2020 HANDWERKSBERUFE IN DEUTSCHLAND ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION

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2020

            HANDWERKSBERUFE
            IN DEUTSCHLAND
            ZWISCHEN TRADITION
            UND INNOVATION

            Impressum:
            © 2019
            Goethe-Institut e. V.                 Konzeption und Redaktion: Sabine Erlenwein und Petra Thurnhofer, Goethe-Institut
            Bereich Sprache und Bildungspolitik   Textredaktion: Katja Hanke, Berlin
            Oskar-von-Miller-Ring 18              Bildredaktion: Petra Thurnhofer, Goethe-Institut
            80333 München                         Gestaltung und Satz: h3a Andreas Hubert Mediendesign                               Unterrichtsmaterial:
            www.goethe.de                         Druck: WALTER Medien GmbH, Brackenheim                                             www.goethe.de/kalender-didaktisierungen

            Kalenderbild: © Adobe Stock, Yevhen

Goethe_Kal_2020_Back.indd 1                                                                                                                                                    16.08.19 11:11
UHRMACHER*IN
                                                                                                                                                                                                                              wird leider fast gar nicht beworben. Welcher Jugendliche
                                                                                                                                                                                                                              kommt von allein auf die Idee, Uhrmacher*in zu wer-
                                                                                                                                                                                                                              den? Fast keiner. In den Städten gibt es auch kaum noch
                                                                                                                                                                                                                              Uhrmacher*innen, in Köln sind es zum Beispiel nur noch
                                                                                                                                                                                                                              drei oder vier.

                                                                                                                                                                                                                              Worauf ist Ihr Familienunternehmen spezialisiert?             Weltbekannt und bei
                                                                                                                                                                                                                              Wir reparieren vor allem Kleinuhren, aber auch antike         ausländischen Touristen
                                                                                                                                                                                                                              Großuhren. Ich arbeite mit alten Taschenuhren und hoch-       sehr beliebt ist die typisch
                                                                                                                                                                                                                              wertigen Armbanduhren. Letztere mache ich am meis-            deutsche KUCKUCKSUHR.
                                                                                                                                                                                                                              ten. Alle fünf bis sieben Jahre müssen diese sehr teuren      Sie ist aus Holz, meist
                                                                                                                                                                                                                              mechanischen Armbanduhren kontrolliert werden. Dann           reichlich verziert und hat
                                                                                                                                                                                                                              zerlege ich sie komplett in ihre Einzelteile, reinige jedes   oft die Form eines Häus-
                                                                                                                                                                                                                              einzelne Teil und tausche abgenutzte Teile aus.               chens. Unter dem Schräg-
                                                                                                                                                                                                                                                                                            dach öffnet sich zu jeder
                                                                                                                                                                                                                              Worauf müssen Sie bei Ihrer Arbeit besonders achten?          vollen Stunde ein Türchen,
                                                                                                                                                                 „JEDE UHR HAT IHRE EIGENEN                                   Vor allem darauf, dass mir keines von den kleinen             dann kommt ein kleiner
                                                                                                                                                                                                                              Teilchen herunterfällt. Außerdem braucht man als              Vogel aus Holz heraus und
                                                                                                                                                                 PROBLEMCHEN“                                                 Uhrmacher*in viel Geduld, sehr ruhige Hände und eine          ruft zum Gong der Uhr
                                                                                                                                                                 Der Uhrmachermeister Daniel Stupp ist 31 Jahre alt und       hohe Konzentration.                                           „Kuckuck“ – so viele Male,
                                                                                                                                                                 arbeitet seit zehn Jahren im Unternehmen seiner Familie                                                                    wie es Stunden schlägt.
                                                                                                                                                                 in Köln. Uhren Stupp wurde 1958 vom Großvater ge-            Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?                       Kuckucksuhren werden
                                                                                                                                                                 gründet. Daniel Stupp ist somit Uhrmacher in der dritten     Den Kontakt zu den Kunden und die Abwechslung.                traditionell im Schwarz-
                                                                                                                                                                 Generation.                                                  Ich weiß vorher nie, was die Leute für eine Uhr bringen.      wald hergestellt, und das
                                                                                                                                                                                                                              Jede Uhr hat ihre eigenen „Problemchen“. Das finde ich        bereits seit 400 Jahren.
                                                                                                                                                                 Herr Stupp, Sie kommen aus einer Uhrmacherfamilie.           interessant. Wenn man in der Industrie arbeitet, hat man
                                                                                                                                                                 War schon immer klar, dass Sie auch Uhrmacher werden?        immer mit den gleichen Uhren zu tun. Außerdem finde
                                                                                                                                                                 Ja, für mich schon, obwohl meine Familie gar nicht           ich toll, dass ich einen Beruf habe, den kaum noch jemand
                              Personen               circa 7.700                       RUHIGE HÄNDE UND VIEL GEDULD                                              erwartet hat, dass ich auch Uhrmacher werde. Da ich          macht. Wenn ich in einer Runde erzähle, was ich bin,
                              in dem Beruf                                                                                                                       aber mit diesem Handwerk aufgewachsen bin, wusste ich        fragen die Leute: Was macht man da eigentlich? Viele
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               l d.
                              Anzahl der             circa 2.560                        Die ersten Uhrmacher waren Schlosser und Schmiede,                       schon früh, dass ich diesen Beruf erlernen wollte. Ich bin   wissen zum Beispiel nicht, dass Uhrmacher*innen in einem
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           G e
                              Uhrmacher-                                                also jene Handwerker, die Metall bearbeiten. Die erste                   einer von drei Söhnen. Die anderen zwei machen etwas         Handwerksbetrieb keine Uhren herstellen. Das macht
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     t i st
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Zei
                              betriebe                                                  Uhr, die man am Körper tragen konnte, wurde ungefähr                     komplett anderes.                                            man in der Industrie. Wir reparieren sie nur. Allerdings
                              Welche Betriebe        Reparaturwerkstätten,              im Jahr 1430 in Deutschland hergestellt. Sie sah aus                                                                                  keine Smartwatches. Denn das sind ja keine Uhren,
                              bilden aus?            Uhrenhersteller                    wie eine kleine Dose. Solche Taschenuhren galten lange
                                                                                        Zeit als Symbol einer hohen gesellschaftlichen Stellung.
                                                                                                                                                                 Wie geht es dem Beruf Uhrmacher*in momentan?
                                                                                                                                                                 Dieser Beruf ist mittlerweile sehr selten. Auszubildende
                                                                                                                                                                                                                              sondern kleine Computer.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Die Zeit e Wunden.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    heilt all
                              Männer/Frauen in       ausgewogen
                              dem Beruf                                                 Kleinere Armbanduhren wurden erst um 1880 entwickelt.                    werden überall gesucht. Vor allem große Werkstätten
                              Ausbildungsweg         drei Jahre; die Ausbil-            In den 1970er Jahren kamen die ersten Digitaluhren                       haben zu wenige Mitarbeiter. Der Beruf des Uhrmachers
                                                     dung deckt die Arbeit              auf den Markt. Sie wurden immer populärer und die
                                                     mit Uhren als Handwerk,            Uhrmacher*innen hatten immer weniger zu tun. Der Beruf                                                                                                                                                                    Komm
                                                     aber auch die industrielle         verlor mehr und mehr an Bedeutung. Uhrmacher*innen                                                                                                                                                                                 t Zeit
                                                     Herstellung ab                     restaurieren heute weitgehend sehr alte Uhren oder                                                                                                                                                                                            , kom

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    An
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           mt Ra

                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Alles z
                                                                                        reparieren Luxusuhren. Mittlerweile gibt es so wenige

                                                                                                                                                                                                                                                                                                       der
                              Wo arbeiten            in Reparatur- und Service-
                              Uhrmacher*innen        werkstätten, in Uhren-             Uhrmacher*innen, dass diejenigen, die die Ausbildung                                                                                                                                                                                                       t.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                           eZ
                              nach der               geschäften im Verkauf, bei         beenden, ohne Probleme Arbeit finden. Das Handwerk

                                                                                                                                                                                                                                                                                                              eit
                              Ausbildung?            Uhrenherstellern                   des Uhrmachers steht ganz besonders für das Zusam-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                u seine

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 en
                                                                                        mentreffen von traditionellem Handwerk und moderner

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   ,a
                                                                                        Technologie. Denn: Uhrmacher*innen müssen genauso gut

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      nd
                                                                                        mit sehr kleinen Zahnrädchen umgehen können wie mit

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         er
                                                                                        empfindlichen Elektronikbauteilen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          r Zeit.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            eS
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               itt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   en
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     .
                              Kalenderbild: © ZB – Special; Fotograf: Heinz von Heydenaber
                              Rückseite: © Daniel Stupp • © pixabay.com • © picture alliance/ullstein bild; Fotograf*in: Sobli • © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Jochen Tack

Goethe_Kal_2020_Back.indd 2                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   16.08.19 11:11
GLASBLÄSER*IN
                                                                                                                                                                    „VOR 30 JAHREN HABEN WIR                                    Ihre Werkstatt ist eine Schauwerkstatt. Das bedeutet,
                                                                                                                                                                    UNSERE WAREN NOCH                                           dass Besucher Ihnen bei der Arbeit zuschauen können.
                                                                                                                                                                                                                                Warum machen Sie das?
                                                                                                                                                                    EXPORTIERT.“                                                Unsere Kund*innen können jeden Arbeitsschritt sehen,
                                                                                                                                                                    Wolfgang Metz ist seit über 40 Jahren Glasbläser im         wir haben immer Zuschauer*innen in der Werkstatt. So
                                                                                                                                                                    Thüringer Wald, einer Region, wo Glasherstellung eine       können sie sehen, wie lange es dauert, solch ein Produkt
                                                                                                                                                                    lange Tradition hat. Sein Handwerk kombiniert er mit        herzustellen. Dann akzeptieren sie unsere Preise und sind
                                                                                                                                                                    einer Schauwerkstatt und einem großen Laden für unter-      eher bereit, etwas zu kaufen. Das ist wichtig, da wir in
                                                                                                                                                                    schiedliche Glasprodukte.                                   Konkurrenz mit Glasbläser*innen in Ländern stehen, die
                                                                                                                                                                                                                                sehr billig produzieren können, wie zum Beispiel Vietnam.
                                                                                                                                                                    Herr Metz, in Ihrem Laden und im Onlineshop bieten Sie
                                                                                                                                                                    viele unterschiedliche Glasprodukte an. Was produzie-       Was hat sich in den letzten 20 Jahren in Ihrem Beruf
                                                                                                                                                                    ren Sie selbst?                                             geändert?
                                                                                                                                                                    Wir stellen ungefähr 400 Produkte selbst her, vor allem     Man verdient als Glasbläser*in weniger als in anderen
                                                                                                                                                                    schöne Gegenstände für die Wohnung mit einer prakti-        Berufen. Vor 30 Jahren haben wir unsere Waren noch
                                                                                                                                                                    schen Seite, zum Beispiel Obstfliegenfallen, also Gläser,   exportiert. Heute stellt man in Ländern wie Vietnam die        nicht. Außerdem arbeite ich gern mit den Händen. Und da
                                                                                                                                                                    mit denen man kleine Fliegen fangen kann. Davon haben       gleichen Dinge für die Hälfte des Preises her. Ich liebe den   wir einen engen Kontakt zu unseren Kund*innen haben,
                                                                                                                                                                    wir sehr viele verschiedene Formen und Farben. Die          Beruf aber immer noch. Es ist schön, zu sehen, wenn sich       führe ich oft Gruppen herum, erkläre unsere Arbeit oder
                                                                                                                                                                    verkaufen sich sehr gut. Genauso wie die Trinkröhrchen      die Leute über unsere Produkte freuen. Das macht mich          halte auch Vorträge. Ich mache keinen Tag dasselbe.
                                                                                                                                                                    aus Glas. Seitdem Trinkröhrchen aus Plastik wegen des       glücklich und dann ist es nicht ganz so schlimm, dass wir
                                                                                                                                                                    Umweltschutzes so unbeliebt geworden sind, sind die         nur wenig verdienen.                                           Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufes?
                                                                                                                                                                    aus Glas wieder populär. Außerdem arbeite ich gerade an                                                                    Die Werkstätten im gestalterischen Bereich werden in
                                                                                                                                                                    Whiskygläsern, die ein junges Unternehmen bestellt hat.     Was mögen Sie außerdem an dem Beruf?                           Deutschland immer weniger. Es gibt auch immer weni-
                                                                                                                                                                    Davon stelle ich ein paar Hundert her. Für die Industrie    Ich mag die kreative Seite. Wir arbeiten zwar auch oft         ger Auszubildende. Aber es wird trotzdem immer einige
                                                                                                                                                                    ist diese Menge zu klein. Dort fängt man erst ab            nach Bestellungen, aber wir denken uns auch immer              geben, die wie wir gleichzeitig eine Schauwerkstatt
                                                                                                                                                                    15.000 Stück an.                                            wieder neue Sachen aus. Das könnte ich in der Industrie        haben und außerdem auch Produkte anderer Glasbläser
                                                                                                                                                                                                                                                                                               verkaufen.

                              Anzahl der              792 (inklusive der                 GLAS MIT LUFT UND HITZE FORMEN
                              Personen                Glasapparatebauer)                                                                                                 GLASMACHERPFEIFEN sind etwa 1,20 bis 1,60
                              Anzahl der              177 (inklusive der                 Schon vor 5.500 Jahren wurden auf dem Gebiet des Irak                           Meter lange Rohre, die an einem Ende – ähn-
                              Glasbläsereien          Glasapparatebaubetriebe)           und Syriens Gefäße und Schmuckstücke aus Glas herge-                            lich wie eine Flöte – ein Mundstück haben. Der
                              Welche Betriebe         Glasbläserwerkstätten              stellt. 2.000 Jahre später entwickelte sich das Glashand-                       Glasbläser/die Glasbläserin nimmt mit dem an-
                              bilden aus?                                                werk auch noch in Griechenland, Ägypten und China.                              deren Ende der Pfeife eine kleine Menge flüssi-
                              Männer/Frauen           Es gibt kaum Frauen im             Damals konnte man das heiße Glas aber nur formen. Erst                          ges, heißes Glas auf und dreht es zunächst hin
                              in dem Beruf            Glasbläserberuf.                   viel später wurde die Glasmacherpfeife erfunden. Mit ihr                        und her. Anschließend bläst er/sie in die Pfeife
                                                                                         konnte man Glas auch in dünne Formen blasen. Vor rund                           und das Glas wird innen mit Luft gefüllt. Dann
                              Ausbildungsweg          drei Jahre; im dritten
                                                      Ausbildungsjahr entschei-          1.700 Jahren konnten so die ersten Trinkgläser hergestellt                      wird das Glas am Brenner wieder heiß gemacht
                                                      det man sich für eine              werden.                                                                         und weiter in Form geblasen – so lange, bis es
                                                      von drei Fachrichtungen:                                                                                           die gewünschte Form hat.
                                                      Glasgestaltung (Gläser,            Die erste europäische Glasmetropole war Venedig, wo
                                                      Vasen, Schalen, Figuren            man vor rund 700 Jahren begann, Glas zu bearbeiten.
                                                      aus Glas), Christbaum-             Einige Jahrhunderte lang war die Stadt für besonders
                                                      schmuck oder Kunstaugen            reines Glas und eine besonders schöne Glaskunst bekannt.
                                                      (Augen aus Glas)                   In Deutschland gibt es in Thüringen, im Schwarzwald und
                              Wo arbeiten             in kleinen Glasbläser-             im Bayrischen Wald eine lange Tradition des Glashand-
                              Glasbläser*innen        werkstätten, in Betrieben          werks. Heute stellen Glasbläser*innen vor allem kleine
                              nach der                der Glas verarbeitenden            Glasprodukte her: Gläser, Schalen, Vasen oder dekorative
                              Ausbildung?             Industrie, in chemischen           Gegenstände – also Dinge, die einfach nur schön ausse-
                                                      Labors
                                                                                         hen. Glasbläser*innen arbeiten an einem offenen Gasbren-
                              Einige Orte, die        Lauscha, Thüringen                 ner und sind dabei auch als Künstler*innen kreativ.
                              für Glasarbeiten        Neuhaus, Thüringen                 Denn viele entwickeln ihre Waren selbst: von der Idee bis
                              bekannt sind:           Neustadt a.d.Waldnaab,             zum fertigen Produkt. Der Beruf ist mittlerweile selten
                                                      Bayern                             geworden. Nur noch sehr wenige Jugendliche lassen sich
                                                      Zwiesel, Bayern                    im Glasbläserhandwerk ausbilden.
                                                      Wolfach, Baden-
                                                      Württemberg

                              Kalenderbild: © ZB-FUNKREGIO OST; Fotograf: Matthias Bein
                              Rückseite: © picture alliance/ullstein bild; Fotograf: Rico Carisch • © picture alliance/Westend61; Fotograf: Bernd Friedel • © dpa-infografik

Goethe_Kal_2020_Back.indd 3                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              16.08.19 11:11
MASSSCHUHMACHER*IN
                                                                                                                                                                                                                                    DAS MÄRCHEN ASCHENPUTTEL –
                                                                                                                                                                                                                                    EINE KURZFASSUNG
                                                                                                                                                                                                                                    Ein Mädchen lebt mit seinem Vater, der Stiefmutter und zwei Stiefschwestern in einem Haus. Ihre eigene Mutter ist ge-
                                                                                                                                                                                                                                    storben und der Vater hat wieder geheiratet. Doch die neue Mutter und deren Töchter behandeln das Mädchen schlecht.
                                                                                                                                                                                                                                    Es muss die dreckige Hausarbeit machen und in der Küche neben dem Herd und der Asche schlafen. Deshalb wurde es
                                                                                                                                                                                                                                    Aschenputtel genannt. Eines Tages veranstaltet der König ein Fest. Die Stiefmutter geht mit ihren zwei Töchtern hin,
                                                                                                                                                                                                                                    denn sie hofft, dass eine ihrer Töchter dort den Sohn des Königs, den Prinzen, kennenlernt.

                                                                                                                                                                                                                                    Bevor sie zum Fest gehen, geben sie Aschenputtel eine Aufgabe: Sie soll bis zum Abend eine große Schüssel voller Linsen
                                                                                                                                                                                                                                    sortieren und die guten von den schlechten trennen. Allein würde sie das nie schaffen. Da kommen zwei Tauben, um ihr zu
                                                                                                                                                                                                                                    helfen. Aschenputtel freut sich über die Hilfe und sagt zu den Tauben: „Die schlechten ins Kröpfchen, die guten ins Töpf-
                                                                                                                                                                                                                                    chen.“ So ist die Arbeit schnell getan und Aschenputtel hat Zeit, auch auf das Fest zu gehen.
                                                                                                                                                                                                                                    Durch ein Wunder bekommt sie ein wunderschönes Kleid, goldene Schuhe und eine große Kutsche, in der sie zum Schloss
                                                                                                                                                                                                                                    fährt. Sie muss aber vor Mitternacht wieder zu Hause sein. Sie sieht so schön aus, dass der Prinz denkt, sie sei eine fremde
                                                                                                                                                                                                                                    Prinzessin. Er tanzt mit ihr und verliebt sich in sie. Da Aschenputtel beim Tanzen die Zeit vergessen hat, muss sie das
                                                                                                                                                                                                                                    Fest kurz vor Mitternacht sehr schnell verlassen. Dabei verliert sie einen ihrer goldenen Schuhe. Der Prinz findet ihn. In
                                                                                                                                                                                                                                    den nächsten Tagen und Wochen sucht er in allen Familien nach dem Mädchen, dem dieser goldene Schuh passt. Dieses
                                                                                                                                                                                                                                    Mädchen möchte er heiraten.

                                                                                                                                                                                                                                    Er kommt auch zum Haus von Aschenputtel. Doch die böse Stiefmutter stellt dem Prinzen nur ihre zwei Töchter vor.
                                                                                                                                                                                                                                    Der Schuh ist ihnen zu klein. Also schneidet sie sich jede von ihnen einen Zeh ab, um in den Schuh zu passen. Doch die
                                                                                                                                                                                                                                    Tauben sehen den Betrug und rufen: „Ruckedigu, Blut ist im Schuh. Der Schuh ist zu klein, die Braut sitzt noch daheim.“
                                                                                                                                                                                                                                    Da fragt der Prinz, ob es in dem Haus noch ein anderes Mädchen gibt. Aschenputtel wird geholt. Ihr passt der goldene
                                                                                                                                                                                                                                    Schuh und der Prinz heiratet sie. Nun ist sie kein Aschenputtel mehr, sondern eine Prinzessin.

                              Anzahl der            circa 4.500                       BEQUEMES UND SCHÖNES                                                 „DIE NACHFRAGE NACH MASSSCHUHEN STEIGT.“
                              Personen                                                FÜR DIE FÜSSE
                              Anzahl der            circa 2.160                                                                                            Anna Rakemann hat lange gebraucht, den richtigen Beruf                   dem Handwerk bekommen und arbeite weiter daran,                 2.400 Euro, teurere auch ab 3.400 Euro. Ja, das ist viel
                              Schuhmacher-                                            Ein Schuhmacher wird auf Deutsch auch Schuster ge-                   für sich zu finden: Maßschuhmacherin. In ihrer kleinen                   einmal den perfekten Schuh zu machen.                           Geld. Allerdings arbeite ich 80 bis 100 Stunden an einem
                              betriebe                                                nannt. Bis vor rund 200 Jahren wurden alle Schuhe noch               Werkstatt in Berlin stellt die 41-Jährige Maßschuhe aus                                                                                  Paar und das Material kostet zusätzlich rund 300 Euro.
                              Welche Betriebe       Maßschuhmachereien,               per Hand hergestellt. Als Maschinen diese Arbeit über-               Leder her.                                                               Wer lässt sich denn Maßschuhe machen?                           Ich nähe fast alle Sohlen per Hand und klebe nur selten.
                              bilden aus?           Theater, Schuhreparatur-          nahmen und schnell und billig große Mengen an Schuhen                                                                                         Es sind ganz normale Leute: Lehrer, Anwälte, Bäcker.            Jedes Paar, das ich mache, ist anders – je nachdem,
                                                    dienste                           produzierten, wurden die Schuhmacher immer weiter                    Frau Rakemann, wie sind Sie darauf gekommen, Maß-                        Meine Kund*innen sind in etwa gleich viel Frauen und            was meine Kund*innen genau möchten. Sie können über
                              Männer/Frauen         immer noch überwiegend            verdrängt. Lange Zeit haben sie ihr Geld vor allem damit             schuhmacherin zu werden?                                                 Männer. Manche müssen für so ein Paar Schuhe länger             viele Details selbst entscheiden, wenn sie wollen.
                              in dem Beruf          Männer, doch in den letz-         verdient, Schuhe zu reparieren. Noch vor 30 oder 40                  Das war ein langer Weg. Ich habe die Ausbildung erst mit                 sparen und verzichten dafür zum Beispiel auf den Urlaub.
                                                    ten zehn Jahren vermehrt          Jahren war eine der Haupttätigkeiten von Schuhmachern,               26 Jahren angefangen. Davor hatte ich studiert, einige                                                                                   Was war besonders schwierig dabei, sich selbstständig
                                                    Frauen                            an Lederschuhen die Sohlen, also die unteren Flächen                 Praktika und eine Ausbildung in Public Relations gemacht,                Wie viel kosten Ihre Schuhe?                                    zu machen?
                              Ausbildungsweg        drei Jahre                        der Schuhe, zu erneuern. Da Schuhe aber ständig billiger             in einer Eventagentur gearbeitet und dann gemerkt: Ich                   Das ist sehr unterschiedlich, je nach der Art der Schuhe.       Ich wusste nicht, was mich erwartet. Die wirtschaftliche
                              Wo arbeiten           Maßschuhmacherei,                 wurden, fiel auch diese Arbeit langsam weg. Denn: Es ist             will mit den Händen arbeiten. Aber was? Als Kind hatte                   Die etwas günstigeren Maßschuhe kosten ungefähr ab              Seite war wirklich schwierig. Viel Geld verdiene ich leider
                              Schuhmacher           Reparaturschuhmacherei,           meist günstiger, neue Schuhe zu kaufen, als sie reparieren           ich große Probleme mit den Füßen und brauchte spezielle                                                                                  immer noch nicht. Hinzu kommt, dass ich in meinem
                              *innen nach der       Theater                           zu lassen. Außerdem hat sich die Bedeutung von Schuhen               Schuhe. Die waren immer schrecklich hässlich. Also hatte                                                                                 Betrieb alles mache: Ich bin Putzfrau, Buchhalterin, Ver-
                              Ausbildung?                                             geändert: von einem Gebrauchs- zu einem Modeprodukt.                 ich folgenden Gedanken: Man muss doch auch Schuhe                                                                                        käuferin und Handwerkerin.
                                                                                      Schuhe müssen nicht mehr bequem und von hoher Quali-                 herstellen können, die gut für die Füße sind und gleich-
                                                                                      tät sein, sondern vor allem gut aussehen. Außerdem sind              zeitig gut aussehen. Das wollte ich gern probieren und so                                                                                Sind Sie als Frau in der Maßschuhmacher-Branche eine
                                                                                      die meisten Schuhe nicht mehr aus Leder, sondern aus                 wurde ich Maßschuhmacherin.                                                                                                              Ausnahme?
                                                                                      Kunststoff. Doch: Wenn ein teures Paar Schuhe abgelaufen                                                                                                                                                      Nicht mehr. Seit ungefähr zehn Jahren gibt es mehr Frauen.
                                                                                      ist, dann sind Maßschuhmacher*innen noch gefragt. Oder               Haben Sie diese Entscheidung bereut?                                                                                                     Ich glaube, das hängt mit dem Trend zu Maßschuhen zu-
                                                                                      wenn eine Person Maßschuhe haben möchte, das heißt                   Nein, überhaupt nicht. Es ist ein toller Beruf. Nur die                                                                                  sammen. Die Nachfrage nach Maßschuhen steigt und viele
                                                                                      Schuhe, die speziell für die Füße dieser Person hergestellt          wenigsten Menschen wissen ja, was alles in so einem                                                                                      Maßschuhmacher*innen sind mittlerweile Frauen.
                                                                                      und nach ihren individuellen Wünschen gestaltet werden.              Schuh steckt. Ich wusste das auch nicht. Nach jedem
                                                                                                                                                           Schuh, den ich mache, fallen mir Dinge auf, die ich hätte
                                                                                                                                                           besser machen können – kleine Dinge nur, die wahr-
                                                                                                                                                           scheinlich nur ich sehe. Ich habe großen Respekt vor

                              Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Thomas Eisenhuth
                              Rückseite: © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Reinhard Rohner • © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Reinhard Rohner • © dpa; Fotograf: Thomas Eisenhuth • © Ingmar Decker/toonpool.com

Goethe_Kal_2020_Back.indd 4                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        16.08.19 11:11
KONDITOR*IN
                                                                                                                                                   „PRALINEN MACHEN MIR AM MEISTEN SPASS.“

                                                                                                                                                   Schon als Kind hat Tamara Herrmann gern mit ihrer Oma          torte. Im Winter produzieren wir mehr Pralinen und um
                                                                                                                                                   Kuchen gebacken. Nach der Schule hat sie eine Ausbil-          die Weihnachtszeit natürlich Weihnachtsgebäck und
                                                                                                                                                   dung zur Konditorin gemacht. Jetzt ist sie 23 Jahre alt        Lebkuchen.
                                                                                                                                                   und arbeitet seit vier Jahren in einer Konditorei in der
                                                                                                                                                   Nähe von Tübingen.                                             Woran arbeiten Sie persönlich am liebsten?
                                                                                                                                                                                                                  Pralinen machen mir am meisten Spaß, weil man da fein
                                                                                                                                                   Was stellen Sie in der Konditorei am meisten her?              und genau arbeiten muss. Als Konditorin ist es ja wichtig,
                                                                                                                                                   Kuchen, Pralinen und verschiedene Schokoladentafeln.           ein Auge dafür zu haben, wie man Dinge schön gestalten
                                                                                                                                                   Aber wir machen noch vieles mehr. Es hängt auch sehr           und anrichten kann. Diese Fähigkeit kann ich bei Pralinen
                                                                                                                                                   von der Jahreszeit ab. Im Sommer machen wir viel               gut einsetzen. Außerdem kann ich bei der Arbeit an Prali-
                                                                                                                                                   Erdbeerschnitten oder Rhabarberkuchen. Solche Dinge            nen sehr kreativ sein und auch mal neue Geschmacksrich-
                                                                                                                                                   schmecken an warmen Tagen natürlich besser als Creme-          tungen entwickeln.

                                                                                                                                                                                                                                                                               Sie haben jeden Tag mit süßen Dingen zu tun. Essen Sie
                                                                                                                                                      SCHWARZWÄLDER KIRSCHTORTE –                                                                                              selbst überhaupt noch gern Süßes?
                                                                                                                                                      DIE BELIEBTESTE TORTE DEUTSCHLANDS                                                                                       Ja, immer noch sehr gern. Am liebsten Schokolade und
                                                                                                                                                                                                                                                                               gebackene Kuchen wie Apfel- oder Johannisbeerkuchen.
                                                                                                                                                      Für den Tortenboden:            Zubereitung des Tortenbodens:
                                                                                                                                                                                                                                                             Masse
                                                                                                                                                      6 Eier (Eiweiß und Eigelb       Das Eigelb mit Wasser und Zucker so lange rühren, bis eine cremige                       Viele Kuchen und Schokoladen werden mittlerweile in-
                                                                                                                                                                                                                             lver und Kakao mische n und  mit
                                                                                                                                                      trennen)                        entstanden ist. Mehl, Stärke, Backpu                                                     dustriell hergestellt. Was können Sie als Konditor*innen,
                                                                                                                                                                                                                                                              n,
                                                                                                                                                      250 g Zucker                    einem Sieb auf die Eigelbcreme streuen. Das Eiweiß so lange schlage                      das die Industrie nicht kann?
                                                                                                                                                                                                                                                          runde
                                                                                                                                                      6 Esslöffel heißes Wasser       bis es steif ist, und vorsichtig unter die Eigelbcreme rühren. Eine                      Wir können spontan immer mal etwas anderes aus-
                                                                                                                                                                                                                                                             eben.
                                                                                                                                                      200 g Mehl                      Backform mit Fett und Mehl bestreichen und die Masse dort hineing                        probieren: eine andere Sorte Obst oder einen anderen
                                                                                                                                                                                      Bei 200 Grad im Backofen 30 bis 35      Minute n backen . Währen d des
                                                                                                                                                      75 g Speisestärke                                                                                                        Geschmack. Wir können unserer Kreativität freien Lauf
                                                                                                                                                                                                                                                           noch
                              Anzahl                 36.097                            DER SÜSSE BÄCKER                                               50 g Kakaopulver                Backens die Temperatur langsam senken, sodass sie am Ende nur                            lassen. Das wissen die Kund*innen sehr zu schätzen. Wir
                              der Personen                                                                                                            2 Teelöffel Backpulver          150 Grad beträgt. Den Tortenboden dann auskühlen lassen.                                 haben unser Standardsortiment, bieten aber auch immer
                              Anzahl                 2.088                                                Was ein Bäcker macht, weiß jeder. Doch                                                                                                                               etwas Neues an. In der industriellen Produktion ist man
                              der Konditoreien                                                            was macht ein Konditor? Früher hat man       Für die Füllung:               Die Füllung:                                                                             nicht so flexibel.
                                                                                                                                                                                                                                                             Saft
                                                                                                          Konditor*innen auch Zuckerbäcker*innen       1 Glas Sauerkirschen           Das Glas Sauerkirschen über einer Schüssel abgießen, sodass der
                              Welche Betriebe        Konditoreien, Bäckereien,                                                                                                                                                                               ein-
                              bilden aus?            große Lebensmittelhändler,                           genannt. Sie kümmern sich also um das        25 g Speisestärke              aufgefangen wird. Die Stärke in ein wenig vom kalten Kirschsaft                          Um wie viel Uhr beginnt Ihr Arbeitstag?
                                                                                                                                                                                                                                                                 en.
                                                     Cafés, Restaurants                                   Süße. Konditor*innen stellen Kuchen          800 g Sahne                    rühren. Den Rest des Kirschsaftes aufkochen und die Stärke einrühr                       Von Montag bis Freitag beginnen wir um 7 Uhr. Doch an
                                                                                                                                                                                                                               Herd   nehmen  . 16 schöne   Kirsche   n
                                                                                                          und Torten her, aber auch Marmelade,         1 Packung Sahnesteif           Kurz aufkochen lassen und sofort vom                                                     Samstagen fangen wir um 6 Uhr an, da wir an diesem Tag
                              Männer/Frauen in       ungefähr genauso viele                                                                                                                                                                    aftmass  e geben.
                              dem Beruf              Männer wie Frauen                 Eiscreme und Pralinen. Bekannt sind Konditor*innen              1 Esslöffel Zucker             zur Seite legen, die restlichen Kirschen in die Kirschs                                  sehr viel verkaufen. Da muss um 8 Uhr, wenn wir den
                                                                                                                                                                                                                                                                Teile
                                                                                       vor allem für Hochzeitstorten. Die Produkte von                 Kirschwasser zum Tränken       Den Tortenboden zweimal durchschneiden, sodass man drei runde                            Laden öffnen, alles fertig sein. Und dann müssen wir auch
                              Ausbildungsweg         drei Jahre                                                                                                                                                                                                träufeln,
                                                                                       Konditor*innen sehen meistens sehr schön aus. Das macht         Schokoladenraspel zum          des Tortenbodens hat. Auf den untersten Teil etwas Kirschwasser                          alles sauber machen. Viele Kund*innen kommen samstags
                              Wo arbeiten            Konditoreien, Bäckereien,                                                                                                                                             Die Sahne   mit Sahnes  teif und  Zucker
                                                                                       sie auch ein wenig zu Künstlern.                                Verzieren                      dann die Kirschmasse draufgeben.                                                         gleich um 8 Uhr, weil sie in der Stadt einkaufen gehen.
                              Konditor*innen         Cafés, Restaurants, Back-                                                                                                                                                                                    nächs-
                                                                                       Einige Konditor*innen sind auch Bäcker*innen und umge-                                         steif schlagen, dünn auf die ausgekühlte Kirschmasse streichen und                       Manche kommen auch nur und holen Brötchen. Davon
                              nach der               und Süßwarenindustrie                                                                                                                                                                                Teil Kirsch-
                                                                                       kehrt. In jedem Fall war der Beruf des Bäckers/der                                             ten Tortenboden auflegen. Leicht andrücken. Auch auf diesen                              bieten wir auch eine kleine Auswahl an.
                              Ausbildung?                                                                                                                                                                                                                      und den
                                                                                       Bäckerin zuerst da. Die ersten Bäcker*innen haben vor                                          wasser träufeln. Den Boden mit der Hälfte der Sahne bestreichen
                                                                                                                                                                                                                              restlich en Sahne  etwa   drei Esslöffe  l
                                                                                       rund 6.000 Jahren im alten Ägypten gelebt. Auf deut-                                            nächsten Boden aufdrücken. Von der                                                      Wie bei vielen Konditoreien gehört zu Ihrer
                                                                                                                                                                                                                                                en Sahne   rundhe    rum
                                                                                       schem Gebiet ist die Kunst des Brotbackens erst seit rund                                       in einen Spritzbeutel füllen. Die Torte mit der restlich                                Konditorei ein Café. Haben Sie dort auch Kontakt zu den
                                                                                                                                                                                                                                                                  16
                                                                                       600 Jahren bekannt. Einige Bäcker*innen verfeinerten                                            bestreichen und mit dem Spritzbeutel entlang des Randes der Torte                       Kund*innen?
                                                                                                                                                                                                                                                               äche
                                                                                       ihr Brot bald mit Honig, Zucker, Früchten und Gewürzen.                                         kleine Spritzer setzen und jeden mit einer Kirsche belegen. Oberfl                      Manchmal helfe ich im Verkauf. Doch
                                                                                                                                                                                       und Rand mit Schokoraspeln bestreu    en.                                               meistens bin ich in der Backstube, die
                                                                                       Aus diesen Broten haben sich die bekannten deutschen
                                                                                       Lebkuchen entwickelt, die man vorwiegend zur Weih-                                                                                                                                      aber gleich hinterm Café liegt. Und
                                                                                       nachtszeit isst. Sie sind immer noch eine Spezialität                                                                                                                                   da ich oft fertige Waren nach draußen
                                                                                       deutscher Konditor*innen.                                                                                                                                                               bringe, sehe ich die Kund*innen auch. Ich
                                                                                       Heutzutage sind in vielen Städten Läden in Mode, die                                                                                                                                    freue mich immer, wenn ich sehe, dass es
                                                                                       feine Schokolade und Pralinen verkaufen. Diese Produkte                                                                                                                                 ihnen schmeckt. Manchmal bekomme ich auch
                                                                                       sind oft handgemacht und kosten sehr viel mehr als                                                                                                                                      ein direktes Lob. Das ist schön, dann macht die
                                                                                       Schokolade aus dem Supermarkt.                                                                                                                                                          Arbeit noch mehr Spaß.

                              Kalenderbild: © dpa-Zentralbild; Fotograf: Patrick Pleul
                              Rückseite: © picture alliance; Fotograf: Winfried Rothermel • © picture alliance/Westend61; Fotograf: Westend61/
                              Dieter Heinemann • © picture alliance/imageBROKER; Fotograf: Creativ Studio Heinemann • © pixabay.com

Goethe_Kal_2020_Back.indd 5                                                                                                                                                                                                                                                                                                                16.08.19 11:11
FRISEUR*IN                                                                                                                                                                                                                                                                 Top 15 im Handwerk
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Ende 2016 gab es 999 268 Handwerksbetriebe in Deutschland,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         darunter in diesen Bereichen:

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Friseure                                  80 664
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Fliesen-, Platten- und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               69 729
                                                                                                                                                                                                                                           Stil finden. Wir schauen uns immer die individuelle Per-                    Mosaikleger
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Kraftfahrzeugtechniker                         62 402
                                                                                                                                                                                                                                           son an und was zu ihr passt.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Elektrotechniker                       60 824
                                                                                                                                                                                                                                           Was sind denn die Trends bei den Jugendlichen?                               Kosmetiker                    53 591
                                                                                                                                                                                                                                           Bei den Mädchen sind es Accessoires, zum Beispiel                      Installateure und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     50 593
                                                                                                                                                                                                                                           Kopftücher, Haarbänder, Haarreifen kombiniert mit                        Heizungsbauer
                                                                                                                                                                                                                                           Pferdeschwanz oder Dutt. Außerdem wird gerade viel                     Gebäudereiniger                  47 262
                                                                                                                                                                                                                                           schulterlang oder noch kürzer geschnitten. Das ist die            Einbau von genormten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   45 840
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Baufertigteilen
                                                                                                                                                                                                                                           perfekte Länge. Damit kann man alles machen: einen Pfer-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Maurer und Betonbauer                41 473
                                                                                                                                                                                                                                           deschwanz, einen Dutt, man kann die Haare hochstecken,
                                                                                                                                                                                                                                           aber auch glatt oder wellig tragen und vor allem kann               Maler und Lackierer               41 288

                                                                                                                                                                                                                                           man Accessoires damit tragen. Bei den Jungs war der                              Tischler           39 039
                                                                                                                                                                                                                                           Undercut lange sehr beliebt. Das bedeutet, dass die Haare               Raumausstatter         28 480
                                                                                                                                                                                                                                           an den Seiten sehr kurz und oben länger waren. Das ist
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Metallbauer       27 592
                                                                                                                                                                                                                                           jetzt vorbei. Die Haare sind jetzt wieder länger, lässiger
                                                                                                                                                                                                                                           und natürlicher.                                                              Fotografen     23 918
                                                                                                                                                                 „WIR MÖCHTEN JUGENDLICHEN                                                                                                                 Holz- und Bautenschutz-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   18 324
                                                                                                                                                                 VERMITTELN, IHRE HAARE GUT ZU                                             Lassen sich viele Jugendliche auch die Haare färben?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          gewerbe

                                                                                                                                                                 BEHANDELN.“                                                               Nein, zumindest nicht bei uns. Zuerst einmal ist es unter     Quelle: Zentralverband des Deutschen Handwerks         © Globus   11669
                                                                                                                                                                                                                                           16 Jahren seit drei oder vier Jahren gar nicht mehr
                                                                                                                                                                 Ein Friseursalon nur für Kinder und Jugendliche? Das gibt                 erlaubt, zwischen 16 und 18 Jahren müssen die Eltern
                                                                                                                                                                 es nicht. Doch. Die passionierte Friseurin Ramona Daffner                 zustimmen. Ich habe aber keine Kund*innen, die sich die
                                                                                                                                                                 (30) hat ihn 2018 in München eröffnet.                                    Haare färben lassen wollen. Wir würden es auch nicht          ten gearbeitet und in Unternehmen Produkte für die
                                                                                                                                                                                                                                           machen. Denn wir arbeiten nur mit Naturprodukten und          Haarpflege entwickelt.
                                                                                                                                                                 Warum ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche ihren                   möchten den Jugendlichen vermitteln, ihre Haare gut zu
                                                                                                                                                                 eigenen Friseurladen haben?                                               behandeln. Und die Haare chemisch zu färben, ist defi-        Gehen Sie selbst auch mit der neusten Frisurenmode?
                                                                                                                                                                 Ich führe auch ein Geschäft für Erwachsene und mir                        nitiv nicht gut. Unser Ziel sind schöne Haare und eine        Grundsätzlich gibt es keine Frisurenmode mehr – also
                                                                                                                                                                 ist aufgefallen, dass Kinder und Jugendliche eher ein                     gesunde Kopfhaut.                                             dass etwas als modisch gilt und alle es dann genauso
                              Anzahl                 circa 236.300                                                                                               Zusatzgeschäft sind. Man nimmt sich nicht wirklich Zeit,                                                                                tragen. Das ist schon seit drei oder vier Jahren so. Man
                              der Personen                                                                                                                       sie gut zu beraten. Dabei sind sie die neue Generation, die               Was ist für Sie das Schöne am Friseurberuf?                   sagt nicht mehr: „Dieses Jahr sind rote Haare in Mode“
                              Anzahl                 circa 80.600                                                                                                Zukunft. Ihnen müssen wir zeigen, was unser Handwerk                      Ich kann Menschen glücklich machen und ihnen helfen,          und alle haben dann rote Haare. Wenn überhaupt, dann
                              der Friseursalons                                                                                                                  alles beinhaltet.                                                         sich gut zu fühlen und ihre Persönlichkeit herauszustellen.   ist momentan ein natürliches Aussehen populär. Man darf
                              Welche Betriebe        Friseursalons                                                                                               Außerdem sind die meisten von ihnen durch Instagram                       Das mag ich sehr. Außerdem ist der Beruf kreativ und          sich die Haare färben, doch die große Kunst ist jetzt, dass
                              bilden aus?                                                                                                                        und die sozialen Medien sehr unsicher. Wir wollen sie                     man kann viel damit machen: Ich gebe zum Beispiel auch        man nicht sieht, dass sie gefärbt sind. Sie sollen natürlich
                              Männer/Frauen in       Das Friseurhandwerk ist                                                                                     unterstützen, sie beraten und gemeinsam mit ihnen ihren                   Workshops, habe schon im Beautybereich bei Zeitschrif-        schön aussehen.
                              dem Beruf              eine Frauendomäne.
                                                     Nur rund zehn Prozent
                                                     sind Männer.
                              Ausbildungsweg         drei Jahre; im zweiten
                                                     Jahr spezialisiert man                                                                                                                                                                                                                              DIE RÜCKKEHR DER BARBIERE
                                                     sich, zum Beispiel auf
                                                     Theater und Film oder auf         BEI ZAHNSCHMERZEN ZUM FRISEUR                                                                                                                                                                                     Seit einigen Jahren liegen Bärte voll im Trend.
                                                     Kosmetik und Haarersatz                                                                                                                                                                                                                             Und modische Bärte wollen gepflegt sein. Von
                              Wo arbeiten            Friseursalons, bei Film-           Die ersten Friseur*innen gab es vor rund 5.000 Jahren im alten Ägypten. Dort galt das                                                                                                                            einem Fachmann. Immer mehr Herrenfriseure
                              Friseur*innen          und Theaterproduktionen,           Haar als schönster Schmuck von Frauen und auch von Männern. Es gab viele modische                                                                                                                                bieten deshalb wieder Bartpflege sowie die
                              nach der               in Wellnessabteilungen             Frisuren, von einfach bis kompliziert, mit eigenen und auch mit falschen Haaren. Auch das                                                                                                                        klassische Nassrasur mit Rasierseife und Rasier-
                              Ausbildung?            von Hotels                         Färben von Haaren und Perücken, also von falschen Haaren, war damals schon populär.                                                                                                                              messer an. Und immer mehr deutsche Männer
                                                                                        Vor rund 800 Jahren entwickelte sich der Beruf des Friseurs auch auf deutschem Gebiet.                                                                                                                           verzichten regelmäßig auf den Rasierapparat,
                                                                                        Damals war die Bezeichnung allerdings Bader oder Barbier. Er kümmerte sich nicht nur                                                                                                                             legen sich in die bequemen Stühle der Barbiere
                                                                                        um Frisuren und Bärte, sondern auch um Zahnschmerzen, Verletzungen, Wunden, Kno-                                                                                                                                 und lassen sich verwöhnen. Doch in den so-
                                                                                        chenbrüche und andere gesundheitliche Probleme. Wer sich früher einen Zahn ziehen                                                                                                                                genannten Barber Shops geht es nicht nur um
                                                                                        lassen musste, ging also zum Friseur – das war sogar vor rund 100 Jahren noch so. Erst                                                                                                                           Bartpflege. Sie sind gleichzeitig Wohlfühlorte
                                                                                        danach verteilten sich die Aufgaben langsam auf verschiedene Berufe. Lange Zeit konn-                                                                                                                            für Männer, wo sie unter sich sind, sich entspan-
                                                                                        ten Männer sich beim Friseur noch rasieren lassen. Mittlerweile sind die meisten Friseu-                                                                                                                         nen und verwöhnen lassen – ganz ohne Frauen.
                                                                                        re/Friseurinnen nur noch für das Kopfhaar zuständig und außerdem das, was sie schon
                                                                                        im alten Ägypten waren: modische Berater.

                              Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Daniel Karmann
                              Rückseite: © dpa-infografik • © picture alliance/dpa Themendienst; Fotografin: Ina Fassbender • © picture alliance/Mary Evans Picture Library • © picture alliance/ullstein bild; Fotograf: Archiv Gerstenberg • © pierre/toonpool.com

Goethe_Kal_2020_Back.indd 6                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        16.08.19 11:11
BOOTSBAUER*IN
                                                                                                                                                             „ALS BOOTSBAUER KANN MAN SICH HANDWERKLICH VERWIRKLICHEN“
                                                                                                                                                             Finian ist 19 Jahre alt und macht seit einem Jahr eine       Mochtest du Boote schon immer?                                Wo möchtest du später arbeiten?
                                                                                                                                                             Ausbildung zum Bootsbauer bei Tamsen Maritim in Ros-         Ein bisschen. Mein Vater hatte ein Segelboot. Damit haben     Das weiß ich noch nicht. Ich schaue in den nächsten drei
                                                                                                                                                             tock. Die Werft baut vor allem schnelle, luxuriöse Segel-    wir oft Urlaub gemacht, sind auf Seen gesegelt, auf der       Jahren mal. Es hängt natürlich auch davon ab, ob ich
                                                                                                                                                             boote.                                                       Ostsee oder bis nach Dänemark. Durch die Ausbildung bin       übernommen werde. Als Bootsbauer*in findet man ziem-
                                                                                                                                                                                                                          ich jetzt aber richtig begeistert von Booten.                 lich leicht Arbeit. Leider ist der Verdienst nicht so gut.
                                                                                                                                                             Warum hast du dich für eine Ausbildung zum
                                                                                                                                                             Bootsbauer entschieden?                                      Wie oft bist du an der Berufsschule und wann im
                                                                                                                                                             Ich wollte nach Rostock, weil meine Schwester hier           Betrieb?
                                                                                                                                                             wohnt. Außerdem wollte ich eine Ausbildung im Hand-          Ich bin dreimal im Jahr je einen Monat lang an der
                                                                                                                                                             werk machen. Und als Bootsbauer kann man sich hand-          Berufsschule in Travemünde. Da die Schule 130 Kilome-
                                                                                                                                                             werklich so richtig verwirklichen, weil man mit vielen       ter von Rostock entfernt ist, wohne ich in dieser Zeit im
                                                                                                                                                             unterschiedlichen Werkstoffen arbeitet.                      Internat. Den Rest des Jahres bin ich im Betrieb. Im ersten
                                                                                                                                                                                                                          Ausbildungsjahr sind wir Auszubildenden in der Werk-
                                                                                                                                                                                                                          statt und lernen die Grundlagen. Im zweiten und dritten
                                                                                                                                                                                                                          Lehrjahr sind wir in der Produktion und arbeiten an den
                                                                                                                                                                                                                          Booten mit.

                                                                                                                                                                                                                          Was magst du besonders an der Ausbildung
                                                                                                                                                                                                                          zum Bootsbauer?
                                                                                                                                                                                                                          Dass wir verschiedene Werkstoffe kennenlernen und so
                                                                                                                                                                                                                          die Möglichkeit haben, nach der Ausbildung in vielen
                                                                                                                                                                                                                          Berufen zu arbeiten. Ich könnte später zum Beispiel auch
                                                                                                                                                                                                                          eine Stelle im Flugzeugbau finden. Außerdem arbeite ich
                                                                                                                                                                                                                          auch sehr gern mit Holz. Ich finde Holzboote sehr schön.

                              Personen              circa 3.100                      DAS HANDWERKLICHE
                              in dem Beruf                                           MULTITALENT
                              Anzahl der            circa 370
                              Boots- und Schiff-                                     Er ist vielleicht einer der vielseitigsten Handwerksberufe überhaupt. Denn:                            NATUR IM BOOT
                              bauunternehmen                                         Bootsbauer*innen machen alles selbst. Sie arbeiten nicht nur mit unterschiedlichen
                              Welche Betriebe       Bootsbauunternehmen              Materialien wie Holz, Metall oder Kunststoffen, um den Bootskörper zu fertigen, sondern                Gegen den Trend, Boote immer öfter aus Kunststoffen zu bauen, geht ein Bootsbauer
                              bilden aus?           oder kleine Werften,             kümmern sich auch um den Innenausbau der Boote. Das bedeutet: Sie bauen auch die                       in Bremen an. Dort bringt Friedrich Deimann in seiner Firma Green Boats edles Design
                                                    nicht nur in Meeresnähe,         Maschinen und Antriebsanlagen ein, verlegen Rohre und Leitungen und installieren die                   und natürliche Rohstoffe in Einklang. Er baut hochwertige Segelboote, Kajaks und leichte
                                                    sondern auch an Binnen-          hochmoderne Technik für Radar und elektronische Karten.                                                Motorboote, die zu 80 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Statt Glasfaser
                                                    gewässern                                                                                                                               verwendet er als Grundlage seiner Boote die nachwachsende Flachsfaser und dazu fast
                              Männer/Frauen         eine deutliche Männerdo-                                                           Bootsbauer*in ist einer der ältesten Hand-           immer Kork, der aus der europäischen Korkeiche gewonnen und zu stabilen Platten ge-
                              in dem Beruf          mäne, zum Beispiel wa-                                                             werksberufe überhaupt. Noch bevor der                presst wird. Anstelle von Harzen, die auf Erdöl basieren, kommen bei Green Boats Harze
                                                    ren in Ostmecklenburg-                                                             Mensch das Rad erfand, fuhr er bereits zum           auf Basis von Pflanzenöl zum Einsatz. Die leichten, nachhaltigen Boote weisen letzten
                                                    Vorpommern unter 40                                                                Jagen und Fischen aufs Meer. Die ersten              Endes sogar eine bessere Ökobilanz auf als Boote aus zertifiziertem Holz. Bootsbauer-
                                                    Auszubildenden im Jahr                                                             Bootsbauer*innen lebten vermutlich vor               meister Deimann findet Holz ohnehin nicht mehr zeitgemäß, da es viel schwerer als Kork
                                                    2019 nur vier Mädchen
                                                                                                                                       mehr als 12.000 Jahren. Sie höhlten große            und sehr pflegeintensiv ist.
                              Ausbildungsweg        3,5 Jahre                                                                          Baumstämme aus und hatten so ein Trans-
                              Wo arbeiten           Unternehmen, die Boote,                                                            portfahrzeug auf dem Wasser. Diese ältesten
                              Bootsbauer*innen      Yachten und kleine                                                                 Boote nennt man „Einbaum-Boote“. Aus
                              nach der              Schiffe bauen, reparieren,                                                         ihnen entwickelten sich alle anderen Boots-
                              Ausbildung?           warten oder umbauen;                                                               typen bis hin zu riesigen Schiffen. Lange
                                                    Bootsverkauf oder Boots-
                                                                                                                                       haben Bootsbauer*innen vor allem mit Holz
                                                    verleih; Windgenerato-
                                                                                                                                       gearbeitet. Mittlerweile verwenden sie meis-
                                                    ren- oder Flugzeugbau
                                                                                                                                       tens Kunststoffe, da diese viel leichter sind.

                              Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Ingo Wagner
                              Rückseite: © Peer Wedderwille/toonpool.com • © pixabay.com • © picture alliance/PhotoResourceHawaii; Fotograf: Tor Johnson •
                              © picture alliance; Fotograf: Hauke-Christian Dittrich

Goethe_Kal_2020_Back.indd 7                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          16.08.19 11:11
ZIMMERER/ZIMMERIN
                                                                                                                                                    ARBEITEN MIT HAMMER UND COMPUTER
                                                                                                                                                    Auf einer Baustelle ist der Zimmerer oder auch die         te Häuser. Holz beim Bau von Gebäuden zu verwenden,
                                                                                                                                                    Zimmerin eine Fachkraft für Holz. Dächer, Decken, Böden,   hat eine sehr lange Tradition. Und dies gilt auch für das       WANDERJAHRE
                                                                                                                                                    Treppen, Fußböden: Was immer in einem Haus aus Holz        Handwerk der Zimmerer/Zimmerinnen. Auf deutschem                In vielen Handwerksberufen, besonders in
                                                                                                                                                    ist, wird von Zimmerleuten (so die Mehrzahl von Zimme-     Gebiet wurde der Beruf bedeutend, als im Mittelalter            denen des Bauhandwerks, war es Jahrhunder-
                                                                                                                                                    rern/Zimmerinnen) gebaut. Und manchmal sogar komplet-      die Städte gebaut wurden. Aus dieser großen Zeit des            te lang üblich, dass junge Handwerker nach
                                                                                                                                                                                                               Zimmererhandwerks stammen beeindruckende Fachwerk-              dem Ende ihrer Ausbildung als Gesellen auf
                                                                                                                                                                                                               bauten in vielen deutschen Städten, wie zum Beispiel            Wanderschaft gingen. Das bedeutet: Die jungen
                                                                                                                                                                                                               das Rathaus in Wernigerode, das ungefähr im Jahr 1200           Handwerker zogen zwei oder drei Jahre lang
                                                                                                                                                                                                               erbaut wurde.                                                   von Stadt zu Stadt und arbeiteten in verschie-
                                                                                                                                                                                                                                                                               denen Betrieben. Diese Wanderjahre waren
                                                                                                                                                                                                               Heutzutage arbeiten Zimmerleute viel an Maschinen, da           lange Zeit Pflicht, um später die Meisterprü-
                                                                                                                                                                                                               sie oft große Holzteile zuschneiden müssen. Aber auch           fung abzulegen. Einen Meistertitel brauchen
                                                                                                                                                                                                               Computer sind bei der Arbeit wichtig, um technische             Handwerker bis heute, wenn sie einen eige-
                                                                                                                                                                                                               Zeichnungen herzustellen und sehr genau zuschneiden             nen Betrieb gründen und Lehrlinge ausbil-
                                                                                                                                                                                                               zu können. Zimmerer/Zimmerin ist einer der wenigen              den möchten. Die Gesellen sollten durch die
                                                                                                                                                                                                               Handwerksberufe, in dem heute noch sehr viel Wert auf           Wanderschaft neue Arbeitsmethoden, fremde
                                                                                                                                                                                                               Tradition gelegt wird, insbesondere auf die Wanderjah-          Orte, Regionen und Länder kennenlernen und
                                                                                                                                                                                                               re, die sogenannte Walz. Die Wörter „Zimmerer“ oder             anderenorts Erfahrungen sammeln. Seit jeher
                                                                                                                                                                                                               „Zimmerleute“ haben übrigens nichts mit dem Zimmer in           waren sie an ihrer einheitlichen Wanderklei-
                                                                                                                                                                                                               der Bedeutung von Raum zu tun. Der Name stammt aus              dung zu erkennen, die für jede Berufsgruppe
                                                                                                                                                                                                               dem mittelhochdeutschen Wort „zimber“, das Bauholz              anders war. Zimmerleute tragen auf Wander-
                                                                                                                                                                                                               bedeutete.                                                      schaft eine schwarze Hose, eine schwarze
                                                                                                                                                                                                                                                                               Weste, darunter ein weißes Hemd und auf dem
                                                                                                                                                                                                                                                                               Kopf einen schwarzen Hut. Auch heute sieht
                                                                                                                                                                                                                                                                               man sie manchmal in deutschen Städten,
                                                                                                                                                                                                                                                                               Zimmerleute gehen immer noch auf Wander-
                              Personen              ca. 88.000                        „ICH BIN DIE EINZIGE, DIE EIN HANDWERK LERNEN WOLLTE.“                                                                   ich auf der Baustelle am Ende des Tages sehen kann, was         schaft und sind an ihrer traditionellen Kleidung
                              in dem Beruf                                                                                                                                                                     ich geschafft habe. In meiner Firma machen wir Dächer           leicht zu erkennen.
                              Anzahl der       ca. 13.900                             Frauen im Zimmerhandwerk sind eher selten. Die 18-jäh-                                                                   neu oder bauen Dachstühle, also die Konstruktionen aus
                              Zimmererbetriebe                                        rige Lea Hollstein hat sich trotzdem dafür entschieden.                                                                  Holz, die die Dächer tragen.
                              Welche Betriebe       Zimmereibetriebe,                 Sie macht in Kassel eine Ausbildung als Zimmerin und ist
                              bilden aus?           Bauunternehmen                    jetzt im zweiten Lehrjahr.                                                                                               Was muss man in dem Beruf gut können?
                              Männer/Frauen in      vor allem Männer,                                                                                                                                          Man muss räumlich denken können und darf nicht
                              dem Beruf             nur sehr wenige Frauen            Warum wollten Sie Zimmerin werden?                                                                                       schnell aufgeben. Außerdem braucht man ein Interesse
                                                                                      Mein Vater hat eine Zimmerei und ich war schon als                                                                       für Mathematik und für das Zeichnen von Plänen.
                              Ausbildungsweg        drei Jahre
                                                                                      Kind oft in seiner Werkstatt. Ich bin sozusagen damit
                              Wo arbeiten     Zimmereibetriebe,
                                                                                      aufgewachsen. In der neunten Klasse habe ich dann mein                                                                   Was möchten Sie nach der Ausbildung machen?
                              Zimmerer/Zimme- Bauunternehmen
                                                                                      Schulpraktikum in einer Zimmerei gemacht. Ich wollte                                                                     Ich möchte bei meinem Vater in der Firma arbeiten oder
                              rinnen nach der
                              Ausbildung?                                             wissen, ob der Beruf etwas für mich ist. Danach wusste                                                                   noch ein Jahr ins Ausland gehen, nach Kanada, Schweden
                                                                                      ich: Ja, das möchte ich lernen. Jetzt mache ich meine                                                                    oder Norwegen. Wir waren im letzten Jahr mit der Schule
                                                                                      Ausbildung in dieser Firma.                                                                                              auf einem Austausch in Schweden. Dort arbeiten sie ganz
                                                                                                                                                                                                               anders. Das war sehr interessant. Ich möchte gern neue
                                                                                      Ist es immer noch ungewöhnlich, dass ein Mädchen eine                                                                    Arbeitstechniken lernen. Der Holzbau ist in den verschie-
                                                                                      Ausbildung zur Zimmerin macht?                                                                                           denen Ländern ja ganz unterschiedlich.
                                                                                      Ja. In meiner Klasse an der Berufsschule sind drei Frauen
                                                                                      und 40 Männer. Von meinen Freundinnen bin ich die ein-                                                                   Würden Sie gern heute noch auf die „Walz“, also auf
                                                                                      zige, die ein Handwerk lernen wollte. Die meisten machen                                                                 Wanderschaft gehen?
                                                                                      Abitur. Aber ich wollte nicht noch mal zwei oder drei Jah-                                                               Nein, das ist nichts für mich. Ich gehe lieber mit einer
                                                                                      re zur Schule gehen. Zwar muss ich auch zur Berufsschule,                                                                Organisation ins Ausland. Für die Walz gibt es zu viele
                                                                                      aber die ist einfacher und man hat weniger Unterricht als                                                                Vorschriften: Man muss sich die Arbeit selbst suchen, darf
                                                                                      auf dem Gymnasium. Die meiste Zeit bin ich im Betrieb.                                                                   zwischendurch nicht nach Hause fahren und nur bestimmte
                                                                                                                                                                                                               Verkehrsmittel benutzen. Ich kenne nicht viele Leute, die das
                                                                                      Was mögen Sie an Ihrem Beruf?                                                                                            machen möchten. Aus meiner Klasse will das zum Beispiel
                                                                                      Ich arbeite sehr gern mit Holz. Und ich finde es toll, dass                                                              niemand. Ich glaube, es ist einfach nicht mehr so verbreitet.

                              Kalenderbild: © dpa; Fotograf: Armin Weigel
                              Rückseite: © picture alliance/Matthias Balk/dpa • © pixabay.com

Goethe_Kal_2020_Back.indd 8                                                                                                                                                                                                                                                                                                       16.08.19 11:11
MODIST*IN
                                                                                                                                                                 SCHÖNES FÜR DEN KOPF
                                                                                                                                                                  Ein Modist/eine Modistin ist ein Hutmacher/eine Hut-
                                                                                                                                                                  macherin. Doch seit 2004 gibt es die Berufsbezeichnung
                                                                                                                                                                  Hutmacher*in offiziell in Deutschland nicht mehr. Seit-
                                                                                                                                                                  dem werden sie Modist*innen genannt. Früher stellten
                                                                                                                                                                  Hutmacher*innen vor allem Hüte für Männer her und
                                                                                                                                                                  Modist*innen Hüte und Kopfschmuck für Frauen.
                                                                                                                                                                  Kopfschmuck trugen die Menschen schon lange bevor es
                                                                                                                                                                  Hüte gab. Die ersten Hüte schützten die Menschen vor
                                                                                                                                                                  Sonne und Regen. Sie wurden vor rund 2.500 Jahren von
                                                                                                                                                                  Handwerkern im alten Griechenland getragen.
                                                                                                                                                                  Auf deutschem Gebiet trugen die Menschen zum ersten            Herrenhüte galten als langweilig und altmodisch. Sie
                                                                                                                                                                  Mal vor rund 1.000 Jahren Hüte, die sie aus Stroh her-         waren ein Symbol für alte Traditionen.
                                                                                                                                                                  stellten. Rund 200 Jahre später gab es bereits verschiede-     Heute tragen die meisten Deutschen nur noch etwas auf
                                                                                                                                                                  ne Hutformen und der Beruf des Hutmachers/der Hut-             dem Kopf, um sich gegen Kälte, Regen oder vor der Sonne
                                                                                                                                                                  macherin entwickelte sich. Lange war er sehr bedeutend,        zu schützen. Allerdings: Zu besonderen Gelegenheiten,
                                                                                                                                                                  denn jede Zeit hatte ihre eigene Hutmode, die sich immer       wie zum Beispiel Hochzeiten, werden wieder vermehrt
                                                                                                                                                                  wieder änderte – für Männer und auch für Frauen. Ein Hut       Hüte getragen. Das Handwerk der Modist*innen ist eng
                                                                                                                                                                  gehörte zu einer gut angezogenen Person. Erst mit der          mit Mode verbunden. Modist*innen arbeiten mit vielen
                                                                                                                                                                  Jugendbewegung Ende der 1960er Jahre, den sogenannten          unterschiedlichen Materialien. Sie nähen und gestalten
                                                                                                                                                                  68ern, ging in Europa der Trend weg von Hüten und hin          Hüte mit viel Fantasie. Momentan machen nur rund
                                                                                                                                                                  zu modischen Frisuren. Jetzt war es die Haarmode, über         40 Jugendliche in ganz Deutschland eine Ausbildung in
                                                                                                                                                                  die man seinen persönlichen Stil zeigte. Damen- und            diesem Beruf.

                              Personen in dem        circa 300                         „SCHÖNER HUT. WOHER HABEN SIE DENN DEN?“
                              Beruf
                              Anzahl der Hut-        circa 225                         Katrin Eisenblätter ist seit ihrem 18. Lebensjahr Modistin.               Wie viel kostet ein Hut letzten Endes?                                           auch oft eine Kappe. Es gibt ja mittlerweile
                              werkstätten                                              Seit 20 Jahren führt sie mit einer Partnerin ein Hutge-                   Ein Sonnenhut kostet ungefähr 250 Euro. Die auffälligen                          schöne Kappen für Frauen. Manchmal wer-
                              Welche Betriebe        Hutwerkstätten, Theater,          schäft in München. Dort stellt sie alle Hüte in Handarbeit                Hüte für Pferderennen können dagegen ungefähr 1.500                        de ich auf der Straße auf meinen Hut angespro-
                              bilden aus?            Opernhäuser und Unter-            selbst her.                                                               Euro kosten. Diese Hüte sind etwas ganz Besonderes:           chen. „Schöner Hut. Woher haben Sie denn den?“ Dann sage
                                                     nehmen, die industriell                                                                                     Sie sind oft sehr groß, bestehen aus ungewöhnlichen Ma-       ich: „Ich bin Hutmacherin, kommen Sie doch mal vorbei.“
                                                     Hüte herstellen                   Frau Eisenblätter, für welche Gelegenheiten kaufen die                    terialien, wie zum Beispiel Federn, oder haben verrückte      So habe ich schon einige neue Kundinnen gewonnen.
                              Männer/Frauen in       vor allem Frauen, nur             Leute in Ihrem Geschäft Hüte?                                             Formen. Im Sommer, wenn die Pferderennsaison ist, sind
                              dem Beruf              sehr wenige Männer                Eigentlich für alle: für den Sommer, für den Winter, für                  solche Hüte bei uns sehr gefragt.
                              Ausbildungsweg         drei Jahre                        Regen und Schnee. Besonders viele Hüte verkaufen wir
                                                                                       aber für Hochzeiten und Pferderennen. Und auch Sonnen-                    Gab es in den letzten Jahren bestimmte Entwicklungen?
                              Wo arbeiten            Hutwerkstätten, Theater,
                              Modist*innen           Opernhäuser und Unter-            hüte sind sehr populär: für den Urlaub, aber auch für die                 Ja, es gab einige. Zuerst einmal sind Hüte wieder belieb-
                              nach der Ausbil-       nehmen, die industriell           Stadt. Sonnenhüte sind in den letzten Jahren ein sehr gro-                ter geworden, vor allem Sommerhüte. Seit einigen Jahren
                              dung?                  Hüte herstellen                   ßes Thema geworden. Wir haben übrigens nicht nur Hüte                     legen die Leute Wert auf das Thema Sonnenschutz. Ein
                                                                                       für Frauen, sondern auch für Männer. Ungefähr ein Drittel                 anderer Trend sind sportliche Hüte sowie Kappen und
                                                                                       unserer Kunden sind Männer. Und es werden immer mehr.                     Mützen, die wir auch machen. Außerdem sind Herrenhüte
                                                                                                                                                                 wieder mehr gefragt, vor allem coole und trendige Hüte
                                                                                       Wie lange arbeiten Sie an einem Hut?                                      für die Freizeit, aber auch Sonnenhüte. Unsere Kunden
                                                                                       Das ist sehr unterschiedlich. Je nach Material und Ar-                    sind meist junge Männer.
                                                                                       beitsaufwand sind es zwei bis zehn Stunden. Wir fertigen
                                                                                       die Hüte ja auf Maß. Das heißt, wir messen den Kopf und                   Tragen Sie selbst im Alltag auch Hüte?
                                                                                       achten auch auf die spezielle Kopfform der Kundin oder                    Natürlich. Je nach Anlass habe ich den passenden Hut auf.
                                                                                       des Kunden, sodass der Hut perfekt passt. Wir machen                      Heute ist es warm und die Sonne scheint, also bin ich mit
                                                                                       alles selbst und gehen sehr viel auf Kundenwünsche ein.                   einem Strohhut aus dem Haus gegangen. Ich trage aber

                              Kalenderbild: © Bastian Beuttel
                              Rückseite: © picture-alliance/dpa-infografik • © picture alliance/dpa Themendienst; Fotografin: Ina Fassbender • © pixabay.com • © (c) dpa – Bildarchiv; Fotograf: Uli Deck

Goethe_Kal_2020_Back.indd 9                                                                                                                                                                                                                                                                      16.08.19 11:11
KERAMIKER*IN
                                                                                                                                                   „DAS TOLLE AM TÖPFERN IST, DASS
                                                                                                                                                   ICH SCHNELL DEN ERFOLG SEHE.“

                                                                                                                                                                                                                  kann immer besser werden. Ich kann mein Auge üben und
                                                                                                                                                                                                                  eine immer bessere Wahrnehmung für den Ton und für
                                                                                                                                                                                                                  die Drehgeschwindigkeit der Töpferscheibe entwickeln.
                                                                                                                                                                                                                  Wenn ich eine ganze Serie von einem Gegenstand drehe,
                                                                                                                                                                                                                  dann merke ich, wie mein Werk von Mal zu Mal besser
                                                                                                                                                                                                                  wird.

                                                                                                                                                                                                                  Sie stellen keine Einzelstücke her, sondern produzieren
                                                                                                                                                                                                                  in Masse?
                                                                                                                                                                                                                  Genau. Ich bin Handwerkerin, keine Künstlerin. Ich muss   Krüge, die nur ich genau so mache. Denn in jeden Topf
                                                                                                                                                                                                                  eine große Menge herstellen, um genug zu verkaufen.       gibt man als Keramikerin ein Stück Seele hinein, das
                                                                                                                                                                                                                  Denn davon muss ich leben können. Pro Jahr verbrauche     erkennt man dann auch. Ich bin zum Beispiel ein eher
                                                                                                                                                                                                                  ich ungefähr 6.000 Kilogramm Ton.                         strukturierter Typ und das sieht man auch an meinem
                                                                                                                                                                                                                                                                            Ton. Ich mag da vor allem die klaren Linien.
                                                                                                                                                                                                                  Was drehen Sie am liebsten?
                                                                                                                                                                                                                  Ich mag die schwierigen Sachen, wie zum Beispiel eine     Was ist für Sie eine Herausforderung an Ihrem Beruf?
                                                                                                                                                                                                                  Ölflasche oder eine Vogeltränke, wo ich den Anspruch      Es ist manchmal schwer, die Vermarktung und die Pro-
                                                                                                                                                                                                                  habe, es wirklich gut zu machen. Ich drehe auch gerne     duktion gleichzeitig hinzubekommen. Ich muss immer
                                                                                                                                                                                                                                                                            neue Verkaufswege und neue Märkte finden, auf denen
                                                                                                                                                                                                                                                                            ich meine Tonwaren verkaufen kann. Und ich muss da-
                                                                                                                                                                                                                                                                            mit leben können, dass jedes Jahr anders verläuft, dass
                                                                                                                                                                                                                                                                            ich also schlecht planen kann. Und Chefin bin ich auch
                                                                                                                                                   Anne Schattka-Steinbruch töpfert schon ihr halbes Leben                                                                  noch. Es ist nicht immer leicht, alles unter einen Hut zu
                                                                                                                                                   lang. Sie war 17 Jahre alt, als sie die Schule verließ, um                                                               bringen. Aber man muss es schaffen.
                               Personen              rund 1.400                        SCHÜSSELN ODER FIGUREN                                      eine Ausbildung zur Keramikerin zu beginnen. Nun ist
                               in dem Beruf                                            FORMEN                                                      sie 39 und betreibt auf einem Dorf in Brandenburg ihre
                               Anzahl der            ungefähr 400 (mit                                                                             eigene Keramikwerkstatt.
                               Keramik-              fest angestellten                 Das Keramikhandwerk gilt als eines der ältesten der Welt.
                               unternehmen           Mitarbeiter*innen)                Fast 30.000 Jahre alt sind einige Keramikfiguren, die       Wann haben Sie das erste Mal getöpfert?
                               Welche Betriebe       Keramikmanufakturen               Wissenschaftler bisher entdeckt haben. Keramiker*innen      Daran kann ich mich gut erinnern. Ich war 13 Jahre alt
                               bilden aus?                                             arbeiten mit Ton, einem natürlichen Material aus der        und habe ein Praktikum in einer Werkstatt gemacht, in
                               Männer/Frauen in      ungefähr zwei Drittel             Erde. Früher, als die Keramiker*innen die ersten Figuren    der Menschen mit Behinderung arbeiteten. Damals habe
                               dem Beruf             Frauen und ein Drittel            und Töpfe herstellten, benutzten sie nur ihre Hände, um     ich kleine Fische aus Ton hergestellt. Später, als ich meine
                                                     Männer                            den Ton in eine bestimmte Form zu bringen. Sie formten      Ausbildung anfing, war mein erstes Werk eine Schüssel,
                               Ausbildungsweg        drei Jahre; es gibt drei          das Material und brannten es anschließend in einem Ofen,    aus der ich noch jahrelang mein Müsli gegessen habe.
                                                     Fachrichtungen, auf               damit der Ton fest wurde.                                   Eines Tages ist sie leider heruntergefallen.
                                                     die man sich im dritten
                                                     Lehrjahr spezialisiert:           Vor gut 5.000 Jahren kam eine wichtige Erfindung hinzu:     Wann war Ihnen klar, dass Sie Keramikerin werden
                                                     Scheibentöpfern, Bau-             die Töpferscheibe. Diese Scheibe dreht sich, während auf    wollten?
                                                     keramik, Keramikmalen             ihr der nasse Ton bearbeitet wird. Keramiker*innen arbei-   Ich wusste das schon sehr früh. Seit ich mein erstes
                               Wo arbeiten           Keramikmanufakturen,              ten heute noch genauso wie damals: Entweder formen          Werk getöpfert hatte, war mir klar: Davon komme ich
                               Keramiker*innen       Keramikindustrie,                 sie den Ton nur mit den Händen oder mithilfe einer Dreh-    nicht mehr weg. In der elften Klasse habe ich die Schule
                               nach der              Fliesenindustrie,                 scheibe. Keramiker*innen formen zum Beispiel Schüsseln,     verlassen. Ich wollte kein Abitur machen, sondern eine
                               Ausbildung?           Restaurierung, Dachzie-           Teller, Tassen oder kleine Figuren. Nur wenn Keramik in     Ausbildung zur Keramikerin. Wenige Jahre nach meiner
                                                     gelindustrie. Möglich ist         großen Industriebetrieben hergestellt wird, werden wei-     Ausbildung habe ich mich dann selbstständig gemacht.
                                                     auch ein anschließendes
                                                                                       tere Maschinen eingesetzt. Ton wird sehr hart und geht      Das ist jetzt knapp 15 Jahre her. Zu meinem Betrieb gehö-
                                                     künstlerisches Studium.
                                                                                       auch bei großer Hitze nicht kaputt. Das ist sein Erfolgs-   ren mittlerweile eine Angestellte und ein Lehrling.
                                                                                       rezept. Dadurch kann er für die unterschiedlichsten
                                                                                       Zwecke benutzt werden – zum Beispiel für Fliesen im         Was mögen Sie an Ihrer Arbeit?
                                                                                       Bad oder als Kacheln an Öfen und für die Herstellung        Das Tolle am Töpfern ist, dass ich schnell den Erfolg sehe.
                                                                                       von Geschirr.                                               Ich mache etwas und sehe es dann sofort vor mir. Und ich

                               Kalenderbild: © picture alliance/Westend61; Konstantin Trubavin
                               Rückseite: © Schattka-Steinbruch

Goethe_Kal_2020_Back.indd 10                                                                                                                                                                                                                                                                                                            16.08.19 11:11
GEIGENBAUER*IN
                                                                                                                                                                  „ICH HABE KUNDEN AUF DER GANZEN WELT.“
                                                                                                                                                                  Als Kind kam Christopher Ebersberger oft in die Geigenbau-                  konnten. Mein Großvater war gelernter Schreiner und
                                                                                                                                                                  Werkstatt seines Großvaters und schaute ihm bei der                         hatte irgendwann begonnen, sich für den Geigenbau zu
                                                                                                                                                                  Arbeit zu. Mit 16 Jahren wusste er, dass auch er diesen                     interessieren. Ich mache heute alles selbst. Dadurch kann
                                                                                                                                                                  Beruf lernen möchte. Mittlerweile ist er 32 Jahre alt, hat                  ich eine höhere Qualität erreichen und den ganzen Bau
                                                                                                                                                                  einen Meister im Geigenbau gemacht und eine eigene                          der Geige kontrollieren.
                                                                                                                                                                  Werkstatt im bayrischen Möhrendorf eröffnet. Seine Kun-
                                                                                                                                                                  den kommen aus der ganzen Welt zu ihm.                                      Wie schaffen Sie es, eine Geige mit dem perfekten Ton zu
                                                                                                                                                                                                                                              bauen?
                                                                                                                                                                  Herr Ebersberger, schon Ihr Großvater und Ihr Vater wa-                     Den einen perfekten Ton gibt es nicht, denn die Geschmä-
                                                                                                                                                                  ren Geigenbauer. Wieso haben Sie sich dafür entschie-                       cker sind ja verschieden. Der eine will zum Beispiel einen
                                                                                                                                                                  den, die Familientradition fortzusetzen?                                    hellen Ton, der andere einen dunklen. Ich achte bei mei-
                                                                                                                                                                  Ich wollte auch etwas mit meinen eigenen Händen ma-                         nen Geigen immer darauf, dass sie eine leichte Ansprache
                                                                                                                                                                  chen, weil ich damit viel individueller arbeiten kann, als                  haben. Das bedeutet, dass das Instrument schnell reagiert      ich einen Geigenlehrer, der für seine Schüler bei mir
                                                                                                                                                                  wenn ich mit Maschinen arbeiten müsste. Und ich mag                         und der Geiger den Bogen nicht zu sehr auf die Saiten          Instrumente bestellt. Er kommt dann persönlich in meine
                                                                                                                                                                  es, dass am Ende etwas entsteht, das gut klingt und die                     drücken muss. So etwas kann ich beim Bauen beeinflussen.       Werkstatt, um mit mir über die neuen Geigen zu sprechen,
                                                                                                                                                                  Menschen verzaubert.                                                                                                                       die er haben möchte.
                                                                                                                                                                                                                                              Viele Geigenbauer*innen verdienen ihr Geld mit Geigen-
                                                                                                                                                                  Arbeiten Sie heute genauso wie Ihr Großvater?                               reparatur und -verleih. Sie bauen aber fast ausschließ-        Sie haben Ihre Werkstatt vor gut zehn Jahren eröffnet.
                                                                                                                                                                  Bei meinem Opa und meinem Vater war die Arbeit anders.                      lich neue Instrumente. Wer sind Ihre Kunden?                   Hat es Ihnen geholfen, dass Ihre Familie schon im
                                                                                                                                                                  Sie haben beide nur Teilschritte erledigt, also bestimmte                   Ich habe Kunden auf der ganzen Welt: in Japan, China,          Geigenbau gearbeitet hat?
                                                                                                                                                                  Teile vom Holz bearbeitet. Damals machte man es so, weil                    Österreich, Holland und Deutschland. Es sind Händler           Ich habe damals praktisch bei null angefangen. Alle Kun-
                                                                                                                                                                  auf diese Weise schneller viele Geigen hergestellt werden                   dabei, Berufsmusiker und Musikstudenten. In China habe         den, die ich jetzt habe, habe ich selbst gefunden. Ich bin
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             auf Messen gegangen und habe ausgestellt, das gehört
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             für mich zu meiner Arbeit als Geigenbauer dazu. Ich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             kümmere mich auch um den Einkauf, führe Gespräche mit
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             den Kunden und Händlern und mache den Verkauf.
                               Anzahl der             630 (Schätzwert)                  DAS HOLZ ZUM KLINGEN BRINGEN                                                                                                                          Der Himmel hängt voller Geigen.
                               Personen                                                                                                                                                                                                                                                                      Spielen Sie eigentlich selbst auch Geige?
                               Anzahl der             623                               Geigenbauer*innen sind immer auf der Suche nach dem                                                                                                   Die erste Geige spielen.                                       Ich kann ein paar Töne spielen, aber leider bin ich nicht
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             damit aufgewachsen, ein Instrument zu spielen. Es hilft
                               Geigenbauwerk-                                           perfekten Ton. Dafür müssen sie das Holz ihres Instru-
                               stätten                                                  ments zum Schwingen bringen. Viele Tage und Wochen
                                                                                        brauchten sie, um ein Instrument herzustellen. Alles
                                                                                                                                                                                                                                              Jemandem die Meinung geigen.                                   sicher bei der Arbeit, wenn man das kann, aber es muss
                                                                                                                                                                                                                                                                                                             nicht sein.
                               Welche Betriebe        Geigenbauwerkstätten,
                               bilden aus?            Musikinstrumenten-
                                                      bauschule Mittenwald,
                                                                                        in Handarbeit und mit viel Geduld. Geigenbauer*innen
                                                                                        benutzen Holz aus Ländern südlich der Alpen, etwa aus
                                                                                                                                                                                                                                              Zart besaitet sein.
                                                      Berufsfachschule Instru-          Serbien, Kroatien, Bosnien oder Rumänien. Das Holz dort
                                                      mentenbau Klingenthal             gilt als das beste.
                               Männer/Frauen          nur wenige Frauen,                Geigenbauer*innen arbeiten heute noch fast genauso wie
                               in dem Beruf           ungefähr 20 Prozent               früher. Denn der Geigenbau ist ein traditionelles Hand-                                                                                                                  BERÜHMTE GEIGEN
                               Ausbildungsweg         3 bis 3,5 Jahre                   werk. Seit die Geige vor rund 500 Jahren erfunden wurde,                                                                                                                 Manche Geigen sind nicht nur sehr wertvoll,
                               Wo arbeiten            Geigenbauwerkstätten,             hat sich ihre Gestalt fast nicht mehr verändert. Die Geigen                                                                                                              sie haben sogar einen eigenen Namen.
                               Geigenbauer*           Musikinstrumenten-                von damals gelten als klanglich ausgezeichnet. Die Stars
                               innen nach der         baufirmen, Musikalien-            unter den Geigen wurden im 17. Jahrhundert im italieni-                                                                                                                  Die „Lady Blunt“-Stradivari: Rund 11 Millionen
                               Ausbildung?            handel                            schen Cremona hergestellt, wo die berühmten Geigen-                                                                                                                      Euro bezahlte jemand im Jahr 2011 für die
                                                                                        bauer Stradivari, Guarneri und Amati ihre Werkstätten                                                                                                                    Stradivari-Geige „Lady Blunt“. Dieses Instru-
                                                                                        hatten. Viele Musikerinnen und Musiker träumen auch                                                                                                                      ment wurde 1721 von dem italienischen Gei-
                                                                                        heute noch davon, einmal auf einem dieser alten Instru-                                                                                                                  genbauer Stradivari gebaut. Die Geige bekam
                                                                                        mente zu spielen. Doch: Diese Geigen können sich nur                      Trotz der Liebe zur Tradition probieren auch Geigen-                                           ihren Namen von Anne Blunt. Sie war die Erste,
                                                                                        wenige leisten. Deshalb spielen Musiker*innen oft auf                     bauer*innen Neues: Seit einigen Jahren werden industriell                                      die auf dieser Geige spielte. Das Besondere an
                                                                                        neuen Instrumenten. In Deutschland haben Geigenbauer*innen                auch Geigen aus Kunststoff hergestellt und elektrische                                         dieser Geige: Trotz ihres Alters ist sie in einem
                                                                                        eine besonders große Kundschaft, weil es sehr viele                       Geigen, mit denen beispielsweise der weltberühmte                                              ausgezeichneten Zustand.
                                                                                        klassische Orchester gibt.                                                Geiger David Garrett Konzerte spielt. Solche Auftritte sind                                    Die „ex-Carrodus“ von Giuseppe Guarneri del
                                                                                                                                                                  aber eine Ausnahme, denn nach wie vor ist die klassische                                       Gesù: Für gut 5 Millionen Euro wechselte sie
                                                                                                                                                                  Geige im Konzertbetrieb am wichtigsten.                                                        zuletzt ihren Besitzer. Es wird vermutet, dass
                                                                                                                                                                                                                                                                 früher der berühmte Geiger Niccolò Paganini
                                                                                                                                                                                                                                                                 auf ihr spielte. Sie wurde 1741 gebaut und
                                                                                                                                                                                                                                                                 nach dem englischen Violinisten John Carrodus
                               Kalenderbild: picture alliance/Westend61; Fotograf: Andrés Benitez                                                                                                                                                                benannt, dem sie viele Jahre gehörte.
                               Rückseite: © Winfried Besslich/toonpool.com • © (c) dpa-infografik • © picture alliance/Sueddeutsche Zeitung Photo; Fotograf: Florian Peljak • © picture-alliance/dpa-infografik • © Christopher Ebersberger

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