Ermöglichen Medienberichte und Broschüren informierte Entscheidungen zur Gebärmutterhalskrebsprävention?

 
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Originalien und Übersichten

Bundesgesundheitsbl 2011 · 54:1197–1210        A. Neumeyer-Gromen1 · N. Bodemer1 · S.M. Müller2 · G. Gigerenzer1
DOI 10.1007/s00103-011-1347-5                  1 Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Harding Center for Risk Literacy, Berlin
Online publiziert: 22. Oktober 2011            2 Institut für Experimentelle Psychologie, Universität Granada
© Springer-Verlag 2011

                                               Ermöglichen Medienberichte
                                               und Broschüren informierte
                                               Entscheidungen zur
                                               Gebärmutterhalskrebsprävention?

Hintergrund                                    ebnet hier die Antwort: Demnach sind            können, müssen das Individuum und Pu­
                                               Interventionen nicht durch die Dichoto­         blic-Health-Akteure über entsprechend
Gesundheitsinformationen aus der Wis­          mie von Vor- oder Nachteilen, sondern           ausgewogene Informationen verfügen.
senschaft für den Laien können sowohl          durch beides charakterisiert. So sind alle          Neben den Inhalten haben auch die in
indirekt über die allgemeinen Medien           Maßnahmen mit Unsicherheiten behaf­             einer Berichterstattung gewählten Forma­
wie Zeitungen, Internet oder Broschü­          tet, die Entscheidungen unbequemer ma­          te erheblichen Einfluss auf den Informa­
ren als auch direkt kommuniziert wer­          chen. Dies liegt an den probabilistischen       tionsgewinn. So ist die Darstellung natür­
den. Ihre Inhalte unterliegen gleicherma­      Schätzungen in der Epidemiologie. Sie           licher statt relativer Häufigkeiten ein maß­
ßen der Interpretation und Diskussion          beziehen sich auf Populationen und be­          gebliches Kriterium für Verständlichkeit
durch Wissenschaftler, Journalisten und        schreiben ein Ereignis als mehr oder we­        [7]. Eine Risikoverminderung um 25%
Laien. Dabei fließen neben den eigentli­       niger wahrscheinlich, liefern aber keine        kann sowohl einen Interventions­effekt
chen Sachinformationen auch die Inte­          Gewissheit. Statistische Aussagen führen        von vier auf drei Krankheitsbetroffene pro
ressen und Werte dieser Gruppen ein,           in das Dilemma, dass sie sich auf einem         zehn Personen als auch einen von vier auf
woraus sich ausgesprochen kontroverse          Kontinuum befinden und nicht determi­           drei Betroffene pro 1.000.000 Personen
Betrachtungen ergeben können. Frühere          nieren können, wen das Ereignis im Ein­         bedeuten, wobei Letzteres ungleich un­
Untersuchungen zeigen erhebliche Defi­         zelfall trifft. Demgegenüber sind der Er­       bedeutender ist als der erste Effekt. Die
zite bei der Ausgewogenheit der wissen­        eigniseintritt für den Betroffenen sowie        Angabe absoluter Zahlen mit Bezug zur
schaftlichen/medizinischen Berichterstat­      die Entscheidungen des Individuums              Grundgesamtheit ist daher deutlich trans­
tung – zu nennen sind in diesem Zusam­         und der zuständigen Public-Health-Ak­           parenter als die relativer Effektmaße und
menhang beispielsweise überzogene und          teure dichotom (ja versus nein) [8]. Bei        wird von internationalen Wissenschafts­
alleinige Darstellungen des Nutzens einer      allen medizinischen Interventionen sind         organisationen wie der Cochrane Col­
Maßnahme/Intervention, ohne das Scha­          Unsicherheiten abzuwägen.                       laboration inzwischen auch gefordert [11].
denspotenzial zu erwähnen, oder die An­            Folglich liegt der erste Schritt zu einer       Am Beispiel der Zervixkarzinomprä­
gabe missverständlicher Maßzahlen [1, 2,       ausgewogenen Berichterstattung in der           vention untersuchen wir anhand der Hu­
3, 4, 5]. Ausgewogenheit ist jedoch un­        Beantwortung der Frage nach den Vor-            manen-Papillom-Virus (HPV)-Impfung
erlässliche Voraussetzung für eine infor­      und Nachteilen einer Intervention/Maß­          und des Papanicolaou (Pap)-Screenings,
mierte Entscheidung des Laien für oder         nahme. Beispielsweise kann ein Brust­           welche entscheidungsrelevanten Inhal­
gegen die Teilnahme an einer Präven­           krebsscreening nicht nur dazu beitra­           te und wie sie hinsichtlich Vollständig­
tions- oder Behandlungsmaßnahme. Die           gen, die Morbidität und Mortalität auf­         keit (Nutzen und Schaden), Transparenz
Möglichkeit zur Partizipation durch In­        grund der rechtzeitigen Behandlung früh         (natürliche Häufigkeiten) und Richtig­
formationen gebieten die ethischen Ver­        erkannter Krebserkrankungen zu senken,          keit in den Medien und öffentlichen In­
pflichtungen eines demokratisch-pluralis­      sondern durchaus auch Nachteile haben           formationsmaterialien abgebildet werden.
tischen Gesellschaftssystems. Ob im kon­       [9, 10]: Denn falsch-positive Befunde, die      Das Beispiel hat hohe Public-Health-Rele­
kreten Fall aber partizipatorische oder di­    für eine davon betroffene Person mit un­        vanz, da es potenziell alle Mädchen im Al­
rektive Entscheidungsprozesse bevorzugt        nötigen Ängsten und invasiven Fehlbe­           ter zwischen zwölf und 17 und alle Frau­
werden, obliegt dem Einzelnen.                 handlungen einhergehen können, sind ein         en ab 20 Jahren betrifft. Die Empfehlung
    Nun stellt sich die Frage nach der Defi­   erheblicher Preis dafür, dass auf der an­       zur HPV-Impfung im Jahr 2007 hat eine
nition einer ausgewogenen Berichterstat­       deren Seite Frauen vor dem Brustkrebs­          große journalistische und öffentliche Re­
tung. Die Illusion der Gewissheit [6, 7, 8]    tod gerettet werden. Um hier abwägen zu         sonanz erzeugt, die durch die Verleihung

                                                            Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011   | 1197
Originalien und Übersichten

     des Nobelpreises an den HPV-Forscher             fektionen und Krebsvorstufen (Dyspla­          sien) der Schwere von mindestens CIN2+
     Professor zur Hausen im Jahr 2008 noch­          sien) [13, 14, 15, 16], der Ansätze und        (gemäß WHO-Definition, CIN: zervika­
     mals verstärkt wurde. Von den zwei ver­          Empfehlungen zur Prävention von Zer­           le intraepitheliale Neoplasien) als Surro­
     fügbaren HPV-Impfstoffen haben wir bei­          vixkarzinomen sowie der sogenann­              gatparameter (und nicht auf die Endstu­
     spielhaft Gardasil® ausgewählt, da er frü­       ten Basisrate [17, 18, 19, 20]: Die Basis­     fe „Zervixkarzinom“). Sie beziehen sich
     her zugelassen wurde und einen größeren          rate gibt die grundlegende Wahrschein­         auf alle Krebsvorstufen, die von kanze­
     Marktanteil hat.                                 lichkeit an, überhaupt an einem Zervix­        rogenen HPV-Typen (also nicht nur von
         In der vorliegenden Studie werden so­        karzinom zu erkranken. Um diesbezüg­           HPV 16/18) verursacht sein können, da
     wohl Medienberichte und Informations­            liche Zahlenangaben einordnen zu kön­          die Reduktion der Gesamtdysplasierate
     materialien zu einer Innovation (HPV-            nen, sind Vergleichszahlen zu anderen          maßgeblich ist, um eine Vorstellung über
     Impfung) als auch zu einem etablierten           bekannten Krankheitsentitäten (hier al­        den Effekt der Impfung auf die Krank­
     Verfahren (Pap-Screening) untersucht.            le Krebserkrankungen) erforderlich. Es         heitslast zu erhalten. Zwar ist bei Einhal­
     Ziel ist es zu prüfen, ob diese Materia­         folgen in der HPV-Facts-Box dann An­           tung des Studienprotokolls eine sehr ho­
     lien informierte Entscheidungen für oder         gaben zum Nutzen [21, 22, 23, 24], zu          he Schutzwirkung der Impfung (bis na­
     gegen die individuelle Teilnahme an die­         den Nebenwirkungen [23, 24, 25] und            hezu 100%) vor HPV-16/18-spezifischen
     sen Präventionsmaßnahmen und für oder            den Kosten [26, 27, 28] der HPV-Imp­           Dysplasien in der Idealpopulation zu ver­
     gegen ihren flächendeckenden Einsatz auf         fung. Diese basieren auf den zum Zeit­         zeichnen, für eine Näherung an Popula­
     Public-Health-Ebene ermöglichen.                 punkt der Impfeinführung verfügba­             tionseffekte in der realen Versorgungs­
                                                      ren Daten aus dem Zulassungsverfah­            situation ist gemäß der Europäischen Arz­
     Methode                                          ren für Gardasil® und auf dem orien­           neimittelagentur (EMA) aber die Betrach­
                                                      tierenden extrapolierten Präventions­          tung aller, unabhängig vom HPV-Typ ver­
     Vor der Medienanalyse wurden als Refe­           potenzial. Letzteres beruht auf optimis­       ursachter Dysplasien sowie die Berück­
     renz sogenannte „Facts-Boxes“ mit we­            tischsten Annahmen (100%ige Wirk­              sichtigung möglicher Studienprotokoll­
     sentlichen wissenschaftlichen Fakten zur         samkeit der Impfung gegen persistie­           abweichungen entscheidend. Die Anga­
     HPV-Impfung und zum Pap-Screening                rende HPV-16/18-Infektionen, die die           ben beziehen sich auf die zu Beginn des
     erarbeitet. Es handelt sich um vereinfach­       Ursache für 70% aller Zervixkarzinome          Suchzeitraums verfügbaren Daten aus der
     te, kompakte Präsentationsformate, die           sind; Teilnahmerate von 85%; lebenslan­        Zulassung und auf die daraus resultieren­
     das Verständnis von Gesundheitsinfor­            ge Immunität [29]).                            de Impfempfehlung; sie sind nach dem
     mationen verbessern [12].                            Die erste Zahl in der HPV-Box zum          derzeitigen Veröffentlichungsstand wei­
         Die Impfung als Primärprävention             Nutzen der HPV-Impfung, das heißt die          terhin aktuell [30, 31].
     zur Verhinderung von Erkrankungen ist            dort genannte Effektivität von 27% (Auf­
     vom Screening als Sekundärprävention             treten gefährlicher Vorstufen von Gebär­       Facts-Box zum Pap-Screening
     zur Früherkennung bereits vorhande­              mutterhalskrebs bei 20 von 1000 geimpf­
     ner Erkrankungen zu unterscheiden. Der           ten Frauen im Vergleich zu 28 von 1000         Die Angaben zum Nutzen des Pap-Scree­
     potenzielle Nutzen und Schaden wird bei          nicht geimpften Frauen [21]), simuliert        nings (. Abb. 2) entstammen ökologi­
     der Impfung direkt anhand von Morbidi­           die Jungfräulichkeit durch Negativtes­         schen Daten aus allgemeinen Bevölke­
     täts- oder Mortalitätsveränderungen ab­          tung auf HPV 16 und 18 zu Studienbe­           rungsstatistiken, die seit Einführung des
     gebildet. Beim Pap-Test erfolgen zwei Be­        ginn, die der aktuellen Impfempfehlung         Screenings 1971 gesammelt wurden [17,
     wertungsschritte: Erfasst werden die Test­       entspricht, lässt aber spätere Protokollver­   32, 33]. Ergebnisse aus randomisiert-kon­
     genauigkeit und die sich daraus ergeben­         letzungen, wie zum Beispiel das Auslas­        trollierten Studien liegen nicht vor. Den
     den Folgen sowie der Effekt der Früh­            sen einer Impfung, zu, was der Impfreali­      Angaben zur Ätiologie und zur Basisrate
     erkennung auf die Krankheitslast, was die        tät entspricht. Die zweite Effektivitätszahl   des Zervixkarzinoms liegen die gleichen
     Beurteilung von Screening-Programmen             von 13,5% (Auftreten gefährlicher Vorstu­      Quellen wie in der Box zur HPV-Impfung
     komplexer macht.                                 fen von Gebärmutterhalskrebs bei 42 von        zugrunde.
                                                      1000 geimpften Frauen im Vergleich zu 49           Bei Screeninguntersuchungen ist
     Facts-Box zur HPV-Impfung                        von 1000 nicht geimpften Frauen [21, 22,       nicht nur die Reduktion der Morbi­
                                                      23]) reflektiert, dass eine HPV-Infektion      ditäts- und Mortalitätsraten, sondern
     Um den Wirkmechanismus und die Ef­               zu Studienbeginn möglich sein kann, da         auch ihre Testgenauigkeit von beson­
     fektivität einer HPV-Impfung und in              auch in der Impfpraxis nicht auf das Vor­      derer Bedeutung, da hier per definitio­
     diesem Zusammenhang gemachte Aus­                liegen einer Infektion getestet wird. Dabei    nem symptomlose Personen untersucht
     sagen zu Wahrscheinlichkeiten zu ver­            sind durch Umrechnung auf 1000 Teil­           werden, von denen die meisten auch
     stehen (. Abb. 1), bedarf es grundle­            nehmer Rundungsunterschiede zu den             tatsächlich gesund sind, aber aufgrund
     gender Kenntnisse über die Ätiologie             ursprünglichen Studienzahlen zu berück­        möglicher falsch-positiver Befunde Ge­
     von Zervixkarzinomen, die HPV-Vi­                sichtigen.                                     fahr laufen, fehlbehandelt zu werden [17,
     rusdynamik, die Pathologie und spon­                 Die Zahlen beziehen sich auf gefährli­     32, 33]. Im internationalen Durchschnitt
     tanen Rückbildungsraten von HPV-In­              che Krebsvorstufen (Dysplasien, Neopla­        ist für die Neoplasiestadien CIN1 bis 3+

1198 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011
Zusammenfassung · Abstract

eine Screening-Sensitivität von 50% und       Bundesgesundheitsbl 2011 · 54:1197–1210  DOI 10.1007/s00103-011-1347-5
für die Stadien CIN2/3 eine von 50 bis        © Springer-Verlag 2011
70% bei einer Spezifität von 95% anzu­
                                              A. Neumeyer-Gromen · N. Bodemer · S.M. Müller · G. Gigerenzer
nehmen [33, 34]. Diesen Daten werden
                                              Ermöglichen Medienberichte und Broschüren informierte
die Zahl der durchgeführten Pap-Un­
                                              Entscheidungen zur Gebärmutterhalskrebsprävention?
tersuchungen, der verdächtigen Befun­
de, die Zahl resultierender Operationen       Zusammenfassung
[17, 32, 33] und die Kosten für das Scree­    Die Zervixkarzinomprävention hat mit Ein-         wirkung anführten, nannten nur 41% Zahlen
ning gegenübergestellt [35, 36].              führung und Empfehlung der neuen Huma-            zur Effektivität (90 von 220 Materialien) und
                                              nen-Papillom-Virus (HPV)-Impfung im Jahr          2% machten absolute Zahlenangaben zur Ri-
                                              2007 große öffentliche Aufmerksamkeit er-         sikoreduktion (fünf von 220 Materialien) für
Medienanalyse zur                             langt. Kann sich die Öffentlichkeit auf Ba-       den Krebssurrogatparameter „Dysplasie“, von
Laien-Kommunikation                           sis der Auskünfte von Medien und Broschü-         der aber keine richtig war. Einmal wurde das
                                              ren zur Zervixkarzinomprävention informiert       Präventionspotenzial richtig wiedergege-
Suchstrategie, Ein- und                       entscheiden, ob sie an dieser teilnehmen will     ben; 48% (105 von 220 Materialien) erwähn-
Ausschlusskriterien                           oder nicht? Um diese Frage zu beantworten,        ten Vor- und Nachteile der Impfung. 20% der
                                              wurde von 2007 bis 2009 eine Medienanaly-         Materialien zum Pap-Screening präsentier-
                                              se zur HPV-Impfung (Gardasil®) und zum Pa-        ten Zahlen zur Testgüte (vier von 20 Materia-
Es wurden alle deutschen Berichte aus         panicolaou (Pap)-Screening in Deutschland         lien) mit einer absoluten Zahlenangabe und
Arztpraxen, aus der LexisNexis-Daten­         durchgeführt. Geprüft wurde hier, ob die          25% Zahlen zum Präventionspotenzial (fünf
bank und aus dem Internet herange­            Mindestanforderungen an die Vollständigkeit       von 20 Materialien), die alle korrekt waren.
zogen, die allgemein- beziehungswei­          (Darlegung des Nutzens und Schadens der           25% wiesen auf die Möglichkeit falsch-positi-
se laienverständliche Informationen zu        Intervention), Transparenz (Angabe absolu-        ver Befunde hin (fünf von 20 Materialien). Die
                                              ter Zahlen) und Richtigkeit (Bezug zum Out-       Mindestanforderungen an medizinische In-
Gardasil® oder zum Pap-Screening ent­         come, bestehende Unsicherheiten, Zahlen-          formationen für die Laienkommunikation er-
hielten, soweit sie nicht Kurzmeldungen       größe) für medizinische Informationen in der      füllten für die HPV-Impfung eines von 220
(
Originalien und Übersichten

          Die HPV-Impfung mit Gardasil®

          Was ist das Ziel der Impfung?[19]                                 Infektionen mit Humanen Papillomviren (HPV) Typ 16 und 18 vorzubeugen, um

                                                                            das Vorkommen von Gebärmutterhalskrebs zu senken. Zusätzlich Schutz gegen

                                                                            Genitalwarzen.

          Wie werden HPV-Viren übertragen?[19]                              Durch intime Sexualkontakte.

          Welche möglichen Folgen hat eine Infektion?[13-16]                Infektionen durch potenziell 18 verschiedene HPV-Typen können über

                                                                            Jahrzehnte hinweg zu Gewebeveränderungen in Form von 1.) Krebsvorstufen am

                                                                            Muttermund führen, die dann 2.) Gebärmutterhalskrebs auslösen können. 70 von

                                                                            100 Gebärmutterhalskrebsfällen sind durch HPV 16/18 verursacht.

          Wie häufig ist Gebärmutterhalskrebs in Deutschland?[20]                                 von 100.000 Frauen pro Jahr              alle Frauen pro Jahr

          Todesfälle an              Gebärmutterhalskrebs                                                                  3                              1.500

                                     allen Krebsarten                                                                    230                           101.000

          Erkrankungsfälle an Gebärmutterhalskrebs                                                                        15                              6.200

                                     allen Krebsarten                                                                    500                           200.000

          Können Infektionen und Krebsvorstufen ohne Behandlung             Ja. Zur Orientierung dienen folgende Angaben: Spontane Abheilungen kommen

          abheilen?[13,15,16]                                               bei Infektionen in über 90 von 100 Fällen und bei Krebsvorstufen in über 50 von

                                                                            100 Fällen vor.

          Für wen wird die Impfung empfohlen?[19,31]                        Generell für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren möglichst vor den ersten

                                                                            intimen Sexualkontakten. Für ältere Frauen kann im Einzelfall eine Impfung mit

                                                                            dem/der behandelnden Arzt/Ärztin erwogen werden.

          Wie lange hält der Impfschutz an?[19,31]                          Mindestens 5 Jahre.

          Können andere HPV-Typen, gegen die nicht geimpft wurde,           Möglicherweise ja. Es handelt sich um theoretische Überlegungen, die

          nach der Impfung verstärkt und/ oder abgeschwächt                 Replacement und Kreuzimmunität genannt werden, ohne dass dies bislang

          auftreten?[19]                                                    abschließend beantwortet werden kann.

          Welche anderen Vorbeugemöglichkeiten sind bekannt?[18,19]         Krebsfrüherkennung mit Papanicolaou/Pap-Test ab dem 20. Lebensjahr, die auch

                                                                            nach einer Impfung weiterhin genutzt werden sollte. Der regelmäßige

                                                                            Kondomgebrauch kann 7 von 10 HPV-Infektionen verhindern.

          Welchen Nutzen zeigt Gardasil in den wissenschaftlichen Studien?*                                                           von 1.000 Frauen

                                                                                                                                    geimpft    nicht geimpft

               1.)   Auftreten gefährlicher Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs (durch alle HPV-Viren)

                     Teilnehmerinnen zu Studienbeginn nicht mit Impfstofftypen infiziert/Jungfrauen[21]                               20             28

     Abb. 1 8 Facts-Box zur HPV-Impfung

1200 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011
Alle Teilnehmerinnen (zu Studienbeginn Infektion mit HPV möglich)[21-23]                                                   42                      49

         2.) Auftreten von Gebärmutterhalskrebs[23]                                                                                   Unklar, nicht untersucht

   Welchen Nutzen kann die Impfung in Deutschland zusätzlich zum Pap-                          von 1.000 Frauen       von 100.000 Frauen               alle Frauen

   Test eventuell entfalten?[29]                                                                    auf Lebenszeit                pro Jahr                pro Jahr

   Todesfälle                mit Impfung                                                                        2                         2                 1.080

                             ohne Impfung                                                                       3                         3                 1.500

   Erkrankungen              mit Impfung                                                                        7                       11                  4.520

                             ohne Impfung                                                                      10                       15                  6.200

   Hat die Impfung mit Gardasil® Nebenwirkungen?[23,25] Auf Basis des europäischen Zulassungsverfahrens:

                    Sehr häufig – häufig                                    Gelegentlich – selten                                   Sehr selten

                1.000– ≥10.000 von 100.000                                10 – 1.000 von 100.000
Originalien und Übersichten

          Pap-Screening in Deutschland – Die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs

          Wie häufig ist Gebärmutterhalskrebs in Deutschland?[20]                                      von 100.000 Frauen pro Jahr             alle Frauen pro Jahr

          Todesfälle an            Gebärmutterhalskrebs                                                                         3                             1.500

                                   allen Krebsarten                                                                           230                           101.000

          Erkrankungsfälle an Gebärmutterhalskrebs                                                                             15                             6.200

                                   allen Krebsarten                                                                           500                           200.000

          Wofür ist das Screening mittels Pap-Test gedacht?                        Zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, um die Erkrankung in

                                                                                   einem frühen Stadium als Krebsvorstufe besser behandeln zu können.

          Gehen alle Krebsvorstufen in Gebärmutterhalskrebs                        Nein. Mehr als 50 von 100 Vorstufen bilden sich ohne Therapie zurück.

          über?[13,15,16]

          Was ist der Pap (Papanicolaou)-Test?[17]                                 Ein schmerzloser Abstrich von Zellen des Gebärmutterhalses, um sie auf

                                                                                   Krebsvorstufen zu untersuchen. Er wird einmal jährlich empfohlen.

          Wer ist dafür vorgesehen?[17]                                            Alle Frauen ab 20 Jahren.

          Wie genau unterscheidet der Pap-Test hochgradig krebsgefährdete von gesunden Frauen?[17]

                                                        1.000 Frauen

                                krebsgefährdet                              gesund/nicht gefährdet

                                   10                                                        990

          Test richtig positiv              Test falsch negativ        Test falsch positiv           Test richtig negativ

                            7                    3                            50                        940

          Folgen positiver Tests: Testwiederholung, Untersuchung mit Vergrößerungsoptik/Kolposkopie/Gewebeprobe, Operation/Konisation

     Abb. 2 8 Facts-Box zum Pap-Screening

1202 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011
(Herausschneiden eines Kegels am Gebärmutterhals; kann später zu Schwangerschaftskomplikationen führen), seelische Folgen/Angst

   Von 1000 Frauen, die mittels Pap-Test untersucht werden, laufen 10 Frauen Gefahr, Krebs zu entwickeln. Von diesen 10 Frauen werden

   7 als gefährdet erkannt. Von den Gesunden werden 50 als gefährdet eingeschätzt, obwohl sie es nicht sind (Fehlalarm). Von den 57

   Frauen, die positiv getestet wurden, sind nur 7 Frauen tatsächlich gefährdet (12 von 100). So führen nicht nur die 7 richtig erkannten

   Tests, sondern auch die 50 Fehlalarme gleichermaßen zu weiteren einschneidenden Maßnahmen, obwohl sie gesund sind.

   In welchem Ausmaß kann das Pap-Screening in Deutschland                                  von 1.000 Frauen           von 100.000 Frauen          alle Frauen
                                                                                               auf Lebenszeit                    pro Jahr             pro Jahr
   Krebs verhindern?

   Todesfälle an Gebärmutterhalskrebs                      mit Screening[20]                                3                           3                1.500

                                                           ohne Screening[32,33]                          10                            6                3.000

   Erkrankungsfälle an Gebärmutterhalskrebs                mit Screening[20]                              10                          15                 6.200

                                                           ohne Screening[32,33]                          30                          40                16.600

   Wie viele Untersuchungen/ Operationen werden dazu

   durchgeführt?[17]

   Pap-Tests                                                                                          32.500                      39.000             16,4 Mill.

   Verdächtige Befunde                                                                                   400                       1.200              504.000

   Konisationen (Herausschneiden eines Kegels am Gebärmutterhals)                                        210                         330              138.600

   Wie hoch sind die jährlichen Kosten für das Screening insgesamt?[35,36]                                                            ca.   335-700 Mill. Euro

   Jährliches Präventionsbudget der Gesetzlichen Krankenkassen für alle Versicherten und alle Erkrankungen[27,28]                     ca.        180 Mill. Euro

Abb. 2 8 Fortsetzung

de Homepage der in . Tab. 2 genann­                    stellt werden soll, ob überhaupt, wie häu­                   sierungen von Zahlen oder Fotos) und der
ten Einrichtungen einschließlich ihrer                 fig und auf welche Weise bestimmte In­                       Beitragsstil (werbend, warnend, ausgewo­
Linksammlungen durchsucht. Die Such­                   halte in den allgemeinen Medien für eine                     gen) kodiert. Hiervon ist das „Akteurmo­
funktion der jeweiligen Homepage wur­                  informierte Entscheidung von Laien kom­                      dul“ zu unterscheiden, in dem Verfasser,
de mit den Begriffen „HPV UND Imp­                     muniziert werden. Zu diesem Zweck wur­                       Akteure (Gesundheitsprofessionelle oder
fung ODER Humane Papillomvirus Imp­                    den die folgenden vier Kodiermodule de­                      Laien als Wissensvermittler) und Ziel­
fung ODER Papanicolaou ODER Pap-Ab­                    finiert:                                                     gruppen (betroffene Laien, Allgemeinbe­
strich“ genutzt.                                           Das „allgemeine Kodiermodul“ er­                         völkerung oder Professionelle) vermerkt
                                                       fasste Angaben zum Veröffentlichungs­                        wurden. Im dritten Modul „Risiko-Ursa­
Inhaltsanalyse, Kodierungsschema,                      datum, zur Beitragsart (Kurzbeitrag, aus­                    chen“ wurde geprüft, ob Informationen
Auswertung                                             führlicher Bericht) und zur Art des Me­                      zur Epidemiologie und Ätiologie des Ge­
                                                       diums (Broschüren, Zeitungsartikel, Web­                     bärmutterhalskrebses, das heißt zu seiner
Die Medienanalyse folgte einem inhalts­                seiten). Zudem wurden die Verwendung                         Häufigkeit und seinen Ursachen vorlagen,
analytischen Ansatz [37], mit dem festge­              von Illustrationen (zum Beispiel Visuali­                    und ob der diesbezügliche Präventionsan­

                                                                       Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011                | 1203
Originalien und Übersichten

         Tab. 1     Suchstring für die Datenbankrecherche in LexisNexis                                        HPV-Impfung Angaben zu Risikoreduk­
         1. HPV-Impfung                                                                                        tionen von einem Drittel bezogen auf alle
         (hpv! oder papillom! oder kondylom! oder condylom! oder dna-vir! oder hp-vir! oder genitalwarz!       Dysplasien als empirischen Nachweis ak­
         oder warzenvir! oder gebärmutterhalsk! oder gebärmutterhalst!) und (impf! oder vakzin! oder im-       zeptiert, auch wenn unsere Zahlen nied­
         munisierung oder protektiv oder protektion oder prävention oder vorbeugung oder gardasil oder         riger liegen.
         sanofi pasteur oder cervarix oder zervarix oder glaxo smithkline oder silgard oder merck)
                                                                                                                  Vor der endgültigen Kodierung wur­
         2. Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs mittels Pap-Abstrich
                                                                                                               de das Kodierschema in einem Pretest er­
         ((gebärmutterhals! oder zervix! oder cervix! oder muttermund! oder kollum! oder genital!) und (kar-
         zinom oder carcinom oder maligne oder krebs oder tumor oder geschwulst oder geschwür)) und            probt und modifiziert. Somit sollte eine
         (pap-test oder papanicolaou oder diagnostik oder pap-abstrich oder zellabstrich oder nomenklatur      einheitliche und systematische Bewertung
         oder Krebsvorstufe oder vorstufe oder präkanzerose oder frühkarzinom oder dysplasie oder früher-      des Materials gewährleistet sein.
         kennung oder screening oder sekundärprävention oder prävention)                                          Die Inter-Rater-Reliabilität zeigte an
                                                                                                               einer zufälligen Stichprobe von 21% der
         Tab. 2 Bei der Internetsuche berück-                satz erläutert wurde (bei der HPV-Imp­            Webseiten (13 von 61 Seiten) mit Kappa-
         sichtigte Gesundheitsinstitutionen                  fung also die Krebsprävention über den            Werten von 0,6 bis 0,7 eine gute Überein­
         Behördliche Einrichtungen/Medizinische              Weg des Schutzes vor einer HPV-Infekti­           stimmung [41]. Es erfolgte eine deskripti­
         Selbstverwaltung im deutschen Gesund-               on). Das vierte Modul „Vor- und Nachtei­          ve Auswertung anhand der Module und
         heitswesen                                          le der Maßnahmen“ erfasste die Darstel­           Medienarten. Die Ethik-Kommission des
         Bundesministerium für Gesundheit (BMG)              lung von Wirksamkeit und Kosten der               Max-Planck-Institutes für Bildungsfor­
         Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
                                                             HPV-Impfung und des Screenings und                schung Berlin erteilte vorab ein positives
         Robert Koch-Institut
         Paul-Ehrlich-Institut                               bei der HPV-Impfung zusätzlich den Hin­           Votum für die Studie.
         Gemeinsamer Bundesausschuss                         weis, dass sie das Pap-Screening nicht er­
         Krankenkassen und deren Bundesverbände              setzt. Beim Pap-Screening wurden zudem            Ergebnisse
         Bundesärztekammer und alle Landesärzte-             die Kommunikation von Testgütekrite­
         kammern                                             rien wie Sensitivität und Spezifität, posi­       Suchergebnisse
         Landesgesundheitsministerien und Landes-
         gesundheitsämter
                                                             tiver und negativer prädiktiver Wert und
         Bundesbeauftragte der Bundesregierung für           die Konsequenzen falsch-positiver und             Insgesamt wurden 1781 Praxis-Broschü­
         die Belange der Patientinnen und Patienten          falsch-negativer Befunde kodiert.                 ren, Zeitungsartikel und Webseiten zur
         Pharmazeutische Impfhersteller                          Die Bewertungskriterien, nach denen           HPV-Impfung und zum Pap-Screening
         Sanofi Pasteur                                      geprüft wurde, ob die Mindestanforde­             gefunden. Von diesen wurden 240 Be­
         Merck & Co                                          rungen an Informationen für Laien er­             richte evaluiert. 220 Beiträge berichteten
         „http://www.zervita.de“ (Zervita)                   füllt waren, umfassten:                           über die Impfung und 20 über das Scree­
         Fachgesellschaften/Forschungsinstitute              1.	zur Vollständigkeit: die Angabe von           ning; elf dieser Berichte behandelten bei­
         Deutsches Krebsforschungsinstitut
         Gynäkologische und Pädiatrische Fachgesell-
                                                                 Vor- und Nachteilen der Intervention,         de Themen. Die 220 Materialien zur Imp­
         schaften                                                ihrer Wirksamkeit, von Nebenwir­              fung umfassten 18 Praxis-Broschüren,
         Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie                 kungen, Testgüte und falsch-positiven         141 Zeitungsartikel und 61 Webseiten, die
         Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin              Befunden,                                     20 Materialien zum Pap-Screening vier
         Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und         2.	zur Transparenz: die Angabe natür­            Praxis-Broschüren, sechs Zeitungsartikel
         Prävention
                                                                 licher Häufigkeiten und/oder die              und zehn Webseiten.
         Deutsche Gesellschaft für Medizinische Infor-
         matik, Biometrie und Epidemiologie                      Übersetzung bedingter Wahrschein­                 Die Nachforschungen in 35 Arztpraxen
         Krebsfachgesellschaften                                 lichkeiten in Häufigkeitsbäume,               erbrachten 20 Broschüren; 16 beschäftig­
         Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen          3.	zur Richtigkeit: die Darstellung des          ten sich mit der HPV-Impfung, zwei mit
         medizinischen Fachgesellschaften                        Bezuges zu Zielgrößen, von Unsicher­          beiden Themen und zwei ausschließlich
         Beratungseinrichtungen/Patientenportale                 heiten und Zahlengrößen [7].                  mit dem Pap-Screening.
         Pro Familia                                                                                               Von ursprünglich 1586 Pressemel­
         Selbsthilfe Kontakt und Informations Stelle         Soweit Zahlen berichtet wurden, erlaub­           dungen blieben aufgrund von Dopplun­
         (SEKIS)
         Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur
                                                             ten wir Abweichungen von den Daten in             gen (n=144), zu kurzer oder thematisch
         Anregung und Unterstützung von Selbsthilfe-         den Facts-Boxes: So haben wir zum Bei­            nicht-relevanter Beiträge (Veranstal­
         gruppen (NAKOS)                                     spiel beim Pap-Screening Sensitivitäts­           tungshinweise, Berichte über Nobelpreis­
         „http://www.patienteninformation.de“ von            angaben von deutlich unter 50% als rich­          verleihung, Management- und Invest­
         Bundesärztekammer und Kassenärztlicher              tig akzeptiert, obwohl wir eine sehr op­          mentberichte der Pharmabranche etc.,
         Bundesvereinigung
                                                             timistische Sensitivität von 70% für hö­          n=907), nicht in Deutschland erschie­
         „http://www.akdae.de“ der Arzneimittelkom-
         mission der deutschen Ärzteschaft, Techniker        hergradige Dysplasien zugrunde legen.             nener Berichte (n=244) oder aufgrund
         Krankenkasse und BMG                                In Deutschland liegt die Sensitivität oft         unspezifischer Ausschlussgründe (zum
         „http://www.gesundheitsinformation.de“ des          bei unter 50%; zudem ist sie bei jünge­           Beispiel fehlende Texte in der Trefferlis­
         Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im    ren Frauen geringer als bei älteren [38,          te, nur Überschriften, vor Suchzeitraum
         Gesundheitswesen                                    39, 40]. Entsprechend haben wir bei der           veröffentlicht: n=146) 145 übrig, die aus­

1204 |    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011
gewertet wurden. 139 Zeitungsartikel in­      Tab. 3   Medienanalyse der Informationen zur HPV-Impfung
formierten ausschließlich über die HPV-       Modul      Kategorie                                 Alle Ma-    Praxis-Bro-   Zeitungs-   Web-
Impfung, zwei über beide Themen sowie                                                              terialien   schüren       artikel     Seiten
vier nur über das Pap-Screening.                                                                   (N=220)     (N=18)        (N=141)     (N=61)
    Von zunächst 175 potenziell interessan­                                                        % (n)       % (n)         % (n)       % (n)
ten Webseiten wurden aufgrund der be­         Allgemei- Art des Beitragsa
                                              nes       – Hauptartikel                             48 (106) 67 (12)          47 (66)     46 (28)
reits oben genannten Ausschlusskriterien
(Dopplungen: n=16, zu kurz oder thema­                  – Kurzartikel                              51 (112) 33 (6)           33 (73)     54 (33)
tisch nicht relevant: n=84, nicht deutsch:              – Update/Sonstiges                         11 (25) 28 (5)            9 (12)      13 (8)
n=4, wissenschaftlicher Beitrag: n=3, un­               Ton des Beitrags/Beitragsstila
spezifisch: n=4) 64 ausgewertet. Es han­                – Werben/überzeugen/überreden              39 (86)     44 (8)        28 (39)     6 (39)
delte sich bei ihnen überwiegend um Ma­                 – Ausgewogen/aufklären                     66 (146)    78 (14)       72 (101)    51 (31)
terialien zur HPV-Impfung. Sieben Inter­                – Warnen                                   4 (9)       0 (0)         5 (7)       3 (2)
netinformationen thematisierten bei­                    – Sonstiges/nicht zuzuordnen               3 (7)       0 (0)         4 (5)       3 (2)
de Interventionen und drei nur das Pap-                 Visualisierung
Screening.                                              – Epidemiologie                            n.a.        6 (1)         n.a.        10 (6)
                                                        – Nutzen/Effektivität                      n.a.        0 (0)         n.a.        7 (4)
Medienanalyse                                           – Biologie/Virus/Gewebeveränderung/        n.a.        39 (7)        n.a.        10 (6)
                                                        Anatomie
Bei zwei Dritteln der Medienberichte zur                – Fotosc                                   n.a.        67 (12)       n.a.        20 (12)
HPV-Impfung (146 von 220 Materialien)         Akteure   Akteurea
wurde der Beitragsstil von uns als ausge­               – Wissenschaftler                          75 (164)    17 (3)        78 (110)    84 (51)
wogen beziehungsweise aufklärend emp­                   – Ärzte                                    57 (125)    28 (5)        55 (77)     70 (43)
funden (. Tab. 3); 39% von ihnen (86                    – Patientenvertreter                       9 (20)      0 (0)         8 (11)      15 (9)
von 220 Berichten) wurden als tenden­ziös               – Eltern/Töchter                           17 (37)     0 (0)         6 (9)       46 (28)
im Sinne eines werbenden beziehungs­                    – Sonstige/unspezifisch                    54 (119)    89 (16)       51 (72)     51 (31)
weise überredenden Charakters, aber nur                 Zielgruppea
4% als warnend eingestuft (9 von 220 Be­                – Laien allgemein                          92 (202)    44 (8)        99 (139)    90 (55)
richten). Hierbei waren Mehrfachbewer­                  – Ärzte                                    26 (58)     6 (1)         12 (17)     66 (40)
tungen möglich, sodass unterschiedliche                 – Wissenschaftler                          23 (50)     0 (0)         12 (17)     54 (33)
Passagen innerhalb eines längeren Tex­                  – Eltern                                   78 (172)    94 (17)       71 (100)    90 (55)
tes teilweise unterschiedliche Kodierun­                – Angehörige/Peers                         62 (136)    50 (9)        56 (79)     79 (48)
gen erhielten.                                          – Betroffene/Mädchen                       75 (165)    94 (17)       69 (97)     84 (51)
   Eine Visualisierung zum besseren Ver­                – Beratungsstellen                         23 (50)     0 (0)         12 (17)     54 (33)
ständnis der Epidemiologie des Gebär­                   – Sonstige                                 45 (100)    6 (1)         46 (65)     56 (34)
mutterhalskrebses und zum Nutzen der          Risiko/   Impfziel der Krebsprävention über Infek-   70 (154)    33 (6)        66 (94)     89 (54)
HPV-Impfung erfolgte selten. Die Mehr­        Ursachen tionsschutz
heit der Berichte zur HPV-Impfung rich­                 Epidemiologie/Häufigkeit                   57 (125)    50 (9)        54 (76)     66 (40)
tete sich an die Allgemeinbevölkerung                   → Korrekte Werte                           46 (102)    33 (6)        43 (61)     57 (35)
(92%, 202 von 220 Berichten) oder gezielt               → Häufigkeitsvergleiche                    16 (36)     6 (1)         12 (17)     30 (18)
an Eltern, Töchter und Angehörige. So­                  Krebsursachenb                             45 (99)     72 (13)       38 (54)     52 (32)
weit Akteure explizit in den Informatio­                Möglichkeit der Spontanheilung             23 (50)     50 (9)        13 (18)     38 (23)
nen genannt wurden, traten insbesonde­        Vor- und Vor- und Nachteile erwähnt                  48 (105)    17 (3)        50 (70)     52 (32)
re Wissenschaftler und Ärzte in den Vor­      Nachteile Nutzen/Impfeffektivität
dergrund (in 75% beziehungsweise 57%          der Maß-
                                                        Irgendwelche Zahlenangaben                 41 (90)     17 (4)        38 (56)     48 (30)
der Berichte; 164 beziehungsweise 125 von     nahmena
                                                        RRR
220 Berichten), teilweise auch Töchter
                                                        → Dysplasie                                13 (29)     11 (2)        11 (15)     20 (12)
und Eltern (17%, 37 von 220 Berichten).
                                                        → Korrekte Werte                           6 (14)      0 (0)         6 (8)       10 (6)
   Während alle Materialien zur HPV-
                                                        ARR
Impfung auf das Ziel der Krebspräven­
                                                        → Dysplasie                                2 (5)       0 (0)         1 (2)       5 (3)
tion hinwiesen, erklärten nur 154 von
                                                        → Korrekte Werte                           0 (0)       0 (0)         0 (0)       0 (0)
220 Berichten (70%) explizit, dass die­
                                                        Angabe Präventionspotenzial                0 (1)       0 (0)         0 (0)       2 (1)
ses Ziel indirekt über den Weg des Schut­
                                                        – Korrekte Werte                           0 (1)       0 (0)         0 (0)       2 (1)
zes vor einer HPV-Infektion durch eine
                                                        Wirksamkeit auf Krebs unklar               6 (14)      0 (0)         4 (6)       13 (8)
Impfung erreicht werden soll. Die Hälf­
te machte Angaben zur Morbidität und                    Nebenwirkungen                             25 (56)     39 (7)        14 (20)     48 (29)

                                                          Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011              | 1205
Originalien und Übersichten

         Tab. 3     Medienanalyse der Informationen zur HPV-Impfung (Fortsetzung)                                           von 220 Beiträgen) diese diskutierte; da­
         Modul        Kategorie                                         Alle Ma-    Praxis-Bro-    Zeitungs-    Web-        bei fanden sich in lediglich 15% (32 von
                                                                        terialien   schüren        artikel      Seiten      220 Beiträgen) korrekte Zahlen zur Häu­
                                                                        (N=220)     (N=18)         (N=141)      (N=61)      figkeit ihres Auftretens. In 40% der Bei­
                                                                        % (n)       % (n)          % (n)        % (n)       träge (89 von 220 Beiträgen) wurde eine
                      – Zahlenangaben                                   15 (32)     22 (4)         7 (10)       30 (18)     explizite Impfempfehlung ausgespro­
                      Explizite Impfempfehlung                          40 (89)     44 (8)         29 (41)      66 (40)     chen. Ein Hinweis auf den Pap-Test, den
                      Hinweis auf Pap-Test                              47 (104)    89 (16)        36 (51)      61 (37)     die Impfung nicht ersetzen kann, fand
                      Kosten                                            37 (81)     11 (2)         44 (62)      28 (17)     sich in knapp der Hälfte der Materialien
                      – Pro Injektion                                   5 (12)      0 (0)          4 (6)        10 (6)      (47%, 104 von 220 Beiträgen). Die Impf­
                      – Pro Impfung                                     32 (70)     6 (1)          39 (55)      23 (14)     kosten wurden in 37% der Informationen
                      – Pro Jahrgang                                    5 (10)      0 (0)          5 (7)        5 (3)       (in 81 von 220 Beiträgen) erwähnt, aber in
                      – Kostenvergleich                                 6 (13)      0 (0)          6 (8)        8 (5)       nur 6% (13 von 220 Beiträgen) im Zusam­
         ARR absolute Risikoreduktion, n.a. nicht anwendbar (LexisNexis stellt in der Regel nur Texte zur Verfügung), RRR   menhang mit einem Vergleich zu allge­
         relative Risikoreduktion. aMehrfachnennungen möglich. bKrebsursachen: Entstehung über die Infektion zur Dys-       mein bekannten Kostengrößen.
         plasie bis hin zum Krebs innerhalb langer Zeiträume. cFotos beinhalten gesunde, junge, glückliche Frauen, Mütter
         und Töchter sowie einen Vater oder ein Liebespaar und einmal einen Arzt mit Spritze.
                                                                                                                               Bewertet man die Beiträge nach der
                                                                                                                            Art des Mediums, zeigt sich, dass nur
         Tab. 4 Medienanalyse der Informatio-                                                                               33% der Praxis-Broschüren korrekte epi­
         nen zum Pap-Screening                                      belief sich auf 48% (105 von 220 Berich­                demiologische Zahlen berichten, wäh­
         Modul/Kategorie                Materialien zum
                                                                    ten). Zahlenangaben zur Effektivität der                rend dies bei 43% der Zeitungsartikel
                                        Thema Pap-                  Impfung fanden sich in nur 41% (90 von                  und 57% der Webseiten der Fall war. In
                                        Screening (N=20)            220 Berichten) der Materialien, 13% (29                 keiner Praxis­-Broschüre fanden sich kor­
                                        % (n)                       von 220 Berichten) bezogen sich hierbei                 rekte Angaben zur relativen und abso­
         Testgenauigkeita                                           auf die relative Risikoreduktion bezüg­                 luten Risikoreduktion. Auch wurde eine
         Sensitivität                   15 (3)                      lich des maßgeblichen Surrogatparame­                   Diskussion der Vor- und Nachteile der
         → Korrekte Zahlen              15 (3)                      ters aller zervikalen Dysplasien, und le­               HPV-Impfung vergleichsweise selten vor­
         Spezifität                     5 (1)                       diglich 6% (14 von 220 Berichten) um­                   genommen (17% versus 50% versus 52%).
         → Korrekte Zahlen              5 (1)                       fassten die vorab festgelegten Inhalte der              Der werbende Charakter stand bei den
         PPV                            0 (0)                       Facts-Box. Das transparente Maß der ab­                 Praxis-Broschüren stärker als bei den an­
         → Korrekte Zahlen              0 (0)                       soluten Risikoreduktion für das Auftreten               deren Medien im Vordergrund (44% ver­
         NPV                            0 (0)                       von Dysplasien wurde in nur fünf Beiträ­                sus 28% versus 6%).
         → Korrekte Zahlen              0 (0)                       gen verwendet, jedoch war hier keine                       Mit Blick auf das Pap-Screening mach­
         Hinweis auf Falsch-Positive    25 (5)                      Zahlenangabe korrekt. Das Präventions­                  ten acht von 20 Materialen (40%) qualita­
         Darstellungsformat                                         potenzial wurde einmal richtig präsen­                  tive und/oder quantitative Angaben zur
         → Prozent                      20 (4)                      tiert. 6% der Materialen (14 von 220 Bei­               Testgüte; vier nannten konkrete Zahlen
         → Absolute Zahlen              5 (1)                       trägen) gaben an, dass die Wirksamkeit                  (20%), von diesen enthielt ein Beitrag ab­
         → Häufigkeitsbaum              0 (0)                       der Impfung auf das Zervixkarzinom als                  solute Zahlenangaben (. Tab. 4). Kei­
         Nutzen                                                     direkt gemessene Zielgröße bislang nicht                ner nutzte die leicht verständliche Dar­
         Präventionspotenzial           25 (5)
                                                                    untersucht ist. Im Zusammenhang mit                     stellung der Testgüte in einem Häufig­
         → Korrekte Werte               25 (5)
                                                                    der Wirksamkeit wurden die Zahlen 70                    keitsbaum. Fünf Materialien gaben Hin­
                                                                    bis 80% in 43 (20%) und höhere Zahlen                   weise auf die Möglichkeit falsch-positiver
         → Absolute Zahlen              25 (5)
                                                                    von über 80 bis 100% in 34 der 220 Bei­                 Befunde (25%). Alle Beiträge gingen von
         PPV/NPV Positiv-/negativ-prädiktiver Wert.
         aMehrfachnennungen möglich.                                träge (15%) genannt – und zwar bezogen                  einer Wirksamkeit des Screenings zur
                                                                    auf ein Durcheinander von (a) dem Zer­                  Krebsprävention aus. Sechzehn mach­
                                                                    vixkarzinomanteil, der HPV 16/18 zuzu­                  ten qualitative oder quantitative Aussa­
     Mortalität des Gebärmutterhalskrebses                          schreiben ist, (b) Infektionen, Krebsvor­               gen über seine Effektivität (80%). Fünf
     (57%, 125 von 220 Berichten). Die hier ge­                     stufen, Krebserkrankungen, Sterblichkeit                präsentierten Zahlen zum Präventions­
     nannten Zahlen entsprachen in 46% der                          oder (c) völlig ohne Bezug zu einem be­                 potenzial (25%). Insgesamt lässt sich fest­
     Berichte (102 von 220 Berichten) den von                       stimmten ­Outcome. Unter den Beiträgen                  stellen, dass die genannten Zahlen – so­
     uns ermittelten Werten. Auf Häufigkeits­                       mit den Angaben von 70 bis 80% stellten                 weit sie überhaupt berichtet wurden –
     vergleiche zur Einordnung des Grundrisi­                       nur sechs (3%) klar, dass es sich um einen              korrekt waren. Die Hälfte der Beiträ­
     kos, an einem Zervixkarzinom zu erkran­                        ätiologischen und nicht um einen Wirk­                  ge hatte einen werbenden Stil (zehn von
     ken, wurde meist verzichtet (in 84% der                        samkeitsnachweis handelt.                               20 Beiträgen), 65% erschienen ausgewo­
     Berichte, 184 von 220 Berichten).                                  Die Evaluation der Angaben zu Impf­                 gen (13 von 20 Beiträgen) und einer war­
        Der Anteil der Berichte, die Vor- und                       nebenwirkungen ergab, dass nur ein                      nend; ein Beitrag war diesen Kategorien
     Nachteile der HPV-Impfung erwähnten,                           Viertel der identifizierten Berichte (56                nicht zuzuordnen.

1206 |    Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011
Die Mindestanforderungen an eine           besonders repräsentative Stichprobe. In         wenn sie berichtet werden – korrekt sind.
ausgewogene Information für Laien er­         Bezug auf die Auswahl an Webseiten war          Insgesamt wurden weit weniger Berich­
füllte einer von 220 Beiträgen zur HPV-       die Internetrecherche zwar limitiert, bil­      te zum Pap-Screening als zur HPV-Imp­
Impfung beziehungsweise einer von             det aber einschlägige Public-Health-Ins­        fung gefunden – vermutlich deshalb, weil
20 Beiträgen zum Pap-Screening.               titutionen in Deutschland ab. Im Gegen­         es bereits seit Jahrzehnten implementiert
                                              satz dazu entstammen die Praxisbroschü­         ist und folglich keinen Neuigkeitswert
Diskussion                                    ren nur zwei Berliner Bezirken; dafür bil­      aufweist. Da die HPV-Impfung das Pap-
                                              den sie aber soziodemografisch divergent        Screening nicht ersetzen kann, wäre es
In der vorliegenden Medienanalyse zur         alle Kinder- und Frauenarztpraxen dieser        sinnvoll, dies in den Berichten zu erwäh­
Zervixkarzinomprävention in Deutsch­          Bezirke ab, sodass es sich bei ihnen ins­       nen, um die Teilnahmerate am Screening
land wurden 220 Materialien zur HPV-          gesamt um eine aussagefähige Stichprobe         – infolge eines unzutreffenden Sicher­
Impfung mit Gardasil® und 20 zum Pap-         handelt. Potenzielle Selektionsverzerrun­       heitsgefühls nach einer Impfung – nicht
Screening untersucht.                         gen halten sich somit in Grenzen. Obwohl        zu verringern. Trotz des diesbezüglich be­
    Obwohl alle Beiträge zur HPV-Imp­         die Kodierungen aufgrund der Hetero­            stehenden wissenschaftlichen Konsenses
fung ihre präventive Wirkung anführ­          genität des Datenmaterials variieren, hal­      weist nicht einmal die Hälfte der Mate­
ten, enthielten nur 41% konkrete Zah­         ten sich aufgrund der Durchführung des          rialien zur HPV-Impfung darauf hin. Die
lenangaben über ihre Effektivität (90 von     Pretests potenzielle Klassifikationsfehler      Mindestanforderung an die Vollständig­
220 Beiträgen). In 7% der Beiträge (15 von    – wie die Kappa-Werte zeigen – ebenfalls        keit (Darlegung von Vor- und Nachtei­
220 Beiträgen) waren die Angaben kor­         in Grenzen, zumal nicht nur dichotome,          len), die Transparenz (Angabe von abso­
rekt; 48% (105 von 220 Beiträgen) erwähn­     sondern auch narrative Kodierungen ein­         luten Zahlen) und die Richtigkeit der In­
ten die Vor- und Nachteile der Impfung.       flossen. Dem möglichen Einwand einer zu         formationen erfüllten zur HPV-Impfung
Nur 2% der Beiträge (5 von 220 Beiträ­        rigide gefassten Impfeffektivität ist zu ent­   einer von 220 und zum Pap-Screening
gen) verwendete absolute Zahlenangaben        gegnen, dass sich das Ergebnis einer diffu­     einer von 20 Berichten.
zur Beschreibung der Risikoreduktion für      sen Berichterstattung selbst bei einer op­          Ungeachtet umfangreicher For­
das Auftreten einer Dysplasie; jedoch war     timistischen Effektivitätsannahme von bis       schungsergebnisse zur Risikokommuni­
keine richtig. Lediglich in einem Beitrag     zu 70% Krebsreduktion [42] nicht verän­         kation, wissenschaftliche Erkenntnisse
fanden sich korrekte Angaben zum Prä­         dert, da auch diese Aussage selten richtig      allgemein verständlich darzulegen [1, 2, 3,
ventionspotenzial. Zahlenangaben zum          antizipiert wird. Das Problem liegt weni­       5, 7, 43, 44], zeigt diese Medienanalyse ein­
Nutzen der Impfung waren insbesonde­          ger in Zahlengrenzen als im prinzipiellen       mal mehr, dass Transparenz nach wie vor
re in Praxisbroschüren selten vorhanden.      Missverständnis wissenschaftlicher Er­          die Ausnahme ist: Ein Großteil der Me­
Dies ist umso bedenklicher, als mit ihnen     kenntnisse.                                     dienberichte zur HPV-Impfung und zum
weniger die Allgemeinheit, sondern ge­            In nur vier von 20 Berichten zum Pap-       Pap-Screening ist einseitig und überhöht
zielt Betroffene zur konkreten Entschei­      Screening (20%) fanden sich Zahlen­             den Nutzen, sodass eine ausgewogene
dungsfindung angesprochen werden sol­         angaben zur Testgüte, einer von diesen          Darstellung der Vor- und Nachteile der
len. Dabei fällt auf, dass bei ihnen – ver­   enthielt absolute Zahlenangaben. Fünf Be­       beiden Maßnahmen oftmals nicht vor­
glichen mit anderen Medien – eher der         richte wiesen auf die Möglichkeit falsch-       handen ist. Die Angabe absoluter Zahlen
werbende als der ausbalancierte Charak­       positiver Befunde hin (25%). Fünf mach­         ist so unterrepräsentiert wie die Intrans­
ter im Vordergrund stand. Besonders sel­      ten Angaben zum extrapolierten Präven­          parenz relativer Maße überwiegt – sofern
ten wurden in den Praxisbroschüren die        tionspotenzial. Ähnliche Ergebnisse fin­        überhaupt Zahlen genannt werden. Ein­
Vor- und Nachteile der Impfung disku­         den sich für deutsche Aufklärungsbro­           seitige Wahrnehmungen finden sich aller­
tiert. Diese Defizite sind umso gravieren­    schüren zum Mammographie-Screening:             dings nicht nur in den Medien, sondern
der als sie den größten Seitenumfang auf­     Demnach enthalten bis zu 19% Angaben            auch in der Allgemeinbevölkerung – bei­
wiesen. Auf das Pap-Screening wurde in        zur Testgüte, 11% Angaben zu den Konse­         spielsweise zum Mammographie- und
ihnen jedoch häufig hingewiesen – ver­        quenzen falsch-positiver Befunde und 7%         PSA-Screening [45].
mutlich um beide Interventionen leichter      Nutzenangaben, das heißt Angaben zur                Interessant ist der Befund, dass die
zu vermarkten. Diese Aussagen zur Qua­        absoluten und relativen Risikoreduktion         Mehrheit der Berichte zur HPV-Imp­
lität der unterschiedlichen Medienarten       [43]. Diese Informationsdefizite sind al­       fung und zum Pap-Screening zunächst
(Praxisbroschüren versus Zeitungsartikel      lerdings nicht nur ein deutsches, sondern       aufklärend und ausgewogen klingt (66%
versus Webseiten) sind aber vorsichtig zu     auch ein internationales Phänomen [7].          und 65%). Bei näherem Hinsehen fehlen
bewerten, da in der Studie eine vergleichs­       Obwohl das Pap-Screening seit Jahr­         ihnen aber essenzielle Daten, um dem
weise kleine Auswahl an Praxisbroschü­        zehnten etabliert ist, werden erstaunlich       Laien eine informierte Abwägung zu er­
ren untersucht wurde.                         wenige Zahlen zur Testgüte und Wirk­            möglichen. Dieser Befund könnte Aus­
    Demgegenüber sind die untersuchten        samkeit berichtet, auch wenn die Litera­        druck einer zunehmenden öffentlichen
Zeitungsartikel, die aus der umfassenden      tur dazu weit eindeutiger Auskunft gibt         Diskussion zur Risikokommunikation
LexisNexis-Datenbank aller deutschen          als bei der Impfung. Die Eindeutigkeit          sein, in der zwar eine Sensibilisierung für
Pressemeldungen ermittelt wurden, eine        zeigt sich auch daran, dass die Zahlen –        die Notwendigkeit ausbalancierter Infor­

                                                           Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011    | 1207
Originalien und Übersichten

         Tab. 5    Mindeststandards für medizinische Informationen in der Laienkommunikation
         1. Wissenschaftliche Diskussionsebenen
         – Grundsätzlich sind Plausibilitätsbetrachtungen, Expertenmeinungen, Theorien und Hypothesen von empirischen Überprüfungen zu differenzieren, da
            Letztere höhere Evidenzlevel bekleiden
         – Darüber hinaus sind empirische Nachweise zur Ätiologie einer Erkrankung von den empirischen Nachweisen zur Wirksamkeit der Interventionen abzu-
            grenzen, da empirische Erkenntnisse zu den Ursachen einer Erkrankung nicht gleichbedeutend mit Wirksamkeitsnachweisen zu ihrer Bekämpfung sind
         2. Differenzierung verschiedener Formen von medizinischen Maßnahmen
         – Screenings oder diagnostische Tests unterscheiden sich von primärpräventiven oder therapeutischen Interventionen, da hier verschiedene Bewertungs-
            kriterien von Relevanz sind. Der potenzielle Nutzen und Schaden wird bei primärpräventiven Interventionen unmittelbar durch Morbiditäts-/Mortali-
            tätsveränderungen abgebildet, während beim Screening zwei Bewertungsschritte erfolgen, die die Testgenauigkeit mit ihren Folgen und auch die
            Wirkung der Früherkennung auf die Krankheitslast erfassen
         3. Darstellung von Nutzen und Schaden
         – Für informierte Entscheidungen ist die Darstellung des potenziellen Nutzens und Schadens einer Intervention, von Unsicherheiten und etwaigen Er-
            kenntnislücken essenziell; Angaben zum Nutzen sollten zudem die Beschreibung von Population und Zeitraum, auf die sich die Erkenntnis bezieht, so-
            wie den expliziten Bezug zum Outcome als indirekt (Surrogat) oder direkt gemessene Zielgröße enthalten, da Surrogatparameter (zum Beispiel Krebs-
            vorstufen) aufgrund ihrer Stellvertreterfunktion für das Krankheitsgeschehen größere Unsicherheiten als direkt gemessene Zielgrößen (zum Beispiel die
            Krebsendstufe) implizieren
         – Prinzipiell sind absolute Zahlen mit der Angabe von Basisraten gegenüber relativen Zahlen vorzuziehen und mit Vergleichszahlen bekannter Krank-
            heitsentitäten und Ausgabenbudgets zu versehen, um die Zahlen einordnen zu können. Zur Darstellung der Testgenauigkeit ist die Verwendung von
            Zahlenbäumen mit natürlichen Häufigkeiten erforderlich
         – Angaben zum extrapolierten Präventionspotenzial und zu den Kosten sind erforderlich, um verständlich zu machen, wie begrenzte öffentliche Ressour-
            cen investiert werden
         4. Wertung von Informationen
         – Grundsätzlich wäre es sinnvoll, den Unterschied zwischen Informationen und deren Wertung zu antizipieren, da der Wertung oftmals auf Kosten essen-
            zieller Informationen überproportionale Gewichtung zukommt. Obwohl starke Bewertungen spannender und infolgedessen besser verkäuflich erschei-
            nen, tragen ausgewogene Informationen zur Vertrauensbildung und Nachhaltigkeit bei

     mationen stattgefunden hat, diese aber                 18-Replacement durch andere Virustypen                   Die besagte Zahl von 70% wird in den
     faktisch nach wie vor nicht hinreichend                stattfinden, es können Kreuzimmunitä­                 Informationsmaterialien bezogen auf die
     mit entsprechenden Zahlen unterlegt                    ten auftreten, und die Impfwirkung kann               Reduktion der Erkrankungs- als auch
     werden. Der Anteil rein werbender Be­                  bei vorab nicht mit HPV 16/18 infizierten             Sterblichkeitsrate genannt. Die ätiolo­
     richterstattung ist in den Materialien zur             Frauen anders ausfallen als bei vorab in­             gischen Erkenntnisse besagen aber le­
     HPV-Impfung mit 39% und in den Mate­                   fizierten. Darüber hinaus sind Fragen zur             diglich – wie oben bereits ausgeführt –,
     rialien zum Pap-Screening mit 50% im­                  Dauer der Immunität und zur Möglich­                  dass 70% der Gebärmutterhalskrebse mit
     mer noch hoch.                                         keit einer Boosterung durch Nachimpfen                HPV 16/18 assoziiert sind. Auch werden
         Ein Verständnisproblem bei der Be­                 offen. Diese Fragen lassen sich ex ante,              viele Prozentzahlen oftmals ohne Bezug
     richterstattung zur Effektivität der HPV-              das heißt ohne empirische Untersuchung                zur Population, Basisrate, zu Zielgrößen
     Impfung betrifft die ätiologische Er­                  zur Wirksamkeit der Impfung, nicht be­                (Infektion, Dysplasie, Krebs) und zum
     kenntnis, dass 70% der Gebärmutterhals­                antworten. So ist zwischen den ätiologi­              Untersuchungszeitraum angeführt. Sol­
     krebse mit HPV 16/18 und 20% mit an­                   schen Erkenntnissen zu den Risikofak­                 che Aussagen haben keinen Informations­
     deren onkogenen HPV-Typen assoziiert                   toren für die Ausprägung einer Krebs­                 gehalt und suggerieren eine vermeintliche
     sind [46]. Da also HPV 16/18 die häufigs­              erkrankung (70% aller Zervixkarzinome                 Sicherheit, insbesondere dann, wenn von
     ten Verursacher des Gebärmutterhals­                   sind mit HPV 16/18 assoziiert), da­raus ab­           einem über 90%- oder 100%igen Schutz
     krebses sind, wurde zuerst ein Impfstoff               geleiteten Hypothesen zur Entwicklung                 vor einer Krebserkrankung die Rede ist,
     gegen diese Virustypen entwickelt. Das                 von Innovationen (70% der Karzinome                   wobei sich Letzterer aber tatsächlich nur
     ist ausgesprochen plausibel. Das heißt                 könnten durch die Impfung verhindert                  auf die Infektion mit HPV 16/18 oder auf
     jedoch nicht, dass durch die Impfung                   werden) und der Wirksamkeit der Prä­                  HPV-16/18-assoziierte Dysplasien bei
     70% der Zervixkarzinome „verschwin­                    ventionsmaßnahme (13,5 bis 27% aller                  HPV-16/18-naiven Frauen beziehen kann.
     den“, was aber nicht selten in den Berich­             Krebsvorstufen wurden bei den Studien­                Verfügbare empirische Daten zur Wirk­
     ten behauptet wird. Auch ist ein nahezu                teilnehmerinnen in einem Nachbeobach­                 samkeit der Impfung betreffen also nur
     100%iger Schutz vor einer HPV-16/18-In­                tungszeitraum von drei Jahren durch die               die Immunität gegen HPV 16/18 und den
     fektion nicht mit einem 100%igen Schutz                Impfung verhindert [21]) zu differenzie­              Krebssurrogatmarker „Dysplasie“. Die
     vor einer Zervixkarzinom-Erkran­                       ren. Ergebnisse aus Studien haben zu­                 heute vorliegenden Daten ermöglichen
     kung gleichzusetzen. Um die tatsächli­                 dem Auswirkung auf die konkrete Aus­                  aber noch keine Aussagen über die un­
     chen Auswirkungen der Impfung auf das                  gestaltung der Impfempfehlung. So wird                mittelbare Auswirkung der Impfung auf
     Krankheitsgeschehen zu prüfen, müs­                    die Impfung für Nicht-Infizierte vor dem              die eigentliche Zielkrankheit, das heißt
     sen klinische Studien durchgeführt wer­                ersten Geschlechtsverkehr empfohlen, da               auf den eigentlichen Endpunkt „Zervix­
     den: Beispielsweise könnte ein HPV-16/                 sie sich dann am wirksamsten zeigte.                  karzinom“, da die Gewinnung diesbezüg­

1208 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 11 · 2011
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