Erfolgreiche Kooperationen von Corporates und Start-ups

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Erfahrung | Schwerpunkt | Erfolgreiche Kooperationen von Corporates und Start-ups | Heiko Hilse, Ingo Susemihl

Erfolgreiche Kooperationen
von Corporates und Start-ups
Wie David und Goliath gemeinsam die Geschäfte
von morgen entwickeln
Heiko Hilse und Ingo Susemihl

Immer mehr Großkonzerne arbeiten mit Start-ups zusammen, um mit dem Tempo und der Radikalität von Innova­
tionen Schritt halten zu können. Ihre Ungleichheit als Organisationstypus macht die Kooperation attraktiv, aber auch
voraussetzungsvoll. Auf der Basis von Interviews mit Corporate Venturing- und Innovations-Experten von Siemens,
Osram und UnternehmerTUM wird gezeigt, wie eine solche Zusammenarbeit aussehen und erfolgreich gestaltet
werden kann.

Innovationen zu managen und Geschäfte weiterzuentwickeln            Geschäftsmodellinnovationen sind und von ganz neuen Ak­
ist für Großkonzerne nichts Neues: Sie haben jahrzehntelange        teuren quer zu den klassischen Branchengrenzen betrieben
Erfahrungen damit und zumeist ausgeklügelte Methoden und            werden (Gassmann & Sutter 2016, S. 24). Die Zusammenarbeit
Prozesse hierfür. Nicht zuletzt waren und sind sie zusammen         mit Start-ups – auch sie ist für Konzerne nicht vollkommen neu
mit ihren Zulieferern selbst Treiber wichtiger technologischer      – gewinnt vor diesem Hintergrund eine ganz andere strategi­
Entwicklungen. Und doch gewinnt man den Eindruck, dass              sche Bedeutung und ein neues Gewicht.
gerade die jüngsten Veränderungen der Digitalisierung von              Der vorliegende Beitrag untersucht diese neue Qualität der
Wirtschaft und Gesellschaft Großunternehmen vor fundamen­           Zusammenarbeit von Corporates und Start-ups auf der Grund­
tal neue Herausforderungen stellen – Herausforderungen, die         lage dreier ausgewählter Experteninterviews bzw. Fallbeispiele:
sie mit den bewährten Mitteln hauseigener Innovation und            des Bereichs next47 von Siemens, der Fluxunit von Osram und
existenter Lieferketten alleine nicht mehr befriedigend bewäl­      von UnternehmerTUM, des Gründer-Zentrums der TU Mün­
tigen können.                                                       chen (siehe Kasten). Die einstündigen halbstrukturierten Einzel­
    Immer mehr Großunternehmen suchen darum gezielt die             interviews wurden von den Autoren im Sommer 2017 geführt –
Kooperation mit Start-ups (Kollmann et al. 2016, S.66; Hilse        im Falle von next47 war Ingo Susemihl selbst Interview­partner.
2017) und sie gründen eigene Organisationseinheiten, die den        Ein besonderes Interesse galt dabei der Frage, wie Cor­porates
Aufbau und das Management dieser Kooperationsbeziehun­              und Start-ups als Organisationstypen, die unterschiedlicher
gen zum Ziel haben. Während Konzerne von Natur aus eher             kaum sein könnten, Kooperationsbeziehungen erfolg­reich mit­
auf inkrementelle Innovationsprozesse in angestammten Ge­           einander aufbauen und managen können. Nach einer Einfüh­
schäften angelegt sind (Zillner & Krusche 2012, S. 87), vollzie­    rung zur Frage der grundlegenden Kooperationsinteressen von
hen sich viele aktuelle Veränderungen so schnell und disruptiv,     Corporates und Start-ups stehen daher im nachfolgenden Text
dass sie durch kleinere, jüngere und flexiblere Organisa­tions­     auch die Operationsweise der Start-up-Einheiten, Erfahrungen
typen wie Start-ups besser aufgegriffen und vorangetrieben wer­     aus der alltäglichen Kooperationspraxis sowie ein Überblick
den können. Hinzu kommt, dass digitale Innovationen häufig          über verschiedene Kooperationsformen im Mittelpunkt.

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Heiko Hilse, Ingo Susemihl | Erfolgreiche Kooperationen von Corporates und Start-ups | Schwerpunkt       | Erfahrung

Kooperationsinteressen                                                   Spezialisierte Organisationseinheiten
Versucht man näher zu ergründen, warum Corporates und                    Zu diesem Zweck bilden sich in Großunternehmen zunehmend
Start-­­ups miteinander Kooperationen eingehen, so ist das pri­          spezialisierte Organisationseinheiten heraus, deren Auf­gabe
mä­­re Interesse auf Seiten der Start-ups schnell gefunden:              es ist, den Start-up-Markt systematisch zu screenen, geeignete
«Früher oder später brauchen sie neben spezifischem Know-                Kooperationsbeziehungen aufzubauen und diese professionell
how auch alle Kapital» (U. Eisele, Fluxunit). Als junge, in der          zu managen (vgl. next47 und Fluxunit). Teilweise unterstützen
Gründungsphase befindliche Unternehmen sind sie stark auf
fremde Ressourcen in Form von Finanzmitteln, Technologie,
Kunden- und Marktzugängen, ggf. R&D- und Produktions­kapa­
zitäten und son­stigem Know-how angewiesen. All dies steht in               Die drei Fallbeispiele von Start-up-Einheiten
etablierten Unternehmen – anders als bei Venture Capital-Fir­               bzw. Gründerzentren
men, die rein auf Finanzierung und Beratung spezialisiert sind
– potenziell in voller Breite zur Verfügung. Die Stabilität eines           Siemens: next47
Konzerns ist da­bei ein nicht zu unterschätzender Wert: «Die                2016 hat Siemens die next47 GmbH gegründet, um dort die seit Ende der
einen haben ein funktionierendes Geschäftsmodell und akti­                  1990er Jahre bestehenden Aktivitäten für Corporate Venture Capital, Ko-
ve Kundenbeziehungen, die anderen haben es noch nicht»                      operationen mit Start-ups und Gründung von Start-ups zu bündeln und
(U. Eisele). Auch können Konzerne, so sie dem Druck des Ka­                 neu aufzustellen. Der Name next47 bezieht sich auf das Gründungsjahr
pitalmarkts Stand halten, in Sachen Innovation den längeren                 1847 der Muttergesellschaft Siemens AG und weist darauf hin, dass mit
Atem anbieten und Rückschläge und Durststrecken, die in                     Hilfe von next47 der Gründer-Spirit zu neuem Leben erweckt werden soll.
Innova­tionsprozessen eher die Regel als die Ausnahme sind,                 next47 arbeitet als eigenständige Geschäftseinheit mit direkter Berichts-
mit abfedern helfen: «Je­­mand muss für eine geraume Zeit die               linie an den Vorstand und plant in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde
schützende Hand über Innovationsvorhaben halten» (H. Schö­                  Euro zu investieren. Damit wird ein wichtiger Grundstein für neue Ge-
nenberger, UnternehmerTUM).                                                 schäfte gelegt, um die strategische Agenda rund um die Themen Elektrifi-
    Umgekehrt besteht das Interesse der Corporates darin, das               zierung, Automatisierung und Digitalisierung erfolgreich umzusetzen.
externe Innovationspotenzial in Form von meist jungen, krea­
tiven und hoch motivierten Start-up-Gründern, die in losen                  Osram: Fluxunit
Gruppierungen sehr flexibel zusammenarbeiten, für das eigene                Zur Förderung unternehmensinterner und externer Innovationsideen hat
Unternehmen zu nutzen. «Corporates benötigen frisches Blut,                 Osram 2016 die Fluxunit GmbH als eine flexible Unternehmenseinheit außer­
das heißt gute Leute mit neuen innovativen Ideen, die mög­                  halb der etablierten Konzern-Strukturen gegründet. Fluxunit ist vorrangig
lichst schnell in die Umsetzung kommen» (H. Schönenberger).                 im Corporate Venture Capital-Bereich aktiv und investiert in Early-Stage-
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Landschaft von exter­           Start-ups in den Technologiefeldern Smart City, Smart Building und in­
nen Innovatoren, Start-up-Unternehmern, Kapitalgebern und                   dustrielle Anwendungen. Zudem koordiniert die Fluxunit für Start-ups den
Innovationsinfrastrukturen in den vergangenen Jahren stark ge­              Zugang zu der technischen und industriellen Expertise des Konzerns und
wandelt hat: «Tools und Technologien sind heu­te sehr viel einfa­           zu den relevanten Geschäftseinheiten, um die Attraktivität des Invest-
cher und günstiger zu bekommen als noch vor einigen Jahren:                 ments für alle Parteien zu erhöhen. Außerdem bietet die Fluxunit konzern­
Das Internet, digitale Tools, Maker Spaces etc. haben die Ein­              eigenen Gründerteams die notwendige Unterstützung innerhalb des Os-
trittsbarriere für Gründer und Innovatoren erheblich gesenkt»               ram-Ökosystems. Geschäftsführer der Fluxunit ist Dr. Ulrich Eisele.
(H. Schönenberger). Dieser Effekt wird durch die mittlerweile
verbesserte Verfügbarkeit von Risikokapital noch verstärkt.                 TU München: UnternehmerTUM
Neue Produkte und Geschäftsmodelle werden also nicht mehr                   Die 2002 von der Unternehmerin Susanne Klatten und der Technischen Uni­
nur in klassischen, langjährig existieren­den Unternehmen ent­              versität München gegründete UnternehmerTUM ist mit jährlich mehr als 50
wickelt, sondern in immer wieder neu entstehenden «Ein- bis                 wachstumsstarken Technologie-Gründungen und ihrem breiten Angebot das
X-Mann-Buden» (Handy 2001 bezeich­net sie als «Fleas» und                   führende Gründerzentrum in Deutschland. UnternehmerTUM bietet mit sei­
stellt sie den «Elephants» gegenüber), und das macht den Wett­              nen etwa 140 Mitarbeitern den Gründern einen Rundum-Service von der
bewerb für etablierte Unternehmen umso unübersichtlicher.                   ersten Idee bis zum Börsengang. Ein Team aus erfahrenen Unternehmern,
Deshalb ist eine wei­tere Hauptfunktion der Kooperation mit                 Wissenschaftlern, Managern und Investoren unterstützt Start-ups bei der
Start-ups die gezielte Anbindung an diese externe Innovati­ons-             Entwicklung ihrer Produkte und Dienstleistungen. Für Industriepartner ist
Szene und das eigene schnelle Lernen und Innovieren: «Wir                   UnternehmerTUM eine interessante Plattform für die Zusammenarbeit mit
wollen lernen, wie die neuen Geschäftsmodelle und Wertschöp­                Start-ups und den Ausbau ihrer internen Innovationskraft und -kultur. Dr. Hel­
fungsketten funktionieren, und die gewonnenen Erkenntnisse                  mut Schönenberger leitet die UnternehmerTUM GmbH als Geschäftsführer.
auf das Geschäft von Osram übertragen» (U. Eisele).

OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2018                                                                                                                         19
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externe Gründer-Zentren den Aufbau dieser Beziehungen               next47
zwischen Corporates und Start-ups, wie man sie etwa im Um­          Siemens kann auf eine über 20jährige Erfahrung in der Zusam­
feld von Forschungseinrichtungen antreffen kann (vgl. Unter­        menarbeit mit Start-ups zurückblicken – seit dem ersten Inter­
nehmerTUM). An dieser Stelle soll ihre jeweilige Operations­        net-Boom in den 90er Jahren. Ursprünglich standen dabei die
weise kurz skizziert werden:                                        Aktivitäten der Business Units im Vordergrund: «Start­-ups ha­
                                                                    ben die hauseigenen Geschäfte, Produkte und Technologien
Fluxunit                                                            eher ergänzt und abgerundet – die Musik spielte vorwiegend
Die Fluxunit von Osram investiert in ihrer Kernfunktion als         intern» (I. Susemihl, next47). Hinzu trat die Unterstützung ei­
Corporate Venturing-Bereich in Start-ups, die einen strategi­       gener Ausgründungen aus dem Konzern. Inzwischen sind viel­
schen Nutzen versprechen und bei denen es keine größeren            fältige Möglichkeiten geschaffen worden, das interne Poten­
Überschneidungen mit dem bestehenden Geschäft gibt. Eine            zial von Innovationsideen zu nutzen: Innovation Challenges,
weitere Voraussetzung ist, dass Osram dem Start-up helfen           Intrapreneur Bootcamps, Open Innovation-Plattformen und
kann, den Wert seines Geschäftes weiter zu steigern. Ein aktu­      Ähnliches mehr.
elles Beispiel hierfür ist die Agrilution GmbH, die intelligente       Mit der Gründung von next47 gibt es nun neben diesen be­
Gewächsschränke für zuhause entwickelt: Osram ist zwar              stehenden Aktivitäten einen zusätzlichen Schwerpunkt auf
nicht direkt im Geschäft mit Gewächsschränken aktiv, liefert        eigene strategische Investitionen in Start-ups, unabhängig von
aber unter anderem spezielle LED-Technologie zu, die das            den Business Units. Im Fokus sind Geschäfte, die heute noch
Pflanzenwachstum stimulieren und steuern kann. Durch sei­           eher klein und unbedeutend sind, aber bereits an der Schwelle
ne Min­derheitsbeteiligung bekommt Osram vertiefte Einblicke        stehen, erhebliche Marktbedeutung zu erlangen. Das können
in die Wertschöpfungsstruktur dieses neuartigen Geschäfts­          technologiegetriebene Themen sein wie Artificial Intelligence
mo­dells und kann über das dabei gewonnene System- und An­­         oder Blockchain oder auch neue Geschäftssegmente wie 3D
wendungs-Know-how seine eigene strategische Position wei­           Druck, modulare Robotic oder Ladeinfrastruktur für Elektro­
ter ausbauen. Umgekehrt erhält Agrilution neben zusätzlichem        mobilität. next47 nimmt dabei nicht nur die Rolle eines Inves­
Kapital einen verbesserten Zugang zu seinem strategischen           tors ein, sondern auch die eines Katalysators. Wie weit nach
Lie­feranten Osram und damit zu erprobten Industrialisie­           vorne dabei zum Teil gedacht wird, zeigt zum Beispiel die Ko­
rungsprozessen. Innovationen können so besser aufeinander           operation mit dem Start-up LO3 Energy im Bereich Peer-to-
abgestimmt werden.                                                  Peer Energy Trading: Hier wird auf der Basis von Blockchain-
   Das Screening von Start-ups geschieht einerseits über per­       Technologie daran gearbeitet, ein Energiehandels- und Ver­
sönliche Netzwerke und Veranstaltungen, andererseits syste­         teilnetzwerk aufzubauen, das sich autonom steuert. Es soll
matisch über Datenbanken und eine Analyse des Deal-Flows            Konsumenten, die beispielsweise über Photovoltaik-Anlagen
der großen Fonds. Der eigenständige Entscheidungsprozess            ihren eigenen Strom produzieren, ermöglichen, sich ganz oh­
der Fluxunit Geschäftsführung ist sehr schlank gehalten und         ne die Beteiligung einer dritten Partei gegenseitig Strom zu
ähnelt stark professionellen Venture Capital-Prozessen. Das Zu­     verkaufen. «Die Business Units konzentrieren sich auf ihr lau­
sammenspiel mit den Geschäftsbereichen ist eher lose struk­         fendes Geschäft und stehen unter einem hohen operativen
turiert: Es gibt vierteljährliche Jour Fixes, in denen über die     Erfolgsdruck. Dabei haben sie häufig nicht die Zeit und die
aktuelle Situation, Bedarfe, Erkenntnisse und Vorgehensstra­        Ressourcen, um sich auf die Themen von übermorgen zu kon­
tegien gesprochen wird, sowie situative Zusammentreffen. Vie­       zentrieren. Ein Start-up kann sich dagegen ohne die Verpflich­
les läuft über informelle Kontakte auf unterschiedlichen Ebe­       tungen aus etablierten Geschäftsbeziehungen auf den Aufbau
nen. Dabei erhebt die Fluxunit keinen Alleinvertretungsan­          seines Geschäfts von morgen konzentrieren und so für Sie­
spruch auf Beziehungen zu Start-ups – jede Geschäftseinheit         mens ein nächstes 1847 werden.» (I. Susemihl). Das Ausblen­
kann auch eigene Aktivitäten betreiben. «Wir sehen uns viel­        den externer Innovationsaktivitäten kann sich ein Weltkon­
mehr als das ‘Vorfeld-Business Development’ für innovative          zern wie Siemens im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr
Geschäftsmodelle in der Osram-Gruppe» (U. Eisele).                  leisten. «Gerade bei Querschnittsthemen oder Basistechnolo­
   Zu einem kleineren Teil fördert die Fluxunit auch interne        gien wie z. B. Blockchain oder Künstliche Intelligenz sowie in
Innovationsideen mit dem Ziel, daraus ein externes Start-up         Bereichen, die noch einen geringen Reifegrad aufweisen oder
zu machen. So gibt es ausgewählte «Embedded Teams» beste­           für Siemens ein neuartiges Geschäft darstellen, wird die Ei­
hend aus Osram-Mitarbeitern, die eine Ausgründung vorbe­            genständigkeit von next47 bei Investitionsentscheidungen zu
reiten und hierfür eine zeitlich befristete Finanzierung, Räume     einem unverzichtbaren Element».
und Support erhalten. Nach wenigen Monaten muss die Grün­              Die Bedeutung und Eigenständigkeit von next47 wird nicht
dung erfolgen oder aber die Mitarbeiter kehren in ihre Kon­         zuletzt dadurch sichtbar, dass dessen CEO direkt an das Sie­
zern-Jobs zurück.                                                   mens Board berichtet – wie die großen Business Divisions

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auch. In Abstimmung mit ihm wird über Investments in neue                 Voraussetzungen und Stolpersteine der Kooperation
                                                           ge-
Geschäftsideen und Start-ups entschieden, die zuvor über ge­              So sehr der Trend zur Zusammenarbeit von Corporates und
zielte Screening- und Scouting-Aktivitäten, unter anderem in              Start-ups zunimmt, so herausfordernd bleibt die alltägliche
Form von Inkubatoren und Acceleratoren, ausfindig gemacht                 Praxxis:
                                                                          Pra­ is: Kooperationssysteme sind schon vom Grundsatz her
wurden. Ist die Entscheidung für eine Zusammenarbeit oder                 empfindliche Gebilde, denn sie basieren auf Freiwilligkeit und
Beteiligung getroffen, agiert next47 als Katalysator zwischen                                                                        Part-
                                                                          sind damit auf den beständigen Interessenausgleich ihrer Part­
Start-up und Geschäftseinheiten des Konzerns. So sollen nicht             ner angewiesen (Zimmermann 2011, S.4). Dies gilt umso mehr
                                                     Innovati-
nur die bestehenden Business Units auf die externen Innovati­             für so ungleiche Partner wie Großunternehmen und Start-ups,
onen des Start-ups zugreifen können, sondern das Start-up                                                                  Organisations-
                                                                          die in vielen Aspekten geradezu gegensätzliche Organisations­
kann auch das globale Ökosystem des Konzerns, (also z. B. die                                                                        pral-
                                                                          typen verkörpern (vgl. Abbildung 1). Diese Unterschiede pral­
Regionalgesellschaften und das Kundennetzwerk) nutzen, um                                                                        Einkaufs-
                                                                          len dann im Alltag immer wieder aufeinander: «Die Einkaufs­
das eigene Geschäft schneller und besser zu entwickeln. Der               prozesse der Corporates sind ein gutes Beispiel: Sie sind häufig
Konzern lernt zunehmend mit externen Innovationen und                     extrem reguliert und aufwendig. Wenn etwa die Qualifizierung
                                                       Weiter-
Start-up-Kooperationen umzugehen und sie gezielt zur Weiter­              eines neuen Zulieferers mehrere Monate dauert, geht dem
                                                     Verständ-
entwicklung des eigenen Portfolios zu nutzen: «Das Verständ­              Start-up dabei schnell die Luft aus.» (U. Eisele). «Natürlich
nis für die Notwendigkeit von radikalen Innovationen und                  fehlt es den Start-ups auch an bestimmtem Fach- oder Ma­    Ma-
neuartigen Geschäftsmodellen ist im Management sehr prä­  prä-                                                            Patentmanage-
                                                                          nagement-Know-how, etwa im Bereich des Patentmanage­
sent. Die Berührungsängste mit der Start-up-Szene sind in den             ments oder des Managements großer Projekte – das liegt in der
vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen» (I. Susemihl).               Natur der Sache.» (H. Schönenberger). Dies führt zuweilen zu
                                                                                                                                      Be-
                                                                          regelrecht skurrilen Situationen: «Da sitzt dann bei einer Be­
UnternehmerTUM                                                            sprechung schon mal ein Start-up-Unternehmer acht Corpo­ Corpo-
UnternehmerTUM hat als externe Gründer-Plattform, die von                 rate-Vertretern gegenüber – wohlgemerkt acht Experten in un­un-
                                                   Großunterneh-
privaten und öffentlichen Geldgebern sowie von Großunterneh­              terschiedlichen Subdisziplinen, während der Start-up-Gründer
men mit finanziert wird, schon allein dadurch einen anderen               das alles in einer Person verkörpern muss.» (I. Susemihl)
                                                       eingebun-
Charakter, dass sie nicht in einen einzelnen Konzern eingebun­
den, sondern mit der TU München assoziiert ist. Sie versteht
                                                           Entre-
sich als unabhängiger Marktplatz und Enabler für junge Entre­             Abbildung 1
preneure, spannende Projekte, interessierte Unternehmen und               Gegenüberstellung der Organisationstypen
Wagniskapitalgeber: «Das Schlüsselelement ist der Commu­ Commu-           Corporates und Start-ups (Eigene Darstellung)
                                                             rich-
nity-Aufbau, das ‘Spiel der Menschen’: Es geht darum, die rich­
tigen Leute zusammenzubringen – im Kern wohl circa 50 bis                                         Corporates                 Start-ups
100, mit ihnen spannende Projekte zu starten, Erfolgs-Stories
zu produzieren, die dann weitere interessante Leute anziehen.               Alter und zeitliche   Langes Bestehen:           Kurzes Bestehen: Fokus
                                                                            Perspektive           Prägung durch Erfolge      auf Gegenwart und
Erst im zweiten Schritt spielen die Hard Facts wie Gebäude,                                       der Vergangenheit          Zukunft
Finanzierung und Technologie eine Rolle» (H. Schönenberger).
Die Gelder werden auch hier sehr ziel- und zweckgebunden                    Größe und             Groß bis sehr groß:        Klein: Eher Team, wenig
                                Innovationsiinitiativen
eingesetzt, beispielsweise für Innovations­                 Start-
                                             nitiativen und Start­          Systemtypus           Organisation, funktional   funktional differenziert
                                                                                                  differenziert
up-Wettbewerbe in den Bereichen Automobil, Industrie 4.0
                                      Start-up-Unternehmer fin­
oder Financial Services. Die jungen Start­-up-Unternehmer      fin-         Unternehmensziele Planungsorientiert:            Überlebensorientiert:
den, sofern sie sich für eine Förderung qualifizieren, gute Be­Be-          und -strategie    Profitabilitäts-, Kosten-      Wachstums- und
                                                        Finanzie-
dingungen für ihren Gründungsprozess vor: Neben Finanzie­                                     und Effizienzziele             Liquiditätsziele
rungsmöglichkeiten werden sie mit Kontakten und Know-how
                                                                            Organisations-        Hoch strukturiert:         Lose strukturiert:
in Form von Schulungen, Mentoring und regelmäßigen Netz­    Netz-           strukturen und        Regelhaft, standardisiert, Dynamisch, flexibel, agil
werk-Events sowie mit einem Maker Space (Werkstatt) und                     -prozesse             stabil
Räumlichkeiten versorgt. Durch die Nähe zur TU München
kann UnternehmerTUM fähige und motivierte junge Leute so­       so-         Form von Kultur       Formell: Über viele Jahre Informell: Netzwerk-/
                                                                            und Zusammen-         etablierte Muster und     Communityartig und
wie Lehrpersonal aus den eigenen Reihen beisteuern, durch die               arbeit                Spielregeln               gründergeprägt
Nähe zur Wirtschaft den Zugang zu interessanten Unternehmen
eröffnen. Die Programme sind zu einem festen Bestandteil der                  Inkrementell: «Schuster Radikal-disruptiv:
                                                                            Innovationstypus
                                                      mittlerwei-
Gründerszene in München geworden und werden mittlerwei­                       bleib bei Deinem Leisten» Branchen- und geschäfts-
                                                                            		                          übergreifend
le deutschlandweit sowie international nachgefragt.

OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2018                                                                                                                     21
Erfahrung | Schwerpunkt | Erfolgreiche Kooperationen von Corporates und Start-ups | Heiko Hilse, Ingo Susemihl

Die Zusammenarbeit kann funktionieren, so lange sich die            • Agile Formen der Zusammenarbeit: Die konkrete inhaltli­
Partner ihrer Unterschiedlichkeit bewusst sind und wertschät­         che Arbeit im Projekt kann nun beginnen. Um sie nicht so­
zend damit umgehen – denn schließlich wollen sie ja genau             fort mit formalen Konzerninstrumenten und -Prozessen zu
von dieser Verschiedenheit profitieren. De facto kommt es je­         überfrachten, passen sich mehr und mehr Großunterneh­
doch immer wieder zu wechselseitigen Berührungsängsten,               men auch in der Art der Zusammenarbeit den Start-ups an.
Vorurteilen und Abwertungen bis hin zu offenen Konflikten:            So wird zum Beispiel häufig als erster Rahmen für die Ko­
«Die einen sind dann die coolen und kreativen Jungs und Mä­           operation eine gemeinsame Vision entwickelt und wechsel­
dels, die auf bunten Säcken sitzen und arbeiten wie die Berser­       seitige Erwartungen geklärt (z. B. in Form eines Memoran­
ker – denen es aber in vielen Feldern an Professionalität man­        dum of Understanding), bevor es gegebenenfalls später zu
gelt. Und die anderen sind die langweiligen, miefigen Beam­           weiteren vertraglichen oder finanziellen Bindungen kommt.
tenläden, in denen zwar alles bestens geregelt ist, aber nichts       Dieser evolutionäre Ansatz wird durch interne Co-Working
vorangeht und jegliche Kreativität erstickt wird» (H. Schönen­        Spaces, den Gebrauch agiler Methoden und Tools und ähn­
berger). Hinzu treten generelle Widerstände gegen externe In­         liche start-up-artige Umgebungen unterstützt, die auch in
novation und Disruption auf der einen Seite und bürokratische         Konzernen immer mehr anzutreffen sind. Sie fördern eine
Vereinnahmung und Erstarrung auf der anderen.                         offene und unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen in­
   Den konzerneigenen Start-up-Einheiten sowie den exter­             ternen und externen Projektpartnern.
nen Gründerplattformen kommt in diesem Zusammenhang                 • Führung von Innovations-Netzwerken: In die Zukunft wei­
eine wichtige Puffer-, Übersetzer- und Vermittlerrolle zu. So­        ter gedacht, befinden sich beide – Corporates wie Start-ups
wohl in der Anbahnung als auch in der Durchführung von                – auf dem Weg zu mehr oder weniger lose gekoppelten In­
Koopera­tionsprojekten haben sich eine Reihe unterstützender          novations-Netzwerken. «Das Ganze entwickelt sich immer
Praktiken und Maßnahmen als hilfreich erwiesen:                       mehr zur Führung von Netzwerken: Je nach Bedarf wird fle­
• Türöffner auf dem Weg in den Konzern: In der Kontaktanbah­          xibel in Innovations-Projekten zusammengearbeitet, die sich
   nung geht es darum, es Start-ups möglichst einfach zu ma­          aus verschiedenen internen und externen Akteuren zusam­
   chen, mit Corporates in Kontakt zu treten, und entsprechen­        mensetzen. Von den alten starren Hierarchien und Silo-
   de Andockstellen für eine Zusammenarbeit anzubieten.               Strukturen her kommend vollzieht sich da führungs- und
   Dies betrifft die Möglichkeiten des Kennenlernens und Net­         organisationsseitig gerade eine regelrechte Revolution» (H.
   workings einerseits – etwa auf Messen, in Meet-ups oder            Schönenberger). Dies schließt den Respekt vor der Unab­
   Pitches, z. B. im Rahmen von Inkubatoren und Accelerato­           hängigkeit und Ungleichheit der Partner mit ein: An einer
   ren – und geht bis zur Schaffung speziell verschlankter und        Stelle kooperiert man, woanders ist man getrennt unter­
   vereinfach­ter Prozesse für Start-ups andererseits. So passen      wegs oder löst sich wieder. Und dies verbunden mit der Er­
   Großunter­nehmen zum Beispiel vermehrt ihre vertraglichen          kenntnis, dass je nach Herausforderung beide Arten zu ar­
   Instrumente, Compliance-Checks und Zahlungsmodali­tä­              beiten ihre Berechtigung haben – klassisch und agil. «Natür­
   ten ganz bewusst an die Gegebenheiten in Start-ups an. «Im         lich sollte verhindert werden, dass Konzerne Start-ups mit
   übertragenen Sinne müssen wir den Konzern klein machen             ihren etablierten Strukturen erdrücken, aber genauso kont­
   und entschlacken, um für Start-ups anschlussfähig zu sein»         raproduktiv ist es, wenn plötzlich Start-ups oder die kon­zern­
   (I. Susemihl).                                                     eigenen Top Manager – angestachelt durch den Silicon Val­
• Navigationshilfen und Kontaktbörsen im Konzern: Ist die             ley-Tourismus – Konzerne in Sachen Agilität überfordern»
   ers­te Schwelle eines wechselseitigen Interesses und einer         (I. Susemihl). Beide Organisationstypen haben ihre eigenen
   (möglichen) Kooperation genommen, besteht die nächste              Stärken und Schwächen. Letztlich geht es um Kooperations­
   Herausforderung darin, innerhalb des Konzerns geeignete            fähigkeit auf Augenhöhe einerseits und um die Aufrechter­
   Kooperationspartner und -projekte zu identifizieren. Al­lei­       haltung und Nutzung unterschiedlicher Eigenschaften und
   ne wäre ein Start-up im internen Ökosystem eines Groß­             Identitäten andererseits.
   konzerns schnell verloren. Wie zuvor extern werden nun
   interne Meetings, Messen und Marktplätze veranstaltet, um        Kooperationen mit Start-ups versus interne
   Start­-ups mit ihren Technologien und Lösungsansätzen zu         Innovationsprojekte
   präsen­tieren: «In diesem Schritt ist wichtig, dass wir die      Grundsätzlich existieren eine ganze Reihe von Möglichkeiten,
   Start­-ups im Konzerninneren groß und sichtbar machen,           wie Corporates und Start-ups miteinander kooperieren können
   um best­mögliche Koppelungen im Sinne zukünftiger Ge­            (siehe Abbildung 2): Die Kooperationsformen reichen opera­
   schäftsbeziehungen herzustellen» (I. Susemihl). Ist dieser       tiv von informellem Austausch und Networking über wechsel­
   Prozess er­folgreich, übernimmt auf Konzernseite ein Pro­        seitige Kunden-Lieferanten-Beziehungen bis hin zu strategi­
   jekt-Owner die weiteren Schritte.                                schen Entwicklungspartnerschaften. Unabhängig davon kann

22                                                                                               OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2018
Heiko Hilse, Ingo Susemihl | Erfolgreiche Kooperationen von Corporates und Start-ups | Schwerpunkt                                                                                        | Erfahrung

 der Grad der finanziellen Verflechtung variieren von rein in-in­          Abbildung 2
 haltlicher Zusammenarbeit über Venture Capital-Beteiligun-
                                             Capital-Beteiligun­           Kooperationsformen von Corporates und Start-ups
 gen (Minderheitsanteile) bis hin zu Private Equity- und M&A-              (Eigene Darstellung)
 Transaktionen (Mehrheitsanteile).
     Schon die Effekte eines gut gestalteten Networkings sind                                                                                                              Finanzbeteiligung     Innovations-            Neues Geschäft

                                                                                                                                                 (normalerw. > 50 —100%)
                                                                                                                                                                           • Reines Finanz-      einheit                 • Integration in
 nicht zu unterschätzen: «Bei UnternehmerTUM haben wir ein                                                                                                                                       • Konsolidierter
                                                                                                                                                                             Investment                                    bestehende
 Mentoring-Programm ins Leben gerufen, in dem jeweils ein                                                                                                                    (z. B. PE)            Innovations-            Business Unit

                                                                                                                                                        PE/M&A
 erfahrener Manager aus einem Großunternehmen die Mento- Mento­                                                                                                            • Holding (Syner-       Dienstleister         • Integration als
                                                                                                                                                                             gien im wesent-     • Joint Venture           eigenständige
 renrolle für einen Start-up-Gründer übernimmt: Dabei lernen                                                                                                                 lichen im Admin-      mit Innovations-        Business Unit
 beide voneinander – der Gründer aktuelles Management- und                                                                                                                   Bereich)              Partner

                                                                         Finanzielle Unternehmens-Beteiligung
 Projektwissen und wie Großunternehmen ticken, der Unter­Unter-

                                                                                                                Venture Capital bzw. Corporate VC
 nehmensvertreter neue Technologien, Produkt- und Geschäfts-
                                                      Geschäfts­                                                                                                           VC Investment         Innovations-            Strategischer
                                                                                                                                                                           • Finanz-Invest-      Kooperation             Partner

                                                                                                                       (normalerw. < 25%)
 ideen
 ­ideen und wie Start-ups arbeiten» (H. Schönenberger). An­
                                                        Anson
                                                           son­s-
                                                               s­
                                                                                                                                                                             ment mit Risiko-    • Proof-of-             • Venture-Einheit
tt­en
   en stehen jene Kooperationsformen im Mittelpunkt, bei denen                                                                                                               kapital und ohne      Concept-Projekte        koordiniert
es um konkrete geschäftliche Aktivitäten oder strategische Po-Po­                                                                                                            operative Anbin-    • Entwicklung             Zugang zu Corpo-
tenziale geht – sei es aus rein finanziellem oder innovations-
                                                   innovations­                                                                                                              dung an Investor      von Prototypen,         rate Eco-System
                                                                                                                                                                                                   Piloten, Demos, ...   • Schaffung von
seitigem Interesse. Die hier vorgestellten Start-up-Einheiten                                                                                                                                    • Inkubator/Accele-       wechselseitigem
und Gründer-Zentren verfolgen im Schwerpunkt durchaus                                                                                                                                              rator                   Nutzen
unterschiedliche Kooperationsformen: Während es bei Unter­
                                                         Unter-                                                                                                            Informeller           Kunden-/Liefe-          Strategischer Ent-
nehmerTUM primär um die Vernetzung und den inhaltlichen                                                                                                                    Austausch             ranten-Beziehung        wicklungspartner
                                                                                                                                                                           • Screening, Meet-    • Innovation            • Start-up-Offering
Aus
  Aus­tausch
       tausch geht und die finanzielle Seite darüber ins Spiel                                                                                                               ups, ...              Challenge               wird Teil der
                                                                                                                Keine
                                                                                                                (o%)

kommt, dass Gründer dort mit Investoren in Kontakt kommen,                                                                                                                 • Pitch-Präsenta-     • Start-up als            operativen
haben next47 und Fluxunit sehr wohl ein eigenständiges Inte-Inte­                                                                                                            tionen in Inkuba-     neuer Lieferant         Roadmap
                                                                                                                                                                             tor, Accelerator    • Zugang zum Cor-       • Kooperations-
resse an finanzieller (Minderheits-)Beteiligung. next47 möchte                                                                                                             • Konferenzen           porate Innovation       vertrag für Kun-
auf diesem Wege ein Netz strategischer Partner aufbauen, aus                                                                                                               • ...                   Management              den-Projekte
dem die Siemens-Geschäfte der Zukunft erwachsen können.
Die Fluxunit hat im Sinne der Innovations-Kooperation eher                                                                                                                    gering              mittel                            hoch
Interesse daran, in einem frühen Stadium zukünftige Produkte                                                                                                                               Operative Beteiligung
und Geschäftsmodelle aufzuspüren und kennenzulernen. Es
gibt auch Unternehmen, bei denen die finanzielle Beteiligung
keine Rolle spielt, so etwa die Start-up-Garage von BMW, die
auf das Modell der «Venture Clients» und damit eine Kunden-                                                Exkurs zum Thema Innovationskultur
Lieferanten-Beziehung mit Start-ups setzt (Gimmy et al. 2017).
Eine spezielle Variante der Beteiligung erscheint gerade auch                                              Manche Großunternehmen kooperieren mit Start-ups auch in der Hoff-
für Mittelständler interessant: Da sie häufig keine hauseige-
                                                      hauseige­                                            nung, ihre internen Strukturen aufzubrechen, als Organisation insgesamt
nen Experten oder Abteilungen für die Kooperation mit Start-                                               agiler zu werden und der eigenen Innovationskultur eine Frischzellenkur
ups haben, nutzen sie vermehrt externe «Company Builders»,                                                 zu verpassen. Was die Großunternehmen als Ganzes angeht, winken die
Grün
  Grün­derfonds
         derfonds und Gründeragenturen, um in Start-ups zu in­in-                                          Start-up-Experten eher ab: «Die Strukturen sind dafür viel zu schwerfällig
vestieren und mit ihnen einen entsprechenden Wissens- und                                                  — und das vorhandene Personal im Durchschnitt nicht das richtige: Wer
Erfahrungsaustausch zu initiieren (Schäfer 2017).                                                          erst einmal 15 Jahre im Konzern gearbeitet hat, ist zumeist nicht mehr
      Neben externen Start-ups gibt es natürlich auch die Opti­
                                                           Opti-                                           geeignet für ein Start-up oder ist es ohnehin nie gewesen» (H. Schönen-
on, interne Innovationsprojekte zu starten. Die Frage dabei ist,                                           berger). Auf der anderen Seite sind bahnbrechende Innovationen auch
wann die eine oder die andere Richtung erfolgversprechender                                                unter Konzernbedingungen sehr wohl möglich: «Die guten Leute nehmen
erscheint. Investitionen in Innovationen sind wie eine Wette:                                                                                                                  Inno-
                                                                                                           sich dann einfach die Freiheiten heraus, die sie brauchen, um eine Inno­
Wenn das Risiko-Profil von Markt und Technologie in das Ri-   Ri­                                          vationsidee voranzutreiben und gehen gleichzeitig mit den Konzernpro-
siko-Schema des Konzerns passt, ist es besser, ein internes Pro-
                                                             Pro­                                          zessen so weit wie möglich pragmatisch um» (U. Eisele). So hat es die
jj­ekt
   ekt zu starten oder ein eigenes neues Geschäftssegment zu                                               berühmten U-Boot-Projekte in Großunternehmen schon immer gegeben.
gründen. Wenn diese Wette zu risikoreich ist, sollte man sich                                              «Der wesentliche Erfolgsfaktor ist eine berechenbare Beziehung zum
der externen Start-up-Szene bedienen. «Ein solches Thema in                                                Management, geprägt von wechselseitigem Vertrauen und einer Klarheit,
ein internes Start-up zu geben ist auf keinen Fall ratsam» (U.                                             wie weit die Leine der Geschäftsführung letztlich reicht».
Eisele). Aus diesem Grunde arbeitet die Fluxunit im Kern auch

OrganisationsEntwicklung Nr. 1 |2018                                                                                                                                                                                                         23
Erfahrung | Schwerpunkt | Erfolgreiche Kooperationen von Corporates und Start-ups | Heiko Hilse, Ingo Susemihl

nicht als interner Inkubator oder Accelerator, sondern als Ven­                       Die Fallbeispiele im Artikel weisen darauf hin, dass sich lang­
ture Capital-Investor. Interne Innovationsprojekte oder eigene                        sam die Erkenntnis durchzusetzen scheint, dass die Koopera­
Ausgründungen werden von den Geschäftseinheiten selbst in                             tion zwischen Corporates und Start-ups von der Unterschied­
die Hand genommen (zum Management von internen Ge­                                    lichkeit lebt. So ist es weder ratsam, Start-ups zu eng an die
schäftsinnovationen vgl. O’Reilly & Tushman 2016).                                    Konzerne anzubinden (außer es handelt sich bereits um markt­
                                                                                      reife Geschäfte), noch sollten die Konzerne versuchen, selbst
Ausblick                                                                              zu Start-ups zu werden. «Große Mittelständler und DAX-Kon­
Das Management von Innovationen ist für Unternehmen in                                zerne werden den Innovationswettbewerb nicht gewinnen,
den vergangenen Jahren herausfordernder, unübersichtlicher                            indem sie Start-ups imitieren» (Sauberschwarz in Müller 2017,
und vielfältiger geworden. Doch sie scheinen sich auf diese                           S.22). Sie müssen vielmehr lernen, ihre unterschiedlichen
Situation einzustellen: Die Kooperation mit Start-ups und die                         Stärken geschickt zu nutzen und zu kombinieren. Nach dem
systematische Nutzung des externen Innova­tions-Ökosystems                            Abflauen des ersten Silicon Valley-Hypes erscheint jetzt die
ist im Wettbewerb um digitale Prozesse, Pro­dukte und Ge­                             Zeit reif dafür. Es könnte nichts weniger als die Wettbewerbs­
schäftsmodelle zu einem unverzicht­baren Element geworden,                            fähigkeit der deutschen Wirtschaft davon abhängen.
neben internen Innovationsprojekten und Ausgründungen.
    Dabei lässt sich beobachten, dass sich vermehrt speziali­
sierte Start-up-Einheiten in Konzernen und deren Umfeld ge­
nau dieser strategischen Aufgabe annehmen. Die Stichworte
für gute Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen lau­
                                                                                        Literatur
ten: «Den Konzern klein machen, das Start-up groß machen:
Kooperation auf Augenhöhe». Dass dies noch nicht überall
erfolgreich zu funktionieren scheint, lässt sich anhand empiri­                         • Gassmann, O. & Sutter, P. (2016). Digitale Transformation im Unter-
scher Daten des Start-up Monitors 2016 erschließen, wonach                                nehmen gestalten. Hanser.
die Zufriedenheit deutscher Start-ups mit Kooperationen mit                             • Gimmy, G., Kanbach, D., Stubner, S., Konig, A. & Enders, A. (2017).
etablierten Unternehmen bei einer Schulnote von 3,7 (ausrei­                              What BMW’s Corporate VC offers that regular investors can’t. In Harvard
chend) liegt (Kollmann et al. 2016, S.66).                                                Business Review, see at: https://hbr.org/2017/07/what-bmws-corporate-
                                                                                          vc-offers-that-regular-investors-cant

                                                                                        • Handy, C. (2001). The elephant and the flea. Harvard Business School Press.
                                              Dr. Heiko Hilse                           • Hilse, H. (2017). A new love affair between Corporates and Startups.
                                              Partner, osb international
                                                                                          Siehe: www.linkedin.com/pulse/new-love-affair-between-corporates-
                                              Kontakt:
                                              heiko.hilse@osb-i.com
                                                                                          start-ups-dr-heiko-hilse

                                                                                        • Kollmann, T., Stöckmann, C., Hensellek, S. & Kensbock, J. (2016).
                                                                                          Deutscher Startup Monitor 2016. Studie im Auftrag des Bundesverbands
                                                                                          Deutsche Startups und der KPMG. Siehe http://deutscherstartupmoni-
                                                                                          tor.de/fileadmin/dsm/dsm-16/studie_dsm_2016.pdf
                          © Jonas Friedrich

                                                                                        • Müller, A. (2017). Elefanten die Angst vor Mäusen nehmen. In Handels­
                                                                                          blatt vom 14.08.2017, S. 22.

                                                                                        • O’Reilly, C. A. & Tushman, M.L. (2016). Lead and disrupt: How to solve
                                              Ingo Susemihl                               the innovator’s dilemma. Stanford University Press.
                                              Principal, next47 – A Siemens Company
                                                                                        • Schäfer, U. (2017). Dinosaurier trifft Maus — Wie Konzerne und Start-
                                              Kontakt:
                                              ingo.susemihl@next47.com                    ups voneinander profitieren können. Siehe: http://www.sueddeutsche.
                                                                                          de/wirtschaft/das-deutsche-valley-dinosaurier-trifft-maus-1.3336528

                                                                                        • Zillner, S. & Krusche, B. (2012). Systemisches Innovationsmanagement.
                                                                                          Schäffer-Poeschel.

                                                                                        • Zimmermann, A. (2011). Kooperationen erfolgreich gestalten. Schäffer-
                                                                                          Poeschel.

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