Epidemiologisches Bulletin 29 2022 - RKI

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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN
                 ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

  29 Epidemiologisches
2022 Bulletin
 21. Juli 2022

                 Surveillance und Studien zur Bewertung
                 der COVID-19-Pandemie |
                 Affenpocken: Situation in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin          29 | 2022        21. Juli 2022                                                          2

  Inhalt

  COVID-19-Pandemie: Surveillance und Studien des Robert Koch-Instituts zur Lage-
  und Maßnahmenbewertung                                                                                 3
  Als nationales Public-Health-Institut überwacht und analysiert das RKI die Verbreitung übertragbarer und
  nicht übertragbarer Krankheiten in Deutschland. Im Rahmen der COVID-19-Pandemie wurden die bestehen-
  den Surveillance-Systeme zur Überwachung akuter respiratorischer Atemwegserkrankungen angepasst und
  erweitert und durch wissenschaftliche Studien ergänzt. Dieser Beitrag gibt eine Übersicht über die in der
  ­COVID-19-Pandemie besonders relevanten Informations- und Datenquellen, die der epidemiologischen
   ­Lagebewertung sowie der Planung, Durchführung und Bewertung von Präventions- und Bekämpfungsmaß-
    nahmen dienen.

  Weltweiter Ausbruch von Affenpocken – Situationsbeschreibung des Robert Koch-Instituts
  für Deutschland, Datenstand 14.07.2022                                                                 12
  Im Mai 2022 häuften sich nicht-reiseassoziierte Fälle von Affenpocken. Seitdem hat sich ein weltweiter Aus-
  bruch mit über 11.000 Fällen in 69 Ländern entwickelt, von denen rund 80 % in Europa gemeldet wurden. In
  Deutschland sind 1.790 Fälle bekannt (Datenstand: 14.07.2022), das Ausbruchsgeschehen konzentriert sich
  hierbei hauptsächlich auf große Städte. Bis Kalenderwoche 25/2022 ist die Zahl der gemeldeten Fälle stark
  gestiegen, seitdem hat sich der Anstieg abgeflacht. Dieser Bericht fasst die epidemiologische Lage des Aus-
  bruchs und den Kenntnisstand zu Symptomen und Übertragungswegen zusammen, gibt einen Überblick
  über die umgesetzten Public Health-Maßnahmen inklusive Kommunikations- und Vorsichtsmaßnahmen,
  Impfung, Diagnostik sowie laufende Studien und bietet einen Ausblick in die Zukunft.
  (Dieser Beitrag erschien online vorab am 19. Juli 2022.)

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 28. Woche 2022                                                     20

  Impressum
  Herausgeber                                                        Allgemeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                               Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                          www.rki.de/epidbull
  Telefon: 030 18754 – 0
  E-Mail: EpiBull@rki.de                                             Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
                                                                     die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Redaktion
  Dr. med. Maren Winkler                                             Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
  Dr. med. Jamela Seedat (derzeit nicht im Dienst)                   Namensnennung 4.0 International Lizenz.
  Heide Monning (Vertretung)

  Redaktionsassistenz
  Nadja Harendt
  Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung)                       ISSN 2569-5266

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
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  COVID-19-Pandemie: Surveillance und Studien des
  Robert Koch-Instituts zur Lage- und Maßnahmenbewertung

  Als nationales Public-Health-Institut hat das Robert        nen und Wissenschaftlern des RKI unter Einbezie-
  Koch-Institut (RKI) die Aufgabe, die Surveillance           hung externer wissenschaftlicher Expertise (z. B. Ex-
  von übertragbaren und nicht übertragbaren Krank-            pertenbeirat für pandemische Atemwegsinfektio-
  heiten sowie wissenschaftliche Studien zu diesen            nen, Konsiliarlabor für Coronaviren, Kommission
  Themen durchzuführen und auszuwerten. Auch die              für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
  Vorbereitung auf gesundheitliche Krisen, wie z. B.          (KRINKO), Ständige Impfkommission (STIKO),
  die Pandemieplanung in Zusammenarbeit mit den               medizinische Fachgesellschaften, Ständiger Ar-
  zuständigen Stellen in Bund und Ländern, gehört             beitskreis der Kompetenz- und Behandlungszen­
  zu den Aufgaben. Mit Ausnahme von Amtshilfe hat             tren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger
  das RKI kein Mandat, Maßnahmen vor Ort umzu-                (STAKOB), Fachgruppe Intensivmedizin, Infektio-
  setzen. Das RKI hat in Zusammenarbeit mit vielen            logie und Notfallmedizin (COVRIIN), European
  Stakeholdern im Gesundheitssystem in den letzten            Center for Disease Prevention and Control (ECDC),
  Jahrzehnten Konzepte, strategische Überlegungen             Weltgesundheitsorganisation (WHO)) bewertet, in
  und wissenschaftliche Expertise in die nationale            den jeweiligen fachlichen Zusammenhang gestellt
  Pandemieplanung einfließen lassen. Als Ressortfor-          und dienen der epidemiologischen Lageeinschät-
  schungsinstitut erfüllt das RKI seine Aufgaben auf          zung. Basierend auf den Erkenntnissen aus den ver-
  Grundlage der nationalen und europäischen Ge-               schiedenen Surveillance-Systemen und Studien
  setzgebung. Dabei hat das RKI seine Ressourcen              können Empfehlungen gegeben und Maßnahmen­
  strategisch genutzt, z. B. durch die Weiterentwick-         optionen beraten werden. Das RKI arbeitet gemein-
  lung bestehender und die Etablierung neuer Sur-             sam mit dem Bundesministerium für Gesundheit
  veillance-Systeme.                                          kontinuierlich daran, die Datenlage weiter zu ver-
                                                              bessern und seine Surveillance-Systeme zu erwei-
  Das RKI ist im Geschäftsbereich des Bundesminis-            tern und zu optimieren, deren Funktionalität ohne
  teriums für Gesundheit angesiedelt. Seine Aufgaben          die Unterstützung von und den regelmäßigen Aus-
  auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten sind ge-           tausch mit Kolleginnen und Kollegen sowohl im Öf-
  setzlich geregelt.1,2 In den Jahren vor der Corona­         fentlichen Gesundheitsdienst, in der ambulanten
  virus Disease 2019-(COVID-19-)Pandemie hat das              und stationären Versorgung als auch vieler Fachge-
  RKI vorausschauend gearbeitet und seine vorhande-           sellschaften und externer Wissenschaftlerinnen und
  nen Ressourcen u. a. dazu eingesetzt, im Falle einer        Wissenschaftler nicht gegeben wäre.
  Pandemie möglichst gut vorbereitet zu sein. So ver-
  fügte das RKI bereits vor der COVID-19-Pandemie             Epidemisch bedeutsame Lagen erfordern eine hohe
  über Surveillance-Systeme speziell zur Überwa-              Flexibilität sowie eine schnelle Reaktion der verant-
  chung akuter ­respiratorischer Erkrankungen jeder           wortlichen Institutionen. Das RKI war aufgrund der
  Schwere. Während der Pandemie wurden diese Sys-             Vorbereitungen in der Lage, die pandemische Situa-
  teme angepasst, erweitert und es wurden und wer-            tion durch das neuartige S ­ evere A
                                                                                                 ­ cute Respiratory
  den auch zukünftig neue Systeme implementiert.              Syndrome Coronavirus Type 2 (SARS-CoV-2) einzu-
  Zusätzlich wurden Studien entwickelt und durchge-           schätzen. Ab Februar 2020 wurden die Aufgaben
  führt, die spezifische Fragestellungen beantworten          des RKI vor dem Hintergrund des SARS-CoV-2-
  sollen. Ein Überblick über die in der Pandemie bis-         Infektionsgeschehens durch mehrfache Änderung
  her besonders relevanten Informations- und Daten-           des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und weiterer
  quellen wird im vorliegenden Beitrag gegeben. Die           Rechtsgrundlagen konkretisiert und erweitert.3
  Informationen aus diesen verschiedenen Systemen             Trotz der erfolgten personellen und finanziellen Un-
  werden kontinuierlich von den Wissenschaftlerin-            terstützung für das RKI waren die Ressourcen für
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  den Umfang der Aufgaben begrenzt. Das RKI hat sie             entwickelnde Pandemiesituation und den zuneh-
  eingesetzt, um die wichtigsten Fragestellungen zu             menden Erkenntnis­gewinn folgten.9
  beantworten. Das RKI verfolgt dabei das Ziel, effek-
  tiv zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beizu-               Im Rahmen der Surveillance und ergänzenden Stu-
  tragen und seine Arbeitsfähigkeit auch bei hoher Be-          dien sollen gemäß Pandemieplan fünf Fragen be-
  lastung über längere Zeit aufrechtzuerhalten.                 antwortet werden, um Verbreitung und Auswirkung
                                                                des pandemischen Virus zu beschreiben:4
  Surveillance und Studien als zentrale Aufgabe                 1. An welchem Punkt im zeitlichen Verlauf der Pan-
  eines modernen nationalen Public-Health-Instituts                demie befindet sich Deutschland bzw. befinden
  Epidemiologische Surveillance ist die fortlaufende               sich einzelne Regionen?
  systematische Sammlung, wissenschaftliche Analy-              2. Wie ist die Dynamik des Geschehens?
  se und Bewertung von Gesundheitsdaten sowie die               3. Wie ist die aktuelle Situation in Deutschland be-
  zeitnahe Berichterstattung der bewerteten Ergebnis-              züglich
  se zum Zweck der Planung, Durchführung und Be-                   i. der Ausbreitung der Erkrankungen
  wertung von Maßnahmen zur Krankheitspräven­                           (regional/Häufigkeit)?
  tion und -bekämpfung. In Ergänzung dazu werden                   ii. des epidemiologischen Schwereprofils der
  wissenschaftliche Studien durchgeführt, d. h. zeit-                   Erkrankungen?
  lich begrenzte, auf eine gezielte Fragestellung hin              iii. der Veränderung des Virus in Hinblick auf
  ausgerichtete Untersuchungen, deren Ergebnisse                        seine genetischen/antigenen Eigenschaften?
  im Allgemeinen in wissenschaftlichen Publikatio-                 iv. der Suszeptibilität der zirkulierenden,
  nen der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt                     pandemischen Viren gegenüber antiviralen
  werden. In wissenschaftlichen Studien werden Fra-                     Arzneimitteln?
  gestellungen in einer definierten Studienpopulation           4. Wie unterscheidet sich das epidemiologische
  zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einem de-                   Schwereprofil im Vergleich zu früheren Pande-
  finierten Setting untersucht.4                                   mien und zu früheren saisonalen Grippewellen?
                                                                5. Haben einzelne Bevölkerungsgruppen (nach Al-
  Das RKI hat 2016 unter Beratung und Mitwirkung                   ter, Geschlecht, bekannten/neuen Risikofakto-
  des Expertenbeirats für pandemische Atemwegs­                    ren) ein höheres Risiko
  infektionen (bis 2021: Expertenbeirat Influenza5) die            i. sich zu infizieren?
  wissenschaftlichen Grundlagen im Teil II des Natio­              ii. zu erkranken?
  nalen Pandemieplans in Vorbereitung auf eine                     iii. schwer zu erkranken?
  ­Influenzapandemie grundlegend überarbeitet und                  iv. zu versterben?
   aktua­lisiert.4 Im Kapitel 4, Surveillance-Konzepte
   und Studien, wurden Konzepte entwickelt und be-              Weitere Fragestellungen zur Bewertung der Ge-
   wertet, die bei Bedarf auch auf andere pandemische           samtsituation traten im Verlauf hinzu. Tabelle 1 gibt
   Atemwegsinfektionen angepasst werden können. In              eine Übersicht über diese Fragestellungen sowie die
   die Überarbeitung sind die Bedarfe und Erkenntnis-           Surveillance-Systeme und Studien, die zur Lagebe-
   se aus der Influenzapandemie 2009 eingeflossen.6,7           wertung während der COVID-19-Pandemie genutzt
   Die wissenschaftlichen Grundlagen bilden die Basis           werden. Es wird ersichtlich, dass Antworten auf die-
   für Entscheidungen über Maßnahmen zur Vorberei-              se Fragen eine zusammenfassende Bewertung der
   tung auf den Pandemiefall sowie für Maßnahmen                Daten aus verschiedenen Systemen erfordern und
   im konkreten Pandemiefall. Ein umfassendes Lage-             entsprechend mit unterschiedlichen Studienan­
   bild der epidemiologischen Situa­tion und eine flexi-        sätzen zu bearbeiten sind.
   ble Reaktion auf verschiedene Pandemieverläufe
   sind dabei von zentraler Bedeutung. Der Nationale            Epidemiologische Surveillance
   Pandemieplan wurde zu Beginn der COVID-19-                   während der COVID-19-Pandemie
   Pandemie auf die Eigenschaften des neuen Erre-               Zur Risikoeinschätzung der Gefährdung der Bevöl-
   gers angepasst,8 in der Folge ebenso die Erhebungs-          kerung während der COVID-19-Pandemie und zur
   instrumente. Strategische Anpassungen an die sich            Einschätzung der COVID-19-Lage in Deutschland
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  Tab. 1 | Überblick über Fragestellungen und entsprechende Surveillance-Systeme und Studien des RKI (teilweise durchgeführt
  mit Kooperationspartnern) zur Lagebewertung und Risikoeinschätzung. Detaillierte Informationen können über die in der
  Tabelle eingefügten Links abgerufen werden. Stand: 21.7.2022

   Informationen und zu beantwortende Fragen                                 Surveillance und Studien
   Wie erfolgt die Bewertung der Infektionslage, Infektionsdynamik/          Daten aus Meldewesen gemäß IfSG
   Transmission und der Erkrankungen? An welchem Punkt im zeitlichen         Syndromische und virologische Sentinelsurveillance
   Verlauf der Pandemie befinden wir uns?
                                                                             Testzahlerfassung und Positivenrate (SARS-CoV-2-Testzahlerfassung,
                                                                             SARS in ARS)
   Welche akute Krankheitslast/Krankheitsschwere durch COVID-19
   und Häufigkeiten (nach Altersgruppen) sind zu beobachten:
   1. anhand der Selbstauskunft von Bürgerinnen und Bürgern zu akuten        wöchentlicher Online-Survey GrippeWeb
   Atemwegserkrankungen (ARE)?
   2. im ambulanten Bereich anhand von Besuchen in ärztlichen Praxen         Sentinel zur elektronischen Erfassung von Diagnosecodes (SEEDARE)
   mit ARE?                                                                  und virologische Sentinelsurveillance
   3. im stationären Bereich anhand von
   ▶▶ neuauftretenden schweren akuten Atemwegserkrankungen (SARI)?           Krankenhaus-Sentinelsurveillance ICOSARI,
   ▶▶ Neuaufnahmen von Intensivpatientinnen und -patienten aufgrund          DIVI-Intensivregister (RKI Kooperationspartner),
      von SARI                                                               Daten aus dem Meldewesen zur Hospitalisierungsinzidenz,
   ▶▶ Anzahl von Hospitalisierungen aufgrund von (schweren) Atem-            Notaufnahmedaten der SUMO-Studie,
      wegserkrankungen?                                                      COVID-19 im Krankenhaus COSIK-Studie
   4. im Vergleich zu anderen schweren Atemwegserkrankungen?                 Syndromische und virologische Sentinelsurveillance inkl. begleitender
                                                                             integrierter molekularer Surveillance
   Wie hoch ist die Belastung des Gesundheitsversorgungs­systems             DIVI-Intensivregister
   in der Engpassressource Intensivstation?
   Ist eine Übersterblichkeit in der Bevölkerung zu beobachten?              Bereitstellung der Daten zu Todesfällen aus dem Meldewesen
                                                                             Übersterblichkeitsanalyse Destatis in Kooperation mit dem RKI
                                                                             (Mortalitätssurveillance)
                                                                             Europäisches Projekt Mortalitätsmonitoring (EuroMomo)
   Welchen Einfluss haben langfristige Gesundheitsfolgen der Pandemie        Hot Spot Studien Corona-Monitoring Lokal (CoMoLo)
   (inklusive Long COVID und Post COVID)?                                    Corona-Monitoring Bundesweit (CoMoBu)-Studie
                                                                             Rolle der Kindertagesbetreuung bei Ausbreitung von SARS-CoV-2
                                                                             (Corona KiTa-Studie)
                                                                             Analyse von Versichertendaten zu Post COVID
                                                                             Studie zur Kindergesundheit während und nach der COVID-19-
                                                                             Pandemie (KIDA)
                                                                             Untersuchung zur Bewegungsförderung in Kitas, Schulen und
                                                                             Sportvereinen – unter Berücksichtigung der Pandemiebedingungen
                                                                             (BeweKi-Studie)
                                                                             Studie Postakute gesundheitliche Folgen von COVID-19
                                                                             (Post-COVID-19)
   Welche Virusvarianten (in verschiedenen Altersgruppen) zirkulieren        Deutscher Elektronischer Sequenzdaten-Hub (DESH)
   momentan in Deutschland? Wie sind ihre Eigenschaften?                     Integrierte Molekulare Surveillance für SARS-CoV-2 (IMSSARS-CoV2)
                                                                             Studie basierend auf den IMS-Daten zur Krankheitsschwere durch
                                                                             VOC Delta im Vergleich zu VOC Omikron BA.1 und BA.2
   Wie ist der Impf- und Infektions- sowie         Antikörper- und           Hot Spot Studien Corona-Monitoring Lokal (CoMoLo)
   SARS-CoV-2-Antikörperstatus in der Bevölkerung? Befragungsstudien         Corona-Monitoring Bundesweit (CoMoBu)-Studie
   Ist eine Untererfassung von Infektionen im      des RKI
   Meldewesen zu erkennen?                                                   Blutspende-Surveillance: SeBluCo-Studie
                                                                             Observatorium serologischer Studien zu SARS-CoV-2 in Deutschland
                                                                             (SERO-OBS Corona)
   Wie hoch sind die Impfquoten in der Bevölkerung, in einzelnen Alters-     Digitales Impfquoten-Monitoring (DIM)
   gruppen und in speziellen Personengruppen (medizinisches Personal,        COVID-19-Impfquoten-Monitoring in Deutschland (COVIMO)-Studie
   vulnerable Personen, sozial benachteiligte Personen, Personen mit
   Migrationshintergrund)?                                                   Krankenhausbasierte Online-Befragung zur COVID-19-Impfung
   Wie hoch ist die Impfbereitschaft in der Bevölkerung und in speziellen    (KROCO)-Studie
   Personengruppen?                                                          Impfquotenerfassung in Pflegeheimen (nach IfSG)
   Wie hoch sind die Impfquoten in Pflegeheimen?

                                                                                                                  (Fortsetzung auf der nächsten Seite)
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  (Fortsetzung Tabelle 1)

   Informationen und zu beantwortende Fragen                               Surveillance und Studien
   Wie wirksam sind die momentan vorhandenen Impfstoffe?                   Krankenhausbasierte Fall-Kontroll-Studie zur Wirksamkeit und
                                                                           Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen (COViK)
                                                                           Impfeffektivitätsberechnung aus den IfSG-Meldedaten
   Wie effektiv sind nichtpharmazeutische Interventionen (NPI)             RKI-Ausbruchuntersuchungen
   in der Bevölkerung/in einzelnen Bevölkerungsgruppen
                                                                           Studie zu Corona-Virus Risiko- und Schutzfaktoren (COViRIS)
   (und evaluiert in den jeweiligen Pandemiephasen)?
                                                                           StopptCOVID-Studie – wie stoppt man eine Pandemie?
                                                                           Corona KiTa-Studie
                                                                           Monitoring von Bewegungsströmen und Kontakten in Deutschland
                                                                           auf Basis von Mobilfunkdaten (Mobilitätsmonitor)
   Welche unerwünschten Nebenwirkungen von NPI treten auf?                 Studie zur psychischen Gesundheit Erwachsener während der
   Wie entwickelt sich die psychische Gesundheit der Bevölkerung           COVID-19-Pandemie (Corona Health App-Studie)
   während der Pandemie?
                                                                           Mental Health Surveillance
                                                                           Gesundheit in Deutschland Aktuell (GEDA)
                                                                           GEDA 2021 Diabetes
                                                                           Studie zur Kindergesundheit während und nach der COVID-19-
                                                                           Pandemie (KIDA)
   Wie groß ist das Wissen zur Erkrankung in der Bevölkerung,              COSMO-Studie: Wiederholtes Monitoring von Wissen, Risiko­
   zur Akzeptanz und Eigenanwendung von infektionsvermeidenden             wahrnehmung, Schutzverhalten und Vertrauen während des aktuellen
   Verhaltensweisen?                                                       COVID-19-Ausbruchsgeschehens
                                                                           Studie zu Corona-Virus Risiko- und Schutzfaktoren (COViRIS)

  bezieht das RKI seit Beginn der Pandemie Informa-                          Die Belastung des Gesundheitsversorgungssystems
  tionen aus Daten, die im Rahmen des IfSG in den                            konnte seit Beginn der COVID-19-Pandemie für den
  Gesundheitsämtern erfasst werden, aus der syndro-                          in den bisherigen Phasen am stärksten betroffenen
  mischen und virologischen Sentinelsurveillance so-                         Bereich, der intensivmedizinischen Versorgung,
  wie aus verschiedenen Studien. Für die Überwa-                             regional hochaufgelöst dokumentiert werden. Seit
  chung von SARS-CoV-2/COVID-19 wurde einerseits                             dem Start der Impfungen gegen COVID-19 Ende
  auf bestehende Systeme zurückgegriffen, die kurz-                          2020 wird die Zahl der Impfungen in der Bevölke-
  fristig erweitert und an die spezifischen Herausfor-                       rung erfasst.
  derungen angepasst wurden, andererseits wurden
  zusätzlich neue Systeme aufgebaut.10 – 12 Daten aus                        Studien liefern zusätzliche Informationen, unter an-
  dem Meldewesen gemäß IfSG sowie aus den Senti-                             derem über den Antikörperstatus in der Bevölke-
  nelsystemen ermöglichten es in jeder Phase des bis-                        rung, die Wirksamkeit von nichtpharmazeutischen
  herigen Pandemieverlaufs, die Infektionslage, die                          Interventionen (NPI), den Informationsstand in der
  Transmissionsdynamik, die Krankheitsschwere und                            Bevölkerung sowie die Akzeptanz der verschiedenen
  die Krankheitslast der Bevölkerung durch die                               Empfehlungen und Maßnahmen. Viele Erkennt­
  COVID-19-Pandemie auch im Vergleich zu früheren                            nisse konnten zudem aus der erweiterten und spezi-
  Pandemien und zu saisonalen Grippewellen einzu-                            fischen Auswertung von Surveillance-Daten gewon-
  schätzen. Aufgrund des Vergleichs der Surveillance-                        nen werden.14 – 17 Insbesondere die verschiedenen
  Daten mit historischen Daten zu Atemwegsinfektio-                          wissenschaftlich aufbereiteten Ausbruchsuntersu-
  nen in Deutschland war das RKI bereits zu Beginn                           chungen haben in den ersten Phasen der Pandemie
  der Pandemie in der Lage, eine Abschätzung der ge-                         zu einem erheblichen Erkenntnisgewinn über
  nannten Parameter vorzunehmen.13                                           grund­sätzliche Aspekte der Übertragung und Krank-
                                                                             heit sowie Infektionsrisiken in speziellen Settings
  Abbildung 1 bietet einen grafischen Überblick zu                           bzw. bei einzelnen Personengruppen in Deutsch-
  Surveillance-Systemen, anhand derer verschiedene                           land beigetragen.18 Zur Bewertung der NPI hat das
  Aspekte der Krankheitslast und -schwere erfasst                            RKI neben eigenen Studien z. B. auch Evidenz-
  werden.                                                                    Reviews und empirische Datenanalysen durchge-
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  führt.19 – 23 Die Erkenntnisse und Bewertungen konn-               men zeigen, mit stärkerer Evidenz hervortreten. Zu
  ten für Empfehlungen zur Infektionsprävention so-                  nennen wäre hier beispielsweise die Bewertung der
  wie auch für politische Entscheidungstragende und                  Schwere einer aktuellen Pandemiewelle anhand von
  gesundheitspolitisches Handeln genutzt werden.                     hospitalisierten Erkrankungsfällen. Diese erfolgt
                                                                     einerseits anhand der IfSG-Meldedaten (flächen­
  Zu Beginn der COVID-19-Pandemie wurde im RKI                       deckende Erfassung aller nachgewiesenen SARS-
  ein Krisenstab eingerichtet, der die Ergebnisse aus                CoV-2-Fälle im Krankenhaus) und andererseits an-
  den einzelnen Systemen und Studien auch im Kon-                    hand der syndromischen Surveillance schwerer
  text internationaler Daten bewertet hat. Zum Zeit-                 Atemwegsinfektionen mit COVID-19 (Stichprobe
  punkt dieses Berichts ist der Krisenstab in eine                   von COVID-19-Fällen mit definiertem Krankheits-
  Lage-AG übergegangen und tagt einmal wöchent-                      bild im Krankenhaus).
  lich.24 An den Sitzungen nehmen Wissenschaft­
  lerinnen und Wissenschaftler des RKI aus einer                     Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des RKI
  Vielzahl von an der Pandemiebewältigung beteilig-                  vertreten zudem Deutschland international in den
  ten Organisationseinheiten teil. Für die aktuelle La-              regelmäßig stattfindenden Videokonferenzen des
  geeinschätzung und Situationsbewertung werden                      ECDC, der WHO und der Mitgliedsstaaten der Eu-
  die Ergebnisse aus den jeweiligen Systemen und                     ropäischen Union (EU) und sind in verschiedenen
  Studien vorgestellt und beraten, sodass eine Bewer-                internationalen Beratungsgremien tätig (z. B. Stra-
  tung in der Gesamtschau möglich wird, einzelne                     tegic and Technical Advisory Group on Infectious
  Phänomene (wie z. B. Meldeartefakte) im Abgleich                   Hazards with Pandemic and Epidemic Potential
  der Ergebnisse eingeordnet werden können und                       (STAG-IH) der WHO, COVID-19-European Scien-
  Trends, die sich in mehreren unabhängigen Syste-                   tific Council, COVID-19 Advisory Panel, Internatio-

                                          Mortalitätssurveillance
                                 Tod

                              Intensiv-                      Intensivregister
                               sta�on

                                                    ICOSARI
                          Hospitalisierung                                            Meldesystem

                         ärztliche Diagnose                 SEEDARE

                          symptoma�sche                             GrippeWeb
                            Erkrankung

                    asymptoma�sche Infek�on                             Serostudien

  Abb. 1 | Erfassung der Infektionen, Krankheitshäufigkeit, Krankheitsschwere und Belastung des
  Gesundheitsversorgungswesens in verschiedenen Surveillance-Systemen (vereinfachte Darstellung).
  Während Erregernachweise (SARS-CoV-2) auf allen Ebenen der Schwerepyramide möglich sind und
  damit im Meldewesen gemäß IfSG übermittelt werden, sind die syndromischen und virologischen
  Sentinelsysteme (GrippeWeb, Arbeitsgemeinschaft Influenza/SEEDARE, ICOSARI) konzipiert für
  die Erfassung von definierten COVID-19-Fällen, also von symptomatisch Erkrankten. Die Ergebnisse
  aus den Surveillance-Systemen werden durch seroepidemiologische Studienergebnisse ergänzt,
  die wiederholt (aber nicht kontinuierlich in der engen zeitlichen Taktung wie die Surveillance)
  durchgeführt werden können.
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  nal Association of National Public Health Institutes         enorm ist, gibt es im Hinblick auf den kommenden
  (IANPHI), Global Outbreak Alert and Response                 Herbst weiterhin Unsicherheiten.27 Es ist derzeit
  Network (GOARN), Emergency Medical Teams                     nicht möglich vorherzusagen, welchem Szenario27
  ­Initiative der WHO (EMT)). Darüber hinaus ist das           der reale Pandemie­verlauf am nächsten kommen
   RKI gegenüber dem ECDC als Vertretung Deutsch-              wird, wie sich SARS-CoV-2 weiterentwickeln wird,
   lands in Netzwerken zu Infektionskrankheiten be-            wie die Bevölkerung mit der Situation umgeht und
   nannt und für die interna­tionale Berichterstattung         wie hoch die Akzeptanz der empfohlenen Maßnah-
   zu COVID-19 (und weiteren Infektionskrankhei-               men und ­     Präventionsangebote sein wird. Die
   ten) zuständig.25 Auf nationaler Ebene erfolgt ein          Surveillance-­Instrumente des RKI ermöglichen
   wöchentlicher strukturierter Austausch mit den              eine Beurteilung der wichtigsten Faktoren in einer
   Landesstellen (Bund-Länder-AG Surveillance) und             sich entwickelnden epidemiologischen Lage: Für
   der Arbeitsgemeinschaft Infek­tionsschutz sowie             den Fall, dass eine neue Virusvariante auftreten
   vielen klinischen Forschungsgruppen. Damit flie-            ­sollte, können z. B. die molekularen Surveillance-
   ßen neben den Erkenntnissen aus der Surveillance             Systeme die besorgniserregenden Virusvarianten
   und den Studien in Deutschland auch die Erkennt-             identifizieren, auch wenn diese als erstes in Deutsch-
   nisse der Kolleginnen und Kollegen der Public-               land auftreten würden. Wenn das Risiko für schwere
   Health-Institute in anderen Ländern in die Bewer-            Krankheitsverläufe in bestimmten Altersgruppen
   tung der aktuellen COVID-19-Lage ein. Dies ist               oder generell wieder steigen sollte, würde dies in der
   umso wichtiger, da die Publikation wissenschaft­             syndromischen Surveillance, auch unabhängig von
   licher Erkenntnisse in Peer-Review-Journalen zum             der aktuellen Teststrategie und dem Testverhalten
   Zweck aktueller Lagebewertungen, frühzeitiger                der Bevölkerung, erkennbar werden.
   Entscheidungen und präventiver Empfehlungen
   häufig erst zu verzögert stattfindet. Auch Vorveröf-        Jedes Surveillance-Instrument liefert Informatio-
   fentlichungen können dieses bekannte ­Dilemma in            nen, die bestimmte Fragestellungen beantworten
   infektiologischen Krisensituationen mit der Dyna-           können. Die Systeme des RKI erfüllen während der
   mik einer Influenza- oder COVID-19-Pandemie                 COVID-19-Pandemie trotz bekannter Limitationen
   nicht vollständig lösen. Eine Umfrage des ECDC              ihren Zweck. Das RKI unterstützt die möglichst
   unter den Mitgliedstaaten der EU zeigte, dass in            zeitnahe Freigabe von Daten als Offene Daten
   Deutschland im Vergleich bereits viele Surveillance-        (Open Source), allerdings ist die Voraussetzung für
   Konzepte für eine nachhaltige und erreger­über­             die Veröffentlichung der Daten die rechtliche, ins-
   greifende respiratorische Surveillance in Anwen-            besondere auch die datenschutzrechtliche Zulässig-
   dung sind, die auch im internationalen Kontext als          keit der Veröffentlichung, die im Einzelfall zu prü-
   wichtig erachtet werden.26                                  fen ist. Weitere Herausforderungen sind, dass nicht
                                                               alle Systeme nachhaltig finanziert sind, auch besitzt
  Schlussfolgerungen und Ausblick                              das RKI nicht bei allen Systemen eine Hoheit über
  Eine wichtige Lehre aus der Influenzapandemie                die Nachnutzung der Daten, nutzt diese also ledig-
  2009 war, dass Pandemien in ihrem Schweregrad                lich als Sekundärverarbeiter. So stehen neben rein
  und somit auch die Gefährdung für die Gesundheit             fachlichen Limitationen, wie z. B. fehlender Reprä-
  der Bevölkerung sehr unterschiedlich verlaufen kön-          sentativität oder regional nicht genügend hochauf-
  nen. Weder der Zeitpunkt noch die Auswirkungen               lösender Daten einzelner Systeme, auch einge-
  einer Pandemie lassen sich vorhersagen. Mit dem              schränkte Ressourcen dem Ziel einer umfassenden
  Auftreten der ersten viralen Pneumonien in der               Lagebewertung im Wege. In der Gesamtschau er-
  Volksrepublik China im Dezember 2019 gab es viele            möglichen die Surveillance-Systeme jedoch eine
  known unknowns (Faktoren, die zu Beginn der Pan-             datenbasierte infektionsepidemiologische Lage­
                                                               ­
  demie nicht bekannt waren), aber auch unknown                bewertung. Dennoch können nicht alle Fragestel-
  unknowns (Faktoren oder Umstände, die bis zu die-            lungen oder erst mit zeitlicher Verzögerung beant-
  sem Zeitpunkt weder b ­ ekannt noch vorhersehbar             wortet werden. Das RKI arbeitet daher gemeinsam
  waren, aber eine große ­Herausforderung darstel-             mit dem Bundesministerium für Gesundheit konti-
  len). Auch wenn inzwischen der Erkenntnisgewinn              nuierlich daran, die Datenlage weiter zu verbessern.
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  Perspektivisch wird die Surveillance weiter ausge-        die Bewertung einer epidemiologischen Lage ist nur
  baut und um wichtige Systeme ergänzt, z. B. durch         mit einer hinreichend fachlichen, technischen und
  das Monitoring der Krankenhauskapazitäten ein-            finanziellen Ausstattung möglich. Klar ist aber
  schließlich der Normalstationen für COVID-19 im           auch: Die Funktionalität aller Systeme hängt von ei-
  Deutschen Elektronischen Melde- und Informa­              nem zuverlässigen und qualitativ hochwertigen Da-
  tionssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) ab           tenzufluss an das RKI ab. Dieser ist in einigen Er-
  dem Herbst 2022, die SARS-CoV-2-Abwasser­                 fassungssystemen rechtlich bindend geregelt, er-
  surveillance im Rahmen eines laufenden Modell-            folgt in anderen jedoch auf freiwilliger Basis. Ohne
  projekts und den gegenwärtigen Aufbau eines Ge-           die Arbeit und Unterstützung von Kolleginnen und
  sundheitspanels für wiederholte probabilistische          Kollegen sowohl im Öffentlichen Gesundheits-
  und nicht-probabilistische Stichprobenuntersu-            dienst als auch in der ambulanten und stationären
  chungen. Die probalistischen Stichprobenuntersu-          Versorgung und vieler Fachgesellschaften, externer
  chungen sollen repräsentative Ergebnisse zu einem         Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie
  breiten Spektrum an Public-Health-Themen liefern.         auch des Bundesministeriums für Gesundheit wä-
  Die nachhaltige Aufrecht­erhaltung der vorhande-          ren Aufbau und Betrieb der Surveillance-Instru-
  nen Systeme, die Nutzung maschinenlesbarer Da-            mente nicht möglich. Daher gilt allen Beteiligten
  ten sowie die Etablierung von neuen Systemen für          großer Dank.
Epidemiologisches Bulletin         29 | 2022       21. Juli 2022                                                        10

  Literatur                                                           schutzgesetz im Jahr 2020 aufgrund von COVID-19.
  1   BGA-Nachfolgesetz, §2 https://www.gesetze-im-                   Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung,
      internet.de/bga-nachfg/BJNR141610994.html                       Gesundheitsschutz 64:388-394.

                                                                   13 Tolksdorf K, Buda S, Schuler E, Wieler LH, Haas W
  2 IfSG, unter anderem in § 4 https://www.rki.de/DE/
      Content/Infekt/IfSG/ifsg_node.html;jsessionid=B-                (2020) Influenza-associated pneumonia as
      7679B5A0BC5C5BF8E9100CDEF49BA5C.internet061                     reference to assess seriousness of coronavirus
                                                                      disease (COVID-19). Euro surveillance: bulletin
  3 Bundesgesundheitsministerium (2020) Gesetzes­                     Europeen sur les maladies transmissibles = Euro-
      pakete zur Unterstützung des Gesundheitswesens                  pean communicable disease bulletin 25
      bei der Bewältigung der Corona-Epidemie. https://
                                                                   14 Buchholz U, Schulze K, An Der Heiden M (2022)
      www.bundesgesundheitsministerium.de/service/
      gesetze-und-verordnungen/detail/gesetzespake-                   Household clusters reveal household- and variant-
      te-zur-unterstuetzung-des-gesundheitswesens-                    specific properties of SARS-CoV-2. Epidemiology
      bei-der-bewaeltigung-der-corona-epidemie.html                   and infection 150:1-9.

                                                                   15 Hoebel J, Michalski N, Diercke M et al. (2021)
  4 Robert Koch Institut (2016) Nationaler Pandemie-
      plan Teil II Wissenschaftliche Grundlagen. In,                  Emerging socio-economic disparities in COVID-19-
      https://edoc.rki.de/handle/176904/2296                          related deaths during the second pandemic wave in
                                                                      Germany. International journal of infectious
  5 Robert Koch Institut Expertenbeirat pandemische                   diseases: IJID: official publication of the Interna-
      Atemwegsinfektionen. https://www.rki.de/DE/Con-                 tional Society for Infectious Diseases 113:344-346.
      tent/Kommissionen/EBI/EBI_node.html
                                                                   16 Hoebel J, Michalski N, Wachtler B et al. (2021)
  6 Schaade L, Reuss A, Haas W, Krause G (2010)                       Socioeconomic Differences in the Risk of Infection
      Pandemieplanung. Was haben wir aus der Pande-                   During the Second Sars-Cov-2 Wave in Germany.
      mie (H1N1) 2009 gelernt? Bundesgesundheitsblatt,                Deutsches Arzteblatt international 118:269-270.
      Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 53:1277-
                                                                   17 Loenenbach A, Markus I, Lehfeld AS et al. (2021)
      1282.
                                                                      SARS-CoV-2 variant B.1.1.7 susceptibility and infec-
  7 Nicoll A, Ammon A, Amato Gauci A et al. (2010)                    tiousness of children and adults deduced from in-
      Experience and lessons from surveillance and                    vestigations of childcare centre outbreaks, Germa-
      studies of the 2009 pandemic in Europe. Public                  ny, 2021. Euro surveillance : bulletin Europeen sur
      health 124:14-23.                                               les maladies transmissibles = European communi-
                                                                      cable disease bulletin 26
  8 Robert Koch Institut (2020) Ergänzung zum
      Nationalen Pandemieplan – COVID-19 – neuartige               18 Alpers K, Haller S, Buchholz U (2021) Untersuchung
      Coronaviruserkrankung. https://www.rki.de/DE/                   von SARS-CoV-2-Ausbrüchen in Deutschland durch
      Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Ergaen-                  Feldteams des Robert Koch-Instituts, Februar – Ok-
      zung_Pandemieplan_Covid.html                                    tober 2020. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheits-
                                                                      forschung, Gesundheitsschutz 64:446-453.
  9 Robert Koch Institut COVID-19 Strategiepapiere.
      https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-               19 Uthman OA, Adetokunboh OO, Wiysonge CS,
      ges_Coronavirus/ZS/Pandemieplan_Strategien.                     Al-Awlaqi S, Hanefeld J, El Bcheraoui C. Classifica-
      html                                                            tion Schemes of COVID-19 High Risk Areas and
                                                                      Resulting Policies: A Rapid Review. Front Public
  10 Goerlitz L, Tolksdorf K, Buchholz U et al. (2021)
                                                                      Health. 2022 Feb 25;10:769174. doi: 10.3389/
      Überwachung von COVID-19 durch Erweiterung der
                                                                      fpubh.2022.769174. PMID: 35284361; PMCID:
      etablierten Surveillance für Atemwegsinfektionen.
                                                                      PMC8916531.: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/
      Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung,
                                                                      articles/PMC8916531/
      Gesundheitsschutz 64:395-402.
                                                                   20 El Bcheraoui, C., Müller, S.A., Vaughan, E.C. et al.
  11 Robert Koch -Institut Intensivregister. In, https://
                                                                      De-escalation strategies for non-pharmaceutical
      www.intensivregister.de/#/index
                                                                      interventions following infectious disease out-
  12 Diercke M, Claus H, Rexroth U, Hamouda O (2021)                  breaks: a rapid review and a proposed dynamic de-
      Anpassung des Meldesystems gemäß Infektions-                    escalation framework. Global Health 17, 106 (2021).
Epidemiologisches Bulletin         29 | 2022       21. Juli 2022                                                          11

     https://doi.org/10.1186/s12992-021-00743-y: https://          Autorinnen und Autoren
     globalizationandhealth.biomedcentral.com/arti-                a)
                                                                      Dr. Esther-Maria Antao* | b) Dr. Tanja Jung-Sendzik* |
     cles/10.1186/s12992-021-00743-y                               b)
                                                                      Dr. Silke Buda | b) Prof. Dr. Walter Haas |
                                                                   b)
                                                                      Dr. Michaela Diercke | b) Dr. Jakob Schumacher |
  21 Bou-Karroum L, Khabsa J, Jabbour M, Hilal N,                  b)
                                                                      Dr. Osamah Hamouda | b) Prof. Dr. Lars Schaade |
     Haidar Z, Abi Khalil P, Khalek RA, Assaf J,                   a)
                                                                      Prof. Dr. Lothar H. Wieler
     Honein-AbouHaidar G, Samra CA, Hneiny L, Al-Aw-
                                                                   * haben gleichberechtigt beigetragen
     laqi S, Hanefeld J, El-Jardali F, Akl EA, El Bcheraoui
                                                                   a)
     C. Public health effects of travel-related policies on             Robert Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin
                                                                   b)
     the COVID-19 pandemic: A mixed-methods system-                     Robert Koch-Institut, Seestr. 10, 13353 Berlin
     atic review. J Infect. 2021 Oct;83(4):413-423. doi:
                                                                   Korrespondenz: AntaoE@rki.de ; Jung-SendzikT@rki.de
     10.1016/j.jinf.2021.07.017. Epub 2021 Jul 24. PMID:
     34314737; PMCID: PMC8310423.: https://www.ncbi.
     nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8310423/                          Vorgeschlagene Zitierweise
                                                                   Antao EM, Jung-Sendzik T, Buda S, Haas W, Diercke M,
  22 Mendez-Brito A, El Bcheraoui C, Pozo-Martin F.                Schumacher J, Hamouda O, Schaade L, Wieler LH:
     Systematic review of empirical studies comparing              COVID-19-Pandemie: Surveillance und Studien des
     the effectiveness of non-pharmaceutical interven-             Robert Koch-Instituts zur Lage- und Maßnahmenbe-
     tions against COVID-19. J Infect. 2021                        wertung
     Sep;83(3):281-293. doi: 10.1016/j.jinf.2021.06.018.
                                                                   Epid Bull 2022;29:3-11 | DOI 10.25646/10314
     Epub 2021 Jun 20. PMID: 34161818; PMCID:
     PMC8214911.: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.
     gov/34161818/                                                 Interessenkonflikt
                                                                   Alle Autorinnen und Autoren geben an, dass kein
  23 Pozo-Martin, F., Weishaar, H., Cristea, F. et al. The
                                                                   Interessenkonflikt besteht.
     impact of non-pharmaceutical interventions on
     COVID-19 epidemic growth in the 37 OECD mem-
     ber states. Eur J Epidemiol 36, 629–640 (2021).
     https://doi.org/10.1007/s10654-021-00766-0

  24 Halm A, Grote U, An Der Heiden M, Hamouda O,
     Schaade L, Rexroth U (2021) [Crisis management at
     the Robert Koch Institute during the COVID-19 pan-
     demic and the exchange between federal and state
     governments]. Bundesgesundheitsblatt, Gesund-
     heitsforschung, Gesundheitsschutz 64:418-425.

  25 ECDC Public health networks. In, https://www.
     ecdc.europa.eu/en/about-us/what-we-do/part-
     ners-and-networks/public-health-networks

  26 Ecdc (2022) Survey on the implementation of inte-
     grated surveillance of respiratory viruses with pan-
     demic potential. Zuletzt aufgerufen am 12.07.2022:
     https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/
     survey-implementation-integrated-surveillance-res-
     piratory-viruses-pandemic

  27 Pandemievorbereitung auf Herbst/Winter
     2022/2023 https://www.bundesregierung.de/re-
     source/blob/975196/2048684/fe0a6178b-
     1b60172726d4f859acb4b1d/2022-06-08-stellungnah-
     me-expertinnenrat-data.pdf?download=1
Epidemiologisches Bulletin       29 | 2022      21. Juli 2022                                                            12

  Weltweiter Ausbruch von Affenpocken
  Situationsbeschreibung des Robert Koch-Instituts
  für Deutschland, Datenstand 14.07.2022

  Epidemiologische Lage                                         mit 4,5/100.000 Einwohner. Das Ausbruchsgesche-
  In Ausgabe 20/2022 des Epidemiologischen Bulle-               hen konzentriert sich auch in den Flächenländern
  tins berichtete das Robert Koch-Institut (RKI) am             vorwiegend auf wenige große Städte. So entfielen in
  19. Mai dieses Jahres erstmals über Fälle von Affen-          Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen jeweils
  pockenerkrankungen (engl. monkeypox, MPX) bei                 etwa zwei Drittel der Fälle auf München, Frankfurt/
  Menschen in Europa und Nordamerika.1 Zu diesem                Main bzw. Köln und Düsseldorf.
  Zeitpunkt waren weniger als 20 laborbestätigte Fäl-
  le im Vereinigten Königreich von Großbritannien               Bis zur KW 25 ist die Zahl der gemeldeten Fälle von
  und Nordirland (UK), in Portugal und den USA so-              Woche zu Woche stark angestiegen, seitdem hat
  wie Verdachtsfälle in Spanien bekannt. Seitdem hat            sich der Anstieg deutlich abgeflacht. Mit einem Mel-
  sich ein weltweiter Ausbruch mit über 11.000 Fällen           dedatum in KW  27 wurden 419 Fälle an das RKI
  in aktuell 69 Ländern entwickelt. Rund 80 % der               übermittelt (s. Abb. 1).
  Fälle wurden bisher aus Europa gemeldet. Die Län-
  der mit den meisten Fällen weltweit sind Spanien              Fast alle Fälle waren männlich (1.787), nur zwei Fäl-
  (2.447 Fälle), Deutschland (1.790) und UK (1.735).2           le waren weiblich und ein Fall ohne Geschlechtsan-
  Die höchsten kumulativen Inzidenzen verzeichnen               gabe. Die Altersspanne betrug 18 – 78 Jahre, das me-
  Spanien (5,2 Fälle/100.000 Einwohner), Portugal               diane Alter 38 Jahre (s. Abb. 2). Bei vielen Fällen ist
  (5,0), die Niederlande (3,1), UK (2,6), die Schweiz           übermittelt, dass es sich um Männer handelt, die
  (2,2) und Deutschland (2,1).3                                 Sex mit Männern haben (MSM) und dass die Über-
                                                                tragung wahrscheinlich im Rahmen sexueller Kon-
  Am 20.05.2022 (Kalenderwoche (KW) 20) wurde in                takte zwischen Männern erfolgt ist.
  Deutschland der erste Affenpockenfall gemeldet.
  Mit Stand 14.07.2022 wurden insgesamt 1.790 la-               Bundesland                 Übermittelte   Kumulative Inzidenz
                                                                                              Fälle       (Fälle/100.000 Einw.)
  borbestätigte Affenpockenerkrankungen aus allen
                                                                Berlin                        1.029               28,0
  16 Bundesländern an das RKI übermittelt (s. Tab. 1).          Hamburg                         83                4,5
  Als laborbestätigt werden für diesen Bericht Fälle            Nordrhein-Westfalen            309                1,7
  mit Nukleinsäurenachweis von Affenpocken- oder                Brandenburg                     30                1,2
  Orthopockenviren* gewertet.                                   Hessen                          58                0,9
                                                                Bayern                         108                0,8
                                                                Saarland                        7                 0,7
  57 % der bislang in Deutschland diagnostizierten
                                                                Sachsen                         27                0,7
  Fälle wurden aus Berlin übermittelt, das entspre-
                                                                Baden-Württemberg               71                0,6
  chend mit 28 Fällen/100.000 Einwohner auch die
                                                                Rheinland-Pfalz                 19                0,5
  höchste Inzidenz aufweist, gefolgt von Hamburg                Bremen                          3                 0,4
                                                                Schleswig-Holstein              11                0,4
                                                                Sachsen-Anhalt                  6                 0,3
  * Das Affenpockenvirus ist eine Spezies (Art) inner-          Niedersachsen                   22                0,3
     halb der Gattung der Orthopockenviren. Da davon            Mecklenburg-Vorpommern          4                 0,2
     auszugehen ist, dass in Deutschland aktuell andere         Thüringen                       3                 0,1
     Orthopockenviren (z. B. Kuhpockenviren) nur in sel-        Deutschland                   1.790               2,15
     tenen Einzelfällen auftreten, werden auch Personen
                                                                Tab. 1 | Laborbestätigte Fälle von Affenpocken, Deutschland
     mit Nachweis von Orthopockenviren (ohne weitere
                                                                2022, nach Meldebundesland
     Differenzierung) als Ausbruchsfälle gewertet.
Epidemiologisches Bulletin                         29 | 2022             21. Juli 2022                                                      13

               Gemeldete Fälle

               450                                                                                   Berlin
                     * MW 28 unvollständig (Daten von 3 Tagen)                                       Nordrhein-Wes�alen
               400
                                                                                                     Bayern
               350                                                                                   Hamburg

               300
                                                                                                     Baden-Wür�emberg
                                                                                                     Hessen
               250
                                                                                                     Brandenburg
               200                                                                                   Sachsen
                                                                                                     Niedersachsen
               150
                                                                                                     Rheinland-Pfalz
               100                                                                                   Schleswig-Holstein

                50                                                                                   Saarland
                                                                                                     Sachsen-Anhalt
                 0
                       20        21    22       23      24       25     26       27       28*        Meckl.-Vorpommern
                                                                                                     Thüringen
                                                                           Meldewoche (MW)           Bremen

               Abb. 1 | Laborbestätigte Fälle von Affenpocken, Deutschland 2022, nach Kalenderwoche der
               Meldung an das Gesundheitsamt und Meldebundesland (N = 1.790)

               Anzahl Fälle                                                                     zwei epidemiologisch verbundene, in Berlin wohn-
               800                                                                              hafte Fälle berichtet, die allerdings erst am
                                                                                                23.05.2022 diagnostiziert wurden. Beide haben
               700                                                                              sich vermutlich in Berlin mit dem Affenpocken­
               600
                                                                                                virus infiziert, die konkrete Infektionsquelle ist
                                                                                                aber nicht bekannt. Aus anderen europäischen Län-
               500                                                                              dern (Portugal, Spanien, UK) wurden Fälle mit Er-
Anzahl Fälle

                                                                                                krankungsbeginn bereits in der zweiten Aprilhälfte
               400
                                                                                                2022 berichtet.4,5
               300
                                                                                                Die Inkubationszeit beträgt zwischen 5 und 21 Ta-
               200
                                                                                                gen (in Einzelfällen nur 2 bis 4 Tage). Aufgrund der
               100
                                                                                                in einigen Fällen relativ langen Inkubationszeit in
                                                                                                Kombination mit dem Zeitverzug bis zum Aufsu-
                 0                                                                              chen eines Arztes/einer Ärztin, dem labordiagnos-
                       0‐9    10‐19   20‐29    30‐39   40‐49    50‐59   60‐69    70+
                                                                                                tischen Nachweis und der Meldung an das Gesund-
                                              Alter in Jahren
                                                                        Alter in Jahren         heitsamt ist damit zu rechnen, dass zu dem schein-
               Abb. 2 | Laborbestätigte Fälle von Affenpocken, Deutschland                      bar abfallenden Teil der Epidemiekurve ab Ende
               2022, nach Altersgruppe (N = 1.788)                                              Juni noch weitere Fälle dazukommen werden. Je-
               Die wenigen Fälle in den Altersgruppen 10 – 19 Jahre (3) und
                                                                                                doch ist aktuell kein sich exponentiell ausbreitender
               70 + Jahre (2) sind aufgrund des Maßstabs in der Abbildung
               nicht erkennbar.                                                                 Ausbruch erkennbar.

                                                                                                Abbildung 4 zeigt die Fälle nach Erkrankungs­
               Abbildung 3 zeigt die Fälle nach Erkrankungsbe-                                  beginn und Expositionsland, wobei für Deutschland
               ginn und Meldebundesland. Die frühesten Erkran-                                  der Expositionsort Berlin wegen seiner besonderen
               kungsbeginne am 02. bzw. 04.05.2022 wurden für                                   epidemiologischen Bedeutung in diesem Ausbruch
Epidemiologisches Bulletin                                             29 | 2022               21. Juli 2022                                                                     14

                                Anzahl Fälle
                           70
                          70

                           60
                          60

                           50
                          50
               Anzahl Fälle

                           40
              Anzahl Fälle

                          40

                           30
                          30

                           20
                          20

                           10
                          10

                                    0
                                0
                                            2       4       6       8    10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 1 3 5 7 9 11
                                        2       4       6       8       10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 1 3 5 7 9 11
                                                                                   Mai                                         Juni                     Juli
                                                                                 Mai                       Erkrankungsbeginn Juni                     Juli
                                                                                                                   Erkrankungsbeginn                                                     Erkrankungsbeginn
                                                 Berlin                                            Nordrhein‐Westfalen             Bayern                                        Hamburg
                                                Berlin                                            Nordrhein‐Westfalen            Bayern                                         Hamburg
                                                 Hessen                                            Baden‐Württemberg               Brandenburg                                   Sachsen
                                                Hessen                                            Baden‐Württemberg              Brandenburg                                    Sachsen
                                                 Niedersachsen                                     Rheinland‐Pfalz                 Schleswig‐Holstein                            Saarland
                                                Niedersachsen                                     Rheinland‐Pfalz                Schleswig‐Holstein                             Saarland
                                                 Sachsen‐Anhalt                                    Thüringen                       Meckl.‐Vorpommern                             Bremen
                                                Sachsen‐Anhalt                                    Thüringen                      Meckl.‐Vorpommern                              Bremen

                                Abb. 3 | Laborbestätigte Fälle von Affenpocken, Deutschland 2022, nach Erkrankungsbeginn und Meldebundesland (N = 1.455)
                                Für den Zeitraum ab dem 28.06.2022 sind Nachmeldungen zu erwarten.

                                Anzahl Fälle
                                70

                                60

                                50

                                40
                 Anzahl Fälle

                                30

                                20

                                10

6   8   10 12 14 160 18 20 22 24 26 28 30                                         1     3     5      7     9   11 13 15 17 19 21 23 25 27 29             1      3   5   7   9   11
                            Mai 2                   4       6       8   10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Juni
                                                                                                           1 3                  5    7     9   11 13 15 17 19 21 Juli
                                                                                                                                                                  23 25 27 29        1    3   5   7   9    11
                                                                                 Mai
                                                                                  Erkrankungsbeginn                                                  Juni                                     Juli
                                                                                                                          Erkrankungsbeginn
                                                Berlin              Deutschland       Spanien            Sonstige       unbekannt                                                        Erkrankungsbeginn
                                                                                            Berlin        Deutschland      Spanien       Sonstige   unbekannt

                                Abb. 4 | Laborbestätigte Fälle von Affenpocken, Deutschland 2022, nach Erkrankungsbeginn und Expositionsland (N = 1.455)
                                Für den Zeitraum ab dem 28.06.2022 sind Nachmeldungen zu erwarten.
Epidemiologisches Bulletin      29 | 2022       21. Juli 2022                                                   15

  separat ausgewiesen ist. In der Anfangsphase des              chen Inkubationszeit und mehreren in Frage kom-
  Ausbruchs (bis zum 22.05.2022) hat sich die Hälfte            menden Kontakten nicht immer eindeutig ist, wel-
  der Fälle (26/52) vermutlich im Ausland infiziert,            cher Kontakt zur Übertragung geführt hat. Einige
  insbesondere (16 Fälle) während eines Gay Pride-              Fälle haben allerdings sexuelle Kontakte wenige
  Festivals auf Gran Canaria, Spanien, vom 05. –                Tage vor Erkrankung als einzige relevante Exposi­tion
  15.05.2022.                                                   in den 21 Tagen vor Erkrankungsbeginn genannt.

  Im weiteren Verlauf wurden die Infektionen weit               Bei vielen Fällen treten die Hautveränderungen nur
  überwiegend in Deutschland erworben. Das meist-               oder initial im Anogenitalbereich auf, was auf eine
  genannte Infektionsland außerhalb Deutschlands                Übertragung während sexueller Kontakte hindeutet.
  ist Spanien (97-mal genannt), gefolgt von Frank-              Die oben geschilderten unspezifischen Allgemein-
  reich und Italien (je 13-mal), Portugal (11-mal), Bel­        symptome können als Prodromalstadium auftreten,
  gien, Österreich und Griechenland (je 7-mal), Israel          aber auch fehlen oder erst nach Beginn der Hautver-
  und den Niederlanden (je 6-mal) und zahlreichen               änderungen auftreten. Schwerwiegende Krank-
  weiteren Ländern mit ≤ 5 Nennungen.                           heitsverläufe scheinen im aktuellen Ausbruch rela-
                                                                tiv selten zu sein, nur bei ca. 7 % der Fälle wurde
  Der mit Abstand meistgenannte Infektionsort in                eine Hospitalisation übermittelt. Die Schwere der
  Deutschland ist Berlin, das auch von vielen in ande-          Erkrankungen wird im Meldewesen jedoch nicht
  ren Bundesländern gemeldeten Fällen angegeben                 näher erfasst. In Deutschland traten bisher keine
  wurde. Häufig wurde der Besuch von Treffpunkten               Todesfälle auf. International wurden im Rahmen
  für schwule Männer wie Clubs oder Parties sowie               des aktuellen Ausbruchsgeschehens aus afrikani-
  Orte für sexuelle Gelegenheitskontakte wie Dark­              schen Ländern drei Todesfälle in Zusammenhang
  rooms, Saunen, Sexparties oder anonyme Sextreffen             mit Affenpockenerkrankungen berichtet.
  berichtet.6
                                                                Die Erkrankten sind vermutlich ab dem Auftreten
                                                                erster Symptome infektiös. Der Erreger findet sich
  Symptome und Übertragungswege                                 in hoher Konzentration in den Hauteffloreszenzen,
  Bisherige Beobachtungen bei Affenpockenaus­                   ist aber auch in Rachenabstrichen und anderen Kör-
  brüchen in den Endemiegebieten in West- und Zen-              perflüssigkeiten nachweisbar. Dementsprechend er-
  tralafrika beschreiben den Erkrankungsbeginn nach             folgt die Übertragung vor allem durch direkten Kon-
  einer Inkubationszeit von 5 bis 21 Tagen typischer-           takt mit Hautläsionen, aber möglicherweise auch
  weise mit unspezifischen Prodromalsymptomen                   durch Tröpfcheninfektion im Nahbereich. Vermeh-
  wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen oder allge-             rungsfähige Viren wurden auch in der Samenflüs-
  meinem Krankheitsgefühl. Anschließend treten die              sigkeit nachgewiesen, so dass auch dieser Infek­
  charakteristischen Hautveränderungen auf, die sich            tionsweg in Betracht gezogen werden sollte. Das Af-
  auf den ganzen Körper ausbreiten können und über              fenpockenvirus kann in der Umwelt über Wochen
  einen Zeitraum von ca. 2 Wochen simultan die Sta-             stabil bleiben, so dass theoretisch auch eine Infek­
  dien Macula, Papula, Vesicula und Pustula durch-              tion durch Kontakt mit kontaminierten Gegenstän-
  laufen. Schließlich verkrusten die Läsionen und die           den erfolgen könnte, beispielsweise über Kleidung,
  Krusten fallen ab, wobei Narben zurückbleiben                 Handtücher, Bettwäsche oder Sexspielzeuge, die
  können. Als weiteres typisches Symptom werden                 von einer erkrankten Person benutzt wurden.
  schmerzhafte Lymphknotenschwellungen angege-
  ben.7                                                         Auch wenn verschiedene Übertragungswege mög-
                                                                lich erscheinen, ist die Alters- und Geschlechtsver-
  Im aktuellen Ausbruchsgeschehen werden auch im-               teilung der bislang gemeldeten Fälle ein starkes In-
  mer wieder abweichende Krankheitsverläufe berich-             diz dafür, dass die Infektionen im aktuellen Aus-
  tet. Bei einem kleinen Teil der Fälle werden kürzere          bruch hauptsächlich über enge körperliche Kontak-
  Inkubationszeiten von nur 2 bis 4 Tagen angegeben,            te, zumeist im Rahmen sexueller Begegnungen,
  wobei aufgrund der großen Zeitspanne der mögli-               erfolgt sind. Auch bei den beiden weiblichen Fällen
Epidemiologisches Bulletin      29 | 2022      21. Juli 2022                                                  16

  ist jeweils ein körperlicher Kontakt mit einem bestä-        arbeitenden aus medizinischen Praxen, Gesund-
  tigten Affenpockenfall angegeben. Die Tatsache,              heitsämtern und Präventionseinrichtungen jeweils
  dass bisher nur zwei Frauen und keine Kinder mit             der aktuellste Wissensstand vermittelt werden. Emp-
  Affenpockenerkrankung übermittelt wurden, spricht            fehlungen und Informationen teilte das RKI auch
  stark dafür, dass nicht-sexuelle soziale Kontakte in         mit der breiten Öffentlichkeit über Soziale Medien.
  diesem Ausbruch epidemiologisch bislang keine
  Rolle spielen.                                               Bei der Umsetzung der beschriebenen Public
                                                               ­Health-Maßnahmen steht das RKI in stetem Aus-
                                                                tausch mit dem ÖGD in den Bundesländern sowie
  Public Health-Maßnahmen                                       mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
                                                                rung (BZgA). Daneben kooperiert das RKI insbe-
  Information und Kommunikation                                 sondere im Rahmen der Erstellung von Informati-
  Von Beginn des Ausbruchs an hat das RKI fachliche             onsmaterialien mit verschiedenen Einrichtungen,
  Informationen zu Affenpocken in Deutschland be-               die Präventions- sowie Test- und Behandlungsange-
  reitgestellt und über verschiedene Kanäle verbreitet.         bote, insbesondere für MSM, umsetzen, wie etwa
  Ein zentraler Aspekt bei der Kommunikation ist es,            der Deutschen Aidshilfe, der Berliner Aids-Hilfe,
  Diskriminierung von Gruppen, bei denen Affen­                 dem Checkpoint BLN, man*Check, der Schwulen-
  pockeninfektionen vermehrt vorkommen, unbe-                   beratung Berlin, Mann-O-Meter und subway.
  dingt zu vermeiden. Informationen zum Thema
  werden in Zusammenarbeit mit dem Öffentlichen                Vorsichtsmaßnahmen für Erkrankte
  Gesundheitsdienst (ÖGD) und Community-Organi-                und Kontaktpersonen
  sationen aufbereitet und zielgruppengerecht bereit-          Mit dem Ziel, Infektionsketten zu unterbrechen,
  gestellt.                                                    sollten sich Personen mit Symptomen, die auf eine
                                                               Affenpockenerkrankung hinweisen könnten, unver-
  Die aktuellen Erkenntnisse wurden wissenschaft-              züglich in ärztliche Behandlung begeben und vor-
  lich aufbereitet und in Fachartikeln auf Deutsch und         sorglich enge Kontakte zu anderen Menschen mei-
  Englisch veröffentlicht.1,6 Eine RKI-Webseite zum            den. Falls die Affenpockendiagnose labordiagnos-
  Thema Affenpocken wurde eingerichtet (www.rki.               tisch bestätigt wird, ordnet das Gesundheitsamt ge-
  de/affenpocken), auf der Antworten zu häufig ge-             mäß den aktuellen Empfehlungen die häusliche
  stellten Fragen (FAQ), Kurzinformationen zu Affen-           Isolation der erkrankten Person bis zum Abheilen
  pocken für die Allgemeinbevölkerung sowie Doku-              aller Pusteln und dem Abfallen der Krusten, aber
  mente zu Epidemiologie, Diagnostik, Infektions-              mindestens für 21 Tage ab Symptombeginn, an.
  schutzmaßnahmen, Impfung, Prävention und Ma-
  nagement in Einrichtungen des Gesundheitswesens              In einzelnen Fällen konnte das Affenpockenvirus
  ausführlich zusammengestellt sind.                           mittels PCR im Ejakulat nachgewiesen werden8,9
                                                               und am Konsiliarlabor für Pockenviren (KL) am RKI
  Darüber hinaus wurden Empfehlungen für den                   konnten vermehrungsfähige Affenpockenviren aus
  ÖGD sowie Organisatoren von Veranstaltungen wie              Ejakulat angezüchtet werden (unveröffentlichte Da-
  z. B. Christopher Street Days (CSD) herausgegeben.           ten). Die Dauer einer möglichen Virusausscheidung
  Diese Informationen wurden auf verschiedenen                 im Ejakulat ist nicht bekannt. Vorsorglich wird emp-
  Veranstaltungen und Kongressen gegenüber der                 fohlen, dass genesene Personen für 8 Wochen nach
  Fachöffentlichkeit kommuniziert. Es fanden mehre-            Ende der Isolation beim Sex Kondome benutzen.
  re sehr gut besuchte Web-Seminare mit jeweils über           Siehe dazu auch das Informationsblatt „Häusliche
  1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Zu-                 Isolierung bei bestätigter Affenpocken-Infektion“
  sammenarbeit mit dem Ständigen Arbeitskreis der              des RKI.
  Kompetenz- und Behandlungszentren für Krank-
  heiten durch hochpathogene Erreger (STAKOB)                  Auch für enge Kontaktpersonen von Infizierten
  ­sowie der Akademie für Öffentliches Gesundheits-            empfiehlt das RKI aktuell eine häusliche Quaran­
   wesen (AÖGW) statt. Auf diesen Wegen konnte Mit-            täne von 21 Tagen. Als enge Kontaktpersonen gelten
Epidemiologisches Bulletin      29 | 2022       21. Juli 2022                                                   17

  vor allem Sexpartner/Sexpartnerinnen von Erkrank-             Diagnostik
  ten sowie Personen, die mit nicht-intakter Haut,              Das am RKI angesiedelte KL hat seit Beginn des Aus-
  über die Schleimhaut oder durch Nadelstich o. ä. in           bruchs einen großen Teil der klinischen Primär­
  Kontakt zu einer an Affenpocken erkrankten Person             diagnostik in Deutschland durchgeführt. Außerdem
  oder deren Körperflüssigkeiten gekommen sind. Da              unterstützt das KL national und international Labo-
  die Übertragung durch Tröpfchen bei face-to-face-             re beim Aufbau der Diagnostik von Affenpocken.
  Kontakt < 1 Meter und durch kontaminierte Gegen-              Dazu stellt es unter anderem Isolate der aktuell zir-
  stände (z. B. Kleidung, Bettzeug) nicht auszuschlie-          kulierenden Viren und weiteres Referenzmaterial
  ßen ist, gelten auch Mitbewohnende, die mindes-               zur Verfügung. Das KL bereitet in Zusammenarbeit
  tens eine Nacht in derselben Wohnung wie die er-              mit INSTAND (Gesellschaft zur Förderung der Qua-
  krankte Person verbracht haben, als enge Kontakt-             litätssicherung in medizinischen Laboratorien) ei-
  personen. Siehe dazu „Empfehlungen für das                    nen Ringversuch zur Bewertung der in Deutschland
  Management von Kontaktpersonen zu einer an                    durchgeführten Diagnostik vor.
  ­Affenpocken erkrankten Person“ des RKI.
                                                                Studien
  Impfung                                                       Das RKI führt in Kooperation mit Fachgesellschaf-
  Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat eine                  ten, Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Ärztin-
  Empfehlung für die Anwendung des im Menschen                  nen und dem ÖGD Studien durch, um tiefergehen-
  nicht vermehrungsfähigen Pockenimpfstoffs Modi-               de Erkenntnisse zum aktuellen Ausbruchsgesche-
  fied Vaccinia Ankara (Imvanex/Jynneos, Bavarian               hen in Deutschland zu gewinnen und diese als Ba-
  Nordic) erstellt. Die STIKO empfiehlt sowohl die              sis für evidenzbasierte Handlungsempfehlungen
  postexpositionelle Impfung von Kontaktpersonen,               nutzen zu können.
  als auch die präexpositionelle Impfung von Men-
  schen mit hohem Infektionsrisiko, derzeit MSM                 Gegenstand der gerade beginnenden „MPX-Studie“
  mit häufigem Partnerwechsel und Personal in Spe-              ist die Erhebung epidemiologischer, klinischer, viro-
  ziallaboratorien bei gezielter Tätigkeit mit infek­           logischer und immunologischer Daten von Perso-
  tiösem Probenmaterial.10 Bei eingeschränkter Impf-            nen mit Affenpockeninfektion in Deutschland.
  stoffverfügbarkeit sollten im Rahmen der genann-              Dazu sollen Personen mit laborbestätigter Affen­
  ten Indikationen Personen mit einer erhöhten Ge-              pockeninfektion und das behandelnde ärztliche Per-
  fahr für einen schweren Verlauf (z. B. Personen mit           sonal zu Soziodemografie, Verhalten und klini-
  Immundefizienz) bevorzugt geimpft werden.                     schem Verlauf der Infektion befragt sowie Proben-
                                                                material untersucht werden. Es handelt sich um
  Parallel dazu wurden vom Bundesministerium für                eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie
  Gesundheit kurzfristig 40.000 Dosen dieses Impf-              mit fünf Erhebungszeitpunkten. Folgende Frage-
  stoffs beschafft und an die Bundesländer ausgelie-            stellungen sollen unter anderem adressiert werden:
  fert, so dass in der ersten Julihälfte mit den Impfun-
  gen begonnen werden konnte; weitere Impfstoff­                ▶▶ In welchen Settings kam es zur Übertragung
  lieferungen sind vorgesehen. Das RKI erfasst im                  von Infektionen?
  Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit                 ▶▶ Wie lang ist die Inkubationszeit?
  systematisch die Verwendung des Impfstoffs in                 ▶▶ Wie oft zeigen sich Prodromalsymptome vor
  Deutschland. Hierfür werden Daten zu den ver-                    Auftreten der typischen Hautläsionen und wie
  impften Dosen von den impfenden Einrichtungen                    lange dauern diese an?
  über die Landesstellen dem RKI in definierter Form            ▶▶ Welche Symptome treten wann auf, wie lange
  übermittelt und dort ausgewertet. Durch die Analy-               halten diese jeweils an und wie schwer sind sie
  se des Impfstoffeinsatzes werden Aussagen zum                    ausgeprägt?
  Abdeckungsgrad von Post- und Präexpositionspro-               ▶▶ Wie lange und in welchem Umfang lässt sich
  phylaxen für die von der STIKO beschriebenen Ziel-               das Virus in verschiedenen Körpermaterialien
  gruppen ermöglicht.                                              nachweisen?
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