser, Hu-
                          Giovanni Beccaria, die unerschrockene Barbara          genotten und Waldenser so gerne, weil ihr die
                          Muralta sowie Händler, Handwerker, Familien und        Sympathie für Menschen, die sich in der Fremde
                          sogar Witwen mit ihrem Nachwuchs.                      ihre Existenz völlig neu aufbauen mussten, sozusa-
                              Knapp 500 Jahre sind seit damals vergangen.        gen in die Wiege gelegt wurde.
                          Die Schicksale der Tessiner werden von Barbara             Die Reformation war aber nicht Barbara
                          Hutzl-Ronge aber so lebendig erzählt, als hätten sie   Hutzl-Ronges letztes Projekt. Anlässlich der Wie-
                          sich gestern zugetragen.                               dereröffnung der Tonhalle bietet sie aktuell Stadt-
                                                                                 führungen zur Musikgeschichte Zürichs an. Erfreu-
                          Recherchieren und erzählen                             licherweise sei das Interesse für die Zürcher
                              Zuerst erstaunt es, dass Barbara Hutzl-Ronge       Reformation bei Reformierten und Katholiken in
                          von der Zürcher Reformation fasziniert ist. Sie        der Schweiz, aber auch bei Lutheranern und Unier-
                          stammt nämlich nicht aus der Zwingli-Stadt, son-       ten in Deutschland nach wie vor gross. Barbara
                          dern aus Österreich, was ihr Dialekt sofort deutlich   Hutzl-Ronge sagt: «Ich freue mich, dass ich mit
                          macht. Sie erzählt: «Vor 35 Jahren bin ich mit mei-    meinen Reformationsstadtführungen also noch län-
                          nem Mann und meinem Sohn aus beruflichen Grün-         ger unterwegs sein werde.»●
                          den von der Steiermark nach Zürich gezogen, wo
CH-8001 Zürich
                                                                                   P. P. / Journal
                                                                                   Post CH AG
                                                                                     notabene

                                                                                         AZB
                                                                                  8024 Zürich, notabene@zhref.ch
                                                                                  Hirschengraben 7, Postfach 673,
                                                                                  Kommunikation
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                                                                                  Kantons Zürich
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                                                                                  Absender: notabene
Ein gefüllter Teller?
Lesen Sie das Interview mit Sozialethiker Hans Ruh ab Seite 6 und den Beitrag
über «Tischlein deck dich» in Affoltern am Albis auf Seite 10.
Illustration: Anna Sommer www.annasommer.ch

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                                            Nr. 7 / 2021 (September)
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Viviane Schwizer
Esther Derendinger (ED)
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