2020 HANDWERKSBERUFE IN DEUTSCHLAND ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION
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2020 HANDWERKSBERUFE IN DEUTSCHLAND ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION Impressum: © 2019 Goethe-Institut e. V. Konzeption und Redaktion: Sabine Erlenwein und Petra Thurnhofer, Goethe-Institut Bereich Sprache und Bildungspolitik Textredaktion: Katja Hanke, Berlin Oskar-von-Miller-Ring 18 Bildredaktion: Petra Thurnhofer, Goethe-Institut 80333 München Gestaltung und Satz: h3a Andreas Hubert Mediendesign Unterrichtsmaterial: www.goethe.de Druck: WALTER Medien GmbH, Brackenheim www.goethe.de/kalender-didaktisierungen Kalenderbild: © Adobe Stock, Yevhen Goethe_Kal_2020_Back.indd 1 16.08.19 11:11
UHRMACHER*IN wird leider fast gar nicht beworben. Welcher Jugendliche kommt von allein auf die Idee, Uhrmacher*in zu wer- den? Fast keiner. In den Städten gibt es auch kaum noch Uhrmacher*innen, in Köln sind es zum Beispiel nur noch drei oder vier. Worauf ist Ihr Familienunternehmen spezialisiert? Weltbekannt und bei Wir reparieren vor allem Kleinuhren, aber auch antike ausländischen Touristen Großuhren. Ich arbeite mit alten Taschenuhren und hoch- sehr beliebt ist die typisch wertigen Armbanduhren. Letztere mache ich am meis- deutsche KUCKUCKSUHR. ten. Alle fünf bis sieben Jahre müssen diese sehr teuren Sie ist aus Holz, meist mechanischen Armbanduhren kontrolliert werden. Dann reichlich verziert und hat zerlege ich sie komplett in ihre Einzelteile, reinige jedes oft die Form eines Häus- einzelne Teil und tausche abgenutzte Teile aus. chens. Unter dem Schräg- dach öffnet sich zu jeder Worauf müssen Sie bei Ihrer Arbeit besonders achten? vollen Stunde ein Türchen, „JEDE UHR HAT IHRE EIGENEN Vor allem darauf, dass mir keines von den kleinen dann kommt ein kleiner Teilchen herunterfällt. Außerdem braucht man als Vogel aus Holz heraus und PROBLEMCHEN“ Uhrmacher*in viel Geduld, sehr ruhige Hände und eine ruft zum Gong der Uhr Der Uhrmachermeister Daniel Stupp ist 31 Jahre alt und hohe Konzentration. „Kuckuck“ – so viele Male, arbeitet seit zehn Jahren im Unternehmen seiner Familie wie es Stunden schlägt. in Köln. Uhren Stupp wurde 1958 vom Großvater ge- Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf? Kuckucksuhren werden gründet. Daniel Stupp ist somit Uhrmacher in der dritten Den Kontakt zu den Kunden und die Abwechslung. traditionell im Schwarz- Generation. Ich weiß vorher nie, was die Leute für eine Uhr bringen. wald hergestellt, und das Jede Uhr hat ihre eigenen „Problemchen“. Das finde ich bereits seit 400 Jahren. Herr Stupp, Sie kommen aus einer Uhrmacherfamilie. interessant. Wenn man in der Industrie arbeitet, hat man War schon immer klar, dass Sie auch Uhrmacher werden? immer mit den gleichen Uhren zu tun. Außerdem finde Ja, für mich schon, obwohl meine Familie gar nicht ich toll, dass ich einen Beruf habe, den kaum noch jemand Personen circa 7.700 RUHIGE HÄNDE UND VIEL GEDULD erwartet hat, dass ich auch Uhrmacher werde. Da ich macht. Wenn ich in einer Runde erzähle, was ich bin, in dem Beruf aber mit diesem Handwerk aufgewachsen bin, wusste ich fragen die Leute: Was macht man da eigentlich? Viele l d. Anzahl der circa 2.560 Die ersten Uhrmacher waren Schlosser und Schmiede, schon früh, dass ich diesen Beruf erlernen wollte. Ich bin wissen zum Beispiel nicht, dass Uhrmacher*innen in einem G e Uhrmacher- also jene Handwerker, die Metall bearbeiten. Die erste einer von drei Söhnen. Die anderen zwei machen etwas Handwerksbetrieb keine Uhren herstellen. Das macht t i st Zei betriebe Uhr, die man am Körper tragen konnte, wurde ungefähr komplett anderes. man in der Industrie. Wir reparieren sie nur. Allerdings Welche Betriebe Reparaturwerkstätten, im Jahr 1430 in Deutschland hergestellt. Sie sah aus keine Smartwatches. Denn das sind ja keine Uhren, bilden aus? Uhrenhersteller wie eine kleine Dose. Solche Taschenuhren galten lange Zeit als Symbol einer hohen gesellschaftlichen Stellung. Wie geht es dem Beruf Uhrmacher*in momentan? Dieser Beruf ist mittlerweile sehr selten. Auszubildende sondern kleine Computer. Die Zeit e Wunden. heilt all Männer/Frauen in ausgewogen dem Beruf Kleinere Armbanduhren wurden erst um 1880 entwickelt. werden überall gesucht. Vor allem große Werkstätten Ausbildungsweg drei Jahre; die Ausbil- In den 1970er Jahren kamen die ersten Digitaluhren haben zu wenige Mitarbeiter. Der Beruf des Uhrmachers dung deckt die Arbeit auf den Markt. Sie wurden immer populärer und die mit Uhren als Handwerk, Uhrmacher*innen hatten immer weniger zu tun. Der Beruf Komm aber auch die industrielle verlor mehr und mehr an Bedeutung. Uhrmacher*innen t Zeit Herstellung ab restaurieren heute weitgehend sehr alte Uhren oder , kom An mt Ra Alles z reparieren Luxusuhren. Mittlerweile gibt es so wenige der Wo arbeiten in Reparatur- und Service- Uhrmacher*innen werkstätten, in Uhren- Uhrmacher*innen, dass diejenigen, die die Ausbildung t. eZ nach der geschäften im Verkauf, bei beenden, ohne Probleme Arbeit finden. Das Handwerk eit Ausbildung? Uhrenherstellern des Uhrmachers steht ganz besonders für das Zusam- u seine en mentreffen von traditionellem Handwerk und moderner ,a Technologie. Denn: Uhrmacher*innen müssen genauso gut nd mit sehr kleinen Zahnrädchen umgehen können wie mit er empfindlichen Elektronikbauteilen. r Zeit. eS itt en . Kalenderbild: © ZB – Special; Fotograf: Heinz von Heydenaber Rückseite: © Daniel Stupp • © pixabay.com • © picture alliance/ullstein bild; Fotograf*in: Sobli • © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Jochen Tack Goethe_Kal_2020_Back.indd 2 16.08.19 11:11
GLASBLÄSER*IN „VOR 30 JAHREN HABEN WIR Ihre Werkstatt ist eine Schauwerkstatt. Das bedeutet, UNSERE WAREN NOCH dass Besucher Ihnen bei der Arbeit zuschauen können. Warum machen Sie das? EXPORTIERT.“ Unsere Kund*innen können jeden Arbeitsschritt sehen, Wolfgang Metz ist seit über 40 Jahren Glasbläser im wir haben immer Zuschauer*innen in der Werkstatt. So Thüringer Wald, einer Region, wo Glasherstellung eine können sie sehen, wie lange es dauert, solch ein Produkt lange Tradition hat. Sein Handwerk kombiniert er mit herzustellen. Dann akzeptieren sie unsere Preise und sind einer Schauwerkstatt und einem großen Laden für unter- eher bereit, etwas zu kaufen. Das ist wichtig, da wir in schiedliche Glasprodukte. Konkurrenz mit Glasbläser*innen in Ländern stehen, die sehr billig produzieren können, wie zum Beispiel Vietnam. Herr Metz, in Ihrem Laden und im Onlineshop bieten Sie viele unterschiedliche Glasprodukte an. Was produzie- Was hat sich in den letzten 20 Jahren in Ihrem Beruf ren Sie selbst? geändert? Wir stellen ungefähr 400 Produkte selbst her, vor allem Man verdient als Glasbläser*in weniger als in anderen schöne Gegenstände für die Wohnung mit einer prakti- Berufen. Vor 30 Jahren haben wir unsere Waren noch schen Seite, zum Beispiel Obstfliegenfallen, also Gläser, exportiert. Heute stellt man in Ländern wie Vietnam die nicht. Außerdem arbeite ich gern mit den Händen. Und da mit denen man kleine Fliegen fangen kann. Davon haben gleichen Dinge für die Hälfte des Preises her. Ich liebe den wir einen engen Kontakt zu unseren Kund*innen haben, wir sehr viele verschiedene Formen und Farben. Die Beruf aber immer noch. Es ist schön, zu sehen, wenn sich führe ich oft Gruppen herum, erkläre unsere Arbeit oder verkaufen sich sehr gut. Genauso wie die Trinkröhrchen die Leute über unsere Produkte freuen. Das macht mich halte auch Vorträge. Ich mache keinen Tag dasselbe. aus Glas. Seitdem Trinkröhrchen aus Plastik wegen des glücklich und dann ist es nicht ganz so schlimm, dass wir Umweltschutzes so unbeliebt geworden sind, sind die nur wenig verdienen. Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufes? aus Glas wieder populär. Außerdem arbeite ich gerade an Die Werkstätten im gestalterischen Bereich werden in Whiskygläsern, die ein junges Unternehmen bestellt hat. Was mögen Sie außerdem an dem Beruf? Deutschland immer weniger. Es gibt auch immer weni- Davon stelle ich ein paar Hundert her. Für die Industrie Ich mag die kreative Seite. Wir arbeiten zwar auch oft ger Auszubildende. Aber es wird trotzdem immer einige ist diese Menge zu klein. Dort fängt man erst ab nach Bestellungen, aber wir denken uns auch immer geben, die wie wir gleichzeitig eine Schauwerkstatt 15.000 Stück an. wieder neue Sachen aus. Das könnte ich in der Industrie haben und außerdem auch Produkte anderer Glasbläser verkaufen. Anzahl der 792 (inklusive der GLAS MIT LUFT UND HITZE FORMEN Personen Glasapparatebauer) GLASMACHERPFEIFEN sind etwa 1,20 bis 1,60 Anzahl der 177 (inklusive der Schon vor 5.500 Jahren wurden auf dem Gebiet des Irak Meter lange Rohre, die an einem Ende – ähn- Glasbläsereien Glasapparatebaubetriebe) und Syriens Gefäße und Schmuckstücke aus Glas herge- lich wie eine Flöte – ein Mundstück haben. Der Welche Betriebe Glasbläserwerkstätten stellt. 2.000 Jahre später entwickelte sich das Glashand- Glasbläser/die Glasbläserin nimmt mit dem an- bilden aus? werk auch noch in Griechenland, Ägypten und China. deren Ende der Pfeife eine kleine Menge flüssi- Männer/Frauen Es gibt kaum Frauen im Damals konnte man das heiße Glas aber nur formen. Erst ges, heißes Glas auf und dreht es zunächst hin in dem Beruf Glasbläserberuf. viel später wurde die Glasmacherpfeife erfunden. Mit ihr und her. Anschließend bläst er/sie in die Pfeife konnte man Glas auch in dünne Formen blasen. Vor rund und das Glas wird innen mit Luft gefüllt. Dann Ausbildungsweg drei Jahre; im dritten Ausbildungsjahr entschei- 1.700 Jahren konnten so die ersten Trinkgläser hergestellt wird das Glas am Brenner wieder heiß gemacht det man sich für eine werden. und weiter in Form geblasen – so lange, bis es von drei Fachrichtungen: die gewünschte Form hat. Glasgestaltung (Gläser, Die erste europäische Glasmetropole war Venedig, wo Vasen, Schalen, Figuren man vor rund 700 Jahren begann, Glas zu bearbeiten. aus Glas), Christbaum- Einige Jahrhunderte lang war die Stadt für besonders schmuck oder Kunstaugen reines Glas und eine besonders schöne Glaskunst bekannt. (Augen aus Glas) In Deutschland gibt es in Thüringen, im Schwarzwald und Wo arbeiten in kleinen Glasbläser- im Bayrischen Wald eine lange Tradition des Glashand- Glasbläser*innen werkstätten, in Betrieben werks. Heute stellen Glasbläser*innen vor allem kleine nach der der Glas verarbeitenden Glasprodukte her: Gläser, Schalen, Vasen oder dekorative Ausbildung? Industrie, in chemischen Gegenstände – also Dinge, die einfach nur schön ausse- Labors hen. Glasbläser*innen arbeiten an einem offenen Gasbren- Einige Orte, die Lauscha, Thüringen ner und sind dabei auch als Künstler*innen kreativ. für Glasarbeiten Neuhaus, Thüringen Denn viele entwickeln ihre Waren selbst: von der Idee bis bekannt sind: Neustadt a.d.Waldnaab, zum fertigen Produkt. Der Beruf ist mittlerweile selten Bayern geworden. Nur noch sehr wenige Jugendliche lassen sich Zwiesel, Bayern im Glasbläserhandwerk ausbilden. Wolfach, Baden- Württemberg Kalenderbild: © ZB-FUNKREGIO OST; Fotograf: Matthias Bein Rückseite: © picture alliance/ullstein bild; Fotograf: Rico Carisch • © picture alliance/Westend61; Fotograf: Bernd Friedel • © dpa-infografik Goethe_Kal_2020_Back.indd 3 16.08.19 11:11
MASSSCHUHMACHER*IN DAS MÄRCHEN ASCHENPUTTEL – EINE KURZFASSUNG Ein Mädchen lebt mit seinem Vater, der Stiefmutter und zwei Stiefschwestern in einem Haus. Ihre eigene Mutter ist ge- storben und der Vater hat wieder geheiratet. Doch die neue Mutter und deren Töchter behandeln das Mädchen schlecht. Es muss die dreckige Hausarbeit machen und in der Küche neben dem Herd und der Asche schlafen. Deshalb wurde es Aschenputtel genannt. Eines Tages veranstaltet der König ein Fest. Die Stiefmutter geht mit ihren zwei Töchtern hin, denn sie hofft, dass eine ihrer Töchter dort den Sohn des Königs, den Prinzen, kennenlernt. Bevor sie zum Fest gehen, geben sie Aschenputtel eine Aufgabe: Sie soll bis zum Abend eine große Schüssel voller Linsen sortieren und die guten von den schlechten trennen. Allein würde sie das nie schaffen. Da kommen zwei Tauben, um ihr zu helfen. Aschenputtel freut sich über die Hilfe und sagt zu den Tauben: „Die schlechten ins Kröpfchen, die guten ins Töpf- chen.“ So ist die Arbeit schnell getan und Aschenputtel hat Zeit, auch auf das Fest zu gehen. Durch ein Wunder bekommt sie ein wunderschönes Kleid, goldene Schuhe und eine große Kutsche, in der sie zum Schloss fährt. Sie muss aber vor Mitternacht wieder zu Hause sein. Sie sieht so schön aus, dass der Prinz denkt, sie sei eine fremde Prinzessin. Er tanzt mit ihr und verliebt sich in sie. Da Aschenputtel beim Tanzen die Zeit vergessen hat, muss sie das Fest kurz vor Mitternacht sehr schnell verlassen. Dabei verliert sie einen ihrer goldenen Schuhe. Der Prinz findet ihn. In den nächsten Tagen und Wochen sucht er in allen Familien nach dem Mädchen, dem dieser goldene Schuh passt. Dieses Mädchen möchte er heiraten. Er kommt auch zum Haus von Aschenputtel. Doch die böse Stiefmutter stellt dem Prinzen nur ihre zwei Töchter vor. Der Schuh ist ihnen zu klein. Also schneidet sie sich jede von ihnen einen Zeh ab, um in den Schuh zu passen. Doch die Tauben sehen den Betrug und rufen: „Ruckedigu, Blut ist im Schuh. Der Schuh ist zu klein, die Braut sitzt noch daheim.“ Da fragt der Prinz, ob es in dem Haus noch ein anderes Mädchen gibt. Aschenputtel wird geholt. Ihr passt der goldene Schuh und der Prinz heiratet sie. Nun ist sie kein Aschenputtel mehr, sondern eine Prinzessin. Anzahl der circa 4.500 BEQUEMES UND SCHÖNES „DIE NACHFRAGE NACH MASSSCHUHEN STEIGT.“ Personen FÜR DIE FÜSSE Anzahl der circa 2.160 Anna Rakemann hat lange gebraucht, den richtigen Beruf dem Handwerk bekommen und arbeite weiter daran, 2.400 Euro, teurere auch ab 3.400 Euro. Ja, das ist viel Schuhmacher- Ein Schuhmacher wird auf Deutsch auch Schuster ge- für sich zu finden: Maßschuhmacherin. In ihrer kleinen einmal den perfekten Schuh zu machen. Geld. Allerdings arbeite ich 80 bis 100 Stunden an einem betriebe nannt. Bis vor rund 200 Jahren wurden alle Schuhe noch Werkstatt in Berlin stellt die 41-Jährige Maßschuhe aus Paar und das Material kostet zusätzlich rund 300 Euro. Welche Betriebe Maßschuhmachereien, per Hand hergestellt. Als Maschinen diese Arbeit über- Leder her. Wer lässt sich denn Maßschuhe machen? Ich nähe fast alle Sohlen per Hand und klebe nur selten. bilden aus? Theater, Schuhreparatur- nahmen und schnell und billig große Mengen an Schuhen Es sind ganz normale Leute: Lehrer, Anwälte, Bäcker. Jedes Paar, das ich mache, ist anders – je nachdem, dienste produzierten, wurden die Schuhmacher immer weiter Frau Rakemann, wie sind Sie darauf gekommen, Maß- Meine Kund*innen sind in etwa gleich viel Frauen und was meine Kund*innen genau möchten. Sie können über Männer/Frauen immer noch überwiegend verdrängt. Lange Zeit haben sie ihr Geld vor allem damit schuhmacherin zu werden? Männer. Manche müssen für so ein Paar Schuhe länger viele Details selbst entscheiden, wenn sie wollen. in dem Beruf Männer, doch in den letz- verdient, Schuhe zu reparieren. Noch vor 30 oder 40 Das war ein langer Weg. Ich habe die Ausbildung erst mit sparen und verzichten dafür zum Beispiel auf den Urlaub. ten zehn Jahren vermehrt Jahren war eine der Haupttätigkeiten von Schuhmachern, 26 Jahren angefangen. Davor hatte ich studiert, einige Was war besonders schwierig dabei, sich selbstständig Frauen an Lederschuhen die Sohlen, also die unteren Flächen Praktika und eine Ausbildung in Public Relations gemacht, Wie viel kosten Ihre Schuhe? zu machen? Ausbildungsweg drei Jahre der Schuhe, zu erneuern. Da Schuhe aber ständig billiger in einer Eventagentur gearbeitet und dann gemerkt: Ich Das ist sehr unterschiedlich, je nach der Art der Schuhe. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Die wirtschaftliche Wo arbeiten Maßschuhmacherei, wurden, fiel auch diese Arbeit langsam weg. Denn: Es ist will mit den Händen arbeiten. Aber was? Als Kind hatte Die etwas günstigeren Maßschuhe kosten ungefähr ab Seite war wirklich schwierig. Viel Geld verdiene ich leider Schuhmacher Reparaturschuhmacherei, meist günstiger, neue Schuhe zu kaufen, als sie reparieren ich große Probleme mit den Füßen und brauchte spezielle immer noch nicht. Hinzu kommt, dass ich in meinem *innen nach der Theater zu lassen. Außerdem hat sich die Bedeutung von Schuhen Schuhe. Die waren immer schrecklich hässlich. Also hatte Betrieb alles mache: Ich bin Putzfrau, Buchhalterin, Ver- Ausbildung? geändert: von einem Gebrauchs- zu einem Modeprodukt. ich folgenden Gedanken: Man muss doch auch Schuhe käuferin und Handwerkerin. Schuhe müssen nicht mehr bequem und von hoher Quali- herstellen können, die gut für die Füße sind und gleich- tät sein, sondern vor allem gut aussehen. Außerdem sind zeitig gut aussehen. Das wollte ich gern probieren und so Sind Sie als Frau in der Maßschuhmacher-Branche eine die meisten Schuhe nicht mehr aus Leder, sondern aus wurde ich Maßschuhmacherin. Ausnahme? Kunststoff. Doch: Wenn ein teures Paar Schuhe abgelaufen Nicht mehr. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es mehr Frauen. ist, dann sind Maßschuhmacher*innen noch gefragt. Oder Haben Sie diese Entscheidung bereut? Ich glaube, das hängt mit dem Trend zu Maßschuhen zu- wenn eine Person Maßschuhe haben möchte, das heißt Nein, überhaupt nicht. Es ist ein toller Beruf. Nur die sammen. Die Nachfrage nach Maßschuhen steigt und viele Schuhe, die speziell für die Füße dieser Person hergestellt wenigsten Menschen wissen ja, was alles in so einem Maßschuhmacher*innen sind mittlerweile Frauen. und nach ihren individuellen Wünschen gestaltet werden. Schuh steckt. Ich wusste das auch nicht. Nach jedem Schuh, den ich mache, fallen mir Dinge auf, die ich hätte besser machen können – kleine Dinge nur, die wahr- scheinlich nur ich sehe. Ich habe großen Respekt vor Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Thomas Eisenhuth Rückseite: © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Reinhard Rohner • © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Reinhard Rohner • © dpa; Fotograf: Thomas Eisenhuth • © Ingmar Decker/toonpool.com Goethe_Kal_2020_Back.indd 4 16.08.19 11:11
KONDITOR*IN „PRALINEN MACHEN MIR AM MEISTEN SPASS.“ Schon als Kind hat Tamara Herrmann gern mit ihrer Oma torte. Im Winter produzieren wir mehr Pralinen und um Kuchen gebacken. Nach der Schule hat sie eine Ausbil- die Weihnachtszeit natürlich Weihnachtsgebäck und dung zur Konditorin gemacht. Jetzt ist sie 23 Jahre alt Lebkuchen. und arbeitet seit vier Jahren in einer Konditorei in der Nähe von Tübingen. Woran arbeiten Sie persönlich am liebsten? Pralinen machen mir am meisten Spaß, weil man da fein Was stellen Sie in der Konditorei am meisten her? und genau arbeiten muss. Als Konditorin ist es ja wichtig, Kuchen, Pralinen und verschiedene Schokoladentafeln. ein Auge dafür zu haben, wie man Dinge schön gestalten Aber wir machen noch vieles mehr. Es hängt auch sehr und anrichten kann. Diese Fähigkeit kann ich bei Pralinen von der Jahreszeit ab. Im Sommer machen wir viel gut einsetzen. Außerdem kann ich bei der Arbeit an Prali- Erdbeerschnitten oder Rhabarberkuchen. Solche Dinge nen sehr kreativ sein und auch mal neue Geschmacksrich- schmecken an warmen Tagen natürlich besser als Creme- tungen entwickeln. Sie haben jeden Tag mit süßen Dingen zu tun. Essen Sie SCHWARZWÄLDER KIRSCHTORTE – selbst überhaupt noch gern Süßes? DIE BELIEBTESTE TORTE DEUTSCHLANDS Ja, immer noch sehr gern. Am liebsten Schokolade und gebackene Kuchen wie Apfel- oder Johannisbeerkuchen. Für den Tortenboden: Zubereitung des Tortenbodens: Masse 6 Eier (Eiweiß und Eigelb Das Eigelb mit Wasser und Zucker so lange rühren, bis eine cremige Viele Kuchen und Schokoladen werden mittlerweile in- lver und Kakao mische n und mit trennen) entstanden ist. Mehl, Stärke, Backpu dustriell hergestellt. Was können Sie als Konditor*innen, n, 250 g Zucker einem Sieb auf die Eigelbcreme streuen. Das Eiweiß so lange schlage das die Industrie nicht kann? runde 6 Esslöffel heißes Wasser bis es steif ist, und vorsichtig unter die Eigelbcreme rühren. Eine Wir können spontan immer mal etwas anderes aus- eben. 200 g Mehl Backform mit Fett und Mehl bestreichen und die Masse dort hineing probieren: eine andere Sorte Obst oder einen anderen Bei 200 Grad im Backofen 30 bis 35 Minute n backen . Währen d des 75 g Speisestärke Geschmack. Wir können unserer Kreativität freien Lauf noch Anzahl 36.097 DER SÜSSE BÄCKER 50 g Kakaopulver Backens die Temperatur langsam senken, sodass sie am Ende nur lassen. Das wissen die Kund*innen sehr zu schätzen. Wir der Personen 2 Teelöffel Backpulver 150 Grad beträgt. Den Tortenboden dann auskühlen lassen. haben unser Standardsortiment, bieten aber auch immer Anzahl 2.088 Was ein Bäcker macht, weiß jeder. Doch etwas Neues an. In der industriellen Produktion ist man der Konditoreien was macht ein Konditor? Früher hat man Für die Füllung: Die Füllung: nicht so flexibel. Saft Konditor*innen auch Zuckerbäcker*innen 1 Glas Sauerkirschen Das Glas Sauerkirschen über einer Schüssel abgießen, sodass der Welche Betriebe Konditoreien, Bäckereien, ein- bilden aus? große Lebensmittelhändler, genannt. Sie kümmern sich also um das 25 g Speisestärke aufgefangen wird. Die Stärke in ein wenig vom kalten Kirschsaft Um wie viel Uhr beginnt Ihr Arbeitstag? en. Cafés, Restaurants Süße. Konditor*innen stellen Kuchen 800 g Sahne rühren. Den Rest des Kirschsaftes aufkochen und die Stärke einrühr Von Montag bis Freitag beginnen wir um 7 Uhr. Doch an Herd nehmen . 16 schöne Kirsche n und Torten her, aber auch Marmelade, 1 Packung Sahnesteif Kurz aufkochen lassen und sofort vom Samstagen fangen wir um 6 Uhr an, da wir an diesem Tag Männer/Frauen in ungefähr genauso viele aftmass e geben. dem Beruf Männer wie Frauen Eiscreme und Pralinen. Bekannt sind Konditor*innen 1 Esslöffel Zucker zur Seite legen, die restlichen Kirschen in die Kirschs sehr viel verkaufen. Da muss um 8 Uhr, wenn wir den Teile vor allem für Hochzeitstorten. Die Produkte von Kirschwasser zum Tränken Den Tortenboden zweimal durchschneiden, sodass man drei runde Laden öffnen, alles fertig sein. Und dann müssen wir auch Ausbildungsweg drei Jahre träufeln, Konditor*innen sehen meistens sehr schön aus. Das macht Schokoladenraspel zum des Tortenbodens hat. Auf den untersten Teil etwas Kirschwasser alles sauber machen. Viele Kund*innen kommen samstags Wo arbeiten Konditoreien, Bäckereien, Die Sahne mit Sahnes teif und Zucker sie auch ein wenig zu Künstlern. Verzieren dann die Kirschmasse draufgeben. gleich um 8 Uhr, weil sie in der Stadt einkaufen gehen. Konditor*innen Cafés, Restaurants, Back- nächs- Einige Konditor*innen sind auch Bäcker*innen und umge- steif schlagen, dünn auf die ausgekühlte Kirschmasse streichen und Manche kommen auch nur und holen Brötchen. Davon nach der und Süßwarenindustrie Teil Kirsch- kehrt. In jedem Fall war der Beruf des Bäckers/der ten Tortenboden auflegen. Leicht andrücken. Auch auf diesen bieten wir auch eine kleine Auswahl an. Ausbildung? und den Bäckerin zuerst da. Die ersten Bäcker*innen haben vor wasser träufeln. Den Boden mit der Hälfte der Sahne bestreichen restlich en Sahne etwa drei Esslöffe l rund 6.000 Jahren im alten Ägypten gelebt. Auf deut- nächsten Boden aufdrücken. Von der Wie bei vielen Konditoreien gehört zu Ihrer en Sahne rundhe rum schem Gebiet ist die Kunst des Brotbackens erst seit rund in einen Spritzbeutel füllen. Die Torte mit der restlich Konditorei ein Café. Haben Sie dort auch Kontakt zu den 16 600 Jahren bekannt. Einige Bäcker*innen verfeinerten bestreichen und mit dem Spritzbeutel entlang des Randes der Torte Kund*innen? äche ihr Brot bald mit Honig, Zucker, Früchten und Gewürzen. kleine Spritzer setzen und jeden mit einer Kirsche belegen. Oberfl Manchmal helfe ich im Verkauf. Doch und Rand mit Schokoraspeln bestreu en. meistens bin ich in der Backstube, die Aus diesen Broten haben sich die bekannten deutschen Lebkuchen entwickelt, die man vorwiegend zur Weih- aber gleich hinterm Café liegt. Und nachtszeit isst. Sie sind immer noch eine Spezialität da ich oft fertige Waren nach draußen deutscher Konditor*innen. bringe, sehe ich die Kund*innen auch. Ich Heutzutage sind in vielen Städten Läden in Mode, die freue mich immer, wenn ich sehe, dass es feine Schokolade und Pralinen verkaufen. Diese Produkte ihnen schmeckt. Manchmal bekomme ich auch sind oft handgemacht und kosten sehr viel mehr als ein direktes Lob. Das ist schön, dann macht die Schokolade aus dem Supermarkt. Arbeit noch mehr Spaß. Kalenderbild: © dpa-Zentralbild; Fotograf: Patrick Pleul Rückseite: © picture alliance; Fotograf: Winfried Rothermel • © picture alliance/Westend61; Fotograf: Westend61/ Dieter Heinemann • © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Creativ Studio Heinemann • © pixabay.com Goethe_Kal_2020_Back.indd 5 16.08.19 11:11
FRISEUR*IN Top 15 im Handwerk Ende 2016 gab es 999 268 Handwerksbetriebe in Deutschland, darunter in diesen Bereichen: Friseure 80 664 Fliesen-, Platten- und 69 729 Stil finden. Wir schauen uns immer die individuelle Per- Mosaikleger Kraftfahrzeugtechniker 62 402 son an und was zu ihr passt. Elektrotechniker 60 824 Was sind denn die Trends bei den Jugendlichen? Kosmetiker 53 591 Bei den Mädchen sind es Accessoires, zum Beispiel Installateure und 50 593 Kopftücher, Haarbänder, Haarreifen kombiniert mit Heizungsbauer Pferdeschwanz oder Dutt. Außerdem wird gerade viel Gebäudereiniger 47 262 schulterlang oder noch kürzer geschnitten. Das ist die Einbau von genormten 45 840 Baufertigteilen perfekte Länge. Damit kann man alles machen: einen Pfer- Maurer und Betonbauer 41 473 deschwanz, einen Dutt, man kann die Haare hochstecken, aber auch glatt oder wellig tragen und vor allem kann Maler und Lackierer 41 288 man Accessoires damit tragen. Bei den Jungs war der Tischler 39 039 Undercut lange sehr beliebt. Das bedeutet, dass die Haare Raumausstatter 28 480 an den Seiten sehr kurz und oben länger waren. Das ist Metallbauer 27 592 jetzt vorbei. Die Haare sind jetzt wieder länger, lässiger und natürlicher. Fotografen 23 918 „WIR MÖCHTEN JUGENDLICHEN Holz- und Bautenschutz- 18 324 VERMITTELN, IHRE HAARE GUT ZU Lassen sich viele Jugendliche auch die Haare färben? gewerbe BEHANDELN.“ Nein, zumindest nicht bei uns. Zuerst einmal ist es unter Quelle: Zentralverband des Deutschen Handwerks © Globus 11669 16 Jahren seit drei oder vier Jahren gar nicht mehr Ein Friseursalon nur für Kinder und Jugendliche? Das gibt erlaubt, zwischen 16 und 18 Jahren müssen die Eltern es nicht. Doch. Die passionierte Friseurin Ramona Daffner zustimmen. Ich habe aber keine Kund*innen, die sich die (30) hat ihn 2018 in München eröffnet. Haare färben lassen wollen. Wir würden es auch nicht ten gearbeitet und in Unternehmen Produkte für die machen. Denn wir arbeiten nur mit Naturprodukten und Haarpflege entwickelt. Warum ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche ihren möchten den Jugendlichen vermitteln, ihre Haare gut zu eigenen Friseurladen haben? behandeln. Und die Haare chemisch zu färben, ist defi- Gehen Sie selbst auch mit der neusten Frisurenmode? Ich führe auch ein Geschäft für Erwachsene und mir nitiv nicht gut. Unser Ziel sind schöne Haare und eine Grundsätzlich gibt es keine Frisurenmode mehr – also ist aufgefallen, dass Kinder und Jugendliche eher ein gesunde Kopfhaut. dass etwas als modisch gilt und alle es dann genauso Anzahl circa 236.300 Zusatzgeschäft sind. Man nimmt sich nicht wirklich Zeit, tragen. Das ist schon seit drei oder vier Jahren so. Man der Personen sie gut zu beraten. Dabei sind sie die neue Generation, die Was ist für Sie das Schöne am Friseurberuf? sagt nicht mehr: „Dieses Jahr sind rote Haare in Mode“ Anzahl circa 80.600 Zukunft. Ihnen müssen wir zeigen, was unser Handwerk Ich kann Menschen glücklich machen und ihnen helfen, und alle haben dann rote Haare. Wenn überhaupt, dann der Friseursalons alles beinhaltet. sich gut zu fühlen und ihre Persönlichkeit herauszustellen. ist momentan ein natürliches Aussehen populär. Man darf Welche Betriebe Friseursalons Außerdem sind die meisten von ihnen durch Instagram Das mag ich sehr. Außerdem ist der Beruf kreativ und sich die Haare färben, doch die große Kunst ist jetzt, dass bilden aus? und die sozialen Medien sehr unsicher. Wir wollen sie man kann viel damit machen: Ich gebe zum Beispiel auch man nicht sieht, dass sie gefärbt sind. Sie sollen natürlich Männer/Frauen in Das Friseurhandwerk ist unterstützen, sie beraten und gemeinsam mit ihnen ihren Workshops, habe schon im Beautybereich bei Zeitschrif- schön aussehen. dem Beruf eine Frauendomäne. Nur rund zehn Prozent sind Männer. Ausbildungsweg drei Jahre; im zweiten Jahr spezialisiert man DIE RÜCKKEHR DER BARBIERE sich, zum Beispiel auf Theater und Film oder auf BEI ZAHNSCHMERZEN ZUM FRISEUR Seit einigen Jahren liegen Bärte voll im Trend. Kosmetik und Haarersatz Und modische Bärte wollen gepflegt sein. Von Wo arbeiten Friseursalons, bei Film- Die ersten Friseur*innen gab es vor rund 5.000 Jahren im alten Ägypten. Dort galt das einem Fachmann. Immer mehr Herrenfriseure Friseur*innen und Theaterproduktionen, Haar als schönster Schmuck von Frauen und auch von Männern. Es gab viele modische bieten deshalb wieder Bartpflege sowie die nach der in Wellnessabteilungen Frisuren, von einfach bis kompliziert, mit eigenen und auch mit falschen Haaren. Auch das klassische Nassrasur mit Rasierseife und Rasier- Ausbildung? von Hotels Färben von Haaren und Perücken, also von falschen Haaren, war damals schon populär. messer an. Und immer mehr deutsche Männer Vor rund 800 Jahren entwickelte sich der Beruf des Friseurs auch auf deutschem Gebiet. verzichten regelmäßig auf den Rasierapparat, Damals war die Bezeichnung allerdings Bader oder Barbier. Er kümmerte sich nicht nur legen sich in die bequemen Stühle der Barbiere um Frisuren und Bärte, sondern auch um Zahnschmerzen, Verletzungen, Wunden, Kno- und lassen sich verwöhnen. Doch in den so- chenbrüche und andere gesundheitliche Probleme. Wer sich früher einen Zahn ziehen genannten Barber Shops geht es nicht nur um lassen musste, ging also zum Friseur – das war sogar vor rund 100 Jahren noch so. Erst Bartpflege. Sie sind gleichzeitig Wohlfühlorte danach verteilten sich die Aufgaben langsam auf verschiedene Berufe. Lange Zeit konn- für Männer, wo sie unter sich sind, sich entspan- ten Männer sich beim Friseur noch rasieren lassen. Mittlerweile sind die meisten Friseu- nen und verwöhnen lassen – ganz ohne Frauen. re/Friseurinnen nur noch für das Kopfhaar zuständig und außerdem das, was sie schon im alten Ägypten waren: modische Berater. Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Daniel Karmann Rückseite: © dpa-infografik • © picture alliance/dpa Themendienst; Fotografin: Ina Fassbender • © picture alliance/Mary Evans Picture Library • © picture alliance/ullstein bild; Fotograf: Archiv Gerstenberg • © pierre/toonpool.com Goethe_Kal_2020_Back.indd 6 16.08.19 11:11
BOOTSBAUER*IN „ALS BOOTSBAUER KANN MAN SICH HANDWERKLICH VERWIRKLICHEN“ Finian ist 19 Jahre alt und macht seit einem Jahr eine Mochtest du Boote schon immer? Wo möchtest du später arbeiten? Ausbildung zum Bootsbauer bei Tamsen Maritim in Ros- Ein bisschen. Mein Vater hatte ein Segelboot. Damit haben Das weiß ich noch nicht. Ich schaue in den nächsten drei tock. Die Werft baut vor allem schnelle, luxuriöse Segel- wir oft Urlaub gemacht, sind auf Seen gesegelt, auf der Jahren mal. Es hängt natürlich auch davon ab, ob ich boote. Ostsee oder bis nach Dänemark. Durch die Ausbildung bin übernommen werde. Als Bootsbauer*in findet man ziem- ich jetzt aber richtig begeistert von Booten. lich leicht Arbeit. Leider ist der Verdienst nicht so gut. Warum hast du dich für eine Ausbildung zum Bootsbauer entschieden? Wie oft bist du an der Berufsschule und wann im Ich wollte nach Rostock, weil meine Schwester hier Betrieb? wohnt. Außerdem wollte ich eine Ausbildung im Hand- Ich bin dreimal im Jahr je einen Monat lang an der werk machen. Und als Bootsbauer kann man sich hand- Berufsschule in Travemünde. Da die Schule 130 Kilome- werklich so richtig verwirklichen, weil man mit vielen ter von Rostock entfernt ist, wohne ich in dieser Zeit im unterschiedlichen Werkstoffen arbeitet. Internat. Den Rest des Jahres bin ich im Betrieb. Im ersten Ausbildungsjahr sind wir Auszubildenden in der Werk- statt und lernen die Grundlagen. Im zweiten und dritten Lehrjahr sind wir in der Produktion und arbeiten an den Booten mit. Was magst du besonders an der Ausbildung zum Bootsbauer? Dass wir verschiedene Werkstoffe kennenlernen und so die Möglichkeit haben, nach der Ausbildung in vielen Berufen zu arbeiten. Ich könnte später zum Beispiel auch eine Stelle im Flugzeugbau finden. Außerdem arbeite ich auch sehr gern mit Holz. Ich finde Holzboote sehr schön. Personen circa 3.100 DAS HANDWERKLICHE in dem Beruf MULTITALENT Anzahl der circa 370 Boots- und Schiff- Er ist vielleicht einer der vielseitigsten Handwerksberufe überhaupt. Denn: NATUR IM BOOT bauunternehmen Bootsbauer*innen machen alles selbst. Sie arbeiten nicht nur mit unterschiedlichen Welche Betriebe Bootsbauunternehmen Materialien wie Holz, Metall oder Kunststoffen, um den Bootskörper zu fertigen, sondern Gegen den Trend, Boote immer öfter aus Kunststoffen zu bauen, geht ein Bootsbauer bilden aus? oder kleine Werften, kümmern sich auch um den Innenausbau der Boote. Das bedeutet: Sie bauen auch die in Bremen an. Dort bringt Friedrich Deimann in seiner Firma Green Boats edles Design nicht nur in Meeresnähe, Maschinen und Antriebsanlagen ein, verlegen Rohre und Leitungen und installieren die und natürliche Rohstoffe in Einklang. Er baut hochwertige Segelboote, Kajaks und leichte sondern auch an Binnen- hochmoderne Technik für Radar und elektronische Karten. Motorboote, die zu 80 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Statt Glasfaser gewässern verwendet er als Grundlage seiner Boote die nachwachsende Flachsfaser und dazu fast Männer/Frauen eine deutliche Männerdo- Bootsbauer*in ist einer der ältesten Hand- immer Kork, der aus der europäischen Korkeiche gewonnen und zu stabilen Platten ge- in dem Beruf mäne, zum Beispiel wa- werksberufe überhaupt. Noch bevor der presst wird. Anstelle von Harzen, die auf Erdöl basieren, kommen bei Green Boats Harze ren in Ostmecklenburg- Mensch das Rad erfand, fuhr er bereits zum auf Basis von Pflanzenöl zum Einsatz. Die leichten, nachhaltigen Boote weisen letzten Vorpommern unter 40 Jagen und Fischen aufs Meer. Die ersten Endes sogar eine bessere Ökobilanz auf als Boote aus zertifiziertem Holz. Bootsbauer- Auszubildenden im Jahr Bootsbauer*innen lebten vermutlich vor meister Deimann findet Holz ohnehin nicht mehr zeitgemäß, da es viel schwerer als Kork 2019 nur vier Mädchen mehr als 12.000 Jahren. Sie höhlten große und sehr pflegeintensiv ist. Ausbildungsweg 3,5 Jahre Baumstämme aus und hatten so ein Trans- Wo arbeiten Unternehmen, die Boote, portfahrzeug auf dem Wasser. Diese ältesten Bootsbauer*innen Yachten und kleine Boote nennt man „Einbaum-Boote“. Aus nach der Schiffe bauen, reparieren, ihnen entwickelten sich alle anderen Boots- Ausbildung? warten oder umbauen; typen bis hin zu riesigen Schiffen. Lange Bootsverkauf oder Boots- haben Bootsbauer*innen vor allem mit Holz verleih; Windgenerato- gearbeitet. Mittlerweile verwenden sie meis- ren- oder Flugzeugbau tens Kunststoffe, da diese viel leichter sind. Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Ingo Wagner Rückseite: © Peer Wedderwille/toonpool.com • © pixabay.com • © picture alliance/PhotoResourceHawaii; Fotograf: Tor Johnson • © picture alliance; Fotograf: Hauke-Christian Dittrich Goethe_Kal_2020_Back.indd 7 16.08.19 11:11
ZIMMERER/ZIMMERIN ARBEITEN MIT HAMMER UND COMPUTER Auf einer Baustelle ist der Zimmerer oder auch die te Häuser. Holz beim Bau von Gebäuden zu verwenden, Zimmerin eine Fachkraft für Holz. Dächer, Decken, Böden, hat eine sehr lange Tradition. Und dies gilt auch für das WANDERJAHRE Treppen, Fußböden: Was immer in einem Haus aus Holz Handwerk der Zimmerer/Zimmerinnen. Auf deutschem In vielen Handwerksberufen, besonders in ist, wird von Zimmerleuten (so die Mehrzahl von Zimme- Gebiet wurde der Beruf bedeutend, als im Mittelalter denen des Bauhandwerks, war es Jahrhunder- rern/Zimmerinnen) gebaut. Und manchmal sogar komplet- die Städte gebaut wurden. Aus dieser großen Zeit des te lang üblich, dass junge Handwerker nach Zimmererhandwerks stammen beeindruckende Fachwerk- dem Ende ihrer Ausbildung als Gesellen auf bauten in vielen deutschen Städten, wie zum Beispiel Wanderschaft gingen. Das bedeutet: Die jungen das Rathaus in Wernigerode, das ungefähr im Jahr 1200 Handwerker zogen zwei oder drei Jahre lang erbaut wurde. von Stadt zu Stadt und arbeiteten in verschie- denen Betrieben. Diese Wanderjahre waren Heutzutage arbeiten Zimmerleute viel an Maschinen, da lange Zeit Pflicht, um später die Meisterprü- sie oft große Holzteile zuschneiden müssen. Aber auch fung abzulegen. Einen Meistertitel brauchen Computer sind bei der Arbeit wichtig, um technische Handwerker bis heute, wenn sie einen eige- Zeichnungen herzustellen und sehr genau zuschneiden nen Betrieb gründen und Lehrlinge ausbil- zu können. Zimmerer/Zimmerin ist einer der wenigen den möchten. Die Gesellen sollten durch die Handwerksberufe, in dem heute noch sehr viel Wert auf Wanderschaft neue Arbeitsmethoden, fremde Tradition gelegt wird, insbesondere auf die Wanderjah- Orte, Regionen und Länder kennenlernen und re, die sogenannte Walz. Die Wörter „Zimmerer“ oder anderenorts Erfahrungen sammeln. Seit jeher „Zimmerleute“ haben übrigens nichts mit dem Zimmer in waren sie an ihrer einheitlichen Wanderklei- der Bedeutung von Raum zu tun. Der Name stammt aus dung zu erkennen, die für jede Berufsgruppe dem mittelhochdeutschen Wort „zimber“, das Bauholz anders war. Zimmerleute tragen auf Wander- bedeutete. schaft eine schwarze Hose, eine schwarze Weste, darunter ein weißes Hemd und auf dem Kopf einen schwarzen Hut. Auch heute sieht man sie manchmal in deutschen Städten, Zimmerleute gehen immer noch auf Wander- Personen ca. 88.000 „ICH BIN DIE EINZIGE, DIE EIN HANDWERK LERNEN WOLLTE.“ ich auf der Baustelle am Ende des Tages sehen kann, was schaft und sind an ihrer traditionellen Kleidung in dem Beruf ich geschafft habe. In meiner Firma machen wir Dächer leicht zu erkennen. Anzahl der ca. 13.900 Frauen im Zimmerhandwerk sind eher selten. Die 18-jäh- neu oder bauen Dachstühle, also die Konstruktionen aus Zimmererbetriebe rige Lea Hollstein hat sich trotzdem dafür entschieden. Holz, die die Dächer tragen. Welche Betriebe Zimmereibetriebe, Sie macht in Kassel eine Ausbildung als Zimmerin und ist bilden aus? Bauunternehmen jetzt im zweiten Lehrjahr. Was muss man in dem Beruf gut können? Männer/Frauen in vor allem Männer, Man muss räumlich denken können und darf nicht dem Beruf nur sehr wenige Frauen Warum wollten Sie Zimmerin werden? schnell aufgeben. Außerdem braucht man ein Interesse Mein Vater hat eine Zimmerei und ich war schon als für Mathematik und für das Zeichnen von Plänen. Ausbildungsweg drei Jahre Kind oft in seiner Werkstatt. Ich bin sozusagen damit Wo arbeiten Zimmereibetriebe, aufgewachsen. In der neunten Klasse habe ich dann mein Was möchten Sie nach der Ausbildung machen? Zimmerer/Zimme- Bauunternehmen Schulpraktikum in einer Zimmerei gemacht. Ich wollte Ich möchte bei meinem Vater in der Firma arbeiten oder rinnen nach der Ausbildung? wissen, ob der Beruf etwas für mich ist. Danach wusste noch ein Jahr ins Ausland gehen, nach Kanada, Schweden ich: Ja, das möchte ich lernen. Jetzt mache ich meine oder Norwegen. Wir waren im letzten Jahr mit der Schule Ausbildung in dieser Firma. auf einem Austausch in Schweden. Dort arbeiten sie ganz anders. Das war sehr interessant. Ich möchte gern neue Ist es immer noch ungewöhnlich, dass ein Mädchen eine Arbeitstechniken lernen. Der Holzbau ist in den verschie- Ausbildung zur Zimmerin macht? denen Ländern ja ganz unterschiedlich. Ja. In meiner Klasse an der Berufsschule sind drei Frauen und 40 Männer. Von meinen Freundinnen bin ich die ein- Würden Sie gern heute noch auf die „Walz“, also auf zige, die ein Handwerk lernen wollte. Die meisten machen Wanderschaft gehen? Abitur. Aber ich wollte nicht noch mal zwei oder drei Jah- Nein, das ist nichts für mich. Ich gehe lieber mit einer re zur Schule gehen. Zwar muss ich auch zur Berufsschule, Organisation ins Ausland. Für die Walz gibt es zu viele aber die ist einfacher und man hat weniger Unterricht als Vorschriften: Man muss sich die Arbeit selbst suchen, darf auf dem Gymnasium. Die meiste Zeit bin ich im Betrieb. zwischendurch nicht nach Hause fahren und nur bestimmte Verkehrsmittel benutzen. Ich kenne nicht viele Leute, die das Was mögen Sie an Ihrem Beruf? machen möchten. Aus meiner Klasse will das zum Beispiel Ich arbeite sehr gern mit Holz. Und ich finde es toll, dass niemand. Ich glaube, es ist einfach nicht mehr so verbreitet. Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Armin Weigel Rückseite: © picture alliance/Matthias Balk/dpa • © pixabay.com Goethe_Kal_2020_Back.indd 8 16.08.19 11:11
MODIST*IN SCHÖNES FÜR DEN KOPF Ein Modist/eine Modistin ist ein Hutmacher/eine Hut- macherin. Doch seit 2004 gibt es die Berufsbezeichnung Hutmacher*in offiziell in Deutschland nicht mehr. Seit- dem werden sie Modist*innen genannt. Früher stellten Hutmacher*innen vor allem Hüte für Männer her und Modist*innen Hüte und Kopfschmuck für Frauen. Kopfschmuck trugen die Menschen schon lange bevor es Hüte gab. Die ersten Hüte schützten die Menschen vor Sonne und Regen. Sie wurden vor rund 2.500 Jahren von Handwerkern im alten Griechenland getragen. Auf deutschem Gebiet trugen die Menschen zum ersten Herrenhüte galten als langweilig und altmodisch. Sie Mal vor rund 1.000 Jahren Hüte, die sie aus Stroh her- waren ein Symbol für alte Traditionen. stellten. Rund 200 Jahre später gab es bereits verschiede- Heute tragen die meisten Deutschen nur noch etwas auf ne Hutformen und der Beruf des Hutmachers/der Hut- dem Kopf, um sich gegen Kälte, Regen oder vor der Sonne macherin entwickelte sich. Lange war er sehr bedeutend, zu schützen. Allerdings: Zu besonderen Gelegenheiten, denn jede Zeit hatte ihre eigene Hutmode, die sich immer wie zum Beispiel Hochzeiten, werden wieder vermehrt wieder änderte – für Männer und auch für Frauen. Ein Hut Hüte getragen. Das Handwerk der Modist*innen ist eng gehörte zu einer gut angezogenen Person. Erst mit der mit Mode verbunden. Modist*innen arbeiten mit vielen Jugendbewegung Ende der 1960er Jahre, den sogenannten unterschiedlichen Materialien. Sie nähen und gestalten 68ern, ging in Europa der Trend weg von Hüten und hin Hüte mit viel Fantasie. Momentan machen nur rund zu modischen Frisuren. Jetzt war es die Haarmode, über 40 Jugendliche in ganz Deutschland eine Ausbildung in die man seinen persönlichen Stil zeigte. Damen- und diesem Beruf. Personen in dem circa 300 „SCHÖNER HUT. WOHER HABEN SIE DENN DEN?“ Beruf Anzahl der Hut- circa 225 Katrin Eisenblätter ist seit ihrem 18. Lebensjahr Modistin. Wie viel kostet ein Hut letzten Endes? auch oft eine Kappe. Es gibt ja mittlerweile werkstätten Seit 20 Jahren führt sie mit einer Partnerin ein Hutge- Ein Sonnenhut kostet ungefähr 250 Euro. Die auffälligen schöne Kappen für Frauen. Manchmal wer- Welche Betriebe Hutwerkstätten, Theater, schäft in München. Dort stellt sie alle Hüte in Handarbeit Hüte für Pferderennen können dagegen ungefähr 1.500 de ich auf der Straße auf meinen Hut angespro- bilden aus? Opernhäuser und Unter- selbst her. Euro kosten. Diese Hüte sind etwas ganz Besonderes: chen. „Schöner Hut. Woher haben Sie denn den?“ Dann sage nehmen, die industriell Sie sind oft sehr groß, bestehen aus ungewöhnlichen Ma- ich: „Ich bin Hutmacherin, kommen Sie doch mal vorbei.“ Hüte herstellen Frau Eisenblätter, für welche Gelegenheiten kaufen die terialien, wie zum Beispiel Federn, oder haben verrückte So habe ich schon einige neue Kundinnen gewonnen. Männer/Frauen in vor allem Frauen, nur Leute in Ihrem Geschäft Hüte? Formen. Im Sommer, wenn die Pferderennsaison ist, sind dem Beruf sehr wenige Männer Eigentlich für alle: für den Sommer, für den Winter, für solche Hüte bei uns sehr gefragt. Ausbildungsweg drei Jahre Regen und Schnee. Besonders viele Hüte verkaufen wir aber für Hochzeiten und Pferderennen. Und auch Sonnen- Gab es in den letzten Jahren bestimmte Entwicklungen? Wo arbeiten Hutwerkstätten, Theater, Modist*innen Opernhäuser und Unter- hüte sind sehr populär: für den Urlaub, aber auch für die Ja, es gab einige. Zuerst einmal sind Hüte wieder belieb- nach der Ausbil- nehmen, die industriell Stadt. Sonnenhüte sind in den letzten Jahren ein sehr gro- ter geworden, vor allem Sommerhüte. Seit einigen Jahren dung? Hüte herstellen ßes Thema geworden. Wir haben übrigens nicht nur Hüte legen die Leute Wert auf das Thema Sonnenschutz. Ein für Frauen, sondern auch für Männer. Ungefähr ein Drittel anderer Trend sind sportliche Hüte sowie Kappen und unserer Kunden sind Männer. Und es werden immer mehr. Mützen, die wir auch machen. Außerdem sind Herrenhüte wieder mehr gefragt, vor allem coole und trendige Hüte Wie lange arbeiten Sie an einem Hut? für die Freizeit, aber auch Sonnenhüte. Unsere Kunden Das ist sehr unterschiedlich. Je nach Material und Ar- sind meist junge Männer. beitsaufwand sind es zwei bis zehn Stunden. Wir fertigen die Hüte ja auf Maß. Das heißt, wir messen den Kopf und Tragen Sie selbst im Alltag auch Hüte? achten auch auf die spezielle Kopfform der Kundin oder Natürlich. Je nach Anlass habe ich den passenden Hut auf. des Kunden, sodass der Hut perfekt passt. Wir machen Heute ist es warm und die Sonne scheint, also bin ich mit alles selbst und gehen sehr viel auf Kundenwünsche ein. einem Strohhut aus dem Haus gegangen. Ich trage aber Kalenderbild: © Bastian Beuttel Rückseite: © picture-alliance/dpa-infografik • © picture alliance/dpa Themendienst; Fotografin: Ina Fassbender • © pixabay.com • © (c) dpa – Bildarchiv; Fotograf: Uli Deck Goethe_Kal_2020_Back.indd 9 16.08.19 11:11
KERAMIKER*IN „DAS TOLLE AM TÖPFERN IST, DASS ICH SCHNELL DEN ERFOLG SEHE.“ kann immer besser werden. Ich kann mein Auge üben und eine immer bessere Wahrnehmung für den Ton und für die Drehgeschwindigkeit der Töpferscheibe entwickeln. Wenn ich eine ganze Serie von einem Gegenstand drehe, dann merke ich, wie mein Werk von Mal zu Mal besser wird. Sie stellen keine Einzelstücke her, sondern produzieren in Masse? Genau. Ich bin Handwerkerin, keine Künstlerin. Ich muss Krüge, die nur ich genau so mache. Denn in jeden Topf eine große Menge herstellen, um genug zu verkaufen. gibt man als Keramikerin ein Stück Seele hinein, das Denn davon muss ich leben können. Pro Jahr verbrauche erkennt man dann auch. Ich bin zum Beispiel ein eher ich ungefähr 6.000 Kilogramm Ton. strukturierter Typ und das sieht man auch an meinem Ton. Ich mag da vor allem die klaren Linien. Was drehen Sie am liebsten? Ich mag die schwierigen Sachen, wie zum Beispiel eine Was ist für Sie eine Herausforderung an Ihrem Beruf? Ölflasche oder eine Vogeltränke, wo ich den Anspruch Es ist manchmal schwer, die Vermarktung und die Pro- habe, es wirklich gut zu machen. Ich drehe auch gerne duktion gleichzeitig hinzubekommen. Ich muss immer neue Verkaufswege und neue Märkte finden, auf denen ich meine Tonwaren verkaufen kann. Und ich muss da- mit leben können, dass jedes Jahr anders verläuft, dass ich also schlecht planen kann. Und Chefin bin ich auch Anne Schattka-Steinbruch töpfert schon ihr halbes Leben noch. Es ist nicht immer leicht, alles unter einen Hut zu lang. Sie war 17 Jahre alt, als sie die Schule verließ, um bringen. Aber man muss es schaffen. Personen rund 1.400 SCHÜSSELN ODER FIGUREN eine Ausbildung zur Keramikerin zu beginnen. Nun ist in dem Beruf FORMEN sie 39 und betreibt auf einem Dorf in Brandenburg ihre Anzahl der ungefähr 400 (mit eigene Keramikwerkstatt. Keramik- fest angestellten Das Keramikhandwerk gilt als eines der ältesten der Welt. unternehmen Mitarbeiter*innen) Fast 30.000 Jahre alt sind einige Keramikfiguren, die Wann haben Sie das erste Mal getöpfert? Welche Betriebe Keramikmanufakturen Wissenschaftler bisher entdeckt haben. Keramiker*innen Daran kann ich mich gut erinnern. Ich war 13 Jahre alt bilden aus? arbeiten mit Ton, einem natürlichen Material aus der und habe ein Praktikum in einer Werkstatt gemacht, in Männer/Frauen in ungefähr zwei Drittel Erde. Früher, als die Keramiker*innen die ersten Figuren der Menschen mit Behinderung arbeiteten. Damals habe dem Beruf Frauen und ein Drittel und Töpfe herstellten, benutzten sie nur ihre Hände, um ich kleine Fische aus Ton hergestellt. Später, als ich meine Männer den Ton in eine bestimmte Form zu bringen. Sie formten Ausbildung anfing, war mein erstes Werk eine Schüssel, Ausbildungsweg drei Jahre; es gibt drei das Material und brannten es anschließend in einem Ofen, aus der ich noch jahrelang mein Müsli gegessen habe. Fachrichtungen, auf damit der Ton fest wurde. Eines Tages ist sie leider heruntergefallen. die man sich im dritten Lehrjahr spezialisiert: Vor gut 5.000 Jahren kam eine wichtige Erfindung hinzu: Wann war Ihnen klar, dass Sie Keramikerin werden Scheibentöpfern, Bau- die Töpferscheibe. Diese Scheibe dreht sich, während auf wollten? keramik, Keramikmalen ihr der nasse Ton bearbeitet wird. Keramiker*innen arbei- Ich wusste das schon sehr früh. Seit ich mein erstes Wo arbeiten Keramikmanufakturen, ten heute noch genauso wie damals: Entweder formen Werk getöpfert hatte, war mir klar: Davon komme ich Keramiker*innen Keramikindustrie, sie den Ton nur mit den Händen oder mithilfe einer Dreh- nicht mehr weg. In der elften Klasse habe ich die Schule nach der Fliesenindustrie, scheibe. Keramiker*innen formen zum Beispiel Schüsseln, verlassen. Ich wollte kein Abitur machen, sondern eine Ausbildung? Restaurierung, Dachzie- Teller, Tassen oder kleine Figuren. Nur wenn Keramik in Ausbildung zur Keramikerin. Wenige Jahre nach meiner gelindustrie. Möglich ist großen Industriebetrieben hergestellt wird, werden wei- Ausbildung habe ich mich dann selbstständig gemacht. auch ein anschließendes tere Maschinen eingesetzt. Ton wird sehr hart und geht Das ist jetzt knapp 15 Jahre her. Zu meinem Betrieb gehö- künstlerisches Studium. auch bei großer Hitze nicht kaputt. Das ist sein Erfolgs- ren mittlerweile eine Angestellte und ein Lehrling. rezept. Dadurch kann er für die unterschiedlichsten Zwecke benutzt werden – zum Beispiel für Fliesen im Was mögen Sie an Ihrer Arbeit? Bad oder als Kacheln an Öfen und für die Herstellung Das Tolle am Töpfern ist, dass ich schnell den Erfolg sehe. von Geschirr. Ich mache etwas und sehe es dann sofort vor mir. Und ich Kalenderbild: © picture alliance/Westend61; Konstantin Trubavin Rückseite: © Schattka-Steinbruch Goethe_Kal_2020_Back.indd 10 16.08.19 11:11
GEIGENBAUER*IN „ICH HABE KUNDEN AUF DER GANZEN WELT.“ Als Kind kam Christopher Ebersberger oft in die Geigenbau- konnten. Mein Großvater war gelernter Schreiner und Werkstatt seines Großvaters und schaute ihm bei der hatte irgendwann begonnen, sich für den Geigenbau zu Arbeit zu. Mit 16 Jahren wusste er, dass auch er diesen interessieren. Ich mache heute alles selbst. Dadurch kann Beruf lernen möchte. Mittlerweile ist er 32 Jahre alt, hat ich eine höhere Qualität erreichen und den ganzen Bau einen Meister im Geigenbau gemacht und eine eigene der Geige kontrollieren. Werkstatt im bayrischen Möhrendorf eröffnet. Seine Kun- den kommen aus der ganzen Welt zu ihm. Wie schaffen Sie es, eine Geige mit dem perfekten Ton zu bauen? Herr Ebersberger, schon Ihr Großvater und Ihr Vater wa- Den einen perfekten Ton gibt es nicht, denn die Geschmä- ren Geigenbauer. Wieso haben Sie sich dafür entschie- cker sind ja verschieden. Der eine will zum Beispiel einen den, die Familientradition fortzusetzen? hellen Ton, der andere einen dunklen. Ich achte bei mei- Ich wollte auch etwas mit meinen eigenen Händen ma- nen Geigen immer darauf, dass sie eine leichte Ansprache chen, weil ich damit viel individueller arbeiten kann, als haben. Das bedeutet, dass das Instrument schnell reagiert ich einen Geigenlehrer, der für seine Schüler bei mir wenn ich mit Maschinen arbeiten müsste. Und ich mag und der Geiger den Bogen nicht zu sehr auf die Saiten Instrumente bestellt. Er kommt dann persönlich in meine es, dass am Ende etwas entsteht, das gut klingt und die drücken muss. So etwas kann ich beim Bauen beeinflussen. Werkstatt, um mit mir über die neuen Geigen zu sprechen, Menschen verzaubert. die er haben möchte. Viele Geigenbauer*innen verdienen ihr Geld mit Geigen- Arbeiten Sie heute genauso wie Ihr Großvater? reparatur und -verleih. Sie bauen aber fast ausschließ- Sie haben Ihre Werkstatt vor gut zehn Jahren eröffnet. Bei meinem Opa und meinem Vater war die Arbeit anders. lich neue Instrumente. Wer sind Ihre Kunden? Hat es Ihnen geholfen, dass Ihre Familie schon im Sie haben beide nur Teilschritte erledigt, also bestimmte Ich habe Kunden auf der ganzen Welt: in Japan, China, Geigenbau gearbeitet hat? Teile vom Holz bearbeitet. Damals machte man es so, weil Österreich, Holland und Deutschland. Es sind Händler Ich habe damals praktisch bei null angefangen. Alle Kun- auf diese Weise schneller viele Geigen hergestellt werden dabei, Berufsmusiker und Musikstudenten. In China habe den, die ich jetzt habe, habe ich selbst gefunden. Ich bin auf Messen gegangen und habe ausgestellt, das gehört für mich zu meiner Arbeit als Geigenbauer dazu. Ich kümmere mich auch um den Einkauf, führe Gespräche mit den Kunden und Händlern und mache den Verkauf. Anzahl der 630 (Schätzwert) DAS HOLZ ZUM KLINGEN BRINGEN Der Himmel hängt voller Geigen. Personen Spielen Sie eigentlich selbst auch Geige? Anzahl der 623 Geigenbauer*innen sind immer auf der Suche nach dem Die erste Geige spielen. Ich kann ein paar Töne spielen, aber leider bin ich nicht damit aufgewachsen, ein Instrument zu spielen. Es hilft Geigenbauwerk- perfekten Ton. Dafür müssen sie das Holz ihres Instru- stätten ments zum Schwingen bringen. Viele Tage und Wochen brauchten sie, um ein Instrument herzustellen. Alles Jemandem die Meinung geigen. sicher bei der Arbeit, wenn man das kann, aber es muss nicht sein. Welche Betriebe Geigenbauwerkstätten, bilden aus? Musikinstrumenten- bauschule Mittenwald, in Handarbeit und mit viel Geduld. Geigenbauer*innen benutzen Holz aus Ländern südlich der Alpen, etwa aus Zart besaitet sein. Berufsfachschule Instru- Serbien, Kroatien, Bosnien oder Rumänien. Das Holz dort mentenbau Klingenthal gilt als das beste. Männer/Frauen nur wenige Frauen, Geigenbauer*innen arbeiten heute noch fast genauso wie in dem Beruf ungefähr 20 Prozent früher. Denn der Geigenbau ist ein traditionelles Hand- BERÜHMTE GEIGEN Ausbildungsweg 3 bis 3,5 Jahre werk. Seit die Geige vor rund 500 Jahren erfunden wurde, Manche Geigen sind nicht nur sehr wertvoll, Wo arbeiten Geigenbauwerkstätten, hat sich ihre Gestalt fast nicht mehr verändert. Die Geigen sie haben sogar einen eigenen Namen. Geigenbauer* Musikinstrumenten- von damals gelten als klanglich ausgezeichnet. Die Stars innen nach der baufirmen, Musikalien- unter den Geigen wurden im 17. Jahrhundert im italieni- Die „Lady Blunt“-Stradivari: Rund 11 Millionen Ausbildung? handel schen Cremona hergestellt, wo die berühmten Geigen- Euro bezahlte jemand im Jahr 2011 für die bauer Stradivari, Guarneri und Amati ihre Werkstätten Stradivari-Geige „Lady Blunt“. Dieses Instru- hatten. Viele Musikerinnen und Musiker träumen auch ment wurde 1721 von dem italienischen Gei- heute noch davon, einmal auf einem dieser alten Instru- genbauer Stradivari gebaut. Die Geige bekam mente zu spielen. Doch: Diese Geigen können sich nur Trotz der Liebe zur Tradition probieren auch Geigen- ihren Namen von Anne Blunt. Sie war die Erste, wenige leisten. Deshalb spielen Musiker*innen oft auf bauer*innen Neues: Seit einigen Jahren werden industriell die auf dieser Geige spielte. Das Besondere an neuen Instrumenten. In Deutschland haben Geigenbauer*innen auch Geigen aus Kunststoff hergestellt und elektrische dieser Geige: Trotz ihres Alters ist sie in einem eine besonders große Kundschaft, weil es sehr viele Geigen, mit denen beispielsweise der weltberühmte ausgezeichneten Zustand. klassische Orchester gibt. Geiger David Garrett Konzerte spielt. Solche Auftritte sind Die „ex-Carrodus“ von Giuseppe Guarneri del aber eine Ausnahme, denn nach wie vor ist die klassische Gesù: Für gut 5 Millionen Euro wechselte sie Geige im Konzertbetrieb am wichtigsten. zuletzt ihren Besitzer. Es wird vermutet, dass früher der berühmte Geiger Niccolò Paganini auf ihr spielte. Sie wurde 1741 gebaut und nach dem englischen Violinisten John Carrodus Kalenderbild: picture alliance/Westend61; Fotograf: Andrés Benitez benannt, dem sie viele Jahre gehörte. Rückseite: © Winfried Besslich/toonpool.com • © (c) dpa-infografik • © picture alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo; Fotograf: Florian Peljak • © picture-alliance/dpa-infografik • © Christopher Ebersberger Goethe_Kal_2020_Back.indd 11 16.08.19 11:11
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