ERSTMAL ZU UNSERER STRATEGIE UND UNSEREN PROGRAMMEN? - Stiftung Mercator
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ERSTMAL ZU UNSERER STRATEGIE UND UNSEREN PROGRAMMEN? ab Seite 2 in diesem PDF WIR GESTALTEN KULTURELLE BILDUNG Strategie und Programme Menschen und Erfolge KULTURELLE BILDUNG GESTALTET UNS ODER DIREKT WEITER ZU DEN MENSCHEN UND IHREN ERFOLGEN? ab Seite 42 in diesem PDF
2 | GRUSSWORT STIFTUNG MERCATOR Impressum HERAUSGEBER Stiftung Mercator GmbH Huyssenallee 40 45128 Essen Tel. +49 201 245 22-0 Fax +49 201 245 22-44 info@stiftung-mercator.de www.stiftung-mercator.de Verantwortlich Winfried Kneip Projektleitung Dr. Tobias Diemer, Marisa Klasen, Annika Pohlmann INHALTLICHE KONZEPTION UND UMSETZUNG TEMPUS CORPORATE GMBH – Ein Unternehmen des Zeitverlags Helmut-Schmidt-Haus, Speersort 1 20095 Hamburg Geschäftsführung: Jan Hawerkamp, Kai Wutte Projektleitung: Miriam Richter Redaktion: Maren Beck (Ltg.), Cornelia Heim, Natasa Ivakovic, Kristina Kara, Saskia Weneit, Sally Wilkens, Julien Wilkens Layout: Lisa Natrup Bildredaktion: Maja Metz COVER: THOMAS WITTE/ATELIER HURRA; FOTO: PETER GWIAZDA PHOTOGRAPHIE Schlussredaktion: Frauke Franckenstein Winfried Kneip, Geschäftsführer Stiftung Mercator, und Dr. Tobias Diemer, Leiter Bereich Bildung facebook.com/StiftungMercator twitter.com/MercatorDE youtube.com/StiftungMercator Das Magazin der Stiftung Mercator, www.aufruhr-magazin.de
GRUSSWORT STIFTUNG MERCATOR | 3 GRUSSWORT I n den vergangenen zehn Jahren hat sich die licht uns, unsere begrenzten Mittel neuen Stiftung Mercator für ein großes Bildungs- Herausforderungen und Zielen zu widmen. ziel eingesetzt: die Verankerung kultureller Dabei können wir aus den Netzwerken und Bildung als Teil allgemeiner Bildung in Schu- den Erkenntnissen der vergangenen zehn len. Der Wert von Kunst und Kultur für die Jahre „Kulturelle Bildung“ schöpfen. Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung Somit ist es nun, im Herbst 2020, an der von Kindern und Jugendlichen sollte neu er- Zeit, zu danken und zu würdigen, was in zehn kannt und anerkannt werden. Gleichzeitig Jahren kultureller Bildung durch viele Part- strebten wir an, dass dies für alle Kinder und ner*innen und Personen in unzähligen Projek- Jugendlichen in allen Schulen erwirkt wird. ten und Aktivitäten mit viel Engagement und Dabei hatten wir insbesondere die Schü- Können geleistet wurde. Gleichzeitig geht ler*innen im Blick, die aufgrund von sozialen es darum, mutig nach vorn zu schauen: nicht und ökonomischen Gründen weniger Zugän- darauf, was war, sondern darauf, was ist und ge zu Kunst und Kultur erhalten. Um aus- kommen wird. Denn in den vergangenen zehn nahmslos jedes Kind zu erreichen, setzten Jahren ist vieles entstanden, auf das in den wir deshalb auf Länderebene an. Dort wer- kommenden Jahren weiter aufgebaut wer- den die Qualitätsvorgaben für Schulen fest- den kann und soll – in Praxis, Wissenschaft so- gelegt, und sie sollten um entsprechende wie Politik und Verwaltung. Denn es sind nicht Kriterien kultureller Bildung erweitert wer- nur Modelle entstanden, sondern auch nach- den. Auf diese Weise würden alle Schulen haltige Strukturen. Welche das sind, möchten eine verbindliche Grundlage erhalten, sich wir Ihnen auf den nächsten Seiten zeigen. mit Zeit, Personal und weiteren Ressourcen Und diese Broschüre will noch etwas um die kulturelle Bildung ihrer Schüler*innen mehr: Sie möchte ein kleines, aber feines zu kümmern. Vermächtnis sein – und eine Anregung für Wir hatten uns vorgenommen, dieses alle, die in Bildung und Kultur Verantwortung Vorhaben bis 2025 in allen 16 Bundesländern tragen und Veränderungen gestalten, auf zu erreichen. Tatsächlich gelingt es uns allen Ebenen. Denn kulturelle Bildung ist Teil bereits bis Ende des Jahres 2022. Zwei einer Bildung für das 21. Jahrhundert, die in wesentliche Meilensteine auf diesem Weg besonderer Weise wesentliche Kompetenzen waren die beiden großen Programme „Kul- fördert, die in Zukunft immer wichtiger wer- turagenten für kreative Schulen“ (2011 bis den: kritisches Denken, Kollaboration, Kom- 2019) und „Kreativpotentiale“ (2013 bis munikation und Kreativität. 2022), mit denen wir alle 16 Bundesländer unterstützen. Jetzt, da wir wissen, dass wir Eine gute Lektüre wünschen Ihnen unser ursprünglich gestecktes Ziel früher er- reichen konnten als geplant, haben wir als Winfried Kneip Dr. Tobias Diemer flexible und lernende Stiftung entschieden, Geschäftsführer Leiter Bereich Bildung das Thema „Kulturelle Bildung“ nicht weiter- Stiftung Mercator zuführen. Im Sinne unserer strategischen Ar- beitsweise ist das für uns eine folgerichtige und konsequente Entscheidung. Sie ermög-
4 | GRUSSWORT STEFANIE HUBIG Dr. Stefanie Hubig, Präsidentin der Kultusministerkonferenz FOTO: PETER BAJER
GRUSSWORT STEFANIE HUBIG | 5 GRUSSWORT D ie Stiftung Mercator fördert seit mehr Dabei fangen wir in der kulturellen Bildung als zehn Jahren kulturelle Bildung: nicht bei null an – das zeigt und dokumen- mit einem großen finanziellen und tiert insbesondere diese Broschüre. Mit dem ideellen Engagement, mit vielen guten Ideen Programm „Kreativpotentiale“, dem Herz- und mit einem Anspruch, der auch uns als stück der Stiftungsfördertätigkeit in deren politisch Verantwortliche fordert. Die Ihnen Schwerpunkt „Kulturelle Bildung“, werden vorliegende Broschüre ist ein Dokument die- Schulentwicklungsprozesse und kulturelle ses beachtlichen Engagements. Bildung wirkungsvoll miteinander verzahnt. Es gründet auf der Überzeugung, dass Die Stiftung Mercator fördert jeweils eigene Kultur und Bildung untrennbar zusammenge- Projekte der Länder, um die kulturelle Bildung hören. Für die Schulen ist die kulturelle Bil- spezifisch und nachhaltig zu stärken. dung ein Grundauftrag. Sie leistet unverzicht- Die Corona-Pandemie und die fortschrei- bare Beiträge zur emotionalen und sozialen tende Digitalisierung unserer Gesellschaft und nicht zuletzt zur persönlichen Entwick- stellen Kultur- und Bildungseinrichtungen lung. Sie wirkt integrierend, indem sie kultu- vor eine große Herausforderung. Die Hy relle Vielfalt erlebbar werden lässt, und sie gienevorschriften zu wahren und dabei den trägt dazu bei, sozial bedingte Bildungsnach- Bildungs- und Kulturauftrag zu erfüllen, ist teile auszugleichen. Kulturelle Bildung fördert die wohl größte Aufgabe, vor der unser Bil- Kinder und Jugendliche darin, ihre kreativen dungssystem und unser Kulturleben seit Potenziale entfalten zu können. Langem stehen. Analoge und digitale Lern- Noch immer lesenswert ist das Schwer- formen intelligent zusammenzuführen, neue punktkapitel „Kulturelle/musisch-ästhetische Formate zu entwickeln, die den Austausch, Bildung im Lebenslauf“ im Bericht „Bildung die Begegnung und das Lernen erleichtern, in Deutschland 2012“. Dieser Bericht bestä- sind eine Herausforderung, die aber auch tigt: Kulturelle Bildung verbessert die Bil- kreative Chancen bietet. dungschancen von benachteiligten Kindern Ich danke der Stiftung Mercator für ihr und Jugendlichen. Darauf aufbauend hat die umfassendes Engagement im Bereich der Kultusministerkonferenz ihre „Empfehlun- kulturellen Bildung und wünsche mir, dass gen zur kulturellen Kinder- und Jugendbil- wir selbiges in Zukunft genauso engagiert dung“ aktualisiert. Darin kommt der Koope- fortsetzen. ration von Schulen mit Kultureinrichtungen und außerschulischer Kinder- und Jugend- Ihre bildung eine wesentliche Bedeutung zu. So werden Schulen selbst zu einem Kulturort Dr. Stefanie Hubig und festen Bestandteil der kommunalen Bil- Präsidentin der dungslandschaft. Kultusministerkonferenz
GUT GESAGT | 7 „Wir Menschen können ethisch handeln, in komplexen Zusammenhängen denken, Empathie und Neugier empfinden. Das sind die wichtigen Fähigkeiten, die das Bildungssystem vermitteln muss. Da spielt kulturelle Bildung eine entscheidende Rolle.“ Prof. Dr. Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor
8 | STIFTUNG MERCATOR Mission KÜNSTE SCHAFFEN BILDUNG Über kulturelle Bildung werden Fähigkeiten vermittelt, die im 21. Jahr- hundert immer wichtiger werden. Damit alle Kinder und Jugendlichen die gleiche Chance darauf haben, setzte die Stiftung Mercator auf die Förderung kultureller Bildung in Schule. Ein Rückblick. D ie Künste – also Musik, Tanz, Denken, Kommunikation, Kollabora- Theater, Literatur und bil tion und Kreativität beitragen, die im dende Künste – haben einen 21. Jahrhundert in Gesellschaft und besonderen Bildungswert für Kinder Arbeitswelt immer wichtiger wer- und Jugendliche. In ihnen können sie den. Aus all diesen Gründen gehören die Welt und die eigene Person auf kulturelle Bildung und die Künste eine Weise erfahren und verste- zum Kern einer allgemeinen Bil- hen lernen, wie dies anders – zum dung in Schule – dem Ort, an dem Beispiel durch Alltagsverstand oder alle Kinder und Jugendlichen er- ZUKUNFTSPROJEKT Wissenschaften – nicht möglich ist. reicht werden. Das waren für uns die „ZERTIFIKATSKURS“ Gleichzeitig können durch eigenes Motive, als wir uns im Jahr 2009 für Unter Einbeziehung der Erkennt künstlerisches Gestalten lebens- dieses Thema als eines der zentralen nisse aus den Programmen wichtige Kompetenzen wie Selbst- Handlungsfelder der Stiftung Merca- „Kunstlabore“ und „Kulturagen- bewusstsein, Mut im Umgang mit tor entschieden haben. ten“ wird an der Universität dem Unwägbaren, dem Risiko des Aber die beschriebenen Effekte Hildesheim ein Zertifikatskurs Scheiterns und der Freude des Er- passieren nicht per se, wenn Kinder „Kulturelle Bildung für Künstle- folgs erworben und gestärkt werden. malen, schreiben, tanzen oder sin- rinnen und Künstler“ mit den Und nicht zuletzt kann kulturelle gen. Es braucht eine Vermittlung dafür nötigen Qualitätsstandards Bildung wesentlich zur Entwicklung von hoher künstlerischer Qualität und entwickelt. Mehr auf S. 21. von Kompetenzen wie kritischem ein bundesweites System zivilgesell- schaftlicher Unterstützung und staat- licher Strukturen, um diese Qualität möglichst allen Schulen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Dieser Heraus- Künstlerisches Gestalten wie Theaterspielen fördert unter forderung versprach die Stiftung anderem Mut. Mercator im Jahr 2010 sich mit ih- rer Strategie „Kulturelle Bildung“ zu widmen und dazu beizutragen, dass kulturelle Bildung bis 2025 zu einem wesentlichen Bestandteil allgemeiner Bildung in Schule für alle Kinder und Jugendlichen wird. EIN ZIEL ENTSTEHT In einem föderalen Bildungssystem, in dem die Hoheit über Bildung und Kultur bei den Ländern liegt, sind
STIFTUNG MERCATOR | 9 bundesweite Ziele nur zu realisieren, wenn man mit allen 16 Bundes ländern kooperiert. Als Ansatz für unser Ziel eignete sich aus unserer Sicht besonders das Steuerungsins trument der Qualitätsrahmen, das in allen Bundesländern etabliert ist. Die darin enthaltenen Vorgaben zur Unterrichts- und Schulentwicklung setzt jedes Schulministerium für sich fest. Wäre kulturelle Bildung darin festgeschrieben, würde sie zur Regel werden. Dies sollte daher unser zentrales Ziel werden: die Aufnahme Kulturelle Bildung in der von Kriterien kultureller Bildung in Schule zu verankern, ist eine Gemeinschaftsaufgabe. den Qualitätsrahmen der Länder – bis 2015 in vier, bis 2025 in allen Die „Systemische Verankerung“ zielte Bundesländern. auf das Kernvorhaben, kulturelle Bil- Dies allein reichte jedoch im Hin- dung in die Qualitätsrahmen der Län- blick auf die praktische Umsetzung der zu integrieren. Die Partner unseres nicht aus. Daher ergänzten wir un dafür entwickelten Rahmenprogramms sere Strategie um die Förderung der „Kreativpotentiale“ waren die Minis- Entwicklung von Instrumenten und terien. Diese zeigten sich offen für Modellen, die Lehrkräfte und Schul- unsere Initiative, denn viele Länder leiter*innen darin unterstützen, hatten sich bereits vorgenommen, qualitativ hochwertige Methoden kulturelle Bildung in die Qualitäts kultureller Bildung in ihrer Schule entwicklung ihrer Schulen einzube- einzurichten. Eine Herausforderung ziehen. Das im Jahr 2013 gestartete lag in der Dimension und in den ver- Rahmenprogramm sah vor, dass die schiedenen Ebenen, auf die sich einzelnen Ministerien eigenständig FOTOS: SIMON BIERWALD, RALF SONDERMANN; ILLUSTRATIONEN: FREEPIK unser Engagement erstrecken muss- Projekte entwickeln und durchführen, te. Immerhin wären in Deutschland die durch die Stiftung begleitet und nicht weniger als 35.000 allgemein- gefördert werden. Zwei verbindliche bildende Schulen, 750.000 Lehrkräfte Kriterien setzte die Förderung voraus: und 8 Millionen Schüler*innen zu die angestrebte Erweiterung des Qua- adressieren. Dies wäre, das war klar, litätsrahmens sowie die Qualifizierung ZUKUNFTSPROJEKT ohne Aktivierung von Politik, Minis- des Schulpersonals für den Umgang „PLATTFORM“ terien und institutionellen Akteuren mit kultureller Bildung. In der Kulturstiftung der Länder in den Ländern nicht zu schaffen. Das Handlungsfeld „Praxis und entsteht eine digital-analoge Transfer“ fokussierte Aktivitäten und Plattform für kulturelle Bildung DREI HANDLUNGSFELDER, Projekte auf der Ebene der Schulen. mit „Best Practices“, Arbeits DREI LEUCHTTÜRME Hier sollten Methoden und Program- hilfen, Infos über Strukturen, me entstehen, die sich andere Schu- Inhalte und Akteure, gesammelt Um unsere strategischen Aktivitäten len und Kommunen für die eigene in zehn Jahren Engagement sinnvoll zu bündeln, etablierten wir Praxis abgucken könnten. Die größte und zugänglich für alle. Mehr drei Handlungsfelder. Herausforderung bestand darin, auf S. 25.
10 | STIFTUNG MERCATOR einen Weg zu finden, Kunst und Kul- tur buchstäblich in die Schulen zu tragen. Es brauchte eine Vermittlung zwischen außerschulischen Kultur institutionen beziehungsweise Künst- ler*innen und den Schulen im Stadtteil. Im Modellprogramm „Kul- turagenten für kreative Schulen“ wur- de 2011 in Kooperation mit der Kul- turstiftung des Bundes dafür eine neue Profession geschaffen: Kultur- agent*in. Diese Vermittlerperson hat- te die Aufgabe, den Dialog zwischen den beteiligten Schulen und den re gionalen Kulturpartnern zu fördern, um passende und qualitativ hochwer- tige Angebote kultureller Bildung zu initiieren. Das Ziel: Kunst und Kultur sollten zu einem selbstverständlichen Teil des Schulalltags werden. Durch Kooperation und inhaltliche Zusam- menarbeit waren hier wiederum auch die Ministerien einbezogen. Dadurch tungen 2012 die Partnergesellschaft relle Bildung“ in der neuen, auf fünf wurde das Projekt auf bildungspoli „Rat für Kulturelle Bildung e. V.“, ei- Jahre angelegten Strategie kein tischer Ebene gestärkt und eine Wei- nen 13-köpfigen Expertenrat, dessen Schwerpunktthema mehr sein wird. terführung in staatlicher Trägerschaft Mitglieder aus Wissenschaft und Die Förderung der Programme und wahrscheinlicher. Kunst die verschiedenen Aspekte Projekte in diesem Bereich endet Für das Handlungsfeld „Wissen- und Felder kultureller Bildung reprä- 2022. Doch dieser Rückzug erfolgt schaftliche Beratung“ gründeten wir sentieren. Als unabhängiger Rat war aus gutem Grund: Wir haben unser zusammen mit sechs weiteren Stif- und ist es seine Aufgabe, das Feld formales Ziel erreicht. Bis 2022 der kulturellen Bildung zu beobach- werden alle 16 Bundesländer ihre ten, zu erforschen und Entschei- Qualitätsvorgaben um Kriterien der dungsträger*innen auf allen Ebenen kulturellen Bildung ergänzt und in zu beraten. Er liefert zudem Wissen Lehrkräfteweiterbildung und Schul- und Argumente, die in die strategi- entwicklungsmaßnahmen integriert schen Aktivitäten und Projekte der haben. Als zivilgesellschaftlicher Ak- Stiftung einfließen. Seit 2015 er- teur und unserem Selbstverständnis gänzt der „Forschungsfonds Kultu- folgend haben wir damit alles getan, relle Bildung. Studien zu den Wir- was wir unter Wahrung der staat kungen Kultureller Bildung“ die lichen Souveränität im Bildungs Tätigkeit des Rats. bereich tun können und dürfen. Die flächendeckende Stärkung kul- DAS ZIEL WIRD ERREICHT tureller Bildung in allen 35.000 Schu- len, für alle 750.000 Lehrkräfte und Im Jahr 2020 verkündet die Stif- alle 8 Millionen Schüler*innen kann tung Mercator offiziell, dass „Kultu- nur Aufgabe der Länder sein. Mit
STIFTUNG MERCATOR | 11 ZUKUNFTSPROJEKT „MESSBARKEIT“ Am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation wird nach Wegen gesucht, kulturelle Bildung messbar zu machen. Auf diese Weise soll sie, systematisiert, in den Nationalen Bildungsbericht integriert werden. Mehr auf S. 29. Digitalisierung und kulturelle Bildung müssen Über die Künste können Kinder und Jugendliche zusammengedacht werden. die Welt und sich selbst verstehen lernen. Mehr dazu ab Seite 32. FOTOS: RUPERT OBERHÄUSER, SANDRA WEMER, KAY OEZDEMIR ; ILLUSTRATIONEN: FREEPIK unserem Engagement haben wir So haben wir im Handlungsfeld „Pra- Länder moderiert wird und mit ihren dazu beigetragen, xis und Transfer“ die Erarbeitung Aktivitäten zur kulturellen Bildung • bundesweit in allen Ländern eines transferfähigen Modells für die verschmelzen soll. Strukturen für die Umsetzung Zertifizierung und Qualifizierung von Diese drei Projekte sollen ge- qualitativ hochwertiger kultu- Künstler*innen beschlossen, an dem währleisten, dass die während zehn reller Bildung zu etablieren, die Universität Hildesheim zusammen Jahren gesammelten Erfahrungen • nachhaltige Modelle für „Kultur- mit der Bundesakademie Wolfenbüt und aufgebauten Strukturen im Feld schulen“ in Kooperation mit au- tel arbeiten wird. der kulturellen Bildung auch in Zu- ßerschulischen Kulturpartnern Im Handlungsfeld „Wissenschaft- kunft aktiv genutzt und weiter wir- zu entwickeln, liche Beratung“ arbeiten wir mit dem ken werden. • die Möglichkeiten und Grenzen DIPF | Leibniz-Institut für Bildungs- Dies ist der Stiftung Mercator ein sowie Bedingungen und Quali- forschung und Bildungsinformation großes Anliegen, denn es ist klar: täten kultureller Bildung neu zu am Aufbau eines Monitoring-Modells Kulturelle Bildung ist Teil einer Bil- vermessen und aufzustellen. im Nationalen Bildungsbericht. dung für das 21. Jahrhundert, in Und im Handlungsfeld „Syste dem das Leben nur mit Fähigkeiten Bis zum Ende des Jahres 2022 sor- mische Verankerung“ wurde ein wie kritischem Denken, Kollabora gen wir darüber hinaus noch mit Projekt zum Aufbau einer Plattform tion, Kommunikation und Kreativität drei großen Projektförderungen für „Kulturelle Bildung“ auf den Weg ge- zum Wohle aller gestaltet werden die Nachhaltigkeit dieser Beiträge. bracht, die von der Kulturstiftung der kann.
12 | KOOPERATION Zusammenarbeit DER EINE STRANG Ohne Kooperation bewegt sich in der kulturellen Bildung wenig. Die Zusammenarbeit zwischen Schule, Kommune und der Kunst bildet die notwendige Basis. Wie wirkt man gemeinsam? Aus Oberhausen berichten Kulturagent Jens Niemeier, Kulturdezernent Apostolos Tsalastras und die Kulturbeauftragte der Gesamtschule Weierheide, Alischa Leutner-Peters.
KOOPERATION | 13 KULTURAGENT JENS NIEMEIER I m Scheinwerferlicht stehen wollte ich nie. Schülerschaft bauten sie die Ausstellung auf. „Auf allen Seiten Lieber ziehe ich die Fäden im Hintergrund. Um das Finanzielle müssen sich die Schulen braucht es Als Kulturagent mache ich im Prinzip auch keine Sorgen machen. Als Kulturagent Offenheit, Neugier, nichts anderes. In erster Linie ermögliche weiß ich genau, welche Töpfe es gibt und wie Mut – und die ich Kooperationen zwischen Künstler*innen, viel welche Schule ausgeben darf. Gibt es ein Freiheit, Sachen Kultureinrichtungen und Schulen in Ober- konkretes Vorhaben, suche ich den passen- auch mal schief hausen. Ich liebe es, mit Menschen etwas den Antrag für die Schule heraus und nehme gehen zu lassen.“ Kreatives zu entwickeln – ob als Künstler, den Lehrkräften so viel ab, wie ich kann. Musiker oder eben jetzt Kulturagent. Bevor Hilfreich ist auch, dass ich in Schulen in den ich 2017 den Job im Rathaus annahm, war Kulturfach-Konferenzen sitze. So bringe ich ich 13 Jahre lang als freischaffender Künstler Impulse ein oder mache auf Finanzierungs- in drei der vier Kulturagenten-Schulen in möglichkeiten aufmerksam. Oberhausen tätig. Teilweise arbeite ich Wir haben hier das Glück, dass die auch noch heute als freier Künstler: als Leiter Kommune seit 2013 ein Gesamtkonzept zur des inklusiven ClaudiusTHEATERS Bochum kulturellen Bildung hat und es stetig weiter- und als Dozent für Improvisationstheater an entwickelt. Dadurch sind die kulturellen Ein- der clamotta ImproSchule in Köln. richtungen sehr offen, und es sind Budgets Um gemeinsam erfolgreich kulturelle Bil- da. Natürlich ist diese Offenheit von Schule dung in Schulen zu etablieren, habe ich ge- zu Schule unterschiedlich, doch ich als lernt: Auf allen Seiten braucht es Offenheit, Kulturagent bin sehr nah an ihnen dran und Neugier, Mut – und die Freiheit, Sachen auch kann Bedenken zerstreuen. Ich weiß ja, wel- mal schiefgehen zu lassen. Ich bin froh, in den che Welten aufeinanderprallen. Zu meinen Schulen und kulturellen Einrichtungen immer Aufgaben gehört auch, nachhaltige Konzep- wieder auf so offene Ohren zu stoßen. Dank te zu fördern. Wir finanzieren keinen Kon- meiner Erfahrung weiß ich, wie es ist, als sum, sondern wollen, dass die Schüler*innen kreativer Mensch in einer Schule zu arbeiten. künstlerisch aktiv werden.“ Gleichzeitig kenne ich die Strukturen in den Schulen, die Hemmnisse und Bedürfnisse. Meine Arbeit beschreibe ich so: Ich versuche, die Schulen an so vielen Stellen wie mög- Jens Niemeier lich zu entlasten und dauerhafte Brücken ist seit 2017 zu Künstler*innen und Kultureinrichtungen Kulturagent in Oberhausen. zu bauen. Sobald ich weiß, was eine Schule braucht, führe ich Vorgespräche mit den Kunstschaffenden oder Kulturinstitutionen. Ich unterstütze beim Stellen von Anträgen und suche nach Fördermöglichkeiten. Ein Lehrer erzählte mir mal von der Idee, eine Ausstellung mit seinen Schüler*innen zu machen, doch ihm fehlten Zeit und Know- how für die Umsetzung. In solchen Fällen komme ich ins Spiel. Ich organisierte die Aus- stellungsfläche, sprach mit einer Ausstellungs FOTOS: COMPLIZE/PHOTOCASE designerin und beantragte die entsprechen- den Gelder. Natürlich profitiere ich dabei von meinen Kontakten. Ich weiß, wen ich an- sprechen kann und welche Künstler*innen zu einem Projekt passen. Am Ende engagierte die Schule die Künstlerin, und gemeinsam mit den beteiligten Lehrkräften und der
14 | KOOPERATION KULTURBEAUFTRAGTE ALISCHA LEUTNER-PETERS weitergegeben wird. So hängt alles nicht nur an mir als der Kulturbeauftragten oder an einzelnen Lehrer*innen. Mit Erfolg: Kreati vität zieht sich durch alle Fächer, wir ziehen alle an einem Strang. Kultur ist bei uns an der Gesamtschule Weierheide kein Beiwerk, das die Schüler*innen konsumieren. Sondern ein Mittel, um Identität zu stiften, Verbindungen herzustellen und die eigene Persönlichkeit auszudrücken. Zweitens motiviert mich der Einfluss, den kulturelle Bildung auf die Schü- ler*innen hat. Es ist uns ein wesentliches An- Alischa Leutner- liegen, dass unsere Schüler*innen über das Er- Peters ist die kulturbeauftragte leben von Kreativität selbst zu kreativem Den- Lehrerin an ken gelangen. Ich kann die Entwicklung der der Gesamtschule Jugendlichen an ihrer Körpersprache ablesen. Weierheide. Ich sehe, wie ihr Selbstbewusstsein wächst. Ab der achten Klasse können unsere U Schüler*innen das Ergänzungsfach ,KreSch‘ nsere Schülerschaft hat von zu Hause wählen. Statt Lernstoff zu konsumieren, ge- aus meist nicht den Zugang zu kultu- stalten die Jugendlichen den Unterricht. Drei rellen Einrichtungen. Uns ist es ganz Stunden die Woche dichten, trommeln, ma- wichtig, dass wir da einen Fuß in die Tür krie- len, filmen, stricken – Hauptsache, am Ende gen. Als Kulturbeauftragte meiner Schule steht ein gemeinsam erarbeitetes Projekt. gebe ich Impulse und konkrete Bildungs So entstanden Theater- und Performance- angebote an die Lehrkräfte weiter. Meiner Auftritte, Ausstellungen, eine Hip-Hop-Revue, Arbeit hilft es enorm, dass wir an der Ge- Texte, Choreografien, Filme, sogar Flashmobs. samtschule Weierheide einen verbindlichen In den Kursen arbeiten wir eng mit Künst- Kulturfahrplan aufgesetzt haben. Wir sind ler*innen, dem Kulturagenten Jens Niemeier Kulturschule und seit 2011 Teil des ,Kultur- und den städtischen Kulturinstitutionen zu- agenten‘-Programms. Zusammen mit dem sammen. Fach ,Kreative Schule‘, kurz ,KreSch‘, ist die Es ist faszinierend, was für Talente dabei kulturelle Bildung langfristig in unserem zum Vorschein kommen, von denen man im Schulkonzept verankert. normalen Unterricht nichts ahnt. Damit die Wir holen die Kunst nicht nur in die Schu- Schüler*innen sich fallen lassen können, le, sondern zeigen die Kunst der Kinder und braucht es Vertrauen und Sicherheit. Was Jugendlichen einem breiten Publikum. Dafür viele vergessen: Schule ist ja auch ein Ort, an „Kultur ist bei uns sind die Kooperationen mit Einrichtungen dem man lebt. Hier wird man zu einer Per- an der Gesamt wie dem Industriemuseum und dem Theater sönlichkeit, die sich in einer Gemeinschaft schule Weierheide Oberhausen wichtig. Außerdem haben wir behaupten muss. Unsere Schule ist so ein kein Beiwerk, das einen superkompetenten Kulturagenten in Ort, besonders im Fach ,KreSch‘ merke ich die Schüler*innen unserer Stadt, der die freie Kunstszene, die das immer wieder. Dazu gehört auch, dass konsumieren. Kulturinstitutionen, die Fördertöpfe und die wir die Jugendlichen keiner Prüfungssitua Sondern ein Mittel, Schule kennt. Das ist ein Geschenk für uns. tion aussetzen. Leider ist das Bewerten auch um Identität zu Jens Niemeier versorgt mich mit gebündel- in diesem Fach ein Muss – also versuchen wir, stiften, Verbindun ten Informationen über Kulturprogramme. das so transparent wie möglich zu vermitteln gen herzustellen Mich motivieren zwei Dringe: erstens der und prozessorientiert zu benoten. Wir wollen und die eigene unverhandelbare Stellenwert kultureller Bil- die positiven Erfahrungen, die die Schüler*in- Persönlichkeit dung an unserer Schule. Es gibt einen Leitfa- nen machen, nicht mit Druck kaputt machen. auszudrücken.“ den, der Konsens ist und an neue Lehrkräfte Und das ist es, was sie so stärkt.“
KOOPERATION | 15 KULTURDEZERNENT APOSTOLOS TSALASTRAS I ch bin auf die Menschen in Oberhausen und entwickeln die kulturelle Bildung immer „Wir haben uns angewiesen. Meine Vision für unsere weiter. Ich kann auch sagen, dass ihr Engage- schon lange von Stadt ist, kulturelle Bildung für alle zu- ment von uns bestmöglich unterstützt wird. der klassischen gänglich zu machen. Das gelingt nur, wenn Als ich als Kulturdezernent anfing, fragte Projektförderung alle Beteiligten erkennen, was für ein wich- ich mich: Wie kommen wir an die Jugend verabschiedet. tiger Erfolgsfaktor kulturelle Bildung ist: Sie lichen ran? Wie entwickeln wir ein System, Es geht uns um stärkt die persönliche Entwicklung von Kin- das den Schüler*innen Spaß macht? Denn Nachhaltigkeit.“ dern und Jugendlichen, gibt ihnen Spaß an nur dann ist es eine Win-win-Situation. Es der Schule und verbessert ihre Zukunfts- darf für niemanden eine Last sein – weder perspektive. Wir haben hier eine hohe Kin- für die Schüler*innen noch für die Lehrkräfte derarmut, die Sozialstruktur in unserer und Künstler*innen. Und das funktioniert nur, Stadt ist schwierig. Doch als Gemeinschaft wenn wir den Beteiligten Gehör schenken. sind wir auf das kreative Potenzial unserer Einmal im Jahr kommt unsere einzigartige Schüler*innen angewiesen. Es stärkt nicht Kultur-Netzwerklandschaft zusammen. Wir nur sie, sondern auch das Zusammenleben hören hin, was Künstler*innen und Schü- in unserer Stadt. ler*innen erlebt und geschaffen haben. Kul- Seit 15 Jahren bin ich Kulturdezernent in turelle Bildung ist ein zentrales Element in Oberhausen. Seither erlebe ich nahezu täg- unserem Zusammenleben. Wir dürfen dieses lich, wie engagiert und eng die Schulen, kul- Konzept nicht erstarren lassen.“ turellen Einrichtungen und Künstler*innen zusammenarbeiten. Das Engagement von wenigen trägt dazu bei, dass wir kulturelle Bildung in unseren Schulen und unserer Apostolos Tsalastras Stadt verankern. Eine Sache ist dabei un- ist Kulturdezernent glaublich wichtig: Wir haben uns schon lange in Oberhausen. von der klassischen Projektförderung verab- schiedet. Es geht uns um Nachhaltigkeit. Ich erlebe, wie die Beteiligung in Kultureinrich- tungen steigt. Dass es ein Potenzial gibt, das ausgelebt werden will. In jedem Alter enga- gieren sich Menschen. In Oberhausen sind alle Bildungsein richtungen an Bord, um den Kindern und Jugendlichen kulturelle Bildung zu ermög lichen. Dabei hilft natürlich auch die Bemü- hung der Stadt, die Schulen darin zu unter- stützen. An jeder Schule haben wir Kultur- beauftragte, die sich einmal im Jahr mit den Lehrer*innen und Schulleiter*innen austau- schen. So wissen wir, welchen Bedarf die Schulen haben und was wir noch anbieten können. Besonders mit den zehn Kultur schulen in Oberhausen stehen wir in engem FOTOS: REGINE ALINGS, PRIVAT Kontakt. Dabei möchte ich betonen, wie engagiert die Kulturbeauftragten der Schulen sind. Sie leisten einen unglaublich wichtigen Beitrag
16 | KOOPERATION RuhrKunstNachbarn RAUS AUS DER SCHULE, REIN INS MUSEUM! Das Projekt „RuhrKunstNachbarn“ ermöglicht Kindern und Jugendlichen, Museen im eigenen Stadtraum zu erkunden. Doch wie gelingt der Zugang zu ästhetischer Bildung konkret? Darüber erzählen Regina Selter und Barbara Hlali vom Museum Ostwall im Dortmunder U. Warum sollte jedes Kind Museen kennen und für sich nutzen lernen? Regina Selter: Kunstmuseen sind Orte des kulturellen Gedächtnisses und zugleich Raum für Auseinander- setzung mit der Gesellschaft und unserem Alltag. Sie ermöglichen, verschiedenste Arten künstlerischer Gestaltung zu erfahren. Sie schaffen Zugänge zu unterschiedlichsten Wahr- nehmungsebenen und sensibilisieren für unkonventionelle Formen ästhe- tischen Ausdrucks. Dies ist ein kultu- reller Schatz, der jedem Kind zugäng- lich gemacht werden sollte. Bildung und Kunstvermittlung können dazu beitragen, dass alle Kinder, Jugend lichen und Erwachsenen aus diesen Ressourcen schöpfen, um ihr Leben kreativ und selbstbestimmt zu ge stalten – jenseits von normierenden Beschränkungen. Wie möchte das Projekt „Ruhr- KunstNachbarn“ jungen Menschen den Weg ins Museum ebnen? Selter: Durch das Einbeziehen des städtischen Umfelds des jeweili- gen Museums in speziell für das Pro- jekt konzipierte Workshops lernen Wie Museum und Stadt zusammenhängen, Kinder und Jugendliche nicht nur die erfahren Kinder und Jugendliche über das eigene künstlerische Wirken. einzelnen Sammlungen der Museen kennen – sondern auch deren Ver ortung, Bedeutung und Stellenwert
KOOPERATION | 17 Regina Selter und Barbara Hlali vom Museum Ostwall im Dortmunder U innerhalb der Stadt. Das Kunstmu seum wird damit zum Ort der kulturel len Bildung, der auch für die Jugend- lichen selbst ein möglicher Aktions- raum ist. Durch die Vernetzung des Heimatstadtmuseums mit einem Part- nermuseum in einer benachbarten Stadt lernen sie zudem, ihren eige- nen Aktionsradius über Stadtviertel und Stadtgrenzen hinweg zu erwei- tern. Es wurden stets beide besucht. Das Museum Ostwall einem für „RuhrKunstNachbarn“ ent- Inwieweit kann dieses Projekt im Dortmunder U macht bei wickelten Arbeits- und Skizzenheft – das Interesse an Kunst und Kultur „RuhrKunstNachbarn“ mit. als Notiz, Weg skizze, gezeichnete tatsächlich wecken? Was möchten Sie verändern? Tonspur. Im Museum werden Werke Selter: Natürlich reicht ein einzel- Selter: Der große U-Turm und die darauf untersucht, wie Stadterfah- nes Angebot nicht aus, aber es kann bunten Videoinstallationen auf dem rung mit der Erfahrung der Kunst ein wichtiger Impuls sowohl für Schü- Dach beeindrucken. Daher nutzen Ju- verbunden werden kann. Fragen da- ler*innen als auch für Lehrkräfte sein. gendliche das Dortmunder U gern als bei sind: Wie haben die Künstler*in- Eine positive Erfahrung bei einem Selfie-Hintergrund. Das Museum Ost- nen unbekannte Räume dargestellt? Workshop im musealen Kontext kann wall im Inneren des Turms sollte als Welche künstlerischen Vorgehens- ein wichtiger Türöffner sein, weiter- kultureller Ort für alle in dieser Außen weisen lassen sich auf die eigene hin Angebote von Kunstmuseen zu wahrnehmung noch sichtbarer werden. Erforschung der Stadt anwenden? nutzen. Und wenn Kinder von ihren Hier spielen Angebote der ästheti- Aspekte aus der Kunsterfahrung wer- Erfahrungen im Museum positiv zu schen Bildung eine wichtige Rolle. den ins „StadtKunstBuch“ integriert. Hause berichten, bestärkt dies Fami Unser Bildungsansatz ist darauf aus- Im dritten Teil des Workshops ver- lien, auch andere offene Angebote, gelegt, allen Kindern und Jugendlichen knüpfen die Jugendlichen beide Er- wie beispielsweise den Familien Zugang zu den kulturellen Ressourcen fahrungsebenen miteinander. sonntag im Dortmunder U oder Kunst- FOTOS: SARAH HÜBSCHER, MUSEUM OSTWALL IM DORTMUNDER U/ STEFANIE WEISSHORN-PONERT unseres Museums zu ermöglichen – kurse, für sich zu nutzen. unterstützt durch freien Eintritt. Aller- Welche Methoden der Kunst dings reicht dieses Öffnen der Türen vermittlung können dabei helfen, nicht aus, damit Menschen das Museum dass junge Menschen sich für sich entdecken. Mit „RuhrKunst- für die Künste interessieren? „RUHRKUNST- Nachbarn“ konnten wir Schulklassen Hlali: Im Museum Ostwall setzen NACHBARN“ aktiv zu uns einladen. Die Schü- wir digitale Medien wie Digicams oder ler*innen lernen im Workshop das iPads gezielt als künstlerisches Werk- Das Projekt des Netzwerks Museum kennen und finden Anknüp- zeug ein. Besonders in der Verbin- „RuhrKunstMuseen“ zielt darauf, fungspunkte zu ihrem eigenen Alltag. dung mit analogen Medien und hap den Ort Museum insbeson- tischen Erfahrungen möchten wir dere Kindern und Jugendlichen Was lernen Kinder mit und über eine Entschleunigung der Wahrneh- nahezubringen, die, zum Bei- Kunst – und über das Museum als mung unterstützen, durch die die spiel aufgrund ihres sozioökono- Teil des städtischen Raums? Kinder und Jugendlichen ihre Fanta- mischen Hintergrunds, mit Barbara Hlali: Schon auf dem Er- sie in einer künstlerischen Gestaltung Kulturinstitutionen nicht vertraut kundungsweg zum Museum werden analog und digital zum Ausdruck brin- sind. Langfristig will das Projekt Kinder und Jugendliche durch unter- gen. In unserem Konzept wenden wir auch die Arbeit von Museen schiedliche Wahrnehmungsübungen neben Übungen zur Sinneswahr öffnen und die Übergänge von für die Erfahrung des Stadtraums nehmung auch Methoden aus dem Räumen fließender gestalten, sensibilisiert. Ihre Sinneseindrücke Bereich des kreativen Schreibspiels um mehr junge Menschen auf halten sie im „StadtKunstBuch“ fest, und motorische Übungen an. andere Art zu erreichen.
18 | KÜNSTLERISCHE QUALITÄT Kunstlabore EXPERIMENT GEGLÜCKT Wie gelingt künstlerische Arbeit in Schulen? Und wie sichert man deren Qualität, damit Schüler*innen von ihr profitieren? Die „Kunstlabore“ erarbeiteten Antworten und Formate. I n einem Labor wird geforscht, Kunstprojekt im Chemieunterricht? getüftelt, geprobt – und oft alles Na klar! wieder von vorn. Was am Ende he- Über einen Zeitraum von drei rauskommen soll, sind sowohl valide Jahren, von 2015 bis 2018, waren die Methoden als auch Ergebnisse. Ge- „Kunstlabore“ aktiv, die eigens ge- nau darum kümmerte sich das Netz- gründete Partnergesellschaft Mutik werk „Kunstlabore“ mit einer beson- gGmbH gab dabei zusammen mit deren „Forschungsfrage“: Wie kann der Stiftung Mercator den Rahmen man künstlerische Angebote in ho- vor. Für jede der fünf Kunstsparten her Qualität an Schulen entwickeln Tanz, Musik, Literatur, Theater und und umsetzen? bildende Kunst wurde ein eigenes Das übergeordnete Ziel dahinter: Labor geschaffen, also ein Zusam- In Zeiten, in denen Algorithmen den menschluss von Projektträgern, Alltag bestimmen und die Digitalisie- Schulen und Künstler*innen, die in rung voranschreitet, sollen bei Schü- dieser Sparte aktiv sind oder werden ler*innen Empathie und selbststän- wollten. 25 Grund- und weiterfüh- diges Denken als zentrale Bausteine rende Schulen erklärten sich zur moderner Schulbildung entwickelt werden. Das entsprechende Medi- Teilnahme bereit und wurden so zum Reallabor für „Kunstlabore“-Projekte. „MAN FORSCHT, um dafür: die Kunst. Oder vielmehr: Der Begriff „Kunstlabor” wurde MAN VERWIRFT die Bruchstelle, wenn Kunst auf dabei ganz bewusst gewählt. „Er ETWAS, MAN Schule trifft und so etwas Neues ent- steht für unsere Haltung“, erklärt stehen kann. Die Idee der Labore: Julia Heisig, die das Projekt begleitet ORIENTIERT SICH Freie Künstler*innen so in den und gemeinsam mit ihrer Kollegin AN SETTINGS.“ Schulbetrieb zu integrieren, dass sie Heide Schönfeld verantwortet hat. kreative Impulse einbringen können. „Man forscht, man verwirft etwas, Julia Heisig, Projektleitung Den Unterricht nach Lehrplan mit man orientiert sich an Settings.“ An- „Kunstlabore“ neuen Ideen bereichern und in der ders als im üblichen Schulkontext ist Zusammenarbeit mit Lehrer*innen das Scheitern in den Kunstlaboren nicht nur Motivation entfachen, son- erwünscht. Ein Kunstlabor-Projekt dern ungewohnte Erlebnis- und wird als Prozess verstanden – es darf, Wahrnehmungsräume schaffen. Ein nein, es soll improvisiert werden, das
KÜNSTLERISCHE QUALITÄT | 19 Ausprobieren! Was für das Projekt „Kunstlabore“ galt, gilt heute auch für die Schulen, die sich an den erarbeiteten Materialien bedienen können. WIE KÜNSTLERISCHE QUALITÄT BEURTEILEN? „Natürlich musste sich das erst einruckeln“, erklärt Julia Heisig. Die Künstler*innen hatten extreme Vor- behalte gegenüber der Benotung von Kunst im schulischen Kontext und weigerten sich, „DIN-Normen“ vorzugeben. Allgemeiner Konsens: Künstlerische Arbeit soll nicht dem üblichen Bewertungskanon unterlie- gen. Allerdings kommen Lehrer*in- nen an einer Notengebung oft nicht vorbei. Gerade wenn, wie im Labor der bildenden Kunst, Ateliers ein gerichtet wurden, die als Leistungs- kurs mit Künstler*innen stattfanden. Zudem könnten zwei komplett iden tische Projekte, so schildert Julia Heisig das Dilemma künstlerischer Prozesse, an zwei Schulen zu völlig verschiedenen Erfahrungen führen. Ergebnis ist nicht vorgezeichnet, es inklusive Resümee sowie die Veröf- Kreativität validieren – wie also soll entwickelt sich im Zusammenspiel fentlichung der Website und des bil- das vernünftig geschehen? von Schüler*innen, Lehrer*innen und dungstheoretischen Ratgebers „Kunst- Die gemeinsamen Überlegungen Künstler*innen. Die Resonanz ist labore: Für mehr Kunst in Schulen!“. hierzu gingen in den Ratgeber ein, der durchweg positiv. Schüler*innen fin- Den ersten Abschnitt bezeichnet im März 2020 publiziert wurde. Statt den es großartig, dass sich Schule Heisig salopp als „Trial and Error“. Im von Qualität sprechen die drei Auto- mal nicht wie Schule anfühlt. Von Herbst 2015 habe es bereits erste rinnen Julia Heisig, Ivana Scharf und „Experimentierfreude“ und „Offen- Fördervereinbarungen gegeben, di- Heide Schönfeld darin lieber von „Er- heit“, so äußern sich Lehrer*innen, verse Schulen und Labore haben ge- fahrungspotenzialen“, die Künste profitieren alle. genseitig die Fühler ausgestreckt. Schüler*innen bieten könnten. Fünf FOTOS: STIFTUNG MERCATOR/KUNSTLABORE Richtig los ging es im Februar 2016. besonders relevante Qualitätsbe „DESIGN THINKING“ UND „Wir sind sehr ergebnisoffen gestar- reiche werden beschrieben: Im Zen PROTOTYPEN tet“, erzählt sie. Das gesamte erste trum des künstlerischen Schaffens Jahr über habe sich ein Kernteam steht die anleitende Person. Sie wird Kulturmanagerin und Literaturwissen von 15 bis 20 Personen einmal auch als „Herz“ und damit wichtigstes schaftlerin Julia Heisig unterteilt das monatlich zu Reflexionsgesprächen Element betrachtet. Es folgt die Projekt rückblickend in drei Phasen: getroffen und dabei Prototypen ge- Verständigung über Inhalte und Ziele. Auf die Erprobungsphase folgte der baut, um mit vielen Expert*innen aus An dritter Stelle steht der eigent- Transfer an die kooperierenden Schu- Kunst und Bildung neue Formate liche künstlerische Prozess, in dem len und schließlich die Anwendung und Herangehensweisen zu testen. Strategien transparent gemacht
20 | KÜNSTLERISCHE QUALITÄT Wenn Kunst auf Schule trifft, entsteht immer etwas Neues. „DER BEGRIFF ‚LABOR‘ STEHT FÜR DIE HALTUNG, MIT DER WIR AN DIE SACHE HERANGEGANGEN SIND.“ Julia Heisig, Projektleitung „Kunstlabore“ giert. Allesamt hoch spezialisiert auf künstlerischem Terrain oder im Bildungssektor. „Aber keiner“, so Heisig, „hatte Ahnung von digitalen Narrativen.“ Entsprechend groß war die anfängliche Skepsis, wie die Künstlerpersönlichkeit bei cross medialer Erzählweise vermittelt wer- den kann. „Da war harte Überzeu- gungsarbeit vonnöten“, resümiert Die kritische Prüfung die Projektleiterin. der Formate glich einem „Arbeiten am offenen Herz“. ENDLICH SICHTBAR MIT WEBSITE UND BUCH Schließlich habe man eine Agentur werden. Und schließlich spielen auch Kunstlabore in Schulen zu schaffen gefunden, die sich nicht nur aufs Pro- die Beziehungen zwischen Lehrer*in- und diese auf einer Plattform für alle grammieren versteht, sondern auch nen und Schüler*innen sowie deren frei zugänglich zu machen. mit den dezentralen Besonderheiten Verlässlichkeit und Dauer eine Rolle. Positiv dabei: Die kooperierenden klarkam – bei fünf Kunstlabor-Teams Ebenso wie, zu guter Letzt, auch der Künstler*innen konnten auf viele an diversen Standorten nicht ganz Raum, in dem Kunst sich entfaltet. Jahre Schulerfahrung blicken. „TUSCH“ unwichtig. Im März 2019 wurde die aus Hamburg bringt Theater und Plattform kunstlabore.de online ge- KUNST IM DIGITALEN MEDIUM Schule zusammen. Die „Deutsche stellt – mit mehr als 600 Seiten Kammerphilharmonie Bremen“ be- Arbeitsmaterialien, Video-Tutorials, FOTOS: STIFTUNG MERCATOR/KUNSTLABORE In den Jahren 2017 und 2018 sticht mit einer Wohngemeinschaft Erfahrungsberichten, Fotostrecken standen Entwicklungsprozess und von Profimusiker*innen und Schü- sowie praxisnahen Unterrichtsma Transfer im Vordergrund. „Es war ein ler*innen. „LesArt“ ist, wie „TanzZeit“, terialien, Checklisten, Projektideen. Arbeiten am offenen Herzen“, be- in Berlin ansässig, aber auch europa- In der finalen dritten Phase wurden richtet Julia Heisig, ständig habe weit als Literaturhaus für Kinder und die Resultate des Miteinander-Rin- man nachjustieren müssen. Alle bis- Jugendliche bekannt. Für die bil gens, der gemeinsamen Reflexion her erarbeiteten Formate mussten dende Kunst wurden unter Leitung und Arbeit somit für alle sicht- auf Verständlichkeit und Nutzbarkeit der Alanus Hochschule für Kunst und nachvollziehbar. Nun ist es an überprüft werden. Das Kriterium war und Gesellschaft freie Künstler*in- den Schulen, mit den Materialien zu schließlich, Modelle für künftige nen aus Nordrhein-Westfalen enga- experimentieren.
KÜNSTLERISCHE QUALITÄT | 21 Ausblick ZERTIFIKATSKURS „KULTURELLE BILDUNG“ Wie das Potenzial von Kunstschaffenden für Schulen besser nutzen? Die Universität Hildesheim entwickelt Kriterien für modellgebende Qualitätsstandards. An der Universität Hildesheim entsteht der Kurs „Kulturelle Bildung für Künstlerinnen und Künstler“. A b September werden die gesammelten Mate- Drei wichtige Punkte stehen vorab fest: Künstler*in- rialien aus den mehrjährigen Programmen nen dürften im Betrieb Schule nicht zu Hilfs „Kunstlabore“ und „Kulturagenten für kreati- lehrer*innen degradiert werden. Und auch das ve Schulen“ an der Universität Hildesheim ausgewer- Freiwilligkeitsprinzip aufseiten der Schüler*innen tet und für ein in die Zukunft wirkendes Projekt ge- sowie der Verzicht auf Schulnoten müssten ge- nutzt. Die immense Menge an Erfahrungen und währleistet werden. Wissen werde laut Projektleiterin Prof. Dr. Birgit Der Bedarf im Nachmittagsangebot der Schulen Mandel dahingehend untersucht, welche Qualitäts- sei groß, konstatiert Birgit Mandel. Noch fehlte standards sich daraus für künstlerisch basierte kultu- indes eine übergreifende Ausbildung mit Qualitäts- relle Bildungsprozesse in Schulen und anderen Ein- standards für Kunstschaffende in Bildungskon richtungen ableiten lassen. Ziel ist die Entwicklung texten, deren Besonderheit darin bestehe, dass eines Zertifikatskurses „Kulturelle Bildung für Künst- „die eigene künstlerische Arbeit zum Ausgangs- lerinnen und Künstler“. punkt für die Entwicklung von Vermittlungsan FOTO: AMÉLIE MOURICHON/UNSPLASH „Eine ergänzende Tätigkeit in der kulturellen Bil- sätzen wird“. dung kann sehr sinnvoll sein“, weiß die Geschäftsfüh- Das erste Zertifizierungsprogramm ist als Blau- rende Direktorin des Instituts für Kulturpolitik der pause gedacht, das langfristige Ziel ist eine bun Universität Hildesheim. Denn bis dato können ledig- desweite Implementierung in der gesamten Breite lich 20 Prozent der Kulturschaffenden von ihrer der Kulturlandschaft. Ab Frühjahr 2021 startet Kunst leben. Ihr Institut wird im Rahmen dieser For- das Programm für etwa 30 Personen mit voraus- schungsarbeit ein Curriculum für einen Zertifikats- sichtlich acht Modulen, die alle Kunstsparten kurs erarbeiten, der dem Potenzial der Künste im umfassen: Musik, bildende Kunst, Tanz, Theater, Kontext kultureller Bildung gerecht werden soll. Medienkunst und Creative Writing.
22 | SYSTEMISCHE VERANKERUNG Strukturen & Prozesse „KULTURELLE BILDUNG IST EINE QUERSCHNITTS- AUFGABE“ Die Stiftung Mercator setzt sich gezielt für die systemische Verankerung der kulturellen Bildung ein. Aber wie packt man das an? Wen holt man ins Boot? Marcus Kauer, Referatsleiter für Kulturelle Bildung im Hessischen Kultusministerium, und Pia Hegener, Referentin im Ministerium für Schule und Bildung NRW, erzählen. Herr Kauer, Schule ist ein System Ihren Bundesländern Nordrhein- aus vielen Regeln. Vom vorge Westfalen und Hessen? gebenen Lösungsweg abzuweichen Pia Hegener: Kulturelle Bildung wird oft nicht belohnt – auch wird heute viel mehr mitgedacht bei wenn das Ergebnis stimmt. Kultu der Schulentwicklung. Es geht nicht relle Bildung arbeitet dagegen mehr nur um das fachliche, inhaltliche prozessorientiert. Prallen da päd- Lernen, sondern darum, welche wei- agogische Welten aufeinander? teren Kompetenzen zum Leben und Marcus Kauer: Leider begegnet Lernen in der Schule dazugehören. In einem das tatsächlich immer noch, NRW haben wir durch eine Vielzahl ja. Dabei müssen wir die linearen von Programmen und den Austausch Lernwege verlassen und den Kin- zwischen Schul-, Kultur- und Jugend- dern das Werkzeug der Kreativität ministerium viel getan, um kulturelle und des Freiraums wieder an die Bildung strukturell zu verankern – Hand geben. Damit sie lernen, sich zu auch durch die Zusammenarbeit mit erproben, zu entdecken und neue außerschulischen Kulturpartnern. Es Lösungswege zu suchen. Nur so braucht die verlässlichen Strukturen, bilden wir zukunftsfähige Menschen aber auch immer wieder neue Expe aus. Und das bedeutet, Kreativität zu rimentierfreude. Das ist in vielen Marcus Kauer, Referent für Kulturelle schulen und die Suche nach neuen Schulen mittlerweile gut verankert. Bildung, Hessen Wegen zuzulassen. Mit den Pro- Wir können uns sicherlich noch nicht grammen zur kulturellen Bildung zufrieden zurücklehnen. Aber das machen wir dafür unermüdlich Mut. Bewusstsein für kulturelle Bildung wächst deutlich. Sie beide sind in Ministerien aktiv. Kauer: In Hessen stehen wir gut Wo steht die kulturelle Bildung in da, kulturelle Bildung hat ein eigenes
SYSTEMISCHE VERANKERUNG | 23 Pia Hegener, Referentin im Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen Referat. Das zeigt die Ernsthaftigkeit schnittsaufgabe. Wir sind immer und den Willen, sie fest zu etablieren. noch dabei, ein Bewusstsein dafür zu Mittlerweile sind fast 550 Schulen in schaffen. Und wir merken: Immer da, diesem Programm. Die möchten wo kulturelle Bildung als ernsthafter weiter damit arbeiten, weil es sich so Schulentwicklungsprozess verstan- Hegener: Es gibt keinen allgemein- lohnt – und zwar alle Schulformen. den wird, ist es ein langwieriger Pro- gültigen Fahrplan. Wir haben in NRW Das motiviert das Kultusministerium, zess. Das ist nichts, was man mit mehr als 6.000 Schulen mit ver- die systemische Verankerung weiter zweijährigen Programmen mal eben schiedenen Ausgangslagen. Auf je- auszudehnen. absolvieren kann. den Fall braucht es die Schulleitung. Kauer: Auch die außerschulischen Doch eine Person reicht nicht – man Welche Strukturen wurden ge Akteure sind ganz relevant beim Eta- muss das ganze Kollegium mitneh- schaffen, um kulturelle Bildung im blieren kultureller Bildung. Da sind men! Was sich in NRW bewährt hat, System Schule zu verankern? Museen, Musikschulen, Hochschulen, sind feste Ansprechpartner*innen in Hegener: Die Arbeitsstelle Kul die mittlerweile neue Bildungskon- den Schulen und eine klare Struktur, turelle Bildung NRW bietet dafür zepte entwickeln und mit Schulen zu- zum Beispiel in Form eines Kultur- FOTOS: CORNELIA PICHT, PLAINPICTURE/LUKASZ CHROBOK, MSB NRW die Hauptunterstützungsstruktur. Sie sammenarbeiten wollen. Dank dieser fahrplans. Damit das Thema auf der wird getragen von den Ministerien Kooperationen erkennen die Schulen Agenda bleibt und sich weiterent Schule, Kultur und Jugend. Die res- die Relevanz von kultureller Bildung wickelt. Unbedingt muss man auch sortübergreifende Zusammenarbeit für die Persönlichkeitsentwicklung die Schüler*innen, ihre Ideen und Be- ist wichtig, da kulturelle Bildung nur und Problemlösungskompetenz der dürfnisse mit einbeziehen. Was mir im Zusammenspiel der Institutionen Schüler*innen. Und die Schulleitung wichtig ist: Nicht alle Schulen sind und Partner erfolgreich entfaltet merkt: Sie ist nicht allein mit diesem auf dem gleichen Stand – und das ist werden kann. Der Auftrag der Ar- Ansatz – und das ist gar nicht so in Ordnung. beitsstelle ist die Entwicklung und unkonventionell. Es geht ja immer Kauer: Wie in jedem Organisa Begleitung kultureller Gesamtkon- wieder darum, Mut zu machen, Frei- tionsentwicklungsprozess folgt nach zepte in den Kommunen und die Be- heiten und Kreativität zuzulassen. einer kurzen Zeit der Euphorie meist ratung der Akteure. Sie holt alle Be- das Tal der Tränen. Zuerst teiligten an einen Tisch, vernetzt und Wie etabliert man kulturelle machen alle plötzlich Musik in allen begleitet. Es geht eben nicht alleine: Bildung in Schulen, und wen holen Fächern und sind begeistert. Und Kulturelle Bildung ist eine Quer- Sie dafür ins Boot? dann scheitert es daran, dass
24 | SYSTEMISCHE VERANKERUNG Klare Strukturen helfen dabei, kulturelle Bildung in der Schule dauer- haft zu etablieren. mir? Wie kann man sich der Kunst nähern und etwas für sich entdecken? Dazu kommen die vielen Partner*in- nen von außerhalb der Schule. Die- se Begegnungen begleiten wir mit vielen Vorträgen. Für all das braucht es ein Team, das dauerhaft operativ begleitet und ansprechbar ist. Die Stiftung Mercator hat man keine Theaterbühne oder Licht- Lebensort wird. Das hat nicht nur die kulturelle Bildung zehn Jahre anlage hat. All diese Strukturen sind damit zu tun, dass die Flure schön lang gefördert. Welche nicht etabliert. Ein anderer Punkt ist gestaltet sind, sondern welche Kul- Impulse nehmen Sie von der die Fehlerkultur: Das Erproben und tur des Umgangs sich in einer Schule Stiftung mit, und welche auch das Scheitern gehören zum etabliert. Es verändert auch die Feh- Ideen entwickeln Sie weiter? Lernprozess. Plötzlich trauen sich lerkultur, wenn Schüler*innen sich Hegener: Ein großer Mehrwert Kinder, zu tanzen, zu singen, stellen trauen, eine Idee einfach auszupro- entstand durch den Austausch mit ihre Produkte aus – und die werden bieren. Vor allem dann, wenn die Lehr- den anderen Bundesländern. So dann vielleicht zerstört, oder man kräfte ihre eigene Kreativität aktiv konnten wir voneinander lernen, Er- lacht darüber. Für die Schulen ist es einbringen. Das Selbstbewusstsein kenntnisse, Erfahrungen und erfolg- wichtig, eine Aufführungskultur ein- der Schüler*innen wächst, weil sie reiche Konzepte miteinander teilen. zuüben. Und die dritte große Hürde selbst kreativ werden und Lösungen Diesen Austausch will ich weiterhin ist die personelle Fluktuation. Da für neue Fragestellungen finden – verfolgen. verlassen Menschen die Schule, die über alle Fächer hinaus. Kauer: Ein starker Aspekt ist die die Idee einer Kulturschule in sich Kauer: Die meisten Schulen wollen Fortbildung der Lehrkräfte. Indem tragen – immer wieder auch die neu- gar nicht aussteigen. Dazu trägt auch wir sie für kulturelle Bildung sensibi- en Kolleg*innen in diesen Prozess die professionelle Prozessbegleitung lisieren und ihnen Ressentiments einzubinden kostet Kraft. bei – gerade in anstrengenden und nehmen, binden wir die gesamte FOTO: PLAINPICTURE/MIRA/MICHAEL LANDER konfliktbehafteten Situationen. Schulgemeinde bei der Verankerung Warum bleiben die Schulen ein. Außerdem haben wir gelernt, trotzdem am Ball? Wie läuft diese wie wichtig die Evaluation unserer Hegener: Ich sage immer, man Prozessbegleitung ab? Programme ist. Zusammen mit dem muss es live erleben. Wenn Kinder Kauer: Die Bausteine sind Coa- Ministerium in Niedersachsen haben und Jugendliche auf der Bühne ching, permanente Fortbildung des wir ein Tool entwickelt, mit dem kul- stehen, ein Theaterstück aufführen, Kollegiums, auch in der Begegnung turell aktive Schulen selbst prüfen miteinander musizieren oder durch mit den Künsten. Vor allem skepti- können, wo sie stehen. Generiert eine Ausstellung führen, sieht man, sche Lehrkräfte profitieren von der wurde das Werkzeug aus der Zu- wie Schule zu einem wunderbaren Erfahrung: Was macht die Kunst mit sammenarbeit mit der Stiftung.
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