Erfolgreich umgesetzt Ausgabe 2 - Mittelstand-Digital Zentrum ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Was ist Mittelstand-Digital? Mittelstand-Digital informiert kleine und mittlere Unternehmen über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Die geförderten Kompetenzzentren helfen mit Expertenwissen, Demonstrationszentren, Best-Practice-Beispielen sowie Netz- werken, die dem Erfahrungsaustausch dienen. Das Bundesmi- nisterium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ermöglicht die kostenfreie Nutzung aller Angebote von Mittelstand-Digital. Der DLR Projektträger begleitet im Auftrag des BMWi die Kompetenzzentren fachlich und sorgt für eine bedarfs- und mittelstandsgerechte Umsetzung der Angebote. Das Wissen- schaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste Das Mittelstand (WIK) unterstützt4.0-Kompetenzzentrum Hannover wird mit wissenschaftlicher Begleitung, vom Vernetzung Bundesministerium für Wirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit. und Energie gefördert. Das Zentrum ist Teil der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“ im Rahmen des Förder- Weitere Informationen schwerpunkts finden Sie–unter: „Mittelstand-Digital Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“. www.mittelstand-digital.de Institut für Integrierte Produktion Hannover
Digitalisierung erfolgreich umgesetzt Berend Denkena Editorial 3 Daniel Arnold, Lisa Lorenz, Eike Asche Windkraft: mobile Endgeräte zur Inspektion 4 Michael Rehe, Christian Wagener Effizente Variantenfertigung in Losgröße 1 10 Michael Rehe, Daniel Arnold, Siebo Stamm IIoT Plattformen für produzierende KMU 16 Dominik Melcher Datenmangement für den Produktionsprozess 22 Christian Teige Prozessüberwachung von Walzwerkzeugen 28 Anatholy Glukhovskoy, Daniel Klaas Wasseranalysegerät wird Industrie 4.0-fähig 34
Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover „Mit uns digital!“ macht mit- telständische Unternehmen fit für die digitale Zukunft. Für die Unternehmen bieten wir Informationsveranstaltungen, Schulungen und Firmengespräche. Da- rüber hinaus begleiten wir Unternehmen auch bei der Umsetzung von Digitali- sierungsvorhaben. In dieser zweiten Ausgabe „Digitalisierung – erfolgreich um- gesetzt“ stellen wir Ihnen sechs unserer Umsetzungsprojekte vor, um Ihnen einen Einblick über den vielfältigen Einsatz von Digitalisierungslösungen zu geben. „Windkraft: mobile Endgeräte zur Inspektion“ beschreibt ein Projekt mit der IFE Ingenieurgesellschaft für Energieprojekte mbH & Co. KG zur durchgängi- gen Digitalisierung des Inspektionsprozesses bei Windkraftanlagen. Mit der Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena, KS HUAYU Bearbeitungs GmbH hat „Mit uns digital!“ eine automatische Bau- Vorstandsvorsitzender „Mit teilidentifikation in der Maschine und eine Kommunikation mit dem Leitsystem uns digital!“ im Unternehmen umgesetzt. Diese Realisierung ermöglicht dem Automobilzu- lieferer eine effiziente Variantenfertigung in Losgröße 1. Welchen Nutzen ha- ben IIot-Plattformen für kleine und mittlere Unternehmen? Wie kann eine Platt- formintegration gelingen? Diese Fragen werden im Projekt „IIoT-Plattformen für produzierende KMU“ mit der Lauscher Präzisionstechnik GmbH beantwortet. „Datenmanagement für den Produktionsprozess“ heißt das Projekt mit der Ex- portverpackung Sehnde GmbH. Eine neue Softwarearchitektur steigert die Ef- fizienz der Prozesse im Unternehmen. Ist die Prozessüberwachung von Walz- prozessen möglich? Wie können dafür Plattformsysteme zum Zusammenführen und Auswerten von Produktionsdaten genutzt werden? Dies sind Fragen, die im Projekt „Prozessüberwachung von Walzwerkzeugen mit der ECOROLL AG be- antwortet werden. Das Projekt mit der Gebrüder Heyl Analysentechnik GmbH & Co.KG beschreibt die Digitalisierung eines Wasseranalysegerätes. Die Um- setzung im Unternehmen ermöglicht eine präventive Wartung und bildet die Basis für ein neues datengetriebenes Geschäftsmodell. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen. 3
Windkraft: mobile Endgeräte zur Inspektion Schnell und zuverlässig soll sie sein – die Inspektion von Windkraftan- Firmenprofil lagen. Diese Anforderung an die Inspektion gewinnt durch die steigende Die Ingenieurgesellschaft für Anzahl der Anlagen im Zuge der Energiewende zunehmend an Bedeutung. Energieprojekte mbH & Co. KG Die Digitalisierung bietet hierbei Werkzeuge an, um das Ziel zu erreichen, Unternehmensgruppe arbeitet seit Arbeitsprozesse weiter zu verbessern und schlanker zu gestalten. Die mehr als 20 Jahren als Full-Ser- Potenziale der Digitalisierung können jedoch nur ausgeschöpft werden, vice-Dienstleister im Bereich rege- wenn Geschäftsführung und Mitarbeitende diese Entwicklung unterstüt- nerativer Energiegewinnung durch zen sowie für das Thema sensibilisiert und qualifiziert sind. Windenergieanlagen. Das Portfo- lio des Unternehmens umfasst die Mit dieser Zielstellung hat die Ingenieurgesellschaft für Energieprojekte mbH Planung und Beratung, die techni- & Co. KG (IFE) zusammen mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Han- sche und kaufmännische Betriebs- nover ein Projekt initiiert und umgesetzt. Anhand des Anwendungsfalls „Ein- führung sowie die technische In- satz von mobilen Endgeräten zur Inspektion von Windkraftanlagen“ fand zum spektion von Windkraftanlagen. einen eine Sensibilisierung und Qualifizierung der Belegschaft statt und zum Insgesamt beschäftigt das Unter- anderen wurden die Arbeitsprozesse in der Inspektion von Windkraftanlagen nehmen etwa 20 Mitarbeiter. effizienter gestaltet und digitalisiert. Die IFE in Emden ist Dienstleister für die Instandhaltung und den Betrieb von Windkraftanlagen. Sie planen Windparks und leisten die technische Inspektion von Anlagen. Die Mitarbeitenden der tech- nischen Betriebsführung begehen und inspizieren unter Einsatz von Wartungs- protokollen die Windkraftanlagen. Vor der Projektumsetzung mit dem Kom- 4
petenzzentrum fertigten die Mitarbeitenden die Protokolle stand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover begleitet hat, um zu den Inspektionen handschriftlich an (Ausfüllen von Vor- die Mitarbeitenden für die Digitalisierung zu sensibilisieren drucken an der Anlage) und übertrugen ihre Einschätzun- und die Digitalisierung der Inspektion von Windkraftanla- gen anschließend im Büro in das digitale Protokoll. Die- gen voranzutreiben. se Übertragung ist zeitaufwendig und anfällig für Fehler. Die Fachkräfte der technischen Betriebsführung stellen den Eine ganz wesentliche Rolle bei der Optimierung solcher reibungslosen Betrieb durch Anlagenbegehungen sicher. Sie Prozesse wie bei der IFE und der erfolgreichen Umsetzung erstellen den Inspektionsbericht der Windkraftanlagen hand- spielen die Mitarbeitenden. Sie müssen erkennen, welche schriftlich auf einem Klemmbrett während der Begehung. Möglichkeiten die Digitalisierung für eine Prozessoptimie- Diese Inspektion ist bis jetzt wenig digitalisiert und erfordert rung bietet. Im Umsetzungsprojekt mit der IFE hat das Kom- einen hohen Einsatz von Papier. Bei der Durchführung der petenzzentrum Hannover Workshops zum Thema Digitalisie- Inspektion fahren zwei Mitarbeiter zur inspizierenden Wind- rung durchgeführt und den Mitarbeitenden unter anderem kraftanlage und dokumentieren deren Zustand. Abbildung in der Generalfabrik des Zentrums Digitalisierungslösungen 1 zeigt einen Mitarbeiter aus der technischen Betriebsfüh- demonstriert. Die Angestellten der IFE waren dadurch in der rung bei der Vermessung von Rissen in der Außenfassade. Lage, selbstständig in ihren eigenen Arbeitsbereichen Digita- lisierungsmöglichkeiten zu identifizieren und Änderungspro- Die Dokumentation findet auf einem vorher ausgedrucktem zesse anzustoßen. Das Thema Digitalisierung wurde nach- Formular statt. Aufgefundene Mängel werden handschrift- haltig bei allen Mitarbeitenden eingeführt. lich notiert und kommentiert. Mit Hilfe einer Kamera wird der Schaden zusätzlich fotografiert. Problemstellung Im Zuge der Energiewende entstehen immer mehr Wind- Anschließend wird das Protokoll im Büro digitalisiert. Dazu kraftanlagen. Durch diesen erhöhten Bedarf für die Planung werden die handschriftlichen Notizen in ein Word-Dokument der Windkraftanlagen als auch bei der Betriebsführung ge- überführt, die Bilder eingefügt und im Protokoll den Schäden winnt die effiziente Bearbeitung der Wartung dieser Anla- zugewiesen. Das fertige Dokument wird zur Dokumenten- gen an Bedeutung. Wenn die Arbeitszeit von Fachkräften ablage ausgedruckt und abgeheftet. Diese Medienbrüche für langwierige verwaltungstechnische Aufgaben (z. B. die waren eine Ursache für Fehler im Protokoll. Darüber hinaus Erstellung eines Inspektionsprotokolls) gebunden wird, feh- erschwert die individuelle Beschreibung von Mängeln die len diese Kapazitäten bei wertschöpfenden Tätigkeiten. Im Interpretation für die Auftraggeber: Identische Schadens- Folgenden wird der Prozess beschrieben, den das Mittel- fälle, die von unterschiedlichen Mitarbeitern individuell be- Abbildung 1: Die Windkraftanlage wird von außen inspiziert und festgestellte Risse vermessen. 5
schrieben werden, bieten für den Auftraggeber eine grö- ßere Interpretationsbreite hinsichtlich der Maßnahmen zur Behebung der Mängel. Der erhöhte Aufwand, der durch die Medienbrüche beim Erstellen des Inspektionsprotokolls ent- steht, hat eine längere Bearbeitungszeit zur Folge. Mit der Digitalisierung konnte diese Bearbeitungszeit reduziert und der Service des IFE weiter verbessert werden, da die Auf- traggeber/innen schneller von den festgestellten Mängeln erfahren und darauf reagieren können. Abbildung 2 zeigt einen Mitarbeiter bei der Erstellung des handschriftlichen Inspektionsprotokolls. Dieser beispielhafte Arbeitsprozess Abbildung 3: Ablauf des Umsetzungsprojektes mit den Zielen der Workshops war der Startpunkt für die IFE, sich mit den Potenzialen der Digitalisierung zu beschäftigen und dabei die gesamte Be- die Teilnehmenden in der Generalfabrik bei der Durchfüh- legschaft zu involvieren. In den verschiedenen Workshops rung des Produktionsszenarios ohne den Einsatz digitaler wurden nach Lösungen für mobile Endgeräte gesucht, mit Technologien. In einem abschließenden Transfer haben die denen das Protokoll digital erstellt werden kann. Mitarbeitenden des IFE erste Ideen für Projekte der Digita- lisierung entwickelt. Ziele und Lösungsschritte Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover hat drei Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover gestalte- Workshops mit der IFE durchgeführt. Dabei wurden fol- te den zweiten Workshop in Emden bei der IFE, um die Um- gende Projektziele verfolgt: setzung der Projektidee „Einsatz von mobilen Endgeräten in der Wartung von Windkraftanlagen“ zu unterstützen. Zu – Schaffung eines Bewusstseins und gemeinsamen Ver- Beginn des Workshops in Emden stand eine Prozessanalyse ständnisses für Digitalisierung bei allen Mitarbeitenden. des Ist-Standes mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – Erstellung einer Roadmap zur Umsetzung der Inspektion der Abteilung technische Betriebsführung an. von Windkraftanlagen mithilfe eines mobilen Endgerätes. – Befähigung der Beschäftigten, weitere Digitalisierungs- Aus dem Ist-Stand haben die Teilnehmer des Workshops den potenziale zu erkennen und Projekte anzustoßen Soll-Zustand abgeleitet und die Anforderungen an das mo- bile Endgerät zur Wartung von Windkraftanlagen konkre- In einem interdisziplinären Projektteam hat das Mittelstand tisiert. Für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts wurden 4.0-Kompetenzzentrum Hannover diese Ziele über eine Rei- gemeinsam auf der Grundlage der vorliegenden Informa- he bedarfsgerecht gestalteter Workshops umgesetzt. Abbil- tionen detaillierte Arbeitspakete definiert. Diese wurden in dung 3 zeigt den Aufbau der Workshops und die hieraus eine Roadmap überführt und die Zuständigkeiten verteilt. Im abgeleiteten Lernziele. Abschlussworkshop haben die beteiligten Mitarbeiter die Er- gebnisse und Abläufe des Projektes zur Digitalisierung allen Der erste Workshop fand in Hannover auf dem Messege- Mitarbeitenden und der Geschäftsführung der IFE vorgestellt, lände in der Generalfabrik des Kompetenzzentrums statt. um Vorgehensweisen in der Umsetzung solcher Projekte zu Zuerst wurden gemeinsam die wichtigsten Begriffe der Di- verallgemeinern und Erfahrungen zusammenzutragen. Die gitalisierung und Industrie 4.0 erarbeitet und darauf auf- Darstellung, durch die beteiligten Personen der IFE, erhöh- bauend die Digitalisierungspotenziale in Produktionsszena- te hierbei die Akzeptanz des neuen Systems im gesamtem rien erlebbar gestaltet. Die Teilnehmenden produzierten im Team. Um zukünftig neue Projektideen umzusetzen, wurden ersten Szenario einen Kugelschreiber ohne digitale Assisten- die Abläufe abstrahiert und in eine Checkliste überführt. ten (Referenzszenario) und im zweiten Szenario mit digitalen Diese Checkliste dient als Leitfaden zur Umsetzung von Di- Technologien und Assistenten. Abbildung 4 (Seite 8) zeigt gitalisierungsprojekten. 7
Ergebnis Nutzen für den Mittelstand In Folge der neuen Impulse und der Sensibilisierung für das Das Projekt veranschaulicht für kleine und mittlere Unter- Thema Digitalisierung sind bei den Mitarbeiterinnen und nehmen, dass Digitalisierung als ganzheitlicher Transfor- Mitarbeitern neue Projektideen entstanden. Hierbei wur- mationsprozess zu begreifen ist, der sowohl eine technische de den Mitarbeitenden deutlich, dass die Digitalisierung als auch eine soziale und inhaltliche Dimension besitzt. Der als ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu sehen ist, Mittelstand kann im Besonderen die Digitalisierung als kon- der sowohl arbeitsplatzbezogen als auch bereichsübergrei- tinuierlichen Verbesserungsprozess anhand des Projektes er- fend für das ganze Unternehmen gedacht werden muss. kennen. Aus dem Projekt ist ein Leitfaden entstanden, der Die Projektideen wurden gesammelt und sollen zukünftig Mitarbeitern in anderen Unternehmen zur Verfügung steht. schrittweise umgesetzt werden. Dieser bietet eine Hilfestellung, um Digitalisierungsprojekte zu initialisieren und erfolgreich umzusetzen. Im Folgendem wird die fertig realisierte technische Umset- zung dieses Projektes beschrieben: Das mobile Endgerät Der IFE ist es sehr gut gelungen, die gesamte Belegschaft zu wird zur Erstellung des Inspektionsprotokolls bei der An- einem frühen Stadium miteinzubinden, sie für die Bedeutung lagenbegehung verwendet. Dabei werden die erfassten des Themas zu sensibilisieren, abteilungsübergreifend Projek- Mängel in einer Datenbank hinterlegt und Fotos können te zu initiierten und die Mitarbeitenden bei der Entwicklung automatisiert mit angehängt werden. Daraus lässt sich für eigener, arbeitsplatzbezogener Ideen zu unterstützen. Über die Auftraggeber/innen ein individuelles Protokoll erstel- eine Workshop-Reihe wurde ein Verständnis und Bewusstsein len, in dem eine einheitliche, standardisierte Sprache für für Digitalisierung geschaffen. Die Mitarbeitenden der IFE die festgestellten Mängel verwendet wird. Mit Hilfe der waren dadurch in der Lage, das Projekt zum Einsatz mobi- Datenbank können die Daten weiterverarbeitet werden ler Endgeräte bei der Inspektion von Windkraftanalagen und in die verwendete Planungs- und Steuerungssoftware weiterzuentwickeln. Damit die Mitarbeitenden eigenständig zur Inspektionsorganisation einfließen. Ohne erhöhten ver- bei der IFE die Digitalisierung in Zukunft weiter vorantreiben waltungstechnischen Aufwand können die Mängel nach- können, wurden im Abschlussworkshop verschiedene Vorge- verfolgt und termingerechte Nachkontrollen durchgeführt hensweisen für die Umsetzung eigener Projekte - von der werden. Zusätzlich wurde mittels eines QR-Codes an der Ideenfindung bis zur Umsetzung - erarbeitet. Windkraftanlage eine fehlerfreie und schnelle Identifikation der Anlage sichergestellt und dem Protokoll zugeordnet. Abbildung 4: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IFE beim Durchführen des Referenzszenarios. 8 8
Industrie 4.0 Für die durchgängige Digitalisierung des Inspektionsprozesses stehen folgende Aspekte der Digitalisierung im Fokus: – Einsatz mobiler Endgeräte – Auswertung der Daten zur Planung und Steuerung der Inspektionsorganisation – Eindeutige Anlagenidentifikation mittels QR-Code Autorin/Autoren Daniel Arnold, Lisa Lorenz, Eike Asche, M. Sc. ist Mitarbeiter im Mittelstand M.A. betreut im Mittelstand 4.0-Kom- M.A ist Geschäftsführer im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover „Mit petenzzentrum Hannover den Bereich 4.0-Kompetenzzentrum Hannover „Mit uns digital!“. Als Koordinator Fabrik- der Schulungen hinsichtlich pädagogi- uns digital!“. Herr Asche studierte Bil- betrieb ist er für die technischen Kom- scher und didaktischer Fragestellungen. dungswissenschaften an der Leibniz ponenten in der Generalfabrik ver- Sie studierte den Bachelor und Master Universität Hannover und arbeitete antwortlich. Daniel Arnold studierte Pädagogik an der TU Chemnitz und vor seiner Zeit am Kompetenzzentrum Mechatronik im Grundstudium und betreute bis Juni 2019 am Institut für in verschiedenen Forschungsprojekten Maschinenbau im Master an der Leib- Berufspädagogik und Erwachsenen- am Institut für Berufspädagogik und niz Universität Hannover (LUH). Seit bildung (IfBE) der LUH verschiedenen Erwachsenenbildung (IfBE) mit. Zu- 2017 ist er Doktorand am Institut für Forschungs- und Umsetzungsprojekten. dem war er als Bildungsmanager und Fertigungstechnik und Werkzeugma- Projektleiter bei unterschiedlichen Bil- schinen (IFW) und forscht im Bereich dungsanbietern tätig. Digitalisierung. 9
Effizente Variantenfertigung in Losgröße 1 Firmenprofil Die KS HUAYU Bearbeitungs GmbH Für Zulieferer in der Automobilindustrie stellt die Variantenvielfalt eine fertigt Motoren für die Automobil- große Herausforderung dar. Beim Unternehmen KS HUAYU Bearbeitungs industrie (siehe Abbildung 1). Am GmbH ist diese Herausforderung bereits angekommen. Dort werden Mo- Standort Langenhagen bei Han- toren in kleinen Serien hergestellt. Das Unternehmen konnte dabei an den nover mit rund 140 Mitarbeitern immer weiter gefassten Portfolios der Automobilhersteller, aber auch ganz werden Zylinderkurbelgehäuse und konkret an der wachsenden Variantenvielfalt im eigenen Unternehmen Zylinderköpfe in Klein- und Mit- feststellen, dass alte Prozesse nicht mehr mit den neuen Anforderungen telserie sowie unterschiedlichste Schritt halten können. Diese gehen so weit, dass selbst im durch Serien Prototypenbauteile gefertigt und geprägten Automobilbereich die Losgröße 1 längst keine Vision mehr montiert. Kunden sind alle gängi- ist. Das breite Angebot an möglichen Antrieben und Motoren bietet dem gen OEMs (Porsche, Audi, Volvo, Kunden schließlich viel Auswahl, die sich bis zum Motorenhersteller her- etc.). Im Unternehmen kommen da- unterbricht. Es stellt sich hier die Frage, ob alte Prozesse und moderne für verschiedene Fertigungstechno- Bearbeitungszentren eigentlich noch zusammenpassen. logien, wie 5-Achs Bearbeitungs- zentren zum Einsatz. Für Zulieferer in der Automobilindustrie stellt die Variantenvielfalt eine gro- ße Herausforderung dar. Beim Unternehmen KS HUAYU Bearbeitungs GmbH ist diese Herausforderung bereits angekommen. Dort werden Motoren in klei- nen Serien hergestellt. Das Unternehmen konnte dabei an den immer weiter gefassten Portfolios der Automobilhersteller, aber auch ganz konkret an der wachsenden Variantenvielfalt im eigenen Unternehmen feststellen, dass alte Prozesse nicht mehr mit den neuen Anforderungen Schritt halten können. Die- se gehen so weit, dass selbst im durch Serien geprägten Automobilbereich die Losgröße 1 längst keine Vision mehr ist. Das breite Angebot an möglichen An- 10
Problemstellung In der Motorenfertigung werden verschiedene Varianten eines Motors hergestellt. Diese Varianten sind nur durch marginale Änderungen, wie beispielsweise eine zusätzliche oder weggelassene Bohrung, zu unterscheiden. Die Varian- ten sind für den Menschen schwierig zu erkennen und mit steigender Vielfalt steigt auch die Belastung der Beschäf- tigten vor Ort. Sie müssen jede einzelne Variante kennen und den zugehörigen NC-Code in der richtigen Version an der Maschine, beispielsweise einem Bearbeitungszentrum, aufrufen. Die Belastung wird weiter gesteigert, da nicht nur eine einzelne Maschine bedient wird, sondern gleich mehrere Anlagen durch dieselbe Person betreut werden. Durch die Belastung erhöht sich die Fehleranfälligkeit und damit das Risiko Ausschuss zu produzieren. Es besteht zu- Abbildung 1: Funkenflug bei der Zerspanung von Motoren dem die Gefahr einer Beschädigung am Bauteil oder an der Maschine durch den Aufruf eines falschen NC-Codes. In Zukunft wird die Variantenvielfalt noch weiter anwachsen und damit die Herausforderungen in der spanenden Ferti- gung ebenfalls größer. Die Variantenvielfalt kann zukünf- trieben und Motoren bietet dem Kunden schließlich viel tig nicht mehr durch die Beschäftigten verwaltet werden, Auswahl, die sich bis zum Motorenhersteller herunterbricht. da die Menge an verschiedenen Motoren zu groß wird. Es stellt sich hier die Frage, ob alte Prozesse und moder- ne Bearbeitungszentren eigentlich noch zusammenpassen. Lösungsweg Um die Belastung der Maschinenbediener und die da- Durch die Variantenvielfalt erhöht sich die Belastung der mit einhergehende Fehleranfälligkeit der händischen Pro- Maschinenbediener vor Ort, die jeden Motor identifizie- grammaufrufe zu reduzieren, sollen die NC-Codes zukünftig ren müssen, um diesen passend bearbeiten zu können. Der automatisch aufgerufen werden. Um dies zu ermöglichen Mensch in diesem System muss die Informationen über Pro- müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: duktionsprogramm und die zu fertigenden Motoren ver- arbeiten und dabei sowohl Ausbringungsmengen, wie auch – Zentrale Verwaltung der NC-Codes die Qualität im Auge behalten. Das führt auf lange Sicht – Zweifelsfreie Identifikation des Bauteils zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit. – Kommunikation zwischen Maschine und NC-Codeverwaltung – Rückmeldung des Bearbeitungsstatuts durch die Maschine Die Digitalisierung hingegen ermöglicht die Fertigung in Los- größe 1 und minimiert die Fehleranfälligkeit. Dazu ist es not- Zentrale Verwaltung der NC-Codes wendig, die bereits im Einsatz befindlichen, digitalen Werk- Eine zentrale Verwaltung der NC-Codes wird bereits ein- zeuge von einzelnen Insellösungen in einer vernetzten Gesamt- gesetzt. Dazu identifiziert ein eigens entwickeltes Ferti- lösung zu integrieren. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum gungsleitsystem die Version eines NC-Codes und ordnet Hannover hat daher mit Firma KS HUAYU Bearbeitungszentren diese einem Produkt zu. Jeder Motorvariante kann damit mit einem Fertigungsleitsystem vernetzt. Ein automatischer Pro- ein spezifischer NC-Code zugewiesen werden. Die Produk- grammaufruf soll die Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit entlasten. te werden anschließend im Fertigungsleitsystem mit dem geplanten Produktionsprogramm in Übereinstimmung ge- 11
bracht. Dieses entspricht der Auftragslage und wird stän- deutigen Seriennummer ausgestattet. Diese Seriennummer dig aktualisiert. Über das Produktionsprogramm und die ist in einem Datamatrix-Code gespeichert, welcher bereits Verknüpfung von NC-Code und Produkt ist die Reihenfol- bei Anlieferung der Rohlinge aufgeklebt wird (vgl. Abbil- ge der zu nutzenden Codes bereits festgelegt. dung 2). Zum Scannen des DMC wurden an jeder Maschine zusätzliche Terminals angebracht, die einen Scanner be- Die Maschinenbediener müssen anhand des Produktions- inhalten. Der DMC wird nach dem Rüsten des Bauteils auf programms und der zugeordneten NC-Codes die korrek- der Maschine abgescannt und die Tür zum Rüstplatz ge- te Variante bestimmen und diese manuell an der Maschi- schlossen. Die Seriennummer muss anschließend vom Ter- ne einstellen. Das nächste Bauteil befindet sich zu diesem minal an das Fertigungsleitsystem übergeben. Die dazu Zeitpunkt auf einem Rüstplatz am Bearbeitungszentrum. notwendige Kommunikationsschnittstelle fehlt bisher. Sie Kommt es zu kurzfristigen Umplanungen im Produktions- wird zusammen mit der M2M-Kommunikation als Unter- programm müssen sowohl NC-Code, als auch das phy- programm ausgeführt. sisch vorhandene Bauteil wieder von der Maschine ent- fernt werden. Dies birgt ein erhebliches Fehlerpotential, Das identifizierte Bauteil befindet sich nach dem Scan in da zwei potentielle Fehlerquellen gleichzeitig durch die Wartestellung auf dem Rüstplatz der Maschine und das Maschinenbediener beachtet werden müssen. Eine auto- Fertigungsleitsystem hat über das Terminal die Informa- matische Zuordnung würde diese Fehlerquelle umgehen. tion erhalten, um welches Bauteil es sich handelt. Dieses Hierzu muss das auf der Maschine eingespannte Bauteil Bauteil wird als nächstes durch die Maschine bearbeitet. automatisch identifiziert werden. Nach erfolgreicher Identifikation des gerüsteten Bauteils muss der Maschine ein zur Variante passender NC-Code Identifikation des Bauteils zugewiesen werden. Dazu muss eine Schnittstelle zwischen Zur Identifikation des Bauteils sind verschiedene Lösungen, dem Fertigungsleitsystem und der Maschinensteuerung ge- wie QR-Codes, Barcodes, Datamatrix-Codes (DMC), Funk- schaffen werden. Da diese ein komplexes Regelwerk ent- chips (RFID-Tags) oder optische Erkennung denkbar. In die- hält, wurde der Prozess zuvor in einem Programmablauf- sem Fall wurden die Bauteile bereits zuvor mit einer ein- plan festgehalten. Der Maschinenhersteller konnte auf Basis Abbildung 2: Datamatrix-Code zur Bauteilidentifikation M2M-Kommunikation zwischen Maschine und Fertigungsleitsystem 12
Abbildung 3: Kommunikationsstruktur zwischen den Teilsystemen des Programmablaufplans eine Schnittstelle entwerfen, die dem noch zu bearbeitenden Bauteil auf dem Rüstplatz basierend auf dem Protokoll OPC-UA eine gesicherte Kom- wechselt, wird der neue NC-Code durch die Maschine auf- munikation zum Leitsystem herstellt. Das Leitsystem kann mit gerufen. Die Rückmeldung an das Leitsystem wird durch Hilfe der Schnittstelle und der Kenntnis über das gerüstete den Industrie-PC mit Zugriff auf die maschineninternen Bauteil den passenden NC-Code für die Maschine bereit- Steuersignale vorgenommen. Im Gegenzug erhält der PC stellen. Die Steuerung des Bearbeitungszentrums hält nach vom Fertigungsleitsystem den nächsten, zum Bauteil pas- der Bereitstellung durch das Leitsystem den NC-Code vor. senden NC-Code. Die Struktur der Kommunikation ist zu- Beim Wechsel des Bauteils vom Rüstplatz in den Bearbei- sammenfassend in Abbildung 3 dargestellt. Die bisher au- tungsraum wird der vorgeladene NC-Code aktiviert und das tark agierenden Systeme wurden durch Hinzufügen von Bauteil kann bearbeitet werden. Für die Schnittstelle wurde Terminals und Industrie-PC zu einem Gesamtsystem ver- durch den Maschinenhersteller ein Industrie-PC in das interne knüpft. Das Fertigungsleitsystem als zentraler Knotenpunkt Bussystem des Bearbeitungszentrums eingebracht. Dieser ist der Fertigung verbindet Codeverwaltung, Maschinendaten in der Lage zwischen der Maschinensteuerung und dem Leit- und Bauteile miteinander. system zu vermitteln. Das interne Bussystem wird durch die Einbringung des Industrie-PC vom restlichen Netzwerk abge- Nutzen für den Mittelstand schirmt und erfüllt somit eine zusätzliche Sicherheitsfunktion. Durch die Vernetzung der Ressourcen (NC-Codes, Ferti- gungsleitsystem, Terminal, Maschinensteuerung) konnte der Rückmeldung des Bearbeitungsstatus Programmaufruf automatisiert werden. Die Programm- Für die automatische Bereitstellung der NC-Codes ist es er- auswahl ist weniger fehleranfällig, da die Varianten nicht forderlich, den aktuellen Bearbeitungsstatus der Maschine mehr durch die Beschäftigten vor Ort unterschieden wer- an das Leitsystem zu melden. Auf diese Weise kann das den müssen. Das Fertigungssteuerungskonzept erlaubt es Leitsystem den Zeitpunkt für die Bereitstellung des NC- damit erstmalig ohne Mehraufwände im laufenden Betrieb Codes bestimmen. Sobald das vorangegangene Bauteil in Losgröße 1 zu produzieren. Es ist somit möglich exakt im seine Bearbeitung abgeschlossen hat und die Position mit Kundentakt zu produzieren. Selbst dynamische Anpassun- 13
14
gen des Produktionsplans bleiben bis unmittelbar vor Start Es zeigt sich hier, dass die Digitalisierung nicht nur Selbst- der Bearbeitung möglich. Das Projektziel wurde durch die zweck ist, sondern handfeste Mehrwerte bietet. Die hohe Umstellung der Fertigungssteuerung auf eine digitale Ge- Variantenvielfalt lässt sich nur mit einer vernetzten Ferti- samtlösung realisiert. Die vorhandenen Ressourcen, wie die gung bewältigen. Darüber hinaus wurde die Produktivität Codeverwaltung oder das Leitsystem, konnten dabei wei- verbessert. Zum einen durch weniger Fehlermöglichkeiten, ter genutzt werden. Dazu wurden die bisherigen „Insellö- aber auch durch weniger Aufwand bei den Beschäftigten. sungen“ aufgelöst. Stattdessen arbeiten die Systeme über „Um am Markt bestehen zu können, war es notwendig, die definierte Schnittstellen zusammen. Das entlastet die Be- Fehlerquote zu verringern,“ sagt Dr.-Ing. Dennis Nespor, schäftigten und das gesamte Unternehmen rückt näher an Leiter der Abteilung Projektmanagement im Unternehmen. den Kundentakt. In vielen weiteren produzierenden Unter- Nespor: „Das Kompetenzzentrum hat uns Verbesserungs- nehmen sind Insellösungen im Einsatz. Diese aufzulösen ist möglichkeiten durch eine Digitalisierung aufgezeigt und im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung in der Pro- mit seinem Know-how unterstützt.“ duktion die oberste Priorität. Industrie 4.0 – Vertikale Integration zwischen MES und Maschine (M2M-Kommunikation) – Automatische Bauteilidentifikation – Implementierung in RAMI 4.0 möglich Autoren Michael Rehe, Christian Wagener, Dr.-Ing. ist Geschäftsführer im Mittelstand 4.0-Kompetenz- Dipl.-Ing. ist Mitarbeiter im Mittelstand 4.0-Kompetenzzen- zentrum Hannover „Mit uns digital!“. Herr Dr. Rehe studierte trum Hannover „Mit uns digital!“. Als Projektkoordinator Maschinenbau an der Leibniz Universität Hannover und hat Dialog ist er dafür verantwortlich, Unternehmen bei der di- 2015 am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugma- gitalen Transformation zu unterstützen. Christian Wagener schinen (IFW) promoviert. Vor seiner Zeit im Kompetenz- studierte Maschinenbau an der Leibniz Universität Hannover. zentrum war er in leitender Funktion bei einem mittelstän- Seit 2016 ist er Doktorand am Institut für Fertigungstech- dischen Automobilzulieferer tätig. nik und Werkzeugmaschinen (IFW) und forscht im Bereich automatisierter Kennzahlerfassung. 15
IIoT Plattformen für produzierende KMU Firmenprofil Die Lauscher Präzisionstechnik Welchen Nutzen haben kleine und mittlere Unternehmen bei einer Platt- GmbH fertigt seit fast 40 Jahren formintegration und wie kann diese erfolgreich gelingen? Das Mittel- stand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover hat für diese Frage Licht in den hochwertige Zerspanbauteile aus Dschungel der Plattformen gebracht und anhand einer exemplarischen Titan, Aluminium und hochfestem Implementierung den Nutzen abgeleitet. Stahl für die Luft- & Raumfahrt- industrie sowie für den Maschinen- bau. Mit dem über Jahrzehnte er- Das „Internet of Things“ (IoT) als Teil der Digitalisierung wird in vielerlei Hinsicht worbenen Fertigungswissen werden diskutiert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie umschreibt IoT wie anforderungsgerechte und kosten- folgt: „Mit dem Internet der Dinge werden Objekte bis hin zu Alltagsgegenstän- bewusste Lösungen für eine wirt- den durch Programmierbarkeit, Speichervermögen, Sensoren und Kommunika- schaftliche Fertigung komplexer tionsfähigkeiten intelligent. So werden beispielsweise Toaster, Waschmaschinen Bauteile realisiert. Präzisionsarbeit, und Werkzeugmaschinen per Software gesteuert und können über das Inter- Qualitätsdenken, modernste Ferti- net mit der Außenwelt und untereinander vernetzt werden“ [1]. Der industrielle gungsmethoden und Innovationsbe- Ableger der IoT wird „Industrial Internet of Things“ (IIoT) genannt und gibt die reitschaft haben das Unternehmen Zugehörigkeit der Lösungen auf industrielle Anwendungen wieder. Im Zuge der zu einem leistungsstarken Partner Diskussion über IIoT und deren Anwendungen treten zunehmend Plattformen in führender Unternehmen in der Luft- den Fokus von Unternehmen. Vor allem im Bereich der B2C (Business-to-Custo- und Raumfahrt sowie in der Maschi- mer) Märkte sind Plattformen bereits weit verbreitet und wachsen rasant, u. a. nenbauindustrie gemacht. ebay oder auch amazon [2]. 16
Die bisher größten Unternehmen in diesem Marktseg- Während im Bereich der Handelsplattformen vor allem ment sitzen vermehrt in den USA und China. In B2B (Busi- der Kundenzugang im Fokus steht, stehen im Bereich der ness-to-Business) Märkten entwickeln sich Plattformen bis- industriellen Anwendungen bisher analytische Anwendun- her verhalten, da eine branchenübergreifende Entwicklung gen im Vordergrund. Die Priorisierung zielt dabei nicht auf schwieriger umsetzbar ist. Dies führt auch zu einer Vielzahl den Verkauf von Waren, sondern auf der Verbesserung von eigenen Lösungen in der Industrie, z. B. bei Maschinen- von Prozessen oder als Zusatzdienstleistung für die eige- bauunternehmen. Im internationalen Vergleich liegt Europa nen Produkte. Im Wesentlichen gibt es daher zwei unter- jedoch weit zurück bei der Nutzung von Plattformen [2]. schiedliche Plattformsysteme. Handelsplattformen, die den Dies kann u. a. darauf zurückgeführt werden, dass den Verkauf von Waren organisieren und industrielle Plattfor- Unternehmen bisher nicht klar ist, was sich hinter den Be- men, die Daten verarbeiten und visualisieren. Plattformen griffen IIoT und Plattform versteckt und insbesondere wel- der Datenverarbeitung stellen vor allem die Konnektivität chen Nutzen sie mit sich bringen. zu bestehenden Lösungen (z. B. Werkzeugmaschinen, Ro- boter, Messmaschinen) in Unternehmen her oder erweitern Bei vielen produzierenden kleinen und mittleren Unterneh- diese durch intelligente Lösungen. Die Struktur hinter den men bleibt eine digitale Transformation bisher noch aus IIoT-Plattformen ist hierarchisch geprägt. [3]. Dabei lässt sich durch diese Technologien die Gesamt- produktivität in Unternehmen um bis zu 50 % steigern [4]. Diese Potenziale müssen den KMU deutlich gemacht wer- den. Daher wird in diesem Beitrag zunächst grundsätzlich auf Plattformen eingegangen und für welche industriellen Herausforderungen diese Technologie eine Lösungsmög- lichkeit bietet. Darauf aufbauend wird eine Implementie- rungsstrategie vorgestellt, die Beispielhaft im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover durchgeführt wurde. Abschließend wird der Nutzen für KMU herausgestellt. Eine Übersicht Plattformen lassen sich in unterschiedlicher Weise auftei- len. Die bisher bekannteste Art von Plattformen sind Han- delsplattformen. Diese Handelsplattformen werden u. a. auch oft als Onlineplattformen bezeichnet. Onlineplatt- formen fördern generell Interaktionen zwischen zwei oder Abbildung 1: Hierarchie im IIoT in Anlehnung an Baums [7] mehr Teilnehmern und stellen den gegenseitigen ökonomi- schen Nutzen heraus [5]. Bekannt sind Handelsplattformen Die Hierarchie lässt sich anhand der Funktionstrennung der vor allem im B2C Markt, wie z. B. ebay und amazon. Sie Unternehmen entlang einer Plattformarchitektur beschrei- zeichnen sich vor allem durch ein großes Ökosystem (mit ben. Wie in Abbildung 1 verdeutlicht wird, ist Grundlage vielen heterogenen Teilnehmern) aus [2]. Handelsplattfor- einer Plattform der Plattformsponsor. Hier finden sich vie- men können in fünf Typen unterteilt werden [6]: le Unternehmen aus dem Bereich des Cloud-Computing (Microsoft Azure, Amazon Web Services (aws) oder SAP – Onlineshops HANA). Die Plattformanbieter gestalten u. a. die Bedien- – Elektronische Marktplätze oberfläche und die softwaretechnische Infrastruktur. Im Be- – Kapazitätenbörsen reich der Applikations- und Lösungsanbieter finden sich viele – Auktionsplattformen namhafte deutsche Unternehmen des Maschinenbaus, wie – Beschaffungsplattformen in Abbildung 2 verdeutlicht. Hier werden Dienstleistungen 17
Abbildung 2: Marktübersicht Plattformen für Werkzeugmaschinen, eigene Recherche, keine Haftung für Vollständigkeit Stand 10/2018 angeboten, die zur Erweiterung des Produkts erforderlich Insbesondere im Bereich der IIoT bilden sich viele kleine sind oder Lösungen für die Herausforderungen der End- Ökosysteme, in denen sich die unterschiedlichen Akteure nutzer bieten. Die Erweiterungen und Lösungen werden in in Netzwerken organisieren, zum Beispiel durch Partner- Microservices, eine Art Applikation, auf den Plattformen programme wie ADAMOS [8]. Diese Ökosysteme fördern den Endnutzern zur Verfügung gestellt. Die Plattformen neben der Applikationsentwicklung auch den fachlichen Aus- bieten Unternehmen die Möglichkeit, verschiedene Analy- tausch zwischen den unterschiedlichen Akteuren und Fach- sen zu nutzen, um beispielsweise Prozesse zu überwachen, disziplinen. Nach eigener Recherche im Bereich IIoT-Platt- Aktionen auszulösen oder Potenziale zu ermitteln. Durch formen für Produktionsbetriebe konnte die Übersicht in die Skalierungseffekte können diese Dienste kostengüns- Abbildung 2 erstellt werden. Die Plattformen in diesem tig angeboten werden. Bereich werden überwiegend von Werkzeugmaschinen- herstellern angeboten. Eine Standardlösung existiert nicht. 18
Welche Plattform zu wählen ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Neben aktuellen Anforderungen sollten im- mer auch künftige Einsatzfelder mit einkalkuliert werden. Daher sollte der gesamte Prozess betrachtet werden. Eine Entscheidung auf Basis von falschen Kriterien, wie zum Bei- spiel schöne Dashboards oder gute Erfahrungen in ande- ren Anwendungsfällen kann zu einer starken monetären und zeitlichen Belastung werden. Ein mögliches Vorgehen für die Auswahl und die Integration ist im nächsten Ab- schnitt beschrieben. Auswahl und Integration Bevor eine Entscheidung hinsichtlich der Plattformwahl ge- Abbildung 3: Grafische Darstellung der Einführungssystematik troffen werden kann, muss der gesamte Prozess entlang der Einführungssystematik betrachtet werden. Grundlegend Im Rahmen eines Projektes mit der Firma Lauscher Präzi- steht am Anfang eines Plattformprojektes die Festlegung sionstechnik GmbH hat das Mittelstand 4.0-Kompetenz- eines Anwendungsfalls. Darauf aufbauend können die zu zentrum eine Plattformimplementierung exemplarisch um- erfassenden Datenpunkte festlegt werden, die zur Lösung gesetzt. Die Lauscher Präzisionstechnik GmbH fertigt seit der Herausforderung benötigt werden. Ein möglicher An- fast 40 Jahren hochwertige Zerspanbauteile aus Titan, wendungsfall kann die Abbildung eines Maschinenstatus Aluminium und hochfestem Stahl für die Luft- & Raumfahrt- sein. Die Kombination aus verschiedenen Maschinendaten industrie sowie für den Maschinenbau. lassen Rückschlüsse auf den Status zu. Die Integration der Daten in eine Plattform kann dann entlang der Einführungs- Das Unternehmen suchte eine Möglichkeit seinen Maschi- systematik in Abbildung 3 erfolgen. nenpark standortübergreifend zu vernetzen und maschi- nenspezifische Kennzahlen zu berechnen. Mit Hilfe des Zunächst müssen die Maschinendaten innerhalb der Maschi- Umsetzungsprojektes konnte die Vernetzung des Maschi- nenschnittstellenliste lokalisiert werden. Zudem wird über- nenparks anhand einer Industrieplattform validiert werden. prüft, welche Datenübertragungsprotokolle (z. B. OPC U/A, Für die exemplarische Plattformimplementierung nutzte das MTConnect, UDI) für die betroffene Maschine zur Verfügung Kompetenzzentrum zwei Drehmaschinen unterschiedlicher stehen. Neben der Schnittstelle zur Maschine muss auch das Standorte: eine in der Demonstrationsfabrik des Zentrums Übertragungsprotokoll (z. B. MQTT, Rest) zur Plattform de- auf dem Messegelände Hannover und eine im Versuchsfeld finiert werden. Anschließend erfolgt die Wahl eines geeig- des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen neten Gateways/Middleware/Device (z. B. IPc, DMG MORI der Leibniz Universität Hannover. Folgende Informationen IoTconnector, Siemens MindConnect Nano) von Maschinen- der Maschinen wurden in der ADAMOS Plattform visuali- herstellern oder Drittanbietern. Die Gateways erfüllen dabei siert (vgl. Abbildung 4): sowohl die Konnektivität zur Plattform als auch die Datenvor- verarbeitung und -verschlüsselung. Nach der Anmeldung des – Maschinenstatus Gateways an der Plattform können die übertragenden Daten – produzierte Stückzahl anschließend visualisiert oder analysiert werden. – Vorschubgeschwindigkeit. Ist dieser Prozess bekannt können daraus die Anforderungen Die visualisierten Informationen sind dabei Grundlage für an die Plattform und die Kriterien zur Plattformwahl abge- maschinenspezifische Kennzahlen, wie z.B. die Gesamtan- leitet werden. lageneffektivität (OEE). 19
Schon mit dieser ersten Implementierung ergaben sich in KMU im Bereich der Fertigung lässt sich momentan anhand der Praxis die folgenden Vorteile: der Visualisierungsmöglichkeiten auf der Plattform und des – Erste Rückschlüsse für den Bediener, wie z. B. das Er- dezentralen Zugriffs begründen. kennen von freien Maschinenkapazitäten und produk- tionsschwachen Phasen waren möglich. In Ansätzen existieren weitere Vorteile. Durch den Zugriff – Maschinen können verglichen und für die Untersuchung auf Rechenleistung und Data Analytics Methoden (Batch der Prozessstabilität herangezogen werden. Analytics & Streaming Analytics) auf den Plattformen lassen – Die Plattformlösung ermöglicht den dezentralen Zugriff sich tiefergehende Optimierungen erreichen. Applikationen auf die Informationen. auf Plattformen geben den Unternehmen die Möglichkeit, eigenständig und jederzeit abrufbar Analysen ihrer Fer- Vor der Einführung solcher Plattformprojekte sollten Unter- tigung durchzuführen. Würden Applikationen über Platt- nehmen ihre Maschinen auf die Konnektivität überprü- formsysteme die Fertigungsdaten kontinuierlich auswerten, fen. Viele Plattformen besitzen bereits feste Konnektoren so könnte beispielsweise eine Optimierung im Bereich des zu Maschinen, die nicht individuell programmiert werden Werkzeugverschleißes zu einer deutlichen Verringerung müssen. Dies reduziert den zeitlichen Aufwand bei der der Störungen im Betriebsablauf beitragen. Ebenso wäre Implementierung erheblich. Je nach gewähltem Intervall es möglich, die Darstellung freier Kapazitäten über eine der Datenerfassung und der Datenpunkte summieren sich Plattform zu realisieren, auf die auch Kunden zugreifen große Datenmengen, die zur Plattform übertragen wer- können. Somit würde eine Auftragsvergabe schneller er- den müssen. Daher ist auf eine ausreichend dimensionierte folgen und freie Kapazitäten schneller mit Aufträgen be- Datenübertragungsrate der Internetverbindung zu achten. legt werden, was die Leistungsfähigkeit des Unternehmens steigert und zur Sicherung von Arbeitsplätzen beiträgt. Die Nutzen für den Mittelstand Vereinbarkeit von Daten unterschiedlicher Quellen und die IIoT Plattformen stehen noch am Anfang ihrer Nutzung und Datenhaltung bei der Visualisierung sind weitere Vorteile. Entwicklung. Der Nutzen und die Anwendbarkeit auf He- Dieser Nutzen kann jedoch erst vollumfänglich erbracht rausforderungen im industriellen Bereich steigen mit der werden, wenn die Hürden der proprietären Maschinenan- Anzahl ihrer Anwender und der Zeit, da weitere Applika- bindung überwunden sind und die Bereitstellung von Intel- tionen entwickelt werden. Der Nutzen von Plattformen für ligenz auf den Plattformen praxistauglich realisierbar ist. Abbildung 4: Beispielhaftes Dashboard mit Maschinenstatus und Auftragsliste 20
Industrie 4.0 – Erfassung von Maschinendaten – Kommunikation zwischen Maschine und Plattform – Dashboarding auf IIoT-Plattform – Ableitung einer Einführungssystematik Autoren Michael Rehe, Daniel Arnold, Siebo Stamm, Dr.-Ing. ist Geschäftsführer im Mittel- M. Sc. ist Mitarbeiter im Mittelstand M. Sc. ist Mitarbeiter am Institut für Fer- stand 4.0-Kompetenzzentrum Hanno- 4.0-Kompetenzzentrum Hannover „Mit tigungstechnik und Werkzeugmaschi- ver „Mit uns digital!“. Herr Dr. Rehe uns digital!“. Als Koordinator Fabrikbe- nen der Leibniz Universität Hannover. studierte Maschinenbau an der Leibniz trieb ist er für die technischen Kompo- Siebo Stamm studierte Maschinenbau Universität Hannover und hat 2015 am nenten in der Generalfabrik verantwort- und Wirtschaftsingenieurwesen an der Institut für Fertigungstechnik und Werk- lich. Daniel Arnold studierte Mechatronik Technischen Universität Braunschweig. zeugmaschinen (IFW) promoviert. Vor im Grundstudium und Maschinenbau im Seit 2016 ist er Doktorand am Institut seiner Zeit im Kompetenzzentrum war er Master an der Leibniz Universität Hanno- für Fertigungstechnik und Werkzeug- in leitender Funktion bei einem mittel- ver (LUH). Seit 2017 ist er Doktorand am maschinen (IFW) der Leibniz Universität ständischen Automobilzulieferer tätig. Institut für Fertigungstechnik und Werk- Hannover und forscht im Bereich Ferti- zeugmaschinen (IFW) und forscht im Be- gungsplanung & -steuerung. reich Digitalisierung. Quellen [1] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Digitale-Welt/internet-der-dinge.html, 2019, Zugriff: 08.04.2019. [2] Evans, P., Gaver, A.: The Rise of the Platform Enterprise – A Global Survey, The Center for Global Enterprise, 2016. [3] Roth A.: Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? In: Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0. Grundlagen, Vorge hensmodell und Use Cases aus der Praxis. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg, 2016, S. 1‑15. [4] Bauernhansl T et al: WGP-Standpunktpapier zu Industrie 4.0 – WGP, https://wgp.de/de/wgp-standpunktpapierfuehrt-durchs-schluessel loch-zu-industrie-4-0/, 2019, Zugriff: 08.04.2019. [5] Demray V.: Der Aufstieg der Onlineplattform – Was nun zu tun ist, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Köln, 2016. [6] Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim: Leitfaden zur Auswahl elektronischer Handelsplattformen für KMU. Mannheim, 2003. [7] Baums A., Schössler M., Scott, B.: Industrie 4.0: Wie digitale Plattformen unsere Wirtschaft verändert – und wie die Politik gestalten kann. Kompendium Digitale Standortpolitik, 2, Berlin, 2015. [8] Pandl, H.: Echtzeit-Blick in die Anlage per IIoT-Lösung, In: MECHATRONIK, 127, 1 – 2, 2019, S.6 – 8. 21
Datenmangement für den Produktionsprozess Firmenprofil Die Exportverpackung Sehnde Mithilfe von Digitalisierung und Automatisierung können Arbeitsprozes- GmbH wurde 1858 als reine Kisten- sen effizienter gestaltet werden. Dieses Potenzial sieht auch die Export- fabrik gegründet und bietet heute, verpackung Sehnde GmbH, die ihr Prozesse neu strukturieren möchte, zusammen mit ihrer Schwesterfir- um damit effizienter zu arbeiten und auch in Zukunft konkurrenzfähig ma „Holzverpackung Hannover“, zu bleiben. Der Grundstein für diese Verbesserungen bildet die interne Lösungen bei allen Schritten des Datenstruktur und Datenweitergabe. Aus diesen Grund möchte die Ex- Im- und Exports. Das in fünfter Ge- portverpackung Sehnde GmbH ihre Datenstrukturen grundlegend ana- neration geführte Familienunter- lysieren und auf zukünftige Entwicklungen ausrichten. nehmen überzeugt durch detaillier- tes Know-how in allen Fragen zu Der Ansatz für die Analyse der Datenstrukturen liegt in der Betrachtung der Logistik und Transport, einer eige- internen Softwarearchitektur. Für die Digitalisierung und Automatisierung der nen, 40.000m² großen Lagerflä- Fertigung ist es notwendig, dass Aufgaben oder prozessbezogene Parameter che und einen optimalen Standort in digitaler Form weitergeleitet und ausgewertet werden können. Weiterhin und Verkehrsanbindung. müssen Aufträge klar und eindeutige den Produktionsanweisungen zugeord- net werden können. Hierfür ist es wichtig, dass alle notwendigen Parameter in digitaler Form vorhanden sind und das es in der Softwarearchitektur eine klare Zuordnung gibt, welches Programm welche Befehle lesen, weitergeben oder verändern darf. 22
Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hannover hat für Der Produktumfang an Exportverpackungen umfasst Voll- die Exportverpackung Sehnde GmbH die Softwarearchi- holzkisten, Plattenkisten und Verschläge. Weiterhin fertigt tektur analysiert. Auf Basis von gemeinsam erarbeiten An- die Exportverpackung Sehnde GmbH Holzpaletten und in- forderungen und Zielen konnten Verbesserungsmaßnah- dividuell an Exportgüter angepasste Verpackungskisten. men für die interne Datenstruktur abgeleitet werden. Ein Die Größen der Kisten können von 0,5 m x 0,5 m x 0,5 m Kernelement ist die Neustrukturierung der Erzeugung von bis hin zu 5 m x 3 m x 3 m betragen. Zwischen den Grö- Auftrags-, Bearbeitungs- und Artikelnummern. Diese sollen ßenabmaßen gibt es keine diskreten Größenschritte, so- in Zukunft über ein ERP-System zentral verwaltet und an dass jede beliebige Kistengröße gefertigt werden kann. Ein alle Softwareschnittstellen weitergegeben werden. Über Auszug aus der Produktvielfalt ist auf Bild 2 abgebildet. die zentrale Verwaltung der Daten soll die Produktverfol- Die Herstellung der Kistenkomponenten geschieht über- gung innerhalb der Produktion verbessert und eine Daten- wiegend per Hand. Die Mitarbeiter werden durch halb- redundanz verhindert werden. Weiterhin sollen Produkte automatisierte Sägen unterstütz, die jedoch eine manuel- mit Standartbenennung entstehen, die wiederverwendba- le Bestückung und Entnahme benötigen. Das Positionieren re Produktbezeichnungen besitzen. Somit wird die Vorkal- und Zusammenfügen der Kistenelemente geschieht kom- kulation für Standardprodukte erleichtert. plett manuell. Das Unternehmen und Produkt Problemstellung Die Exportverpackung Sehnde GmbH entwickelt und fertigt Die manuelle Fertigung bei der Exportverpackung Sehnde individuelle Exportverpackungen aus Holz, die typischer- GmbH ermöglicht eine hohe Flexibilität und eine schnelle weise bei einer Losgröße bis zu 1 in Abhängigkeit vom Reaktionszeit bei dringlichen Aufträgen. Weiterhin können Kundenwunsch nach Maß angefertigt werden. Neben der Kisten in fast beliebigen Dimensionen und mit beliebigen Produktion unterstütz das Unternehmen den Kunden beim Sonderwünschen gefertigt werden. Der Nachteil hiervon Transport seiner Güter per Luft-, Wasser, oder Landweg. sind hohe Fertigungskosten, da die Arbeitslöhne in Deutsch- Die Herstellung der Holzkisten geschieht aktuell größten- land vergleichsweise hoch sind. Weiterhin resultiert aus teils manuell, wie es auf dem Bild 1 dargestellt ist. den beliebigen Kistendimensionen eine extrem hohe Va- Abbildung 1: Mitarbeiter bei der Kistenmontage 23
Abbildung 2: Fertig- gestellte Holzkisten und -paletten 24
riantenvielfalt an Produkten. Nahezu jeder Auftrag stellt wann und wo neue Produkt-, Artikel-, oder Fertigungsnum- einen Neuauftrag dar, für den Produktions- und Fertigungs- mern erstellen. Anhand der Untersuchung konnte aufge- parameter erstellt und ausgelegt werden müssen. Für die zeigt werden, dass in verschiedenen Bereichen nicht klar Fertigung bedeutet dies, dass bei jeder Kistenherstellung war, welche Programm welche Rechte bei der Erstellung eine neue Produktnummer angelegt wird. Daraus resultiert oder Bearbeitung von produktionsrelevanten Informatio- eine große Datenmenge an Produktnummern, die jeweils nen besitzen. Weiterhin wurde festgestellt, dass für jeden einzigartig sind und nicht für weitere Aufträge genutzt neuen Kundenauftrag neue Fertigungsnummern und Pro- werden. Das bedeutet es entsteht eine ständig wachsen- duktnummern für die Kistenherstellung erzeugt wurden. de Menge an Produktionsdaten, die keinen Bezug zuein- Das führt dazu, dass eine große Ansammlung an Ferti- ander oder auch zu der Art und Weise wie das Produkt gungs- und Produktnummern entstehen, die nicht direkt aufgebaut ist, haben. Bei der Exportverpackung Sehnde produktionsrelevanten Größen, wie z. B. Produktabmes- GmbH führt diese dazu, dass nur mit großem Aufwand sungen, zugeordnet werden können. möglich ist die Fertigungsdaten auszuwerten. Hierzu ge- hört bspw. die Information wann wie oft ein bestimmter Das Lösungskonzept für diese Problemstellung sieht eine Kistentyp angefragt und gefertigt wird. Für zukünftige In- klar strukturierte Softwarearchitektur vor. Am Kopf soll vestition im Bereich der Fertigung sind diese Informationen ein ERP-System genutzt werden, dass als Schnittstelle jedoch extrem wichtig. Damit ist es möglich konkrete Aus- zu allen anderen Softwaresystemen dient und von wo sagen darüber zu treffen, wie stark sich die Investition für aus alle Informationen abgegriffen werden können. Das das Unternehmen rentiert und amortisiert. ERP-System ist als einziges System in der gesamten Soft- warearchitektur in der Lage neue Nummern für Aufträ- Neben der Informationsauswertung wird bei der Exportver- ge, Produkte, etc. zu generieren und zu verwalten. Somit packung Sehnde GmbH auch die Architektur, die für das ist klar geregelt, wo alle Informationen verwaltet wer- Anlegen und Auswerten der Fertigungsdaten verantwortlich de können. Das ERP-System dient weiterhin als zentrale ist untersucht. Hier ist im Vorfeld des Projekts aufgefallen, Datenbank, von wo aus alle Informationen abgegriffen dass aufgrund von unterschiedlichen Softwaresystemen, die werden können. Die bestehende Softwarearchitektur wird miteinander kommunizieren, keine klare Struktur vorhanden von der Veränderung dahingehend angepasst, dass bei ist, welche Informationen wo entstehen und welches Pro- Bedarf neue Nummern nur über das ERP-System bezo- gramm welche Zugriffsrechte besitzt. Für eine zukünftige gen werden können, nicht jedoch selbstständig erstellt. Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen müssen diese Zugehörigkeiten klar festgelegt sein. Das zweite Lösungskonzept befasst sich mit der Produkt- vielfalt des Unternehmens. Aktuell sind keine Größenein- Lösungsweg stufungen der Produkte vorhanden. Daraus entsteht eine Um die angesprochenen Probleme zu lösen, wurden in Zu- sehr große Variantenvielfalt, die durch mögliche Sonder- sammenarbeit mit der Exportverpackung Sehnde GmbH bearbeitungsschritte noch weiter erhöht wird. In Hinblick drei Konzepte entwickelt. Die Konzepte setzen jeweils an auf eine mögliche Automatisierung stellt diese Varianten- verschiedenen Stellen an und bieten in ihrer Gesamtheit vielfalt eine große Herausforderung dar. Je höher die einen Ansatz die Softwarearchitektur und Informations- Variantenvielfalt ist, desto komplizierter, aufwendiger und auswertung für zukünftige Projekt auszurichten und den intelligenter müssen die automatisierten Prozesse sein. Ein Produktionsablauf zu verbessern. weiteres Problem, das mit der hohen Anzahl an Varianten einhergeht, ist, dass es schwierig ist einheitliche und wie- Das erste Konzept behandelt den Aufbau der Software- derverwendbare Produktnummern zu verwenden. Somit architektur. Hierfür wurde die aktuelle Softwarearchitek- muss für jeden Auftrag eine neue Nummer erzeugt wer- tur aufgenommen und analysiert. Ein Schwerpunkt bei der den, in der zusätzliche Informationen wie Kistenabma- Betrachtung lag darauf zu ermitteln, welche Programme ße, Holzart, etc. hinterlegt werden müssen. Könnten hier 25
Sie können auch lesen