Erfassung und apparatives Monitoring des Ernährungsstatus von Patient*innen auf der Intensiv- und Intermediate Care Station
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Medizinische Klinik Intensivmedizin und Notfallmedizin Positionspapier Med Klin Intensivmed Notfmed https://doi.org/10.1007/s00063-022-00918-4 Angenommen: 14. März 2022 Erfassung und apparatives © Der/die Autor(en) 2022 Monitoring des Ernährungsstatus von Patient*innen auf der Intensiv- und Intermediate Care Station Positionspapier der Sektion Metabolismus und Ernährung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) Arved Weimann1 · Wolfgang H. Hartl2 · Michael Adolph3 · Matthias Angstwurm4 · Frank M. Brunkhorst5 · Andreas Edel6 · Geraldine de Heer7 · Thomas W. Felbinger8 · Christiane Goeters9 · Aileen Hill10 · K. Georg Kreymann11 · Konstantin Mayer12 · Johann Ockenga13 · Sirak Petros14 · Andreas Rümelin15 · Stefan J. Schaller6 · Andrea Schneider16 · Christian Stoppe17 · Gunnar Elke18 1 Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Onkologische Chirurgie, Klinikum St. Georg gGmbH, Leipzig, Deutschland; 2 Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Ludwig-Maximilians- Universität München – Klinikum der Universität, Campus Großhadern, München, Deutschland; 3 Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin und Stabsstelle Ernährungsmanagement, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland; 4 Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Ludwig- Maximilians-Universität München – Klinikum der Universität, Campus Innenstadt, München, Deutschland; 5 Zentrum für Klinische Studien, Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland; 6 Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland; 7 Zentrum für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinik für Intensivmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland; 8 Klinik für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Kliniken Harlaching und Neuperlach, Städtisches Klinikum München GmbH, München, Deutschland; 9 Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland; 10 Kliniken für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland; 11 Hamburg, Deutschland; 12 Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin, St. Vincentius-Kliniken, Karlsruhe, Deutschland; 13 Medizinische Klinik II, Klinikum Bremen Mitte, Bremen, Deutschland; 14 Interdisziplinäre Internistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland; 15 Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin, Helios St. Elisabeth-Krankenhaus Bad Kissingen, Bad Kissingen, Deutschland; 16 Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland; 17 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland; 18 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig- Holstein, Campus Kiel, Kiel, Deutschland 1. Präambel Krankheitsbilds nachvollziehbar nicht prio- risiert, jedoch im weiteren Verlauf häu- Für die Planung einer individualisierten fig auch nicht mehr nachgeholt. Dadurch medizinischen Ernährungstherapie (engl. besteht vor allem bei längerer Verweil- „medical nutrition therapy“, MNT) auf der dauer das Risiko einer Mangelernährung Intensiv (ITS)- oder Intermediate Care Sta- mit Aufbau eines kumulativen, progno- tion(IMC) istdieErhebungdes Ernährungs- serelevanten Energie-, Protein- und Mi- status eine wichtige Voraussetzung. Ernäh- kronährstoffdefizits [1]. Eine standardisier- rungsmedizinische Diagnostik wird in der te Diagnostik der Mangelernährung kann QR-Code scannen & Beitrag online lesen Erstversorgung eines vital bedrohlichen grundsätzlich Patient*innen mit einem er- Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1
Positionspapier Zusammenfassung Die Erhebung des Ernährungsstatus zum Zeitpunkt der Aufnahme im Intensiv- höhtem Risiko für einen längeren Auf- oder Intermediate Care Bereich hat sowohl prognostische als auch therapeutische enthalt auf der ITS bzw. IMC oder gene- Relevanz im Hinblick auf die Planung einer individualisierten medizinischen rell im Krankenhaus und mit einer erhöh- Ernährungstherapie (engl. „medical nutrition therapy“, MNT). Diese Planung ten Sterblichkeit identifizieren [2]. Theo- wird im Rahmen der Erstversorgung eines vital bedrohlichen Krankheitsbilds retisch können aus ernährungsmedizini- nachvollziehbar nicht priorisiert, jedoch im weiteren Verlauf häufig auch oft nicht scher Sicht 3 Patient*innengruppen unter- mehr angemessen durchgeführt. Vor allem bei längerer Verweildauer besteht das schieden werden, wobei jedoch bis heute Risiko einer Mangelernährung mit Aufbau eines kumulativen, prognoserelevanten nicht sicher ist, wie diese Gruppen in der Makro- und/oder Mikronährstoffdefizits. Bisher gibt es für Patient*innen auf Intensiv- Praxis genau zu charakterisieren sind [3]: und Intermediate Care Einheiten keine strukturierten Empfehlungen zur Erhebung – Patient*innen, bei denen durch eine des Ernährungsstatus. Das vorliegende Positionspapier der Sektion Metabolismus MNT eine Multiorgandysfunktion und und Ernährung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und ein komplikationsreicher Verlauf nicht Notfallmedizin (DIVI) beinhaltet konsensbasierte Empfehlungen zur Erfassung und zu verhindern oder zu durchbrechen zum apparativen Monitoring des Ernährungsstatus von Patient*innen auf Intensiv- sein wird; und Intermediate Care Stationen. Diese Empfehlungen ergänzen die aktuelle S2k- – Patient*innen, die sich rasch erholen, Leitlinie „Klinische Ernährung in der Intensivmedizin“ der Deutschen Gesellschaft für und keine MNT benötigen, da sie Ernährungsmedizin (DGEM) und der DIVI. selbständig und frühzeitig wieder Schlüsselwörter bedarfsdeckende orale Kost zu sich Malnutrition · Kritische Erkrankung · Ernährung · Intensivmedizin · Leitlinie nehmen können; – Patient*innen, deren klinischer Verlauf signifikant durch eine individualisierte MNT positiv beeinflusst werden kann. „Intensivstation“ und „Intermediate Sektionsmitgliedern am 31.01.2021 zur Care Station“ werden entsprechend der Durchsicht vorgelegt und nachfolgend Zur Identifikation dieser letztgenannten DIVI-Strukturempfehlungen definiert [5, in einer Onlinesitzung am 15.02.2021 Subgruppe steht eine Reihe von Parame- 6]. Die Empfehlungen sollen das Be- strukturiert diskutiert. Es folgten ana- tern zur Verfügung, deren Nutzen im Fol- wusstsein für die prognostische und log weitere Überarbeitungen mit Onli- genden diskutiert werden soll. mögliche therapeutische Relevanz des nesitzung am 18.05.2021, danach die Ernährungsstatus für die Planung einer Erstellung des Texts, der den Sektionsmit- 2. Ziele des Positionspapiers individualisierten MNT fördern und die gliedern am 13.12.2021 vorgelegt wurde. strukturellen Anforderungen der DIVI an Die abschließende Diskussion und Kon- Im Sinne der Mission 2030 der Deutschen die apparative Ausstattung einschließlich sensusfindung erfolgte am 21.12.2021 Interdisziplinären Vereinigung für Inten- der bildgebenden Diagnostik ergänzen online. Für die Empfehlungen bestand je- siv- und Notfallmedizin (DIVI) und in Er- [5, 6]. weils 100 %ige Zustimmung. Der über- gänzung zur aktuellen S2k-Leitlinie „Klini- Da der Operationen- und Prozeduren- arbeitete Text wurde am 23.12. und sche Ernährung in der Intensivmedizin“ der schlüssel(OPS)-Code 8-98j „Ernährungs- 30.12.2021 zur Durchsicht an die Sekti- DeutschenGesellschaftfür Ernährungsme- medizinische Komplexbehandlung“ auch onsmitglieder und anschließend an das dizin (DGEM) aus dem Jahr 2018 [4] sollen bei Patient*innen auf der ITS oder IMC DIVI-Präsidium versandt. Am 08.02.2022 mit 2 Positionspapieren der DIVI-Sektion Anwendung finden kann, werden im wurde das vorliegende Positionspapier „Metabolismus und Ernährung“ die Kom- Folgenden die Vorgaben zur Kodierung im Rahmen der DIVI-Präsidiumssitzung petenz und Qualität weiterentwickelt wer- berücksichtigt [7]. (online) in seiner finalen Version verab- den. Während dieses erste Positionspapier schiedet. verschiedene Möglichkeiten der Erhebung 3. Methodisches Vorgehen und und des (apparativ) technischen Monito- Konsensfindung 4. Erhebung des Ernährungs- rings des Ernährungsstatus vorstellt und zustands diskutiert, wird das zweite Positionspapier Im Rahmen eines Onlinesymposiums der laborchemische Parameter zur Beurteilung DGEM in Zusammenarbeit mit der DIVI- Grundsätzlich erfolgt bei Aufnahme auf des Ernährungsstatus und der metabo- Sektion Metabolismus und Ernährung eine ITS oder IMC eine allgemeine Risi- lischen Toleranz sowie die Messung des am 20./21.11.2020 wurde der Themen- koeinschätzung anhand etablierter Scores Energieumsatzes umfassen. komplex definiert und anhand der Prä- wie z. B. dem Acute Physiology and Chronic sentationsinhalte gemeinsam ein erster Health Evaluation (APACHE II) Score oder Textentwurf erstellt. Zwischenzeitlich er- dem Sepsis-related Organ Failure Assess- Zusatzmaterial online folgte eine aktuelle Literatursuche anhand ment (SOFA) Score. Diese klassischen Im Zusatzmaterial dieses Beitrags (https:// der auch für die Leitlinie verwendeten Scores berücksichtigen jedoch nicht den doi.org/10.1007/s00063-022-00918-4) Schlüsselwörter und Suchstränge. Die- Ernährungszustand der Patient*innen. finden Sie die Angaben aller Autor*innen zum Interessenkonflikt. se wurde im weiteren Verlauf mehrfach Da bei bis zu 80 % der kritisch kranken aktualisiert. Der Textentwurf wurde den Patient*innen bereits bei Aufnahme eine 2 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Mangelernährung vorliegt oder sich inner- tes ernährungsmedizinisches Risiko (Nutri- anamnestisch verminderte Nahrungsauf- halb des Verlaufs auf der ITS einstellenkann tional Risk Screening Score [NRS] ≥ 5), das nahme oder -resorption sowie Schwere der [8], erscheint es grundsätzlich sinnvoll, den mit einer Letalität von 87 % assoziiert war. Grunderkrankung/Inflammation. Jeweils Ernährungsstatus in die Risikoeinschät- Patient*innen mit niedrigeren NRS-Score- ein ätiologisches oder phänotypisches zung für einen verlängerten Aufenthalt, die Werten starben signifikant seltener (49 %, Kriterium muss erfüllt sein, damit eine Entwicklung einer (Multi-)Organdysfunk- p < 0,01) [13]. Mangelernährung klinisch diagnostiziert tion und eine prolongierte Rehabilitation werden kann [16]. Biochemisch entspricht miteinzubeziehen. 4.2. Adipositas-Paradox dies einem abnormen Verhältnis von Ge- Dadurch sollte sich die prognosti- samtkörpereiweißmasse (überwiegend sche Sicherheit erhöhen und es sollte Häufig wird auf der Basis des sog. Adipo- Muskelmasse) zu Gesamtkörpergewicht zumindest möglich sein, diejenigen Pa- sitas-Paradox auf einen Überlebensvorteil und einem Defizit an Mikronährstoffen. tient*innen zu identifizieren, die von einer für (speziell auch septische) Intensivpati- Als Ursachen für eine Malnutrition wer- besonders sorgfältigen Überwachung und ent*innen hingewiesen, die übergewich- den unterschieden [22]: leitliniengerechten Ernährung profitieren tig oder sogar adipös sind [14, 15]. In – bedingt durch eine akute Erkrankung: [4]. Eine simple Steuerung der Kalorien-/ einer aktuellen Metaanalyse (8 Studien akute Inflammation mit schwerem Aus- Proteinzufuhr (vor allem in der Akutphase bei 9696 septischen Patient*innen) fand maß (Sepsis, Verbrennung, Trauma). der kritischen Erkrankung) anhand des sich im Vergleich zu Normalgewichtigen – ernährungsbedingt, z. B. chronischer Ernährungszustands (nach dem Motto „je ein signifikant besseres Überleben nur Hungerzustand ohne Inflammation, schlechter, umso mehr“) ist inzwischen bei Übergewichtigen mit einem Body Nahrungskarenz (z. B. sozioökono- jedoch verlassen worden. Eine inadäquat Mass Index (BMI) von 25–30 kg/m2, nicht misch, prolongierte perinterventionel- überwachte, „aggressive“ Kalorienzufuhr jedoch bei Adipositas (BMI 30–40 kg/m2) le Nüchternheit). in der Akutphase kann unter Umständen oder morbider Adipositas (BMI > 40 kg/m2) – bedingt durch eine chronische Er- die Morbidität sogar erhöhen und die Ver- [16]. Eine „Dose-Response“-Metaanalyse krankung: chronische Inflammation weildauer verlängern [9, 10]. Besonders von 31 Studien mit 238.961 Patient*innen mit mildem oder moderatem Ausmaß in dieser Phase ist eine nach der meta- konnte nur bis zu einem BMI ≤ 35 kg/m2 (z. B. Malabsorption bei chronischer bolischen und gastrointestinalen Toleranz protektive Wirkungen identifizieren, wäh- Pankreatitis, chronisch-entzündlicher ausgerichtete individuelle MNT und Stei- rend ein BMI > 35 kg/m2 mit einer signi- Darmerkrankung, Pankreaskarzinom, gerung der Substratzufuhr vorzunehmen fikant erhöhten Letalität einherging [17]. rheumatoide Arthritis, sarkopene [4]. In einer Studienkohorte von 6357 Pa- Adipositas). tient*innen konnten keine signifikanten 4.1. Mangelernährung als Risiko Vorteile für kritisch kranke Adipositaspa- Alle 3 Formen können sich bei Pa- tient*innen (18,9 % der Fälle) identifiziert tient*innen im ITS- oder IMC-Bereich In einer überernährten Gesellschaft wer- werden [18]. überlagern. den für ITS- und IMC-Patient*innen bzw. Somit scheinen adipöse Patient*innen generell für hospitalisierte Patient*innen nicht speziell vor den negativen Folgen 4.4. Medizinische Ernährungs- die Risiken einer Mangelernährung unter- einer Sepsis geschützt zu sein. Mögliche therapie (MNT) und Ernährungs- schätzt. Mogensen et al. [11] konnten an- Vorteile bei Übergewichtigen beruhen aus zustand hand einer retrospektiven Analyse in ei- metabolischer Sicht nicht auf der erhöhten nem Kollektiv von6518 kritischkrankenPa- Fettmasse per se, sondern ergeben sich Die DGEM-Leitlinie empfiehlt mit star- tient*innen zeigen, dass eine Protein-Ener- indirekt durch eine sekundäre Erhöhung kem Konsens: „Der Ernährungszustand gie-Mangelernährung bei Aufnahme – de- der fettfreien Masse bzw. Muskelmasse, die sollte zum Zeitpunkt der Aufnahme auf finiert als krankheitsbedingte Gewichts- mit der erhöhten Fettmasse einhergehen die Intensivstation abgeschätzt werden“ abnahme, Untergewicht, Verlust an Mus- kann [19]. [4]. Hierbei ist die Einschätzung des Er- kelmasse und verminderte Energie- oder nährungszustands zuallererst Ausdruck Proteinaufnahme – im Vergleich zu nicht- 4.3. Definition der Mangelernährung einer besonderen Sorgfalt im Rahmen mangelernährten Patient*innen mit einem der MNT. Auch für elektive präopera- doppelt so hohen Sterblichkeitsrisiko as- Die 2019 von den internationalen Fach- tive/präinterventionelle Patient*innen soziiert war. Grundsätzlich ist eine vorbe- gesellschaften konsentierte Global-Lea- ohne Organdysfunktion, jedoch mit ei- stehendeMangelernährung in Verbindung dership-Initiative-on-Malnutrition(GLIM)- ner hohen Wahrscheinlichkeit für eine mit einem akuten Organversagen ein un- Definition der Mangelernährung beinhal- postoperative/postinterventionelle inten- abhängiger, signifikanter Prädiktor für eine tet phänotypische und ätiologische Kri- sivmedizinische oder IMC-Therapie wird schlechterePrognose[8].DieseAssoziation terien, die auch für Patient*innen im empfohlen, den Ernährungsstatus – wenn hat sich relevant auch bei intensivpflichti- ITS- oder IMC-Bereich angewandt werden nicht bereits auf der Basis der allgemei- gen COVID-19-Patient*innen gezeigt [12, können [20, 21]. Phänotypische Kriterien nen Patient*innenaufnahme vorliegend – 13]. Fast zwei Drittel dieser Patient*innen sind: unfreiwilliger Gewichtsverlust, nied- spätestens im Rahmen des Prämedikati- besaßen bei Aufnahme ein deutlich erhöh- riger BMI, verminderte Muskelmasse und onsgesprächs zu erheben. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 3
Positionspapier Mangelernährte Patient*innen benöti- und den mithilfe der Körpergröße errech- dauer und korreliert nach mechanischer gen eine gründliche Beachtung der Indika- neten BMI zu unzuverlässigen Parametern Beatmung mit der Rate an Reintubationen tion bzw. der individuellen metabolischen bei der Beurteilung des Ernährungsstatus. [29–31]. Eine Assoziation mit der sono- Toleranz einer MNT. So bedarf eine MNT So korreliert die Messung des Körperge- graphisch bestimmten Querschnittsfläche insbesondere auch eines adäquaten Mo- wichts unabhängig von der Phase der Er- des M. rectus femoris ist bei Patient*innen nitorings, das zusätzlich eine Verlaufskon- krankung nicht nur mit der Eiweißmasse, mit Sepsis gezeigt worden [32]. Vorausset- trolle des Ernährungsstatus mit einbezie- sondern auch mit dem Hydratationszu- zung für die Messung ist allerdings eine hen sollte [23, 24]. stand der Patient*innen. standardisierte Untersuchungstechnik oh- Die MNT muss immer individuell im Das „gewohnte“ Körpergewicht und ein ne patientenseitige Limitationen. Da klare Kontext von akuter Inflammation, meta- eventueller Gewichtsverlust vor Aufnah- Cut-off-Werte für Intensivpatient*innen bolischem Zustand, Organfunktion und me können insbesondere bei Notfallpa- fehlen, liegt der Wert vor allem in der Körperzusammensetzung bei Aufnahme tient*innen nur fremdanamnestisch und intraindividuellen Verlaufskontrolle. Für und im weiteren Krankheitsverlauf gese- mit dem Risiko der Fehleinschätzung in die ernährungsmedizinische Komplexbe- hen werden und risiko- bzw. phasenad- Erfahrung gebracht werden. Die Messung handlung OPS 8-98j ist die Dynamometrie aptiert gesteuert durch die individuelle des aktuellen Körpergewichts kann auf- als Verlaufskontrolle anerkannt. metabolische Toleranz erfolgen [4]. wändig sein. Eine Bettwaage steht nicht Ziel der MNT muss es grundsätzlich immer zur Verfügung. Empfehlung 2 sein, einerseits ein Kalorien-, Protein- und Trotz dieser methodischen Limitatio- Unter Berücksichtigung der methodischen auch ein Mikronährstoffdefizit zu vermei- nen sollte dennoch bei allen Patient*innen Limitationen sollte bei allen Intensiv- und In- den bzw. eine vorbestehende Malnutriti- im ITS- und IMC-Bereich die regelmäßi- termediate Care-Patient*innen die regelmä- on nicht zu verstärken; andererseits sollte ge Messung des aktuellen Körpergewichts ßige Messung des aktuellen Körpergewichts jedoch die Prognose nicht durch eine un- möglich sein und bei mobilisierbaren Pa- möglich sein und mittels Bettwaage bzw. bei mobilisierbaren Patient*innen durch eine angepasste, zu aggressive Substratzufuhr tient*innen durch eine konventionelle Per- konventionelle Personen- bzw. Stuhlwaage verschlechtert werden. Diese Ziele sind be- sonen- bzw. Stuhlwaage (alternativ Bett- erfolgen. sonders relevant für waage) erfolgen. Die möglichst genaue Zur Prüfung der Muskelkraft und funktionel- – bereits primär bei Aufnahme mangel- Erfassung des Körpergewichts unter Be- len Verlaufskontrolle wird bei kooperations- ernährte Risikopatient*innen; rücksichtigung der Flüssigkeitsbilanz und fähigen Patient*innen die serielle Dynamo- metrie mit Messung der Handkraft empfoh- – Patient*innen, die aufgrund ihrer des Hydratationsstatus ist dabei nicht nur len. Grunderkrankung ein hohes Risiko Grundlage für die Kalkulation des BMI, son- aufweisen, während ihres Aufenthaltes dern auch für medikamentöse Therapien auf der ITS oder IMC bzw. generell [25]. 5.2 Scores zur Erhebung des während ihrer Hospitalisation eine Ein einfacher anthropometrischer Para- Ernährungszustands Mangelernährung als zusätzliches meter ist der mittlere Armumfang, der sich Risiko zu entwickeln. bei Patient*innen mit einem Köpergewicht Die verfügbaren und ansonsten bewähr- < 15. Perzentile als ein Prädiktor für das ten Screening- und Messinstrumente sind Empfehlung 1 Risiko schwerer Komplikationen und er- für die Erhebung des Ernährungsstatus im Sofern nicht bereits vorliegend soll die Ein- höhter Letalität erwiesen hat [26]. ITS- und IMC-Bereichnichtgutvalidiert.Die schätzung des Ernährungszustands zum Zeit- Bei der Messung des oberen Bauchum- Befunde weisen eine große Unsicherheit punkt der Aufnahme auf der Intensiv- oder fangs zur Abschätzung der viszeralen Adi- auf. Bei fehlender Evidenz geben deswe- Intermediate Care Station erfolgen. positas mit CT bei COVID-19-Patient*innen gen die international verfügbaren Leitlini- war jeder Zentimeter Zunahme mit einer en keine klaren Empfehlungen im Hinblick 5. Methoden zur Bestimmung des 1,13-fach höheren Wahrscheinlichkeit für auf die präzise Methodik bzw. den Umfang Ernährungszustands eine Intensivbehandlung und einer 1,25- personeller Ressourcen, die zur Erhebung fach höheren Wahrscheinlichkeit für eine des Ernährungszustands vorgehalten wer- 5.1 Anthropometrie mechanische Beatmung assoziiert [27]. den sollen [33–36]. Dieses Defizit ist auch Bei kooperationsfähigen Patient*innen in einer aktuellen Leitlinienübersicht noch Die präzise klinische Erfassung des Ernäh- ohne vorbestehende oder erworbene neu- einmal deutlich geworden [37]. rungsstatus anhand klassischer Parameter rologische Komorbidität (Critical-illness- Die . Tab. 1 zeigt eine Übersicht der ak- (speziell Gewicht und BMI) kann insbeson- Polyneuropathie, oder -Myopathie) stellt tuellen Leitlinienempfehlungen, . Tab. 2 dere bei Intensivpatient*innen zum Zeit- die Dynamometrie mit Messung der Hand- eine Übersicht der Screeningtools zur Ein- punkt der Aufnahme (und auch im Ver- kraft eine einfache und quantifizierbare schätzung des Ernährungszustands. lauf) durch beträchtliche interstitielle Flüs- Methode zur funktionellen (Verlaufs-)Kon- sigkeitseinlagerungen („capillary leak“) er- trolle der Muskelkraft dar [28]. Die Hand- 5.3. NRS, MNA, SGA schwert sein. Die je nach Stadium der Er- griffstärke ist signifikant niedriger bei krankung zu beobachtende Hyperhydra- Langzeitintensivpatient*innnen als bei Die DGEM gibt auf ihrer Webseite einen tation macht das aktuelle Körpergewicht Patient*innen mit kurzer Behandlungs- Überblick zu den empfohlenen Scree- 4 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Tab. 1 Übersicht zu Leitlinienempfehlungen verschiedener Fachgesellschaften zur Einschät- Der NRS wurde in einer Studie an 260 zung bzw. Erfassung des Ernährungszustands älteren internistischen und chirurgischen Fachgesellschaft Parameter Intensivpatient*innen > 65 Jahre evaluiert. DGEM Leitlinie Einschätzung des Ernährungszustands zum Zeitpunkt der Aufnahme mit Es fand sich eine NRS-definierte Häufigkeit „Intensivmedizin“ DGEM-Kriterien oder Subjective Global Assessment (SGA) der Mangelernährung von 23–34 % [45]. [4] Nichtinvasive serielle Untersuchungen der Skelettmuskelmasse mittels Im Vergleich mit dem MNA zeigte der NRS Sonographie/MRT/CT zum Aufnahmezeitpunkt als auch während des die höchste Sensitivität, während SGA und Aufenthalts auf der Intensivstation MNAShortForm einehöhereSpezifitätauf- DGEM Leitlinie BMI < 18,5 kg/m2 oder wiesen. Eine mit diesen Methoden identi- „Terminologie in Ungewollter Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 3–6 Monaten oder der Klinischen fizierte Mangelernährung war signifikant BMI < 20 kg/m2 und ungewollter Gewichtsverlust > 5 % in den letzten mit einem längeren Krankenhausaufent- Ernährung“ [38] 3–6 Monaten oder halt, einem höheren Bedarf an poststa- Nahrungskarenz > 7 Tage tionärer pflegerischer Unterstützung und A.S.P.E.N. Leitlinie Risikoabschätzung mit validiertem Score, Nutritional Risk Score (NRS), auch einer höheren Letalität assoziiert. „Intensivmedizin“ Nutrition Risk in the Critically Ill (NUTRIC) [26] In einer Metaanalyse von 20 Studien Unzureichende Energieaufnahme mit 1168 Patient*innen fand sich unter Gewichtsverlust Verwendung von NRS, SGA und MNA ei- Verlust von Muskelmasse und subkutanem Fettgewebe ne Prävalenz der Mangelernährung von Wassereinlagerungen 38–78 % [7]. Das SGA war prädiktiv dem Verminderter funktioneller Status MNA klar überlegen. Die Assoziation zwi- ESPEN Leitlinie Anamnese und klinische Untersuchung schen Screening und Risiko für Mangeler- „Intensivmedizin“ Verminderter BMI nährung war hingegen wenig konsistent. [28] Unfreiwilliger Gewichtsverlust Es bestand eine unabhängige Assoziation Körperzusammensetzung mit Muskelmasse und -kraft – wenn möglich zwischen dem Vorliegen einer Mangeler- A.S.P.E.N. American Society for Parenteral and Enteral Nutrition, BMI Body Mass Index, CT Compu- nährung und einer schlechteren Progno- tertomographie, DGEM Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin, ESPEN European Society for se. Weiteres Ergebnis dieser Analyse war, Clinical Nutrition and Metabolism, MRT Magnetresonanztomographie dass zur Abschätzung der Ernährungssta- tus-assoziierten Prognose SGA und MNA besser geeignet waren als der NRS [7]. Im ningmethoden inklusive der jeweiligen 14 Punkten, und Anamnese mit weiteren Vergleich zum Grad C des SGA als Gold- Screeningfragebögen (www.dgem.de/ 12 Items (G–R) – davon 2 anthropome- standard für die Diagnose einer Mangeler- screening), die zur Abklärung einer Man- trische Messungen (Oberarmumfang und nährung hat der NRS in einer anderen Stu- gelernährung zur Verfügung stehen. Wadenumfang) – mit max. 16 Punkten die bei Intensivpatient*innen eine höhere Die European Society for Clinical Nutri- [40]. Sensitivität (79,1 %) und Spezifität (94,8 %) tion and Metabolism (ESPEN) empfiehlt für Das Subjective Global Assessment gezeigt [46]. nicht-intensivpflichtige Patient*innen ein (SGA) ist eine einfache, reproduzierbare Aus Sicht der Arbeitsgruppe sind diese 2-stufiges Konzept unter Verwendung des bettseitigeMethode, dieauf der Grundlage Scores jedoch nur begrenzt für den Einsatz gut validierten Nutritional Risk Score (NRS). von anamnestischen (Gewichtsverände- bei kritisch kranken Patient*innen geeig- Wird eine der in . Tab. 2 aufgeführten Fra- rung, Nahrungszufuhr, gastrointestinale net, da sie eine Anamnese voraussetzen, gen des Vorscreenings mit „ja“ beantwor- Symptome, Leistungsfähigkeit, Grunder- die zuverlässig nur bei wachen und aus- tet, schließt sich das Hauptscreening an, in krankung) und klinischen Untersuchungs- kunftsfähigen Patient*innen zu erheben dem die Störung des Ernährungszustands befunden (Unterhautfettgewebe, Muskel- ist. Fremdanamnestische Angaben sind in und die Krankheitsschwere anhand eines masse, Ödeme) den Ernährungszustand der klinischen Routine oft nur aufwändig graduellen Punktescores genauer quanti- der Patient*in quantifiziert [41]. Im Hin- zu erheben bzw. unzuverlässig. fiziert werden (zusätzlich 1 Punkt, wenn blick auf die Früherkennung einer Man- Zusätzlich limitierend ist, dass der Alter ≥ 70 Jahre). Scorewerte > 3 charak- gelernährung scheint das aufwändigere NRS in seinem Scoresystem eine kriti- terisieren eine Risikopatient*in, Werte ≥ 5 SGA den Screeningverfahren überlegen sche Erkrankung immer mit 3 Punkten eine Hochrisikopatient*in mit den Zeichen zu sein [42]. Daten liegen auch für In- bewertet, wodurch alle kritisch kran- der manifesten Mangelernährung [39]. tensivpatient*innen vor, bei denen eine ken Patient*innen auf der ITS per se bei Das Mini Nutritional Assessment (MNA) mit dem SGA diagnostizierte Mangeler- Aufnahme ein Risiko für eine Mangel- ist ein Screeninginstrument zur Erfassung nährung mit einer höheren Wiederauf- ernährung aufweisen und keine weitere des Ernährungszustands bei Individuen nahmerate auf die ITS, einer längeren Differenzierung möglich ist. Der SGA er- > 65 Jahre in der häuslichen Pflege, Kran- Krankenhausverweildauer und auch hö- fordert neben der Anamnese geschulte kenhaus oder Pflegeheim und besitzt heren Krankenhausletalität einherging Untersucher*innen [41]. Der Nutzen des ebenfalls einen 2-stufigen Aufbau: Vor- [43, 44]. MNA wird dadurch eingeschränkt, dass anamnese mit 6 Items (A–F) mit max. er ursprünglich zur Erfassung des Er- Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 5
Positionspapier Tab. 2 Screeningtools zur Einschätzung des Risikos einer Mangelernährung bzw. Methoden zur (NUTRIC-Score ≥ 5) und längerer Verweil- Erfassung des Ernährungsstatus dauer > 12 Tagen profitierten von einer Screening-Tool Parameter aggressiveren Energie- und Eiweißzufuhr NUTRIC Alter (signifikant niedrigere 60-Tage-Letalität), (Nutrition Risk in APACHE (Acute Physiology and Chronic Health Evaluation) II-Score während dies nicht für Patient*innen mit Critically Ill) SOFA (Sepsis-related Organ Failure Assessment)-Score niedrigem Score und einer Verweildauer Anzahl Komorbiditäten von ≤ 4 Tagen galt. Die Relevanz die- Verweildauer im Krankenhaus vor ITS-Aufnahme ser Beobachtungen ist jedoch aufgrund IL-6 (Interleukin-6) (fakultativ) methodischer Limitationen bei der Daten- NRS-2002 BMI ≤ 20,5 kg/m2 auswertung (keine Berücksichtigung des (Nutritional Risk Gewichtsverlust > 5 % während der letzten 3 Monate „confounding by indication“, von kom- Screening) petitiven Risiken, der Zeitabhängigkeit Verminderte Nahrungsaufnahme der Nahrungszufuhr und von zeitvariie- Schweregrad der Erkrankung renden bzw. nichtlinearen Assoziationen) MUST BMI (Malnutrition Univer- Gewichtsverlust eingeschränkt. sal Screening Tool) In der explorativen Post-hoc-Analyse Schweregrad der Erkrankung der randomisiert-kontrollierten PERMIT- SGA Anamnese Studie zum Vergleich einer permissiven (Subjective Global – Gewicht Assessment) – Nahrungsaufnahme Unterernährung und einer kalorienzielori- – Gastrointestinale Symptome entierten Ernährungstherapie wurde ein – Funktioneller Status hohes ernährungsmedizinisches Risiko ab Körperliche Untersuchung einem NUTRIC-Score > 4 angenommen, – Subkutanes Fettgewebe wobei die klinische Prognose unabhängig – Muskelmasse vom NUTRIC-Score war [50]. In einer wei- – Ödeme teren Kohortenstudie (n = 312) ließ sich – Aszites keine Assoziation zwischen dem NUTRIC- MNA BMI oder Wadenumfang (in cm) (Mini Nutritional Score und dem NRS 2002 zeigen [51]. Anamnese Assessment) – Abnahme der Nahrungsaufnahme in den letzten 3 Monaten durch Lew et al. [52] verglichen einen modifi- Appetitverlust, Verdauungsprobleme, Kau-/Schluckstörungen zierten NUTRIC-Score mit dem SGA und – Gewichtsverlust in den letzten 3 Monaten fanden keine gute Übereinstimmung. Die – Mobilität Kombination beider Scores zeigte jedoch – Akute Krankheit oder psychischer Stress die beste Trennschärfe im Hinblick auf – Neuropsychologische Probleme wie Demenz, Depression die Prognose (Letalität). In einer weiteren Voraussichtliche Nahrungskarenz von mehr als 5 Tagen und akute Er- Post-hoc-Analyse der multizentrischen krankung REDOXS-Studie zeigte sich dagegen eine BMI Body Mass Index, ITS Intensivstation signifikante Assoziation zwischen NUTRIC- Score und 28-Tage- und 6-Monate-Leta- nährungszustands älterer, nicht kritisch Alter, Anzahl von Komorbiditäten sowie lität bei insgesamt 1199 kritisch kranken kranker Patient*innen > 65 Jahre entwi- Krankenhausverweildauer vor Aufnahme Patient*innen mit Multiorgandysfunktion ckelt wurde [47]. auf die ITS. Die Variable Interleukin(IL)- (mittlerer NUTRIC-Score 5,5) [53]. 6-Konzentration ist je nach Verfügbar- Die 2016 publizierte Leitlinie der Amer- 5.4. NUTRIC-Score keit optional. Ein Score < 6 Punkte (bei ican Society for Parenteral and Enteral Nichtverfügbarkeit der IL-6-Konzentrati- Nutrition (A.S.P.E.N.) empfiehlt auf Basis Der Nutrion Risk In Critically Ill (NUTRIC)- on < 5) zeigt an, dass das Risiko für die einer Expertenmeinung die Erhebung Score wurde speziell für Intensivpati- Entwicklung einer Mangelernährung ge- des NUTRIC-Scores bei Aufnahme auf die ent*innen entwickelt, um die Wahrschein- ring ist, ab einem Punktwert von 6 (bei Intensivstation [34]. Die ESPEN-Leitlinie lichkeit für einen komplizierten Intensiv- Nichtverfügbarkeit der IL-6-Konzentrati- [36] empfiehlt eine Beurteilung des Er- verlauf („Langlieger“) und das damit on ab Punktewert 5) muss von einem nährungszustands, ohne sich dabei auf assoziierte ernährungsmedizinische Risi- erhöhten Risiko für einen komplizierten ein bestimmtes Verfahren festzulegen; aus ko abschätzen zu können [48]. Der Score Verlauf mit längerem Aufenthalt auf einer Sicht der DGEM/DIVI-Arbeitsgruppe ist der beruht u. a. auf dem APACHE II- und SOFA- Intensivstation ausgegangen werden [48]. NUTRIC-Score nicht zur Abschätzung des Score. Ausgangspunkt ist ein primär nicht In einer prospektiven Beobachtungs- Ernährungszustands geeignet, sondern mangelernährter Patient, sodass keine studie an 2863 mechanisch beatmeten reflektiert nur das durch Inflammation/ typischen Parameter des Ernährungssta- Intensivpatient*innen erfolgte eine Ri- Infektion und Multiorgandysfunktion be- tus einfließen. Weitere Parameter neben sikostratifizierung gemäß dem NUTRIC- einflussteGesamtrisiko. Geradedies erfasst dem APACHE II- und SOFA-Score sind Score [49]. Patient*innen mit hohem Risiko hingegen der NRS überhaupt nicht [39]. 6 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Es gibt Hinweise dafür, dass die Erweite- scher Methoden oder der Bioimpedanz- nifikante Korrelation von 0,45 [59]. In der rung des NUTRIC-Scores um das Merkmal analyse zur Erfassung der Körpermuskel- Regressionsanalyse zur Güte der Vorher- Sarkopenie (anhand der Messung des masse ist derzeit noch ausstehend [56, sage der Muskelmasse konnte eine signifi- Wadenumfangs, „SARC-CALF“) und um 57]. Trotzdem soll im Folgenden auch ein kante Erhöhung des Konkordanzindex von das Merkmal Gebrechlichkeit vor Aufnah- kurzer Überblick über die Charakteristika 0,67 auf 0,77, jedoch nur durch die Einbe- me („clinical frailty scale“) einen noch beider diagnostischer Verfahren gegeben ziehung zusätzlicher Variablen (Alter, Ge- besseren Prädiktor für ein ungünstiges werden. schlecht, BMI, Charlson-Komorbiditätsin- Outcome darstellen könnte („modified dex und Zuordnung der Aufnahme [chirur- NUTRIC score SF“) [54]. Eine ausreichende 5.5.1. Muskelsonographie gisch/internistisch]) erreicht werden. Auf- Validierung ist jedoch noch ausstehend. Die Muskelsonographie ist ein nicht-in- grund dieser Ergebnisse ist die Einmalmes- Da der NUTRIC-Score das Risiko kritisch vasives, bettseitig verfügbares Verfahren, sung der Quadrizepsdicke ohne ergänzen- Kranker insgesamt abbildet, empfiehlt sich mit dem ein Muskelverlust als Zeichen der de Informationen wohl eher kritisch zu die Kombination mit einer zusätzlichen Mangelernährung diagnostiziert werden sehen. ernährungsmedizinischen Untersuchung; kann und eine Schätzung der fettfreien Die Datenlage für die Querschnitts- z. B. Bestimmung der Körperzusammen- Masse möglich ist. Zusätzlich ermöglicht flächenmessung ist etwas besser; so setzung. das Verfahren die repetitive Messung und korreliert der Quadrizepsquerschnitt sehr somit eine quantitative Verlaufsbeurtei- gut (Männer r = 0,88, Frauen r = 0,89) mit Empfehlung 3 lung der Muskelmasse. Die Methode ist der Gesamtmuskelmasse im MRT [65]. Ein regelhaftes Screening mit NRS oder MNA prinzipiell ohne besondere Vorkenntnisse Drei Studien konnten eine Assoziation wird nicht empfohlen. Die Durchführung in der Sonographie rasch erlernbar. zwischen Querschnittsfläche und den Er- des SGA ist zur Erfassung des Ernährungs- Eine einheitliche standardisierte Mess- gebnissen funktioneller Messungen nach- zustands für Patient*innen auf Intensiv- und vorgabe gibt es jedoch nicht, wobei al- weisen, während dies nur ineiner Studie für Intermediate Care Stationen geeignet, setzt lerdings typischerweise der M. quadrizeps die Muskeldickenmessung gelang [60, 66, aber erfahrene Untersucher*innen voraus. Der NUTRIC-Score kann zur Identifikation femoris oder der M. rectus femoris im Quer- 67]. Eine weitere prospektiv-randomisierte von Patient*innen mit Risiko für eine längere schnitt vermessen werden. Der Messpunkt Studie bei Langzeitintensivpatient*innen Liegedauer eingesetzt werden. für den M. rectus femoris liegt typischer- in der chronischen Phase konnte mit- weise auf der Linie von der Spina iliaca an- tels sonographischer Verlaufskontrollen terior superior zum proximalen Rand der der Quadrizepsmuskeldicke den aus CT- 5.5. Nicht-invasive Bestimmung Patella (mit einem Abstand von 60 % der morphologischen bzw. neutronenakti- der Skelettmuskelmasse als Gesamtlängezur Spinailiacaanterior supe- vierenden Untersuchungen bekannten Surrogatvariable zur Erfassung des rior). Vermessen werden die Querschnitts- Verlust an Muskelmasse bestätigen [68]. Ernährungszustands fläche des M. rectus femoris oder technisch In 2 Beobachtungsstudien hat sich eine einfacher die Quadrizepsdicke (Durchmes- Assoziation zwischen dem sequenziellen In einer systematischen Übersicht von ser) bestehend aus M. rectus femoris und Verlust der sonographisch gemessenen 6 Studien zum Muskelverlust von Inten- M. vastus intermedius. Die Muskelsono- Quadrizepsdicke und der Krankenhaus- sivpatient*innen wurde in den ersten graphie weist bezogen auf Untersucher*in sowie 60-Tage-Letalität gezeigt [69, 70]. 14 Tagen nach Aufnahme ein Muskelmas- sowohl intra- als auch interindividuell ei- Limitierend für alle sonographischen severlust von bis zu ca. 20 % beobachtet, ne hervorragende Reliabilität im Hinblick Verfahren ist, dass Veränderungen des wobei die Muskelmasse mittels γ-Neutro- auf die Bestimmung der Muskeldicke und Hydratationszustands die Messergebnisse nen-Aktivierung, Computertomographie Querschnittsfläche auf [58–63]. signifikant beeinflussen können [71, 72] (CT) oder Ultraschall quantifiziert wurde So fanden Pardo et al. [64] bei 280 Mes- und dass nicht die Quadrizepsmuskelmas- [55]. Problematisch ist bei den in der kli- sungen der Quadripzepsmuskeldicke an se, sondern die lumbale Muskelmasse am nischen Routine einsetzbaren computer- 29 Patient*innen eine gute intra- als besten mit der Gesamtkörpereiweißmasse tomographischen oder sonographischen auch interindividuelle Reliabilität, wenn korreliert [73]. Verfahren bisher jedoch, dass speziell die Messungen entweder in der Mitte im Verlauf gleichbleibende Befunde nur (Korrelationskoeffizient 0,74 und 0,86) 5.5.2. Computertomographie scheinbar eine unveränderte Muskelmas- oder an der Zweidrittelstelle (0,83 und Computertomographien des Abdomens se anzeigen können; Volumenverluste 0,81) der Messlinie erfolgten. Deswegen werden bei Patient*innen im ITS- und IMC- durch eine Abnahme der myofibrillä- empfehlen die Autoren die Sonographie Bereich mit kompliziertem Verlauf aus kli- ren Masse können durch eine Volumen- als Instrument zur Bestimmung des Aus- nischen Gründen oftmals sogar mehrfach zunahme aufgrund einer interstitiellen gangszustands bei Aufnahme und zur durchgeführt. Die CT-morphologischen Flüssigkeitseinlagerung („capillary leak“)/ Verlaufskontrolle der Effizienz einer MNT. Befunde können auch für eine Analyse Bindegewebsvermehrung überdeckt wer- In einer multizentrischen Studie zur der Körperzusammensetzung herange- den. Validierung der Muskeldickenmessung an zogen werden. Die quantitative Analyse Eine endgültige Bewertung des Nut- 149 Intensivpatient*innen ergab sich beim der Muskulatur im computertomographi- zens bzw. der Zuverlässigkeit sonographi- VergleichvonSonographieund CT einesig- schen Querschnitt des Abdomens (CSA) Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7
Positionspapier 183.176 Frauen 30.572 Männer 6,9 7,0 6,9 6,7 6,4 6,1 6,2 6,1 6,0 6,0 5,9 5,8 5,8 5,6 5,6 5,6 5,4 5,2 5,2 5,2 5,0 5,1 5,1 4,9 4,8 4,5 4,1 4,2 Mittelwert 5. Perzentile SD Mittelwert 5. Perzentile SD 18–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 70 18–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 70 a Alter (Jahre) b Alter (Jahre) Abb. 1 8 Referenzwerte des Phasenwinkels bestimmt mittels bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA). Mittelwerte mit Stan- dardabweichung (SD) und 5. Perzentile des Phasenwinkels in Abhängigkeit des Alters bei Frauen (a) und Männern (b). Daten einer deutschen Population aus [92]) im Bereich der Lendenwirbelsäule (meist Anwendung finden, wenn sich aus der kli- wie ein Kondensator und verursachen auf Höhe von L3) korreliert gut mit der nischen Situation heraus eine Indikation den kapazitativen Widerstand. Hierbei Muskel- und Fettmasse des Gesamtkör- für eine solche Untersuchung ergibt und entsteht durch eine Phasenverschiebung pers. Zur mathematischen Auswertung eine entsprechende Expertise zur Auswer- der Phasenwinkel, bewirkt durch die stehen verschiedene Softwareprogramme tung der Körperzusammensetzung lokal kondensatorähnliche Wirkung der Zell- zur Verfügung wie beispielsweise das frei verfügbar ist. Die logistischen Argumen- membranen [80]. Der Phasenwinkel kann verfügbare ImageJ des National Institute te gelten ebenso für die MRT. Die Au- als Summenparameter für die Gewebe- of Health (Bethesda, MD, USA) und Sli- toren wünschen sich im radiologischen qualität betrachtet werden, die abhängig ceomatic der Firma TomoVision, Montreal, Fachgebiet eine vermehrte Akzeptanz die- ist vom Hydratationszustand, Ausmaß des Quebec, Canada. ser Technik zur Analyse der Körperzusam- „capillary leak“ und von der Körpermager- Im Rahmen der Sarkopeniediagnostik mensetzung; in diesem Zusammenhang masse. Somit besteht nur eine bedingte wird die Gewebeverteilung lediglich in ei- ist auch eine automatisierte, beschleunig- Korrelation mit dem Ernährungszustand. ner axialen Schnittebene meist auf der te Auswertung und Entscheidungsunter- Unter Einbeziehung des Körperge- Höhe des Wirbelkörpers L3 verwendet. stützung durch künstliche Intelligenz wün- wichts können über verschiedene Algo- Die Häufigkeit einer computertomogra- schenswert [79]. rithmen die fettfreie Masse, Körperzell- phisch diagnostizierten Sarkopenie wird masse und Fettmasse berechnet werden bei Intensivpatient*innen auf 60–70 % ge- 5.5.3. Bioelektrische Impedanz- [81, 82]. Diese Berechnungen sind jedoch schätzt [73, 74]. Während für spezielle analyse bei Intensivpatient*innen weit weniger Patient*innengruppen, wie beispielswei- Die nicht-invasive bioelektrische Impe- aussagekräftig als der gewichtsunabhän- se onkologische Patient*innen [75], Pa- danzanalyse (BIA) zielt auf die elektrische gige, jedoch alters- und geschlechts- tient*innen mit Leberzirrhose [76] oder Leitfähigkeit des Körpers ab, die durch abhängige Phasenwinkel. Bei extremer chirurgische Patient*innen [77], bereits gu- Messung des Gesamtkörperwiderstands Verschiebung des Hydratationszustands te Daten vorliegen, steht der breite Ein- (Impedanz) beim Anlegen eines Wech- muss die Messung der fettfreien Masse satz radiologischer Verfahren für die Dia- selstroms (50 kHz bei 0,8 mA) mittels und Körperzellmasse als sehr unzuverläs- gnostik der Körperzusammensetzung bei auf Hand- und Fußrücken aufgebrachter sig angesehen werden [83]. Die mittels Intensivpatient*innen jedoch noch am An- Elektroden bestimmt wird. Die Körper- BIA oder bioelektrischer Impedanz-Vek- fang. Auch bei diesem Verfahren sind je- impedanz ist umgekehrt proportional toranalyse (BIVA) gemessene Veränderung doch möglicherweise Interferenzen durch zum elektrolythaltigen Körperwasserge- des Phasenwinkels ist insgesamt mit einer einen variablen Hydratationszustand mit halt (Ohm-Widerstand) und abhängig von erhöhten Sterblichkeit assoziiert [42, 84]. zu berücksichtigen [78]. den Körperproportionen (d. h. dem Quer- Es ist methodisch limitierend, dass für die Aus Strahlenschutz- und Kostengrün- schnitt des Leiters). Zellmembranen wir- am Markt existierenden BIA-Geräte unter- den sollten CT-Untersuchungen nur dann ken beim Anlegen eines Wechselstroms schiedliche Gleichungen zur Kalkulation 8 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
Tab. 3 Empfehlungen zur apparativen Grundausstattung zur Erfassung des Ernährungsstatus rungsstatus bei Aufnahme und im Verlauf auf der Intensiv- und Intermediate Care Station – in Ergänzung zu den DIVI-Strukturempfehlungen angepasst ist, ein Muskelabbau kom- [5, 6] plett verhindert (und nicht nur minimiert) Obligat Fakultativ werden kann, um so das klinische Out- Bettwaagea ggf. mit Hebevorrichtung bzw. Personen-/ Bioelektrische Impedanzanalyse come zu verbessern. Unklar ist bis heute Stuhlwaage bei möglicher Mobilisation ebenfalls die Optimierung der MNT im Sonographiegerät b Hinblick auf immunologische und repara- Dynamometer tive Funktionen [4]. Grundvoraussetzung DIVI-Strukturempfehlungen: a1C, b2C [5, 6] einer effektiven MNT ist jedoch immer, durch kausale Therapie die Signalketten zu unterbrechen, die die Katabolie von der Körperzusammensetzung basierend weilige Alter und Geschlecht bekannten Seiten des inflammatorischen/infektiösen auf der gemessenen Resistance (R) und/ Mittelwert subtrahiert und die Differenz Fokus her auslösen und unterhalten [91]. oder Reactance (Xc) erforderlich sind. durch die entsprechende Standardabwei- Im Hinblick auf die apparative Ausstat- Der im Stehen gemessene Phasenwinkel chung dividiert. tung der ITS oder IMC sollten entspre- weicht vom Phasenwinkel im Liegen ab; Aufgrund der inhaltlichen Besonder- chend der DIVI-Strukturempfehlungen zur ein Problem, das bei kritisch kranken Pa- heiten des Phasenwinkels ist der Bezug Erfassung des Ernährungsstatus eine Bett- tient*innen keine Bedeutung hat. Für die zu Screeningtools für die Diagnose ei- bzw. bei mobilisierbaren Patient*innen ei- Geräte, die im Liegen messen, sind in weni- ner Mangelernährung noch unklar. Eine ne Personen-/Stuhlwaage (1C) und ein So- gen Arbeiten nur geringe Abweichungen Querschnittsstudie an 55 kritisch kran- nographiegerät (2C) obligat verfügbar sein des Phasenwinkels beschrieben worden. ken COVID-19-Patient*innen ergab, dass [5, 6]. Die Expertengruppe empfiehlt auf- Das Körpergewicht, das neben der Kör- zwar ein niedrigerer Phasenwinkel mit ei- grund der günstigen Anschaffungskosten pergröße als Grundlage zur Berechnung nem höheren Risiko verbunden war, eine (ca. 200 ) zusätzlich ein Dynamometer der Variablen in die Software eingegeben schwerere COVID-19-Infektion zu entwi- (. Tab. 3). Eine bioelektrische Impedanz- wird, sollte idealerweise aktuell zum Zeit- ckeln. Ein direkter Bezug zum Ernährungs- analyse ist fakultativ. Eine spezifische ap- punkt der BIA-Untersuchung gemessen zustand der Patient*innen konnte jedoch paratetechnische Diagnostik sollte spezi- werden. Zusätzlich sollte bei der Ver- nicht hergestellt werden [89]. Zusammen- ell bei Hochrisikopatient*innen (vgl. oben) wendung des Parameters „extrazelluläres fassend reflektiert der Phasenwinkel die nach der klinischen Stabilisierung regel- Wasser (EZW)“ auch eine aktuelle Erniedri- Qualität der Magermasse nur zum Teil und mäßig (einmal wöchentlich) erfolgen. gung des Albuminspiegels berücksichtigt ist sowohl ein Indikator für eine katabolie- Ferner verweisen wir darauf, dass für werden. bedingte Störung der zellulären Integrität die im Anhang zusammengestellten An- Die Berechnung der Körperkomparti- als auch für eine inflammatorisch beding- forderungen für die Kodierung der ernäh- mente hat jedoch für die Bestimmung des te Hyperhydratation („capillary leak“). Die rungsmedizinischen Komplexbehandlung Ernährungszustands keine Bedeutung. In prognostischen Fähigkeiten des Phasen- „OPS 8-98j“ gemäß aktuellem aG-DRG Fall- Bezug auf die Prognose wurde der Pha- winkels sind jedoch denen der anderen pauschalenkatalog die Erhebung des Er- senwinkel in mehr als 170 Studien an über BIA-Parameter überlegen [90]. nährungsstatus bei Aufnahme und die ap- 40.000 Patient*innen untersucht und hat parative Verlaufskontrolle mit Handkraft- sich bei den verschiedensten Grunderkran- Empfehlung 4 messung und bioelektrischer Impedanz- kungen – auch bei Intensivpatient*innen Empfohlen wird bei Intensiv- und Intermedi- analyse oder indirekter Kalorimetrie ein- [85, 86] – als aussagekräftig insbesonde- ate Care-Patient*innen eine nicht-invasi- mal wöchentlich unabdingbare Vorausset- re im intraindividuellen Verlauf erwiesen. ve serielle Untersuchung der Skelettmus- zung sind. So waren Veränderungen des mittels BIA kelmasse zur Erkennung und Verlaufskon- Auf die Messung des Ruheenergieum- bestimmten Phasenwinkels bei kardiochir- trolle kataboler Veränderungen des Ernäh- satzes sowie auf laborchemische Parame- rungszustands. Geeignete Verfahren sind urgischen Patient*innen mit einem ver- Sonographie/BIA//CT. Interferenzen durch ter zur Beurteilung des Ernährungsstatus längerten Aufenthalt auf der ITS und im einen variablen Hydratationszustand müssen und der metabolischen Toleranz wird in Krankenhaus assoziiert [87]. Ein niedriger dabei berücksichtigt werden. Bei Hochrisiko- einem weiteren Positionspapier eingegan- Phasenwinkel wird als prognostisch kri- patient*innen mit zu erwartender längerer gen. tisch beurteilt und kann mit einer erhöhten Verweildauer (z. B. NUTRIC-Score > 5) kann eine Bestimmung des Phasenwinkels mittels Sterblichkeiteinhergehen[88].Normwerte BIA hilfreich sein. 6.1 Vorgehen in der klinischen Praxis und Standardabweichungen für einzelne Alters- und Geschlechtsgruppen liegen vor Die Erfassung des Ernährungsstatus erfolgt (. Abb. 1). So wird zur besseren Vergleich- 6. Zusammenfassung in mehreren Schritten (. Abb. 2): barkeit idealerweise der standardisierte 1. Bei Aufnahme auf die ITS oder IMC Phasenwinkel eingesetzt. Zur Berechnung Offen ist die Frage, ob bei Risikopati- sollten als Basis bei wachen, an- des standardisierten Phasenwinkels wird ent*innen mit einer personalisierten und sprechbaren und auskunftsfähigen der gemessene Wert vom dem für das je- optimierten MNT, die an den Ernäh- Patient*innen eine genaue Gewichts- Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 9
Positionspapier therapie als medizinische Hauptbehand- lung ist gesondert zu codieren (8-015 ff., Aufnahme Intensiv-/Intermediate Care Status der 8-016). Die Art der Ernährungstherapie als Station (ITS/IMC) medizinische Nebenbehandlung ist bei Ernährung? nicht intensivmedizinisch behandelten Patient*innen gesondert zu codieren (8- 017 ff., 8-018 ff.) – Strukturmerkmale: Screening j Ernährungsteam mit Behandlungs- Erwarteter leitung durch einen Facharzt mit Gewichts-/ Subjective Ernährungsanamnese Global Aufenthalt der strukturierten curricularen Fort- Messung Körpergewicht Assessment auf ITS/IMC bildung oder Zusatzbezeichnung Hydratationszustand > 7 Tage? Ernährungsmedizin und mit einem Diätassistenten oder Ökotropholo- Bestimmung der Muskelkraft & Muskelmasse 9 Handkraft mittels Dynamometrie gen 9 Sonographie des Oberschenkels j Werktags mindestens 7-stündige Querschnitt M. rectus femoris Dicke M. quadriceps femoris Verfügbarkeit des Ernährungsteams 9 Lumbale Muskelfläche bei verfügbarem CT – Mindestmerkmale: j Standardisiertes Screening des Er- Hohes Ernährungsrisiko nährungsstatus innerhalb der ersten Abb. 2 9 Vorgehen 48 h nach stationärer Aufnahme (z. B. Erhebung des NUTRIC Score und Bioimpedanzanalyse inderklinischenPra- NRS 2002, MNA oder NUTRIC Score) xis zur Erfassung des j Standardisiertes ernährungsmedizi- Körper- Körper- Ernährungsstatus zusammensetzung nisches Basisassessment zu Beginn 72 h gewicht Handkraft 7d aufderIntensiv-und Intermediate Care der Behandlung durch ein Mitglied Station des Ernährungsteams, bestehend aus: a) Ernährungsanamnese inkl. aktuel- und Ernährungsanamnese erhoben einem NUTRIC-Score > 5 oder einem ler Nahrungsaufnahme werden. Empfohlen wird die Durchfüh- Phasenwinkel < 4,0 sollten serielle b) Handkraftmessung rung eines SGA sowie einer Handkraft- Untersuchungen erfolgen. Bei die- c) Bestimmung der Körperzusam- messung. Bei nicht anamnestizierbaren sen Patient*innen sollte mindestens mensetzung mittels Bioimpedan- Patient*innen sollte wenn möglich ei- zweimal wöchentlich eine Messung zanalyse oder Bestimmung des ne Fremdanamnese erfolgen. Ist das des Körpergewichts sowie einmal pro Energieumsatzes mittels indirekter aktuelle Körpergewicht nicht bekannt Woche eine Verlaufskontrolle der Kör- Kalorimetrie bzw. nicht eruierbar, sollte dieses perzusammensetzung mit einem der d) Energie- und Nährstoffbedarfser- mittels Bettwaage (oder Personen-/ angegebenen Verfahren (BIA, Sonogra- mittlung unter Berücksichtigung von Stuhlwaage bei möglicher Mobilisati- phie, CT nur bei klinischer Indikation) Verträglichkeit und Gesamtbilanz on) gemessen werden. Zusätzlich sollte und der Handkraft mittels Dynamome- j Erstellung eines individuellen Be- der Hydratationszustand mittels kör- trie erfolgen; dabei ist Voraussetzung, handlungsplans (oral, Trinknahrung, perlicher und/oder sonographischer dass Veränderungen des Hydratati- enteral und/oder parenteral nach Untersuchung festgestellt werden. Es onszustands in die Interpretation der einem Stufenschema der Ernährung) sollte geklärt werden, ob eine zeitnahe Befunde mit einbezogen werden bzw. zu Beginn der Behandlung CT-Untersuchung des Abdomens vor- entsprechende Korrekturen erfolgen. j Mindestens 2-mal pro vollständiger liegt; falls ja, sollte nach Rücksprache Woche Verlaufs- und Zielkontrolle mit geschulten radiologischen Kol- Anhang der dokumentierten Nahrungsauf- leg*innen die lumbale Muskelfläche nahme (oral, Trinknahrung, enteral auf Höhe LWK 3 bestimmt werden. Ernährungsmedizinische und/oder parenteral), davon ein- Sind die technischen Voraussetzungen Komplexbehandlung 8-98j mal mit Durchführung folgender gegeben, sollte zusätzlich möglichst Verfahren: innerhalb von 48 h eine Sonographie https://www.dimdi.de/static/de/klassifi a) Handkraftmessung oder Bioimpe- zur Bestimmung der Dicke des M. qua- kationen/ops/kode-suche/opshtml2022/ danzanalyse oder indirekte Kalori- driceps und/oder Querschnitts des M. block-8-97...8-98.htm metrie rectus femoris erfolgen. Hinweis: Diese Codes sind auch bei in- b) Erfassung von Gewicht/Body- 2. Bei einem voraussichtlichen Aufenthalt tensivmedizinisch versorgten Patient*in- Mass-Index > 7 Tagen auf der ITS oder IMC, bei nen anzugeben. Die Art der Ernährungs- j Wöchentliche Teambesprechung 10 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
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