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Elternbegleitung: dialogisch Erfahrungen und Perspektiven Konsortium Elternchance (Hg.) Die Qualifizierung „Elternbegleiter*in“ wird im Rahmen des Programms „Elternchance II – Familien früh für Bildung gewinnen“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Europäischen Sozialfonds gefördert.
Elternbegleitung: dialogisch Erfahrungen und Perspektiven Konsortium Elternchance
IMPRESSUM 4 Vorwort DEAE 50 Immer ein Plan B 7 Ein besonderes Miteinander Begegnung, Begleitung, Beratung, Rückblick von Dozent*innen 1 Bildung und ein Budget für Familien 55 Ressourcen stärken Theorieteil Gelingende Erziehungs- und 8 Fachkompetenz bündeln Bildungspartnerschaft in der Kita Das Konsortium Elternchance 14 Haltung zeigen eaf Paradigmenwechsel in der 60 Veränderungen gestalten Familienbildung Elternchance im Familienzentrum 20 Familien stärken 68 Kompetenzen erweitern Elternbegleitung in der Praxis Elternbegleiter*innen in Familien- Bildungsstätten AWO 22 Gemeinsam für ein starkes BAG Miteinander 77 Brücken bauen Elternbegleitung beim AWO KV Starke Netzwerke Elternbegleitung Südost für geflüchtete Familien 30 Perspektiven eröffnen 85 Gemeinsam stark HERAUSGEBER LEKTORAT/KORREKTORAT Elternbegleitung im AWO Vernetzte Elternbegleitung im Konsortium Elternchance Petra von der Linde, freie Journalistin, Hamm Kreisverband Konstanz Sozialraum RECHTSTRÄGER SATZ/LAYOUT AWO Bundesverband e.V. Matthieu De Schepper AKF PBW Blücherstr. 62/63 36 Beteiligung ermöglichen 91 Familien empowern 10961 Berlin ILLUSTRATION Elternbegleitung in der Kita Dialogische Zusammenarbeit auf Telefon: (+49) 30 – 263 09–0 Imke Schmidt-Sári 40 Auf Abstand gut verbunden Augenhöhe Telefax: (+49) 30 – 263 09–325 99 E-Mail: info@awo.org Elternbegleitung in der Schul- 95 Wandel gestalten © AWO Bundesverband e.V., Das Copyright Internet: awo.org für Texte und Bilder liegt, soweit nicht anders sozialarbeit während der Corona- Herausforderungen und Potenziale vermerkt, beim AWO Bundesverband e.V. pandemie der Familienbildung VERANTWORTLICH 46 Herausforderungen begegnen Hubert Heeg Abdruck, auch in Auszügen, nur mit ausdrück- Sprecher Konsortium Elternchance licher vorheriger Genehmigung des AWO Elternbegleitung im Bistum Mainz 100 Die Kraft des Dialogs Bundesverband e.V. Rückblick von Dozent*innen 2 REDAKTION Angela Berg, Jennifer Ludewig, Dr. Sandra Alle Rechte vorbehalten. 101 Gemeinsam anpacken Mirbek, Sarah Rockenberger, Gisela Tesch, Perspektiven für Elternbegleitung Wiebke Weinbrenner Dezember 2021 und Familienbildung INHALTSVERZEICHNIS 3
VORWORT Hierzu haben die Projektkoordinatorinnen der sechs beteiligten Verbände 1 Praxisbeispiele aus dem Kontext ihrer jeweiligen Organisationen zusammen- getragen. Der Fokus liegt dabei auf der dialogischen, wertschätzenden Von Hubert Heeg, Geschäfts- Im Januar 2011 haben sich sechs Organisationen Haltung. Sie in der Qualifizierung zum*zur Elternbegleiter*in zu vermitteln führer der AKF und Sprecher (s. zweite Umschlagseite) zusammengetan, um und dabei sowohl das Wissen als auch die praktische Handlungskompetenz des Konsortiums Elternchance miteinander an der Umsetzung des Bundes- der Teilnehmenden zu erweitern, ist ein Kernziel des Programms. Die Beiträge programms „Elternchance ist Kinderchance“ zeigen, wie eine solche konstruktive und wertschätzende Haltung nicht mitzuwirken. Zehn Jahre später, gegen Ende des nur die Zusammenarbeit mit Familien, sondern die Einrichtungen selbst ESF-Bundesprogramms „Elternchance II: Familien verändern kann und darüber hinaus weiterwirkt. Gleichzeitig machen sie früh für Bildung gewinnen“, ist es Zeit, innezuhalten auch die Vielfalt der institutionellen Kontexte der Elternbegleiter*innen und und rückblickend nach vorne zu schauen. Diesem die Bandbreite ihrer Tätigkeit deutlich. Die Texte sind von Praktiker*innen Ziel soll die kleine Broschüre dienen. verfasst und in ihrem Stil sehr unterschiedlich; um der jeweiligen O-Töne Willen haben wir dies so belassen. Und sie sind zusätzlich zu den vielfältigen Nach einer kurzen Darstellung der Schwerpunkte Aufgaben geschrieben worden, die vor Ort anstehen und die zu erledigen auch von Elternchance II beschreibt Verena Wittke, so schon die Zeit kaum ausreicht. Den Elternbegleiter*innen und anderen was die sechs Organisationen bewogen hat, Autor*innen sei deshalb an dieser Stelle ganz ausdrücklich für dieses die Unterschiede ihrer Wertegrundlagen und Engagement gedankt, durch das sie den Leser*innen einen Einblick in die der trägerspezifischen Aufgabenverständnisse konkrete Praxis ermöglichen. zurückzustellen, um gemeinsam der Bildungs- und Teilhabeungerechtigkeit von Kindern entgegen- Ebenso gilt der Dank den Dozent*innen der Qualifizierungskurse, die in den zuwirken („Das Konsortium Elternchance“). Kursen die dialogische Haltung leben, den Projektkoordinatorinnen für die In ihrem zweiten Beitrag macht Verena Wittke Unterstützung und Begleitung der Elternbegleiter*innen, beispielsweise bei anschließend den „Paradigmenwechsel in der den lokalen Netzwerktreffen, und den Mitarbeiter*innen in der Projektzentrale, 1 Angela Berg (Katholische Familienbildung“ deutlich, der mit der Weiter- bei denen die vielen Fäden des Projektes zusammengelaufen sind die sie Bundesarbeitsgemeinschaft qualifizierung zum*zur Elternbegleiter*in be- geschickt miteinander verwoben und weitergesponnen haben. für Einrichtungen der Familien- bildung), Jennifer Ludewig fördert wurde. Im abschließenden Beitrag werden (Deutsche Evangelische Arbeits- Perspektiven skizziert und Eckpunkte benannt, Im Konsortium Elternchance haben wir in den vergangenen Jahren ebenfalls gemeinschaft Erwachsenenbil- die für eine dauerhafte institutionelle Absicherung einen Lernprozess durchlebt. Anfangs allein in der Überzeugung verbunden, dung DEAE), Dr. Sandra Mirbek von Elternbegleitung notwendig sind. dass die Bildungsungerechtigkeit vermindert werden müsse, ist das Projekt (AKF – Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung), immer mehr auch „unseres“ geworden, hat die dialogische Haltung auch Sarah Rockenberger (AWO Der Schwerpunkt der Broschüre beschäftigt sich auf unseren Umgang miteinander „abgefärbt“. Um uns gemeinsam an der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband), jedoch mit der Frage, was sich in der Familien- Umsetzung des Projektes beteiligen zu können, musste ein Verband die Gisela Tesch (eaf – evangelische bildung und der Arbeit mit Müttern, Vätern und besondere Verantwortung der Rechtsträgerschaft tragen. Der AWO Bundes- arbeitsgemeinschaft familie), Wiebke Weinbrenner (Paritätisches Kindern konkret verändert hat: sowohl in der Praxis verband e.V. hat diese Aufgabe übernommen, auch hierfür sei an dieser Bildungswerk BV) von Einrichtungen der Familienbildung und Kitas Stelle Dank gesagt. als auch im Selbstverständnis von Familienbildung. 4 VORWORT 5
Dass ein Bundesprogramm, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten, EIN BESONDERES MITEINANDER über 11 Jahre gefördert wird, ist ungewöhnlich. Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat damit ein deutliches Rückblick von Dozent*innen 1 Ausrufezeichen gesetzt. Über 14.000 Fachkräfte konnten zu Eltern- begleiter*innen qualifiziert werden, um Mütter und Väter frühzeitig und zielgruppengerecht für die Bildungsverläufe ihrer Kinder zu sensibilisieren, Jedem Anfang wohnte ein besonderer Zauber inne: das vorsichtige zu den Übergängen im Bildungssystem zu beraten und die Selbsthilfe zu Entdecken und Erkunden des Dialogkreises mit all seinen wertvollen stärken. Und ebenfalls ungewöhnlich ist, dass der Rahmen der Umsetzung Einladungen und das Ausprobieren der vielen kleinen Übungen. Ein des Projektes so gestaltet war, dass zugleich ein Paradigmenwechsel in wesentlicher Aspekt, der sich in fast allen Kursen gezeigt hat – es der Familienbildung angestoßen und gefördert wurde, der über das Projekt entwickelte sich ein wirkliches Miteinander. Teilnehmende äußerten oft, hinausgeht. Auch dem BMFSFJ für dieses langanhaltende Engagement einen dass sie eine ganz besondere Gruppe seien, und fragten, ob das in anderen ganz herzlichen Dank! Kursen auch so gewesen sei. Sie waren verwundert und erstaunt, was alles möglich wird, wenn sie sich ganz als Mensch zeigen und erleben, Das ESF-Bundesprogramm „Elternchance II: Familien früh für Bildung gewinnen“ dass jede*r etwas Besonderes ist und wie wertvoll jeder einzelne Beitrag kommt zum 31. Dezember 2021 zum Abschluss, die Elternbegleitung damit in der Runde sein kann. Vielfalt wurde als echter Reichtum erkannt und jedoch nicht zu ihrem Ende. Das BMFSFJ plant, das ESF Plus-Bundesprogramm gewürdigt. „ElternChanceN – mit Elternbegleitung Familien stärken“ zu realisieren. Mit dem Standortprogramm sollen Strukturen der Elternbegleitung vor Ort Immer wieder tief beeindruckt hat uns das wachsende Miteinander: ein gestärkt und Eltern im Hinblick auf die Erziehungs- und Bildungsweg- starkes Gefühl der Verbundenheit, der kollegialen emotionalen Nähe begleitung ihrer Kinder weiterhin unterstützt werden. Dabei sollen Familien und der positiven offenen Atmosphäre. Es hat sich im Laufe der Jahre in besonderen Lebenslagen und Eltern mit Kindern bis zum Grundschulalter verstärkt und wurde für uns ein natürliches „Ergebnis“ der dialogischen besonders in den Blick genommen werden. Und das Konsortium Elternchance Haltung und eines durch und durch salutogenen Menschenbildes. setzt die Arbeit als solidarisches Lenkungsorgan mit der gemeinsamen Um- setzung des Projektes „Verstetigung und Qualitätssicherung von Eltern- Wir haben viel gelacht, miteinander und mit den Teilnehmenden. Dabei begleitung“ fort, das ebenfalls vom BMFSFJ gefördert wird. hat die wertschätzende und gestärkte Beziehung zwischen uns als Dozent*innen mit dazu beigetragen, dass die Atmosphäre sehr angenehm Mit unserer Broschüre möchten wir etwas von dem „Geist“ des ESF Bundes- und wertschätzend war. programms und der dialogischen Haltung nachvollziehbar machen. Wir hoffen, dass uns dies gelungen ist, und wünschen eine anregende Lektüre. GERHILD DAMM UND FRANK SCHUBERT, DOZENT*INNEN (Teil 2 siehe S. 100) 6 RÜCKBLICK VON DOZENT*INNEN 1 7
FACHKOMPETENZ BÜNDELN ihr Engagement und ihre Fähigkeit zu einer trägerübergreifenden Zusammen- arbeit und ihr Interesse, durch ein gemeinsam getragenes Konzept der Das Konsortium Elternchance Professionalisierung den neuen Herausforderungen in der Familienbildung und Elternarbeit gerecht zu werden. Es entstanden im Rahmen beider ESF- Bundesprogramme Curricula zur Qualifizierung von Fachkräften zu Eltern- Von Dr. Verena Wittke, Mit den ESF-Bundesprogrammen Elternchance begleiter*innen und somit eine Weiterqualifizierung, die die Stärkung der Referentin für Familienbildung I und II hat das Bundesfamilienministerium eine Fachkräfte in bildungsbezogenen Themenfeldern und in der Zusammenarbeit beim AWO Bundesverband e.V. Erfolgsgeschichte geschrieben. Das Konsortium mit Eltern und Familien vor allem in benachteiligenden Lebenslagen zum und zertifizierte Elternbegleiterin Elternchance wirkt als Kooperationspartner des Ziel hat. Dabei wurden in den Verbänden bereits erprobte und implementierte BMFSFJ an der Umsetzung der Programme „Eltern- Ansätze, Eltern von Anfang an für die Bildungsverläufe ihrer Kinder zu chance ist Kinderchance“ und „Elternchance sensibilisieren, aufgegriffen und weiterentwickelt. Zu Elternbegleiter*innen II – Familien früh für Bildung gewinnen“ mit. Im weiterqualifizierte Fachkräfte sollten mehr noch als bisher in der Lage sein, Interesse von Kindern und Familien tragen die allen Eltern und Familien Angebote der Bildung, Begleitung und Beratung zu Mitglieder des Konsortiums aktiv und träger- ermöglichen, und durch die Entwicklung aufsuchender Ansätze dazu beitragen, übergreifend zur Überwindung einer immer mehr dass Eltern ihre Kinder von klein auf in ihren Bildungsprozessen und bei der sichtbar werdenden Bildungs- und Teilhabe- Bewältigung von Bildungsübergängen aktiv begleiten können. ungerechtigkeit sowie zu einem Aufwachsen aller Kinder im Wohlergehen bei. Strukturell hat ELTERNCHANCE I UND II: EINE ERFOLGSGESCHICHTE sich der solidarische Ansatz des Konsortiums Elternchance als gemeinsames Lenkungsorgan Das Bundesfamilienministerium hat mit den ESF-Bundesprogrammen eines großen Bundesprogramms bewährt. Elternchance I und II Erfolgsgeschichte geschrieben: Mehr als 14.000 zu Elternbegleiter*innen qualifizierte pädagogische Fachkräfte bundesweit RÜCKBLICK sind in Familienbildung, Kita, Schule und anderen Einrichtungen tätig, um mit ihren Angeboten, z. B. in Kitas, Familienzentren und Familienbildungs- 1 AWO Arbeiterwohlfahrt Bundes- 2010 haben sich sechs bundeszentral tätige stätten, Eltern frühzeitig und zielgruppengerecht für die Bildungsverläufe verband e.V., AKF – Arbeits- Organisationen1, die Aufgaben der Familienbildung ihrer Kinder zu sensibilisieren, zu den Übergängen im Bildungssystem zu gemeinschaft für katholische wahrnehmen und deren Interessen vertreten, zum beraten und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Familienbildung e.V., Deutsche Evangelische Arbeitsgemein- Konsortium Elternchance zusammengeschlossen, schaft Erwachsenenbildung um gemeinsam als verbindlich handelnder Akteur ÜBERWINDUNG VON BILDUNGS- UND TEILHABEUNGERECHTIGKEIT DEAE e.V., eaf – evangelische und Kooperationspartner des Bundesministeriums arbeitsgemeinschaft familie e.V., familienbildung deutschland für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Obwohl unterschiedlich in ihren Wertegrundlagen und ihrem trägereigenen – Katholische Bundesarbeitsge- an der Umsetzung der Programme „Elternchance Aufgabenverständnis, verband und verbindet die Mitglieder des Konsortiums meinschaft für Einrichtungen der ist Kinderchance“ (2011-07/2015) und „Eltern- Elternchance bis heute eine gemeinsame Sicht auf die gesamtgesellschaftlichen Familienbildung, Paritätisches chance II – Familien früh für Bildung gewinnen“ Herausforderungen, die durch soziale Bildungsbenachteiligung und strukturelle Bildungswerk Bundesverband e.V. (ab 08/2015) mitzuwirken. Mit ihrem Zusammen- Bildungsbarrieren gegeben sind. Gemeinsam wirken sie mit den ihnen verfügbaren schluss dokumentierten die beteiligten Verbände Mitteln und Kompetenzen daran mit, ein erweitertes Bildungsverständnis 8 THEORIETEIL 9
zu entwickeln, und tragen im Interesse von Kindern und Familien aktiv und Begleitung. Im Rahmen des ESF-Bundesprogramms Elternchance II wurde trägerübergreifend zur Überwindung einer immer mehr sichtbar werdenden das Curriculum in Kooperation mit dem Kompetenzteam Frühe Bildung an Bildungs- und Teilhabeungerechtigkeit sowie zu einem Aufwachsen aller der Evangelischen Hochschule Berlin überarbeitet. Die 2011 in Zusammenarbeit Kinder im Wohlergehen bei. mit Prof. Dr. Tschöpe-Scheffler entwickelten grundlegenden Qualifizierungs- inhalte des ersten Bundesprogramms zu Voraussetzungen und Bedingungen KOOPERATIONSPRAXIS MIT MODELLCHARAKTER kindlicher Bildungsprozesse, dialogischer Haltung in der Beratung und Begleitung von Eltern sowie vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung wurden Die Mitglieder des Konsortiums Elternchance verstehen ihre langjährige inhaltlich aktualisiert und um das Themenfeld Familie – Partnerschaftlichkeit und Kooperationspraxis auch als Modell für die regionalen Akteur*innen der Wohlergehen ergänzt. So ermöglicht die Weiterqualifizierung den teilnehmen- beteiligten Verbände, um auch vor Ort zu verbindlichen Absprachen sowie den Fachkräften die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lebens- zu von Transparenz, Fairness und klarer Zielorientierung bestimmten träger- lagen und Lebensentwürfen von Familien ebenso wie die Entwicklung einer übergreifenden Kooperationsformen zu kommen und die Familienbildung diversitätssensiblen und inklusiven Bildungsbegleitung auf der Basis des gemeinsam weiterzuentwickeln. So regen die Mitglieder des Konsortiums dialogischen Ansatzes. Elternchance auf lokaler und regionaler Ebene Bündnisse der für die Familien- bildung relevanten Akteur*innen an und unterstützen bestehende Bündnisse PARADIGMENWECHSEL IN DER FAMILIENBILDUNG insbesondere mit dem Ziel, Einsatz- und Arbeitsmöglichkeiten der Eltern- begleiter*innen strukturell zu verankern und zu verstetigen. Mit der inhaltlichen und didaktischen Fokussierung der Qualifizierung auf eine nachhaltige Veränderung der professionellen Haltung von Fachkräften WAS HAT DAS KONSORTIUM ELTERNCHANCE ERREICHT? leistete das Konsortium Elternchance einen spürbaren Beitrag zu einem notwendigen und bereits vor einigen Jahren begonnenen Paradigmenwechsel Schon das erste Bundesprogramm „Elternchance ist Kinderchance“ zeigte in der Familienbildung und in der Zusammenarbeit mit Eltern. Dieser positive und nachhaltige Ergebnisse für die Arbeitsfelder Familienbildung Paradigmenwechsel bringt es mit sich, Fachkräfte zu einer dialogorientierten und Frühpädagogik. Indem Elternbegleitung sich an alle Familien wendet, kann und wertschätzenden Zusammenarbeit mit allen Eltern zu befähigen. Die eine Stigmatisierung teilnehmender Eltern und Kinder weitestgehend vermieden Teilnehmenden selbst berichten insbesondere über spürbare und nachhaltige und gleichzeitig eine Integration in die Alltagsroutine von Einrichtungen Kompetenzgewinne in Bezug auf die wertschätzende und kultursensible ermöglicht werden. Die zentralen Ergebnisse der Evaluation lassen erkennen, Zusammenarbeit mit Eltern unterschiedlicher Herkunft und Milieus. Besonders dass das Programm einen bedeutenden Beitrag zur Professionalisierung nachhaltig sind die Zuwächse an Gesprächskompetenz und zielgruppen- von Fachkräften und auf diesem Wege zur Stärkung von Eltern leistet. Mit spezifischer Empathie (vgl. BMFSFJ 2014, S. 15 ff.). ihrem Fokus auf die Förderung von Bildungschancen von Kindern und eine dialogische Zusammenarbeit mit Eltern und Familien füllt die Qualifizierung QUALITATIVE VERBESSERUNG DER ZUSAMMENARBEIT MIT ELTERN UND FAMILIEN eine Lücke in der Fort- und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte zur Bedeutung und Rolle von Eltern in Bildungsbelangen. Ihre besonderen Die weit überwiegende Mehrheit der qualifizierten Fachkräfte berichtet davon, Merkmale liegen dem Abschlussbericht zur Evaluation (DJI/FAU 2015, S. 17) dass sie die vermittelten Inhalte und Kenntnisse auch in ihrem Arbeitsalltag zufolge in der fachlichen Schwerpunktsetzung auf Familie als Bildungsort, umsetzt und anwendet. Rückmeldungen von Elternbegleiter*innen lassen der hohen Anwendungs- und Praxisrelevanz, der weitgehenden Kostenfreiheit den Schluss zu, dass sich die Zusammenarbeit der qualifizierten Fachkräfte für die Teilnehmenden sowie der systematischen und wissenschaftlichen mit den Eltern und Familien qualitativ verbessert hat. Durch veränderte 10 THEORIETEIL 11
Ansprache, durch neu entwickelte Zugangswege und anders gestaltete FAZIT UND AUSBLICK LITERATUR Formate konnten mehr und andere Familien als bisher erreicht werden. BMFSFJ (2014): Das Programm Insbesondere Elternbegleiter*innen mit eigenem Migrationshintergrund Sechs unterschiedliche Verbände und Organisationen „Elternchance ist Kinderchance“. können als Schlüssel im Zugang zu Familien mit nicht-deutscher Herkunft haben sich auf Grundlagen und Leitlinien für die Zentrale Befunde der Evaluation. verstanden werden. Die Befragung der Eltern bestätigt die gute Zusammen- Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes geeinigt und Online verfügbar unter arbeit und die durchweg positiven Erfahrungen mit Elternbegleiter*innen verfolgen diese Ziele miteinander in gegenseitiger (vgl. BMFSFJ 2014). Eltern können sich durch eine neue Form des Zusammen- und konstruktiver Anregung. Strukturell hat sich spiels mit Fachkräften „sowohl in der Einrichtung als auch zu Hause als dieser gemeinsame und solidarische Ansatz des Gestalter des eigenen Lebens wahrnehmen, neue eigene Bewältigungs- Konsortiums Elternchance als gemeinsames Zuletzt geprüft am 14.09.2021 mechanismen finden und einüben, durch ermutigende dialogische Begegnungen Lenkungsorgan eines großen Bundesprogramms die intrinsische motivationale Kraft finden, Situationen zu ändern und selbst bewährt. Erkennbar wird, dass träger- und DJI/FAU (2015): Evaluation des herausfinden, wo und wie sie Unterstützung und Hilfe benötigen“ (Tschöpe- professionsübergreifende Zusammenarbeit Bundesprogramms „Elternchance ist Kinderchance – Elternbegleitung Scheffler 2013, S. 113). durch eine wirkungsvolle Bündelung von Fach- der Bildungsverläufe der Kinder“. kompetenz Synergien schafft, die für die Weiter- Abschlussbericht. München Die bundesweit hohe Nachfrage nach der Weiterqualifizierung durch Fachkräfte, entwicklung der fachlichen Arbeit ebenso nutzbar Tschöpe-Scheffler, Sigrid Einrichtungen und Träger und die zunehmende Debatte über wertschätzende und sind wie für die Vertretung der Interessen von (2013): Über die Haltung in der partizipative elternbezogene Arbeit im Arbeitsfeld zeigen, dass es gelungen Familien. Zusammenarbeit mit Familien. ist, die Bedeutung einer wertschätzenden Zusammenarbeit mit Eltern und In: Kompetenzteam Wissen- die Stärkung von Familie als erstem und weichenstellendem Bildungsort für Um die Ergebnisse und Leistungen der bislang schaft des Bundesprogramms „Elternchance ist Kinderchance“ Kinder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. zehnjährigen gemeinsamen Projektarbeit zum Corell, Lena; Lepperhoff, Julia Nutzen der öffentlich verantworteten Familien- (2013) (Hrsg.): Frühe Bildung in bildung und ihrer Verbandsorganisationen zu der Familie. Perspektiven der erhalten und weiterzuentwickeln, haben die Familienbildung. Weinheim und Basel. S. 105-117 dem Konsortium Elternchance angehörenden Organisationen den Beschluss gefasst, die Zusammenarbeit im Rahmen eines Kooperations- verbundes Familienbildung fortzusetzen mit dem Ziel, sich über die Elternchance-Programme hinaus am fachpolitischen Diskurs zu beteiligen und sich auf Bundes- und Länderebene weiterhin trägerübergreifend für die Interessen der Familien- bildung einzusetzen. 12 THEORIETEIL 13
HALTUNG ZEIGEN das Elternhaus erfahren. Weit vor Eintritt in Kita und Grundschule wird in der Familie das Fundament für die Bildungsbiografie der Kinder gelegt. Paradigmenwechsel in der Familienbildung Die Vermittlung vielfältigster Bildungsinhalte und die Erschließung von Bildungsumwelten durch Eltern und Familie beginnen im frühesten Kindes alter und reichen bis an die Schwelle zu Ausbildung und Berufsleben. Bildungs Von Dr. Verena Wittke, Die Programme Elternchance I und II haben in prozesse können vor allem dann gelingen, wenn Eltern ihre Kinder von Anfang Referentin für Familienbildung der Familienbildung weitreichende Veränderungs- an selbstbewusst und kompetent auf den vielfältigen Bildungswegen begleiten beim AWO Bundesverband e.V. prozesse befördert und beschleunigt. Die modular und in ihnen die Freude am Lernen wecken, fördern und erhalten können. Die und zertifizierte Elternbegleiterin angelegte berufliche Weiterqualifizierung zum*zur Verantwortung als (Mit-)Gestalter*innen des Bildungs-, Berufs- und Lebens- Elternbegleiter*in erweitert das Wissen und weges ihrer Kinder erfordert aufseiten der Eltern ein hohes Maß an sozialen, die praktische Handlungskompetenz von persönlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen sowie umfassende pädagogischen Fachkräften in der dialogischen Erziehungs- und Bildungskompetenzen. Fehlende Ressourcen und unzureichende Bildungsberatung und -begleitung von Eltern. Zugangsmöglichkeiten zu Informationen, Hilfe und Unterstützung der Eltern Elternbegleitung leistet somit einen wichtigen hingegen, wie sie sich insbesondere bei Familien in benachteiligenden Beitrag auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit im Lebenslagen finden, wirken sich oft lebenslang nachteilig auf Bildungswege Hinblick auf Bildung, Integration und Teilhabe und -chancen der Kinder aus. von Familien. ELTERNCHANCE I UND II BILDUNGSPROZESSE FÖRDERN UND BILDUNGSWEGE BEGLEITEN Im Bewusstsein dessen, dass die Bildungschancen von Kindern in einem entscheidenden Maße von den Lebensumständen und Handlungsmöglichkeiten Eine gute Bildung ist ein Schlüssel für ein erfüllendes der Eltern mitbestimmt werden und um Eltern in ihren anspruchsvollen und selbstbestimmtes Leben mit guten Perspektiven Aufgaben zu stärken, startete die Bundesregierung 2011 im Rahmen der und somit nicht nur für den einzelnen Menschen „Qualifizierungsoffensive für Deutschland“ das Programm „Elternchance ist selbst, sondern auch mit Blick auf die Gesell- Kinderchance“. Wegen des großen Erfolgs ging 2015 das Folgeprogramm schaft ein hohes Gut. Spätestens seit dem zwölften „Elternchance II – Familien früh für Bildung gewinnen“ an den Start. Mit Kinder- und Jugendbericht ist der Diskurs von einem diesen Programmen hat das BMFSFJ in den vergangenen 10 Jahren einen erweiterten Verständnis von Bildung bestimmt, das Paradigmenwechsel in der Familienbildung befördert und auch einen bildungs- deutlich über schulisch vermittelte und arbeits- politischen Perspektivwechsel initiiert: Im Rahmen dieser Programme erwerben relevante Bildungsinhalte und institutionelle pädagogische Fachkräfte in einer modular angelegten beruflichen Weiter- Bildungsorte hinausgeht. Mit diesem erweiterten qualifizierung zusätzliches Wissen und praktische Handlungskompetenz Verständnis ist Familie als früher und neben Kita in der dialogischen Bildungsberatung und -begleitung von Eltern. Die vom und Schule zentraler Bildungsort stärker in den Konsortium Elternchance umgesetzte Qualifizierung basiert auf der Konzeption Fokus gerückt: Es ist unbestritten, dass faire einer „situativen und dialogischen“ Familienbildung (Tschöpe-Scheffler Chancen von Kindern eng mit der Förderung und 2013), für die die Ausbildung einer kommunikativ-sensiblen, zugewandten der Begleitung verknüpft sind, die Kinder durch und dialogischen Grundhaltung und der situationsadäquate Rückgriff auf 14 THEORIETEIL 15
fundiertes Fachwissen ebenso charakteristisch sind wie die Reflexion der Reichtum versteht und deren Anliegen im Abbau jedweder Ausgrenzung und eigenen professionellen Rolle und Haltung in der Zusammenarbeit mit Eltern Benachteiligung liegt. Die dialogische Grundhaltung der Elternbegleiter*innen und Familien. Die Evaluationsergebnisse für die erste Programmlaufzeit, die in der Zusammenarbeit mit den Familien steht für den Respekt vor der Einzig- durch das vom BMFSFJ beauftragte Forschungsteam Ende 2014 vorgelegt artigkeit eines Menschen und dem Eigen-Sinn von Familien, für das Bewusst- wurden, zeigen in zentralen Punkten die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit sein um die Begrenztheit der eigenen (professionellen) Sicht und Expertise des Weiterqualifizierungsangebots auf und belegen die hohe Nachfrage der und die Offenheit für individuelle und vielfältige Lebensformen. Sie ermöglicht Fachkräfte nach dem Angebot. Es wird sichtbar, wie sich „die teilnehmenden eine gleichwürdige Begegnung zwischen Familie und Fachkraft und traut es Eltern Fachkräfte Wissen und Kompetenzen zur Elternbegleitung aneignen und wie zu, ihren Kindern Chancen zu ermöglichen. Eltern fühlen sich willkommen, durch ihre veränderte Zusammenarbeit mit Eltern deren Erziehungskompetenzen wertgeschätzt und eingeladen zu einer gemeinsamen Arbeit im Interesse ihres und Bildung in den Familien gefördert werden“ (BMFSFJ 2014, S. 6). Kindes und erfahren sich als selbstwirksame Gestalter*innen ihres Lebens. „Jede und jeder kann durch den Dialog ermutigt werden, das Vertrauen in die STÄRKUNG VON BILDUNGSKOMPETENZEN eigene Urteilsfähigkeit und das Gespür für den eigenen ,richtigen‘ Weg wieder zu finden. Das macht die Menschen langfristig unabhängiger vom Urteil so- In ihren unterschiedlichen Arbeitsfeldern wenden sich Fachkräfte mit der genannter Experten und deren Wissen und es stärkt sie.“ (Schopp 2019, S. 21 Qualifikation „Elternbegleiter*in“ an die Eltern und Familien mit dem Ziel, die f.). Dies setzt voraus, dass sich die Fachkraft selbst als Lernende wahrnimmt, Familien in ihrem Wunsch nach Bildung, in ihren Bildungskompetenzen und die keine Lösungen vorgibt, sondern die Familienmitglieder als Expert*innen in der Wahrnehmung ihrer Bildungsinteressen zu stärken. Mütter, Väter und ihrer Lebenswelt, ihre Einzigartigkeit und ihren Eigensinn anerkennt und ihnen andere an der Erziehung Beteiligte werden für die Kompetenzen und Selbst- die Entwicklung eigener Lösungen zutraut. Sie selbst versteht sich als fach- lernprozesse junger Kinder, aber auch der Vorschul- und Grundschulkinder kundige Begleiterin auf diesem Weg, die durch eine erkundende Haltung und sensibilisiert und zu Bildungsgelegenheiten im Alltag wie auch zu Bildungs- eine Einladung zum Perspektivenwechsel Mütter, Väter und Kinder darin be- übergängen beraten. Gleichzeitig werden sie in ihren Ressourcen gestärkt, auf stärkt, eigene Stärken (wieder) wahrzunehmen, Ressourcen zu erkennen und der Suche nach eigenen Lösungen begleitet und zu einer Erweiterung ihrer eigene Potenziale selbstbewusst auszuschöpfen. Menschen, die sich in dieser (bildungsbezogenen) Handlungsoptionen angeregt. Indem Fachkräfte für die Weise als selbstwirksam erleben und verstehen, haben gute Voraussetzungen Zusammenarbeit mit den Eltern und Familien eine Atmosphäre zu schaffen dafür, ihre (Bildungs-)Chancen und die ihrer Kinder zu erkennen und wahrzu- vermögen, die eine vorbehaltlos respektvolle Begegnung der beteiligten nehmen. Dies geht einher mit der Bereitschaft der Elternbegleiter*in, eigenes Menschen, einen offenen Austausch und einen gemeinsamen Denk- und Lern- Handeln, Vorannahmen, Erfahrungen und Prägungen in den Blick zu nehmen prozess zulässt, können auf beiden Seiten Vertrauen und Verstehen wachsen und zu hinterfragen. Indem die Weiterqualifizierung dialogisches Lernen und und die gemeinsame Arbeit verändern. Elternbegleitung wird so zu einem dialogische Haltung den Teilnehmenden nicht allein vermittelt, sondern sie wichtigen Beitrag auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit im Hinblick auf Bildung, diese unmittelbar erfahren lässt, wirkt sie als Modell für die zukünftige dialogische Integration und Teilhabe und zu einem Aufwachsen aller Kinder im Wohlergehen. Arbeit der Elternbegleiter*innen. DIALOGISCHE GRUNDHALTUNG INNOVATIVE FORMEN UND SETTINGS Die dialogische Grundhaltung von Elternbegleiter*innen, wie sie sich aus der Vielfach gelingt es den in diesen Programmen ausgebildeten Eltern- konzeptionellen Grundorientierung der Weiterbildung ableitet, beinhaltet eine begleiter*innen durch ihre anerkennende, vorurteilsbewusste und achtsame klare Positionierung hin zu einer Familienbildung, die Unterschiedlichkeit als Haltung gegenüber allen Familien – unabhängig von deren Herkunft, Bildung 16 THEORIETEIL 17
und Ethnie – aber auch über innovative Formen und Settings, Barrieren ab- BESCHLEUNIGTE VERÄNDERUNGSPROZESSE LITERATUR zubauen und verstärkt Familien zu erreichen, die bislang von Angeboten der BMFSFJ/Prognos AG (2021): Eltern- und Familienbildung ausgeschlossen geblieben sind. Dabei profitieren Aber auch, wenn immer noch „Luft nach oben“ Familienbildung und Familien- Familien auch davon, dass das Bemühen der Elternbegleiter*innen verstärkt ist – diese Veränderungsprozesse sind durch beratung in Deutschland. Bericht. darauf gerichtet ist, Netzwerke innerhalb ihres Sozialraums auf- und auszu- die Elternchance-Bundesprogramme mit ihren Düsseldorf/Freiburg bauen: Die Kenntnis weiterer Angebote im Sozialraum und ein guter Kontakt zu 14.000 zertifizierten Elternbegleiter*innen spürbar BMFSFJ (2014): Das Programm anderen Akteur*innen ermöglichen es ihnen, im Sinne einer „Lotsen“funktion, befördert und beschleunigt worden. Die nach- „Elternchance ist Kinderchance“. Familien ihren Bedürfnissen und Bedarfen entsprechend, zügig andere oder folgenden Praxisbeispiele aus Einrichtungen der Zentrale Befunde der Evaluation. weiterführende Dienste und Angebote innerhalb des sozialen Nahraumes beteiligten Verbände zeigen, – exemplarisch zwar, Online verfügbar unter zugänglich zu machen. aber dennoch deutlich – wie Elternbegleitung auf der Grundlage dieser Weiterqualifizierung FAMILIENBILDUNG IM WANDEL die Zusammenarbeit mit Eltern, das Miteinander im Team, die Einrichtungskultur und somit die Zuletzt geprüft am 14.09.2021 Die 2021 veröffentlichte Bestandsaufnahme Familienbildung und Familien- Familienbildungspraxis verändert hat. Gleich- beratung (BMFSFJ/ Prognos AG 2021) in Deutschland zeigt auf, wie sehr sich wohl bleibt noch viel zu tun, um Elternbegleitung Engelbert, Angelika (o.J.) Familie und Bildung – Herausforderungen Familienbildung in Deutschland vor allem in den vergangenen zehn Jahren und Familienbildung langfristig zu sichern und zu und Ansatzpunkte für Kommunen. verändert hat: So ist der Anteil der Familien mit niedrigem und mittleren sozialen finanzieren. Online verfügbar unter Status in der Familienbildung deutlich gewachsen. Familienbildung ergänzt http://www.familie-in-nrw.de/ ihre Angebote in den Familienbildungseinrichtungen zunehmend durch auf- vertiefungstext-familie- bildung.html. Zuletzt geprüft am suchende und mobile Angebote. Bildungsbegleitung als Themenfeld in der 14.09.2021 Familienbildung erfährt spürbar einen Bedeutungszuwachs. Die bildungs- und gesellschaftspolitische Bedeutung von Familienbildung ist in der Politik an- Schopp, Johannes (2019): Eltern gekommen, wenngleich zeitgemäße und den hohen Ansprüchen an Familien- Stärken. Die Dialogische Haltung in Seminar und Beratung. Ein bildung entsprechende Förderstrukturen vielfach noch ausstehen. Leitfaden für die Praxis. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Opladen, Berlin, Toronto Tschöpe-Scheffler, Sigrid (2013): Über die Haltung in der Zusammenarbeit mit Familien. In: Kompetenzteam Wissenschaft des Bundesprogramms „Eltern- chance ist Kinderchance“ Corell, Lena; Lepperhoff, Julia (2013) (Hrsg.): Frühe Bildung in der Familie. Perspektiven der Familienbildung. Weinheim und Basel. S. 105-117 18 THEORIETEIL 19
FAMILIEN STÄRKEN Arbeit der Elternbegleiter*innen vor Ort weiter. In vielen Einrichtungen fanden sie kreative Möglichkeiten, um mit den Familien in Kontakt zu bleiben. Der Elternbegleitung in der Praxis Bedarf an Austausch und Vernetzung war auch in dieser Zeit sehr groß. Diesem begegneten wir mit dem neuen Format der „Digitalen Austauschforen“. Neben den übergreifenden Projekten kamen zudem immer wieder die jeweiligen Von Dr. Sandra Mirbek, Wie eine konstruktive, wertschätzende und verbandseigenen Strukturen und Akteur*innen zum Tragen. Koordinatorin Elternchance, dialogische Zusammenarbeit mit Familien erreicht Arbeitsgemeinschaft für wird und Elternbegleitung sich als langfristige Die folgenden Praxisberichte geben Einblicke in die vielfältige Arbeit der katholische Familienbildung e.V. (AKF), Bonn Ressource implementieren lässt, illustrieren die Elternbegleiter*innen vor Ort. Sie decken ein breites Spektrum an Arbeits- Beispiele guter Praxis aus den sechs Verbänden feldern sowie verschiedene Perspektiven ab: von Elternbegleitung in Kitas des Konsortiums Elternchance. und Schulen über die Familienbildung bis hin zum Sozialraum. Zudem werden beispielsweise Kooperationen mit Fachberatungen, Lehrkräften, dem Im Rahmen des Programms „Elternchance II – Jugendamt oder Bistum deutlich, ebenso Schritte von einzelnen zertifizierten Familien früh für Bildung gewinnen“ sind zahlreiche Fachkräften hin zu einem verbandlichen Gesamtkonzept. Elternbegleiter*innen ausgebildet worden, die in verschiedenen Arbeitsfeldern der Kinder- und ELTERNBEGLEITUNG ALS RESSOURCE Jugendhilfe sowie der Familienbildung tätig sind. Dazu gehören beispielsweise Kindertagesstätten, Die Beiträge zeigen, wie eine konstruktive, wertschätzende und dialogische Familienzentren, Wohnheime, Schulen, Familien- Zusammenarbeit mit den Familien erreicht werden kann und welche Maß- bildungsstätten, Jugendclubs oder Freizeitein- nahmen ergriffen werden, um Elternbegleitung als langfristige Ressource richtungen. Vor Ort entstanden vielfache Beispiele zu implementieren. Besonders gut gelingt dies in Einrichtungen, in denen guter Praxis sowie regionale und überregionale mehrere Fachkräfte oder idealerweise das gesamte Team die Qualifizierung Vernetzungen. Diese wurden teilweise durch das durchlaufen haben und eine kontinuierliche Fortbildung möglich ist. Auch Format der „Lokalen Netzwerktreffen“ (LNTs) im die gezielte Einstellung von Elternbegleiter*innen oder das Zur-Verfügung- Rahmen des Bundesprogramms angestoßen oder Stellen von Stundenkontingenten explizit für die Elternbegleitung erleichtert auch durch Fachkräfte vor Ort initiiert. die Arbeit mit Familien spürbar. Hier werden auch Forderungen nach einer festen Anzahl von freigestellten Stunden für die Elternbegleitung deutlich, VERSCHIEDENE PERSPEKTIVEN AUF ELTERN- die sowohl für die Zusammenarbeit mit Eltern vor Ort als auch für die Fort- BEGLEITUNG bildung und den Austausch bzw. die Reflexion der Fachkräfte notwendig sind. Die Projektkoordinatorinnen der sechs Verbände Insgesamt zeigt sich, dass Elternbegleitung viele verschiedene Facetten des Konsortiums Elternchance (AWO, AKF, eaf, aufweist, gut in die jeweiligen Einrichtungen implementiert werden kann, das DEAE, BAG, PB) konnten diese Entwicklungen in Programm zur Verbesserung der Qualität und Effizienz von Elternbegleitung den letzten Jahren durch viele persönliche oder im Sozialraum beiträgt und eine nachhaltige strukturelle und finanzielle Unter- virtuelle Kontakte miterleben und begleiten. Trotz stützung der Elternbegleiter*innen vor Ort gewährleistet werden muss, um der pandemiebedingten Einschränkungen lief die die erreichte Qualität beizubehalten bzw. weiter ausbauen zu können. 20 THEORIETEIL 21
GEMEINSAM FÜR EIN STARKES MITEINANDER „Bei diesen Treffen arbeiten wir auch an Angeboten für Eltern. So sind der Podcast „Kleine Auszeit“ und eine Videoreihe zum Schulanfang als Gemeinschafts- Elternbegleitung beim AWO KV Südost projekte entstanden“, erklärt eine der Elternbegleiter*innen. „Diese Treffen geben Raum und Zeit, um mit den Kolleg*innen in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. So, wie es die Eltern- Von Kathrin Najasek, Fach- In einem starken Miteinander können aus Impulsen begleiter*innen in Kitas, Familienzentren, Beratungsstellen und Grundschulen beratung Elternbegleitung bei Ideen und aus Ideen Visionen werden: Dafür des Kreisverbandes tagtäglich mit den Eltern tun“, ergänzt die Fachberaterin. der AWO Berlin Kreisverband steht die Elternbegleitung bei der AWO Berlin Südost e.V. Kreisverband Südost. GELINGENSFAKTOREN VON A WIE AUSTAUSCH BIS Z WIE ZEIT Berlin, Tempelhofer Feld. Juni 2021. Neun Eltern- Eine fachliche Begleitung, regelmäßiger Austausch und damit die Möglichkeit, begleiter*innen und die Fachberaterin Kathrin sich miteinander weiterzuentwickeln und zu vernetzen, sind nur eine Aus- Najasek sitzen im Kreis. Die gestaltete Mitte zeigt wahl der Gelingensfaktoren für den erfolgreichen Einsatz und die langfristige Blumen, persönliche Gegenstände und Dialog- Implementierung der Ressource Elternbegleitung. Hinzu kommen Zeit für karten. Ein Dialogspaziergang steht an – der die Arbeit, finanzielle Absicherung, die strukturelle Verankerung in den Ein- Abschluss eines langen, arbeitsintensiven Tages. richtungen sowie Geduld und eine partizipative Haltung. Das partizipative Wie verschaffe ich mir Luft und Freiraum, wenn Element bezieht sich dabei augenscheinlich auf die Bildungsarbeit mit den mal wieder alles zu viel ist? – Dieses Thema ist für Familien, aber genauso auch auf die Zusammenarbeit der Elternbegleiter*innen Eltern gleichermaßen relevant wie für die Fach- untereinander und im Fachbereich: Ein interdisziplinäres Team arbeitet kräfte. Es wurde bei den Vorbereitungen auf das gemeinsam an den Herausforderungen und bestmöglichen Unterstützungs- Netzwerktreffen vom Team bestimmt. angeboten für die Zielgruppe. Dadurch wird der Haltungsanspruch deutlich, der ausgehend von der Elternbegleitung auch den gesamten Kreisverband REGELMÄSSIGE NETZWERKTREFFEN Südost der AWO Berlin bewegt. Seit 2016 das erste Modellprojekt in der Eltern- VON DEN ERSTEN ZERTIFIZIERTEN AWO-FACHKRÄFTEN BIS ZUM begleitung bei der AWO Berlin Kreisverband Südost VERBANDLICHEN GESAMTKONZEPT e.V. (AWO KV Südost) startete, kommen Eltern- begleiter*innen in Netzwerktreffen zusammen. Micaela Daschek, die jetzige Vorstandsvorsitzende, erkannte 2013 den Die Fachberaterin Kathrin Najasek lädt ein und besonderen Wert der Weiterqualifizierung und ermutigte Fachkräfte aus ist für die Vor- und Nachbereitung zuständig. Als verschiedenen Bereichen, sich als Elternbegleiter*in fortbilden zu lassen. fachliche Begleitung ist sie ausschließlich für die Denn: „Die Beziehungsgestaltung ist in der Pädagogik die einzige ‚Währung‘, Elternbegleiter*innen da und bildet eine Schnitt- die wir haben“, sagt sie. „Nur wenn sie echt, respektvoll, aufmerksam und stelle zwischen Träger, Einrichtungen und dem wertschätzend von uns praktiziert wird, sind wir langfristig wirksam.“ Mit- Team. Die Stelle wurde im Zuge der Entwicklung arbeiter*innen der Kitas, Freizeit- und Beratungseinrichtungen im KV Südost einer Gesamtstrategie Elternbegleitung bei der gestalten seitdem als zertifizierte Elternbegleiter*innen die Elternarbeit und AWO Berlin Kreisverband Südost geschaffen. tragen ihre Ideen in das Team der Einrichtungen. 22 AWO 23
MODELLPROJEKT ELTERNBEGLEITUNG IN BERLIN auch die Lichtenberger Elternbegleiterin Chiara Marceddu. Sie arbeitet mit Müttern und Vätern, u.a. aus dem Senegal, Gambia, Afghanistan und Albanien. Zwei Jahre später, 2015, bewarb sich der Kreisverband im Herzen Neuköllns Die Angebote von Kreativnachmittagen und Elterncafés im Gemüsebeet werden proaktiv für das Modellprojekt Elternbegleitung in Berlin der Berliner Senats- gerne besucht. Durch die intensive Kooperation mit der angeschlossenen Kita verwaltung für Jugend, Bildung und Familie. Der KV Südost geht seitdem und dem „südost Europa Kultur e.V.“, viel Engagement und einem einladenden den Fragen nach, wie Elternbegleitung in familienbildenden Einrichtungen und Blick ist es ihr außerdem gelungen, dass Familien der Sinti und Roma sie als im Sozialraum wirkt und wie sich die Zusammenarbeit mit Familien, die Bildungs- vertrauensvolle Ansprechperson wahr- und ihr Begleitungsangebot annehmen. angebote und die Einrichtungen selbst durch den Einsatz zertifizierter Elternbegleiter*innen verändern. Im April 2016 starteten vier Fachkräfte mit EINRICHTUNGEN VERÄNDERN SICH jeweils 15 Stunden an vier Standorten in Neukölln und Lichtenberg mit dem Projektziel, Eltern in benachteiligenden Lebenslagen durch leicht zugängliche, Beteiligung wurde in der Einrichtung am Fennpfuhl, in der Gisa Schmidtke bildungsbegleitende und beratende Angebote in ihrer Verantwortung zu die Aufgabe der Elternbegleitung übernommen hat, schon immer groß- stärken und die Standorte für diese Familien zu öffnen. geschrieben. Mit den Eltern kamen die Aktionen: Weihnachtsmärkte werden in Eigenregie organisiert, wöchentlich findet der Familiengarten statt und bei NEUE ANGEBOTE ETABLIEREN SICH den Festen sind unterstützende Eltern, Kinder und Jugendliche nicht mehr wegzudenken. Über die letzten Jahre hinweg vollzog sich ein Wandel am Merle Amelung ist als Elternbegleiterin von Anfang an dabei. Sie arbeitet Standort: von einer Jugendfreizeiteinrichtung zum Haus der Begegnung mit mit Familien mit Fluchterfahrung in der Frauenberatung Neukölln und bietet Familienzentrum, Jugendclub, Stadtteilmüttern, Integrationslots*innen und in den umliegenden Gemeinschaftsunterkünften für Menschen mit Flucht- einer Elternbegleiterin. Hier begegnet sich die Nachbarschaft des Lichtenberger erfahrung eine Sprechstunde und Gesprächskreise zu den Themen Bildungs- Kiezes. übergänge, Schulbesuch und Lernen an. Sie hört den Familien zu, nimmt sich Zeit. Zugänge werden ermöglicht und Hürden abgebaut, indem hier NEUE ZIELGRUPPEN WERDEN ERREICHT eine Geh-Struktur angeboten wird: Merle Amelung geht nicht nur dorthin, wo die Familien leben, sondern begleitet sie teilweise auch zu Gesprächen Mit dem Schwerpunkt ihrer Arbeit schließt Sarah Rockenberger eine Lücke. Sie in Ämtern, Beratungsstellen und Schulen. Dies wird von den Familien als ist Elternbegleiterin im Neuköllner Falk-Club, einer kultursensiblen Freizeit- entlastend erlebt. Dabei verliert die Elternbegleiterin nie den Blick auf die einrichtung für Menschen mit und ohne Unterstützungsbedarf und begleitet Aktivierung der familiären Ressourcen. Mit der Elternbegleitung etablierte Familien mit Kindern mit besonderen Bedarfen. Ihrer Arbeit ist es zu verdanken, sich das Frauenkochen: Frauen gestalten ihre Treffen, kaufen ein, bestimmen dass es den ersten Stammtisch in Neukölln für Familien mit Kindern mit Gesprächsthemen und verbinden es mit kreativen Aktionen wie der Glasmalerei. besonderen Bedarfen in Kooperation mit dem Pflegenetzwerk Berlin gibt. Gleichzeitig stehen ihnen bei Fragen die Beraterinnen der Frauenberatung zu Verfügung. LEUCHTTURM-PROJEKT IN BERLIN NEUE ZUGÄNGE EBNEN DEN WEG IN DIE EINRICHTUNGEN Die verschiedenen Einrichtungen und Schwerpunkte unterstreichen den Modellcharakter. Das von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend Dass Familien aus Gemeinschaftsunterkünften mittlerweile ihren Weg ins und Familie geförderte Projekt entwickelte sich schnell zu einem Leuchtturm Familienzentrum KINUFA finden, Angebote nutzen und mitgestalten, erlebt in Berlin. 24 AWO 25
26 beginnen. 2020-2021 AWO KV Südost realisiert werden. BILDNACHWEIS ABBILDUNG S. 27 Dem besonderen Engagement der Familienbildungsreferentin des AWO Elternbegleitung in Grundschulen realisiert werden konnte. Seit August das Projekt an Grundschulen professionell zu strukturieren und rasch zu projekt hierzu gestartet werden. Der Kreisverband erhielt den Auftrag, an des Berliner Abgeordnetenhauses ist es zu verdanken, dass die Vision der Bundesverbandes e.V., Dr. Verena Wittke, und einer politischen Vertreterin ein Angebot für die Eltern vor Ort zu implementieren. Die langjährige vier Grundschulen Neuköllns/Treptow-Köpenicks die Elternbegleitung als 2020 konnte am Kreisverband Südost der AWO Berlin ein weiteres Modell- Erfahrung und die damit erarbeitete Kompetenz im Feld der Elternbegleitung konnte in vier Grundschulen haben es Vorstand, Fachbereich, Fachberatung und allen Beteiligten ermöglicht, GUTES SPRICHT SICH RUM: DIE AUSWEITUNG DER ELTERNBEGLEITUNG Neuköllns/Treptow-Köpenicks Die Vision der Elternbegleitung Individuelle Begleitung zu AWO Erziehungs-und Bildungsthemen Schliemann der Grundschulkinder + Theodor-Storm Grundschule Lots*innenfunktion Grundschule Elternbegleitung + - Sprechstunden Elternbegleitung + Schulsozialarbeit - Hausbesuchen Schulstation - Dialogspaziergänge Innovative und Projektaufbau: Brücken bauen zwischen niedrigschwellige Angebote Vier Grundschulen mit je einer Lehrpersonal und Eltern. Sie der Begegnung und einen 75% Stelle für zertifizierte stärken das Miteinander durch Austausch zu bildungs- Elternbegleiter*innen Zuhören, die Anerkennung aller bezogenen Themen wie Sach-und Fortbildungskosten Sichtweisen und die Beratung Schulangang, Schulsystem und Vernetzung mit dem Team bei der Gestaltung von Übergänge. Fachliche Begleitung durch Elternabenden und - Elterncafés die Fachberatung Gesprächen. - Elternstammtisch, auch Förderung: auf dem Spielplatz - Informationsabende mit Gesprächskreis Anbindung an Team vor Ort und Kooperation mit den H.-von-Helmholtz ISS Akteur*innen der Schule und des Grundschule am und Grundschule Sozialraums Heidekampgraben Elternbegleitung + Elternbegleitung + Jugendsozialarbeit Team der „Brückenbauer“ Intergrationserzieher*innen 27
Es wurde dabei schnell deutlich, dass Ausrichtung und Umsetzung von sehr EINE FRAGE DER HALTUNG! unterschiedlichen Faktoren abhängen. Dabei sind neben den Bedarfen der Eltern und Schulen, dem Sozialraum – also der Struktur vor Ort und den Eine nachhaltige Elternbegleitung ist seit 2013 das Ziel des AWO Kreis- Möglichkeiten der Anbindung und Vernetzung – vor allem die Bereitschaft, verbandes. Dafür braucht es eine Haltung, die weit über die Veränderung in neue Wege zu gehen und gemeinsam entwickeln zu wollen, zu nennen (was der Arbeit mit Familie hinausgeht. 2018 erkor das Leitungsteam die Um- bedeutet Elternbegleitung an unserer Grundschule konkret?). In diesem setzung einer dialogischen Haltung zum Qualitätsziel des Jahres. Dieser Prozess werden neben der Schulleitung auch die schulinternen Gremien wie Aufgabe widmet sich auch der neue Fachbereichsleiter Jugend, Beratung Gesamtelternvertretung (GEV) und Lehrer*innen-Konferenzen sowie andere und Projekte Thomas Lauche: „Das Thema dialogische Haltung passt wunderbar am Bildungsprozess beteiligte Akteur*innen einbezogen, z. B. Schulsozial- zu uns. Aber wir wollen nicht nur darüber sprechen, sondern diese leben.“ arbeit, Integrationserzieher*innen und das Hort-Team. Dass sich Eltern in Und Micaela Daschek fügt hinzu: „Haltung lässt sich nicht verordnen. der Schule willkommen fühlen – eine Ansprechperson haben und jemand an Insofern braucht es ein (tägliches) Vorleben durch jede einzelne Führungs- ihrer Seite wissen, der sie beim Übergang und während der Grundschulzeit kraft, Fort- und Weiterbildung für die pädagogischen Fachkräfte im Bereich ihrer Kinder begleitet, ist grundlegendes Ziel des Modellprojektes. der Kommunikation, unterschiedliche Beobachtungs-, Reflexions- und Feedbackelemente einschließlich Supervision sowie Transparenz und Offen- IMPLEMENTIERUNG VON ELTERNBEGLEITER*INNEN IN KITAS – TRÄGERÜBER- heit in den Teams.“ Für die Elternbegleitung bedeutet dies die Entwicklung GREIFEND GESTALTEN eines trägerinternen Gesamtkonzeptes und QM-Standards für die Arbeit der Fachkräfte sowie eine strukturelle Verankerung von Elternbegleitung in den Als Ende 2020 das Quartiersmanagement Brunnenstraße in Berlin Mitte Einrichtungen als derzeit anstehende und zukunftsweisende Ziele. der Vorstandsvorsitzenden Micaela Daschek das Projektvorhaben Aufbau von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften in der Kita Ramlerstraße EIN STARKES MITEINANDER vorstellte, war sie von der Idee begeistert, die Elternbegleitung in Kitas mit einem Konzept zu untermauern und dieses modellhaft umzusetzen. Der Und es bedeutet auch, gemeinsam an den Aufgaben und Herausforderungen Träger erhielt den Auftrag und startete 2021 das Projekt mit einer Fachkraft zu arbeiten, sodass jedes Teammitglied die eigenen Stärken und Erfahrungen für die Elternbegleitung, die neben der Bildungs- und Erziehungsbegleitung in den Prozess einbringen kann. Denn: In einem starken Miteinander können gemeinsam mit dem Kita-Team eine sozialraumorientierte Gesamtstrategie aus Impulsen Ideen und aus Ideen Visionen werden – wie die Vision von einer der Elternarbeit erarbeitet. Das Vorhaben ist langfristig angelegt und soll auf Chancengerechtigkeit für alle Familien im Hinblick auf Bildung, Integration weitere Kitas des städtischen Trägers übertragen werden. Eine Besonderheit und Teilhabe ihrer Kinder. Dafür steht die Elternbegleitung bei der AWO Berlin ist die trägerübergreifende Arbeit: Die AWO Berlin KV Südost, der städtische KV Südost, was auch von allen Teilnehmer*innen des Netzwerktreffens auf Träger Kindergärten City und das Quartiersmanagement Brunnenstraße dem Tempelhofer Feld im Juni 2021 bestärkt wird – von jedem und jeder mit setzen gemeinsam die Erprobung neuer Wege einer gelingenden Erziehungs- der individuellen Expertise und dem speziellen Blick auf das Thema und die und Bildungspartnerschaft und die Verankerung eines langfristig angelegten Zielgruppe der Elternbegleitung. Konzeptes der Elternbegleitung um – mit der Kita als zentralem Ort, ein- gebettet in ein Unterstützungsnetzwerk verschiedener Akteur*innen des Sozialraums. 28 AWO 29
PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN ÄNDERUNG DES BLICKWINKELS Elternbegleitung im AWO Kreisverband Konstanz Nach und nach entstanden andere Formen der Elterngespräche mit einer anderen Haltung den Eltern gegenüber. Vorrangig ist dabei die Änderung des Blickwinkels, wie sie aus folgenden Äußerungen von Kolleg*innen spricht: Von Agnes Hügle, AWO Die dialogische Haltung der Elternbegleiter*innen Kreisverband Konstanz e.V., verändert den Blickwinkel und ermöglicht eine • „… ich habe mehr Verständnis für die verschiedensten Situationen und und Gabriele Weschenfelder, andere Form der Begegnung, der Akzeptanz und kann anders darauf reagieren.“ Leitung Familienhaus Taka Tuka Land in Singen der Gesprächsführung: Von der besseren Qualität • „… Umgang mit Eltern ist nochmals bewusster geworden.“ der Zusammenarbeit profitieren Fachkräfte aus • „… die Erarbeitung von Konfliktlösungen hat sich verändert, Familien finden dem Kita-Bereich und der niederschwelligen eigene, nicht unsere Lösungen, mit denen sie dann auch weitergehen Beratungs- und Bildungsarbeit ebenso wie können.“ Familien und Einrichtungen im AWO-Kreisver- band Konstanz e.V. Die dialogische Haltung verändert die Wahrnehmung des Gegenübers – von Eltern sowie von Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen anderer Einrichtungen. Die AWO Konstanz war mit dem Sie ermöglicht eine andere Form der Begegnung, der Akzeptanz und der Fachbereich Kinder, Jugend und Gesprächsführung. So sind Elternbegleiter*innen in der Lage, eine andere Familie schon bei einem der ersten Art der Elternbeteiligung und Elternarbeit anzuregen, zu gestalten und zu Weiterbildungslehrgänge zum*zur leben: Elternbegleiter*in vertreten. Insgesamt wurden bislang 13 • Sie hören sich als Fachkraft Sorgen und Nöte an, ohne zu urteilen. Mitarbeiter*innen unseres Kreis- • Sie können die Verhaltensweisen und Meinungen anderer stehen lassen verbandes aus dem Kita-Bereich und verstehen die eigene Sichtweise als nur eine von vielen möglichen. und der niederschwelligen • Sie lassen Vielfalt zu. Beratungs- und Bildungsarbeit • Mehr Augenhöhe wird ermöglicht – statt des Anspruchs, alles zu wissen qualifiziert. Sie alle hatten den und für alles allein Lösungen finden zu müssen. Wunsch, ihr jeweiliges Aufgabengebiet noch besser meistern zu können und neue Gedanken und All das erleben Mitarbeiter*innen als durchaus entlastend. Wege für die Arbeit mit Eltern zu finden und zu entwickeln. Durch die veränderte – weil dialogisch NEUE RAHMENBEDINGUNGEN ausgerichtete Praxis der ersten ausgebildeten Elternbegleiter*innen – entstand in den Teams Um Mitarbeiter*innen auch in Zukunft zu stärken, ihre Kräfte zu bündeln zunehmend das Bedürfnis, sich vertiefter mit der und sie nicht „ausbluten“ zu lassen, ist das Qualifizieren, Unterstützen und dialogischen Arbeitsweise auseinanderzusetzen Einbeziehen der dialogischen Haltung unabdingbar: Stichwort „Empowerment“. und neue Konzepte für die Elternarbeit, basierend Dafür müssen und mussten neue Rahmenbedingungen geschaffen werden. auf der dialogischen Haltung, zu entwickeln. Ein Baustein zur regelmäßigen Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung 30 AWO 31
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